Juden in der ehemaligen Tschechoslowakei

von Chaim Frank (haGalil onLine)

Teil 11: Holocaust und Nachkrieg

Antijüdische Ausschreitungen waren - wie gesagt - in Böhmen, Mähren und in der Slowakei ebenso, je nach Herrscher und Zugehörigkeit, über die Jahrhunderte hinweg - mal mehr und mal weniger heftig - aber stets oder latent vorhanden. Sie kanalisierten sich in den vergangenen Jahrhunderten zunächst in Verleumdungen, Ritual-Beschuldigungen und in den üblichen hysterischen Hostienschändungen, gerade in den überwiegend katholisch-protestantischen Gegenden.

Später, zum Ende des 19.Jhdts, wurde der religiöse Antijudaismus mit dem von Wilhelm MARR geprägten Antisemitismus erweitert oder wurde von diesem sogar verdrängt. Beides konnte dank der Leistungen und der Stärke des assimilierten Judentums überwunden und ins Lächerliche gezogen werden. Doch der eigentliche Untergang und vernichtende Schlag gegen die Juden kam 1939 mit der Okkupation der Tschechoslowakei durch die Nazitruppen und ihren Schergen.

Neben den tschechischen und slowakischen Juden fielen diesen barbarischen Horden auch die zahlreichen Emigranten zum Opfer, die 1933 aus Deutschland und 1938 aus Österreich geflohen waren.

Vielen von ihnen, auch den meisten Juden, war es aus finanziellen Gründen nicht möglich, rechtzeitig das Land zu verlassen. Sie wurden in die KZ- und Todeslager verschleppt, wo sie unter qualvollen Umständen umkamen. Nur wenige konnten sich aus diesem Moloch erretten.

Vor der deutschen Besetzung bestanden insgesamt 136 jüdische religiöse Vereinigungen in Böhmen, Mähren und in der Slowakei.

Die jüdische Bevölkerung zählte um 1935 etwa 380.000 Personen (105.000 im ungarischen Teil der Slowakei; 150.000 in Slowakei; 80.000 Böhmen und Mähren; sowie die 40.000 Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich).

Ökonomisch und Sozial setzte sich der jüdische Bevölkerungsanteil in der Tschechoslowakei zu jener Zeit folgendermaßen zusammen:

39% aller Juden waren im Handel und in Industrie, 21.5% im Handwerk, 8.5% in freien Berufen, in Heer und Beamtenschaft tätig, und knappe 12.5% hatten keinen Beruf, waren in Rente oder arbeitslos und über die Hälfte von diesen standen am Rande des Existenzminimums.

Sofort nach dem Überfall der Nazihorden auf die CSSR kamen über 200.ooo Juden in den Gaskammern um, starben bei der Deportation und bei Erschießungsaktionen oder fielen den schrecklichen Bedingungen der Ghettos zum Opfer. Von den tschechischen Juden (385.ooo) haben lediglich 35.ooo Juden überlebt.

Die Situation der Nachkriegszeit war für viele Überlebenden gar nicht viel besser, denn die neu errichtete Tschechoslowakei, unterschied sich 1945 in vielem von der ehemaligen Masaryk-Benes-Republik. Vor allem war sie weniger toleranter dafür aber überaus fanatisch mißgesinnt gegen ihre neuen, alten Minderheiten.

Den aus den KZ und Ghettos zurückkehrenden Juden war man feindlich gesinnt. Waren sie doch Zeugen davon, daß die Tschechen mit den Besatzern teilweise gemeinsame Sache machten:
Denn es gab immerhin einige Tschechen die als Wachpolizisten dienten und viele Slowaken, die damals an Erschießungsaktionen tatkräftig teilnahmen. Nicht selten hörte man die tschechoslowakische Bevölkerung sagen:

''So viele Juden sind doch zurückgekehrt. Wahrscheinlich waren viele Löcher in den Gaskammern.''

(Reuven Assor: in 'Deutsche Juden in CSSR')

Denn es ging nämlich auch darum, den Überlebenden, den zurückgekehrten Juden beziehungsweise deren Kindern, die inzwischen sehr liebgewordenen Wertgegenstände, Wohnungen und dergleichen wieder zu retournieren. Und darin taten sich etliche Tschechen und ein Großteil der Slowaken überaus schwer; und wenn sie es tun mußten, dann taten sie es mit großem Unwillen.

Auch in den Reihen der tschechoslowakischen Auslandsarmee, die in England und Frankreich tätig war, und wo etliche tschechoslowakische Juden dienten, kam es oft zu antisemitischen Beleidigungen, ja sogar zu Prügeleien, es traf dann besonders die deutschsprachigen Juden.

Vaclav Kopecky, der in der UdSSR tätig war, schrieb in einem Artikel, der am 15. Juli 1944 in der tschechischen Zeitung ''Ceskoslovenske Listy'', die in der Sowjetunion herauskam, daß er den Antisemitismus als 'reaktionäre und faschistische Doktrin' verurteile, daß aber Juden, 'die sich zum Deutschtum bekennen, in der befreiten Tschechoslowakei den Deutschen gleichgestellt' werden würden.

Immerhin bekannte sich ein Viertel der Juden die überlebt hatten zur Deutschen Sprache. Vielen Juden stellte man künstliche Hindernisse in den Weg und die CSSR-Bürokratie bearbeitete diverse Ausreiseanträge in einem boshaften Schneckentempo. Denn der Hauptgedanke dabei war: wie man um die Rückerstattung des jüdischen Besitzes herumkommen könne.

Mit der Umwandlung der Tschechoslowakei in einen kommunistischen Staat, im Februar 1948, wurde diesem Treiben sowieso ein Schlußpunkt gesetzt, da ja jegliches Eigentum - auch tschechoslowakisches und deutsches - ohnehin verstaatlicht wurde. Die sogenannten Kapitalisten, das waren Personen, die vor dem Krieg Fabrikanten, Geschäftsleute und Hausbesitzer waren, kamen erneut in ein Lager, diesmal nämlich zur politischen Umerziehung.

Zwischen den Jahren 1945 bis 1953 wanderten rund 24.000 Juden nach Israel und Übersee aus. Ferner fielen 1950 jüdische Institutionen wie z.B. Zionistische Vertretungen, Hilfswerke von Joint und ORT und ähnliches, unter das Verbot ausländischer Organisationen.

Und zur allgemeinen Verschärfung der ohnehin schon schwierigen Lage der tschechischen Juden, trug ferner noch der politisch-antisemitische Prozeß vom 20. bis 27 November 1952, gegen Rudolf SLANSKY (1901-1952) bei. Der Hauptangeklagte Slansky, gehörte seit 1921 der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei an und wurde 1929 in das ZK und in das Präsidium der Partei gewählt.

Nach dem Exil in Moskau und dem erfolgreichen Einsatz im slowakischen Nationalaufstand 1944 machte Slansky als Generalsekretär, die KPC zur mitgliederstärksten Partei der CSSR. Sein Rivale, Klemens Gottwald erhielt von Stalin die Zustimmung zur Entmachtung (6.Sept.1951) und Verhaftung (Nov.1951) Slansky's.

Der antisemitisch geprägte Schauprozeß stand übrigens in direktem Zusammenhang mit den ähnlichen Kampagne in der Sowjetunion.

Den Beklagten wurde die Schuld der desolaten Wirtschaftslage und eine, 'titoistische und zionistische', d.h. staatsfeindliche Verschwörung nachgesagt. Unter den 14 Angeklagten befanden sich elf Juden. Acht von ihnen wurden zum Tode durch den Strang, andere zu lebenslänglicher Haft verurteilt.

Am 22. Aug. 1963 hob der Oberste Gerichtshof der Tschechoslowakei das Gerichtsurteil zwar auf, aber das weitere Leben der tschechoslowakischen Juden wurde - wie das der anderen osteuropäischen Juden auch - fortan durch die außenpolitische Situation Israels, d.h. durch die isr. Siege dem Sechs-Tage-Krieg (1967) und dem Jom-Kippur-Krieg (1974) sowie durch andere arabisch-palästinensische Konflikte bestimmt.

Heute leben etwa noch 18.ooo Juden in der ehemaligen Tschechoslowakei, verteilt auf die beiden größten Städte Prag mit Umgebung etwa 4.000, Bratislava (Preßburg) mit rund 2.000, gefolgt von Brno (Brünn), Galanta, Karlsbad und Marienbad, Kosice, Ostrawa und Plzen (Pilsen).

Ferner erscheint wieder eine jüdische Monatsschrift in tschechischer und ein Informationsbulletin in englischer Sprache.


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