Al-Aksa-Brigaden - die Terror-Internationale

von Stefan Simons (Spiegel Online, 29. Juni 2004)

Start am Tempelberg

Die Aksa-Brigaden ("Kataib al-Aksa"), die im Gaza-Streifen und - noch aktiver - im Westjordanland operieren, wurden von nationalistischen Palästinensern um Jassir Arafat und dessen Fatah gegründet. Es war eine Antwort auf die Popularität der Radikal-Religiösen wie Hamas oder Dschihad.

Die Autonomiebehörde und ihr Präsident steckten (und stecken noch immer) in einer Zwickmühle: Die Anerkennung von Israels Existenzrecht und die Absage an den Terror bescherten Arafat 1994 zwar den Friedensnobelpreis (zusammen mit Jizchak Rabin und Schimon Peres); seit aber der Aussöhnungsprozess stagnierte und ohne greifbare "Dividende" blieb, hatte die palästinensische Ablehnungsfront Oberwasser - und mit ihr die religiös motivierten Drahtzieher einer mörderischen Konfrontationsstrategie.

Die Aksa-Brigaden funktionieren daher als Sammelbecken für jene Kräfte, die - frustriert über den schleppenden Fortgang des Friedensprozesses - auch zum bewaffneten Widerstand gegen Israels Besatzung aufrufen. Vorläufer der Miliz waren kleinere Gruppierungen wie Brigade der Rückkehr, Saladin-Brigaden und die Märtyrer-Chalid-Ikr-Brigaden.

Die programmatische Bezeichnung erinnert an die schweren Unruhen vom 29. September 2000, als auf dem Tempelberg - dem für Muslime wichtigen Heiligtum "al-Haram al-Scharif" - mindestens fünf Palästinenser von der israelischen Polizei erschossen wurden. Erstmals von sich reden machte die Organisation im Juni des folgenden Jahres.

Vertreibung der Besatzer

Als Gründer der Aksa-Brigaden werden junge Offiziere aus dem Sicherheitsapparat Arafats ebenso wie Marwan Barghuti genannt, der Abgeordnete des palästinensischen Legislativrats, der für den Aufbau der paramilitärischen Tansim-Einheiten verantwortlich war - also jener Einheiten, die als bewaffnete Streitkräfte der Autonomiebehörde eingesetzt werden.

Barghuti wurde im April 2002 von den Israelis festgenommen und im Juni 2004 zu fünfmal lebenslänglicher Haft wegen einiger Morddelikte verurteilt. Er hat allerdings stets geleugnet, für Waffenkäufe und Terroranschläge verantwortlich zu sein. Dennoch befanden die Richter ihn in mehreren Punkten für schuldig, darunter der Beteiligung an drei Attentaten mit fünf Todesopfern.

Ideologisch haben die Brigaden mit dem politischen Islam nichts gemein; sprachliche Verweise auf "Allah" sind nicht mehr als propagandistischer Tribut an die muslimische Öffentlichkeit. In ihrer Selbstdarstellung sehen sich die Aksa-Aktivisten vielmehr als Nachfolgegeneration jener Kämpfer, die schon während des ersten Palästinenseraufstands gegen das israelische Besatzungsregime gefochten hatten.

Die Brigaden haben sich mit der Existenz Israels abgefunden, wollen jedoch einen eigenen Staat; die Vertreibung der Besatzer soll durch die militärischen Aktionen forciert werden - die Ziele ihrer Angriffe und Anschläge waren daher zunächst Soldaten und Siedler, militärische Konvois und Außenposten.

Lebende Bomben

Offensiv wurden die Aksa-Brigaden mit Beginn des Jahres 2002: Nach dem Tod ihres damaligen Führers Raid Karmi, der angeblich von israelischen Sicherheitskräften ermordet wurde, begannen die Milizen eine Reihe von Selbstmordattentaten, die im ersten Vierteljahr mehrere Dutzend Israelis - Zivilisten ebenso wie Militärs - das Leben kosteten. Die Aksa-Brigaden waren auch die erste Terrorgruppe, die eine junge Frau als "lebende Bombe" einsetzten.

Wenn die Palästinenser darauf gesetzt hatten, sie könnten mit den Attentaten Regierung und Öffentlichkeit Israels zum Einlenken zwingen, so erwies sich diese Hoffnung als blutige Fehlkalkulation: Zum einen konnte Arafat von Israels Regierung wieder als Terrorist gebrandmarkt werden; zum anderen startete Jerusalem im Gegenzug zu den Selbstmordattentaten eine militärische Großoffensive, die einen Großteil der palästinensischen Infrastruktur zerstörte - Ministerien, Schulen, Computer und Fahrzeuge sowie den Flughafen der Autonomiebehörde in Gaza. Auch das Büro Arafats in Ramallah - die "Mukataa" - wurde teilweise gesprengt.

Arafats Doppelrolle

Unklar und umstritten bleibt, ob und inwieweit Arafat und seine Partei sowie die Autonomieverwaltung die Aktionen der Aksa-Brigaden unterstützen, befürworten oder gar lenken und finanzieren. Israels Sicherheitskräfte und Regierung behaupten, sie verfügten über handfeste Beweise für direkte Befehlsstränge zwischen dem Terrornetzwerk der Brigaden und Arafats politischem Umfeld.

Arafat und seine Partei haben solche Verbindungen von sich gewiesen; die Mehrheit der Brigaden-Mitglieder, die offenbar ohne zentrale Steuerung in unabhängigen Zellen operieren, rekrutiert sich aber - laut Selbstdarstellung - aus "Mitgliedern, Anhängern und Freunden" der Fatah-Bewegung.

Einer ihrer lokalen Befehlshaber in Tulkarm gab im März 2002 gar zu Protokoll: "Wir erhalten unsere Anweisungen von Fatah, unser Kommandeur ist Jassir Arafat." Andere betonten hingegen, dass die Entscheidungen über Ziele und Zeit der Anschläge vom "Führungsgremium der Brigaden" getroffen werden.

Arafat selbst hat auf die Attentate mit janusköpfigem Hintersinn reagiert: Mal "verurteilte er alle Terrorakte gegen unbeteiligte Zivilisten", mal rief er nach neuen "Märtyrern" für die palästinensische Sache.


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