Sushi-Dämmerung - Kulinarisches Hekuba

Die Expo geht durch den Magen und schlägt auf den Bauch

von Henry Winer

(Freitag: Die Ost-West-Wochenzeitung, 11.08.2000)

Entschieden dementiert werden muss das Gerücht, Birgit Breuel plane im Expo-Christuspavillon einen Sühnegottesdienst für die Opfer des Düsseldorfer Bombenanschlags. Ebenfalls als Ente erwies sich die Meldung, Elfriede Jelinek habe der Mimin Hannelore Elsner wegen des "rechten Terrors" untersagt, im deutschen Pavillon aus ihren Werken zu rezitieren. Falsch ist auch, dass die Länderkommissare der Expo den 1. September zum Welthygienetag erklären und dem deutschen Volk mittels "Ausländer raus"-Transparenten die Besichtigung ihrer Pavillons verwehren wollen. Wir sind schließlich nicht in Potsdam, Deggendorf oder Rostock. Sondern in "der Kultur-Stadt Hannover" (OB Herbert Schmalstieg). Hier werden Ausländer nicht geschlagen oder aus der S-Bahn geworfen, hier hat man "Fun" (Expo-Geschäftsführer Reinhard Volk) und den Ausländer lieb. "Eine Expo ohne Kuba" sei "wie ein Machito-Cocktail ohne Minze" dröhnte beispielsweise Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul Castros Botschafter entgegen, während Lokalreporter "den für die niedersächsische Tiefebene erstaunlichen Hüftschwung" karibischer Grazien bestaunten. Selbst Olaf Henkel applaudierte. Weiß der Präsident des Bundesverbandes der Industrie doch am besten, wie wertvoll das Fremde sein kann. Solange es Windows 98 beherrscht, kein Asyl beantragt und gewillt ist, sich den Landessitten anzupassen, deren wichtigste immer noch heißt: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral".

In diesem Sinne gibt der Expo-Ausländer kaum Anlass zur Klage. Laut Expo-Journal der Hannoverschen Allgemeinen besonders beliebt: Singapur. Der Polizeistaat, dessen Sitten und Gebräuche schon Altbundespräsident Roman "Ruckzuck" Herzog tief beeindruckt haben, erfreut den Besucher mit "Food Festivals" und serviler Dienstbarkeit. Indonesien, die nette Diktatur von nebenan, überzeugt mit "gegrillten Hühnerspießen", die "auf den ersten Blick eher unspektakulär aussehen". Dafür ist "das Fleisch saftig und die Soße nussig sämig".

Soviel Gutes kann man aus dem nepalesischen Pavillon leider nicht berichten. Dort wird Intergrationswillen durch das "unermüdliche Kneten von Teig" demonstriert. Paraguay verdient sich indes Sympathiewerte, weil "gleich drei Stück Sandkuchen serviert werden, wenn man eins bestellt." Hut ab auch vor dem Mexikaner. "Zwei Coronas für vier Euro" sind fast so schön wie eine Flasche Pinot Noir für 14 Mark. Prost und danke, Moldawien. Armenien wiederum punktet nicht nur mit den "schönsten Frauen der Weltausstellung". Ihre fleischgefüllten Lavash-Röllchen lassen sich auch "schmierfrei über die Expo tragen". Schmierfrei! Welche Bedeutung dieses Gütesiegel hierzulande hat, muss der Jordanier erst noch lernen. Sein Falafel schmeckt zwar prima, aber wer "die Kichererbsenklopse ohne zu kleckern" zum Mund führen kann, "hat wahrscheinlich bereits jahrelang Reis mit Stäbchen gegessen". So etwas schlägt dem Deutschen auf Magen und Gemüt. Ebenso wie die "mangelnde Teestimmung" im Chinesischen Pavillon oder Aquavit aus Plastikbechern. Dem Norweger muss einfach gesagt sein: "Bitte in Zukunft ein leicht geeistes Gläschen". Schlimmer treibt es eigentlich nur noch das perfide Albion. Man ist ganz "ohne eigene Restauration" angereist - aus kulinarischer Sicht durchaus zu verschmerzen. Aber wenn er schon nicht kochen kann, sollte der Ausländer wenigstens lustig sein. Das Maß aller Dinge sind folgerichtig die kreuzfidelen Australier. Sie "können jodeln" und kredenzen bis zum Morgengrauen Bier und Schnaps für drei Mark. Fazit der Hannoverschen Allgemeinen: "Da kommt keine Langeweile auf".

Wie heftig die Multikulti-Bonhomie über den Expo-Supermarkt schwappt, spüren vor allem deutsche Gastronomen. Vor einer Woche musste der brave Fischbrötchenversorger "Nordsee" seine Tore schließen. Drei Tage später erwischte es Ahrberg, obwohl die niedersächsische Traditionsschlachterei ihre Bratwurst kurzfristig auf Meterlänge gestreckt und die Preise halbiert hatte.

Ökobauer Ludwig Schweisfurth war selbst mit den Mitteln der Eventkultur nicht mehr zu retten. Der geläuterte Fleischfabrikant ließ extra ein Theaterstück anfertigen - in den Hauptrollen: politisch korrekter Hinterschinken, Leberwurst und gelbe Rüben. Das Werk fiel durch. Schweisfurth, der Unsummen in das Projekt gesteckt haben will, schmollt mittlerweile in seinem "Mais-Irrgarten" am Rande der Expo. Und es laufen Wetten, wann er Gesellschaft bekommt. Kandidat Nr. 1 ist Marathon-Mann Peter Stein. Dessen zähe Goethe-Dämmerung bleibt auch in der Sushi-Fassung (jeden Tag ein Häppchen) ungenießbar. Fäustling Stein und seine esoterische Samtgemeinde wären ein Fall für meinen persönlichen Expo-Lieblingsausländer. Er heißt Oswaldo Silva und kommt aus Ecuador. Herr Silva stülpt sich mehrmals pro Tag seinen Schamanenhut über, um den Deutschen mit Flöten, Rasseln und allerlei Singsang Krankheiten auszutreiben, "von denen sie gar nicht wussten, dass sie sie haben."


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