IM REICH DER MARIONETTEN

Georgie läßt die Puppen tanzen

(von Jürgen Cain Külbel, 14.12.2006)

Politische Hampelmänner sind eine absonderliche Spezies. Sie tauchen urplötzlich in der Weltgeschichte auf, spielen ihre Rolle ohne zu murren, um endlich sang- und klanglos in der Versenkung zu verschwinden.

Derhohe Ast, auf dem der US-Häuptling Bush saß, von dem aus er die Welt zu überblicken und dirigieren gedachte, ist längst vom imperialen Baum abgebrochen und beide, Geäst und Kletterer, nähern sich dieser Tage mit rasender Geschwindigkeit dem texanischen Staub.

Unvermeidbar,dass der Möchtegern-Imperator am Potomac seine Marionetten, hüpfen sie nun in Beirut, Kabul, Bagdad vor und hinter den Kulissen herum, mit in die Tiefe reißt.

Fragt sich unsereiner heute, aus welchem Holz derart Gestalten geschnitzt sind, damit sie einst dem mächtigsten Männlein auf amerikanischer Erde, ein Kriegsverbrecher par excellence, zum politischen Spiele gereicht werden konnten? Eine „Begutachtung“ zweier Auslaufmodelle liefert erste, allerdings unvollständige Aufschlüsse. Das „Erste Puppenspiel - Washingtons Ziehsohn auf dem Thron von Beirut“ war dem USAID-Markenartikel Fouad Siniora gewidmet. Im zweiten Puppenspiel übernimmt GucCIA-Präsident – Verzeihung: Gucci-Präsident - Hamid Karzai die Hauptrolle.

Zweites Puppenspiel: “Der Durrani-Spross auf dem Thron von Kabul“

In Afghanistan kursieren verschiedene Beinamen für den Präsidenten Hamid Karzai. Für die einen ist er eine „Marionette der USA“, für andere der „Bürgermeister von Kabul“ oder auch der „Gucci-Präsident“ – frei nach Tom Ford, Chefdesigner der Edelmarke, der ihn als den „schicksten Mann des Planeten“ bezeichnete.

Obwohl Karzai wie der geborene Diplomat zwischen Weißem Haus, Downing Street, Rom, Peking oder Tokio wandelt, haben seine Landsleute Gründe, dem smarten Mann nach wie vor zu misstrauen. Den durch viel Leid gebeutelten Menschen am Hindukusch kommt der hoch gewachsene, beinahe kahlköpfige Beatles-Fan mit dem sorgfältig gestutzten Bart, der Rolex am Handgelenk, den italienischen oder englischen Schuhen, dem britisch geschnittenen Jackett unter langem grünen Seidenumhang wenig afghanisch vor. Das hat gute Gründe:

Pakistan, Oktober 1984: Ein C-141 Starlifter landete auf der Militärbasis südlich von Islamabad. An Bord William Casey, Direktor des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes Central Intelligence Agency (CIA). Grund der Geheimvisite: Abgleichen der Kriegsstrategie gegen die Sowjets in Afghanistan mit dem pakistanischen Geheimdienst Inter Service Intelligence Agency (ISI). Steve Coll, Washington Post, kommentierte 1992: „Caseys Besuch war das Vorspiel für eine geheime Entscheidung der Reagan-Administration im März 1985 die verdeckten US-Aktionen in Afghanistan zu verstärken.“

Sayed Hamid Karzai zählte damals 26 Jahre. Ahmed Bashir, Mitarbeiter des pakistanischen Geheimdienstes ISI erinnerte sich: „Ich habe ihn 1984 unserem Geheimdienstchef Akhtar Abdur Rahman Khan vorgestellt. Der stellte Karzai dem damaligen CIA-Chef William Casey vor.“ Der indische Journalist Preetam Bora schrieb seinerzeit in Sapra India: „Die Verbindungen der Familie Karzai zum ISI gehen bis in die frühen 1980er Jahre zurück, als Hamid Karzai und sein Vater Abdul Ahad Karzai mit Offiziellen des ISI befreundet waren.“

Flucht nach Pakistan, Studium in Indien

Die Familie Karzai gehört dem ältesten afghanischen Königsclan an, dem Clan der Popalsoi. Mit 500.000 Mitgliedern ist er der zweitgrößte Paschtunenstamm Afghanistans. Dessen Begründer, der legendäre Kommandeur der persischen Armee Ahmed Schah Durrani, hatte im Jahre 1747 Kandahar erobert und wurde erster afghanischer König. Karzais Großvater diente dem letzten König Mohammad Zahir Shah als Präsident des Nationalrates, der Vater, Abdul Ahad Karzai, als Senator und Parlamentssprecher, ehe eine Militärrevolte die Monarchie im Jahre 1973 endgültig beseitigte.

Der ethnische Paschtune und moderate Muslim Hamid Karzai wurde am Weihnachtsabend 1957 in diese Familie, die in Kandahar ein großes Anwesen mit Hof - „groß genug, um darin mit einem Pferd zu reiten“ - besaß, hineingeboren. Die Kindheit verlebte der Knabe in Kars, wo er mit dem Cousin Cricket und Baseball übte. Der junge Karzai besuchte hernach das Kabuler Habibia-Gymnasium, wo Sibghatullah Mudschaddidi lehrte, ein Theologe, der bereits in den 1960er Jahren wegen Widerstandes gegen den vermeintlich pro-sowjetischen Kurs der Regierung im Gefängnis saß. Hamid Karzai schrieb sich nach Abschluss der Schulausbildung 1978 an der Hamachal Pradesh University in Simla in das Fach Politikwissenschaft ein. Der damals langhaarige, Glockenhosen tragende Student, der dort in der Young Men s Christian Association (YMCA) tätig wurde, legte bereits 1983 das Masterexamen in „Internationalen Beziehungen“ ab.

Während er in Indien studierte, putschten marxistische Offiziere im Jahre 1978 den afghanischen König Mohammed Daoud hinweg. Als nach der Machtübernahme der Demokratischen Volkspartei Afghanistans Präsident Taraki 1979 gestürzt wurde und die Sowjetarmee daraufhin einmarschierte, floh die Familie Karzai nach Pakistan. Viele junge Afghanen blieben im Land und kämpften als Mudschaheddin einen Guerillakrieg gegen Regierungsarmee und Sowjets.

Die USA reagierten auf die Situation: „Am 3. Juli 1979 genehmigte

Karzai lehnte ab, der anfängliche Enthusiasmus für die Gotteskrieger war abgeflaut. Allerdings verhehlte nie, dass er die Taliban anfangs unterstützt hat. Für ihn, der sich mehr als „Politiker, denn Kämpfer“ betrachtete, waren sie die Alternative zu den zerstrittenen Kriegsherren der Mudjahedeen. „Karzai sah (auch) keinen Widerspruch zwischen seinen Verbindungen zu den Amerikanern und seiner Unterstützung für die Taliban seit 1994, als die Amerikaner - geheim und vermittels der Pakistani - die Machtübernahme durch die Taliban unterstützten ... Zu der Zeit arbeitete Karzai als Berater für die riesige US-Öl-Gruppe Union Oil of California (UNOCAL), welche die Taliban-Bewegung unterstützte und danach trachtete, eine Pipeline für den Transport von Öl und Gas aus den Islamischen Republiken Zentralasiens zu bauen", schrieb die saudische Tageszeitung Al-Watan. Allerdings waren die Taliban „eine Schöpfung des pakistanischen Geheimdienstes und werden vermutlich von der CIA und Saudi-Arabien finanziert. Es wird sogar behauptet, dass UNOCAL zusammen mit dem saudischen Partner Delta Oil beim 'Einkauf' örtlicher Kommandanten eine große Rolle gespielt hat", wusste Pierre Abramovici von Le Monde Diplomatique.

Im Jahre 1995 startete UNOCAL nun Verhandlungen über den Bau der so genannten CentGas-Pipeline von Turkmenistan nach Pakistan. Abramovici: „Während der Verhandlungen über die afghanische Öl-Pipeline war Karzai Berater für UNOCAL“. Teresa Covington, die für Internationale Kommunikation zuständige Managerin jenes Ölgiganten, behauptete Anfang 2002 jedoch: „Nein, er nicht. Weder als Beschäftigter noch als Berater. Wir senden Le Monde eine Note, damit die das berichtigen“. Die Note blieb bis heute aus, und Wayne Madsen konkretisierte: „Hamid Karzai war der Top-Berater von El Segundo, der in Kalifornien beheimateten UNOCAL Corporation.“

Der pakistanische Geheimdienst ISI „arrangierte“ nun 1996, dass das „religiöse Mandat der Taliban“ nachträglich internationale Anerkennung fand; die Taliban wurden somit „regierungstauglich“. UNOCAL, das darauf gewartet hatte, wurde sofort aktiv und schloss mit den Taliban am 23. Juli 1997 in Islamabad einen Vertrag über den Bau einer 1500 km langen Erdgasleitung von Turkmenistan über Kandahar nach Quetta und Multan in Pakistan ab. Im November 1997 lud UNOCAL dann einige Führer der Taliban in die Raffinerien nach Houston in Texas ein. Die Company deutete an, 15 Cents pro 1000 Kubikfuß Gas zu zahlen, welches durch das befreite Afghanistan fließen würde. Die Taliban wurden königlich im dortigen Vorort Sugarland, in Bush's Residenz und an anderen Plätzen in Houston empfangen und mit ausgewählten Weinen und vorzüglichen Speisen bewirtet.

Der Konzern UNOCAL, der große finanzielle Interessen der Familie Bush vertritt, erhielt nun den Auftrag, Afghanen im Bau dieser Pipeline auszubilden. Im Dezember 1997 wurde zu dem Zweck ein Ausbildungszentrum an der Universität von Omaha in Nebraska eröffnet, das 137 Afghanen unterrichtete. UNOCAL „investierte“ aber auch indirekt in der südafghanischen Stadt Kandahar, um dort die für den Pipelinebau benötigten Techniker weiterbilden zu können.

Zwischen 1995 und 1998 unterstützte die US-Regierung das Pipeline-Projekt der Firma UNOCAL rückhaltlos. Washington erlaubte den Taliban sogar, ein diplomatisches Büro in Queens, New York zu betreiben. Die Amerikanerin Laila Helms, stand den Taliban als PR-Frau zur Seite und assistierte bei sämtlichen Verhandlungen. Was für ein Zufall: Helms ist aber auch die Nichte des ehemaligen CIA-Direktors Richard Helms und mit dessen Neffen verheiratet. Und ein noch größerer Zufall: Laila Helms ist ebenso verwandt mit dem afghanischen Ex-König Zahir Schah; zugleich ist sie die Enkelin von Faiz Mohammed Zikira, letzter afghanischer Außenminister unter diesem König. Sayed Hamid Karzai hat also bei den UNOCAL-Verhandlungen einem Abkömmling aus dem eigenen Clan gegenüber gesessen. 

Während der Verhandlungen reiste Karzai mehrmals in die USA und besprach sich mit hochrangigen CIA-Leuten, Offiziellen im Außenministerium und der Regierung. Auch wenn er meistens in Afghanistan oder im Exil in Pakistan blieb, so diente Karzai doch den Interessen der Agentur (CIA), wie auch denen der Bush-Familie und deren Öl-Freunde während der Verhandlungen über den CentGas-Deal, schrieb die pakistanische The News International.

1998 ließ UNOCAL das Projekt „offiziell“ fallen: Feministische Gruppen und Bürgerrechtsbewegungen in den USA hatten scharfe Kritik am engen Verhältnis zu den Taliban geäußert; außerdem, so nahm man an, hatten die Leute von Osama bin Laden zwei US-Botschaften in Ostafrika in die Luft gesprengt. Inoffiziell blieb man jedoch ungerührt: Noch im ersten Halbjahr 2001 weilten prominente Vertreter der Taliban in den USA und fanden offene Türen bei Behörden und Medien. Sogar bis wenige Wochen vor dem 11. September 2001 wurde verhandelt. Unterhändlerin für die Regierung war Christina Rocca, Sonderbeauftragte für Südostasien im Außenministerium. Mit Afghanistan kannte sie sich aus: Das Land fiel zwischen 1982 und 1987 in ihren Zuständigkeitsbereich beim Directorate of Operations der CIA.

Wie berichtet, Ende 1995 entfremdete sich Karzai von den Taliban, als Osama bin Laden und Al Qaida zunehmend Einfluss auf die Politik Mullah Omars gewannen. „Seine anfängliche Begeisterung schwand mehr und mehr dahin, als er feststellte, dass die Taliban von ausländischen Geheimdiensten infiltriert wurden.“

Vom pakistanischen Quetta aus kontaktierte er ab 1997 afghanische Exilanten und die Nordallianz, die Hauptkraft innerhalb Afghanistans gegen die Taliban, um Unterstützung für die Wiedereinsetzung von König Zahir Shah zu erheischen. Mehrmals flog er in die USA, um mit hochrangigen Leuten der CIA, des State Department und der Regierung die Planungen für eine groß angelegte verdeckte Operation voranzutreiben, die einen Volksaufstand gegen die Taliban in Afghanistan provozieren sollte. 1999 versuchte er, paschtunische Stammesfürsten für dieses Ziel zu gewinnen. Die Taliban bekamen davon Wind und übten Rache: Im Juli 1999 wurde Karzais Vater, der auch über gute Kontakte nach Washington verfügte, in Quetta auf dem Rückweg vom Abendgebet erschossen. Der Mörder entkam auf einem Motorrad. Der Reporter Humayun Akhtar von Pakistan Link vermutete einen Auftragsmord des Taliban-Führers Mullah Mohammed Omar.

Als die »Antiterror-Koalition« unter Führung der USA als Reaktion auf den 11. September 2001 die Taliban und Al Qaida am 7. Oktober 2001 in Afghanistan angriff, gaben Verteidigungsminister Rumsfeld und CIA-Direktor Tenet grünes Licht, das Karzai mit drei Männern die Grenze zu Südafghanistan überschreiten solle, um paschtunische Fürsten zum bewaffneten Volksaufstand gegen die Taliban zu ermutigen und deren Zustimmung für den früheren König Zahir Shah einzuholen. Angeblich wurde die Gruppe von hunderten Taliban attackiert und USA-Hubschrauber hätten Karzai, „den Mann, der in extremen Umständen kühlen Kopf bewahrt, in letzter Sekunde herausgeflogen“.

In den Kabuler Teestuben witzelt man über die Story. Karzai, der sich in seiner Luxusvilla in Pakistan verkrochen hatte, wo er mit unzufriedenen Emigranten grantelte, grünen Tee schlürfte und süße Mandeln naschte, sei nie ein Kämpfer gewesen. Offenbar nur eine James-Bond-Räuberpistole, um den Exilanten mit einem Touch 007 beschmieren zu können, damit sich die „heldenhafte Marionette“, die angeblich ihr hölzernes Leben ganz uneigennützig für die „Befreiung“ Afghanistan eingesetzt hatte, politisch werbewirksamer vermarkten lässt.

Unter enormem Druck von UNO und USA einigte sich die Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn am 5. Dezember 2001 gegen den Willen vieler Konferenzteilnehmer auf Hamid Karzai als Chef der Übergangsregierung. Als der am 22. Dezember 2001 tatsächlich in das Amt gehievt wurde, hagelte es Kritik. Der Stammesführer Jabbar Ahmed Khan schimpfte: „Er ist doch nur eine Marionette der USA. Wir Afghanen wollen ihn nicht. Er hat auch nicht aktiv gegen die Taliban gekämpft“. Und Gulbuddin Hekmatjar, der Ex-Premier behauptete zurecht: „Die Amerikaner haben uns diese Regierung aufgedrängt. Die Vereinten Nationen haben damit wenig zu tun gehabt.“

Ein halbes Jahr später, im Juni 2002, wurde Sayed Hamid Karzai auf der Loya Jirga, der Großen Ratsversammlung der Afghanen, zum Staatsoberhaupt gewählt. Peter Symonds vom Centre for Research on Globalization (CRG) berichtete, dass Druck auf den ehemaligen König Zahir Schah und den Ex-Präsidenten Burhanuddin Rabbani ausgeübt worden war, damit die sich nicht widersetzten, den von den USA bevorzugten Karzai zum Staatsoberhaupt zu küren. Heftig wurden auch das antidemokratische Verfahrens, die Manipulation durch ausländische Beobachter und die Schikanen durch regionale Kriegsherren und Geheimdienstoffiziere in Zivil kritisiert. Enttäuscht, misstrauisch ob des „ausländischen Einflusses“ und verärgert über die Drohungen und Einschüchterungen stürmte ein Großteil der Delegierten am 17. Juni 2002 aus der Versammlung. Der Delegierte Mullah Abdul Karim: „Ich selbst wurde unter Drohungen dazu gebracht, Karzai zu unterstützen, obwohl mein bevorzugter Kandidat der ehemalige König war.“ Karzai war nie geplant, die Amerikaner hatten ursprünglich auch den paschtunischen Stammesführer Abul Haq bevorzugt. Den aber hatten die Taliban geschnappt, gefoltert und hingerichtet. Vielleicht ist das der Grund für die schnelle Metamorphose des noch im Jahre 2000 Rauschebart und Turban tragenden Muslim Karzai zum weltmännischen und modebewussten Politiker.

Karzai ist – wie jede Marionette - abhängig von der politischen und wirtschaftlichen Unterstützung der Großmächte. Daher tanzt er nach deren Pfeife. Afghanistan ist faktisch durch US-Truppen samt ihren „Mittätern“ besetzt, und in Kabul ist eine Regierung installiert, die sich an der Politik der Vereinigten Staaten orientiert. In der engen Bindung an die USA sah Karzai von Beginn an das wesentliche Element seiner Politik. Im Interview mit der Washington Post im Dezember 2001 äußerte er, sein Land werde den USA ein „vertrauensvoller Alliierter und Freund sein“.

Aus der Verbundenheit heraus grenzt es nicht an ein Wunder, dass die US-Botschafterin in Pakistan, Wendy Chamberlain, ehemals Directorate of Operations bei der CIA, im Januar 2002 den pakistanischen Ölminister Usman Aminuddin „traf“ und mit ihm die Pläne für die CentGas-Pipeline und den Bau eines pakistanischen Öl-Terminals am Arabischen Meer „besprach“. Wenige Tage danach, am 9. Februar 2002, gab dann auch die Irish Press bekannt, dass „der pakistanische Präsident Musharraf und der afghanische Interimspräsident Hamid Karzai gestern darüber überein stimmten, dass ihre beiden Länder die beabsichtigte Gas-Pipeline von Zentralasien nach Pakistan via Afghanistan realisieren“. Anfang März 2002 tourte Karzai dann pflichtgemäß zum Staatsbesuch nach Aschabad, um das US-Projekt mit Saparmurad Niyazov, dem „Führer aller Turkmenen“, ein Irrer, der sein Land unter dem Slogan „Ein Volk, ein Vaterland, ein Führer“ regiert, der die Monatsnamen nach sich und seinen Familienmitgliedern umbenannt hatte, zu „diskutieren“. Niyazow verstarb vor wenigen Tagen.

Ein halbes Jahr nach Amtsantritt konnte Karzai denn auch Vollzug melden; Faraz Hashmi von The Dawn Group of Newspapers, Islamabad, schrieb am 30. Mai 2002: „Pakistan, Turkmenistan und Afghanistan unterzeichneten am Donnerstag ein trilaterales Abkommen für eine Multimilliarden Dollar Gas-Pipeline, die von den Daulatabad-Gasfeldern in Turkmenistan nach Gwadar in Pakistan führt.“ Unterzeichner waren der pakistanische Präsident Musharraf, die turkmenische Einmann-Regierung Niyazov und Karzai. Kommentar Musharraf: „Dieses Mega-Projekt lag viele Jahre auf Eis, es konnte aufgrund der Instabilität Afghanistans nicht verwirklicht werden.“ Amerikanische Bomben und Karzai haben das Geschäft gerichtet.

Bewacht von den DynCorp-Bodyguards

Und amerikanische Waffen schützen die Präsidentenmarionette auch heute noch: Er wird von Bodyguards der USA-Sicherheitsfirma DynCorp bewacht, die zwar verschiedene Anschläge verhindern konnten, aber im Oktober 2004 bei einem damaligen Wahlkampftrip Karzais sehr alt aussahen. Nach einem Raketenanschlag auf das Flugfeld von Gardez konnte der Präsidentenhelikopter gerade noch entweichen, damit der GucCIA-Präsident wenige Tage später von den Afghanen per Daumenabdruck und abwaschbarer Tinte – ein Daumen wählt einundvierzig mal - wiedergewählt werden konnte.

Der „Anspruch“ Karzais, das Land am Hindukusch zur „Demokratie“ zu führen, der zu dem Zweck im Westen ausgebildete Exilafghanen um sich schart, stößt bei seinen Landsleuten auf Ablehnung; sie fühlen sich von diesen „Ausländern“ nicht vertreten. Karzais Machtbereich beschränkt sich sowieso nur auf Kabul und wenige Provinzen; Islamisten, mächtige Warlords, süd- und ostafghanische Führungspersönlichkeiten, die ungenügend in Regierungsaufgaben eingebunden sind, hatten sich ihm längst verweigert oder rebellierten. Und der Süden des Landes ist mittlerweile zum Alptraum der „Anti-Terror-Koalition“ geworden.

Kurz vor der Wahl von George Bush junior schrieb Condoleezza Rice in Foreign Affairs: „Das Militär ist keine zivile Polizei. Es ist kein politischer Schiedsrichter. Und es ist ganz bestimmt nicht dazu da, eine Zivilgesellschaft aufzubauen.“ Wie die Zeit so spielt: Rice wurde unter Bush zur Oberaufseherin des nation-building. Ihr Amt als Sicherheitsberaterin trat sie 2001 mit dem Schlachtruf der Vietnamkriegs-Gegner an und münzte ihn auf den Balkan: „Bring the boys home.“ Ihr Spruch ist heute aktueller denn je in punkto Afghanistan und Irak. Ob der dann auch für den „boy“ Hamid Karzai gilt, mag man fast annehmen: Kamran Khan, ein pakistanischer Afghanistan-Experte, ist sich sicher: „Karzai ist seit Jahren der Mann der CIA und des pakistanischen Militärgeheimdienstes ISI.“


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