Gott weiß alles, Jimmy Carter weiß alles besser

von Christopher Hitchens, 28.06.2007

(aus dem Englischen von Alan Posener
Links und Bilder von N. Dikigoros)

Der frühere US-Präsident Jimmy Carter hat George W. Bush zum schlimmsten Präsidenten aller Zeiten erklärt. Dabei ist Carter selbst ein heißer Favorit für diesen Titel.

Wann immer der frühere Präsident Jimmy Carter seinen großen, selbstzufriedenen Mund aufmacht, hat er bereits den psychologischen Fehler gemacht, der seine Worte ad absurdum führt. So auch neulich, als er der Presse mitteilte, die Bush-Administration habe in der ganzen Welt Antipathien erzeugt. Das hätte eine schlichte Banalität sein können, aber nein, Carter musste ihr seine besondere Note verleihen.

„Ich meine, was den negativen Einfluss auf die Nation in der ganzen Welt (!), ist diese Administration die schlimmste der Geschichte gewesen“, sagte er. „Die offene Zurückweisung der Grundwerte Amerikas, wie sie durch frühere Administrationen zum Ausdruck gebracht wurden, einschließlich George H. W. Bush und Ronald Reagan und Richard Nixon und andere, ist für mich das Beunruhigendste.“

Vergessen wir den klippschülerhaften Einstieg mit „Was den…“, der dann „betrifft“ weglässt. Aber was „die schlimmste Administration der Geschichte“ betrifft, so muss der große Staatsmann aus Georgia wissen, dass er selbst beim Wettbewerb um diesen Titel seit 1976 gut im Rennen liegt.

"Mr. Carter hat sich vor der Verantwortung eines Präsidenten gedrückt"

Ich habe mich einmal mit dem inzwischen verstorbenen demokratischen Senator Eugene McCarthy heftig gestritten, der sich selbst zuweilen Hoffnungen aufs Präsidentenamt gemacht hatte. Er bestand darauf, dass er Recht gehabt habe, 1980 für Ronald Reagan zu stimmen, und zwar aus einem einzigen Grund: „Mister Carter hat sich schlicht und einfach während seiner ganzen Amtszeit vor der Verantwortung eines Präsidenten gedrückt“, sagte McCarthy. „Er lieferte die Nation ihren Feinden aus, zuhause und im Ausland. Er war der schlechteste Präsident, den wir je hatten.“

Ich bin immer noch der Meinung, dass Richard Nixon der Favorit für diesen Titel sein müsste, aber es fällt auf, dass Jimmy Carter auch unter Nixon-Nostalgie leidet. Angeblich waren das Bombardieren Vietnams zu Weihnachten, die Invasion Kambodschas, die Untergrabung der Demokratie in Chile, das Anlegen schwarzer Kassen zum Schmieren politischer Freunde und das Verwanzen des Demokratischen Hauptquartiers Ausdruck der „Grundwerte Amerikas“.

Lassen wir einmal Carters neu entdeckte Bewunderung für Ronald Reagan beiseite. Dessen Amtszeit wird gegenwärtig einer grundlegenden Neubewertung unterzogen, wofür die Arbeiten der Professoren Patrick Diggins („Ronald Reagan: Fate, Freedom and the Making of History“) und Douglas Brinkley (Herausgeber der Reagan-Tagebücher) exemplarisch stehen. Bleiben wir bei Carters Aussagen über Bush senior. Was hat er damals über Bush gesagt?

Im Rückblick finden viele Menschen, dass Bush gute Arbeit leistete, als er unter der ägide der Vereinten Nationen eine breite, multilaterale Koalition zusammenstellte, um die irakische Besetzung Kuwaits zu beenden. Jimmy Carter jedoch setzte in jenem unruhigen Augenblick sein Prestige ein, um alle Regierungen aufzufordern, der Koalition nicht beizutreten. Er ging an die öffentlichkeit, um gegen die beschlossene Politik des Kongresses und die Resolutionen der Vereinten Nationen zu opponieren und sein eigenes Land als Kriegstreiber zu denunzieren.

Den Irak ermuntert, den Iran zu überfallen

Schließlich hatte er die Bedingungen für die damalige Krise erst geschaffen. Zuerst hatte er den Schah von Iran hofiert und dann, als diese Option in sich zusammenfiel, Saddam Hussein ermutigt, den Iran zu überfallen und die amerikanische Außenpolitik zu dessen Gunsten neu justiert. Hätte ich so etwas getan, ich würde mich einer gewissen Demut befleißigen, wenn das Gespräch auf den Mittleren Osten und seine Krisen käme. Aber so ist es bei selbstgerechten, wiedergeborenen Demagogen: Was sie auch immer tun oder taten, immer geschah es aus den allerhöchsten Motiven heraus.

Das ist also der Mann, der in seinem neuen Buch („Palestine: Peace Not Apartheid“) den lange gesuchten Schlüssel zur Lösung des Nahostproblems gefunden hat. Der Fehler Israels, so erklärt er uns (und so hat er es angeblich auch der israelischen Führung erklärt), besteht darin, sich von Gott und den Propheten entfernt und in Richtung Säkularismus entwickelt zu haben. Wenn Sie mal richtig ablachen wollen, sagen Sie sich, dass alles besser wäre, wenn Israels Regierung etwas orthodoxer wäre. Jimmy Carter wird Sie dann allerdings mit seinem leeren, frommen Blick fixieren, als wollte er Ihnen sagen: Sie verstehen einfach nicht, was es heißt, einen persönlichen Messias zu haben.

In den Carter-Jahren waren die USA international eine Lachnummer. Und nicht nur wegen der allgegenwärtigen, grässlichen Carter-Sippe – des biergetränkten Bruders Billy etwa, der mit Libyens Muammar Ghaddafi Deals einfädelte, oder der gruseligen Matriarchin Miz Lillian. Nicht nur wegen der präsidialen Vorträge über Moral und Rettung oder seiner unheimlichen Begegnungen mit todbringenden Kaninchen und Ufos. Nicht nur wegen der lächerlichen „Bibel-Studien“ im Weißen Haus unter dem Vorsitz von Bert Lance und seinen korrupten Freunden aus Georgia.

"Amerika war eine Lachnummer"

Amerika war eine Lachnummer, weil die Carter-Administration weder in Afghanistan, noch im Iran oder im Irak – immer noch die Quellen so vieler unserer heutigen Probleme – Freund von Feind unterscheiden konnte. Carters Mischung aus Zynismus und Naivität – ungläubiger Schock, als Leonid Breschnew Afghanistan besetzte einerseits, heimliche Förderung der megalomanen Ambitionen Saddam Husseins andererseits – hatte schreckliche Konsequenzen, mit denen wir heute noch zu kämpfen haben. Man übertreibt kaum, wenn man sagt, dass jede Administration seitdem mit dem Chaos zu tun hat, das Carter mit seiner unfassbaren Inkompetenz als Erbe hinterlassen hat.

Das Zitat, mit dem ich diese Kolumne eingeleitet habe, stammt aus einem Interview mit der „Arkansas Democrat-Gazette“. Carter ließ sich auch von der BBC interviewen, wo er billige und böswillige Bemerkungen über den scheidenden britischen Premierminister Tony Blair machte, den er „loyal, blind, offensichtlich unterwürfig“ nannte.

So ist's recht, Mr. Carter. So macht man Freunde und vertritt die „Grundwerte Amerikas“. überhäufen Sie einen Mann mit Beleidigungen, der dreimal zum Premierminister gewählt wurde und der am schwärzesten Tag Amerikas sein erster und stärkster Verbündeter war. Einen Mann, der bereit war, seine Karriere zu riskieren, um Amerikas Freund zu sein. Einen Mann, der vor den Taliban, vor Slobodan Milosevic und vor Saddam Hussein warnte, als George W. Bush nur Gouverneur von Texas war.

Führer solcher Statur verdienen selbst dort Respekt, wo sie irren – aber es heißt zu viel verlangen, wenn man Höflichkeit oder Großmut vom prüden Prediger aus Plains verlangt, der nur eins weiß, nämlich dass er immer schon Recht hatte, und der auf die zahllosen Siege verweisen kann, die er im Namen Gottes gegen die Kräfte des Bösen errang, auch wenn sie nur ihm selbst bekannt sein sollten.


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