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X-Men 3 Kritik von Walter Chaw

Was kommt dabei heraus, wenn ein schwulenfeindlicher, frauenhasserischer, menschenverachtender Schwachkopf sich an demjenigen Filmstoff vergreift, dessen Existenzberechtigung einstmals ein Plädoyer für die Gleichberechtigung von Schwulen war? "X-Men – Der letzte Widerstand" ist so krampfhaft auf "schwul" getrimmt, dass es weh tut. Um diesem Anspruch Genüge zu tun, präsentiert Brett Ratner seine melodramatischen Helden ohne jeglichen Sinn für Gefahren, Charaktertiefe oder innere Konflikte. Der Bezug zu Völkermord und Holocaust ("Ich lasse keine Tätowiernadel mehr an mich heran", sagt Ian McKellen als Magneto*) entpuppt sich, ohne jegliches Feingefühl aufgetragen, als ein billiger Aufhänger für einen stinknormalen, unausgeglichenen Actionfilm, dessen wahre Natur wiederholt durch Frauenfeindlichkeit ("Der Zorn der Hölle ist nicht so stark [wie der Zorn einer zurückgewiesenen Frau]"), durch Abscheu vor weiblicher Sexualität sowie durch betrachterische Flachheit offenbar wird: Da versucht ein Vater, die Badezimmertür aufzubrechen, während sein Sohn sich drinnen die Flügel vom Rücken abtrennt.

(* KZ-Häftlinge erhielten eine Registriernummer in den Unterarm tätowiert.)

Dies ist Michael Bays "Schindlers Liste": Ein reptilienhafter Populist, begabt bei Glattem und Unkompliziertem, übernimmt die Zügel bei einem Projekt, das in den Vorgängerfilmen von Bryan Singer trotz aller gravierenden Fehler bei Erzählweise und Charakterdarstellung zumindest nicht auf Ameisenhaufen herumtrampelte, die als Hindernisse für den Film eigentlich schon zu groß sind.

Dieses Mal ist die Idee des Films, dass für die "Mutantenkrankheit" eine Medizin entwickelt wurde. Diese liegt in den Kräften eines kleinen Mutantenjungen namens "Leech" [Blutegel] (Cameron Bright), der jedem Mutanten bei direktem Kontakt die Mutantenfähigkeiten entzieht. Dies ist natürlich absolut sinnlos, wenn wir von Veränderungen im Erbgut reden, aber so ist es nun mal. Leech sitzt einfach nur da, ein glücklicher Gefangener in Alcatraz (Achtung, Metapher !) welches jetzt als Forschungsstation dient, und wartet in der unnachahmlichen Weise des kleinen Cameron Bright auf einen blöden Kampf, den "Gut" und "Böse" um seinetwillen austragen. Aber die Linien zwischen Gut und Böse werden in X3 eher willkürlich gezogen. Die von Demonstranten belagerte "Mutanten-Heilungsklinik", auf die schlussendlich ein Anschlag verübt wird, wirkt wie ein von radikalen Abtreibungsgegnern umzingeltes Abtreibungszentrum. Die grässliche Idee einer Frau, deren Sexualität durch ein traumatisches, katastrophales Erlebnis auferweckt wird (Jean Gray/Dark Phoenix - Famke Janssen) erinnert an "Jacqueline Ess: Ihr Wille, ihr Vermächtnis" von Clive Barker [ein Horror-Roman ähnlich "Carrie"]. Und nicht zu vergessen die aufgeladenen Schlachtengemälde, in denen sich Anhänger einer verstörten Minderheit gegenseitig pulverisieren - all dies fühlt sich schäbig an, so als säße man im aufwendigsten Leni-Riefenstahl-Film der Welt.

Die langwierige Diskussion, ob "ungünstige" Mutationen nun kuriert werden sollten, oder ob man - , nun, da das Heilmittel einmal gefunden ist - bei genetischen Problemen überhaupt Gott spielen darf, fällt voneinander losgelösten, mechanisch abgespulten Spezialeffekten und hirnlosen, krampfhaften Action-Szenen zum Opfer. Dies ist ein Universum ohne Konsequenzen. Jean Gray, die in X-Men 2 ihr Leben ließ, erwacht urplötzlich wieder im Dasein, ohne dass dies nachfühlbar gemacht oder begründet würde. Andere Figuren sterben, ohne dass ein Gefühl von Tod oder Trauer aufkäme. Als beispielsweise Cyclops (James Marsden) zu Beginn des Filmes jählings vernichtet wird, dauert es eine gute Stunde, bis seine Abwesenheit überhaupt hinterfragt wird. Zu diesem Zeitpunkt ist es längst nicht mehr klar, ob Cyclops tatsächlich gestorben ist oder einfach nur aus dem Film gedrängt wurde von den neu hinzutretenden Figuren, die so zahlreich sind, dass sie zumindest in einer Szene des Filmes anhand einer wahrhaftigen Anwesenheitsliste aufgezählt werden. Der düstere Anspielung, Jean's eigentliches Ich, ausgedrückt durch einen übermächtigen Sexualtrieb, müsse durch Professor Xavier rigoros unterdrückt werden, lässt vermuten, dass dem Film eine tiefer gehende Störung zugrunde liegt, welche Magneto durch seine halbherzige Intervention gegen Ende des Films nicht aufdeckt, geschweige denn beseitigt.

Zwar will Magneto, dass Jean aus sich herausgeht, als sie es aber tut, steht er ihrem "Appetit" genauso hilflos wie der Rest der Mutanten-Bruderschaft gegenüber.

In Ratners Welt kämpfen sich getriebene Männer auf Motorrädern gewundene Straßen hinauf. Vorzugsweise nackte Frauen, gefräßige Femmes fatales, treffen ihre Entscheidungen nach der Wahrscheinlichkeit, vom Übermenschen gef***t zu werden. Und bizarre Zwittergestalten in Lederoutfits verkörpern die Unterscheidung nach Gut und Böse. Der letzte Widerstand – mit nur sechs "guten" X-Men-Mutanten, die sich einer Armee "böser" Mutanten in den Weg stellen, ist ein hässliches, fruchtloses Chaos. Beast (Kelsey Grammar, der möglicherweise darüber freut, mal "Oh, meine Auszeichnungen, meine Ordensbänder!" sagen zu dürfen), erledigt gesichtslose Gegner, während über allem die 'Gesetze' des X-Men-Universums wie ein Damoklesschwert hängen. Für jemanden, der das Wetter beherrschen kann, verhält sich Storm (Halle Berry) absolut nutzlos. Magneto hätte die metallischen Mutanten Wolverine (Hugh Jackman) und Colossus (Daniel Cudmore) erledigen und auf diese Weise seine Gegnerschaft um ein Drittel dezimieren können. Die einzige Figur, die sich inmitten dieser Lachhaftigkeit (es wird auch noch eine romantische Eislaufszene mit hineingezwängt) wie ein echter, verwundbarer, und irgendwie zu Herzen gehender Charakter aus Fleisch und Blut darstellt, ist Kitty Pryde, gespielt von Ellen Page. Zwar ist ein weiterer X-Men Film mehr als wahrscheinlich, und auch ein Wolverine-Spin-Off zeigt sich bedrohlich am Horizont. Ratner ist als Regisseur bei Big-Budget-Filmen ein zuverlässiger Lieferant endloser, abstoßender, schwacher Bilder über ungleiches Kräftemessen in Serie. Trotz alledem geht aus diesem hasserfüllten, schlecht gemachten Mist Ellen Page als aufgehender Stern hervor. Für so etwas wie X-Men hat sie offensichtlich viel zu viel Talent.

(Walter Chaw)

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