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junge Welt, 26.04.02, Artikel
   

Diverse 1.-Mai-Demonstrationen in Berlin: Meinungsvielfalt oder Sektierertum?
jW fragte Anke Schiffmann, Mitarbeiterin im Gegeninformationsbüro, das sich seit Monaten an der Debatte um den 1. Mai in Berlin beteiligt hat
Interview: Peter Nowak
F: In Berlin sind dieses Jahr mehrere revolutionäre 1.-Mai-Demonstrationen angekündigt. Wie ist der aktuelle Stand?

Um 13 Uhr wird am Oranienplatz eine Demo beginnen. Deren Motto ist »International kämpfen gegen Ausbeutung und Unterdrückung! Keine Befreiung ohne Revolution!«. Für 14 Uhr hat die Humanistische Union am Rosa-Luxemburg-Platz unter den Motto »Wider die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit« zum Protest gegen die Senatsblockade der Demo um 18 Uhr aufgerufen. Um 16 Uhr startet am Görlitzer Bahnhof die zweite Demo unter dem Motto »Kriegstreiber stoppen, Kapitalismus zerschlagen!«. Um 18 Uhr dann beginnt am Rosa-Luxemburg-Platz die Demo »Macht verrückt, was Euch verrückt macht!«. Ab 22 Uhr soll die »einzig wahre Mai-Demo« der Kreuzberger Spaßformation KPD/RZ an der Feuerwache in der Wiener Straße losgehen. Und dann gilt es noch, den Nazi-Aufmarsch zu verhindern.

F: Zu welcher Demo gehen Sie?

Wir rufen zur Demonstration um 16 Uhr auf.

F: Und was ist das spezifisch Revolutionäre an dieser Demo?

Wir wenden uns gegen die strukturellen Verhältnisse, die immer wieder Rassismus, Sexismus und Armut produzieren. Ein Schwerpunkt ist der Kampf gegen den Krieg und die Bestrebungen, Deutschland auf Kriege vorzubereiten.

F: Sie haben das Projekt »Denk Mai Neu« heftig kritisiert. Was ist gegen eine Repolitisierung und ein polizeifreies Kreuzberg einzuwenden?

Das Projekt erkämpfte weder einen polizeifreien Raum noch richtete es sich gegen ein mögliches Demoverbot. Die Gegenüberstellung »Repolitisierung« gegen »ritualisierte Gewalt« erscheint uns völlig absurd. Der 1.Mai fand immer vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse statt. Es ist der Versuch einer Spaltung zwischen denen, »die Inhalte wollen«, und jenen, die auf »Randale« aus seien.

F: Sind das nicht linke Szene-Diskussionen, die völlig an den aktuellen sozialen Kämpfen vorbeigehen?

Im Gegenteil. Wo Widersprüche aufbrechen, gibt es keinen friedlichen Diskurs. Nehmen wir beispielsweise den aktuellen Streik der Kindertagesstätten. Die Streikenden fordern eine tarifvertragliche Absicherung. Der Berliner Senat verweigert sich dem; eine unternehmerische Vorgehensweise bestimmt die Entscheidungen über Kürzungen und Schließungen. Das zeigt, wie wenig Spielraum die Streikenden haben. Es gibt unzählige Beispiele von Menschen, die aktiv gegen Faschisten kämpfen, die in Arbeitskämpfe verwickelt sind, die aus den Stadtzentren verdrängt oder gleich abgeschoben werden. Diese Menschen wollen wir ansprechen.

F: In den Medien werden Konflikte zwischen pro-israelischen und pro-palästinensischen Demonstranten am 1.Mai an die Wand gemalt. Sind diese Befürchtungen berechtigt?

Der »Konflikt« wird auch über die Medien hochgekocht. Wir sind solidarisch mit der Initiative der palästinensischen Gemeinde und den palästinensischen Frauen und Männern in ihrem antikolonialen Kampf im Sinne einer Zweistaatenlösung. Wir unterstützen ebenso die fortschrittlichen Kräfte in Israel und begrüßen es, wenn Menschen - ob nun aus Palästina, Israel oder anderen Ländern - sich in diesem Sinne an unserer Demonstration beteiligen. Schließlich ist der 1.Mai auch ein Tag der internationalen Solidarität.




   







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