Stoßrichtung Bagdad

Franz von Papen und die deutsche
Nahostpolitik 1939 bis 1942

von KARL HEINZ ROTH*
(Junge Welt, 26.02.2003)

Ende April 1939 erhielt Franz von Papen seine Akkreditierung als deutscher Botschafter in der Türkei. Dies war die letzte Etappe seiner bizarren politisch-diplomatischen Karriere, aber keineswegs die unwichtigste. Papen versuchte nicht nur, die Türkei auf die Seite der Achsenmächte zu ziehen, sondern er verfolgte in Ankara auch weit ausgreifende Nahostinteressen.

Schon als junger Stabschef der Vierten Osmanischen Armee hatte Papen 1917/18 die Bedeutung des »arabischen Problems« für die Kriegführung erkannt: Das Bündnis der Beduinenstämme und der in ihrem Hintergrund agierenden panarabischen Bewegung mit den Briten basierte auf Zusagen an ihre politische Unabhängigkeit nach dem Krieg. Da sie die strategischen Nachschublinien und die rechte Flanke der Palästina-Front bedrohten, konnte die von ihnen ausgehende Gefahr nur durch entsprechende Garantieerklärungen des Osmanischen Reichs an die Adresse der arabischen Nationalbewegung neutralisiert werden. Mit seinen diesbezüglichen Vorschlägen war Papen seinerzeit nicht durchgedrungen. Gut zwanzig Jahre später war er erneut mit diesen Fragen konfrontiert, wobei sich jedoch die Rahmenbedingungen erheblich gewandelt hatten. Papen war jetzt nicht mehr Militärberater der Jungtürken, sondern Anlaufadresse des »Großdeutschen Reichs«, das im Juni 1940 mit Frankreich eine der beiden nahöstlichen Mandatsmächte ausschaltete und seither die Kriegshandlungen gegen England, den neuesten Erbfeind der arabischen Nationalbewegung, ständig ausweitete. Da Deutschland im Nahen und Mittleren Osten jedoch seinem dort wenig geschätzten italienischen Achsenpartner den Vortritt überließ, war für die arabischen Nationalisten die Kontaktaufnahme mit seinen Repräsentanten schwierig.

Geheimkontakte zum Irak

Ihre Wahl fiel schließlich auf Franz von Papen, der seit seiner Übersiedlung nach Ankara Geheimkontakte mit dem ägyptischen Königshof unterhielt und aufgrund seiner politischen Vergangenheit beim Notabelnflügel der arabischen Nationalbewegung einen guten Namen hatte. Am 5. Juli suchte ihn Naji Shawkat, der Justizminister des Irak, auf. Er sprach im Namen einer englandfeindlichen Strömung seiner Regierung, aber auch des Mufti von Jerusalem, Mohamed Amin al-Husaini, der ihm ein vom 21. Juni datiertes Schreiben mitgegeben hatte. Shawkat informierte Papen über Bestrebungen, den im vorangegangenen September erfolgten Abbruch der diplomatischen Beziehungen des Irak zu Deutschland wieder rückgängig zu machen, den Ministerpräsidenten Nuri as-Said zu stürzen, die im März 1939 von den Franzosen entmachtete syrische Regierung wieder einzusetzen und den Kampf gegen die englische Mandatsherrschaft in Palästina wieder aufzunehmen. Papen erwiderte zunächst, für die Erörterung dieser Fragen sei in erster Linie Italien zuständig; er könne deshalb »nur als Übermittler für Anregungen und Wünsche über die Reichsregierung an die italienische Adresse betrachtet werden«. Als Shawkat replizierte, die arabische Nationalbewegung bekämpfe den italienischen Imperialismus im Nahen Osten genauso wie den britischen und den französischen, und gerade deshalb müsse Deutschland im Interesse der Achsenmächte gegenüber Italien eine für die arabische Bewegung akzeptable Lösung durchsetzen, wurde Papen hellhörig. Er betonte, »daß alle Völker, die für ihre Freiheit kämpften, naturgemäß auch selbst einen Beitrag zu liefern hätten«. Deutschland müsse »erwarten, daß jetzt, wo der Endkampf gegen England bevorstehe, die irakische Volksregierung auch militärisch alles tun werde, um den Kampf zu unterstützen«. Shawkat stellte daraufhin die »Unterstützung der irakischen Armee gegen England« in Aussicht, und Papen sagte die vertrauliche Unterrichtung seiner Regierung zu.

Damit war der Kontakt zwischen einer der einflußreichsten konservativen Spitzengruppen der arabischen Nationalbewegung und der Nazidiktatur hergestellt. Der von Papen eingeschlagene Kurs, trotz der »italienischen Vorhand« wegen der eigenen militärischen und wirtschaftspolitischen Interessen auf ihr Kollaborationsangebot einzugehen, wurde noch im Juli 1940 bestätigt. In den folgenden Monaten avancierte der deutsche Botschafter in Ankara zur ersten Adresse der arabischen Nationalisten. Schon am 22. Juli 1940 kündigte der Mufti von Jerusalem ihm den Besuch seines Sekretärs Osman Kamal Haddad zur Fortsetzung des mit Shawkat begonnenen Gesprächs an, wobei al-Husaini auf den sofortigen Beginn der Kooperation der Achse Berlin–Rom mit den arabischen Ländern drängte.

Haddad suchte Papen am 6. August in der Sommerresidenz der Botschaft am Bosporus auf und berichtete über eine inzwischen vorliegende italienische Unabhängigkeitsgarantie für alle unter Mandat stehenden arabischen Gebiete. Zusätzlich ersuchte er um Hilfe bei der Vorbereitung einer neuen Aufstandsbewegung in Palästina und verwies auf wachsende Konflikte zwischen England und der irakischen Regierung, die gerade den Durchmarsch britischer Commonwealth-Truppen verweigert habe. Auch politische Neuordnungspläne kamen erstmalig zur Sprache, und der Sekretär erbat eine Reiseerlaubnis, um darüber in Berlin und Rom verhandeln zu können. Papen war sich nun endgültig sicher, daß hier interessante neue Interventionschancen auftauchten. Er war beeindruckt und drängte gegenüber Berlin zur Eile. Schließlich telegrafierte ihm Ernst Woermann, der Leiter der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amts, am 15. August 1940, der Sekretär des Mufti habe eine Einreiseerlaubnis erhalten und werde von Fritz Grobba, dem ehemaligen deutschen Gesandten in Bagdad und Djidda, empfangen.

Seither rissen die Beziehungen nicht mehr ab. Die deutsche Botschaft in Ankara fungierte als abgeschirmter Briefkasten für die Korrespondenz Haddads mit dem Mufti und dem von diesem inzwischen in Bagdad ins Leben gerufenen »Komitee für die Zusammenarbeit zwischen den arabischen Ländern«, dem prominente Notabeln und Regierungsvertreter aus den Ländern des arabischen Ostens sowie der Arabischen Halbinsel angehörten. Beim Austausch der Korrespondenzen und Nachrichten kam es immer wieder zu Besprechungen zwischen Papen und Naji Shawkat sowie anderen Emissären des Komitees. Papen avancierte zur wichtigsten deutschen Verhandlungsadresse der arabischen Nationalisten vor Ort. Er besprach sich ausführlich mit ihnen und entwickelte im Kontext seiner diesbezüglichen Berichterstattung zunehmend eigene Vorstellungen, mit denen er sich immer wieder in die Berliner Verhandlungen einschaltete. Nach einem weiteren Treffen mit Shawkat Ende September 1940 in Istanbul untermauerte er in seinem Bericht nach Berlin die Vorbehalte der arabischen Nationalisten gegenüber dem italienischen Partner und bat um die Ermächtigung für eine mündliche Garantieerklärung zugunsten der arabischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Daraufhin händigte Staatssekretär Ernst von Weizsäcker am 18. Oktober 1940 dem in Berlin weilenden Sekretär des Mufti von Jerusalem eine Sympathieerklärung der Reichsregierung aus, die einige Tage später veröffentlicht wurde und großes Aufsehen erregte.

»Deutsche Landbrücke« nach Basra

Aus dieser Vermittlerfunktion entstand schließlich ein dichtes Kommunikationsnetz, das Papen im Lauf des Jahrs 1941 nicht nur zu einem der bestinformierten Kenner der nahöstlichen Entwicklung machte, sondern auch zur Schlüsselfigur allfälliger Unterstützungsaktionen für die zunehmend in Bedrängnis geratende arabische Nationalbewegung avancieren ließ.

Was bedeutete aber die arabische Welt für Papen wirklich? Wie die Analyse seiner diplomatischen Korrespondenz und seiner politischen Aufzeichnungen zeigt, hatte er seit Beginn seiner Türkei-Mission darüber sehr klare Vorstellungen. Er paßte sie in den folgenden Jahren zwar der Entwicklung der militärisch-politischen Verhältnisse an, behielt sie jedoch im Prinzipiellen unverändert bei. Schon wenige Wochen nach der Aufnahme seiner neuen Tätigkeit in Ankara äußerte er in einer während seines ersten Berlin-Aufenthalts verfaßten Denkschrift, England müsse im kommenden Krieg »an seinem vitalsten Punkte, in Indien« getroffen werden, und deshalb müßten »die Achsenmächte die Landbrücke nach Indien (Syrien – Palästina – Zugang zu Mossul) besitzen.«

Die arabische Welt war für Papen somit vor allem deshalb von Bedeutung, weil der Sieg der Achsenmächte die Vertreibung der Briten vom Suezkanal, von der palästinensisch-transjordanischen Landbrücke, vom Persischen Golf und schließlich aus Indien voraussetzte. Dabei gehörte Papen von Anfang an zu denjenigen, die sich hartnäckig dem immer wieder proklamierten Vorrang der italienischen Machtposition im Mittelmeerraum und in Vorderasien widersetzten. Da er diese strategische Grundsatzentscheidung der Naziführung jedoch nicht ungeschehen machen konnte, schrieb er knapp eineinhalb Jahre später in einer Aufzeichnung über »Deutschland und die vorderarabische Frage«, die »Hegemonie Italiens im Mittelmeer, d.h. die absolute Beherrschung des Seeweges (durch den Suezkanal) zu unseren wiederzugewinnenden mittelafrikanischen Besitzungen wie zu den Ölvorkommen im Nahen Orient« lasse es »imperativ erscheinen, daß das Reich wenigstens eine von dieser maritimen Route unabhängige Landverbindung nach dem Persischen Golf für sich« sicherstelle.

Entsprechend dieser Konzeption gehörten nur der Irak und der Persische Golf in den Bereich vitaler deutscher Herrschaftsinteressen. Aber der gesamte arabische Osten gewann dabei die Rolle eines strategischen Vorfelds, und die »Behandlung des vorderasiatischen Problems« erwies sich infolgedessen für Papen als »eine Frage, der wir nicht ausweichen können«.

Kampf um die Ölquellen

Diese militärstrategische Option wurde durch handfeste wirtschaftliche Interessen untermauert. Für Papen war die Beherrschung der irakischen Ölquellen eines der Hauptziele der deutschen Expansionspolitik überhaupt. Hierbei ging er mit Fritz Grobba, dem Arabien-Bevollmächtigten des Auswärtigen Amts, konform, und ließ sich wie dieser auch unmittelbar in die Verfolgung der Erdölinteressen der Deutschen Bank einbinden. Seit dem Sommer 1940 gruben die Fachleute der Berliner Zentrale der Deutschen Bank ihre untergegangenen Irak-Konzessionen aus den goldenen Zeiten der Bagdadbahn und der Turkish Petroleum Company wieder aus, um sich mit ihrer Hilfe eine Vorzugsbehandlung für den Fall des deutschen Vormarschs nach Mossul und Basra zu sichern. Die Begründungen dafür standen jedoch auf wackligen Füßen und stießen bei Grobba und dem in dieser Frage federführenden Staatssekretär Wilhelm Keppler keineswegs auf ungeteilte Zustimmung. Dies war wohl der Grund, weshalb die Deutsche Bank schließlich ihren altgedienten Lobbyisten Franz von Papen einschaltete. Im November 1940 bat ihn der Deutsche Bankdirektor Kurt Weigelt, Verhandlungen mit der irakischen Regierung über die Rückgabe der Erdölkonzessionen aufzunehmen. Dabei empfahl er ihm vorsorglich zwei taktische Varianten, nämlich entweder den Weg über die alten Rechtsansprüche oder aber die direkte Vergabe von Neukonzessionen im Rahmen des künftigen Friedensvertrags. Papen erklärte sich einverstanden und kündigte an, er werde die Deutsche Bank von Ankara aus auf dem laufenden halten.

Darüber hinaus sollte auch die Dresdner Bank auf ihre Kosten kommen. Im Frühjahr 1941 ernannte Papen den Direktor der Dresdner Banktochter Deutsche Orientbank, Curt Lebrecht, zum Wirtschaftsberater seiner Botschaft. In Ankara war Lebrecht vor allem für die wirtschafts- und finanzpolitischen Planungen der Orientabteilung der Botschaft zuständig. Einige Monate später wurde Lebrecht auch in den Stab des Arabien-Bevollmächtigten des Auswärtigen Amts kooptiert und war zusammen mit einem Direktor der Deutschen Reichsbank als Währungs- und Finanzberater des »befreiten« Irak vorgesehen. Bis zum Sommer 1941 waren die Pläne zur ökonomischen Integration des Irak weit gediehen. Am 23. August wurden in einer abschließenden Ressortbesprechung die wirtschaftspolitischen Grundlagen eines Vertrags mit der künftigen Kollaborationsregierung Gailani verabschiedet, die die Neueinführung einer auf einem deutschen Goldkredit gegründeten Währung, die Einsetzung von Wirtschafts- und Finanzberatern sowie ein Verrechnungsabkommen für die Lieferung von Erdöl gegen deutsches Kriegsgerät vorsahen.

Sondierungen mit Molotow

Indessen gab sich Papen mit derartigen Denkschriften, Verhandlungszusagen und Absichtserklärungen keineswegs zufrieden. Er richtete seine gesamte diplomatisch-politische Tätigkeit in Ankara auf die Einbeziehung der vorderasiatischen Landbrücke zum Persischen Golf in den deutschen Herrschaftsbereich aus. Seit dem Sommer 1940 traktierte er das Auswärtige Amt und die Reichskanzlei mit Memoranden und Eingaben, in denen er vorschlug, die Achsenmächte sollten gemeinsam mit der – zu dieser Zeit mit Deutschland verbündeten – Sowjetunion gegen den Nahen und Mittleren Osten vorgehen, um hier das Britische Empire an seinem Lebensnerv zu treffen. Am 30. September, wenige Tage nach der Unterzeichnung des Dreimächtepakts zwischen Deutschland, Italien und Japan, telegrafierte er schließlich nach Berlin, nun sollte endgültig versucht werden, die »Teilnahme Rußlands an endgültiger Regelung der Interessen, die es an Donau, Meerengenfrage, Ölvorkommen Naher Osten besitzt, schon jetzt vertraglich festzustellen«.

Aufgrund dieser Anregungen bemühten sich dann Ribbentrop und Hitler in ihren berühmt-berüchtigten Berliner Geheimbesprechungen mit dem sowjetischen Außenminister Wjatscheslaw Molotow am 12./13. November 1940, die Sowjetunion in den Dreimächtepakt einzubinden, sie dabei im Rahmen einer Absprache über die jeweiligen Interessensphären vom Balkan in Richtung Indien »abzulenken«, gemeinsam mit ihr die Türkei zu einem neuen Meerengenstatut zu zwingen und England aus dem Nahen und Mittleren Osten zu vertreiben. Stalin und Molotow ließen sich jedoch nicht von ihrer Balkanstrategie und ihrer Forderung nach See- und Luftstützpunkten an den Dardanellen und am Bosporus abbringen. Dies hätte eine den deutschen Interessen zuwiderlaufende erhebliche Einschränkung der türkischen Souveränität zur Folge gehabt. Als sich die NS-Führung am 18. Dezember 1940 endgültig zum »Fall Barbarossa«, zur militärischen Vernichtung der Sowjetunion, entschied, gehörten die gescheiterte Abgrenzung der Einflußsphären auf dem Balkan und die Infragestellung ihrer Kontrolle über die strategische Route nach Ankara, Bagdad und Basra zu den Hauptgründen. Dabei gingen die deutschen Spitzenpolitiker und -militärs von einem etwa achtwöchigen Blitzkrieg« aus und erklärten die anschließende Intensivierung der Operationen in der Mittelmeerregion zum wichtigsten strategischen Etappenziel bei der Fortsetzung des Kampfs gegen das Britische Weltreich.

Durch diese dramatische Umkehrung der von ihm ausgegangenen Handlungsoptionen ließ sich Papen in der Folgezeit keineswegs von seinen strategischen Vorstellungen abbringen. Er betrachtete den Krieg gegen die Sowjetunion jedoch als einen riskanten Umweg, der die Verwirklichung seiner wichtigsten strategischen Forderung, England vor allem im Nahen und Mittleren Osten zu schlagen, bedenklich hinauszögerte. Die deutsche Landbrücke nach Mossul und Basra blieb für ihn das entscheidende Kriegsziel, weil sie den unverrückbaren Angelpunkt seiner Weltmachtkonzeption bildete, und damit grenzte er sich auch gegenüber dem eigenwilligen Bundesgenossen Italien ab, dem er lediglich die Rolle eines Juniorpartners zuzugestehen bereit war. Nur sollte das Durchgangsland Türkei jetzt nicht mehr durch die Mächtephalanx des deutsch-italienisch-japanisch-russischen Viermächtepakts erpreßt, sondern im Verlauf des »Kreuzzugs« gegen die Sowjetunion zur Achse hinüber gezogen werden. Das nun einsetzende Werben wurde seit dem Frühjahr 1942 durch die Einschätzung der Militärs erleichtert, den Vormarsch nach Mossul und Basra auch vom Kaukasus allein aus beginnen und dabei die Türkei mit ihrem gefährlichen Rückzugsglacis im Taurus-Gebirge umgehen zu können, so daß nur noch eine »wohlwollende Neutralität« zum »Stillhalten« ihrer 50 Divisionen erforderlich schien. An dieser Perspektive hielt Papen bis zum Spätherbst 1942 fest, als die Eroberung Transkaukasiens endgültig scheiterte. Unter dem Druck der nun einsetzenden strategischen Defensive mußte er sich danach mit der Tatsache begnügen, daß eine neutral bleibende Türkei nicht nur die Südflanke der deutsch-sowjetischen Front schützte, sondern auch die Bildung einer alliierten Balkanfront verhinderte. Der Traum von der Inbesitznahme der Fördergebiete, Raffinerien und Pipelines der Iraq Petroleum Company sowie der Umschlagshäfen am Persischen Golf war freilich ausgeträumt.

Autonomiezusagen

Dies waren die politisch-strategischen Überlegungen, die Papen bewegten, als er den arabischen Nationalisten ihre Entree-Billetts in Richtung Berlin und Rom verschaffte. Der Form nach verhielt er sich ihren Exponenten gegenüber freundschaftlich, wie es sich künftigen Kollaborateuren gegenüber geziemte. Dahinter verbarg sich ein nüchtern berechneter Inhalt. Die Unabhängigkeitsbestrebungen Husainis, Haddads und Gailanis sollten nur insoweit bedient werden, als sie die Etappenschritte zur Realisierung des strategischen Ziels erleichterten. Dafür erschienen Papen Autonomiezusagen gegenüber den Repräsentanten der einzelnen Staaten des arabischen Ostens nützlich und sinnvoll, weil sie die reibungslose wirtschaftliche, militärische und verkehrspolitische Beherrschung des Irak absicherten. Hinzu kam die Einschätzung, daß unabhängig gewordene vorderasiatische Staaten der türkischen Regierung das beängstigende Gefühl nehmen würden, »von allen Seiten von der beherrschenden Mittelmeermacht Italien eingekreist zu sein«, und damit ihre dauerhafte Annäherung an Deutschland erleichterten. Im Gegensatz zu Fritz Grobba und einigen anderen Orientexperten des Auswärtigen Amts beurteilte Papen jedoch eine darüber hinausgehende Föderation sehr skeptisch. Denn mit den politisch souveränen Einzelnachbarn Syrien, Irak, Palästina und Transjordanien konnte die Türkei leben, jedoch nicht mit einer arabischen Föderation, die ihr über kurz oder lang ihre verschwiegene Vormachtstellung über den Vorderen Orient wieder streitig machen würde.

*Karl Heinz Roth arbeitet an einem Buch »Raubgold. Franz von Papen als deutscher Sonderbotschafter in der Türkei 1939 bis 1944«, das 2003 in der Europäischen Verlagsanstalt Hamburg erscheinen wird und für das er Quellen des Auswärtigen Amts und des Bundesarchivs sowie von Archiven in Washington, London, Bern, Moskau und zahlreicher deutscher Spezialarchive erschlossen hat.


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