ALLE JAHRE WIEDER . . .
Reisen durch Deutschland

an Weihnachten, Ostern und anderen Feiertagen

Von grauen Tanten, grünen Witwen, rotem Wein und blauem Dunst
"Wenn sich Verwandtes zum Verwandten findet,
Da ist kein Widerstand und keine Wahl!"
(Schiller, Die Braut von Messina, II, 5)

(FORTSETZUNG VON TEIL I)

[Heiliger Geist]

50 Tage nach Ostern ist Pfingsten (eine Verballhornung des Griechischen "pendekosta"), der Geburtstag des heiligen Pfingstochsen. Nein, pardon, das Fest der Ergießung des heiligen Geistes über die Apostel Jesu, der sie in die Lage versetzte, Fremdsprachen zu erlernen - so ähnlich wie der Nürnberger Trichter. (In Wirklichkeit ist es ein altes jüdisches Frühjahrsfest, das die Christen aus diesem vorgeschobenen Anlaß übernommen haben.) Das trifft sich gut, denn einige Tage später beschließen auch Dikigoros und seine Frau, ihre Fremdsprachenkenntnisse zu erproben und nach Ossiland zu reisen, genauer gesagt ins Brandenburgische. Dort lebt Vetter Gustav - der freilich im Gegensatz zu seinem Namensvetter aus der Disney-Familie Duck weniger vom Glück verfolgt ist. Er ist der jüngste Neffe von Dikigoros' Schwiegervater, dem er im Überschwang seiner Gefühle nach der Wende alle (Teil-)Ansprüche auf die Rückenteignung des einstigen elterlichen Hofes abgetreten hat. (Na ja, nicht allein aus Gefühlsduseligkeit; er meinte vielmehr, daß er gut daran täte, "die Verantwortung für den alten Schuppen abzugeben, bevor er zusammen kracht und die ganze Erbengemeinschaft für den Abriß aufkommen muß." Das hatten freilich alle nur für einen gelungenen Scherz gehalten.) Weniger großzügig war seine Schwägerin, Tante Ermine, genannt "Ärmchen", obwohl sie so arm gar nicht mehr ist: Sie hat sich ihren (Teil-)Verzicht auf Haus und Hof von Gustav mit 500.- DM Rente pro Monat abkaufen lassen, und zusammen mit den großzügigen Zahlungen, welche die BfA aus der allein von Wessi-Beiträgen finanzierten Rentenkasse auch und vor allem an die Ossis ausschüttet, reicht das, um recht komfortabel zu leben. Sie hat sich sogar einen kleinen Computer (ein so genanntes "Notebook", obwohl das weder mit Noten noch mit Büchern zu tun hat) zugelegt und gelernt, damit im Internet zu surfen. Gustav machte sich darum seinerzeit keinen Kopf (wie der Ossi für "keine Sorgen" sagt), denn die Tante war damals schon 86 Jahre alt, und bei der ungesunden Lebensweise in der umweltvergifteten DDR mit ihren minderwertigen Nahrungsmitteln... Aber das ist jetzt über zehn Jahre her, und diese alte "Nazi-Generation" ist zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl und noch immer putzmunter - der macht kein noch so flinkes Wiesel etwas vor.

Der einst so wieselige Vetter empfängt seine Gäste aus Wessiland mit Leichenbittermiene - hoffentlich versucht er nicht, sie anzupumpen. "Stell' dich nicht so an," pflaumt Erika ihn an (die zum ersten Mal das Geburtshaus ihres Vaters sieht), "was macht denn deine Rinderzucht?" - "Verluste, Verluste und noch mal Verluste, wegen der BSE-Krise, ich kann kaum noch die 500 Mark für Tante Ärmchen aufbringen jeden Monat. "Die zahlste doch wohl nicht für die Rindviecher, sondern dafür haste ja immerhin das Häuschen bekommen, sonst müßteste Miete zahlen." Stumm geht der Vetter zum Schreibtisch und holt ein Schreiben des örtlichen Bauamtes hervor: "Das ist die Abrißverfügung." - "Was, wieso denn das?" - "Kommt mal mit in den Keller." - "Wow, ein Swimming-pool!" - "Von wegen... Grundwasser!" - "Das hat Vaddi schon immer gesagt," meint Erika, "aber das wußtet ihr doch vorher. Wieso hat nie jemand etwas dagegen unternommen?" - "Weil das ganz praktisch war. Solange immer nur ein bißchen Wasser da war, haben wir die Rinder darin getränkt." - "Das ist doch nicht dein Ernst?!" - "Noch, natürlich, angeblich hat das schon Opa so gemacht. Warum denn auch nicht?" - "Na, dann kannste ja jetzt die Pfingstochsen darin baden. Haste schon Widerspruch eingelegt?" - "Nein, mein Anwalt sagt, das wäre zwecklos und würde mich bloß noch mehr Geld kosten."

[Pfingstochse]

Die beiden Wessis hören sich auch die Gegenseite an, Tante Ärmchen, und Dikigoros unterbreitet den fragenden Vorschlag, ob sie ihrem armen Neffen nicht die monatlichen Zahlungen eine Zeitlang stunden könne. "Stunden?" fragt die zurück, "Ihr meint wohl tagen, wochen, monaten, jahren? Wie lange habe ich denn wohl noch zu leben? Was ich jetzt stunde, das ist verstundet und verjährt!" Erika deutet dezent an, daß sie ja genug Rente bekomme, ohne je ein unternehmerisches Risiko getragen zu haben, anders als ihr armer Neffe, und überhaupt, ohne..." - "Ich weiß, was Ihr sagen wollt," sagt die alte Tante, "wir alten Leute schmarotzen ja nur von Euren Beiträgen, nicht wahr? Und wir Ossis ganz besonders. Ich will Euch mal was sagen: Wir haben hier ausgehalten und Jahre lang Konsumverzicht geübt. Ihr im Westen habt ja gar keine Ahnung, was das heißt, nicht mal eben in den Supermarkt gehen zu können und für ein paar Mark Orangen und Bananen zu kaufen, soviel man will, das ganze Jahr über, auch wenn man nicht in der Hauptstadt lebt und wenn kein ausländischer Staatsbesuch angesagt ist. Ich hätte schon vor 35 Jahren rübermachen können, ganz legal, und dann hätte ich im Westen volle Rente bekommen, darauf habe ich 25 Jahre lang verzichtet, ein Vierteljahrhundert. Und warum das alles? Weil ich meine Heimat liebe. Und nun soll ich alles ohne Gegenleistung verschenken, bloß weil mein Herr Neffe den Großbauern spielen und Kühe züchten will?" - "Du beziehst eine Westrente und sprichst von Gegenleistung?" - "Ja wie, welche Gegenleistung erbringen denn die Millionen ausländischen Sozialschmarotzer, die Ihr im Westen durchfüttert, außer daß sie hier kriminell werden und der Polizei Arbeit machen? Zigaretten verkaufen? Ich rauche nicht! Nicht mal unsere verdammten Fijis seid Ihr los geworden, obwohl Ihr der Regierung von Jietnam (sie spricht "Vietnam" tatsächlich richtig aus, Anm. Dikigoros!) dafür Milliarden in den Arsch gepustet hat, daß sie sie zurück nimmt!" - "Wir sprechen nicht über Sozialhilfe, sondern über Rente, und die bekommt ein Ausländer in Deutschland auch nur, wenn er sie erarbeitet und in die Sozialversicherungskassen eingezahlt hat."

"Ach, papperlapapp," sagt die Tante, "wie immer Ihr das nennt, das Geld ist futsch, so oder so, und bei uns fehlt es an allen Ecken und Enden. Schaut Euch doch mal um: Warum hat Gustav denn kein Geld, um das Haus zu renovieren?" - "Weil er seinen Existenzgründungskredit anderweitig verbraten hat," versetzt Dikigoros, "der wird nie ein Geschäftsmann." - "Ihr jungen Leute glaubt immer, die Bisnismeni spielen zu können, um nicht wirklich körperlich arbeiten zu müssen; lauter Häuptlinge, aber keine Indianer. Ihr beide könntet auch keinen Bauernhof führen..." - "Die was?" fragt Erika. "Bisnismeni, Plural von Bisnismen, russisch für Businessman," klärt ihr Mann sie auf und verkneift sich die Bemerkung, daß die Schwiegertante heutzutage auch keinen Bauernhof mehr führen könnte, weil das eben nicht mehr geht wie im 19. Jahrhundert, denn er hat die Antwort aus berufenem Ossimund schon oft genug gehört: Die Landwirtschaft war das einzige, was in der DDR wirklich florierte, weil an landwirtschaftlichen Produkten allzeit Mangel war; also ging es den Bauern gut, und sei es nur, weil sie aus der LPG ab und zu mal etwas "abzweigen" und auf dem Schwarzmarkt verkaufen oder eintauschen konnten. So gesehen ging es Erikas Verwandten vor der Wende tatsächlich durch die Bank relativ gut. "Nun regt Euch bloß nicht über die paar Fremdwörter auf," sagt Tante Ärmchen, "wir im Osten haben unsere Sprache viel besser bewahrt als Ihr, und sei es nur Sächsisch oder Brandenburgisch. Wir haben nur drei Wörter aus dem Russischen übernommen: Bisnismen, Moddel und Datscha; zwei davon kommen aus dem Englischen, und das dritte haben wir ins Deutsche übersetzt, mit Datsche." - "Und Wodka und Broiler," ergänzt Dikigoros, "für Feuerwasser und Gummiadler." - "Das Wort Wodka gab es in Deutschland schon lange bevor die DDR gegründet wurde, Ihr Grünschnäbel, und Broiler ist ja wohl Englisch, nicht Russisch. Und wie viele tausend Wörter habt Ihr aus dem Amerikanischen übernommen? Ihr wißt doch gar nicht mehr, was ein Fernsprecher, ein Rundfunkempfänger oder ein Kleinkind ist." - "Nun ja, Radio ist ja wohl etwas praktischer als Rundfunkempfänger, und was die Kleinkinder anbelangt, da hat sich die DDR seit der Wiedervereinigung auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert, geschweige denn mit einem Baby-boom." - "Aber Ihr im Westen, was? Schaut euch eure getürkten Statistiken doch mal an, das ist ja schlimmer als bei uns damals in der DDR, wo auch immer alles wunderbar aussah auf dem geduldigen Papier: Der Bevölkerungszuwachs im Westen beruht doch zu mehr als der Hälfte nur noch auf Ausländern - die falschen Deutschen, die man nur mit einem BRD-Paß versehen hat, noch gar nicht berücksichtigt, sonst kämet Ihr leicht auf drei Viertel!"

(...)

Fronleichnam

[Fronleichnam]

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Tante Grit ist ein Mensch, der immer auf die Butterseite des Lebens gefallen ist. Eine flotte Sächsin aus Radebeul (der Wahlheimat Carl Mays), die von je her das Repertoire beherrscht hat, das eine Frau beherrschen muß, um bei Männern Erfolg zu haben - früher noch viel wichtiger als heutzutage, im Zeitalter der Emanzipation. Schon in ajungen Jahren ist sie mit dem Stadtkommandanten von Dresden liiert, der sie - ebenso wie sich selber - rechtzeitig vor dem alliierten Terror-Bombardement vom März 1945 in Sicherheit bringt; dann geht sie mit einem bekannten Fußballer vom SC Dresden nach Hamburg, wo sie Dikigoros' Vater kennen lernt. Andere Frauen haben damals Probleme, einen jungen, halbwegs unversehrten Mann zu finden - die meisten sind noch in Gefangenschaft. Nicht so Tante Grit, die hat reichlich Auswahl. Urs ist ja ganz nett, aber nur ein kleiner Zöllner; sein oberster Chef dagegen, Hauptzollamtsvorsteher Egon M. (der, ausgestattet mit dem richtigen Parteibuch - dem roten -, noch eine glänzende Karriere vor sich hat), ist ein stattlicher Mann Anfang 50, gerade verwitwet, Kinder erwachsen und aus dem Haus, also eine viel bessere Partie. Sie reicht Urs an Dikigoros' Mutter weiter und heiratet M. Eigene Kinder bekommt sie keine, aber sie wird die Patentante von Urs' erstem Sohn. Die ersten paar Jahre kommt sie noch ab und zu auf Besuch - immer alleine, ohne Mann. Dikigoros hat sie als eine aufgedonnerte, Zigaretten rauchende und nach teurem Parfum riechende Schönheit nach dem Geschmack der damaligem Zeit in Erinnerung; dann ziehen beide Familien aus Hamburg weg, der Kontakt reißt ab, und er sieht sie ein paar Jahrzehnte nicht wieder. Aber er hört und liest regelmäßig von ihr: Ansichtskarten aus aller Welt, die Dikigoros' Mutter stets zu der Bemerkung veranlassen: "Die hat es gut; während ich mich hier im Haushalt abplackern muß, genießt sie das Leben und amüsiert sich überall köstlich." Na ja, ob das tatsächlich immer so lustig ist, als Anhängsel eines doppelt so alten Mannes... aber diesen Eindruck zu erwecken ist ja der Zweck jener Karten. Dikigoros' Mutter diktiert ihm dann immer die Antwortschreiben, in Schönschrift, exakt drei Seiten (soviel geht in einen Umschlag zum normalem Briefporto), und sein Vater erinnert ihn stets daran, in der Schlußzeile auch Onkel Egon schön zu grüßen. Nachdem Dikigoros von zuhause weg ist - also seit seiner Bundeswehrzeit - schläft auch der Briefkontakt allmählich ein.

Eines Tages meldet sich Tante Grit überraschend wieder: Onkel Egon hat seinen zweiten Schlaganfall erlitten, ist halbseitig gelähmt und ein Pflegefall. "Nach all den Jahren werde ich ihm selbstverständlich die Treue halten, bis daß der Tod uns scheidet" sagt Tante Grit - aber dahinter steckt natürlich etwas ganz anderes als "Treue" und/oder Spaß am Rollstuhl-Schieben: Sie erreicht, daß ihr Mann seine Kinder aus erster Ehe zu ihren Gunsten enterbt und dann brav in ihren Armen stirbt; ihre Stiefkinder fechten das Testament an, aber ihr sprichwörtliches Glück verläßt sie nicht - sie gewinnt den Prozeß und den Löwenanteil (bis auf die Pflichtteile) seines nicht unbeträchtlichen Vermögens. Nun ist sie lustige Witwe und als solche - im Gegensatz zu Dikigoros' Schwester - materiell bestens versorgt, denn die Pension eines Regierungspräsidenten a.D. ist ja auch nicht zu verachten. "Und das, obwohl sie nie einen Handschlag gearbeitet hat im Leben," pflegt Helli neidisch zu sagen, "weder im Beruf noch im Haushalt noch im Kinderzimmer. Ist das gerecht?" Aber was ist schon gerecht im Leben? Und wer weiß, was dahinter steckt... Dikigoros besucht an Fronleichnam ein Seniorensportfest in der Nähe ihres Wohnorts, d.h. weit weg vom Rhein, zu weit, um abends nach dem Wettkampf noch nach Hause zu fahren; und warum soll er da im Hotel übernachten, wenn Tante Grit ihn einlädt - übrigens zum ersten Mal im Leben. Sie empfängt ihn in ihrem luxuriösen Appartement - "wie ein goldener Käfig", ist der erste Gedanke, der Dikigoros spontan durchfährt - und serviert ihm ein schönes Abendessen. Also zumindest Hellis Behauptung, daß sie keinen Haushalt führen könne, scheint nicht zu stimmen, denn sie hat offenbar kein Personal - jedenfalls keine Köchin -, sondern macht alles selber.

"Das mit dem Sport stimmt also," beginnt die Tante, als Dikigoros ihr auf Befragen die Urkunden zeigt. "Ja, wieso nicht? Dachtest du, das Sportfest wäre nur ein Vorwand, um dich zu besuchen?" - "Ich meine, was du damals geschrieben hast?" - "Damals?" Tante Grit holt einen Stapel Briefe aus dem Schrank. Sie hat doch tatsächlich all die Schreiben aufbewahrt, die klein Niko ihr als Kind geschrieben hat, von all seinen sportlichen Erfolgen... "Was hätte ich dir denn sonst Erfreuliches schreiben sollen? Ich war die meiste Zeit ein mittelmäßiger Schüler, da gab es nicht viel zu berichten." - "Und das gute Abitur?" - "Na ja, in den letzten beiden Jahren habe ich mich am Riemen gerissen und es noch ganz gut hin bekommen, mit einer gehörigen Portion Glück. Aber du warst ja auch nicht gerade vom Pech verfolgt im Leben." - "Ich hab' mich auch nie beklagt, obwohl..." - "Obwohl was?" - "Nun, ich habe mich eben immer bemüht, die positiven Seiten zu sehen, ich glaube, das ist die einzig richtige Lebensfilosofie." - "Der erfolgreiche Ehemann, das schöne Zuhause, die tollen Reisen um die Welt..." - "Ach, was weißt du denn, der erfolgreiche Ehemann, der mir jeden zweiten Abend die Parteigenossen angeschleppt hat, diese roten Bonzen, mit denen ich schön tun mußte, damit er Karriere macht, dieses widerwärtige Geheuchele und Gekungele. Und die Bude, die gehört mir doch nur auf Zeit." - "Wieso? Ich dachte, du hättest den Erbschaftsprozeß gewonnen?" - "Pustekuchen. Ich habe einen Vergleich geschlossen: Ich bin Vorerbin, meine Stiefkinder Nacherben." - "Das kann dir doch ziemlich egal sein, sind die nicht ungefähr in deinem Alter?" - "Zwei älter, zwei jünger." - "Na also, die werden wohl nicht mehr viel davon haben." - "Du verstehst immer noch nicht. Ich denke, du bist Anwalt, dann müßtest du doch wissen, daß ich als Vorerbin strengen Beschränkungen unterliege; ich darf das Geld nicht einfach ausgeben wie es mir gefällt, sondern nur im Rahmen der so genannten üblichen Lebensführung."

Wie kann man nur so einen dämlichen Vergleich schließen, denkt Dikigoros bei sich, nun haben beide Parteien nichts davon... statt sich irgendwo in der Mitte zu einigen! Aber er sagt nur leichthin: "Na, mal im Ernst, wofür wolltest du das Geld schon ausgeben? Du hast doch alles, und dazu noch die Witwenrente. Und teure Reisen brauchst du keine mehr zu machen; im Gegensatz zu den meisten anderen Leuten hast du die Welt doch schon gesehen, als du noch jünger warst und es genießen konntest." - "Einen Dreck habe ich gesehen von der Welt. Immer nur die gleichen Luxushotels und Restaurants, im Taxi vom Flughafen in die Hauptstadt und zurück, halbtägige Sightseeing-Tour im klimatisierten Bus zu den Sehenswürdigkeiten, die ich auf jeder Postkarte sehen kann, schwafelnde Fremdenführer, abends Empfang beim deutschen Botschafter, Sektgläser schwenken, Smalltalk machen mit irgendwelchen blöden Ärschen... wie mich das alles angekotzt hat." Die Menschen - besonders die weiblichen Geschlechts - wollen halt immer das, was sie nicht haben, denkt Dikigoros bei sich, und sind nie mit dem zufrieden, was sie haben. "Und die Ansichtskarten?" - "Ach ja, überall, wo wir waren, mußte ich an die 100 Ansichtskarten nach Hause schreiben: wie wunderbar doch alles war, wie gut es mir gefiel, wie toll es mir ging, na usw., habt ihr doch zur Genüge gelesen. Und als Antwort kamen dann immer Briefe von den Kindern der Frau, die mir den Mann ausgespannt hat, wie sie heran wuchsen, und ich selber hatte keine, nur die verdammten Stiefkinder, die mich vom ersten Tag an gehaßt haben." Sie beginnt zu weinen. "Habt ihr uns deshalb nie eingeladen?" - "Ach was, aber was hättest du denn getan an der Stelle meines Mannes? Würdest du deinen Vorgänger einladen?" - "Ich hatte keinen Vorgänger." - "Ach so." - "Ach so was?" - "Deshalb ist deine Frau nicht mit gekommen." - "Meine Frau begleitet mich nie zu meinen Wettkämpfen." - "Ich kann mir trotzdem denken, was sie von mir hält; deine Mutter wird sie ja entsprechend aufgeklärt haben." - "Sie hat mit Erika nie über dich gesprochen; aber mir hat sie die Sache zwischen dir und meinem Vater ganz anders dargestellt." - "Na ja, die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte, wie sich das so ergibt."

Exkurs. An anderer Stelle hat Dikigoros geschrieben, daß Frauen auf [Ehe-]Männersuche (und umgekehrt :-) die Eier legende Wollmilchsau wollen: den feurigen Liebhaber, den braven Ehemann, den treusorgenden Familienvater, und natürlich soll er schon in jungen Jahren Erfolg im Beruf haben, genug Geld verdienen und es großzügig an sie weiter reichen. Der Ärger ist nur, daß man diese Kombination nur selten antrifft und daher zwischen Suchen und Finden eine gewisse Diskrepanz klafft. Ihr müßt Euch schon entscheiden, liebe Leserinnen, ob Ihr einen Mann wollt, der Euch als gleichaltrige, gleichberechtigte Partnerin ansieht und mit dem Ihr noch gemeinsame Kinder haben und gemeinsam etwas aufbauen könnt, oder einen spendablen Sugar-daddy, der schon Karriere gemacht hat, Euch gut versorgt und behütet - wie man halt eine Adoptiv-Tochter behütet -, und dem der Sinn nicht mehr nach Seitensprüngen steht. (Aber wenn Ihr Pech habt, springt er bald gar nicht mehr :-) Ihr meint, Ihr könntet auch einen Kompromiß schließen, "irgendwo in der Mitte", wenn "sich das so ergibt"? Ja, aber das ist meist nichts Halbes und nichts Ganzes, und am Ende werdet Ihr womöglich in allen Punkten enttäuscht sein. Gewiß, auch ein 10-15 Jahre älterer Mann wird Euch noch ein paar Kinder machen können, aber er wird schwerlich noch mit ihnen auf dem Sportplatz herum toben, sondern sich vielleicht doch lieber mal nach anderen Frauen umschauen. Ihr spekuliert darauf, daß Ihr beides nacheinander haben könnt? Früher war das schwieriger, denn wenn der alte Knacker endlich abgekratzt war, war meist auch die Frau schon nicht mehr ganz taufrisch, und gebrauchte Witwen standen, selbst bei vermögender Erbschaft, bei jüngeren Männern nicht sonderlich hoch im Kurs. Heute kann frau sich beliebig oft scheiden lassen und den Mann jedesmal wieder abzocken - aber je kürzer die Ehe, desto geringer Zugewinn- und Versorgungsausgleich, und der alte Unterhaltsanspruch geht mit jeder neuen Eheschließung wieder verloren, und die Erfahrung lehrt, daß frau sich bei solchen Manövern auf die Dauer eher verschlechtert (von wegen: "beim nächsten Mann wird alles besser..."), denn Männer mit etwas Grips und Geld heiraten keine zu oft Geschiedene (es sei denn, sie wären es selber auch, und dann wird es mit ihrem geldwerten Vermögen ohnehin nicht mehr allzu weit her sein :-). Wohlgemerkt, Dikigoros spricht nicht von der Nachkriegsgeneration, die für gewöhnlich keine große Wahl hatte und froh sein mußte, überhaupt einen Mann abzubekommen, egal ob älterer Witwer mit Kindern oder junger Habenichts; aber seine Patentante hatte die Wahl, und wer die hat, hat bekanntlich auch die Qual und setzt sich im Nachhinein dem eigenen Vorwurf aus, die falsche getroffen zu haben. Tante Grit wäre wohl auch mit jeder anderen Wahl unzufrieden und unglücklich geworden wäre; und das ist wahrscheinlich auch das Problem der heutigen Frauengeneration, die glaubt, alles haben zu können, ja zu müssen - neben der Eier legenden Wollmilchsau zum Mann womöglich auch noch die Kinderschar und den Erfolg im eigenen Beruf -, und dann enttäuscht ist, wenn sich das hinterher als große Illusion erweist und sie an ihren eigenen, überzogenen Ansprüchen scheitert. Exkurs Ende.

[Erntedank/Thanksgiving]

Dikigoros hat lange gesucht, bis er ein Bild gefunden hat, auf dem "Erntedank" und "Thanksgiving" gleichzeitig abgebildet sind. Er hat dieses Bild bewußt ausgewählt, obwohl - oder vielmehr weil - es falsch ist. Das alte deutsche Erntedankfest und das amerikanische Thanksgiving haben nichts mit einander gemeinsam - nicht einmal das Datum, geschweige denn den traditionellen Anlaß oder gar die heutige Bedeutung. Das alte indogermanische Erntedankfest wurde am letzten Tag des Monats September gefeiert, wenn die Getreideernte eingefahren und das überzählige Stroh symbolisch zu Puppen gebunden und verbrannt wurde. Die Nazis hatten es im "Dritten Reich" für irgendwelche schwiemeligen ideologischen Festivitäten mißbraucht, die Dikigoros immer an das jüdische "Laubhüttenfest" [Sukkoth] erinnern, das etwa zur gleichen Zeit, nämlich am ersten Tag des Oktobers, beginnt und im "Versöhnungstag" [Yom Kippur] gipfelt - der freilich nicht der Versöhnung mit anderen Völkern dienen soll, sondern der Versöhnung der Juden untereinander, damit sie umso einträchtiger auf den gemeinsamen Kampf gegen ihre äußeren Feinde - oder diejenigen, die sie dafür halten, also den Rest der Welt - eingeschworen werden können. Juden dürfen das natürlich, nicht so die Deutschen; deshalb wird das Erntedankfest heute in der BRD nicht mehr öffentlich gefeiert; nur in einigen Kirchen stellt der Pfarrer, wenn er denn altmodisch ist, vielleicht ein paar Kornblumen aus Kunststoff neben den Altar - aber wer geht heutzutage schon noch in die Kirche? Das amerikanische Thanksgiving hat dagegen nie etwas mit der Getreideernte zu tun gehabt - und daraus folgt auch die unterschiedliche Datierung: Die Amerikaner, die schon früh landwirtschaftliche Veredelungswirtschaft betrieben, mästeten mit ihrem Corn [Mais] die Truthähne, und wenn die schlachtreif waren, dann kam für sie die Zeit, Dank zu sagen und ein Festmahl zu halten. Deshalb wird Thanksgiving traditionell am letzten Donnerstag im November gefeiert - also etwa zur gleichen Zeit wie das Sankt-Martinsfest in Europa. (Offiziell fällt es - zumindest in Frankreich - auf den 11. November, da das der Tag des französischen Heiligen Martin ist; aber Dikigoros glaubt sich aus seiner Kindheit zu erinnern, daß er in Deutschland etwas später gefeiert wird.) Der wirkliche Grund war ein ganz anderer und entsprach dem des amerikanischen Thanksgiving: Die Martinsgänse waren schlachtreif, und auch die gelten unter Indogermanen allgemein als Festessen durchaus religiöser Prägung.

Gans Hans Tradition.

Dikigoros dagegen zieht dem fettigen Gänsebraten mit Kartoffelklößen und Rotkohl einen schönen Truthahn - oder, wie die Amerikaner sagen "Türken" [Turkey, auch Synonym für "Trottel"] - mit Mais und Preiselbeeren [cranberries] vor. Ja, liebe deutsche Leser, die Ihr glaubt, Ihr hättet Eßkultur und die Amerikaner nicht, weil Ihr von MacDonald's und anderen Fast-food-Tempeln auf andere schließt, davon könntet Ihr Euch so manche leckere Scheibe abschneiden! Ihr mögt Dikigoros für sentimental halten - und vor allem für inkonsequent, denn er hat ja im Untertitel geschrieben "Reisen durch Deutschland" -, aber bis zu jenem 11. September 2001 ist er jedes Jahr Ende November in die USA geflogen, um Thanksgiving zu feiern, mit einem ständig kleiner werdenden Freundeskreis aus alten Tagen: Justin, dem erfolgreichen Consultant [Wirtschaftsberater], der hervorragend Deutsch spricht, und seiner deutschen Frau Susan[ne], Michael und Charlotte, die er immer für ein Traumpaar gehalten hatte - seit sie geschieden und er nach Deutschland zurück gekehrt ist feiern sie nicht mehr bei ihnen zuhause (sie waren perfekte Gastgeber), sondern im besten Hotel vor Ort, mit dem großen Thanksgiving-Buffet - Tisch-Reservierung mindestens 6 Wochen im voraus obligatorisch - und reichlich teurem Sekt. Aber dazu schreibt er an anderer Stelle mehr.

Hier möchte er noch einmal auf den Anfang des Monats November zurück kommen, und dafür brauchte er den Vorgriff auf Sankt Martin. Wenn Ihr ältere Semester seid, liebe Leser, dann habt Ihr vielleicht noch die Sankt-Martinszüge in Erinnerung, bei denen Papierlaternen mit kleinen Kerzenlichtern gebastelt und von den Kindern in langen Prozessionen durch die abendlichen Straßen getragen wurden. Dieser Brauch ist uralt - nur das Material ist neu. Traditionell wurde statt einer Papierlaterne ein ausgehöhlter Kürbis genommen, in den Löcher geschnitzt wurden, durch die das Kerzenlicht schien - und wenn man es geschickt anstellte, sahen die aus wie Mund und Nase eines menschlichen Gesichts.

Allerheiligen, Allerseelen, Halloween, Die Seelen der Verstorbenen.

Totensonntag

[Denkmal]

(...)

Gina ist die älteste Tochter von Onkel Ted und Tante Helli, der Patentante von Dikigoros' Schwester, nach der sie auch so heißt. (Es ist auch der Name ihrer Oma - die sie nur einmal im Leben gesehen hat, als sie noch ganz klein war -; aber das schließt sich ja nicht aus :-) Onkel Ted war ein Berufskollege von Dikigoros' Vater, ein Draufgänger, der ihm immer um ein, zwei Nasenlängen voraus war: bei den Beförderungen im Beruf und beim Militär, bei den Frauen, bei den Kindern... Während Urs noch als Gefreiter bei der Infanterie im italienischen Dreck lag, war Ted schon Offiziersanwärter und gehörte zu den Fallschirmjägern, die über Nacht die Truppen des abtrünnigen Verbündeten überrumpelten und entwaffneten: "Je zwei Mann von uns für eine Kompanie Itaker, das reichte völlig aus." Italien hat ihn geprägt - er dürfte der erste Deutsche gewesen sein, der seine Töchter Gina und Tina genannt hat. (Natürlich heißen sie offiziell "Regina" und "Christina", aber niemand nennt sie so.) Später brachte er es bis zum Oberzollrat und - worauf er besonderen Wert legte - zum Oberst der Reserve (das, liebe Nichtgediente, ist ein Dienstgrad, den Reservisten nur äußerst selten erreichen), und als er vor ein paar Jahren gestorben ist, sogar zu einem Begräbnis mit militärischen Ehren. Gina war Dikigoros' erster großer Schwarm - wie das so ist, wenn sich ein Sechsjähriger in eine Vierzehnjährige verguckt: Sie konnte ihm beim Frühstück so schön die Brötchen schmieren, und dann brachte sie ihm Schachspielen bei, während die Eltern Doppelkopp spielten (ein altes deutsches Kartenspiel für vier Personen, dessen Regeln Dikigoros selber nicht so genau kennt; sie sind wohl von Landstrich zu Landstrich unterschiedlich). Unzweifelhaft hatte sie eine pädagogische Ader; aber da es im Leben leider oft nicht darauf ankommt, was man kann, sondern ob man die formalen Voraussetzungen dafür erfüllt, was man darf, ist sie keine Lehrerin geworden. (Statt dessen wurden das viele Idioten, die bloß Pädagogik studierten, weil ihnen nichts anderes einfiel, und die haben die deutschen Schulen dann zu dem gemacht, was sie heute sind - aber das ist eine andere Geschichte.) Dikigoros erinnert sich noch, als Tante Helli erzählte, wie ihre Älteste weinend nach Hause kam und ihr beichtete, daß sie das Lehramtsstudium einfach nicht packte: Entgegen weit verbreiteter Ansicht ist nicht jede gute Schachspielerin auch eine gute Mathematikerin; aber sie hatte sich dieses Fach halt ausgesucht (und dazu noch Fysik, was ja auch nicht viel weniger anspruchsvoll ist), und das erwies sich eben am Ende als zu schwierig. (Auch Dikigoros - der sich ebenfalls für einen guten Schachspieler hält - hätte es schwerlich geschafft.)

Kein Beinbruch, Gina hatte Karlchen wieder getroffen, einen netten jungen Mann, den sie schon zu Schulzeiten kannte, der ein Überflieger war wie ihr Vater, sein Lehramtsstudium mit Bravour meisterte, sie heiratete und alsbald eine glänzende Karriere im Schuldienst machte - es war die Zeit der Expansion, als da noch schnelle Beförderungen möglich waren: Nach wenig mehr als zehn Jahren war er schon Oberstudiendirektor und Schulleiter - dann ließ er sich scheiden (die Reform des Scheidungsrechts anno 1975 machte das möglich, ohne lange nach Gründen zu suchen) und nahm sich eine jüngere Frau. "So ein junges, dummes Gänschen, das bloß mit den Titten und dem Hintern wackeln konnte," sagt Gina. Sie bekam keine Unterhaltszahlungen, denn sie war noch jung und hatte keine Kinder, konnte also darauf verwiesen werden, ihren Lebensunterhalt selber zu verdienen, aber einen kleinen Zugewinnausgleich, gewissermaßen als Abfindung; damit und mit einem Kredit von der Sparkasse - für den ihre Eltern bürgten - machte sie sich selbständig, mit einem kleinen Versandhandel, und eine Zeit lang ging das auch ganz gut; aber vor ein paar Jahren hat ihr Betrieb Pleite gemacht.

(...)

"Ich habe in Deutschland produziert, mit deutschen Arbeitskräften zu deutschen Tarifen für den deutschen Binnenmarkt - das ist nun der Dank dafür." - "Wie wolltest du auch mit einem Versandhandel im Ausland arbeiten?" fragt Frau Dikigoros. "Gerade - fast alle meine Konkurrenten machen das so. Die deutsche Post hat doch die höchsten Portotarife der Welt, deshalb gehen die kurz über die Grenze und versenden von dort, das spart einen Haufen Geld." - "Das Über-die-Grenze-fahren eines deutschen Absenders haben die Gerichte verboten," ergänzt Dikigoros, "um das Post-Monopol zu schützen. Aber die Richter sind zu blöde um zu kapieren, was sie damit bewirkt haben: Die Betriebe haben sich einfach auch offiziell im Ausland niedergelassen; so schlagen sie nicht nur der deutschen Post ein Schnippchen, sondern auch dem deutschen Fiskus."

Die Macht der Gewerkschaften... Billig-Importe und Billig-Schwarzarbeiter aus dem Ausland

Bonzen wegen Anstiftung zur Nötigung einbuchten, Kassen qua Schadensersatz pfänden...

"Aber liebste Gina, auf Nötigung steht Geldstrafe oder maximal 3 Jahre Freiheitsstrafe, die fast nie ausgeschöpft werden; und bis zu zwei Jahren wird die fast zwangsläufig zur Bewährung ausgesetzt." - "Nein," widerspricht Gina, "in besonders schweren Fällen bis zu fünf Jahren, und das sind besonders schwere Fälle." Schau mal an, denkt Dikigoros, die hat sogar ins Strafgesetzbuch geguckt. "Selbst wenn du die einbuchtest - die würden, wie jeder andere organisierte Kriminelle auch, ihre Geschäfte vom Knast aus weiter führen, notfalls per Handy. Du hast immer noch nicht begriffen, daß wir in einem Parteien- und Verbände-Staat leben. Die Parteien haben den Staat an sich gerissen, die Verbände die Wirtschaft. Die Gewerkschaften sind schon schlimm genug, da magst du durchaus Recht haben; aber die Industrie- und Arbeitgeber-Verbände sind um keinen Deut besser, eher schlimmer, vor allem die Export-Lobby, das darfst du mir glauben; ich habe schließlich selber eine Zeit lang für die gearbeitet. Das sind alles Verbrecher, die korrupte Politiker im In- und Ausland schmieren, vor allem letztere - sonst bekämen sie bei unseren Gestehungskosten doch dort nichts mehr verkauft. Dafür dürfen sie in zoll- und steuerfreien Zonen billig produzieren lassen: Adidas verkauft Sportschuhe, deren Produktion ihn dort 50 Pfennig kostet, für 200.- DM pro Paar in Deutschland."

"Aber hat sie nicht Recht?" fragt Frau Dikigoros, nachdem Gina abgereist ist. "Ja, schon, aber daran ist sie nicht wirklich gescheitert," meint ihr Mann, "sondern daran, daß sie ihren Laden von vornherein auf Pump aufgebaut hat. Das kann und muß man machen, wenn man Investitionsgüter braucht, z.B. Maschinen, oder meinetwegen als Zahnarzt den Behandlungsstuhl und die Geräte; aber man kann doch nicht auf Pump Gebäude anmieten und Mitarbeiter einstellen oder sonst Dienstleistungen ohne bleibenden Gegenwert kaufen. Wenn man dafür einen Kredit braucht, muß man eben mit ein paar Mitarbeitern weniger auskommen und mit kleineren Räumlichkeiten. Du weißt, wie ich angefangen habe: im Wohnzimmer, ohne einen einzigen Mitarbeiter, alles selber getippt; nicht mal eigene Gesetzestexte und Kommentare habe ich mir gekauft, sondern bin bei Wind und Wetter in die Uni-Bibliothek geradelt, und zum Kopieren in den Copyshop. Und nie ein Computerprogramm gekauft; sogar meine Internetseiten habe ich selber geschrieben. Aber ich habe nie einen Pfennig Schulden gemacht und Zinsen gezahlt. Und ich beschäftige bis heute nur freie Mitarbeiter. Wer glaubt, daß ich ihm zu wenig zahle und daß er woanders mehr bekommt, kann jederzeit gehen; mich legt kein Streik lahm, nicht mal bei der Post, denn ich bringe meine Schriftsätze noch heute persönlich zum Gericht - das hält fit." - "Aber Gina kann ihre Sendungen ja nicht persönlich austragen." - "Soll sie ja gar nicht. Aber mußte sie sich denn eine persönliche Assistentin halten? Und der dicke Dienstwagen? So etwas leiste ich mir bis heute nicht. Mir imponiert es nicht, wieviel Blech und PS so eine Kiste hat; die kann man auf unseren Straßen doch eh nicht ausfahren. Mir imponiert es höchstens, wenn jemand sparsam und sicher fährt, d.h. unfallfrei, und ordentlich ein- und ausparken kann." - "Sie konnte ihn halt von der Steuer absetzen." - "Ja, du erinnerst dich doch noch an meinen Mandanten C., der meinte bis zur Pleite auch immer, er könne ja alles von der Steuer absetzen, einschließlich der Kreditzinsen. Aber selbst beim Spitzensteuersatz bekommste beim Absetzen nur rund die Hälfte der Ausgaben zurück, den Rest mußte aus eigener Tasche bezahlen, d.h. aus den Gewinnen, und die mußte erstmal erwirtschaften. Das kommt alles nur von dieser krankhaften Sucht, keine Steuern zahlen zu wollen. Aber das ist bei den großen Konzernen ja genau so: Wenn es ihnen gut geht, kaufen sie schnell ein marodes Unternehmen dazu, um deren Verluste von ihren eigenen Gewinnen abzuziehen und so steuerfrei zu bleiben. Das geht solange gut, bis die Verluste der Tochter-Gesellschaft die Gewinne der Mutter langfristig übersteigen. Wie viele gute, gesunde Gesellschaften haben sie so schon ganz oder fast in den Ruin gewirtschaftet: Babcock, BMW, Daimler, Dornier, Holzmann, Mobilcom, Siemens, Telekom, VW... deren Untergang werden wir alle noch mit erleben. Ganz zu schweigen von Unternehmen, die nie eine gesunde Substanz hatten, sondern von Anfang an auf Pump gebaut waren, wie die Kirch-Gruppe oder SAP. Und wenn dann doch mal ein paar Mark Gewinn erwirtschaftet werden, werden die gleich wieder durch unsinnige Investitionen, vor allem im Ausland, verfrühstückt. Wieviele Milliarden hat VW schon in Lateinamerika in den Sand gesetzt? Es läuft immer nach dem gleichen Schema ab: Gewinne werden ins Ausland transferiert, Verluste, im Inland abgesetzt, und wenn Arbeitsplätze verloren gehen, pardon, exportiert werden, werden die Arbeitslosen dem deutschen Sozialversicherungssystem aufs Auge gedrückt. Diese ganze so genannte Globalisierung ist ein Faß ohne Boden, an dem ganz wenige viel verdienen; der Rest zahlt nur drauf. Und wenn es so weit ist, werden auch die Banken mit gerissen. Eigentlich müßten die jetzt schon ihre Beteiligungen z.B. an der Deutschen Telekom mit null abschreiben, denn wenn sie die Aktien, die sie damals auf Druck der Regierung kaufen mußten, heute auf den Markt werfen würden, würde der Kurs genau dorthin sinken - das Unternehmen besteht doch nur noch aus Schulden. Und es sind nicht nur kleine Fische wie etwa die Berliner Bankgesellschaft; auch die Dinosaurier, wie die Commerzbank, die Dresdner Bank und sogar die Deutsche Bank stehen hart am Rande der Insolvenz, wenn die großen Konzerne dicht machen, von den Versicherern ganz zu schweigen, denn alles, was die je auf Pump in den Ostblock oder in die Dritte Welt geliefert haben, hat sich längst in papierene Forderungen verwandelt, die nicht mal mehr das wert sind. A propos Globalisierung: Die deutschen Verluste sind ja nur Peanuts, verglichen mit einigen Pleitegeiern im Ausland: Adelphia Communications, EM.TV, Oracle, Tyco, Vivendi, Warnaco, WorldCom - aber von alledem haben die meisten Deutschen ja noch nie gehört...

[Nikolaus]

6. Dezember, Nikolaus, Dikigoros' Namenstag. Aber erstens feiert er den nicht, und zweitens wäre es müßig, fleißigen Lesern der "Reisen durch die Vergangenheit" hier etwas über Dikigoros zu erzählen - das hieße Euros nach Athen tragen, pardon, Eulen nach Athen tragen, denn die wissen ja schon alles (und nun auch über seine Verwandt- und Schwägerschaft). Also schreibt er lieber etwas über seinen Namensvetter, nach dem dieser Tag benannt ist. Eigentlich war das ja der 6. Januar, aber die Katholiken haben ihn um einen Monat vorverlegt (daher auch noch die Geschenke).

(Fortsetzungen folgen)

* * * * *

"Rondo", würde Joachim Fernau an dieser Stelle schreiben, denn es sind inzwischen einige Jahre vergangen; und diese Webseite zählt zu denen, die Dikigoros mit einer Fortsetzung versieht, noch bevor der Hauptteil zuende geschrieben ist. Eigentlich sollte es eine Reise durch die abendländischen Feiertage werden, bevor das Verbrecher-Regime in Berlin - das längst die Mehrheit des Volkes gegen sich hat, wie man an den ständigen relativen Wahlsiegen der Enthaltungen ablesen kann, und daher frei nach Brecht damit begonnen hat, sich ein neues Volk zu suchen - sie alle zugunsten islamischer Feiertage abgeschafft hat. (Kein Witz, liebe jüngeren Leser, sondern traurige Wahrheit: Pfingst- und Ostermontag sind ja in einigen Bundesländern schon gefallen, der 2. Weihnachtstag wird folgen, und statt dessen werdet Ihr demnächst Idulfitri und den Geburtstag des Profeten feiern und zum Opferfest vor Eurer Tür einen Hammel schächten, streng nach Ritus, d.h. ohne Betäubung; und wehe Ihr haltet das Fastengebot des Ramadan - und eure Frauen das Verschleierungsverbot in der Öffentlichkeit - nicht ein, dann werden euch die Religionswächter steinigen - ganz legal, denn die Sharia wird Gesetz sein, für alle in der Islamischen Republik Deutschland!) Die Familientreffen sollten dagegen "nur" als Aufhänger dienen; aber nun, da wieder einmal Pfingsten ist, spürt er, daß es das letzte Treffen dieser Art sein wird, und er will es nicht verschweigen, auch wenn es nicht sonderlich erfreulich ist. Die Reihen haben sich gelichtet; nachdem sein Schwippschwager, der verhinderte Rennfahrer, sich vor Jahr und Tag bei Nacht und Nebel tot gefahren hat, ist er der älteste männliche Anwesende. (Der jüngste Vetter seines Vaters lebt zwar noch; aber er hat Krebs im Endstadium und ist nicht mehr transportfähig.) Von der vorigen Generation sind nur noch Tante Schiefnase und - als älteste - seine Mutter übrig, die inzwischen auch ein Pflegefall ist; aber nach den traurigen Erlebnissen mit seinen Schwiegereltern, seinem Schwiegeronkel und seinem eigenen Vater hat Dikigoros Sorge getragen, daß sie weiter zuhause wohnen bleibt, nicht in eine "Senioren-Residenz", ein Alters- oder Pflegeheim abgeschoben oder gar im Krankenhaus zu Tode gepflegt wird, wie seine Schwiegermutter - als Jüngste jener Generation ist sie zuerst gestorben, und das hätte nicht sein müssen, wenn die Ärzte im berüchtigten Aachener "Klinikum" nicht so unfähig gewesen wären. Und da auch Grete nur noch eingeschränkt transportfähig ist, findet das Treffen erstmals bei ihr statt - der Kreis ist ja nicht mehr so groß wie früher, dafür reicht die Wohnung aus. An der Wand hängt ein Bild aus der guten alten Zeit - Erbstück von ihrer Schwester, die im Vorjahr gestorben ist: ein Familien-Stammbaum, angefertigt im Sommer 1914, zum 50. Hochzeitstag ihrer Großeltern. Sie selber fehlt, denn sie war noch nicht geboren; und auch das Photo von Tante Inge als Kleinkind ist wohl erst nachträglich eingefügt worden, denn die war ja damals noch ein Baby. Ja, 1914 war die Welt noch in Ordnung, erst recht 1864: Da war Ofen noch eine deutsche Stadt, das "kakanische Reich" der Habsburger war noch nicht in "Österreich" und "Ungarn" geteilt, ja selbst Deutschland war noch ungeteilt, denn der Kriegstreiber Bismarck hatte den Deutschen Bund noch nicht zerstört - im Gegenteil, die Hohenzollern und die Habsburger waren mit einander gut Freund, ja sogar verbündet, gegen die Dänen, mit denen sie sich gerade um Schleswig und Holstein stritten. Aber Dänemark war weit, und der Kaiser in Wien war ein guter Mann. Bloß seine bayrische Frau schien a bisserl deppert zu sein, jedenfalls hatte sie für ihre magyarischen Untertanen offenbar mehr übrig als für ihre deutschen - aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle mehr.

* * * * *

Unterdessen hat nicht bloß an der Donau, sondern auch am Rhein der Zahn der Zeit genagt, und zwar kräftig. Frau Dikigoros war ja auf dem Papier schon lange nicht mehr die Jüngste, aber alldieweil sie wie ihre Schwiegertante die ewige Jugend gepachtet hatte (sie hat es ihrem Mann noch immer nicht verziehen, daß er wegen irgend eines blöden Termins, der angeblich nicht verlegt werden konnte, nicht mit ihr zu deren Beerdigung gefahren ist), war sie jedenfalls immer die Schönste; und sie leidet spürbar darunter, daß sie das jetzt nicht mehr ist. Dikigoros erinnert sich noch, wie es war, als sie Helli kennen lernte: "Deine Schwester ist ja eine richtige Schönheit," meinte sie hinterher ganz bedröppelt, und sie konnte sich Tage lang nicht von dem Schock erholen. Helli war damals auf dem Höhepunkt ihrer fysischen Blüte: hochgewachsen, schlank, blond und blauäugig wie ihre Großmutter väterlicherseits; dazu hatte sie zwar nicht ganz die üppige Oberweite ihrer Mutter geerbt, aber mehr als Erika hatte sie allemal, kurzum, eine Bilderbuch-Walküre. Im Laufe der Jahre verwandelte sich Erikas Neid dann freilich in eine Mischung aus Mitleid und Verachtung, denn Helli wurde zusehens fett und unansehnlich, während sie selber lange jung und frisch blieb. Aber nun, da sie beide alt geworden sind, glimmt der Neid wieder auf, denn aus der häßlichen armen Verwandten ist plötzlich eine häßliche reiche Verwandte geworden, und Geld ist ja ab einem gewissen Alter wichtiger als Schönheit. Und am schlimmsten ist es, wenn eine andere Frau auftaucht, die jung und schön (na ja, halbwegs :-) und reich ist, wie Adelheid, die jüngste Tochter ihrer jüngsten Cousine, die gerade von Tante Schiefnase gefragt wird, warum sie denn ihren Schwiegerenkel (der altersmäßig fast ihr jüngerer Bruder sein könnte :-) nicht mitgebracht habe. "Der wäre doch nicht durch die Gesichtskontrolle gekommen," meint ihre älteste Tochter boshaft, "Erika ist da sehr eigen." - "Ach, wirklich?" fragt Adelheid mit hoch gezogenen Augenbrauen. "Blödsinn," sagt Dikigoros, "aber er hätte hier nicht rauchen dürfen, und deshalb..." - "Achim raucht nicht mehr," sagt Adelheid, "er hat es sich abgewönt, seit unser erstes Kind da ist, und er trinkt auch nicht mehr als Tante Cornelia." (Die ist nicht da - sie hat es geschafft, sich beim Wasserski den Meniskus zu reißen und ist somit entschuldigt - und kann sich folglich nicht verteidigen.) "Trotzdem," sagt Frau Dikigoros gnadenlos, "wie kann ein junges Mädchen bloß so einen alten, unattraktiven Fettsack heiraten?" - "Willst du das wirklich wissen, liebe Tante?" fragt Adelheid kühl zurück, "dann paß mal auf: Mein Mann ist nicht alt, er ist jünger als du; er ist auch nicht fett, sondern bloß nicht so ein Hungerhaken wie deiner, er ist ein stattlicher Mann; und er ist auch nicht unattraktiv, denn er hat einen Haufen Geld." - "Wir hatten früher auch kein Geld, aber deshalb hätten wir nicht die Schule geschmissen und den nächsten besten..." - "Früher, früher, da waren alle arm, da war es egal; aber als ich aufgewachsen bin, da hatten alle Anderen alles: immer schicke neue Klamotten (sie trägt ein betont schlichtes Umstandskleid, dem aber jede, die etwas davon versteht, sofort ansieht, daß es sündhaft teuer gewesen sein muß - nichts von der C&A-Stange), Eltern, die sie mit dicken Autos zur Schule gebracht und wieder abgeholt haben, und tolle Urlaubsreisen, mit denen sie nach den Ferien protzen konnten. Mich haben alle behandelt wie den letzten Dreck, niemand wollte mit so einer befreundet sein, die nichts hatte, nicht mal ein eigenes Handy. Glaubst du denn, ich wäre vorzeitig von der Schule abgegangen, weil ich dumm und faul gewesen wäre? Nein, ich hatte es einfach satt, das Aschenbrödel zu sein; jetzt bin ich nicht nur Prinzessin, sondern Königin. Ich habe ein Schloß..." - "Dein Mann hat ein Schloß." - "Das ist auch mein Schloß, unser Schloß." - "Bis zur Scheidung." - "Achim wird sich nicht von mir scheiden lassen. Wo würde er denn in seinem Alter noch mal eine junge Frau finden, die immer für ihn da ist und ihm all die Kinder schenkt, die er haben will und die er sich leisten kann? Schaut euch doch mal um: Ich habe ein Dutzend Schwestern, Cousinen und Tanten, die entweder selber studiert oder Akademiker geheiratet haben, aber kinderlos und in ihrem Beruf todunglücklich sind. Ich bin erst 19, aber ich habe es schon weiter gebracht als ihr alle zusammen!" - "Geld allein macht nicht glücklich," brummt irgendjemand im Hintergrund. "Damit allein würde ich mich auch nicht zufrieden geben; ich habe auch das, was man mit Geld nicht kaufen kann, und ich werde noch mehr davon bekommen; meine Oma hatte vier Kinder, meine Mutter auch, und ich will mindestens ebenso viele haben; schließlich sind wir der einzige fruchtbare Zweig der Familie. Und selbst wenn ich ein Dutzend bekomme, werden sie alle in Wohlstand aufwachsen können. Mein Opa hat sich für seine Patienten zu Tode geschuftet, ohne selber reich zu werden; meine Mutter hat einen Hungerleider geheiratet, der mit 30 Invalide war und nicht mal mehr seine Familie ernähren konnte, deshalb mußten wir bei Oma wohnen..." - "Ich dachte immer, ihr hätte gerne bei mir gewohnt," versetzt Tante Schiefnase. "Ja, Mama, die für dich die Köchin und Putzfrau gespielt hat, und ich in einem Zimmer mit drei Geschwistern, deren Klamotten ich auftragen mußte, und deren primitive Musik ich mit hören mußte, und nie irgend etwas, das wirklich mir allein gehört hätte, nicht mal eine Blockflöte oder einen Goldhamster. Und den Fischteich im Garten hast du zumauern lassen, weil du Angst hattest, ich könnte hinein fallen, und hast mir das auch noch Jahre lang zum Vorwurf gemacht, statt mich schwimmen lernen zu lassen." - "Ja, glaubst du denn, ohne mich hätte deine Mutter nicht kochen und putzen müssen? Ob sie das nun für 6 oder 7 Personen getan hat - hätte ich denn für mich alleine extra kochen sollen? Und eine Mitgliedschaft im Schwimmverein ist nicht billig; deine Geschwister hätten dann in den Fußballverein gewollt oder in den Tennisverein, das wäre noch teurer geworden; und bei der Blockflöte wäre es auch nicht geblieben; als nächstes hätte eine Geige auf dem Wunschzettel gestanden oder gar ein Klavier, dazu der Unterricht - wer hätte denn das alles bezahlen sollen? Und ein Goldhamster... hätte es vielleicht auch ein Kaninchen sein dürfen oder ein Papagei oder ein Pony? Mit Reitlehrer? Wie du dir das so vorstellst!" - "Streitet Euch nicht," meint Frau Dikigoros, "so Viecher machen doch eh nur Dreck und Arbeit." - "Keine Angst, ich werde mir jetzt keine mehr anschaffen; ich habe schon zwei Pferde, drei Hunde und fast so viele Katzen wie Tante Cornelia; jedes meiner Kinder soll mindestens ein eigenes Haustier haben und ein eigenes Musikinstrument; und da ich jung und gesund bin, werde ich sicher eine niedrigere Fehlgeburtenquote haben als Oma mit 80% oder du mit 100%." (Habt Ihr mitgerechnet, liebe Leserinnen? Ganz recht, Tante Schiefnase war, wie sich das früher für eine gute Katholikin gehörte, seit ihrer Heirat jedes Jahr schwanger; daß sie trotzdem nur vier Kinder bekam, ist die Tragik ihres Lebens - nur davon übertroffen, daß sie auch nur vier Enkelinnen und bisher erst eine einzige Urenkelin hat -; und daß sie trotz der vielen erlittenen Fehlgeburten so alt geworden ist, ist ein mittleres Wunder.) Das ist gemein - und sitzt. "Sag du doch auch mal was," wendet sich Erika an ihre Schwägerin.

Helli räkelt sich wohlig auf dem Sofa, das sie fast alleine ausfüllt. Sie sieht aus wie eine richtige Matrone, Oberhaupt einer mindestens 20-köpfigen Großfamilie - obwohl auch sie kinderlos ist -, in ihren farbenfrohen (böse Zungen würden sagen: grellbunten) Klamotten aus schwerer indischer Seide, wie sie die besser betuchten Landeskinder ihrer neuen Wahlheimat tragen, und von oben bis unten mit gediegenem Goldschmuck behängt. "Was soll ich denn sagen? Ich kann mich noch gut erinnern, wie ihr alle über meinen ersten Mann hergezogen seid, bloß weil der kein Adonis war, aber gut verdient hat." - "Wir haben nur gesagt, du solltest ihn von Zigaretten und Alkohol weg bringen, bevor er tot umfällt, und da hatten wir ja wohl recht." - "Er hat sich nicht zu Tode geraucht oder gesoffen, sondern geschuftet; er hatte einen Herzinfarkt." Helli trauert ihm irgendwie immer noch nach; sie trägt auch nach beinahe 20 Jahren weiter seinen Nachnamen, obwohl den auf Barbados wahrscheinlich niemand richtig ausspricht. Aber sie sagt dann doch etwas zu Adelheid: "Wenn dein Mann wirklich so reich ist, dann sollte er sich mal bei Zeiten mit mir in Verbindung setzen, bevor sein Geld nichts mehr wert ist und sein Schloß enteignet wird," und überreicht ihr hoheitsvoll eine Visitenkarte mit Goldschnitt. "Vermögensverwaltung? Auf Barbados? Warum sollte jemand sein Geld ausgerechnet dorthin bringen?" fragt das Küken, das sich schon so gerne als Henne fühlt, zurück. "Das verstehst du noch nicht; aber hier im alten Europa wird es früher oder später klingeln, und dann seid ihr die "Dritte Welt", und bei uns herrscht der Wohlstand. Meine Anleger haben das längst begriffen; du würdest staunen, wenn ich dir sagen würde, wer alles schon sein Vermögen bei mir in Sicherheit gebracht hat; aber ich bin natürlich verschwiegen, es könnte ja ein IM vom Finanzamt mithören." - "Euer Vermögen steht doch auch bloß auf dem Papier," meint Dikigoros trocken, "wenn das Weltfinanzsytem zusammen kracht, dann klingelt es in der Karibik genau so wie bei uns; und vor Enteignungen seid ihr dort ebenso wenig sicher wie hier, vor allem als Ausländer." - "Ich bin keine Ausländerin, ich bin Staatsbürgerin von Barbados, und mein Mann ist es inzwischen auch." - "Warum hast du den eigentlich zuhause gelassen?" fragt Adelheid, "ist der deiner Schwägerin auch nicht gut genug?" - "Ganz im Gegenteil," sagt Helli, "so einen schnuckeligen Mann muß man gut verstecken, sonst spannt ihn mir noch jemand aus. Er hat übrigens auf seine alten Tage noch Karriere als Fußballer gemacht, erst als Spielertrainer, dann als Manager und jetzt als Vereinspräsident; seine Mannschaft spielt inzwischen in der 1. Division." (Dikigoros hat das nachgeprüft: es stimmt - allerdings ist das nicht die 1. Liga, denn die heißt, nach englischem Vorbild, "Premier Division" :-) "Und wenn er weiter so tüchtig ist, dann werde ich ihm den Präsidentenposten unseres nationalen Fußballverbandes kaufen; und wer weiß, vielleicht werden wir ja eines Tages sogar die Fußball-Weltmeisterschaft nach Barbados holen; was dieser bankrotte Ölscheich von Dingsda kann, kann ich schon lange; und wenn der Blatter abtritt, kommen andere, die sich auch die Taschen füllen wollen." - "Der Sultān von Qatar ist nicht bankrott," wirft Dikigoros ein. "Bis 2022 wird er es sein, wenn er so weiter wirtschaftet." - "Gibt es auf Barbados überhaupt genügend Fußballplätze?" - "Mehr als es in Südafrika gab, als das den Zuschlag bekommen hat, und der Rest wird halt gebaut. Wir haben keine Kinder; und bevor du das ganze Geld bekommst..." Dikigoros hat noch nie daran gedacht, daß er, wenn sich auch sein zweiter Schwager glücklich zu Tode gesoffen und seine Schwester - die unweigerlich nach ihrem Vater kommt - zu Tode gefuttert hat, einmal deren Vermögen erben könnte; er glaubt auch nicht daran, daß dieser Zahlensalat auf Papier bzw. dessen Werthaltigkeit ihn überleben wird; aber darüber schreibt er an anderer Stelle.

"Wie hast du es bloß geschafft, in so kurzer Zeit so reich zu werden?" fragt Erika ihre Schwägerin, "das kann doch nicht auf ehrliche Art und Weise..." - "Das sagst du mir? Du hast doch auch einen Anwalt geheiratet; als solcher ist noch niemand auf ehrliche Art und Weise, wie du das nennst, reich geworden, das muß ich selber doch am besten wissen, ich war das nämlich auch mal. Aber als ich in Barbados ankam, habe ich schnell gemerkt, daß damit kein Blumentopf zu gewinnen war, und habe beim Ableger einer Schweizer Vermögensverwaltung angeheuert. Dort hat man mich zwar Jahre lang ausgebeutet, aber ich habe die Augen offen gehalten und unheimlich viel gelernt, und vor allem Kontakt zu wichtigen Kunden gehalten. Als ich dann meine neue Staatsbürgerschaft bekommen und mich selbständig gemacht habe, sind mir die Kunden nur so zugeflogen - ich wußte ja, um wie viele Promille ich die Konkurrenz unterbieten mußte." - "Du hast sie abgeworben." - "Je nu, das kann doch niemand nachprüfen, da das alles sehr diskret abläuft und niemand an die große Glocke hängt, wo..." - "Also alles Steuerhinterzieher." - "Nein, Steuerflüchtlinge ist der richtige Ausdruck; und viele wollen auch nur ihr Geld vor dem drohenden Zusammenbruch des Euro und des US-Dollars in Sicherheit bringen." - "Ist der BB-$ nicht an den US-$ gekoppelt?" - "Ja, was geht mich denn der BB-$ an? Unsere Anlagen sind diversiviziert." - "In was?" - "Das, lieber Bruder, ist Geschäftsgeheimnis." - "Hast du keine Angst vor der Mafia?" fragt eine andere Cousine. "Vor welcher Mafia? Barbados ist doch nicht Rußland oder die BRD. Natürlich haben wir Sicherheitspersonal, alles handverlesene Leute, die offiziell für den Fußballverein arbeiten - eine Hand wäscht die andere." - "Wieso?" - "Na, in Toms Verein treten sie nicht nur gegen Fußbälle, sondern auch gegen Taekwondo-Panzer, d.h. sie betreiben Sportarten, die sich finanziell nicht selber tragen, wie asiatischen Kampfsport und modernen Fünfkampf. Es würde keinen guten Eindruck machen, wenn auf meinem Anwesen lauter Gorillas herum hingen; aber wenn uns täglich ein paar von Toms Vereinskameraden besuchen kommen, um ein wenig auf dem Schießplatz und im Schwimmbecken zu üben, kann uns niemand schief ansehen. Und glaubst du etwa, die Fußballabteilung hätte ohne meine Finanzspritzen alle 1-2 Jahre aufsteigen können? Die würden heute noch in der letzten Division spielen." - "Du kaufst Fußballer?" - "Nein, die Sklaverei ist bei uns schon lange abgeschafft. Und ich stelle auch keine Starkicker ein, die sind doch viel zu teuer." - "Du bestichst sie?!" - "Nein, erstens sind Fußballer keine Amtsträger, können also juristisch gesehen gar nicht bestochen werden; und zweitens ist das, was du meinst, unökonomisch. Die verdienen auch bei uns inzwischen viel zu gut, als daß man sie mal eben mit einem kleinen Trinkgeld zur Spielbeeinflussung überreden könnte. Ich verstehe ja nicht gar so viel von Fußball, aber eines weiß ich, nämlich wer letzten Endes über den Ausgang eines Spiels entscheidet, und das ist der Mann, der von allen auf dem Platz am schlechtesten bezahlt wird - wenn ich nicht ein wenig für Ausgleich sorge." - "Du bestichst die Schiedsrichter?!" - "Das ist ein böses Wort, und gar nicht so einfach wie der Laie sich das vorstellt. Wenn jemand allzu oft allzu krasse Fehlentscheidungen trifft, z.B. ständig unberechtigte Elfmeter oder Platzverweise verhängt oder Abseitstore gibt, dann ist er schnell weg vom Fenster; aber es gibt in fast jedem Spiel knifflige Szenen, die man so oder so entscheiden kann, ohne daß einem hinterher jemand an den Wagen karren kann. Und diese Entscheidungen müssen dann eben entsprechend getroffen werden. Und wenn es solche Szenen mal nicht gibt, kann halt auch mal ein Spiel verloren gehen - wenn man immer nur gewinnt, fällt das früher oder später auf, und irgend jemand fängt an herum zu schnüffeln." - "Aber ist das nicht strafbar?" - "Als was? Auch Schiedsrichter sind keine Amtsträger, also scheidet sowohl Bestechung als auch Vorteilsgewährung aus." - "Aber es sind doch schon Schiedsrichter und diejenigen, die sie bestochen haben, verurteilt worden?!?" - "Aber nicht wegen Bestechlichkeit." - "Sondern?" - "Wenn auf die Spiele gewettet wurde, wegen Wettbetrugs. Aber auf unsere Spiele wettet niemand, weder in Hongkong noch in Kroatien; und so wie ich dir das Procedere eben erklärt habe, wäre das auch viel zu riskant, denn wie gesagt: ich nehme auch mal eine Niederlage in Kauf, wenn es sich nicht anders ergibt." - "Und Veruntreuung? Kürzlich las ich doch..." - "Untreue heißt das; ja, das ist ein Tatbestand, den manche Gerichte dafür an den Haaren herbei ziehen, wenn ihnen partout nichts anderes einfällt. Dabei tun sie so, als ob derjenige Vereinsfunktionär, der dem Schiedsrichter aus der Vereinskasse Geld gibt, gegen die objektiven Interessen des Vereins handeln würde - was ja in den meisten Fällen gar nicht stimmt. Aber auch das greift hier nicht, denn ich bezahle die Geschenke ja aus eigener Tasche; der Verein ist daran mit keinem müden Penny beteiligt." - "Und warum tust du das?" - "Meine Güte, jeder hat sein Hobby, nicht wahr? Und ich tue es halt, um meinem Tom eine Freude zu bereiten." - "Weiß er das denn?" - "Alle, die es angeht, wissen es, vor allem alle Schiedsrichter; und jeder einzelne von denen wäre tödlich beleidigt, wenn er von mir keine Geschenke bekäme, deshalb pfeift auch jeder so, wie er soll."

Da nähert sich eine andere Gestalt und schenkt Helli ein höflich-professionelles Lächeln, die mit einem "Wer-ist-denn-das-Blick" weiter zu Erika schielt. "Erinnerst du dich nicht? Das ist doch Michaela, meine Nichte." - "Ach," sagt Helli nach einem prüfenden Blick auf dieselbe sehr gedehnt, "dich hätte ich aber jetzt gar nicht wieder erkannt." Michaela ist die Seriosität in Person: das Haar streng zurück gekämmt und zu einem Dutt gesteckt, mit einer ebenso strengen Metallrand-Brille auf der Nase, einer bis unters Kinn geschlossenen Bluse und einem Rock, der bis weit unter die Knie reicht. "Ich habe zufällig mitgehört, daß du auch noch einmal ganz von vorne angefangen hast und dabei zu Geld gekommen bist, da dachte ich..." - "Wenn man mal über 30 ist, beginnt der Umsatz in dem Gewerbe zu sinken, was?" - "Das siehst du ganz falsch," kommt Erika ihrer Nichte zu Hilfe, "Michaela hat dort schon längst aufgehört; sie hat ihr Erspartes in ein Studium an einer guten Privat-Universität gesteckt..." - "... und sucht jetzt jemanden, der ihr eine Doktorarbeit kauft?" mutmaßt Helli spöttisch. "Braucht sie nicht, ich hab mir auch keine gekauft, obwohl ich mir das leisten könnte. Aber das überlass' ich den deutschen Politikern." - "Ich dachte, bei so etwas hättest du keine Skrupel." - "Ich bin nicht prinzipienlos; aber wenn Prinzipien, Skrupel und anderer Kladderadatsch schlecht fürs Geschäft sein könnten, dann treffe ich eine Güterabwägung. Es gibt allerdings einiges, das es nicht wert ist, seinen Ruf aufs Spiel zu setzen, und dazu gehört eben auch eine gekaufte oder abgeschriebene Doktorarbeit, ganz abgesehen davon, daß es mich nur einen Telefonanruf in Cave Hill kosten würde, um ganz legal einen Dr. h.c. zu bekommen, und wenn ich wollte, eine Honorar-Professur für Bank- und Finanzwesen gleich dazu. Und ich hätte mich auch nie dafür her gegeben, in einem Puff zu arbeiten, obwohl ich mit 20 sicher nicht weniger attraktiv war als du und es damals noch besser bezahlt worden wäre, bevor all die Billig-Konkurrenz aus dem Ostblock und der Dritten Welt kam und die Preise verdorben hat." - "Wenn die sonst keine Preise verdorben hätten..." Michaela erzählt, von Erika assistiert, wie es ihr in den letzten Jahren ergangen ist: "Ich habe wirklich fleißig gelernt und hart gearbeitet für mein Studium; und nebenbei hatte ich in den letzten Semestern schon Aufträge aus der Industrie - durchaus nicht nur Kleinkram -, und alle waren sehr zufrieden mit mir, haben sie jedenfalls behauptet. Aber dann habe ich mein Studium abgeschlossen - übrigens mit Auszeichnung, als Jahrgangsbeste, ich habe für meine Abschlußarbeit sogar einen internationalen Preis bekommen. Aber dann wollte mich trotzdem niemand einstellen. Die Konjunktur wäre nicht so gut, sagte man; aber das ist alles Gerede; in Wirklichkeit bin ich denen bloß zu teuer." - "Tja, wahrscheinlich verdienen sich jetzt andere Studenten 'nebenbei' etwas dazu, und da die weder Steuern noch Sozialabgaben kosten, können sie auf dich gut verzichten, das kommt davon!" - "Na wenn schon, ich pfeif' auf eine feste Anstellung bei irgendeinem Pleitegeier in spe; mein Vater war zuletzt Freiberufler, und mein Bruder ist es ja auch." [Auch Michael fehlt bzw. ist nur per Foto anwesend; er hat aus dem großen Kreise seiner Freundinnen ausgerechnet die bravste und graueste Maus geheiratet und ist mit ihr ebenfalls ins Ausland emigriert, wenngleich nicht ganz so weit weg wie seine Eltern oder seine Schwippschwiegertante; aber sie haben gerade vor zwei Wochen ihr erstes Baby bekommen (so ganz stimmt Adelheids Behauptung also nicht :-) und wollten ihm die Reise noch nicht zumuten.] Michaela fährt fort: "Also habe ich geheiratet..." - "Ach, die dritte im Bunde, die ihren Mann nicht vorzeigen kann oder will?!?" wirft Dikigoros ein. "Wir haben im Moment ein wenig Streß. (Sie spricht das ruhrpöttisch aus, wie die meisten Deutschen, nicht hamburgisch, wie es richtig wäre :-) Er hat mir die Firma finanziert, aber natürlich nicht als Geschenk, damit ich mich auf die faule Haut legen kann, sondern als Geldanlage; und ich bekomme einfach keine Aufträge. Die lassen das alles in Polen oder Rumänien machen, sogar in Indien, China und Korea, für einen Bruchteil der Kosten, da kann ich nicht mithalten." - "Was hast du denn eigentlich studiert?" - "Industrie-Design, Fachrichtung..." (Dikigoros läßt das weg, um Michaelas Incognito zu wahren; sie ist ebenso hoch spezialisiert wie es ihr Vater war; ihr Studium war auf etwas zugeschnitten, das die künstlerische Ader, die sie von ihrer Mutter und Großmutter geerbt hat, mit dem technischen Geschick verband, das sie von ihrem Vater hat. Und auch ihren Mann, einen gelernten Schiffsbauer, hat sie sich ganz gezielt dazu ausgesucht.) "Und nun willst du einen Auftrag ausgerechnet von mir? Ich brauche keine Luxusyacht; ich schwimme selber, ich habe ein 25-m-Becken im Garten, mit 6 Bahnen." - "Von denen braucht sie mindestens 3 für sich selbst," kommt von hinten eine boshafte Bemerkung dazwischen. Helli wendet sich um: "So einen Blödsinn kann nur jemand daher reden, der selber noch nie ernsthaft geschwommen ist und deshalb nicht weiß, wie breit eine Bahn ist. Nein, ich komme gut mit einer Bahn aus; und die übrigen brauche ich für unsere Vereinsmeisterschaften; die Anlage ist offiziell für Wettkämpfe zugelassen; ich halte zwei Kurzbahn-Landesrekorde in meiner Altersklasse, beide im eigenen Garten geschwommen." - "Wahrscheinlich hast du die Zeitnehmer bestochen." - "Nein, das ist nicht nötig; wir sind ja der einzige Verein, der eine Kurzbahn hat; die beiden anderen weiblichen Mitglieder in meiner Altersklasse werden sich hüten, mich zu unterbieten; und niemand kann uns zwingen, Vereinsexterne mitmachen zu lassen." - "Und die alten Rekorde?" - "Das sind zwei lange Distanzen, die früher nicht auf Kurzbahn geschwommen wurden und international auch nicht anerkannt sind, sonst wäre ich sogar zweifache Weltrekordlerin." So macht man das also... Wahrscheinlich schwimmt Helli 1.500 m und 3.000 m WalroßFreistil auf der Kurzbahn und läßt sich dafür ein paar Stunden Zeit; Dikigoros hat nicht nachgefragt - solche Tricksereien sind ihm einfach zu albern.

"Nein," sagt auch Michaela und nimmt ihren Faden wieder auf, "ich will den Laden entweder verkaufen..." - "Kein Bedarf, das wäre nach allem, was du gerade erzählt hast, eine schlechte Geldanlage, die ich keinem meiner Klienten empfehlen würde." - "... oder ich mache ihn einfach dicht; aber in beiden Fällen will ich etwas ganz anderes anfangen." - "Nämlich?" - "Das einzige, wovon ich sonst noch etwas verstehe." - "Du willst einen Puff aufmachen?" - "Wenn du das so nennen magst - aber keine billige Absteige, sondern ein Nobel-Etablissement, so wie es das... (auch hier macht sich Dikigoros einer Auslassung schuldig :-) mal war, als ich dort gearbeitet habe. Das ist doch ein Geschäft, das immer gut läuft; ich bräuchte halt nur einiges an Startkapital." - "Wofür?" - "Na, so ungefähr..." - "Ich habe nicht gefragt wieviel, sondern wofür." - "Ich müßte die Mädchen aus ihren Verträgen rauskaufen oder neue importieren, aber diese Berufsanfängerinnen sind immer ein Risiko." - "Tja, das sehen Auftraggeber in anderen Branchen halt auch so." - "Dann bräuchte ich zuverlässige Bodyguards, und die müssen ordentlich bezahlt werden, sonst wechseln sie die Seiten; dann das Schmiergeld an die Behörden und das Schutzgeld an..." - "Vergiß es," sagt Helli kalt, "damit machst du heutzutage kein Geschäft mehr. Ich kann es dir aus zuverlässiger Quelle sagen, nämlich meiner eigenen; unter meinen Klienten ist kein einziger aus der Branche, und daraus schließe ich mal messerscharf, daß es da keine größeren Summen mehr gibt, die beiseite geschafft werden könnten oder müßten. Da verdienen nur noch die Mädchenhändler oder, wie man sie heute beschönigend nennt, die 'Schlepper', die die Mädels in ihren Herkunftsländern für ein paar Euros einkaufen - wenn sie sich nicht sogar noch etwas für ihre Dienste bezahlen lassen - und sie hier für 10 Mille pro Nase an die Puffs weiter verhökern. Und aus denen willste noch was raus pressen? Da bleib mal lieber bei deinen Leisten und versuch, dich gegen Colani & Co. durchzusetzen. Ich hab auch rund zehn Jahre Anlaufszeit gebraucht; so 'schnell' wie deine Tante glaubt ging es nämlich nicht."

"Wie wäre es, wenn du zur Abwechslung mal ans Kinderkriegen denken würdest, liebe Cousine?" mischt sich Adelheid ein, "oder hast du nur geheiratet, damit dein Mann dir die Miete für deine Klitsche bezahlt?" - "Immer noch besser, als ich hätte ihn bloß geheiratet, damit er mir einen Stall Kinder macht und ihnen die Pferde und den Klavierunterricht bezahlt." - "Das sehe ich ganz anders." - "Im Gegensatz zu deinem Mann ist meiner noch jung genug und wird auch in zehn Jahren noch einen hoch kriegen; wir haben noch Zeit." - "Dein Mann hat vielleicht noch zehn Jahre Zeit, du aber nicht; du hast nämlich schon viel zu viel Zeit mit studieren verplempert. Noch ein paar Jahre, und es geht dir wie all den anderen hier, und du wirst eine verheiratete alte Jungfer sein - oder eine geschiedene, das bleibt sich ja gleich." (Welch ein Ausdruck, liebe Leser; wenn es nicht so traurig wäre, könnte Dikigoros darüber lachen.) - "Es hat halt nicht jede das Glück, einen reichen Mann abzubekommen," sagt Helli, "bei dem von Michaela scheint wohl fürs erste Ebbe in der Kasse zu sein." - "Selber schuld," gibt Adelheid ungerührt zurück, "die sah doch mal viel besser aus als ich und hätte jeden Mann haben können." - "Nicht alle Männer schauen beim Heiraten nur auf Jugend und Schönheit, die sind nämlich vergänglich; manchen ist auch Herkunft und Bildung wichtig." - "So ein Quatsch. Als Michaela 18 war, hatte sie Abitur, und ihr Vater war Werksleiter mit sechsstelligem Einkommen im oberen Bereich, sie war also auch unabhängig von ihrem Äußeren eine gute Partie; ich dagegen war und hatte gar nichts." - "Dein Mann hat nicht studiert, oder?" - "Nein, deiner?" - "Der erste ja, der zweite nein." - "Na siehste, und du bist doch überhaupt der beste Beweis dafür, daß sich ein Studium nicht lohnt." - "Wieso?" - "Na, als Anwältin hast du es offenbar zu nichts gebracht; und für das, womit du jetzt solchen Erfolg hast, hättest du nicht studieren müssen." (Welch ein Unterschied im Auftreten, denkt Dikigoros: Michaela leckt Speichel vor der reichen Bankerin; ganz anders Adelheid, die mit einem möglichen Kunden in spe verheiratet ist, um den diese ja vorhin ganz offen geworben hat.) - "Du irrst," sagt Helli, "das Studium war ein Sprungbrett, ohne daß ich weder ein Arbeitsvisum für Barbados bekommen hätte noch den Job, aus dem ich gelernt habe, worauf es ankommt beim Geldmachen. Zuhause im Kinderzimmer oder am Fischteich hätte ich diese Chance nicht gehabt." Dikigoros spürt, wie seine Schwester zögert, weiter zu reden: Wenn sie jetzt eingesteht, daß sie ihren ersten Mann - ungeachtet dessen, daß er sich in ihrer Erinnerung zum besten aller verstorbenen Ehemänner verklärt hat - eigentlich nur geheiratet hatte, damit er sie in eine damals noch gut gehenden Anwalts-Sozietät einkaufte, und daß sie, als sie zum zweitenmal heiratete, ebenso wenig war und hatte wie Adelheid - bloß mehr als doppelt so viele Jahre auf dem Buckel -, dann könnte sie ihrer Schwippschwiegernichte kaum mit Anstand den Kredit verweigern, den sie so dringend bräuchte, und den ihr keine seriöse (und wohl auch keine unseriöse :-) Bank gewähren würde. Helli entscheidet sich, das Thema zu wechseln: "Ist eigentlich noch was von der Cremetorte da?" Michaela startet beflissen Richtung Küche. "Vergiß es," ruft Adelheid ihr boshaft nach, "das letzte Stück haben wir gegessen." - "Redest du jetzt schon im Plural majestix?" - "Im was?" - "Ach so, entschuldige, ich hatte ja ganz vergessen, daß du die Schule abgebrochen hast, das heißt..." - "Das heißt gar nichts," unterbricht sie Frau Dikigoros, "Majestix ist eine Figur aus Asterix und Obelix, was du meinst, ist Plural maiestatis." Michaela wird rot. "Wenn du es noch nicht bemerkt haben solltest," sagt Adelheid, "ich bin zu zweit; und daß die Cremetorte alle ist, ist auch kein großes Malheuer; Tante Verleihnix wird schon nicht verhungern, bis die Konditorei morgen früh wieder aufmacht." (Und damit hat Helli ihren Spitznamen bei der angeheirateten Verwandtschaft weg :-) "Doch, das habe ich bemerkt," sagt Michaela, "das kann selbst der teuerste Fummel nicht kaschieren." - "Andere Frauen kaufen sich ein Hochzeitskleid für ein paar tausend Euro, das sie einmal und dann nie wieder anziehen. Ich habe mir dafür eine Umstands-Kollektion machen lassen, die ich noch viele Jahre zu tragen gedenke - da darf es ja wohl etwas Ordentliches sein, das habe ich mir verdient, auch ohne Studium!"

"Dein Großvater hätte mich nicht geheiratet, wenn ich nicht studiert hätte," sagt Tante Schiefnase. "Das glaubst du doch selber nicht," sagt ihre Enkelin spitz, "was hätte Opa denn für eine Auswahl gehabt? In deiner Generation gab es doch kaum studierte Frauen, und große Ansprüche hätte er auch nicht stellen können: ein Flüchtling ohne einen Pfennig Geld, geschieden und nicht mal Katholik - warum hast du ihn überhaupt geheiratet?" Was soll man so einem Kind, das von der Vergangenheit keine blasse Ahnung hat - und sie auch nicht hätte, wenn es ein paar Jahre länger an einer staatlichen Verblödungs-, pardon Bildungs-Anstalt der heutigen Art und Güte zugebracht hätte - auf eine solche Frage antworten? Zur allgemeinen Überraschung übernimmt das Frau Dikigoros, die - wie ihr Mann - ihren Onkel sehr gemocht hat: "Dein Opa brauchte eine niedergelassene Ärztin, mit der er zusammen eine Praxis betreiben konnte, da er selber noch keine hier anerkannte Approbation hatte; dafür ist er auch wieder in die Kirche eingetreten, obwohl das damals mit einem Heidenaufwand verbunden war; dafür, daß ihm seine erste Frau durchgebrannt ist, konnte er nichts, und Geld hatten die Leute so kurz nach der Währungsreform alle nicht; und wenn es wieder einmal so weit kommt, womit man jeder Zeit rechnen muß, dann kommt es eben doch darauf an, was man gelernt hat, über Schwimmen, Flötespielen und Goldhamsterfüttern hinaus. Und was den zweiten Teil deiner Frage anbelangt..." - "Moment mal," sagt Dikigoros, packt seine Schwippschwiegernichte ziemlich unsanft am Arm und schleppt sie mit zu seiner Mutter, die fast taub ist, aber ihr Hörgerät aus Prinzip nicht trägt und deshalb der Unterhaltung bis dahin kaum folgen konnte. "Erzähl dieser jungen Dame doch mal, wie das war nach dem Krieg, wenn eine deutsche Frau einen deutschen Mann zum Heiraten gesucht hat, der weder kriegsversehrt noch jenseits des Volkssturmalters, aber dafür Akademiker sein sollte?" - "Was gibt es da groß zu erzählen? Das war unmöglich; jedenfalls kenne ich keine, die einen gefunden hätte. Irgendwann habe ich es aufgegeben; besser einen kriegsversehrten Nicht-Akademiker als gar keinen Mann. Und die anderen, laß mich mal nachdenken: Dein Schwiegervater war doch auch kriegsversehrt, deine Tante hat einen Ausländer geheiratet, deine Patentante einen Methusalem - und beide haben es bitter bereut. Und sonst... ach, es fällt mir schwer, so lange zurück zu denken, aber wie gesagt, ich wüßte niemanden." - "Da siehst du mal, was deine Oma geschafft hat," sagt Erika. "Warum hast du nicht mit 18 oder 20 geheiratet?" fragt Adelheid. "Du mußt lauter sprechen, und aufs andere Ohr," sagt Dikigoros. Adelheid wiederholt die Frage. "Mit 18 war ich im Krieg," sagt Grete, "und ich wollte erst heiraten, wenn der vorbei war; aber mein erster Verlobter ist 1943 abgeschossen worden - er war übrigens Akademiker, promovierter Meteorologe, und kaum zehn Jahre älter als ich. Ja, und dann wurden die unverheirateten Männer schon allmählich knapp." - "Warum wolltest du nicht im Krieg heiraten?" - "Weil es damals üblich war, nach der Hochzeit Kinder zu bekommen. Und ich wollte nicht irgendwann als Witwe mit Waisen da stehen, für die waren die Chancen auf Wiederverheiratung nämlich so gut wie null, die kamen gleich nach den Geschiedenen." Die Runde wartet gespannt, was Adelheid darauf einfällt. Die schaut sich um und sagt dann, indem sie den Blick nacheinander auf Erika, Michaela und Helli richtet: "Mir ist durchaus bewußt, daß dieses Land vor einem Kollaps steht, der wahrscheinlich zu einer Art Bürgerkrieg führen wird, und daß ich dabei alles verlieren kann, meinen Mann, meine Kinder, unser Schloß, unser Geld... Aber dem kann man doch nicht dadurch begegnen, daß man sich Jahre lang an einer Universität herum drückt und dann Majestix nicht von Idefix unterscheiden kann, oder indem man auf eine Bananeninsel in der Karibik abhaut, dort Fußballspiele kauft, die niemanden interessieren, und Privatweltrekorde aufstellt, die niemand anerkannt. Wenn das jeder tun wollte..."

"Es würden bestimmt viele wollen, wenn es so weit ist," sagt Helli, "aber nur ganz wenige werden es sich leisten können; da heißt es rechtzeitig vorsorgen." - "Auf jeden Fall - aber nicht so." - "Und was schlägst du statt dessen vor?" fragt Helli belustigt. "Beten," sagt Adelheid ganz ernsthaft, "beten, daß er nicht so weit kommt, bevor meine Söhne erwachsen sind und mit kämpfen können, und daß noch ein paar andere christliche Frauen so denken wie ich, sonst werden die Heiden uns unweigerlich ausrotten." - "Welch eine pessimistische Lebenseinstellung," sagt Michaela. "Ganz im Gegenteil," sagt Adelheid, "ihr seid alle so pessimistisch, daß ihr den Kampf um dieses Land schon aufgegeben habt. Aber ich bin Optimistin, denn ich bin bereit zu kämpfen und alles zu geben, damit wir diesen Kampf gewinnen. Wir sind die letzte Generation, die das Abendland noch retten kann; wenn wir es nicht tun, ist es zu spät." - "Und wenn du das christliche Abendland gerettet hast," fragt Michaela höhnisch, "was wirst du dann tun?" - "Dann werde ich mir so einen tollen Stammbaum machen lassen, wie er da an der Wand hängt, nur hoffentlich viel größer." - "Na, dein Mann dürfte euren 50. Hochzeitstag kaum erleben," sagt ihre älteste Schwester. "Wieso denn nicht? Heutzutage werden auch die Männer über hundert Jahre alt; und wenn nicht, was solls? Er wird jedenfalls über hundert Kinder, Enkel und Urenkel haben, dafür werde ich sorgen." - "Hoffentlich ist das Schloß groß genug für alle," unkt Helli. "Ich denke schon; du kannst uns gerne mal besuchen kommen." - "Bevor die Heiden es erobert und in eine Moschee umgewandelt haben?" - "Die Familie eurer Mutter stammt aus Ungarn, nicht wahr? Statt sie mir erzählen zu lassen, wie man einen Mann findet, solltet ihr euch lieber mal von ihr erzählen lassen, wie das war unter türkischer Herrschaft; das lernt man nämlich heute nicht mehr auf deutschen Schulen und Universitäten; da erzählt man euch, daß der Islam zu Deutschland gehört und daß alle Türken eure Mitbürger sind." - "So alt ist unsere Mutter nun auch wieder nicht, daß sie das noch mit erlebt hätte." - "Aber vielleicht werdet ihr noch alt genug, daß ihr das mit erlebt." - "Ich dachte, das wolltest du verhindern?" - "Ich werde es jedenfalls versuchen. Und wenn eine meiner nichtsnutzigen Schwestern und Cousinen wider Erwarten doch noch zu Kindern kommen sollte, egal ob mit oder ohne Ehemann, und sich die nicht leisten kann oder will, weil ihr vielleicht ein Fischteich wichtiger ist, dann bin ich gerne bereit, die allesamt zu adoptieren und ihnen eine vernünftige Erziehung zukommen zu lassen, aber nicht in Cave Hill oder so, sondern am Finkenberg." - "Wo?" fragt Michaela. - "In Cave Hill befindet sich die Universität von Barbados," klärt Helli sie auf, "und am Finkenberg der größte rechtsrheinische Schießstand der Umgebung."

"Gibt es eigentlich genug katholische Heilige, daß all deine Kinder und Kindeskinder außer einem eigenen Goldhamster und einer eigenen Blockflöte auch einen eigenen Namen bekommen können?" stichelt Michaela. "Wenn du nicht aus der Kirche ausgetreten wärest, werte Cousine, dann wüßtest du, daß es mehr als hundert Heiligennamen gibt. Und bevor du über meinen lästert, von wegen Gartenzwerg und so: die Witze kenne ich alle schon. Adelheid ist ein sehr schöner Name, so hieß die Schutzpatronin unseres Stadtteils." - "Ich bin nicht aus der Kirche ausgetreten; meine Eltern sind aus der Kirche ausgetreten und haben meinen Bruder und mich gar nicht erst taufen lassen." - "Na toll, und warum bist du dann nicht von dir aus eingetreten, als du alt genug warst?" - "Weil ich keine Lust hatte zu heucheln, wie mein Großvater. Der war Rektor einer Konfessionsschule; und am Tag seiner Pensionierung ist er ausgetreten, weil er eh nie dran geglaubt hat. Ist das besser?" - "Sind denn in eurer Familie alle ausgetreten?" - "Alle außer Tante Erika." - "Das hat doch mit Glauben oder Unglauben gar nichts zu tun," wirft Helli ein, "um an irgendetwas zu glauben, muß ich nicht Mitglied einer bestimmten Kirche sein. Ich muß ja auch nicht Mitglied eines bestimmten Golfclubs sein, wenn mir der Beitrag zu hoch ist. Und 10% der Einkommenssteuer finde ich schon ziemlich happig; wahrscheinlich will deine Cousine Kirchensteuer sparen." - "Dann habt ihr ja schon zwei Dinge gemeinsam." - "Das wüßte ich aber; ich bin noch Mitglied - schließlich liegt mein erster Mann auf einem katholischen Friedhof begraben -, und was sollte die zweite Gemeinsamkeit sein?" - "Ihr tragt beide finnische Namen!" - "Wie kommst du denn darauf? Michaela ist Hebräisch, und mein Bruder und ich tragen griechische Namen." - "Meine Cousine heißt eigentlich gar nicht Michaela; aber ihr finnischer Name gefiel ihr nicht, deshalb hat sie ihn ins Deutsche übersetzt. Und Helli ist die finnische Form des schwedischen Helga, so wie Olga die russische Form ist." - "Woher weißt du denn das alles?" fragt Dikigoros. "Ich habe eben meine Hausaufgaben gemacht, und Namen sind mein Hobby. Wer viele Kinder will muß sich mit Namen auskennen; den Kindern die Namen ihrer Eltern oder Großeltern oder irgendwelcher anderer Verwandten zu geben, kommt mir nicht in die Tüte, das führt bloß zu Verwechslungen." - "Mein Name kommt nicht von Helga," widerspricht Helli, "sondern von Helene; so hieß meine Großmutter mütterlicherseits. [An dieser Stelle wollte Dikigoros ursprünglich anmerken, daß das so nicht stimme, weil Helli nach ihrer norddeutschen Patentante heißt, deren Name nicht Helene, sondern Helga lautete; und daß sie nur deshalb das Gegenteil behaupten könne, weil in ihrem Paß und ihren amtlichen Papieren die Kurzform steht; aber inzwischen hat er erfahren, daß seine Schwester ihren Namen bei der Einbürgerung ganz offiziell in das englische "Helen" hat ändern lassen - und damit kann sie nun jederzeit "beweisen", daß sie nach ihrer Oma Helene genannt wurde. Aber über die Beweiskraft von amtlichen Papieren bei Namensänderungen schreibt er ja schon an anderer Stelle.] Die Menschen im 19. Jahrhundert hatten ein Faible für alles Griechische, Philhellenismus hieß das, wenn du davon schon mal gehört hast." - "Was weißt du als Juristin und Bankerin denn über die Griechen, außer daß sie heute pleite sind?" - "Die Griechen sind nicht pleite, bloß der griechische Staat ist pleite, weil seine Politiker so unfähig sind, und das ist natürlich schlecht für diejenigen, die sich vom Staat abhängig gemacht haben. Alle anderen haben durchaus mehr oder weniger viel Geld und auch schon versucht, es in Sicherheit zu bringen: die Dummen in der Schweiz - aber dort gibt es kein Bankgeheimnis mehr, die liefern gnadenlos aus: das Geld an den Fiskus und die Sparer an die Staatsanwaltschaft -, die weniger Dummen in bar unter der Matratze, die Klügeren auf Barbados, und die Klügsten bei mir. Einige Griechen zählen derzeit zu meinen besten Klienten."

"Und wenn Griechenland aus dem Euro aussteigt?" - "Griechenland kann nicht aus dem Euro aussteigen." - "Wieso nicht?" - "Na, überleg doch mal, wie eine Währungsreform in der Praxis vor sich geht: Ein Staat erklärt das alte gesetzliche Zahlungsmittel für ungültig, führt ein neues ein und legt einen bestimmten Umtauschkurs fest. Wer nicht umtauscht, hat gar nichts mehr, denn das alte Geld ist ja nichts mehr wert - jedenfalls seit es nur noch Papier- und Buchgeld gibt. Devisenkonten werden gesperrt und dann zwangsumgetauscht. Anschließend wertet der Staat die neue Währung kräftig ab - im Falle Griechenlands so um die 60-75% -, um im Außenhandel wieder konkurrenzfähig zu werden. Aber der griechische Staat hat ja gar keine eigene Währung mehr, d.h. er kann den Euro nicht einfach für ungültig erklären; de facto sind im Falle einer Währungsreform alle griechischen Konten, die auf Euro lauten, Devisenkonten. Da es die Regierung aber verpennt hat, die rechtzeitig zu sperren, d.h. bevor sie alle leer geräumt waren, würde eine solche Aktion jetzt ins Leere gehen; denn das Bargeld, das die Griechen unter der Matraze gehortet haben, ist ja nicht wertlos, sondern im Gegenteil viel mehr wert als es eine neue Währung wäre, die gleich nach Einführung kräftig abgewertet werden müßte und danach schnell weiter an Wert verlöre; sie werden sich also hüten, ihre alten Euros gegen neue Währung umzutauschen oder sie wieder auf ein griechisches Bankkonto einzuzahlen; mit anderen Worten: Ein Grexit wäre Wahnsinn; die Währungsreform würde scheitern, weil das neue Geld nicht angenommen würde, weil man niemanden dazu zwingen könnte, es anzunehmen, weil das alte Geld ja nicht wertlos geworden ist, solange die Griechen damit in allen anderen Euroländern einkaufen können und Freizügigkeit herrscht. Das einzige theoretische Mittel dagegen wäre, den Zahlungsverkehr mit dem Ausland komplett unter Staatsaufsicht zu stellen und die Ein- und Ausreise aller griechischen Bürger zumindest vorübergehend zu verbieten. Zu ersterem wäre der griechische Staat organisatorisch nicht in der Lage; und letzteres würde den angeblichen Sinn der EU ins Gegenteil verkehren und zu einer Revolution führen. Und das alles gilt nicht nur für Griechenland, sondern für alle Staaten, die mit dem Gedanken spielen, mal so eben wieder eine eigene Währung einzuführen: Eine Währungsreform funktioniert nur, wenn alle mitmachen, d.h. alle Mitgliedsländer müßten das gescheiterte Experiment Euro gemeinsam beenden; einen Alleingang beim Ausstieg kann es de facto nicht geben, deshalb ist die ganze Diskussion darüber bloßes Geschwafel von Politikern und Reportern, die von solchen Dingen keine Ahnung haben."

"Und was wäre so schlimm, wenn man den Euro gemeinam aufgeben würde?" fragt Dikigoros. "Es gäbe einen Domino-Effekt, der das ganze Weltwährungssystem zusammen krachen ließe, etwa so, als wenn die USA den Dollar für ungültig erklären würden." - "Was geht uns der Dollar an?" - "Nichts, aber die Chinesen haben fast ihre gesamten Währungsreserven in US-$ angelegt, und die Russen in Euro. Wenn die mit einem Federstrich für wertlos erklärt werden, brechen beide Wirtschaftssysteme zusammen, weil sie es versäumt haben, wirtschaftlich, vor allem finanzwirtschaftlich, rechtzeitig autark zu werden, obwohl sie die Chance dazu durchaus gehabt hätten." - "Man müßte den Euro ja nicht für ganz wertlos erklären, sondern man könnte ihn ja zurücktauschen, etwa einen Euro für eine Neumark oder eine Demokratenmark o.ä - das würde in etwa dem Wertverlust entsprechen, den unsere Währung in den letzten 10 Jahren ohnehin erlitten hat." - "Meine Güte, ich habe dir doch eben zu erklären versucht, wo diese frisch, fromm, fröhlich, frei von jeglicher Deckung geschöpften Euros größtenteils gelandet sind: im Ausland - sonst hättet ihr längst eine zweistellige Inflationsrate -, und zwar nicht bei Hinz und Kunz unter der Matratze, sondern als staatliche Devisenreserven. Gegenüber den eigenen Bürgern kann man leicht einen Zwangsrücktausch verfügen; aber was willste den Russen anbieten: einen Rubel für einen Euro? Und wenn, wer sollte dann diesen einen Rubel bezahlen? Deutschland? Frankreich? Das liebe Jesulein? Denn einen gemeinsamen Topf gäbe es ja dann nicht mehr." - "Und der BB-$?" - "Das hast du schon einmal gefragt. Du glaubst doch nicht, daß in meinem Portfolio irgendwelche Geldscheine in irgendeiner Währung herum liegen? Ich verwalte keine Sparstrümpfe, ich mache Asset management." - "Und wie willst du verhindern, daß diese Assets enteignet, mit Zwangshypotheken belegt oder sonstwie vom Staat in Beschlag genommen werden?" fragt Dikigoros. "Was in meinem Portfolio ist, wird nicht enteignet, verlaß dich drauf, weder von Bridgetown noch von Berlin - auch dann nicht, wenn die Assets in Deutschland gelegen sind, wie z.B. ein Schloß - und schon gar nicht von Athen. Und um auf meine Kenntnisse der Griechen und des Griechischen zurück zu kommen, liebe Taillefine: Ich habe sogar das Graecum; früher konnte man so etwas an einem guten deutschen Lyceum noch ablegen." Ein, zwei Minuten ist es totenstill im Raum. Selbst Adelheid hat es für einen Moment die Sprache verschlagen. Dann rafft sie sich zu einem matten Gegenstoß auf: "Willst du mir jetzt auch noch weis machen, du hättest kein Arbeitsvisum für Barbados bekommen, wenn du auf der Schule Englisch statt Griechisch gelernt hättest?" - "Ich hatte bis zum Abitur Englisch; Griechisch habe ich nebenbei als ZUV gemacht; ich war nämlich auch mal fleißig." - "Na gut, 1:1 für dich; wenn du meine Einladung annimmst, kannst du das ja alles nochmal meinem Mann erzählen, der versteht von solchen Dingen mehr als ich; ich muß jetzt gehen." - "Kleine Mädchen müssen zeitig ins Bett," stichelt Michaela." - "Ganz richtig," sagt Adelheid, "und im Gegensatz zu dir habe ich ein kleines Mädchen, das ich zeitig ins Bett bringen muß." - "Kannst du dir kein Kindermädchen leisten?" - "Ich werde doch nicht zulassen, daß meine Kinder auf eine fremde Frau geprägt werden, ebenso wenig wie ich zulassen würde, daß eine fremde Frau uns irgendwelchen Fraß zusammen kocht, auch wenn ich mir ein Dutzend Köchinnen leisten könnte. Wir haben nur ein Ehepaar als Hausangestellte, sie Zimmermädchen, er Gärtner; alles andere mache ich selber. Na ja, außer Brot und Kuchen backen, da vertraue ich ausnahmsweise den Profis. A propos," wendet sie sich an Helli, "wenn du dir morgen neue Cremetorte kaufen gehst, spendier deinem armen Bruder und deiner armen Schwägerin doch auch mal ein Stück, die sehen beide so verhungert aus."

"Auf welche Schule ist gleich dieses tolle Mädchen gegangen?" fragt Dikigoros seine Frau, als sie irgendwann spät in der Nacht, nach gründlichem Wohnungsputz und Abwasch - seine Mutter ist da sehr eigen, denn sie hat sich die Augen operieren lassen und sieht seitdem wieder jedes Staubkörnchen - endlich zu Hause sind. "Auf die Schule des Lebens," sagt die, "und vorher auf die Gesamtschulklitsche in der Siegburger Straße, an der unser Herr Oberbürgermeister Direktor war, weil meine Cousine meinte, daß sie fürs Adelheidis-Gymnasium nicht intelligent genug wäre. Aber ich glaube, sie hat weniger vom dortigen Unterricht profitiert, als von den schlechten Erfahrungen, die sie gemacht hat, und sich daraus ihre eigene Weltsicht gebildet. Und ich hatte sie immer für ein dummes Gänschen gehalten. Dabei ist die weiter als die meisten von uns zusammen." - "Das dumme Gänschen ist deine Michaela. Die würde uns am liebsten noch mehr Nutten ins Land holen und die Schlepper mästen. Der Spruch 'Nutte bleibt Nutte' stimmt eben nicht immer - manche Nutte wird auch Puffmutter." - "Michaela aber wohl kaum. Deine Schwester hat sie ja abblitzen lassen, und so wie sie sich gegenüber Adelheid aufgeführt hat, wird sie von deren Mann ebenso wenig einen Kredit bekommen. Und ihrem Bruder schadet das auch; der hat doch sein Baby extra Achim genannt, damit er vielleicht einen reichen Patenonkel gewinnen kann." - "Du bist doch auch so über ihn hergezogen. Kennst du ihn überhaupt?" - "Flüchtig. Ein widerlicher alter Fettsack, zum Ekeln; von so einem würde ich mich nicht mal anrühren lassen, geschweige denn mit ihm ins Bett gehen." - "Das sind vielleicht nur Äußerlichkeiten." - "Ach, sagst du nicht immer, ein Fettbauch, eine Säuferleber und eine Raucherlunge seien keine Äußerlichkeiten, sondern Charakterfehler?" - "Du hast doch gehört, daß Adelheid ihm das Rauchen schon abgewöhnt hat." - "Ja, mein Schwager hat sich das Rauchen auch immer wieder abgewöhnt, alle paar Monate... Aber mit dem Essen und Trinken scheint das schwieriger zu sein - hat Helli ihrem Mann schon das Saufen abgewöhnt? Du hast doch gehört: der Herzinfarkt ihres ersten Mannes hatte überhaupt nichts mit seiner Säuferleber zu tun! Und Tom hat ihr das Rauchen abgewöhnt, weil er selber Nichtraucher ist; aber er ist auch halbwegs schlank, trotzdem frißt sie ungehemmt weiter für zwei. Aber ihn scheint das ja nicht weiter zu stören." - "Na, und wenn es ihn stört, wird er das schön für sich behalten. Im Falle einer Scheidung bekäme er nichts, sein Fußballverein stiege ab, und er wüßte nicht mal, wovon er den nächsten Kneipenbummel bezahlen soll. Würden dich da an seiner Stelle ein paar Pfunde zuviel auf den Rippen stören?"

"Glaubst du, daß deine Schwester die Einladung annimmt?" fragt Frau Dikigoros ihren Mann am selben Abend. "Welche Einladung?" - "Na, die von Adelheid?" - "Bestimmt, wenn die nicht vorher raus bekommt, wer Taillefine ist, und sie wieder auslädt." - "Ich wüßte es auch nicht." - "Brauchst du auch nicht, du bist ja nicht mit Methusalix verheiratet." - "Na, manchmal bin ich mir da nicht mehr so sicher. Und ob sie Achim als Kunden gewinnt?" - "Woher soll ich das wissen? Wir werden es wohl nie erfahren; die Namen ihrer Klienten verrät Helli nicht, sonst könnte sie ihren Laden bald dicht machen." - "Würdest du ihr an seiner Stelle dein Geld anvertrauen?" - "Keinen Cent!" - "Wieso nicht?" - "Weil papierene Vermögenswerte dort ebenso unsicher sind wie sonst irgendwo auf der Welt." - "Aber hat sie nicht gesagt, daß sie auch Immobilien vor Enteignung schützen kann?" - "Ja, das glaubt sie, aber da müßte sie schon hexen können." - "Wieso bist du dir da so sicher? Sie hat dir doch nicht verraten, wie sie das macht, oder?" - "Das braucht sie nicht; ich weiß, wie das theoretisch, d.h. juristisch geht: Die Anleger bekommen einen Firmenmantel, dem sie ihre Immobilie - oder was auch immer sie in Sicherheit bringen wollen - übertragen. Anteilseigner sind zu 99% sie selber, dazu die notwendige Anzahl von Strohmännern gegen ein Trinkgeld, und Helli als Geschäftsführende Gesellschafterin mit ca. 1%. Und da sie glaubt, daß die BRD-Regierung grundsätzlich keine ausländischen Firmen enteignen würde, jedenfalls keine von EU-Mitgliedsstaaten..." - "Seit wann ist Barbados in der EU?" - "Finanzrechtlich schon, so ähnlich wie die französischen Ex-Kolonien in Afrika, wenn es um Bananen-Importe geht." - "Was hat denn das damit zu tun?" - "Na, z.B. wird das Doppelbesteuerungs-Abkommen zwischen der BRD und Großbritannien ausdrücklich auch auf dessen Ex-Kolonie Barbados angewendet." - "Oh." - "Tja, aber das wird nichts helfen. Wenn der Euro-Verbund aufgelöst wird, wird es bei der Verteilung der Schulden einen solchen Knatsch geben, daß auch die EU aufgelöst wird: Entweder muß Deutschland alle Schulden übernehmen, dann ist es so pleite, daß die Staaten, die bisher via EU von uns schmarotzt haben, kein Interesse mehr an einer weiteren Mitgliedschaft haben werden; oder aber Deutschland weigert sich, dann gehen die anderen auch, wenn sie dann ja sehen, daß sie keine Melkkuh mehr haben. Und in beiden Fällen wird das Klima so vergiftet sein, daß selbst die dümmste Bundesregierung keine Rücksicht mehr darauf nehmen wird, unter welchen fadenscheinigen juristischen Konstruktionen jemand sein Vermögen angemeldet hat." - "Und wenn man es über eine amerikanische Gesellschaft machen würde? Die würde die Bundesregierung doch sicher nicht zu enteignen wagen." - "Das läuft nicht. Die US-Gesetze sind inzwischen sooo streng... Selbst die einstmals berühmt-berüchtigten Delaware-Trusts sind heute die Seriosität schlechthin. Und die USA haben auch, ohne daß das in den Medien allzu breit getreten worden ist, in letzter Zeit ganz rabiat auf unter ausländischer Flagge irgendwelcher Steuerparadiese segelnde Vermögenswerte Zugriff genommen. Wenn du mal die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aller Vermögensverwaltungen auf Barbados liest, dann wirst du feststellen, daß die sich strikt weigern, in den USA belegenes Vermögen oder Vermögen von US-Bürgern in Verwaltung zu nehmen." - "Du hast dich also doch schon mal informiert." - "Sicher, aber ich bin zu dem Schluß gekommen, daß das im Ernstfall schief ginge."

"Auch in Deutschland?" - "Ja, du bist doch studierte Historikerin. Wie hat Deutschland 1923 und 1948 die Währungsreform finanziert? Durch Teilenteignung von Grund und Boden und allem, was drauf stand, weil es das einzige war, das noch einen realen Wert darstellte. Und niemand hat sich beschwert, weil jedem klar war, daß es anders nicht ging. Es war auch nicht mit besonderen Härten für den Normalverbraucher verbunden: Die meisten Immobilien waren ja eh mit irgendwelchen Hypotheken oder Grundschulden belastet, die wurden für die Schuldner 1:1 umgestellt; und die Gläubiger waren in der Regel Banken und Sparkassen, und die waren ja eh pleite - wie heute wieder, die bekamen nur das, was die Umstellung auf neue Währung übrig ließ, d.h. 1923 praktisch gar nichts, 1948 nur 10%; der Rest mußte an den Fiskus, d.h. an den Staat gezahlt werden." - "Und wenn eine Immobilie nicht belastet war?" - "Dann wurde eine Zwangshypothek in Höhe von 50% des Wertes zugunsten des Fiskus eingetragen; 'Lastenausgleich' nannte man das." - "Aber wir haben doch keinen Krieg hinter uns und keine Millionen Flüchtlinge, die einen Ausgleich bekommen müßten; wenn die heute wieder so ein Gesetz machen würden gäbe es eine Revolution." - "Du irrst. Erstens ist die BRDDR heute bankrotter als es das Deutsche Reich 1945 war - auf 2 Billionen Euro ist die Verschuldung inzwischen angestiegen, und zwar keine amerikanischen Billionen, sondern deutsche, d.h. eine Million mal eine Million mal zwei -; zweitens führt das BRDDR-Regime in diesem erst 12 Jahre jungen Jahrhundert schon länger Krieg als Wilhelm der letzte und Adolf Führer im ganzen letzten Jahrhundert zusammen; drittens machen die Deutschen keine Revolution, solange man ihnen nicht ihre Autos oder ihre Fernseher weg nimmt; und viertens ist das Lastenausgleichsgesetz noch immer in Kraft." - "Aber doch nur auf dem Papier." - "Du irrst schon wieder: Das Lastenausgleichsgesetz wird regelmäßig novelliert und den neuen Erfordernissen angepaßt, zuletzt im vorigen Jahr. Das bekommt bloß kaum jemand mit, weil die Medien und selbst die juristischen Fachzeitschriften nicht darüber berichten. Die meisten Parlamentarier wissen es selber nicht." - "Was, als Gesetzgeber?" - "Ja, was stellst du dir denn unter Gesetzgebern vor? 99% der Gesetze bzw. Gesetzesänderungen werden in den Ministerien gemacht und dann im Bundestag bzw. in den Landtagen einfach durchgewunken, ohne daß jemand auch nur die Liste mit den Namen der geänderten Gesetze angeschaut, geschweige denn die Änderungen gelesen oder gar verstanden hätte. Das wäre zeitlich auch gar nicht zu bewältigen." - "Und die Höhe der Zwangshypothek beträgt noch immer 50%?" - "Ja, mit Betonung auf noch. Aber selbst wenn es bei nur 50% bliebe: Das ist de facto alles! Überleg doch mal: Seit Einführung des Euro vor zehn Jahren sind die Immobilienpreise um durchschnittlich 100% gestiegen, aber nur die Preise, nicht der Wert, d.h. wenn sie jemand in Krisenzeiten verkaufen wollte, bekäme er allenfalls die Häfte heraus, so wie beim Platzen der Immobilienblase in den USA, Japan und jetzt gerade in Irland und Spanien. Diese Hälfte gehört aber dann dem Staat, dessen Hypothek er ja in dieser Höhe bedienen muß. Ihm selber bleibt nichts - gar nicht. Und du glaubst im Ernst, wenn im Grundbuch als Eigentümer irgend eine obskure Briefkasten-Gesellschaft aus Barbados steht, würden die auf den Eintrag einer Zwangshypothek verzichten? Ha ha! Und überhaupt, wenn es so weiter geht wie bisher, dann hat die BRDDR in 20 Jahren eine muslimische Bevölkerungsmehrheit, und wenn die alle einen BRDDR-Paß bekommen, dann ist die Mehrheit der Wahlberechtigten in 30 Jahren muslimisch und wir bekommen ganz legal eine islamische Republik, die sich einen Dreck um irgendwelche rechtliche Konstruktionen scheren wird, die nicht in Übereinkunft mit der Scharia, dem neuen Grundgesetz, stehen. Es sei denn, die Mehrheit der Deutschen macht sich ab sofort die Einstellung deiner Nichte zu eigen, und das wage ich sehr zu bezweifeln."

Wenn man vom Teufel spricht... Das Telefon klingelt, Adelheid ist dran: "Gib mir bitte mal Tante Erika." - "Worum geht es denn?" - "Das wird sie dir sicher hinterher erzählen." - "Das bräuchte sie nicht; ich kann ja mithören. Aber vielleicht kann ich dir helfen." - "Wer ist 'Teilefien'?" - "Nie gehört, gib mir mal einen Tipp, wo ich suchen soll." - "Deine Schwester hat mich gestern so genannt; und da sie zwar der Typ ist, der neue Disziplinen für ihre privaten Weltrekorde erfindet, aber nicht der Typ, der neue Namen erfindet, gehe ich mal davon aus..." - "Nun sag es ihr doch," mischt sich Frau Dikigoros ein, "was ist denn schon dabei? Taillefine ist bei Asterix die Frau von Methusalix. Da du sie 'Verleihnix' genannt hast..." - "Moment mal, bleib dran." - "Was macht sie denn jetzt?" fragt Dikigoros. "Sie sucht im Internet nach Taillefine," sagt seine Frau, "aber sie wird nichts finden, da sie nicht weiß, wie sich das schreibt." - "Dafür fährt sie extra die Kiste hoch?" - "Es ist nicht überall so vorsintflutlich wie bei uns; Adelheid hat selbstverständlich immer das neueste und teuerste Handy, mit dem man zugleich telefonieren, im Internet surfen, fernsehen, radiohören, den Wetterbericht und die letzten Börsenkurse abrufen kann. Sie muß doch kompensieren, was man ihr als Kind vorenthalten hat." - "Als Kind? Sie ist ja immer noch ein Kind und hat schon mehr als die meisten Erwachsenen." - "Ich habe nicht das teuerste Handy, ich brauche kein Modell in Gold mit Brillanten drauf," klingt es aus dem Lautsprecher, "ich trage ja auch nicht an jedem Arm 20 Goldreifen, wie eine westindische Möchtegern-Fürstin." - "Oh, sie hört mit." - "Natürlich höre ich mit. Glaubt ihr, ich wäre dafür zu doof, bloß weil ich kein Abitur habe? Ich heiße ja nicht Karemboj." - "Oh wei," sagt Dikigoros, "sie hat es schon heraus." - "Na ja, um 'Frau' und 'Methusalix' bei Google einzugeben, braucht man nicht studiert zu haben... so eine Gemeinheit!" - "Was ist denn?" fragt Erika. "Sie hat mich mit dieser slowakischen Niggerhure verglichen! Und du tust so, als wüßtest du das nicht!" - "Ich weiß es wirklich nicht," sagt Frau Dikigoros, "vielleicht klärt mich mal jemand auf." - "Den Namen Taillefine gibt es gar nicht in den Asterix-Heften, den gibt es nur im Film 'Asterix bei den Olympischen Spielen', und da spielt deren Rolle die Frau von diesem Nigger Karemboj." - "Karembeu ist kein Neger," sagt Dikigoros, "sondern ein Kanak aus Neu-Kaledonien, und wenn du ein bißchen mehr recherchiert hättest als nur auf der deutschen Wikiblödia-Seite, dann wüßtest du, daß er stolz darauf ist; mit dieser Begründung hat er sich nämlich stets geweigert, vor Fußball-Länderspielen die französische Nationalhymne mit zu singen. Und die Tschecho-Slowakin, die du als 'Niggerhure' bezeichnest, hat sich schon letztes Jahr von ihm scheiden lassen; und überhaupt: Wäre es dir lieber gewesen, wenn die statt dessen auf dem deutschen Heiratsmarkt aktiv geworden wäre? Da hättest du aber keine Chance gehabt, die galt mal als eine der schönsten Frauen der Welt, und sie hat halt einen frisch gebackenen Fußball-Weltmeister geheiratet." - "Als die die schönste Frau der Welt war, war ich wirklich noch ein Kind. Was hat die mir denn heute noch voraus, außer daß sie sich auch einen falschen Weltrekord zugelegt hat?" - "Einen falschen Weltrekord?" - "Ja, sie hat sich die längsten Beine der Welt ins Guinness-Buch der Rekorde eintragen lassen, wußtest du das nicht?" - "Na und?" - "Du bist doch ein gutes Stück größer als die, nicht?" - "Ein Stückchen." - "Und wie lang sind deine Beine?" - "Ich bin ja auch ein Mann." - "Wie lang sind deine Beine?" - "Was soll die Frage? Das hängt davon ab, wo man mißt: innen im Schritt oder außen an der Hüfte." - "Würdest du das bitte mal tun?" Dikigoros will protestieren, aber seine Frau hat schon das Maßband geholt: "92 cm innen, 112 cm außen." - "Siehste, und die hat sich mit angeblich 124 cm zum Weltrekord angemeldet. Glaubst du ihr das?" - "Nee. Aber was meine Schwester anbelangt: Erstens muß sie so viele goldene Armreifen tragen, wenn sie sich à l'indienne kleidet, sonst wird sie von der indischen Oberschicht auf Barbados nicht ernst genommen..." - "Auch an den Füßen? Und in der Nase? Und Ringe an den Zehen?" - "Also, die Ohren- und Nasensticker finde ich doch sehr apart; und warum sollte sie Haarspangen, Halsketten, Gürtel und Ringe aus billigem Tinnef tragen, wenn sie sich welche aus Gold leisten kann?" - "Das könnte ich auch; aber ich will nicht herum laufen wie eine typische Neureiche. Ich trage außer meinem Ehering überhaupt keinen Schmuck; und mir reicht die Zeitanzeige in meinem Handy, das sicher nur einen Bruchteil der Rolex-Uhr deiner Schwester gekostet hat." - "Ach, das Ding mit dem Diamanten drauf ist dein Ehering? Mindestens 4 Karat, nicht? Der war wahrscheinlich teurer als der ganze Goldschmuck meiner Schwester zusammen." - "Das bezweifle ich." - "Der Stein kostet allein so viel wie ein Mittelklassewagen." - "Das sagt mir nichts; ich habe kein Auto; ich habe nicht mal einen Führerschein; ich finde es wichtiger, reiten zu können; wenn ich mal ein Auto brauche, leiste ich mir ein Taxi. Ich werde nicht enden wie mein Vater, der sich mit 30 zum Krüppel gefahren hat, und nicht auf dem unfallversicherten Weg zur Arbeit, sondern bloß aus Spaß an der Freud'." - "So ein Stein kostet je nach Schliff ab 30.000.- Euro. Und so eine Chūdī, wie sie meine Schwester am Arm trägt, wiegt gerade mal 10 Gramm." - "900er Gold, nicht?" - "Keine Ahnung; in Asien rechnet man Gold in Karat, das dürften 22k sein." - "Moment mal... aha, sogar 916er Gold, davon Stücker 20, das sind zusammen 6 Unzen Feingold; und das ist ja kein simples Massenprodukt, sondern ganz kunstvoll ziselierte Handarbeit, da kommen mindestens nochmal 100% auf den Metallwert für die Juweliersarbeit drauf, das macht also schätzungsweise..." - "Nein, erstens war Gold vor ein paar Jahren, als sie das Zeug gekauft hat, noch wesentlich billiger als heute. Zweitens ist Handarbeit dort spottbillig; sie hat das ja nicht im Touristenladen gekauft, sondern dort, wo die Einheimischen arbeiten lassen. Und bevor du die Klamotten ansprichst: Schneider sind dort noch billiger als Juweliere; und Größe XXXXXL gibt es nun mal nicht von der Stange. Und drittens und überhaupt hat meine Schwester das mit Taillefine sicher nicht so gemeint wie du denkst, denn ihr ist die Hautfarbe ihrer Klienten egal, sie pflegt zu sagen: beim Geld gibt es keine Rassen- sondern nur Deckungs-Unterschiede. Es würde mich gar nicht wundern, wenn Monsieur Karembeu oder seine Ex oder sogar beide zu ihren Klienten zählen; sie ist nämlich auch nicht der Typ, der in Asterix-Filme geht, wenn kein geschäftlicher Grund dafür vorliegt. Also mach mal halblang." - "Ihr lästert über mich, weil ich einen angeblich häßlichen alten Mann geheiratet habe; aber wenn eine weiße Frau so einen Kanaken heiratet, der einen halben Kopf kleiner ist als sie selber, dann findet ihr das in Ordnung?" - "Meine Schwester hat weder über dich noch über deinen Ehemann gelästert; und glaubst du wirklich, daß der keine Geschäfte mit Leuten macht, bloß weil sie eine dunkle Hautfarbe haben?" - "Das glaube ich nicht, das weiß ich ganz genau. Er hätte auch keine Ausländerin geheiratet, egal wie lang ihre Beine sind; er wollte eine ganz normale, junge, deutsche Frau, mit der er deutsch reden kann, und deren Kinder nicht zweisprachig aufwachsen müssen. Na, erstmal vielen Dank und tschüß."

[Exkurs. Lest bitte den vorletzten Satz noch einmal ganz genau, liebe junge Leserinnen, die Ihr Minderwertigkeits-Komplexe haben mögt, weil Ihr vielleicht keinen höheren Bildungsabschluß, kein Puppengesicht und keine Traumfigur wie ein Supermodell habt. Bei einem Mann, der ernsthafte Absichten hat, d.h. einem, der nicht bloß mal auf einer Party mit seiner Begleiterin angeben will, sondern etwas Langfristiges, d.h. zum Heiraten sucht, ist all das eher hinderlich als förderlich, zumal wenn er selber zwar Geld, aber auch schon ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel, ein paar Pfunde mehr auf dem Bauch und ein paar Haare weniger auf dem Kopf hat; der will keine Schönheitskönigin, der alle anderen Männer hinterher laufen, und bei der er ständig Angst haben müßte, daß sie ihm durchbrennt und dabei womöglich noch ordentlich abzockt. Eure Chancen sind viel besser, als Ihr glaubt; pfeift auf den akademischen Grad, die Nasen-Operation, die Brustvergrößerung und die Hungerdiät - bleibt einfach, was Ihr seid und wie Ihr seid, aber macht bei Zeiten Nägel mit Köpfen! Exkurs Ende.]

"Siehst du," sagt Dikigoros zu seiner Frau, "noch etwas, das für Adelheids Mann spricht, und die ist ja wirklich auf Zack. Wart mal ab, wie lange es dauert, bis sie dem auch das Fressen und Saufen abgewöhnt hat." - "Wie kommst du darauf, daß Karembeu ein Klient deiner Schwester sein könnte?" - "Erstens ist das ein vaterlandsloser Gesell; er ist aus Frankreich abgehauen und nach Spanien gegangen, weil dort damals die Steuern etwas niedriger waren. Zweitens denken die Spanier angesichts der Wirtschaftskrise schon seit einiger Zeit laut darüber nach, den Immobilienbesitz ausländischer Privatpersonen entweder ganz zu enteignen oder ihn wenigstens so hoch zu besteuern, daß sie de facto gezwungen sind, ihn zu verkaufen - da kann es kurzfristig schon von Vorteil sein, ihn einer internationalen Gesellschaft zu überschreiben. Und drittens ist Karembeu, wie die meisten Farbigen, erklärter Rassist; er mißtraut allen Geldanlagen bei Weißen. Aber so eine schöne Insel wie Barbados, wo auch viele Kanaken leben, mit oder ohne goldene Ringe in der Nase, die hält er wahrscheinlich für einen sicheren Hafen." - "Und wie sollte er da ausgerechnet auf deine Schwester kommen?" - "Ja glaubst du denn wirklich, die hält sich ihren Mann bloß als schnuckeliges Haustier und seinen kostspieligen Fußballverein als Hobby, um ihm einen Gefallen zu tun, oder weil sie sich keine eigenen Bodyguards leisten könnte? Du darfst nicht jedes Märchen glauben, das sie uns gestern aufgetischt hat. Ich wette, in dem Verein ist mindestens ein Dutzend ehemaliger Weltklasse-Fußballer, alles Milionarios, Ehrenmitglied geworden, jeweils mit persönlicher Einladung und großem Zeremoniell. Und dabei werden sie auch rein zufällig die Frau des Vereinspräsidenten kennen gelernt haben; und dann werden sie die doofen Balltreter gemeinsam unter den Tisch gesoffen haben, bis die unterschrieben haben. Deshalb darf sich Tom auch das Saufen nicht abgewöhnen, denn dafür braucht es einen trinkfesten Alkoholiker. Und deshalb mußte sein Verein aufsteigen; denn bei einem fünftklassigen Club, der er vor ein paar Jahren noch war, hätte niemand Ehrenmitglied werden wollen. Es ist nicht jeder so blöd wie Pélé, der sich von Rot-Weiß Essen hat einfangen lassen - der hat ja auch sein ganzes Geld verloren, bei irgendwelchen anderen unseriösen Vermögensverwaltern." - "Ideen muß man haben," seufzt Frau Dikigoros, "warum bist du nicht darauf gekommen?" - "Möchtest du auf einer karibischen Negerinsel leben? Du wolltest nicht mal mit mir nach New York gehen, geschweige denn nach Japan, als ich damals die tollen Angebote hatte. Da hättest du all die dicken Luxuskarossen und die teuren Klunker haben können, die dir ein kleiner Anwalt in Deutschland nicht bieten kann." - "Andere werden auch in Deutschland reich; erinnerst du dich noch an den H.? Was hattest du damals gleich profezeit? Und? Sind er oder seine Firma pleite? Und sein Verein? Oder spielt der inzwischen nicht in der ersten Liga? Und ist er nicht immer noch Milliardär?" - "Nein, ist er nicht mehr, und er zählt auch nicht mehr zu den reichsten Männern im Lande; knapp die Hälfte seines Vermögens hat er in diesen komischen Fußballverein gesteckt, der zwar inzwischen in der 1. Liga spielt, aber von einer Meisterschaft ebenso weit entfernt ist wie ich; und wenn die andere Hälfte aufgebraucht ist, wird der sang- und klanglos eingehen und kann, wenn er denn neu gegründet wird, wieder in der Kreisklasse anfangen. Eher wird Toms Verein Meister von Barbados."

"Na, wie dem auch sei, deine Schwester ist dort jedenfalls reich geworden, und solange das Weltfinanzsystem nicht wirklich zusammen gebrochen ist, wird sie das wohl auch bleiben. Und nach ihr die Sintflut." - "Pardon, aber die Sintflut ist doch längst da - wann ist gleich der Termin zur Zwangsversteigerung der Villa deiner Schwester?" - "Der war letzte Woche und ist geplatzt, weil niemand da war, der auch nur das Mindestgebot abgeben wollte, nicht mal die Bank." - "Wahrscheinlich wollte die dem schlechten Geld kein gutes Geld hinterher werfen." - "Ach was, die ist selber pleite." - "Das schließt sich ja nicht aus, im Gegenteil." - "Vielleicht warten sie bloß den nächsten Termin ab, wenn das Mindestgebot niedriger ist. Denen kann ja in der Zwischenzeit nichts passieren, da sie im Grundbuch an erster Stelle stehen." - "Ich habe immer gesagt, deine Schwester hätte die Erbschaft ausschlagen und dir das Haus eurer Eltern ganz überlassen sollen, gegen ein lebenslanges Wohnrecht, dann wäre sie jetzt fein heraus; so habt ihr es unter Wert verkauft, und ihr Anteil am Erlös wird auch noch an die Bank gehen." - "Wer schenkt mir einen Diamantring für 30.000 Euro und Goldschmuck für noch mehr?" - "Möchtest du so herum laufen? Oder ist das nur wie mit dem Eisschrank, in den ein Elefant passen soll?" - "Na ja, etwas übertrieben fand ich das ja schon. Laufen reiche Inderinnen wirklich so herum?" - "Nein, den großen Haarschmuck und die vielen Halsketten und an jedem Finger mehrere Ringe trägt frau eigentlich nur zur Hochzeit; aber ich war noch nie auf Barbados; wer weiß, vielleicht ist das dort ja so üblich. Im übrigen ist da auch nicht alles Gold, was glänzt. Die Uhr, die deine Nichte so beeindruckt hat, ist eine erstklassige Imitation, die sich Helli vor 30 Jahren aus Singapur mitgebracht hat, die hat damals keine 100.- DM gekostet, dafür kriegste heute nicht mal das billigste vertragsfreie Handy. Sie trägt sie immer noch, weil sie meint, daß sie die Zeit ebenso gut anzeigt wie ein Original, und daß die Qualität objektiv betrachtet vielleicht sogar höher ist als wenn sie sich jetzt eine echte kauft - welche Uhr hält heutzutage schon so lange, ohne ihren Geist aufzugeben? Und die Fuß- und Zehenringe sind zwar sehr chic, aber nicht aus Gold - Inder tragen keinen Goldschmuck unter der Gürtellinie -, sondern industrielle Massenware, für umgerechnet 5.- Euro pro Paar in jedem Kaufhaus zu haben. Aber warum hätte ich dem Kind das umständlich auseinander setzen sollen? Die glaubt eh nur, was sie glauben will, und daß an der Uhr kein einziger Stein echt ist, würde sie mir bestimmt nicht glauben. Zum Glück versteht sie nichts davon..." - "Woher willst du das wissen?" - "Wenn sie das Modell erkannt hätte, hätte sie sich nicht mit den Goldreifen aufgehalten; das ist die Replica einer Ladydate Pearlmaster Diamond, Listenpreis knapp 40.000.- Euro." [Anm. für interessierte Leserinnen: Diese Imitate gibt es immer noch; sie sind allerdings teurer geworden - in guter Qualität kosten sie so um die 200.- Euro -, und ihr Vertrieb ist in der BRDDR inzwischen verboten; aber wer mal nach Rußland oder in die Ukraïne reist...]

Am Abend vor ihrem Heimflug besucht Helli noch kurz ihren Bruder und ihre Schwägerin; und sie bringt tatsächlich zwei Stücke Cremetorte mit. "Das wäre aber wirklich nicht nötig gewesen," sagt Frau Dikigoros. "Finde ich auch; aber die ist nicht von mir," sagt Helli, "die hat mir Adelheid heute nachmittag für euch mitgegeben. Schnuckeliges Schloß bewohnen die übrigens, hat er ganz billig aus einer Konkursmasse bekommen." - "Sie hat dir exakt die gleiche Torte serviert, die du bei Schwiegermama so gerne gegessen hast?" - "Oh ja, formell war sie die perfekte Gastgeberin - aber in der Sache knallhart; sie hat mir das Geschäft bestimmt vermasselt; wenn jemand sagt, daß er es sich noch überlegen will, heißt das erfahrungsgemäß 'nein'." - "Le Roi s'avisera," meint Erika trocken. "Willst du damit sagen, daß Achim dieses Kind bei seinen geschäftlichen Verhandlungen mit reden läßt?" - "Nicht direkt; aber sie hat ihn natürlich vorher bearbeitet, und hinterher sicher auch noch. Und die hat ja ganz merkwürdige Ansichten." - "Inwiefern?" - "Sie meint, es gäbe gar keine Wirtschaftskrise in Deutschland, vor der man sich und sein Geld in Sicherheit bringen müßte; man bräuchte bloß die 16 Millionen Ausländer, die sich bei uns durchschmarotzen, hinaus zu werfen, dann wären wir wieder das reichste Land der Welt, und das sicherste, ohne Arbeitslosigkeit und ohne Schwerkriminalität. Und als ich sie gefragt habe, wer dann die Drecksarbeit machen soll, hat sie geantwortet: die deutschen Männer, und die Drecksarbeit des Kinderkriegens die deutschen Frauen; und wenn sie sich dafür zu fein sind, werden die Deutschen in ein, zwei Generationen ausgestorben sein." - "Da könnte sie sogar Recht haben." - "Ich habe versucht, ihr zu erklären, daß das nicht so einfach geht, weil ja die meisten schon hier geboren und deutsche Staatsbürger seien, nur eben mit Migrationshintergrund; da meinte sie, das seien bloß juristische Spitzfindigkeiten; Gesetze könne man ändern, und schlechte Gesetze müsse man sogar ändern, und notfalls müsse man halt auch mal neue Gesetze machen; bei all dem Papierausstoß der Parlamente könnte ja ausnahmsweise auch mal ein vernünftiges Gesetz dabei sein. Und als ich gefragt habe, wie dieses famose Gesetz denn konkret aussehen solle, hat sie gesagt: Jedem, der nicht mindestens vier Groß- oder Urgroßeltern nachweisen kann, die Deutsche sind, wird die deutsche Staatsbürgerschaft, die man ihm zu Unrecht verliehen hat, wieder entzogen. Und jeder Ausländer, der nicht sowohl ordentlich Deutsch kann als auch ein sauberes Strafregister hat als auch einer geregelten Arbeit nachgeht, für die kein arbeitsloser Deutscher in Frage kommt, ist auszuweisen. Fast alle anderen Länder auf der Welt hätten auch solche oder ähnliche Gesetze, und es sei überhaupt nicht einzusehen, warum nur Deutschland die nicht haben sollte. Und falls irgendwelche internationalen Vereinbarungen dem entgegenstünden, müsse man halt aus der EU, der UNO und der NATO austreten." - "Was hat die NATO mit der Staatsbürgerschaft zu tun?" - "Das habe ich sie auch gefragt, und außerdem, was denn wäre, wenn die Betroffenen sich nicht freiwillig ausweisen ließen, ob sie einen Bürgerkrieg riskieren wollte. Da meinte sie, daß dieser Bürgerkrieg sowieso irgendwann käme; jetzt sei er noch zu gewinnen, in einer Generation schon nicht mehr. Von den 16 Millionen Ausländern seien heute erst ca. 4 Millionen Männer in wehrfähigem Alter, der Rest seien Frauen und Kinder; dem stünden noch ca. 16 Millionen wehrfähige deutsche Männer gegenüber, der Rest seien Frauen und Greise. In 30 Jahren hätte sich das Verhältnis der wehrfähigen Männer auf 12 : 10 Millionen zugunsten der Ausländer geändert, und dann sei es zu spät. Ich möchte mal wissen, wie die zu diesen Zahlen kommt; ich dachte, die Erhebung solcher Statistiken ist hier inzwischen verboten?" - "Die Erhebung nicht, nur die Veröffentlichung, aus gutem Grunde; aber du weißt doch, wie das in diesem unserem Lande ist: Es ist alles eine Geldfrage; die einen bestechen Schiedsrichter, die anderen Beamte im Innenministerium." - "Ich habe ihr dann gesagt, daß meine Großmutter mütterlicherseits nicht in Deutschland geboren ist und nie die deutsche Staatsangehörigkeit hatte und trotzdem eine 150%ige Deutsche war, wie sie selber. Da hat sie zurück gefragt, ob sie nicht 1938 Deutsche geworden sei, und wenn ja, warum sie ihre deutsche Staatsbürgerschaft dann 1945 wieder aufgegeben hat." - "Da ist man doch wohl nicht gefragt worden von den alliierten Besatzern," meint Erika. "Doch," sagt Dikigoros, "jeder wurde gefragt, wie er optieren wollte; meine Mutter ist nicht erst durch Heirat deutsche Staatsbürgerin geworden, sondern ist es durchgehend seit 1938, wobei die Rechtslage von der Auflösung des Deutschen Reichs 1945 bis zur Gründung der BRD 1949 ja allgemein unklar war. Aber warum hätte Helli deiner Nichte etwas vorlügen sollen? So einem Kind ist doch nicht zu vermitteln, was es damals hieß, sich zu Deutschland zu bekennen; als Deutsche warst du rechtloses Subjekt 3. Klasse; als 'Österreicherin' warst du Befreite und Opfer des National-Sozialismus, denn Hitler war ja bekanntlich Preuße. Meine Mutter konnte in Deutschland arbeiten gehen; meine Großmutter dagegen hätte, wenn sie optiert hätte Deutsche zu sein, von der RÖ wahrscheinlich nicht mal weiter ihre Witwenrente bekommen."

"Es geht ja noch weiter," sagt Helli, "ich habe sie dann gefragt, wie sie es denn mit ihrer eigenen Abstammung hielte. Ihr Großvater war doch wohl in Polen geboren, genau wie nebenbei bemerkt unserer, und hatte bis zu seiner Einbürgerung die polnische Staatsangehörigkeit. Da hat sie mich gefragt, woher unser Opa stammte und wann er nach Westdeutschland gekommen sei, und als ich sagte aus Posen und 1919, meinte sie, dann sei er ja wohl preußischer Staatsbürger gewesen und nie Pole geworden. Und als ich darauf sagte, ihr eigener Großvater stamme aber ausweislich der Erzählungen von Erikas Mutter aus Russisch-Polen, hat sie mir ihr Archiv gezeigt. Ob ihr's glaubt oder nicht, die hat ein ganzes Zimmer voll mit Unterlagen über ihre Familiengeschichte - die hat sich Mamas Stammbaum nicht bloß zufällig angeschaut, weil er gerade an der Wand hing. Ihr Ur-ur-ur-ur-ur-urgroßvater ist 1793 aus dem Schwäbischen nach Litzmannstadt ausgewandert; das gehörte damals nicht zu Rußland, sondern zu einer Provinz, die 'Süd-Preußen' genannt wurde, und war überwiegend deutsch besiedelt." - "Überwiegend mit deutschen Juden," merkt Dikigoros an. "Ja, aber sie kann auch die Abstammung ihrer Vorfahren belegen, bevor sie dorthin ausgewandert sind, bis ins 17. Jahrhundert; an ihrer deutschen Herkunft besteht nicht der geringste Zweifel. Und auch als das Gebiet 1815 als Teil von 'Kongreßpolen' an den Tsaren fiel, haben sie nie die russische Staatsangehörigkeit angenommen; erst die Polen haben sie ihnen 1919 aufgezwungen, und das war schlicht illegal, macht sie also weder de iure noch de facto zu Polen. [Anm. Dikigoros: Das mit dem Aufzwingen stimmt so nicht; auch in Polen konnte man optieren: entweder man wurde polnischer Staatsbürger, oder man wurde entschädigungslos enteignet und des Landes verwiesen - oder man hatte eh nichts, das enteignet werden konnte, und ging freiwillig, wie Dikigoros' Großvater.] Nach der Befreiung 1939 habe selbstverständlich die ganze Familie ihre deutsche Staatsangehörigkeit zurück bekommen; und daß sie 1944/45 vertrieben wurden bzw. fliehen mußten, sei doch der beste Beweis für ihr Deutschtum. Ich möchte mal wissen, woher eine, die nichtmal die Schule zuende gemacht hat, in der heutigen Zeit all diese historischen Kenntnisse hat." - "Ja, gerade in der heutigen Zeit," sagt Erika, "da lernt man so etwas doch eh nicht mehr auf der Schule. Und wenn sie sich nicht mit Mathe und Fremdsprachen etc. herum zu plagen braucht wie wir in dem Alter, und auch nicht zur Arbeit gehen oder den Haushalt selber führen muß wie andere Frauen, hat sie natürlich Zeit, ihren Steckenpferden nachzugehen. Und es ist ja nicht mehr wie damals, als wir bloß unsere Schulbücher und ein altes Lexikon im Schrank hatten, um uns zu informieren; heute schauste einfach ins Internet, da findet sich auch zu solchen Themen genug, wenngleich nicht unbedingt auf den von staatlichen Institutionen betriebenen Webseiten. Irgendwo hat sie schon Recht, daß eine formale Schulbildung heute nicht mehr zu größerem Wissen verhilft - eher im Gegenteil, man wird bloß systematisch verblödet." - "Wenn du als gelernte Lehrerin das sagst... Na, wie auch immer, ich muß morgen früh raus; wünsche allseits schönen Bürgerkrieg." - "Du meinst, auf deiner Insel könnte dir nichts dergleichen passieren?" - "Wenn die Leute wie mich ausweisen wollten, könnten die ihren Laden bald dicht machen. Was glaubt ihr denn, wovon die leben? Die echten Eingeborenen sind eh schon vor Jahrhunderten ausgerottet worden; und diejenigen, die heute die Mehrheit bilden, wären doch selber allenfalls in der Lage, Kokosnüsse zu pflücken und Fischchen zu fangen." An dieser Stelle beendet Dikigoros das Thema und verweist interessierte Leser auf das nächste Kapitel seiner Reisen durch die Vergangenheit.

* * * * *

Zwei Jahre sind vergangen. Dikigoros, seine Frau und seine Schwiegernichte sitzen zusammen beim Tee. Dikigoros fragt nicht, woher sie so eine vorzügliche Sorte hat (bestimmt nicht aus dem Supermarkt) oder woher sie weiß, daß er das zu schätzen weiß - sie weiß es eben, oder vielleicht hat sie auch nur den gleichen guten Geschmack. Zwischen den beiden Frauen knistert es; man kann die Spannung förmlich spüren. Adelheid bricht als erste das Schweigen: "Du brauchst mich nicht so feindselig anzustarren, Tante Erika; ich kann nichts dafür, daß Du nicht mehr die Schönste im Lande bist; ich bin nicht Schneewittchen, und ich habe auch keine sieben Zwerge - nicht mal die Hälfte, weniger als meine Mutter und meine Großmutter." Eine 21-jährige, die sich leid tut, weil sie erst drei Kinder hat, denkt Dikigoros, aber er sagt nur, um die Wogen zu glätten: "Sie schaut nicht dich an, sondern dein Kleid." Seine Frau trägt ein schlichtes schwarzes Kostüm für 200.- Euro von C&A, gekauft anläßlich der Beerdigung von Adelheids Großvater. Ihre Nichte trägt dagegen ein Kleid aus schwerer schwarzer Seide, wie es unter Frauen der Südstaaten-Oberschicht Mitte des 19. Jahrhunderts Mode gewesen sein mag, das mindestens das Zehnfache gekostet haben muß. "Dieses Kleid," sagt Adelheid kühl, "hat sich meine Schwiegermutter beim Tode meiner Schwiegeroma machen lassen. Sie hätte sicher gewollt, daß ich es heute trage. Wie käme ich dazu, mir für teures Geld ein schlechteres neues Kleid zu kaufen? Ich muß schließlich vor den Geschäftsfreunden meines Mannes etwas darstellen." Dikigoros ertappt sich zum ersten Mal bei dem Gedanken, daß er sich so eine Enkelin gewünscht hätte. Auch er trägt den Anzug, den sich sein Vater beim Tode seiner Oma hat machen lassen - ein Meisterstück aus der Hand eines längst verstorbenen Schneiders, deutsche Wertarbeit, wie es sie im vergangenen Jahrtausend noch gab, aus bester Wolle, sorgfältig gearbeitet und so bequem, daß er ihn am liebsten täglich tragen würde, vor allem im Winter, wenn es nicht unpassend wäre. Er hat ihn erst kürzlich wieder aus dem Schrank gekramt - Achim hat Grete nur um drei Wochen überlebt. "Du hast außer mir keinen einzigen deiner Verwandten eingeladen," sagt Erika, "nur die deines Mannes. Warum?" - "Meine lieben Verwandten wollten Achim zu Lebzeiten nicht sehen und haben alle gesagt und gehofft, daß er bald sterben würde; denen werde ich doch nicht den Triumf gönnen, Recht behalten zu haben." - "Und warum hast du uns eingeladen?" - "Dreimal dürft ihr raten." - "Du willst dir einen von Erikas vielen Liebhabern ausleihen, um deine Zwergensammlung aufzustocken," sagt Dikigoros. "Du willst mir meinen Mann ausspannen, damit nicht alle deine Kinder häßliche Zwerge werden," sagt Erika. "Ich finde es äußerst geschmacklos von euch, so dumme Witze zu reißen," sagt Adelheid vorwurfsvoll; dann kreuzen ihre Augen den eisigen Blick von Frau Dikigoros, und sie begreift urplötzlich, daß sie es beide gar nicht witzig, sondern todernst gemeint haben. (Sie ticken eben immer noch auf der selben Wellenlänge :-) "Es war also doch nicht bloß das Kleid," murmelt Adelheid. "Jugend, Fruchtbarkeit und Reichtum sind Abstracta, die man nun mal nicht feindselig anstarren kann," sagt Dikigoros, "ein teures Kleid schon."

"Ich wußte ja nicht, daß es so um euch steht; ich dachte immer, ihr führtet eine Musterehe; daß sich hinter der Fassade bloß ein Muster ohne Wert verbirgt, konnte ich doch nicht ahnen." - "Durchaus nicht ohne Wert," sagt Dikigoros, "wir sind uns ganz einig, bis auf einen kleinen Unterschied." - "Und der wäre?" - "Deine Tante meint, sie hätte das Recht, mich zu betrügen, ich aber umgekehrt nicht das Recht, sie zu betrügen. Nota bene, ich habe von 'ausleihen' gesprochen, sie von 'ausspannen'." - "Da hat sie Recht," sagt Adelheid, "ich habe es nicht nötig, mir einen Mann bloß auszuleihen; ich kann mir einen kaufen, und ich werde mir einen kaufen: einen Witwer mit drei Kindern, der noch ein halbes Dutzend mit mir gemeinsam haben will. Aber ihr habt noch eine Antwort frei." - "Wenn du nicht gerade 21 geworden wärest, würde ich vermuten, daß dir das Familiengericht einen Gegenvormund aufs Auge drücken will und du jemanden suchst..." - "Quatsch." - "Tja, wenn du keinen juristischen Rat brauchst, wüßte ich nicht, wie wir dir helfen könnten." - "Du glaubst wahrscheinlich, daß ich damals die Sache zwischen Achim und Tante Verleihnix torpediert habe, nicht?" - "Ich glaube gar nichts; meine Schwester spricht mit mir nicht über ihre Mandate, und ich mit ihr nicht über meine; wir halten uns beide an die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht - sehr zum Leidwesen deiner Tante -; ich weiß also nicht mal, ob aus der Sache etwas geworden ist oder nicht; und du vielleicht auch nicht." - "Doch, Achim hat mir damals gesagt, daß er es nicht macht, allerdings nicht warum, und ich habe ihn auch nicht danach gefragt, ich habe mich nie in seine Geschäfte eingemischt - wie auch, ich verstehe ja nichts davon. Vielleicht war das ein Fehler, und ich hätte mich statt mit Stammbäumen lieber mit Bilanzen beschäftigen sollen; aber wer hätte denn gedacht, daß es so schnell geht?" - "Alle," sagt Erika kalt, "die einzige, die es nicht wahr haben wollte, warst du." - "Ich habe mir vor unserer Heirat eben kein Gesundheitszeugnis vorlegen lassen." - "Und wenn, dann hättest du ihn doch erst recht geheiratet," versetzt Erika, "mit der Aussicht, so schnell so reich zu werden." - "Ich habe mir vor unserer Heirat auch kein Gesundheitszeugnis vorlegen lassen," sagt Dikigoros, um seiner Frau das Maul zu stopfen, "und ich habe es bereut." - "Ich bin nicht erst durch Achims Tod reich geworden; wir hatten keine Gütertrennung. Und ich bin auch nicht seine Alleinerbin. Aber ich bereue auch etwas, nämlich daß ich mir das Ganze von Tante Verleihnix nicht etwas genauer habe erklären lassen." - "Und jetzt soll ich den Kontakt wieder herstellen?" fragt Dikigoros. "Na, das könnte ich schon selber. Außerdem bist du als Bruder natürlich voreingenommen." - "In solchen Dingen bin ich ganz unnatürlich veranlagt; ich betrachte die Finanzjonglierereien meiner Schwester äußerst kritisch." - "Deshalb ist Helli ja auch Multimillionärin," giftet Erika, "während du und ich uns nicht mal einen ordentlichen Urlaub in der Karibik leisten können." (Damit meint sie nicht nur Barbados, sondern auch und vor allem Kuba, wo sie unbedingt noch hin will, "bevor dort der Bürgerkrieg ausbricht und alle alten Kulturdenkmäler zerstört werden" - statt dankbar zu sein, daß Dikigoros mit ihr in Mexiko war, bevor dort der Drogenkrieg ausbrach und man sich nicht mehr hin trauen konnte. Aber sie ist ein Inseltyp und wollte auch immer nach Mauritius oder auf die Malediven - statt ihren Mann mal nach Indien zu begleiten, wo es für viel weniger Geld viel mehr zu sehen gibt. Sie hat ihn schon auf so viele Mittelmeer-Inseln mit geschleppt, daß es ihm reicht - genug ist genug!)

"Ihr habt Tante Verleihnix noch nie besucht?" fragt Adelheid. "Nicht, solange sie ausgewandert ist." - "Na, das ließe sich doch ändern - oder verbirgt sich hinter der gutverwandschaftlichen Fassade auch bloß...?" - "So gut ist die Fassade doch gar nicht," sagt Dikigoros, "aber das ist nicht der Grund. Erika reizt die Exotik, mir ist sie das Geld nicht wert." Und er zitiert einen Spruch aus einem bekannten Reisefilm: "Hitze, Neger, AIDS!" - "Aber Tante Verleihnix würde euch doch sicher einladen?!" - "Ja, mit freiem Eintritt in ihr Freiluft-Schwimmbad; aber nicht mit Freiflug, und die Tickets sind das teuerste." Adelheid greift zum Smartphone und ruft eine Fluglinienseite auf: "So teuer ist das doch gar nicht." - "Gib dir keine Mühe, ich fliege nicht, nicht mal geschenkt," sagt Dikigoros. "Wirklich nicht? Aber du, Tante Erika? Ich bezahle dir den Flug, Linie, 1. Klasse." - "Wozu?" - "Ich möchte, daß sich jemand bei Tante Verleihnix ein wenig umschaut, ganz unvoreingenommen, weder wohlwollend noch überkritisch, traust du dir das zu? Ich kann hier nicht weg, außerdem würde sie mir nur Sand in die Augen streuen." Dikigoros wüßte zu gerne, was seiner Frau jetzt durch den Kopf geht. Natürlich könnte sie in keiner Weise beurteilen, ob das, was Helli da treibt, seriös ist oder nicht - er würde sich das kaum selber zutrauen, schon gar nicht in ein paar Tagen oder Wochen. Allerdings liegt sie ihm schon seit Jahren in den Ohren, daß sie dort unbedingt mal hinfliegen sollten; die Neugier ist ein starkes Motiv, und einem geschenkten Gaul... Aber vielleicht glaubt sie auch, daß Adelheid sie bloß weg schicken will, um sich ihren Mann zu angeln; dann wird ihre krankhafte Eifersucht wohl die Oberhand behalten.

Während sich Erika noch ziert, hat Adelheid schon eine Nummer gewählt. "Wie spät ist es dort jetzt?" fragt sie Dikigoros. "Wo?" - "W..." klingt es aus dem Gerät. "Guten Morgen, Tante Verleihnix." Helli schaltet sofort: "Guten Abend, Taillefine." - "Es tut mir leid, daß wir uns vor drei Wochen nicht getroffen haben, aber ich war ja nicht zum Begräbnis eurer Mutter eingeladen." - "Unsere Mutter hatte genau verfügt, wer eingeladen werden sollte, und daran haben wir uns gehalten, auch wenn wir uns in einigen Fällen schon etwas gewundert haben; dein Name stand jedenfalls nicht mit auf ihrer Liste." - "Sag mal, ich habe gerade erfahren, daß dein Bruder und deine Schwägerin dich noch nie auf deiner Insel besucht haben." - "Das ist zwar nicht meine Insel, aber ich habe sie oft genug eingeladen; sie wollten nicht, und sie wollen nicht. Der Geiz meines Bruders ist doch sprichwörtlich." - "Ich würde den Flug bezahlen, und übernachten ginge ja wohl bei dir, ein Feldbett deiner Bodyguards müßte sich doch frei schaufeln lassen." - "Du kennst deine Tante nicht, die übernachtet nur im 5-Sterne-Hotel, frag mal ihren Mann." - "Gar nicht wahr," wirft Erika ein, "aber ich will auch nicht auf einem Feldbett schlafen, wo sonst deine Gorillas pennen." - "Das sind keine Gorillas, sondern unsere Sportfreunde; aber ihr könnt unser Schlafzimmer haben, wir ziehen solange ins Gästezimmer." - "Ich komme nicht mit," sagt Dikigoros, "ich habe zu tun." - "Ach, Erika will zusammen mit Taillefine kommen?" - "Nein, ich komme auch nicht mit," sagt Adelheid, "ich muß bei meinen Kindern bleiben." - "Ja, will Erika etwa alleine kommen?" - "So ist es - oder gilt die Einladung dann nicht?" - "Hmm... tja... also... aber ich kann mich nicht groß um sie kümmern, ich habe nämlich auch zu tun; natürlich kann ich ihr einen unserer Sportfreunde als ständigen Begleiter mitgeben, und ich lade sie auch zum Essen ein; allerdings gibt es bei uns nur gut gewürzte einheimische Küche, und ich weiß ja, daß das nicht so ihr Fall ist. Wenn sie trotzdem kommen will, meinetwegen. Für wie lange soll es denn sein?" - "14 Tage?" - "Das lohnt ja kaum. Aber für so kurze Zeit könntest du die Kinder doch auch mal deinem Mann anvertrauen und mitkommen." - "Das geht leider nicht." - "Wieso?" - "Nicht mehr. Dein Name stand auch nicht auf seiner Liste." Wieder schaltet Helli sofort: "Oh, das wußte ich nicht, mein Beileid. Aber dann solltest du erst recht mitkommen; für Geschäftliches habe ich immer Zeit." - "Deine Schwägerin wollte dich privat besuchen; übers Geschäft können wir später nochmal unter vier Augen und Ohren reden. Also übermorgen mittag, wenn es dir recht ist?" - "Ich weiß nicht, ob ich da Zeit habe, sie vom Flughafen abzuholen." - "Sie wird ein Taxi nehmen." - "Na toll. Wie gesagt, äh..." - "Vielen Dank. Wiederhören." - "Du verfügst so einfach über mich, als ob..." setzt Erika an. "Dein Flug geht übermorgen früh, mit Zeitverschiebung bist du schon mittags in Barbados. Den Flugschein holst du am Schalter ab, ich räume dir außerdem ein Spesenkonto von 2.000.- Euro ein, für Taxifahrten, ein seidenes Kleid, etwas Goldschmuck und damit du, wenn du den fettigen Schweinefraß, den dir Tante Verleihnix wahrscheinlich vorsetzt, wieder ausgekotzt hast, irgendwo anders nochmal was Vernünftiges essen gehen kannst. Aber bitte übernachte nicht woanders und lehne ihre Einladungen zum Essen nicht ab, sonst wäre sie bestimmt beleidigt." - "Adelheid, im Ernst, was erwartest du von mir? Ich kann nicht heraus bekommen, wie Helli ihr Geld verdient; und wenn ich es könnte, dann würde ich es selber nachmachen." - "Du sollst nur einen allgemeinen Eindruck gewinnen, ob es dort wirklich so gut für sie läuft, oder ob sie euch hier bloß etwas vorspiegelt, was nicht den Tatsachen entspricht. Dazu wirst du ja wohl in der Lage sein; schließlich verfügst du doch über dreimal so viel Lebenserfahrung, Intelligenz und Bildung wie ich, nicht wahr? Also, ihr geht jetzt besser, du mußt ja noch packen."

Als sie nach Hause kommen, blinkt der Anrufbeantworter; aber noch ehe sie ihn abhören können, klingelt das Telefon. "Laß es klingeln, es ist mitten in der Nacht," sagt Frau Dikigoros. "Auf Barbados nicht," sagt ihr Mann, als er die lange Vorwahl sieht, "und der Anruf ist garantiert für dich." Erika nimmt den Hörer. "Helli?" - "Ja, wer sonst? Hat deine Nichte wirklich die Stirn, ausgerechnet dich als Spionin zu schicken?" - "Wieso als Spionin?" - "Ja, hältst du mich denn für blöd? Ihr Mann ist gestorben, die rechtliche und finanzpolitische Situation in der BRD und der EU treibt katastrofalen Zuständen entgegen, und sie hat offenbar ihre damalige Meinung revidiert und sucht jetzt einen sicheren Hafen. Du bist bestimmt nicht die Einzige, die sie gerade rund um die Welt auf Reisen schickt." - "So viele Tanten hat sie nicht." - "Sie wird die Verwandten ihres Mannes ebenso einspannen wie dich." - "Ja und, willst du mich jetzt etwa wieder ausladen?" - "Im Gegenteil. Hast du eine Abschlußvollmacht?" - "Natürlich nicht." - "Oder sonst irgendetwas Schriftliches?" - "Nein." - "Gut, dann unterschreib auch nichts." - "Warum nicht?" - "Weil ich dich hiermit abwerbe. Du bekommst Vermittlungs-Provision, wenn du mir das nicht vermasselst." - "Wieviel?" - "10% meines Verwalterhonorars, auf Lebenszeit." - "Wie drückt sich das in absoluten Zahlen aus?" - "Ich weiß nicht genau, was Achims Nachlaß wert ist, aber ich glaube, du könntest ganz gut davon leben, allemal besser als bisher. Täglich Cremetorte. Dann also bis übermorgen." Sagts und legt auf. "Laß dich bloß nicht darauf ein," sagt Dikigoros, "wenn es schief geht, und das mit der Provision kommt heraus, dann wird dir deine Nichte sämtliche Rechts- und Staatsanwälte auf den Hals jagen wegen Beihilfe, mangels Belangbarkeit der Haupttäterin, denn Barbados liefert seine Staatsangehörigen wegen Finanzdelikten nicht aus." - "Du hast ja großes Zutrauen zu mir." - "Wie willst du denn vom äußeren Anschein sehen, ob es bei meiner Schwester wirklich gut läuft, oder ob sie bloß von der Substanz der Fremdeinlagen zehrt?" - "Und zu deiner Schwester noch weniger." - "Das Thema hatten wir doch schon mal. Warum ist sie denn so scharf auf Achims Nachlaß? Und überhaupt, wenn es klingelt ist auch das seriöseste Konzept ganz schnell über den Haufen geworfen, daran kann Helli gleich gar nichts ändern." - "Ja, ich kenne deine Theorien vom Weltuntergang. Wen schert's? Nach uns die Sintflut! Wenn es schief geht, dann wird Adelheid kein Geld mehr haben, um mir irgendwelche Anwälte auf den Hals zu jagen; und wenn es allgemein klingelt, ist sowieso alles egal; bis dahin werde ich das Geld mitnehmen, das mir plötzlich alle so freigiebig hinterher werfen - mit Ausnahme meines Ehemannes, versteht sich." Was soll Dikigoros darauf sagen? Eigentlich müßte er Adelheid warnen. Aber sie ist nicht seine Mandantin, er ist also dazu rechtlich nicht verpflichtet, allenfalls moralisch. Aber wäre es moralisch, seiner Frau und seiner Schwester in den Rücken zu fallen? Nein, er hält sich da heraus und ist froh, an diesem schmutzigen Geschäft nicht beteiligt zu sein, auch wenn er so der Einzige ist, der daran nichts verdient...

Als Frau Dikigoros zwei Wochen später zurück kommt, kann sie ihre Aufregung kaum beherrschen. "Kann ich dir vertrauen?" fragt sie ihren Mann. "Was soll denn diese dumme Frage?" - "Bei wem liegen deine Loyalitäten?" - "Wie meinst du das?" - "Stehst du auf meiner Seite?" - "Gegen wen?" - "Egal." - "Stehst du im Geiste vorm Spiegel und schließt von dir auf Andere? Wenn du an meiner Loyalität zweifelst, warum fragst du dann nicht Graf F.? Der hat doch sonst keine Skrupel!" - "Ach, nun glaub mir doch endlich, daß ich mit dem nichts habe; er ist bloß ein guter Bekannter." - "Also, wen willst du austricksen?" - "Am liebsten alle zusammen - mit deiner Hilfe." - "Da bin ich ja mal gespannt." Erika wirft ihren Computer an, legt einen Speicherstick ein, ruft eine Cloud auf und beginnt mit dem Download. "Wessen Speicher räumst du denn da gerade leer?" - "Meinen eigenen; es soll nicht länger als unbedingt nötig dort lagern; wer weiß, wer darauf alles Zugriff hat." - "Jeder Geheimdienst der Welt hat das längst kopiert." - "Kein Geheimdienst wird es wagen, damit zu operieren; das sind doch alles Beamte, die noch befördert werden wollen. Aber private Hacker brauchen vielleicht etwas länger, und bis dahin muß es weg sein." - "Was ist denn das?" - "Moment noch... so, fertig. Hier, schau es dir an." - "Ich bin doch nicht verrückt. Jetzt fährst du deine Kiste erstmal runter, dann gehen wir damit an meinen alten Computer, der keine Internet-Verbindung hat und den niemand ausschnüffeln kann, und dann sehen wir weiter." So geschieht es. "Das sind ja alles jpgs!" - "Ja, was dachtest du denn?" - "Wenn du schon fragst: Ich dachte, du hättest Hellis Computer gehackt und irgendwelche verfänglichen Dokumente gefunden." - "Ach was, der ist bestimmt so gut gesichert, daß ich das nicht könnte; das würde ich gar nicht erst versuchen. Nein, ich habe nur fotografiert, was frei in ihrem Büro herum lag, nach alter James-Bond-Manier, bloß statt mit der Minox mit dem Handy. Dann habe ich es in meine Cloud upgeloaded und auf dem Handy wieder gelöscht - könnte ja sein, daß jemand darauf herum schnüffelt, während ich schlafe." - "Du schließt schon wieder von dir auf Andere." - "Sicher ist sicher. Nun schau dir das Material endlich mal an!" Dikigoros überfliegt ein paar Bildseiten, dann lacht er: "Aber Liebling, weißt du, was das ist? Das ist Spielmaterial! Das hat Helli extra herum liegen lassen, damit du es findest und deiner Nichte guten Gewissens erzählen kannst, wie toll es bei ihr läuft. Erinnerst du dich noch an Jürgen Schneider? Der hat versucht, mit einem manipulierten Bild von sich und Birne vor dem Reichstag einem Doofen den letzteren zu verkaufen. Schau mal, die Sauer ist doch so strohdumm, die kann nicht nur nicht mit Messer und Gabel essen, die findet nicht mal Berlin auf einer Landkarte, geschweige denn Barbados; die weiß wahrscheinlich nicht mal, wie man das buchstabiert. Und die soll ihr Privatvermögen ausgerechnet bei meiner Schwester geparkt haben?" - "Du hältst Helli für eine Betrügerin wie Schneider?" - "Der Schneider war ja ursprünglich ein durchaus seriöser Bauunternehmer - wenn es so etwas denn gibt. Irgendwann kam er dann in Schwierigkeiten und hat versucht, diese zu, äh... überbrücken, indem er etwas optimistisch in die Zukunft kalkuliert hat, ursprünglich vielleicht in der durchaus ehrlichen Annahme, daß das klappen würde. Das tun viele; und wenn sie merken, daß es nicht klappt, haben sie Angst, es offen zu legen, weil ihnen ja ein Strafverfahren wegen Insolvenz-Verschleppung drohen könnte, und sie wursteln immer weiter, bis sie am Ende sogar wegen betrügerischen Bankrotts dran sind. Ich glaube, daß die meisten Fonds und Vermögensverwaltungen, egal wie seriös sie ursprünglich mal gewesen sein mögen, heute von der Substanz zehren und von Rechts wegen längst Insolvenz angemeldet haben müßten. Dieses Material kann nicht echt sein." - "Und wenn es doch echt wäre?" - "Es kann nicht!" - "Bloß weil du keine Fantasie hast und jedes Risiko scheust, kann das nicht echt sein? Vergiß nicht, ich kenne die Angela persönlich von früher, bevor sie ein großes Tier wurde, und da konnte sie durchaus schon mit Messer und Gabel essen; sie ist nicht so dumm, wie Birne und du sie hinstellen." - "Liebling, die ist finanziell gesehen immer noch kein großes Tier. Aber schau dir doch mal die Anderen an, hier und hier und hier... Wenn dieses Material echt wäre, dann hieße das..." - "Na, was denn?" - "... daß einige der größten Politverbrecher unserer Zeit, einschließlich fast aller, die für die Weltfinanzkrise verantwortlich sind und für die Schieflage der Euro-Zone, ihr Privatvermögen bei meiner Schwester geparkt hätten. Das hätten die doch gar nicht nötig!" - "Das würde zumindest erklären, warum deine Schwester so gar keine Angst hat, daß jemand die von ihrer Gesellschaft verwalteten Vermögenswerte enteignen könnte. Ist doch klar - die werden sich ja nicht selber enteignen!" - "Wenn eine andere Partei an die Macht kommt..." - "Die Leute stammen doch aus allen Parteien. Hier, der Mann von der W., dieser roten Zicke, und hier, der S..." - "Ja, aber ausgerechnet der S. käme doch nicht im Traum auf die Idee, sein Geld nach Barbados zu bringen!" - "Wohin denn sonst? Auf ein russisches Rubel-Konto? Oder nach Kuba, woher er seine Zigarren bezieht? Da könnte er es ja gleich verbrennen! Und jetzt weiß ich auch, warum Helli nicht aus der Kirche ausgetreten ist. Doch nicht, weil die Leiche ihres ersten Mannes auf irgendeinem Friedhof in der Ostmark verscharrt ist, wie sie uns weiszumachen sucht, sondern... hier!" - "Der Erzbischof von K.," wundert sich Dikigoros, "aber woher sollte der so viel privates Geld haben?" - "Hast du nicht selber mal gesagt, daß das Erzbistum K. mehr Geld hätte als der Vatikan?"

Einmal tief durchatmen, liebe katholische und nicht-katholische Leser, denn das ist ein Punkt, über den Einigkeit zu erzielen mehr als schwierig ist. Dikigoros hat darüber - schon in früheren Jahren - mal mit seiner Schwester gesprochen, und die hat ihm eine völlig andere Rechnung aufgemacht als das Erzbistum K. - oder auch der Vatikan - in seinen Bilanzen. Die letzteren behaupten z.B., einige Milliarden Euro Vermögen in Form von Wertpapieren und Immobilienfonds zu besitzen - von denen Helli die meisten als "faule Papiere" einstufen würde, mit denen man allenfalls eine "Bad Bank" aufmachen könnte. Dagegen werden die meisten realen Immobilien (das, was die Angelsachsen "real property" nennen :-) mit "null" bewertet, d.h., daß z.B. der Dom von K. nicht in den Bilanzen auftaucht, mit der Begründung, daß dessen Unterhalt und permanente Reparatur ja mehr koste als der Boden, auf dem er steht, wert sei; und die Kirchengebäude an sich seien durchweg wertlos, da durch das leidige Denkmalschutzgesetz der Verfügungsgewalt des Bistums entzogen, also de facto enteignet. Ferner bildet das Erzbistum Milliarden fadenscheiniger "Rückstellungen", u.a. für solche Reparaturen, aber auch für die Pensionszahlungen an Priester u.a. Funktionäre - was auch nicht so recht einleuchtet, denn zumal die höheren, also besser bezahlten Chargen machen ja weiter bis an ihr seliges (oder gar heiliges :-) Ende, so daß - anders als bei weltlichen Beamten - eine Planstelle nicht mehrere Zahlungsverpflichtungen gleichzeitig auslöst, nämlich für die aktuellen und für die früheren Inhaber. Das Erzbistum hat jährlich ca. 1 Milliarde Euro offizielle Einnahmen, d.h. solche, die es nicht verstecken kann, weist aber davon nur 5-6% p.a. als "Überschuß" aus - wenn Frau Dikigoros das wüßte, würde sie sofort fragen, wohin, d.h. in wessen Taschen, denn wohl der Rest gegangen sei. Helli meinte damals, sie wüßte es nicht; Dikigoros weiß es auch nicht, also antwortet er seiner Frau nur: "Ja, aber das Geld hat doch nicht der Erzbischof persönlich! Soviel Gehalt bekäme der in 100 Jahren nicht; und im Gegensatz zu einem Politbonzen hat ein Kirchenfürst weder Aufsichtsratsposten noch bekommt er Schmiergelder." - "Das glaubst du; aber bei euch ist Simonie [Anmerkung für nicht-katholische Leser: Ämterkauf (Frau Dikigoros ist Protestantin :-)] doch seit je her Gang und Gäbe; wer bei euch Erzbischof werden will, der muß entweder mit den richtigen Schwulen ins Bett gegangen sein oder Millionen Schmiergeld bezahlt haben oder beides. Und irgendwoher muß das Geld ja kommen, und irgendwo muß es bleiben." - "Aber nicht auf Barbados. Und überhaupt, du glaubst doch nicht, daß meine Schwester solche Unterlagen, wenn sie echt wären, unbeaufsichtigt herum liegen ließe, damit du sie fotografieren kannst?" - "Du glaubst doch nicht, daß deine Schwester sich die Mühe machen würde, das alles aufwendig zu fälschen, bloß um an die Verwaltung von Achims Nachlaß zu kommen?" - "Das ist überhaupt kein Aufwand. Man nimmt einfach ein paar echte Unterlagen, tauscht die Namen aus und hängt überall zwei Nullen dran, fertig. Und schon kommst du und fällst darauf rein!"

"Du übersiehst noch etwas," sagt Frau Dikigoros, "wenn deine Schwester Material hätte fälschen wollen, dann hätte sie bestimmt nicht ausgerechnet diese Namen genommen. Adelheid hat doch vor zwei Jahren ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, daß ihr Mann mit Leuten, die ihm politisch oder persönlich zuwider sind, keine Geschäfte machen würde; und sie bestimmt auch nicht. Sie ist doch bei Pro-NRW und hält Angela für die schlimmste Verräterin der Christenheit überhaupt; wahrscheinlich betet sie jeden Tag dafür, daß irgendein muslimischer Attentäter die erledigt. Und der Erzbischof von K. ist ja noch schlimmer. Hat sich der nicht vehement dafür eingesetzt, daß in K. die größte Moschee Deutschlands gebaut wird? Und hat er nicht kürzlich einem Häuflein aufrechter Christen, die in K. gegen die Islamisierung des Abendlandes demonstrieren wollten [PEGIDA, Anm. Dikigoros], die Beleuchtung vom Dom abdrehen lassen und sie als Nazis beschimpft? Das heißt doch, daß er offen für die Islamisierung des Abendlandes eintritt, oder? Wenn die katholische Kirche nur einen Funken Anstand übrig hätte, dann müßte sie dieses Schwein sofort exkommunizieren und auf dem nächsten Scheiterhaufen verbrennen!" - "Also bitte, beleidige die guten Tiere, deren geräucherte Arschbacken du täglich zu verzehren pflegst, nicht durch den Vergleich mit diesem Lumpen." [Dikigoros' Leser wissen ja schon von einer seiner anderen Webseiten, daß er nichts davon hält, Tiere im Allgemeinen und Schweine im Besonderen durch den Vergleich mit irgendwelchen Untermenschen herab zu setzen. Für ihn steht der Erzbischof von K. - wie seine Kollegen in Paris und Canterbury, und zwar aus dem selben Grund - nicht nur unter jedem Tier, sondern auch unter jedem Untermenschen; er zählt zu den verabscheuungswürdigsten Kreaturen, die es auf Erden gibt, nämlich den heimlich konvertierten Krypto-Muslimen. Und weil er das ist, hat Frau Dikigoros in der Sache schon recht: Ein Muslim - auch ein Krypto-Muslim - unterliegt nämlich der Scharia, und danach ist jeder, der seinen Glauben verrät, mit dem Tode zu bestrafen - freilich nicht durch Verbrennen auf einem Scheiterhaufen, sondern durch öffentliches Steinigen. Und falls ein Jesus-Jünger fragen sollte: Jawohl, Dikigoros persönlich würde den ersten Stein werfen (obwohl er sich des gleichen "Verbrechens" schuldig gemacht hat - aber er ist ja nicht zum Islam konvertiert, für ihn gilt die Scharia also nicht :-)] "Wie auch immer, Adelheid sieht das genau so." - "Weiß Helli das?" - "Das kann sie sich doch denken, sie war schließlich dabei, und Adelheid hat ihr danach noch einen Nachmittag lang gehörig den Kopf gewaschen in Sachen Weltanschauung. Wenn sie erführe, daß deine Schwester für solche Leute arbeitet, wäre das Projekt sofort gestorben."

"Du übersiehst aber auch noch etwas," sagt Dikigoros, "wenn Helli Namen aus dem Kreise von Adelheids politischen Freunden oder den Geschäftsfreunden ihres Mannes eingesetzt hätte, dann hätte die sich bei denen doch einfach erkundigen können, und dann wäre der Schwindel heraus gekommen. Sie hat halt ganz bewußt Namen genommen, die nicht aus der Wirtschaft stammen - obwohl die viel mehr Geld zu parken hätten -, sondern aus der Politik, die jeder kennt, sogar ein relativ ungebildetes junges Gänschen." - "Unsinn. Im Internet-Zeitalter kann sich selbst das dümmste Gänschen sofort bei Wikipedia über jeden Namen, den es nicht kennt, informieren; und Adelheid ist der Typ, der das tut. Schon deshalb kann ich ihr die Unterlagen mit diesen Namen nicht in die Hand geben." - "Was willst du also sonst damit anstellen?" - "Sag mir einfach, wie wir davon profitieren könnten, wenn sie echt wären, und wenn die Chance nur 1% wäre!" - "Wenn du versuchst, jemanden zu erpressen, wirst du sofort ermordet, denn du hättest praktisch alle Geheimdienste der Welt gegen dich. Und das Opfer wäre auch noch sinnlos, denn die Zensur der Monolopol-Medien ist lückenlos und perfekt, wie sie es noch nie war. Es würde nie heraus kommen." - "Ich meine nicht Erpressung. Ich meine Das-gleiche-selber-Aufziehen und abwerben." - "Ruf die Sauer doch mal an und frage sie, ob sie ihr Vermögen statt bei Frau W. auf Barbados nicht lieber bei dir parken wollte, in Bonn am Rhein, wie Hagen den Nibelungenhort." - "Deren Telefon wird doch abgehört." - "Ja, dann wird vielleicht auch Barry S. mit der Frage auf dich zukommen, ob du seine Dollars verwalten könntest; der braucht ja noch jemanden, jedenfalls kann ich ihn in den Unterlagen, die du bei Helli fotografiert hast, nicht entdecken, und die scheint doch sonst jeden, der Rang und schlechten Namen hat, unter Vertrag zu haben." - "Du nimmst mich nicht ernst; vielleicht sollte ich mir doch überlegen, ob ich F. frage." - "Du solltest dir lieber überlegen, was du deiner Nichte erzählst. Und wenn du mich schon fragst, wozu diese Unterlagen gut sein sollten, dann sage ich: Wenn es wirklich zu einem Prozeß gegen dich kommen sollte, kannst du sie ja bei Gericht vorlegen, um deine Gutgläubigkeit unter Beweis zu stellen. Ich bezweifle allerdings, daß dir irgendein Richter glauben wird, daß du das Zeug wirklich für echt gehalten hast - wahrscheinlich wird man dir dann auch gleich noch ein Verfahren wegen Urkundenfälschung anhängen." - "Gibt es denn gar keine objektive Möglichkeit festzustellen, ob diese Sachen echt sind oder nicht?" - "Bloß anhand von Fotos minderer Qualität? Da müßte man schon die Originale haben." - "Aber die haben doch sogar anhand eines Computerbilds festgestellt, daß die hawaiianische Geburtsurkunde von Barry S. gefälscht ist." - "Ja, aber anhand von Indizien, die man auch ohne Original untersuchen kann. Welche sollten das hier sein?" - "Und wenn ich mich ganz dumm stelle, zur Angela gehe, ihr erzähle, daß ich zu etwas Geld gekommen sei und nicht wisse, wo ich es anlegen soll, und ob sie mir eventuell aus alter Verbundenheit einen Tip geben könnte, wo es am sichersten wäre?" - "Ja, tu das, und hänge dir am besten bei der Gelegenheit deinen Presseausweis um den Hals - als ob die nicht erstmal überprüfen lassen würde, was du jetzt machst!

"Und wenn ich die Unterlagen dem Finanzamt anbiete? Die kaufen so etwas doch an!" Dikigoros schlägt innerlich die Hände über dem Kopf zusammen ob so viel Naïvität: "Wie gesagt, die Chance, daß das Zeug falsch ist, liegt bei 99%, dann hast du sofort ein Strafverfahren am Hals. Und wenn es echt wäre, dann hieße das doch nicht, daß die Leute gegen Steuergesetze verstoßen haben. Sein Geld im Ausland anzulegen ist nicht per se strafbar - noch nicht." - "Aber es nicht zu versteuern." - "Ich habe dir doch schonmal gesagt: Für Barbados gilt das deutsch-britische Doppelbesteuerungsabkommen." - "Aber das heißt doch nicht, daß man überhaupt keine Steuern mehr zahlen muß, sondern nur, daß man sie nicht doppelt zahlt. Und wenn Gewinne aus Schlössern oder Unternehmen erzielt werden, die in Deutschland liegen..." - "Wer sagt dir, daß die Betreffenden diese Steuern nicht zahlen?" - "Das sagt mir der gesunde Menschenverstand. Niemand überträgt sein Vermögen an eine obskure Briefkastenfirma in der Karibik und zahlt noch etwas für die Verwaltung, um die Gewinne dann hier regulär zu versteuen, dann könnte man sie ja gleich hier lassen!" - "Versteuert werden müssen nur ausgezahlte Gewinne. Siehst du, das ist ja gerade der Witz - und der Haken - bei diesen Vermögens-Verwaltungen: Die Investoren lassen sich, um Steuern zu sparen, die angeblichen Gewinne nicht auszahlen, sondern sie werden vom Vermögensverwalter auf dem Papier re-investiert, in irgendwelche Anteilsscheine von Immobilienfonds oder sonstwas; die Investoren rechnen sich reich, und eines Tages kracht alles zusammen. Und bis dahin leben Leute wie meine Schwester davon wie Gott in Frankreich." - "Na ja, sooo dolle ist das auch wieder nicht; sie hat ein etwas größeres Haus - kein Schloß - und einen etwas größeren Garten drumherum; aber das Schwimmbecken ist nur halb so lang wie das hier im Freibad." - "Sie könnte sich bestimmt ein größeres leisten, aber dann könnte sie ja keine Kurzbahn-Rekorde mehr aufstellen. Sag doch einfach, daß sie eine Villa mit Park hat, das wird deiner Nichte schon genügen." [Nachtrag: Dikigoros weiß nicht, wie abfällig sich seine Frau gegenüber ihrer Schwägerin über das "mickrige" Schwimmbecken geäußert hat; aber als Antwort auf die obligatorischen Glückwünsche zu ihrem nächsten Geburtstag mailte sie nicht etwa nur ein paar Bilder ihres neuen Schwimmbads - direkt am Meer - zurück, sondern die URL eines Internet-Auftritts, der alleine schon ein kleines Vermögen gekostet haben muß, angesichts dessen man meinen könnte, sie habe die halbe Karibik abgezäunt bzw. abgenetzt.] - "Den Schießplatz habe ich auch nicht gesehen - und der ist Adelheid doch mit das wichtigste -, deinen Schwager übrigens auch nicht." - "Helli wird ihren Mann aus gutem Grunde vor dir versteckt haben - dein Ruf ist dir voraus geeilt..." - "Und wenn sich doch jemand Gewinne hat auszahlen lassen und sie nicht versteuert hat?" - "Die Wahrscheinlichkeit ist so lächerlich gering, daß ich an deiner Stelle die Fotos lieber für mich behalten und das Geld nehmen würde, das meine Schwester dir angeboten hat." - "Nur 10%, und sie bekäme 90%; das ist nicht gerecht, das gönne ich ihr einfach nicht."

"Liebling, warum bist du so neidisch und mißgünstig? Helli war ein paar Jahre jünger und schöner als du, und du warst darob regelrecht krank vor Eifersucht. Den Rest eures Lebens warst du jünger und schöner als sie - hat sie dir das je mißgönnt? Fast ihr ganzes Leben lang hatte sie weniger Geld als wir. Hat sie je darüber geklagt? Nun ist sie auf ihre alten Tage reich geworden - auf welche Weise auch immer - und hat jetzt halt für ein paar Jahre - wer weiß, wie lange - mehr Geld als wir, von dem sie sich übrigens weder Jugend noch Schönheit zurück kaufen kann. Warum gönnst du ihr das nicht? Fast dein ganzes Erwachsenenleben lang hattest du einen jugendlichen, gut aussehenden Mann, um den dich alle anderen Frauen beneidet haben. Nun bin ich alt und grau geworden..." - "Nein, glatzköpfig." Bei Betrachtung der Fotos vom letzten Geburtstag seiner Mutter muß Dikigoros eingestehen, daß er inzwischen tatsächlich aussieht wie ein Greis. Wie ein äußerst rüstiger Greis, gewiß, und er ist bestimmt gesünder und fitter als seine Frau - aber der sieht man ihr wahres Alter halt immer noch nicht an. Doch er kann und will sich nicht von dem Bild frei machen, das er insgeheim immer noch von sich hat: dem des Mittvierzigers, der für Ende 20 durchgehen könnte. "Der Bart ist grau," gibt er zurück, "soll ich mir dazu etwa eine blonde Perücke aufsetzen? Und nun mißgönnst du jeder Frau, die einen jüngeren, besser aussehenden Mann hat, ihr Glück und versuchst, es zu zerstören. Glaubst du, ich merke nicht, daß du es nur mit verheirateten Männern treibst? Und du machst dir nicht mal die Mühe, es zu verheimlichen, im Gegenteil, du reibst es ihren Frauen regelrecht unter die Nase. Das tust du doch nicht, um mich zu betrügen - denn mich willst du ja trotzdem nicht aufgeben -, sondern um ihre Ehen kaputt zu machen. Vor ein paar Tagen rief mich Gräfin F. an, dieses arme Ding, das deine Tochter sein könnte..." - "Die häßliche Matschkuh sollte meine Tochter sein können? Mit ihrem Nußknackergesicht und ihrem Fettarsch? Daß ich nicht lache!" - "Sie hat mir eine geschlagene Stunde etwas am Telefon vorgeheult. Und du willst mir erzählen, daß du nichts mit ihrem Mann hättest?!" - "Woher hat die unsere Telefon-Nr.?" - "Wahrscheinlich aus dem Notizbuch ihres Mannes." - "Und arm ist die auch nicht; er hat die doch nur geheiratet wegen ihres Geldes. Was soll er denn machen bei so einer Frau? Bei der bekämst du auch keinen mehr hoch!" - "Liebling, deine Unersättlichkeit ist krankhaft. So wie du von morgens bis abends frißt, ohne satt zu werden, so vernascht du von abends bis morgens Männer, ohne satt zu werden. Du warst doch früher nicht so!" - "Früher warst du auch noch besser im Bett; irgendwie muß ich die Kalorien ja wieder abtrainieren." - "Ich bin nicht mehr Mitte 20 - was erwartest du eigentlich von mir?" - "Wann hast du mir jemals eine Stunde Zeit geopfert, damit ich mich bei dir ausweinen kann?" - "Du hattest nie Grund, so lange zu weinen." - "Oh doch; das Leben hat mir so viel vorenthalten." - "Das Leben besteht nicht nur aus Sex und Kartoffelchips." - "Eben, die können das alles nicht kompensieren. Schau dir Adelheid an: Sie ist jung, dumm und faul; aber sie hat ein Schloß, drei Kinder und so viel Geld, daß sie im wahrsten Sinne des Wortes nicht weiß, wohin damit. Und ich? Ich bin alt, kinderlos und arm." Und sie fällt ihrem Mann schluchzend um den Hals. "Ach, wenn wir doch nur noch einmal in den 50er Jahren leben könnten, als der Krieg und der Hunger vorbei und die Welt in Ordnung war!" Dikigoros muß unwillkürlich an den Satz denken, den der 1992 verstorbene Otto Koenig - der größte Biologe vor Richard Dawkins (wobei der letztere freilich abseits seines Fachgebiets eine absolute Null war, auch und vor allem menschlich; insoweit war ihm der erstere weit überlegen) - anno 1971 schrieb: "1945 war die Welt trotz Kriegsschäden biologisch noch gesund." (Zwei Bücher von O.K. sollte man unbedingt mal gelesen haben, auch wenn man sich weder für Biologie im allgemeinen noch für Verhaltensforschung, Umweltschutz oder das Thema "Krieg und Frieden" im besonderen interessiert: "Urmotiv Auge" und "Das Paradies vor unserer Tür", aus dem jenes Zitat stammt - das Dikigoros übrigens von Helli geschenkt bekam, kurz bevor sie auswanderte.) Nicht nur biologisch, denkt Dikigoros, aber er sagt nur: "Deine Nichte ist nicht dumm, im Gegenteil; sie hat bewußt auf einen formalen Abschluß an einer staatlichen Verdummungsanstalt verzichtet und sich selber fortgebildet; das zeugt von großer Klugheit. Sie ist auch nicht faul; sie bewirtschaftet ein riesiges Anwesen fast ohne fremde Hilfe und zieht nebenbei noch drei Kinder auf." - "Aber wie... Johanna ist dreieinhalb Jahre alt, potthäßlich und kann noch immer nicht richtig sprechen." - "Sie ist erst knapp über drei Jahre alt, für ihr Aussehen kann sie nichts, und verlaß dich drauf, in ein paar Jahren kann die besser laufen, schwimmen, reiten und schießen als du und ich es jemals konnten. Noch bevor sie strafmündig ist, wird sie mindestens ein Dutzend Muslime ins Firdaus befördert haben; Und wenn sie und dieses unser Land den kommenden Bürgerkrieg überleben sollten, dann wird sie, wenn sie so alt ist wie du jetzt, über 100 Kinder, Enkel und Urenkel haben. Wir leben eben nicht mehr in den 50er Jahren, sondern in einer Zeit, da Quantität vor Qualität geht; das hat deine Nichte richtig erkannt, deshalb setzt sie andere Erziehungs-Schwerpunkte als die Generation unserer Eltern; vielleicht meint sie auch, daß schweigen eine höhere weibliche Tugend ist als reden; jedenfalls hat sie nicht den Ehrgeiz, daß ihre Kinder mal Professuren für Retorik bekommen. Im übrigen hat sie für alles, um was du sie beneidest, teuer bezahlt; sie ist mit 21 Witwe, und das passende Gegenstück für eine neue Heirat kann sie lange suchen. Männer gehen nun mal nach Äußerlichkeiten; und angesichts der drei Zwerge wird sich niemand finden für ihre Pläne, zumal sie nicht der Typ ist wie ihre Tante, die jeden Mann problemlos ins Bett bekommt."

"Und wenn Helli mich betrügt? Wie soll ich denn nachprüfen, wieviel Gewinn sie macht?" - "Sie hat dir keine Beteiligung am Gewinn, sondern am Verwalterhonorar angeboten, und das bemißt sich nach dem Vermögensstamm." - "Und wie soll ich heraus bekommen, was der wert ist?" - "Frag doch irgendwann mal deine Nichte ganz beiläufig, wieviel Honorar Helli ihr abknöpft." - "Vielleicht verrät sie mir nicht mal, daß sie ihr Vermögen nach Barbados transferiert hat?!" - "Na, in diesem Fall ist das doch ausnahmsweise mal so klar wie Kloßbrühe: Deine Nichte will es, meine Schwester will es auch, woran sollte das denn noch scheitern, wenn nicht an dir selber?" - "An überzogenen Honorarforderungen deiner Schwester." - "Aber du hast doch gehört, was sie gesagt hat: Sie nimmt extra wenig, um die Konkurrenz zu unterbieten. Wenn bei diesen Vermögensverwaltungen etwas faul ist, dann nicht, daß sie zu hohe Honorare nehmen, sondern daß sie mangels Gewinn von der Substanz zehren. Die Kunst ist doch nicht, ein Vermögen gut zu verwalten, sondern den Anleger glauben zu machen, daß es gut verwaltet wird oder jedenfalls besser als bei der Konkurrenz. Und diese Kunst beherrscht meine Schwester offenbar sehr gut; ihre Klienten glauben an die wundersame Vermögensvermehrung auf dem Papier, voilà." - "Nun, die große Politik macht es ja vor mit der wundersamen Vermögensvermehrung: Die EZB druckt jeden Monat 60 Milliarden neue Euros, und solange die Leute daran glauben, daß dieses Fiat-money einen echten Wert darstellt... Oder glaubst du im Ernst, daß dem ein realer Produktionszuwachs von 60 Mrd. p.m. gegenüber steht?" - "Ich glaube gar nichts, aber ich weiß, daß Europa vielmehr jeden Monat ca. 60 Mrd. an realer Produktion verliert, nämlich durch Verlagerung ins Ausland." - "Du meinst nach Rotchina? Vielleicht ist das gar nicht so dumm - investiert deine Schwester dort nicht auch? War sie nicht in den letzten Jahren ein paarmal da?" - "Ja, aber bestimmt nicht, um zu investieren, umgekehrt wird ein Schuh draus: Dort haben doch einige Bonzen, die ehemalige Staatsbetriebe in die eigenen Taschen bzw. die ihrer Sprößlinge privatisiert haben, angefangen, ihr Vermögen ins Ausland zu schaffen, erst in die USA und nach Europa, und jetzt, nachdem sie sehen, daß es dort auch nicht mehr sicher ist, suchen sie vielleicht eine Nische in der Karibik. Aber mit der Produktions-Verlagerung meinte ich nicht nur Rotchina; das Schlimme ist ja, daß die anderen Länder um keinen Deut besser sind. Vor 25-30 Jahren habe ich gesagt: Wer als Industrieller halbwegs gescheit ist, investiert sein Geld langfristig nicht in Rotchina, sondern in einem der kapitalistischen kleinen Tigerstaaten Südostasiens. Ich habe mich getäuscht - aber wer hätte denn ahnen können, daß das heute noch unsicherere Kantonisten sind als selbst Rotchina?!" - "Wieso?" - "Indonesien, Malaysia und Bangla Desh sind inzwischen durch und durch islamistisch; denen traue ich ohne weiteres zu, von heute auf morgen ihre Handelsbeziehungen mit allen Christenhunden abzubrechen und deren Produktionsstätten entschädigungslos zu enteignen - so wie es Muhammäd auch gemacht hat mit den Ungläubigen. Und Thailand wird nach dem Tode Bhumibols das gleiche Schicksal erleiden wie Jugo-Slawien nach dem Tode Titos: Ein paar Jahre wird es noch gut gehen, aber dann wird ein Bürgerkrieg aller gegen alle ausbrechen: Die Laoten und Kambodianer im Osten, die Barmesen, die zu Millionen illegal eingesickert sind, im Norden und Westen, die muslimischen Malaien im Süden. Dann wird die chinesische Minderheit einen Hilferuf nach Peking senden, und am Ende werden die Thais zwischen allen Mühlsteinen zermahlen werden, wie die Serben im Kosovo. Nicht, daß mir diese beiden Völker sonderlich sympathisch wären oder daß ich Mitleid hätte; aber das schöne Geld, das naive Ausländer dort investiert haben, wird restlos futsch sein."

Ihr wüßtet gerne, wie die Sache mit Helli und Adelheid ausgegangen ist, liebe Leser? Das wüßte Dikigoros auch gerne. Aber seine Schwester hält dicht; seine Schwiegernichte macht sich rar; und seine Frau meinte nur, als er das Thema kürzlich ganz vorsichtig anzuschneiden versuchte: "Was gehen Dich meine Einkünfte an? Du legst mir Deine ja auch nicht offen!" So kann sich also jeder sein Teil denken. (Spätestens wenn es kracht, werden wir mehr erfahren :-) Dikigoros denkt nach wie vor, daß die Unterlagen, die seine Frau in Barbados fotografiert hat, überwiegend getürkt sind, obwohl er in einem Fall doch stutzig geworden ist. Eines Tages erzählte ihm nämlich ein Kollege in einem völlig anderen Zusammenhang - es ging um die Urheberrechte und Lizenzverträge irgendwelcher Musikverlage - mehr oder weniger empört, daß "der krumme Hund R." sich dem Zugriff der britischen Justiz entzogen habe und ins Exil gegangen sei nach P., nicht ohne zuvor die Staatsbürgerschaft von Barbados angenommen und die Verwaltung seines im Geltungsbereich englischen Rechts belegenen Vermögens der zwielichtigen Firma X. dortselbst übertragen zu haben. Nun ist R. nicht irgendjemand, sondern einer der [erfolg]reichsten U-Musiker aller Zeiten, auch wenn es nicht ganz zu einer Aufnahme in Dikigoros einschlägige Webseite gereicht hat - er kommt direkt nach den dort genannten; und im Gegensatz zu den meisten von ihnen hat er die im Laufe der Jahrzehnte verdienten Millionen nicht für Autos, Alkohol und Weiber verpraßt, sondern... sie zusammen gehalten und stetig gemehrt; mit anderen Worten: Sein Privatvermögen dürfte das der o.g. Politiker, Kirchenfürsten usw. aus Hellis Sammlung um ein Vielfaches übersteigen. Noch am selben Abend setzt sich Dikigoros wieder an seinen alten Computer, ruft die Fotodateien auf, wird fündig und zitiert seine Frau herbei: "Der H.W. [so heißt R. mit bürgerlichem Namen] - Mensch, warum hast du mir das nicht gleich gesagt?" - "Weil mir der Name überhaupt nichts sagt; außerdem könnten da tatsächlich zwei Nullen zuviel drauf stehen." - "Nein, gerade bei dem nicht!" - "Ich habe dir doch alles gezeigt; warum ist er dir nicht aufgefallen?" - "Ja, äh..." - "Weil du mich nie ernst nimmst und alles bloß leichthin überflogen hast, nach dem Motto: was nicht sein kann, das nicht sein darf." - "Du meinst umgekehrt." - "Paperlapapp. Wieso hältst du denn ausgerechnet dessen Unterlagen plötzlich für echt?" - "Weil mir das heute ein Kollege bestätigt hat, den ich nur ganz flüchtig kenne und der nicht weiß, daß Helli meine Schwester ist. Außerdem kann man die Geschichte ja fast überall nachlesen." - "Warum ist dir das nicht früher aufgefallen?" - "Ich hatte ja keine Ahnung, daß der überhaupt noch am Leben ist. Aus der Öffentlichkeit hat er sich doch schon seit Jahren zurück gezogen. Wie der wohl ausgerechnet auf Barbados gekommen ist?!?" - "Wohin hätte er denn deiner Meinung nach gehen sollen? Nach Rußland, wie der S.?" - "Na kaum; auf das, weshalb die britische Justiz gegen ihn ermittelt, steht dort die Todesstrafe. Ich hätte ihn eher in Indien vermutet." - "Dort bekäme er doch nie die Staatsbürgerschaft." - "Doch, ohne weiteres; aber das tut nichts zur Sache. Helli und R. - der Kerl geht auf die 80 zu, sieht aus wie sein eigener Schatten, hat nie geheiratet, keine Nachkommen und auch sonst keine pflichtteilsberechtigten Angehörigen. Wahrscheinlich hat sie auch sein Testament in Händen; und dreimal darfst du raten, wem sein Vermögen am Ende zufällt... Davon kann sie wirklich die übernächste Fußball-WM kaufen." - "Ich sag's ja immer, das Leben ist ungerecht!"

Auf Rückfrage einer Leserin, die diese Seite besonders ins Herz geschlossen zu haben scheint: Nein, das mit der Vermögensübertragung geht nicht so vor sich, wie der juristische Laie (oder der deutsche Schmalspur-Jurist :-) sich das vorstellen mag: Da werden keine Personen zu Erben eingesetzt; das würde ja irrsinnige Summen an Erbschaftssteuer kosten, zumal bei Nicht-Verwandten ohne Freibetrag. (Und ab gewissen Größenordnungen retten selbst Freibeträge nur einen Bruchteil.) Nein, das läuft ganz anders, und zumal in Staaten angelsächsischen Rechts ist es Gang und Gäbe, große Vermögen in einen so genannten "Trust" zu überführen. Der hat nichts zu tun mit dem, was das deutsche Wort "Trust" bezeichnet, nämlich eine Art Kartell - so etwas ist auch in angelsächsischen Ländern verboten -, sondern ist vielmehr ein Zwischending von Stiftung und eingetragenem Verein, d.h. es gibt vielerlei Gestaltungsmöglichkeiten; die beliebteste ist der "charitable [gemeinnützige] Trust", und einer der beliebtesten vom Fiscus als "gemeinnützig" anerkannten Zwecke ist - die Religion. Muslimische Terror-Netzwerke nutzen das weidlich aus; alle ihre Reptilien-fonds sind offiziell "charitable trusts" mit dem gemeinnützigen Zweck, die islamische Religion zu fördern. Auch der gute R. hat schon einige solche "Trusts" errichtet - als bekennender Christ freilich mit dem Zweck, die christliche Religion zu fördern. Aber wer weiß, wie lange das im britischen Commonwealth - wo ja bald mehr Muslime leben werden als Christen - noch möglich ist? Da wird sicher niemand Verdacht schöpfen, wenn einer seiner Trusts mal einen anderen löblichen Zweck verfolgt, z.B. die sportliche Förderung armer Kinder, insbesondere im Fußballspiel. (Ihr meint, liebe Leser, das sei doch ein ziemlich umständlicher und umfangreicher Zweck? Wenn Ihr wüßtet, was Stifter sich heutzutage alles zusammen formulieren... :-) Nun gibt es auf Barbados viele arme Kinder, die dringend sportlich gefördert werden müssen, aber nur wenige Fußballvereine, die dafür die Gewähr bieten. Dikigoros kennt da einen - und seine Schwester sicher auch...


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