EIN MANN, EIN LAUF
GUSTAV WASA
von Jan von Flocken
(Die Welt, 25.2.2008)
Der Wasalauf gehört zu den traditionsreichsten Wintersportveranstaltungen. Alljährlich begeben sich hunderte Skiläufer auf die 90 Kilometer lange Strecke in Mittelschweden. Dieser populäre Wettstreit, in diesem Jahr am 2. März, hat einen Hintergrund, der tief in die Geschichte Schwedens reicht und mit dem Freiheitskampf des Landes verbunden ist.
Ganz Skandinavien stand Anfang des 16. Jahrhunderts unter dänischer
Herrschaft. In Schweden amtierte ein Reichsverweser, der auch für die
Steuereintreibung zuständig war. Nachdem Christian II. 1513 in Kopenhagen
den Thron bestiegen hatte, verschlechterten sich die Verhältnisse. Der König
erhöhte den Steuerdruck dermaßen, dass es zu einem Aufstand der Schweden
kam. 1518 wurden sie besiegt und Christian nahm danach mehrere prominente
Geiseln, darunter auch den jungen Gustav Eriksson Wasa, Sohn eines führenden
schwedischen Politikers.
Als Bauer verkleidet zurück nach Lübeck
Die Dänen setzten Gustav in Nordjütland auf Schloss Kalö gefangen, doch 1519
gelang es ihm, als Bauer verkleidet über Flensburg nach Lübeck zu entkommen.
Die dortigen Ratsherren, ständig in Fehde mit Dänemark liegend, gaben ihm
finanzielle Hilfe und so konnte Gustav Wasa im Mai 1520 wieder nach Schweden
zurückkehren. Inzwischen war auf ihn ein Kopfgeld ausgesetzt worden und im
ganzen Land machten Häscher Jagd auf den Flüchtling.
Oft musste Gustav sich als Bauer, Bergmann oder Holzfäller verkleiden. Ende
1520 kam er im Dorf Isala beim Bauern Nilson als Knecht unter. Selbst in
dieses kleine Nest fielen eines Tages dänische Reiter ein, die jeden nach einem jungen Edelmann ausfragten. Bauer Nilson stellte sich in Anwesenheit
Gustavs unwissend. Seine Rettung verdankte er freilich dessen resoluter
Frau. Ein Chronist berichtet: „Seine Frau, um ihnen allen Argwohn zu nehmen, gab Gustavo einen ziemlich harten Schlag mit einem Brotschieber und schalt ihn, dass er so lange müßig stünde, und sich nicht hinaus mache zu dem
übrigen Gesinde, in der Scheune zu arbeiten. Er kam also bald ihrem Befehl
nach und entging dadurch den Händen der Feinde.“
Anfang 1521 schlug sich Gustav Wasa in die mittelschwedische Provinz Dalarna
durch. Deren Bewohner, „Dalekarlier“ (Talmänner) genannt, galten als
selbstbewusst und freiheitsliebend. In dem Hauptort Mora forderte Gustav die
Bauern zum Freiheitskampf auf. Doch er erlebte eine herbe Enttäuschung. Die
Dalekarlier zeigten sich gleichgültig und nahmen ihn nicht ernst, was wohl
auch an seiner Jugend lag, Gustav war erst 23 Jahre alt. Resigniert machte
er sich Ende Januar 1521 per Skibrettern auf den Weg nach Norden, in die
norwegischen Berge.
Mehr als 600 Schweden fallen dem Terror zum Opfer
Kurz darauf erreichten Mora alarmierende Nachrichten. Ein Adliger aus
Upland, Jon Michelsen, berichtete über eine grausame Tat von König Christian
II. Er hatte seine Krönungsfeierlichkeiten in Stockholm dazu missbraucht,
die ganze Stadt abzusperren und den versammelten Adel Schwedens gefangen zu
nehmen. Am 7./8. November 1520 wurden 94 Männer, darunter Gustav Wasas Vater
und Schwager sowie mehrere Bischöfe, vor dem Rathaus enthauptet. Im ganzen
Land fielen dem Terror mehr als 600 führende Schweden zum Opfer.
Mit dem „Stockholmer Blutbad“ erreichte Christian II. das Gegenteil seines
Vorhabens: Statt in Angst zu erstarren, meuterte das Volk. Daraufhin
verkündete der König, er werde vor jedem schwedischen Gehöft einen Galgen
errichten lassen und auch in Funktion setzen.
Als die Dalekarlier davon hörten, sandten sie ihre zwei besten Skiläufer
aus, die Gustav Wasa zurückholen sollten. Etwa 90 Kilometer von Mora
entfernt, beim Ort Sälen, stießen sie auf den Gesuchten. Gustav kehrte
zurück und stellte ein Heer aus Bauern und Bergarbeitern auf. Im August 1521
zum Reichsverweser ernannt, errang er mehrere Siege über die Dänen, eroberte
mit Hilfe einer Lübecker Flotte Stockholm und wurde am 6. Juni 1523 auf dem
Reichstag zu Strengnäs als Gustav I. zum König von Schweden ausgerufen. 1527
führte er die Reformation ein und starb 1560 hochverehrt als Landesvater.
400 Jahre nach Gustavs legendärem Skilauf von Mora nach Sälen hatte 1921 der schwedische Journalist Anders Pers die Idee,
dieses Ereignis sportlich zu vermarkten. Seitdem findet alljährlich am ersten Wochenende im März der Wasalauf statt. Diesen Wettstreit gewinnen übrigens fast immer Einheimische. Zu den wenigen nichtschwedischen Siegern gehört auch ein Deutscher, der DDR-Sportler Gert-Dietmar Klause (1975).
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