ASTERIX-AUSSTELLUNG

Das sollen wir sein?!?

von Andreas Platthaus
(FAZ, 30.10.2009)

[Stur wie Panzer - auf dem ersten Bild der Asterix-Serie marschieren die Römer in Gallien ein]
Stur wie Panzer - auf dem ersten Bild der Asterix-Serie marschieren die "Römer" in Gallien ein

30. Oktober 2009 „Wir sind doch Römer!“ Das war der geniale Einfall des listigen gallischen Kriegers Asterix, als man seinem Dorf die Teilnahme an den Olympischen Spielen des Jahres 48 vor Christus mit der Begründung verweigern wollte, in Olympia dürften nur freie hellenische Bürger und Römer teilnehmen. Einmal also haben sich die unbeugsamen Krieger im Laufe ihres Widerstands gegen Rom dem Anspruch Cäsars unterworfen: Ganz Gallien ist besetzt. Der begehrten olympischen Lorbeerzweige wegen gilt das dann tatsächlich für die Dauer einer halben Geschichte. Zenturio Redeflus jedoch, der die zaubertrankgedopte Konkurrenz nicht im Stadion sehen wollte, versteht die antike Welt nicht mehr: „Erst bekämpft man die Leute, überfällt sie, metzelt sie nieder, besetzt sie, und dann drehen sie ohne jeden Grund den Spieß um!“

Damit hat der Zenturio den Geist der Asterix-Serie, die vor fünfzig Jahren ihren Anfang nahm, klug zusammengefasst. Der von René Goscinny und Albert Uderzo geschaffene Comic gründet auf dem Mythos der französischen Résistance, und wer das nicht glauben will, der kann sich derzeit in Paris ein Dokument ansehen, das in einer Vitrine neben der ersten publizierten Asterix-Seite liegt. Es handelt sich um das Szenario zu dieser Seite: eine Schreibmaschinenseite, auf der Goscinny dem Zeichner Uderzo in der linken Spalte beschrieben hat, wie die Bilder aussehen sollen, während rechts die Textkästen und Dialoge zitiert sind. Und was steht beim ersten aller Asterix-Bilder als Beschreibung? „Römische Soldaten, in Reihen marschierend. Man kann nichts sehen außer ihren Beinen, wie in den Dokumentationen, die die Deutschen beim Einmarsch in Frankreich zeigen.“


In seinem Entwurf fürs erste Bild verweist Goscinny aufs deutsche Vorbild für die Römer

Hinab, hinab, hinab

Wir Deutschen also sind die Römer, und auch wenn Uderzo sich dieses eine Mal nicht an die Vorgabe von Goscinny gehalten hat und die marschierenden Soldaten doch in voller Größe zeichnete, konnte 1959 keinem französischen Leser die Anspielung auf die gerade einmal anderthalb Jahrzehnte zurückliegende Besatzungszeit verborgen bleiben. Und das sollte ja auch so bleiben, denn „Pilote“, das Comicmagazin, in dem Asterix debütierte, richtete sich dezidiert an die nach 1945 Geborenen, wie man dem Vorwort zur Nullnummer des Heftes entnehmen kann. Auch sie liegt in der Vitrine neben der historischen Seite und dem erstmals ausgestellten Manuskript.

Um zu dieser Vitrine zu gelangen, muss man ins Mittelaltermuseum von Paris gehen, das Musée de Cluny – benannt nach dem Kloster, in dessen Mauern es sich befindet. Nach der unvermeidlichen Warteschlange geht es hinab, hinab, hinab. Wo haben wir das nur schon einmal erlebt? Richtig, im Louvre, der zu Anfang dieses Jahres seine erste Comicausstellung zeigte, die Objekte aber in die hinterste Ecke des archäologischen Tiefgeschosses, ins Entree zu den Toiletten verbannt und so hässlich inszeniert hatte, dass man sich für das Haus schämen musste.

Solider als das sternum eines Legionärs

Im Cluny-Museum sind wir zwar auch wieder am tiefsten Punkt und in einem Sanitärbereich gelandet, aber dabei handelt es sich um das ehemalige Frigidarium der römischen Thermen von Nord-Lutetia. Asterixleser wissen: Lutetia lautet der römische Name jener Siedlung, die heute Paris heißt. An erhaltenen römischen Gebäuden gibt es hier nur noch diese Thermenanlage, die erst im Kloster und dann eben im Mittelaltermuseum aufging. Kürzlich wurde sie renoviert, und nun wird hier die Jubiläumsausstellung zu fünfzig Jahren Asterix gezeigt: auf einem Boden, den der gallische Held betreten haben könnte.

„Gallorömisch“ nennt die Beschilderung im Museum den Baustil der Thermen. Das hätte Häuptling Aplusbegalix gefallen, dem Kollaborateur, der die Gallier dazu zwingen will, sich den Sitten der Besatzer anzupassen. Und was Albert Uderzo und Anne Goscinny, die Tochter des 1977 gestorbenen René, an Objekten für die Schau ausgesucht haben, singt tatsächlich das hohe Lob der römischen Zivilisation: Dem Genius Loci etwa wird durch drei Originalseiten gehuldigt, die Asterix und Obelix beim Baden in den Thermen des Feindes zeigen; es gibt zudem spektakuläre Seiten mit antiker Theater- oder Mietshausarchitektur, und auch das Raffinement der römischen Armee bei Lagerbau und Attacke wird gewürdigt. Doch im Mittelpunkt des Ganzen steht der gallische Widerstand. Und der Spaß seiner Schöpfer daran.

Die Ausstellung ist kleiner als Rom, aber ihr papiernes Zentrum ist solider als das sternum eines Legionärs. Dreißig Originalseiten hat Uderzo aus seiner Privatsammlung entliehen – das größte Konvolut, das bislang gezeigt wurde. Im Vergleich zu den mehr als 1500 existierenden Seiten, die Uderzo bis auf wenige Ausnahmen sämtlich behalten hat, ist das nicht viel, aber die Freude an den Raritäten sorgt für lange Verweildauern vor den Bildern. Einzelne Besucher haben Lupen dabei, als wollten sie die berühmte Detailansicht der Auftaktseite wiederholen, in der ein Vergrößerungsglas das kleine gallische Dorf aus dem riesigen römischen Besatzungsgebiet hervorhebt.

Pech für Vesunna

Aus den Dokumenten des Goscinny-Nachlasses lernt man die wahren Verlierer der Geschichte kennen: Gallier wie Souletropix, Cetautomatix oder Avoranfix, die es nie über ihre Namensentwürfe hinaus auf die fertigen Seiten geschafft haben. Für jede neue Geschichte legte Goscinny Listen an: über die beteiligten Gallier und Römer; über die Götter, die von ihnen angerufen wurden; und über antike Stätten, die Kulissen der Handlung werden sollten. Pech auch für Vesunna (Périgueux) oder Caesardonum (Tours), die als geplante Reisestationen im Abenteuer „Tour de Gaule“ wieder gestrichen wurden.

Und wir Deutschen? Wenn auch die Römer unsere Rolle zu Beginn nicht ganz so perfekt gespielt haben, wie Goscinny es sich erhofft hatte, gibt es doch auf der gleichen Seite noch das Bild von zwei Germanen, die sich an einer ersten Invasion Frankreichs versuchen. Sie scheitert, aber mit stark deutschem Akzent droht der eine Angreifer: „Mais addentzion! On refiendra!“ Und in der Tat: Die deutsche Leserschaft von Asterix ist Legion.

Astérix au Musée de Cluny. Bis 3. Januar 2010. Der in jeder Hinsicht dünn ausgefallene Katalog kostet 9 Euro.


zurück zu Alberto Uderzo

zurück zu Rolf Kauka

heim zu Reisen durch die Vergangenheit