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Neues Deutschland, 02.03.02
   

Kreuzberger Autonome fühlen sich okkupiert
Gegenbündnis für den 1. Mai gegründet/NPD hat Marsch zum Alex angemeldet

 
Von Rainer Funke
 
 
In der autonomen Szene eskaliert der Streit um den diesjährigen 1. Mai. Bekanntlich hatte ein Personenbündnis namens »Denk Mai Neu« dazu aufgerufen, halb Kreuzberg zu einem polizeifreien Festplatz zu machen. Man geht davon aus, dass dann ritualisierte Straßenschlachten zwischen Polizei und Demonstranten, vornehmlich denen der »Revolutionären 1.-Mai-Demo«, ausbleiben.
Dieser Tage hat sich ein aus autonomen Gruppen und Einzelpersönlichkeiten bestehendes Gegenbündnis gegründet – noch ohne Namen und Programm. Erste Aktion: Man schmiss Vertreter der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) und andere des Personenbündnisses aus dem Saal. Sie werden als »Verräter« empfunden. Die AAB habe sich für eine reformistische Befriedungspolitik entschieden und mache mit Kriegstreibern gemeinsame Sache gegen linksradikale Kritik. Auch ärgerte man sich, wie das Personenbündnis um Prof. Peter Grottian (FU) zustande gekommen ist – nämlich »von oben und von außen« und fast ohne Leute aus Kreuzberg. Dem Vernehmen nach geht es keineswegs darum, doch Gewaltszenarien organisieren zu wollen. Vielmehr wird befürchtet, dass für die üblichen Demos nach dem Grottian-Konzept kein Raum bleibt oder sie lediglich »fremdbestimmt« ablaufen sollen. Was einem Verbot wie im Vorjahr gleichkäme, damals vom CDU-Innensenator, diesmal vom Personenbündnis. Feste und Protestaktionen nach eigenem Dafürhalten anzumelden, sei durch die »Okkupation« des Kreuzberger Raumes durch Grottians Bund nicht mehr möglich. Dagegen will man sich wehren.
Man sehe überhaupt keinen Grund, sich kooperativ zu verhalten, hieß es. Weil es dort, wo man im vorigen Jahr und denen davor verantwortlich zeichnete, nicht zu Gewalttaten kam – außer anno 2001 am Mariannenplatz. Dies könne man aber den Veranstaltern oder Teilnehmern nicht in die Schuhe schieben, das habe unzweifelhaft mit dem damaligen Polizeieinsatz zu tun. Grottian bräuchte nicht so zu tun, als müsse sein Bund die Kreuzberger vor den Kreuzbergern retten.
Die AAB kommt jetzt in die Situation, sich der Kritik ihrer tatsächlichen und potenziellen Mitstreiter erwehren zu müssen. Schlagkräftigstes Argument der AAB für die »Treue zur Sache« scheint die angemeldete Marschroute ihrer Revolutionsdemo zu sein – Oranienplatz, Friedrich-, Breite und Annenstraße zum Außenamt, dem »Zentrum der kriegerischen Außenpolitik«. Diese Route sei bislang grundsätzlich nicht gestattet worden. Nun müsse sich Rot-Rot positionieren, vor allem die PDS, die nach dem Verbot der Revolutionsdemo im vorigen Jahr am heftigsten protestiert und eine Ersatzdemo angemeldet habe.
Bekannt wurde jetzt, dass am 1. Mai Neonazis wieder durch die Stadt defilieren wollen. Der Marsch soll am Ostbahnhof beginnen und zum Alexanderplatz führen, wo eine NPD-Kundgebung geplant ist. Die AAB hat Widerstand angekündigt.

(ND 02.03.02)



   






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