Neue MONDLANDUNG geplant

(Handelsblatt, 1. AprilSeptember 2006)

Anmerkungen und Links: Nikolas Dikigoros

Vor einem Vierteljahrhundert hob die Space-Shuttle zum ersten Mal ins All ab. Doch mittlerweile ist sie veraltet. Ein Nachfolger muss her. Den Zuschlag für den Bau hat jetzt der vor allem als Rüstungshersteller bekannte Konzern Lockheed Martin bekommen. Die Pläne sind hochtrabend. Bei der Technik haben sich die Konstrukteure von den alten Apollo-Kapseln inspirieren lassen.

HB WASHINGTON/BREMEN. Die neue Generation von Raumtransportern mit dem Namen „Orion“ solle spätestens im Jahr 2014 mit einer sechsköpfigen Crew zur Internationalen Raumstation ISS fliegen, teilte die US-Raumfahrtbehörde NASA am Donnerstag in Washington mit. Die derzeitigen Space-Shuttle werden nach dem Ausbau der ISS im Jahr 2010 ausgemustert.

Die Nasa kündigte eine neue Ära der Weltraumfahrt an. „Der Weltraum wird nicht länger ein Ziel sein, das wir nur kurz ansteuern“, sagte Sprecher Michael Braukus. Astronauten würden im Weltraum „wie früher die Pioniere“ leben. „Heute beginnt eine neue Reise“.

Der Rüstungs- und Raumfahrtkonzern Lockheed Martin mit seinem Hauptsitz in Bethesda (Maryland) setzte sich bei der Ausschreibung für den Space-Shuttle-Nachfolger gegen ein Konkurrenzangebot eines Konsortiums der Unternehmen Northrop Grumman und Boeing durch. NASA-Sprecher Doug Cook sprach von einem „scharfen“ Wettbewerb der Anbieter um den mindestens 3,9 Mrd. Dollar (3,04 Mrd. Euro) schweren Auftrag. Insgesamt sollen die Kosten für „Orion“ bis 2019 rund 7,5 Mrd. Dollar (5,8 Mrd. Euro) betragen. Eine Beteiligung von Firmen außerhalb der USA ist laut NASA nicht vorgesehen.

Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS – Mutter von Airbus – hatte schon vor der Entscheidung nicht mit einer Beteiligung der Deutschen oder Europäer gerechnet. NASA-Direktor Michael Griffin wolle die Entwicklung und Produktion kritischer Technologien US-Firmen vorbehalten, hieß es. Die EADS sei jedoch offen für denkbare Beteiligungen in einer späteren Phase, sagte ein EADS-Sprecher am Donnerstag in Bremen. Das Unternehmen habe beispielsweise interessante Technologien für Rendezvous- und Andockmanöver entwickelt.

Der Space-Shuttle-Nachfolger ist der erste Großauftrag der NASA seit mehr als drei Jahrzehnten. Die Behörde leitet damit ihr neues Programm für die bemannte Raumfahrt ein. Danach sollen mehr als ein halbes Jahrhundert nach der ersten Mondlandung vom 20. Juli 1969 spätestens bis zum Jahr 2020 vier Astronauten zum Erdtrabanten fliegen. Seit der Mondlandung von „Apollo 17“ im Dezember 1972 hat kein Mensch mehr den Mond betreten. Nach dem Aufbau eines Außenpostens auf dem Mond sollen später NASA-Raumfähren mit einer sechsköpfigen Crew an Bord zu einer anderthalb Jahre langen Reise zum Nachbarplaneten Mars starten.

Die Raumfähre „Orion“ soll nach Angaben der NASA aber auch wie jetzt schon das Space Shuttel Versorgungsflüge zur internationalen Raumstation ISS machen. Darüber hinaus soll die Kapsel helfen, irgendwann nach 2020 das alternde Weltraumteleskop „Hubble“ gezielt zum Absturz zu bringen. Zudem hat die Nasa Flüge zu Asteroiden im Blick.

Der Name „Orion“ wurde gewählt, weil das Sternbild am Nachthimmel besonders hell leuchtet und einfach zu finden ist. Das Nachfolgemodell der Space-Shuttle wird mit seiner Glockenform wieder den früheren bemannten Raumsonden ähneln. Es bietet aber zweieinhalb mal mehr Platz als die „Apollo“-Kapseln und hat viel modernere Technik. Die NASA bezeichnet deshalb „Orion“ auch als „Apollo auf Steroiden“. Der wichtigste Vorteil der Neukonstruktion: Anders als bei den Space-Shuttle sitzt die Kapsel direkt auf der Spitze einer Trägerrakete. Damit ist sie von herab fallendem Schaum- oder Eisstücken beim Start geschützt.

Nach dem Willen von US-Präsident George W. Bush sollen die drei noch vorhandenen Spaces-Shuttle spätestens im Jahr 2010 ausgemustert werden. Mit insgesamt 16 Flügen soll bis dahin der Ausbau der Internationalen Raumstation beendet sein. Die Nasa-Führung dringt darauf, dass das Nachfolgemodell schon weitaus früher als 2014 in Dienst gestellt wird, um keine Lücke aufkommen zu lassen.

Lockheed Martin ist im Raumfahrtbereich bislang auf den Bau von unbemannten Raketen und Sonden spezialisiert. Zuletzt hatte der Konzern 1996 von der Nasa den Auftrag bekommen, ein bemanntes Raumschiff zu bauen, das die Shuttle ersetzen sollte. Die Nasa gab 912 Mill. Dollar für das Projekt X-33 aus, das wegen technischer Probleme aber nie in die Fertigung ging.

Lockheed Martin baute bislang unter anderem den „Lunar Prospector“ (1998), die „Viking“-Sonden zum Mars (1976), den „Mars Reconnaissance Orbiter“, der zu Beginn des Jahres in die Mars-Umlaufbahn ging und den „Mars Climate Orbiter“ (1999), der zerschnellte, weil Lockheed Martin und Nasa metrische und englische Maßeinheiten verwechselten.

Beim Orion-Projekt bekommt Lockheed Martin technische Unterstützung von allen zehn Nasa-Zentren, die Hauptarbeit wird aber im Raumfahrtzentrum Johnson in Houston geleistet. Der endgültige Zusammenbau finden im Kennedy Space Center in Florida statt.


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