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Berliner Zeitung, 22.03.02, Artikel
   

Randale-Tradition
Im Jahr 1987 gab es die ersten Ausschreitungen am Maifeiertag in Kreuzberg. Läden wurden geplündert, ein Supermarkt brannte bis auf die Grundmauer ab. Randalierer lieferten sich stundenlange Straßenschlachten mit der Polizei. Die schwersten Krawalle gab es am 1. Mai 1989. Kreuzberg glich einem Schlachtfeld. Am Lausitzer Platz errichteten Randalierer Barrikaden. Insgesamt 350 Polizisten wurden verletzt.
Trotz des Verbots der revolutionären 1. Mai-Demonstration kam es auch im vergangenen Jahr zu Auseinandersetzungen. 616 Menschen wurden festgenommen.

Die Polizei kommt zum 1. Mai - die Linksradikalen auch
Bündnis gegen Krawalle in Kreuzberg droht zu scheitern

Franziska Köhn und Lutz Schnedelbach
Der 1. Mai wird in diesem Jahr vermutlich nicht anders verlaufen als in den vergangenen 15 Jahren: Die Initiatoren des Bündnisses für einen gewaltfreien 1. Mai überlegen, ob sie ihre Arbeit einstellen sollen. "Darüber entscheiden wir am Montag", sagte Peter Grottian, Mitbegründer des Projekts, am Donnerstag der "Berliner Zeitung". Er warf dem Innensenator Erhart Körting (SPD) vor, dass dieser nicht gewillt sei, die Polizei an diesem Tag aus Kreuzberg abzuziehen. Dies sei für das Bündnis nicht akzeptabel, so der Professor der Freien Universität. Außerdem gebe es Streit mit linksradikalen Gruppen, die das Bündnis ablehnen und zu massivem radikalem Widerstand aufrufen, hieß es aus Kreisen der Initiative.

Chaotische Veranstaltung
Grottians Bündnis "Denk Mai Neu" besteht aus linken Gruppen, Vertretern von Parteien und Kirchen sowie aus Gewerkschaftern und Künstlern. Die Initiative hatte sich Anfang dieses Jahres gebildet, um einen gewaltfreien 1. Mai mit Straßenfesten und politischen Diskussionen in Kreuzberg zu organisieren. Mitglieder des Bündnisses trafen sich am Mittwoch mit Innensenator Ehrhart Körting (SPD), dem Bündnis "Revolutionärer 1. Mai" sowie Polizisten, Anwohnern und Gewerbetreibenden in der Emmaus-Kirche am Lausitzer Platz in Kreuzberg zu einer Podiumsdiskussion. Während der chaotisch verlaufenden Veranstaltung warfen Teilnehmer dem Professor vor, die Kiezbewohner für einen sozialwissenschaftlichen Versuch zu missbrauchen. Linksradikale lehnten das Bündnis ab und bezeichneten Grottian als Lügner, weil er insgeheim mit der Polizei zusammenarbeite. Der Innensenator betonte erneut, dass es keinen polizeifreien 1. Mai geben wird. Die Beamten sollen sich zwar weitgehend zurückhalten, aber dennoch auch an diesem Tag ihre Aufgaben erfüllen, so der Senator. Er informierte darüber, dass bis zum 1. Mai die Kennzeichnungspflicht für Polizisten nicht durchzusetzen sei, weil die Gewerkschaften noch dagegen sind. Körting lehnte auch die Forderung nach Veröffentlichung der Route des geplanten NPD-Aufzugs in Mitte am 1. Mai ab.
Die Diskussion drohte anschließend zu eskalieren, weil die Redner beschimpft und ständig unterbrochen wurden. Die linken Gruppen seien so zerstritten, dass sie sich gegenseitig nicht einmal mehr zuhören, sagten die Veranstalter. Körting wurde wegen seiner SPD-Mitgliedschaft mehrmals als Kriegsverbrecher beschimpft. Nach drei Stunden wurde die Veranstaltung abgebrochen. Einen Tag nach der Diskussion kündigte Grottian an, dass sich das Bündnis im Falle eines Scheiterns des Projektes Alternativen überlegen werde. "Der Feiertag soll nicht so verlaufen wie in den vergangenen Jahren", sagte er. Inzwischen entschuldigte sich die autonome Szene für den Brandanschlag auf das Auto von Peter Grottian. Unbekannte Täter hatten am Montagabend den in der Dresdner Straße in Kreuzberg geparkten Pkw angezündet. Das Auto brannte aus. Nach Informationen der Polizei gibt es noch keine Hinweise auf die Täter. Für die Polizei ist der 1. Mai nichts Besonderes mehr. "Egal wie der Abend in Kreuzberg endet. Alle werden uns vorwerfen, dass wir versagt haben", sagte ein Beamter.





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