Landreformer am Kap greifen zur Zwangsenteignung

In Südafrika soll erstmals seit dem Ende der Apartheid ein weißer Gutsbesitzer
zwangsenteignet werden - die Konflikte um die Landreform verschärfen sich

von Dieterich (Frankfurter Rundschau, 27. September 2005)

Der 500 Hektar große Hof bei Leeuwspruit in der Nordwest-Provinz wird von seinen früheren schwarzen Eigentümern beansprucht. Die Verhandlungen um die Farm ziehen sich seit fast zweieinhalb Jahre hin. Die "Kommission zur Rückerstattung von Landrechten" bot dem Farmbesitzer Hannes Visser umgerechnet 226 000 Euro für seinen Hof. Doch der Eigentümer beharrt hartnäckig darauf, dass das Gut, auf dem er einen fleischverarbeitenden Kleinbetrieb errichtet hat, mindestens 390.000 Euro wert sei.

Nach dem Abbruch der Verhandlungen bat der Kommissionsvorsitzende Blessing Mphela Südafrikas Landminister um eine Verfügung zur Enteignung der Farm, die nun erlassen wurde. Visser will gegen den Enteignungsbescheid Rechtsmittel einlegen.

Der Farmer bestreitet auch die Darstellung der Kommission, wonach die ehemaligen schwarzen Eigentümer die Farm einst unter Zwang hergeben mussten. Vielmehr hätten sie den Hof 1942 zu einem durchaus marktüblichen Preis verkauft und wollten nun ein zweites Mal kassieren. Vissers Vater hatte das Gut 1968 erworben.

Ein Sprecher der früheren Farmbesitzer bezeichnete Visser indessen als "Lügner". Die Molamu-Familie habe ihren Besitz damals weit unter dem tatsächlichen Wert verkaufen müssen, nachdem sie zuvor durch unzählige Sabotageakte praktisch vertrieben worden seien, sagte Jeremiah Moropa.

Die bevorstehende Enteignung wird als Indiz dafür gesehen, dass Südafrikas Regierung ihre Politik der Landreform verschärfen will. Erklärtes Ziel des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) ist es, bis zum Jahr 2014 ein Drittel der von Weißen gehaltenen Farmen an schwarze Besitzer zu überführen. Die Regierung hält den bislang verfolgten Grundsatz für gescheitert, wonach für die Umverteilung nur freiwillig zum Verkauf angebotene Güter zu marktüblichen Preisen erworben werden sollen. Die Farmer verlangten exorbitante Preise und steckten mit den privaten Wertschätzern unter einer Decke, klagte jüngst der Kommissar für Landansprüche, Tozi Gwanya.

Auf einer Konferenz forderte Südafrikas Vizepräsidentin Phumzile Mlambo-Ngcuka kürzlich in Johannesburg "mehr Dampf" in der Landreform. "Dabei können uns auch die Fähigkeiten der Simbabwer helfen", sagte die Vizepräsidentin unter ungläubigem Staunen vieler Zuhörer: In Südafrikas Nachbarstaat brachte eine höchst umstrittene Landreform die einst blühende Agrarwirtschaft fast völlig zum Erliegen.

[Mugabes Landreform in der Praxis]
Mugabe zum ermordeten weißen Eigentümer der ruinierten Farm:
"Ich geb's auf. Würde es Ihnen was ausmachen mir zu zeigen,
wie man mit diesem Ding arbeitet?" (Karikatur von Cox)

Die an der Regierung beteiligte Kommunistische Partei Südafrikas begrüßte die Entscheidung zur Enteignung. Der Landminister habe erkannt, dass das Prinzip des freiwilligen Verkaufs zu Marktpreisen das größte Hindernis für eine zügige Landreform sei, heißt es in einer Erklärung der Partei: Enteignungen seien ein "wichtiges Werkzeug" zur Korrektur "historischer Ungerechtigkeiten".


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