Es ist eine Binsenweisheit: Die Integration von Migranten in die Aufnahmegesellschaft funktioniere nur über Bildung. Der Glaube an dieses Axiom geht so weit, dass Elisabeth Niejahr (“ZEIT”) im “Presseclub” davon sprechen konnte, Thilo Sarrazin habe mit seinem Buch die Debatte über ein vermeintliches Migrationsproblem losgetreten, das in Wirklichkeit ein Bildungsproblem sei.
In der Tat: Die meisten Studien zeigen positive Korrelationen von hohen Bildungsabschlüssen mit so gut wie allem, was wünschenswert scheint: Arbeitsmarktbeteiligung, Gesetzestreue, zivilgesellschaftliches Engagement usw. Bei allem berechtigten Fordern nach besserer Bildung darf man aber folgende zwei Punkte nicht vergessen:
Auch für die heutigen Jugendlichen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, die es nicht bis zum Abitur geschafft haben, muss es frustrierend sein, die Politiker und die Medien ständig davon reden zu hören, nur mit hohen Bildungsabschlüssen könne man überhaupt als integriert gelten oder es zu irgendetwas bringen. Natürlich werden durch den Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt immer weniger einfache Tätigkeiten nachgefragt, weshalb durch höhere Schulabschlüsse die Chancen auf eine Beschäftigung steigen und damit die Chance auf “Integration”, auf Eingliederung in die Gesellschaft. Aber keine Gesellschaft, selbst eine moderne Dienstleistungsgesellschaft, kann 100% eines Jahrgangs zum Abitur führen. Es wird immer auch Bedarf für einfache Tätigkeiten geben und es wird auch immer Menschen geben, die nicht das Zeug zum Atomphysiker haben. Diesen Leuten darf man nicht ihre Daseinsberechtigung absprechen, indem man sich nur auf Abiturientenquoten versteift.
Oftmals kommt der Fehlschluss auch zustande, weil Ursache und Wirkung gleichgesetzt werden: Bildung soll die Voraussetzung für Integration sein, “Integriertheit” jedoch wird wiederum über Bildungsniveau gemessen. Auf diese Art definiert man sich das Integrationsproblem künstlich zu einem reinen Bildungsproblem um. Alle Überfremdungsängste in der Bevölkerung sind somit irrational, denn das einzige, was benötigt wird, ist mehr Geld für Bildung, für mehr Lehrer und kleinere Klassen und mehr Förderkurse. Am meisten vor den Kopf gestoßen müssten sich diejenigen vorkommen, die seit Jahrzehnten ehrliche Arbeit verrichten und deren Integration ganz ohne Förderkurse und in Klassengrößen von 40 und mehr gelang.
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