Comandante Stepan Bandera

Umbruchsmomente und Erinnerungs-
kultur in der Ukraine und auf Kuba

von Sebastian Döpp (GoEastUkraine, 20.9.2019)

Links und Anmerkungen: Nikolas Dikigoros

Der ukrainische Partisan und Nationalist Stepan Bandera spaltet wohl wie keine andere ukrainische historische Person die Geister innerhalb sowie außerhalb des Landes. Für die einen ist er heldenhafter Kämpfer für eine unabhängige Ukraine, für die anderen ein NS-Kollaborateur und Verbrecher. In der westukrainischen Stadt Lviv ist der Kult um ihn wohl am größten. Das Jahr 2019, in dem sich Banderas Geburtstag zum 110. Mal jährt, wird dort als offizielles Bandera-Jahr begangen. Interessant an Banderas Person ist, dass die Darstellungen beider Seiten, wenn auch selektiv, einen wahren Kern haben.

Bandera setzte sich mit der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), welche er seit 1933 mit anführte, für einen unabhängigen ukrainischen Staat ein. Geprägt vom damaligen traditionellen ukrainischen Nationalismus verinnerlichte Bandera starke anti-polnische und wohl teilweise auch antisemitische Sichtweisen. Viele der OUN-Kader wurden von Dmytro Doncovs nationalistischen und proto-faschistischen Schriften geprägt, der auch das klassische Feindbild des "Judeo-Bolschewismus" bediente. Nach der Besetzung von Ostgalizien und Westwolhynien durch die Rote Armee orientierte sich Banderas OUN zunehmend an NS-Deutschland. (Anm. Dikigoros: Was blieb ihr anderes übrig?) Durch die Kollaboration erhofften sie sich einen unabhängigen ukrainischen Staat. Auch wenn Bandera sich nie selber an Kampfhandlungen oder Pogromen gegen Juden oder Polen beteiligte, kann er aufgrund seiner Führungsposition ("Providnyk") in der OUN wohl kaum von jeglicher Verantwortung freigesprochen werden.

Eben dieser Stepan Bandera erfährt in der post-Majdan Ukraine ein populärkulturelles Revival in Form eines Symbolbildes für (antirussischen) Widerstand. Auf dem Euromajdan waren schon 2013/2014 einige schwarz-rote OUN/UPA-Flaggen zu sehen, ebenso wie Fahnen und Banner mit Banderas Kopf. Doch gerade nach der russischen Annexion der Krim und des unerklärten Krieges im Donbass, scheinen Bandera- und OUN/UPA-Devotionalien insbesondere im Westen des Landes stetig zuzunehmen. Bei Straßenhändlern (und auch im Internet) gibt es eine Vielzahl von Shirts, Pullovern oder anderem Merchandise, das Bandera und Co. verehrt und zu Helden des Aufstands gegen den großen russischen Feind stilisiert. Komplett ausgeblendet werden hierbei jedoch die NS-Kollaboration der OUN sowie die Pogrome von Roman Schuchewytschs UPA und des Bataillons Nachtigall.

Es ist zu beobachten, dass eine gewisse Normalisierung der OUN/UPA-Symbolik stattfindet. Im Zuge einer sich stets weiterentwickelnden Protestkultur werden die schwarz-roten Farben zunehmend zweckentfremdet und ihrer ursprünglichen Bedeutung beraubt. So gibt es mittlerweile auch Shirts mit dem Kopf von Serhiy Nigoyan, dem ersten Toten des "Euromajdan", auf schwarz-rotem Hintergrund zu kaufen. Das nationalistische Lviver Restaurant Kryjivka, das seinem Namen entsprechend einem UPA-Versteck nachempfunden ist, verkauft neben unzähligen OUN/UPA-Bekleidungsartikeln im Fanshop auch einen "Gauleiter"-Cocktail, der nicht nur vom Namen her geschmacklos ist. Das Setting des Restaurants als "eine humoristisch inszenierte Widerstandsnostalgie" zu beschreiben, wie es eine Studentin der Uni Augsburg formulierte, scheint wohl mehr als unangebracht, spricht aber für eine gelungene Normalisierung der Thematik. Die zunehmende Heroisierung der Partisanen spielt ebenso direkt in die Hände der Kreml-Propaganda, die die ukrainische Führung seit den Ereignissen 2014 als "faschistische Junta" darstellt. (Anm. Dikigoros: Das ist natürlich ein schlechter Witz - jene "Junta" ist nicht "fascistisch", sondern sie wird von jüdischen Oligarchen im Ausland, vor allem in der Schweiz, finanziert und gelenkt.)

Das ukrainische, anti-russische Partisanentum verkauft sich gut und trägt so zu einer zunehmenden Ausblendung der Problematiken seiner Akteure bei. Die Geschichte Banderas und der OUN/UPA wird stetig selektiv reingewaschen; ein Prozess, der schon bei Che Guevara zu beobachten ist. Ähnlich wie Guevara auf den T-Shirts und Kaffeetassen, blickt Bandera auf seinem Merchandise seitlich in die ferne Zukunft, und wird zu einem bedeutungsgereinigten Symbol für Widerstand, das allerdings die vielen negativen und fragwürdigen Kapitel seines Lebens systematisch ausblendet.


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