Ende April 1939 erhielt
Franz von Papen
seine Akkreditierung als deutscher Botschafter in der Türkei. Dies war die letzte Etappe seiner bizarren politisch-diplomatischen Karriere, aber keineswegs die unwichtigste. Papen versuchte nicht nur, die Türkei auf die Seite der Achsenmächte zu ziehen, sondern er verfolgte in Ankara auch weit ausgreifende Nahostinteressen.
Schon als junger Stabschef der Vierten Osmanischen Armee hatte Papen 1917/18 die Bedeutung des »arabischen Problems« für die Kriegführung erkannt: Das
Bündnis der Beduinenstämme und der in ihrem Hintergrund agierenden panarabischen Bewegung mit den Briten basierte auf Zusagen an ihre politische Unabhängigkeit nach dem Krieg. Da sie die strategischen Nachschublinien und die rechte Flanke der Palästina-Front bedrohten, konnte die von ihnen ausgehende
Gefahr nur durch entsprechende Garantieerklärungen des Osmanischen Reichs an die Adresse der arabischen Nationalbewegung neutralisiert werden. Mit seinen
diesbezüglichen Vorschlägen war Papen seinerzeit nicht durchgedrungen. Gut zwanzig Jahre später war er erneut mit diesen Fragen konfrontiert, wobei sich jedoch die Rahmenbedingungen erheblich gewandelt hatten. Papen war jetzt
nicht mehr Militärberater der Jungtürken, sondern Anlaufadresse des »Großdeutschen Reichs«, das im Juni 1940 mit Frankreich eine der beiden nahöstlichen Mandatsmächte ausschaltete und seither die Kriegshandlungen gegen England, den neuesten Erbfeind der arabischen Nationalbewegung, ständig
ausweitete. Da Deutschland im Nahen und Mittleren Osten jedoch seinem dort wenig geschätzten italienischen Achsenpartner den Vortritt überließ, war für die arabischen Nationalisten die Kontaktaufnahme mit seinen Repräsentanten schwierig.
Geheimkontakte zum Irak
Ihre Wahl fiel schließlich auf Franz von Papen, der seit seiner Übersiedlung
nach Ankara Geheimkontakte mit dem ägyptischen Königshof unterhielt und aufgrund seiner politischen Vergangenheit beim Notabelnflügel der arabischen Nationalbewegung einen guten Namen hatte. Am 5. Juli suchte ihn Naji Shawkat, der Justizminister des Irak, auf. Er sprach im Namen einer englandfeindlichen Strömung seiner Regierung, aber auch des Mufti von Jerusalem,
Mohamed Amin al-Husaini,
der ihm ein vom 21. Juni datiertes Schreiben mitgegeben hatte. Shawkat
informierte Papen über Bestrebungen, den im vorangegangenen September erfolgten Abbruch der diplomatischen Beziehungen des Irak zu Deutschland wieder rückgängig zu machen, den Ministerpräsidenten Nuri as-Said zu stürzen, die im März 1939 von den Franzosen entmachtete syrische Regierung wieder
einzusetzen und den Kampf gegen die englische Mandatsherrschaft in Palästina wieder aufzunehmen. Papen erwiderte zunächst, für die Erörterung dieser Fragen sei in erster Linie Italien zuständig; er könne deshalb »nur als Übermittler für Anregungen und Wünsche über die Reichsregierung an die italienische Adresse betrachtet werden«. Als Shawkat replizierte, die arabische Nationalbewegung bekämpfe den italienischen Imperialismus im Nahen Osten genauso wie den britischen und den französischen, und gerade deshalb müsse Deutschland im Interesse der Achsenmächte gegenüber Italien eine für die arabische Bewegung
akzeptable Lösung durchsetzen, wurde Papen hellhörig. Er
betonte, »daß alle Völker, die für ihre Freiheit kämpften,
naturgemäß auch selbst einen Beitrag zu liefern hätten«.
Deutschland müsse »erwarten, daß jetzt, wo der Endkampf gegen
England bevorstehe, die irakische Volksregierung auch
militärisch alles tun werde, um den Kampf zu unterstützen«.
Shawkat stellte daraufhin die »Unterstützung der irakischen
Armee gegen England« in Aussicht, und Papen sagte die
vertrauliche Unterrichtung seiner Regierung zu.
Damit
war der Kontakt zwischen einer der einflußreichsten
konservativen Spitzengruppen der arabischen Nationalbewegung
und der Nazidiktatur hergestellt. Der von Papen eingeschlagene
Kurs, trotz der »italienischen Vorhand« wegen der eigenen
militärischen und wirtschaftspolitischen Interessen auf ihr
Kollaborationsangebot einzugehen, wurde noch im Juli 1940
bestätigt. In den folgenden Monaten avancierte der deutsche
Botschafter in Ankara zur ersten Adresse der arabischen
Nationalisten. Schon am 22. Juli 1940 kündigte der Mufti von
Jerusalem ihm den Besuch seines Sekretärs Osman Kamal Haddad
zur Fortsetzung des mit Shawkat begonnenen Gesprächs an, wobei
al-Husaini auf den sofortigen Beginn der Kooperation der Achse
Berlin–Rom mit den arabischen Ländern drängte.
Haddad suchte Papen am 6. August in der Sommerresidenz der Botschaft
am Bosporus auf und berichtete über eine inzwischen
vorliegende italienische Unabhängigkeitsgarantie für alle
unter Mandat stehenden arabischen Gebiete. Zusätzlich ersuchte
er um Hilfe bei der Vorbereitung einer neuen Aufstandsbewegung
in Palästina und verwies auf wachsende Konflikte zwischen
England und der irakischen Regierung, die gerade den
Durchmarsch britischer Commonwealth-Truppen verweigert habe.
Auch politische Neuordnungspläne kamen erstmalig zur Sprache,
und der Sekretär erbat eine Reiseerlaubnis, um darüber in
Berlin und Rom verhandeln zu können. Papen war sich nun
endgültig sicher, daß hier interessante neue
Interventionschancen auftauchten. Er war beeindruckt und
drängte gegenüber Berlin zur Eile. Schließlich telegrafierte
ihm Ernst Woermann, der Leiter der Politischen Abteilung des
Auswärtigen Amts, am 15. August 1940, der Sekretär des Mufti
habe eine Einreiseerlaubnis erhalten und werde von Fritz
Grobba, dem ehemaligen deutschen Gesandten in Bagdad und
Djidda, empfangen.
Seither rissen die Beziehungen
nicht mehr ab. Die deutsche Botschaft in Ankara fungierte als
abgeschirmter Briefkasten für die Korrespondenz Haddads mit
dem Mufti und dem von diesem inzwischen in Bagdad ins Leben
gerufenen »Komitee für die Zusammenarbeit zwischen den
arabischen Ländern«, dem prominente Notabeln und
Regierungsvertreter aus den Ländern des arabischen Ostens
sowie der Arabischen Halbinsel angehörten. Beim Austausch der
Korrespondenzen und Nachrichten kam es immer wieder zu
Besprechungen zwischen Papen und Naji Shawkat sowie anderen
Emissären des Komitees. Papen avancierte zur wichtigsten
deutschen Verhandlungsadresse der arabischen Nationalisten vor
Ort. Er besprach sich ausführlich mit ihnen und entwickelte im
Kontext seiner diesbezüglichen Berichterstattung zunehmend
eigene Vorstellungen, mit denen er sich immer wieder in die
Berliner Verhandlungen einschaltete. Nach einem weiteren
Treffen mit Shawkat Ende September 1940 in Istanbul
untermauerte er in seinem Bericht nach Berlin die Vorbehalte
der arabischen Nationalisten gegenüber dem italienischen
Partner und bat um die Ermächtigung für eine mündliche
Garantieerklärung zugunsten der arabischen
Unabhängigkeitsbestrebungen. Daraufhin händigte Staatssekretär
Ernst von Weizsäcker am 18. Oktober 1940 dem in Berlin
weilenden Sekretär des Mufti von Jerusalem eine
Sympathieerklärung der Reichsregierung aus, die einige Tage
später veröffentlicht wurde und großes Aufsehen erregte.
»Deutsche Landbrücke« nach Basra
Aus dieser Vermittlerfunktion entstand schließlich ein dichtes
Kommunikationsnetz, das Papen im Lauf des Jahrs 1941 nicht nur
zu einem der bestinformierten Kenner der nahöstlichen
Entwicklung machte, sondern auch zur Schlüsselfigur
allfälliger Unterstützungsaktionen für die zunehmend in
Bedrängnis geratende arabische Nationalbewegung avancieren
ließ.
Was bedeutete aber die arabische Welt für Papen
wirklich? Wie die Analyse seiner diplomatischen Korrespondenz
und seiner politischen Aufzeichnungen zeigt, hatte er seit
Beginn seiner Türkei-Mission darüber sehr klare Vorstellungen.
Er paßte sie in den folgenden Jahren zwar der Entwicklung der
militärisch-politischen Verhältnisse an, behielt sie jedoch im
Prinzipiellen unverändert bei. Schon wenige Wochen nach der
Aufnahme seiner neuen Tätigkeit in Ankara äußerte er in einer
während seines ersten Berlin-Aufenthalts verfaßten
Denkschrift, England müsse im kommenden Krieg »an seinem
vitalsten Punkte, in Indien« getroffen werden, und deshalb
müßten »die Achsenmächte die Landbrücke nach Indien (Syrien –
Palästina – Zugang zu Mossul) besitzen.«
Die arabische Welt war für Papen somit vor allem deshalb von Bedeutung, weil
der Sieg der Achsenmächte die Vertreibung der Briten vom
Suezkanal, von der palästinensisch-transjordanischen
Landbrücke, vom Persischen Golf und schließlich aus Indien
voraussetzte. Dabei gehörte Papen von Anfang an zu denjenigen,
die sich hartnäckig dem immer wieder proklamierten Vorrang der
italienischen Machtposition im Mittelmeerraum und in
Vorderasien widersetzten. Da er diese strategische
Grundsatzentscheidung der Naziführung jedoch nicht ungeschehen
machen konnte, schrieb er knapp eineinhalb Jahre später in
einer Aufzeichnung über »Deutschland und die vorderarabische
Frage«, die »Hegemonie Italiens im Mittelmeer, d.h. die
absolute Beherrschung des Seeweges (durch den Suezkanal) zu
unseren wiederzugewinnenden mittelafrikanischen Besitzungen
wie zu den Ölvorkommen im Nahen Orient« lasse es »imperativ
erscheinen, daß das Reich wenigstens eine von dieser maritimen
Route unabhängige Landverbindung nach dem Persischen Golf für
sich« sicherstelle.
Entsprechend dieser Konzeption gehörten nur der Irak und der Persische Golf in den Bereich
vitaler deutscher Herrschaftsinteressen. Aber der gesamte
arabische Osten gewann dabei die Rolle eines strategischen
Vorfelds, und die »Behandlung des vorderasiatischen Problems«
erwies sich infolgedessen für Papen als »eine Frage, der wir
nicht ausweichen können«.
Kampf um die Ölquellen
Diese militärstrategische Option wurde durch handfeste
wirtschaftliche Interessen untermauert. Für Papen war die
Beherrschung der irakischen Ölquellen eines der Hauptziele der
deutschen Expansionspolitik überhaupt. Hierbei ging er mit
Fritz Grobba, dem Arabien-Bevollmächtigten des Auswärtigen
Amts, konform, und ließ sich wie dieser auch unmittelbar in
die Verfolgung der Erdölinteressen der Deutschen Bank
einbinden. Seit dem Sommer 1940 gruben die Fachleute der
Berliner Zentrale der Deutschen Bank ihre untergegangenen
Irak-Konzessionen aus den goldenen Zeiten der Bagdadbahn und
der Turkish Petroleum Company wieder aus, um sich mit ihrer
Hilfe eine Vorzugsbehandlung für den Fall des deutschen
Vormarschs nach Mossul und Basra zu sichern. Die Begründungen
dafür standen jedoch auf wackligen Füßen und stießen bei
Grobba und dem in dieser Frage federführenden Staatssekretär
Wilhelm Keppler keineswegs auf ungeteilte Zustimmung. Dies war
wohl der Grund, weshalb die Deutsche Bank schließlich ihren
altgedienten Lobbyisten Franz von Papen einschaltete. Im
November 1940 bat ihn der Deutsche Bankdirektor Kurt Weigelt,
Verhandlungen mit der irakischen Regierung über die Rückgabe
der Erdölkonzessionen aufzunehmen. Dabei empfahl er ihm
vorsorglich zwei taktische Varianten, nämlich entweder den Weg
über die alten Rechtsansprüche oder aber die direkte Vergabe
von Neukonzessionen im Rahmen des künftigen Friedensvertrags.
Papen erklärte sich einverstanden und kündigte an, er werde
die Deutsche Bank von Ankara aus auf dem laufenden halten.
Darüber hinaus sollte auch die Dresdner Bank auf ihre
Kosten kommen. Im Frühjahr 1941 ernannte Papen den Direktor
der Dresdner Banktochter Deutsche Orientbank, Curt Lebrecht,
zum Wirtschaftsberater seiner Botschaft. In Ankara war
Lebrecht vor allem für die wirtschafts- und finanzpolitischen
Planungen der Orientabteilung der Botschaft zuständig. Einige
Monate später wurde Lebrecht auch in den Stab des
Arabien-Bevollmächtigten des Auswärtigen Amts kooptiert und
war zusammen mit einem Direktor der Deutschen Reichsbank als
Währungs- und Finanzberater des »befreiten« Irak vorgesehen.
Bis zum Sommer 1941 waren die Pläne zur ökonomischen
Integration des Irak weit gediehen. Am 23. August wurden in
einer abschließenden Ressortbesprechung die
wirtschaftspolitischen Grundlagen eines Vertrags mit der
künftigen Kollaborationsregierung Gailani verabschiedet, die
die Neueinführung einer auf einem deutschen Goldkredit
gegründeten Währung, die Einsetzung von Wirtschafts- und
Finanzberatern sowie ein Verrechnungsabkommen für die
Lieferung von Erdöl gegen deutsches Kriegsgerät vorsahen.
Sondierungen mit Molotow
Indessen gab sich Papen mit derartigen Denkschriften, Verhandlungszusagen und
Absichtserklärungen keineswegs zufrieden. Er richtete seine
gesamte diplomatisch-politische Tätigkeit in Ankara auf die
Einbeziehung der vorderasiatischen Landbrücke zum Persischen
Golf in den deutschen Herrschaftsbereich aus. Seit dem Sommer
1940 traktierte er das Auswärtige Amt und die Reichskanzlei
mit Memoranden und Eingaben, in denen er vorschlug, die
Achsenmächte sollten gemeinsam mit der – zu dieser Zeit mit
Deutschland verbündeten – Sowjetunion gegen den Nahen und
Mittleren Osten vorgehen, um hier das Britische Empire an
seinem Lebensnerv zu treffen. Am 30. September, wenige Tage
nach der Unterzeichnung des Dreimächtepakts zwischen
Deutschland, Italien und Japan, telegrafierte er schließlich
nach Berlin, nun sollte endgültig versucht werden, die
»Teilnahme Rußlands an endgültiger Regelung der Interessen,
die es an Donau, Meerengenfrage, Ölvorkommen Naher Osten
besitzt, schon jetzt vertraglich festzustellen«.
Aufgrund dieser Anregungen bemühten sich dann
Ribbentrop und
Hitler
in ihren berühmt-berüchtigten Berliner Geheimbesprechungen mit dem sowjetischen Außenminister
Wjatscheslaw Molotow
am 12./13. November 1940, die Sowjetunion in den Dreimächtepakt einzubinden, sie dabei im Rahmen einer Absprache über die jeweiligen Interessensphären vom Balkan in Richtung Indien »abzulenken«, gemeinsam mit ihr die Türkei zu
einem neuen Meerengenstatut zu zwingen und England aus dem Nahen und Mittleren Osten zu vertreiben.
Stalin
und Molotow ließen sich jedoch nicht von ihrer Balkanstrategie und ihrer
Forderung nach See- und Luftstützpunkten an den Dardanellen und am Bosporus abbringen. Dies hätte eine den deutschen Interessen zuwiderlaufende erhebliche Einschränkung der türkischen Souveränität zur Folge gehabt. Als sich die
NS-Führung am 18. Dezember 1940 endgültig zum »Fall Barbarossa«, zur militärischen Vernichtung der Sowjetunion, entschied, gehörten die gescheiterte Abgrenzung der Einflußsphären auf dem Balkan und die Infragestellung ihrer
Kontrolle über die strategische Route nach Ankara, Bagdad und Basra zu den Hauptgründen. Dabei gingen die deutschen Spitzenpolitiker und -militärs von einem etwa achtwöchigen Blitzkrieg« aus und erklärten die anschließende
Intensivierung der Operationen in der Mittelmeerregion zum wichtigsten strategischen Etappenziel bei der Fortsetzung des Kampfs gegen das Britische Weltreich.
Durch diese dramatische Umkehrung der von ihm ausgegangenen Handlungsoptionen ließ sich Papen in der Folgezeit keineswegs von seinen strategischen Vorstellungen abbringen. Er betrachtete den Krieg gegen die Sowjetunion jedoch als einen riskanten Umweg, der die Verwirklichung seiner wichtigsten
strategischen Forderung, England vor allem im Nahen und Mittleren Osten zu schlagen, bedenklich hinauszögerte. Die deutsche Landbrücke nach Mossul und Basra blieb für ihn das entscheidende Kriegsziel, weil sie den unverrückbaren
Angelpunkt seiner Weltmachtkonzeption bildete, und damit grenzte er sich auch gegenüber dem eigenwilligen Bundesgenossen Italien ab, dem er lediglich die Rolle eines Juniorpartners zuzugestehen bereit war. Nur sollte das
Durchgangsland Türkei jetzt nicht mehr durch die Mächtephalanx des deutsch-italienisch-japanisch-russischen Viermächtepakts erpreßt, sondern im Verlauf des »Kreuzzugs« gegen die Sowjetunion zur Achse hinüber gezogen werden. Das nun einsetzende Werben wurde seit dem Frühjahr 1942 durch die Einschätzung der Militärs erleichtert, den Vormarsch nach Mossul und Basra auch vom Kaukasus allein aus beginnen und dabei die Türkei mit ihrem gefährlichen Rückzugsglacis im Taurus-Gebirge umgehen zu können, so daß nur noch eine »wohlwollende Neutralität« zum »Stillhalten« ihrer 50 Divisionen erforderlich schien. An dieser Perspektive hielt Papen bis zum Spätherbst 1942 fest, als die Eroberung
Transkaukasiens endgültig scheiterte. Unter dem Druck der nun einsetzenden strategischen Defensive mußte er sich danach mit der Tatsache begnügen, daß eine neutral bleibende Türkei nicht nur die Südflanke der deutsch-sowjetischen Front schützte, sondern auch die Bildung einer alliierten Balkanfront
verhinderte. Der Traum von der Inbesitznahme der Fördergebiete, Raffinerien und Pipelines der Iraq Petroleum Company sowie der Umschlagshäfen am Persischen Golf war freilich ausgeträumt.
Autonomiezusagen
Dies waren die politisch-strategischen Überlegungen, die Papen bewegten, als er den arabischen Nationalisten ihre Entree-Billetts in Richtung Berlin und Rom verschaffte. Der Form nach verhielt er sich ihren Exponenten gegenüber freundschaftlich, wie es sich künftigen Kollaborateuren gegenüber geziemte. Dahinter verbarg sich ein nüchtern berechneter Inhalt. Die Unabhängigkeitsbestrebungen Husainis, Haddads und Gailanis sollten nur insoweit bedient werden, als sie die Etappenschritte zur Realisierung des strategischen Ziels erleichterten. Dafür erschienen Papen Autonomiezusagen
gegenüber den Repräsentanten der einzelnen Staaten des arabischen Ostens nützlich und sinnvoll, weil sie die reibungslose wirtschaftliche, militärische und verkehrspolitische Beherrschung des Irak absicherten. Hinzu kam die Einschätzung, daß unabhängig gewordene vorderasiatische Staaten der türkischen Regierung das beängstigende Gefühl nehmen würden, »von allen Seiten von der
beherrschenden Mittelmeermacht Italien eingekreist zu sein«, und damit ihre dauerhafte Annäherung an Deutschland erleichterten. Im Gegensatz zu Fritz Grobba und einigen anderen Orientexperten des Auswärtigen Amts beurteilte Papen
jedoch eine darüber hinausgehende Föderation sehr skeptisch. Denn mit den politisch souveränen Einzelnachbarn Syrien, Irak, Palästina und Transjordanien konnte die Türkei leben, jedoch nicht mit einer arabischen Föderation, die ihr über kurz oder lang ihre verschwiegene Vormachtstellung über den Vorderen
Orient wieder streitig machen würde.
*Karl Heinz Roth arbeitet an einem Buch »Raubgold. Franz von Papen als
deutscher Sonderbotschafter in der Türkei 1939 bis 1944«, das 2003 in der Europäischen Verlagsanstalt Hamburg erscheinen wird und für das er Quellen des Auswärtigen Amts und des Bundesarchivs sowie von Archiven in Washington, London, Bern, Moskau und zahlreicher deutscher Spezialarchive erschlossen
hat.
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