Die Regierung zieht nach Berlin - Bonn adé

"Umzug ist Unfug!"
Aber wen interessiert das eigentlich noch?

Von Florian Oel

Samstags, früh morgens. Ich mache mich auf den Weg, die eigentlich unergründliche Seele der Bonner zu ergründen. Die Fragestellung: Was denken die Einwohner der "Bundesstadt" über den Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin? Acht Jahre sind inzwischen seit dem Beschluß vergangen, Hauptstadt und Regierung in die neue alte Hauptstadt zu verlegen, nicht mehr eine Woche ist es, bis in Bonn der Abschied gefeiert wird.

Erste Station ist der Bonner Marktplatz. Hier hat der Deutschlandfunk einen Ü-Wagen aufgebaut und erwartet Herrn Dr. Johannes Gröner, seines Zeichens Vorsitzender des "Bürger Bundes Bonn", kurz BBB. Dieser Verein ist mit der verbittertste Feind des Regierungsumzuges. Gegründet 1991, organisierte die Bürgerinitiative damals wöchentliche Demos auf dem Bonner Markt, auf denen zu Anfang noch mehrere tausend Bonner ihren Unmut gegen den Wechsel an die Spree zu artikulieren versuchten. Im Interview legt Herr Gröner dann auch nochmals ausführlich dar, wieso man gegen den Umzug sein muß – angefangen bei den Finanzen, über Argumente gegen die ehemalige "Reichshauptstadt" Berlin bis hin zu fehlender Demokratie in Deutschland.

Doch so richtig scheint das ganze eigentlich niemanden mehr zu interessieren. 50 bis 100 Teilnehmer, je nachdem ob man der Presse oder dem BBB Glauben schenkt, bei der letzten Kundgebung des Bürgerbundes – das ist vor allem dann wenig, wenn der Verein angeblich noch knapp 150 Mitglieder hat. So mutete die Veranstaltung am letzten Montag dann auch mehr wie ein Veteranentreffen an, von Leuten, die die letzten acht Jahre überlebt haben und alle noch mal was sagen wollten. Doch zurück auf den samstäglichen Marktplatz. Johannes Gröner weist uns noch einmal darauf hin, daß die Regierung "ins Epi-Zentrum der deutschen Katastrophen" zurückzieht, dann ist sein Auftritt beim Deutschlandfunk vorbei.

Na dann wollen wir doch mal sehen, was die anderen Bonner zum Thema sagen. Frisch gestärkt durch ein Tasse Kaffee suche ich mir mit dem Mikro in der Hand auf den morgendlichen Sraßen meine ersten "Opfer". Als erstes muß ich feststellen, daß der Umzug kaum noch jemanden so richtig interessiert. "Naja, schade ist es schon", hört man nach längerem Fragen, "daß das alles vorbei ist". Doch eigentlich begegne ich immer nur einem einzigen Argument. Die Leute halten das ganze einfach für zu teuer. Das kann der Fritten-essende Mann im hellen Sommerjacket überhaupt nicht verstehen. Er ist der glühendste Verteidiger des Umzuges nach Berlin, den ich an diesem Morgen treffe. "Im Verhältnis zu dem, wo anderweitig Geld von der öffentlichen Hand verschleudert wird, hält sich das noch in Grenzen!" Und Berlin sei einfach die bessere Hauptstadt im wiedervereinigten Deutschland. Zum Schluß gesteht er dann noch, daß er eigentlich gar nicht aus Bonn kommt... Aha! Dann versuche ich lieber noch, ein paar echte Bonner vors Mikro zu bekommen. Aber auch den anderen ist das eigentlich egal, die meisten fühlen sich selber einfach nicht betroffen. Wie ist bloß dieser radikale Stimmungswechsel seit 1991 zu erklären? Hier hilft wieder Herr Gröner vom Bürger Bund weiter: "Damals dachte man halt, in Bonn gehen die Lichter aus." Inzwischen ist er aber der Meinung, Bonn wird es nach dem Umzug um einiges besser gehen als vorher, Sorgen macht er sich inzwischen vor allem um die Bundesrepublik – sie werde den Umzug "nicht so gut verkraften", wie es Bonn tut, meint er.

Ich möchte aber dennoch nicht aufgeben auf meiner Suche nach dem echten Bönnschen, der den Umzug endlich mal in Grund und Boden schimpft. So suche ich den nächsten Taxistand und gehe auf den erstbesten Fahrer zu. Der findet den Umzug zumindest "nich‘ so gut", erzählt aber wieder was von Kosten. Apropos, rechnet er eigentlich mit Umsatzeinbußen, wenn die Regierung, die Botschaften und der Rest aus Bonn weg ist? "Nöö, ich wollte die sowieso nie fahren."

Hmm, immer noch nicht so ganz das, was ich hören will. Fragen wir doch mal beim nächsten Taxi. Endlich: "Jaaa, na der jroße Blödsinn is dat!" Und wieso? "Wie meinse?" Ja, na, wieso ist das so großer Blödsinn? "Jaaa, ich halte dat sowieso für kompletten Blödsinn!" Aha. Was soll man da noch groß sagen? Zitieren wir einfach den Bürger Bund: "Umzug ist Unfug!"


zurück zu Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!

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