Verspätete Ehrung für jüdischen Fußballer

Sportgelände in Berlin erhält den Namen des ermordeten Fußballers Julius Hirsch

von Oliver Händler (Neues Deutschland, 22.01.2007)

Am Sonntag wurde die Sportanlage »Am Eichkamp« in Berlin-Charlottenburg zu Ehren eines jüdischen Fußball-Nationalspielers feierlich in »Julius-Hirsch-Sportanlage« umbenannt. Dem vorausgegangen waren Vorbehalte und Missverständnisse zwischen Nachbarn und Sportkameraden.

Es war die letzte Aprilwoche vergangenen Jahres. Junge jüdische Fußballer aus vier Ländern spielten die so genannte European Maccabi-Football-Trophy aus. Das deutsche Team konnte seinen Titel gegen die Mannschaften aus Russland, Ungarn und Großbritannien verteidigen, doch das war nicht das Thema, das die Veranstalter dieser Tage beschäftigte.
Die Gastgeber vom jüdischen Verein TuS Makkabi Berlin hatten versucht, ihre neue Heimstätte, das Gelände »Am Eichkamp« in »Julius-Hirsch-Sportanlage« umzubenennen, dem jüdischen Fußballer, zu dessen Ehren bei diesem Turnier gespielt wurde. Der Plan konnte jedoch nicht in die Tat umgesetzt werden, da sich Nachbarvereine quergestellt hatten.
Tennis Borussia (TeBe) Berlin und der SC Charlottenburg (SCC) hatten sich dagegen ausgesprochen, nicht aus Antisemitismus, wie sie stets versicherten, sondern weil Hirsch in ihren Augen nichts mit der Anlage zu tun gehabt hätte. Er habe schließlich nie in Berlin gespielt. Der simple Fakt, Jude gewesen zu sein, könne nicht für eine Namensgebung ausreichen.
Hirsch war jedoch nicht nur Jude. Bis heute ist er einer von nur zwei jüdischen Fußballern in einer deutschen Nationalmannschaft. 1910 und 1914 wurde er Deutscher Meister und 1912 spielte er für Deutschland bei den Olympischen Spielen in Stockholm. »Ab 1933 wurde Julius Hirsch aufgrund seines Glaubens von den Nationalsozialisten entrechtet, gedemütigt, verfolgt und 1943 ermordet.« So steht es auf einer Gedenktafel an der Anlage, die am Sonntag auf Beschluss der Bezirks-verordnetenversammlung (BVV) nun doch seinen Namen erhielt.
Erst 1999 tauchte Hirsch wieder in den offiziellen Länderspiellisten des DFB auf. Es wäre ein symbolischer Akt für wieder gewonnene Normalität im Umgang mit der jüdischen Kultur gewesen, diese Umbenennung problemlos durchzuwinken. Die Weigerung der anderen Vereine, deren Zustimmung der politische Prozess nicht einmal bedurft hätte, hatte jedoch weniger mit der Person Julius Hirsch zu tun, sondern wohl eher mit verletzter Eitelkeit. Makkabi hatte Jahrzehnte lang versucht, eine Heimat in Berlin zu finden. Erst 2005 war es dem Verein gelungen, das Gelände in der Nähe des Funkturms zu übernehmen. Auch die anderen Vereine beanspruchten damals die Sportstätten, konnten sich aber nicht durchsetzen.
Nun wollten sich die beiden Traditionsvereine nicht schon wieder übergehen lassen. Also schlug TeBe den Namen Hans Rosenthal vor, ehemaliger Präsident von TeBe und gleichzeitig Mitglied des Zentralrats der Juden. Auf der Anlage wurde von TeBe-Mannschaften jedoch kaum noch gespielt.
Die Emotionen kochten hoch, und die Verantwortlichen des jüdischen Vereins spürten, nicht willkommen zu sein. »Das ist verletzende Schikane«, sagte der Vor-sitzende von Makkabi Tuvia Schlesinger damals. »Es kommt einem so vor, als wolle man uns, als neuem Verein im Revier, nichts gönnen.« Bei der gestrigen Feierstunde schlug Schlesinger nun versöhnlichere Töne an. »Die Freude, es endlich geschafft zu haben, überwiegt. Die Ereignisse vom April sind vergessen und vergeben.«
Diese Haltung können sich die Beteiligten jetzt leisten, da ein Kompromiss gefunden wurde, nachdem die SPD den Antrag für Julius Hirsch am Eichkamp und die CDU den für Hans Rosenthal für die Nachbaranlage »Am Kühler Weg« in die BVV Charlottenburg-Wilmersdorf einbrachten und beide Anträge bewilligt wurden.
Vertreter des TeBe-Vorstands waren auf der Feier am Sonntag nicht zu finden, obwohl TeBe die Anlage mitnutzt. So hat der Verein mit seinem Störfeuer nicht nur Angst vor antisemitischen Ressentiments bei den Betroffenen in Kauf genommen, sondern wiederholt die Chance verpasst, ein Zeichen für Toleranz zu setzen. Dies bleibt die Tragik dieses überflüssigen Streits unter Nachbarn.
Nebenbei fand gestern noch ein Freundschaftsspiel zwischen TuS Makkabi und dem SV Babelsberg statt, und wieder behielten die Gastgeber mit 2:1 die Oberhand. Thema des Tages war der Fußball aber wieder nicht.