"Das peruanische Volk will eine Diktatur!"

Autoritärer und nationalistischer Ex-General* Humala greift
im Andenstaat nach der Macht/Favorit bei Präsidentenwahl

von JAN-UWE RONNEBURGER
(Wiesbadener Kurier, 25.3.2006)
[Nachtrag von N. Dikigoros]

LIMA. Gut zwei Wochen vor der peruanischen Präsidentenwahl breitet sich Panikstimmung in der politischen und wirtschaftlichen Elite des Andenland aus. Grund ist der scheinbar unaufhaltsame Sturmlauf des extrem autoritären und nationalistischen Ex-Militärs Ollanta Humala Richtung Präsidentenpalast. Neuesten Umfragen zufolge liegt der 43-Jährige bei 32 Prozent der Stimmen und hat damit die konservative Lourdes Flores und Ex-Präsident Alan García (1985-1990) hinter sich gelassen. "Das Volk will offenbar eine Diktatur, und Ollanta gibt ihm, was es verlangt", brachte sein Bruder Ulises die Lage auf den Punkt.

Humala findet vor allem bei der verarmten Bevölkerungsmehrheit seine Anhänger. Für sie ist Demokratie kein Versprechen auf eine bessere Zukunft, sondern Synonym für Armut und Ungerechtigkeit. "Ollanta wird das korrupte Pack mit Stumpf und Stiel ausreißen und das Land endlich wieder nach vorne bringen", hofft etwa der fliegende Buchhändler Clemente Coral. In der Armenküche "Mujeres unidas" (Vereinte Frauen) in Limas Slum-Viertel Villa Maria del Triunfo löffelt er als Mittagessen Reis mit dicken Bohnen für umgerechnet 30 Cent.

Ollanta Humala hat im Leben nicht viel mehr als das Kriegshandwerk gelernt. Vater Isaac Humala, Ex-General, und Mutter Elena Tasso trimmten ihre sieben Söhne auf Nationalismus, Antisemitismus und eine militärische Laufbahn. Als sein großes Vorbild bezeichnet Humala den linken Militärdiktator Juan Velazco (1968-1975).

Dessen Wirtschaftsreformen endeten in einem Fiasko, aber unter der Flagge des Nationalismus versuchte er auch, das Selbstbewusstsein der Indios aufzuwerten. An den extremen Einkommens-Unterschieden zwischen Arm und Reich hat sich seither jedoch nicht viel geändert, und Humala weiß die Verbitterung der Massen geschickt zu nutzen.

Mit konkreten Aussagen hält er sich zurück, und wo er sich festlegt, beginnen die Widersprüche. Er wolle Schlüsselindustrien verstaatlichen, Lizenzen ausländischer Minengesellschaften zum Abbau von Bodenschätzen überprüfen und die "Peruaner wieder zu Herren im eigenen Haus machen". Zugleich aber soll das ausländische Kapital nicht vertrieben und die Wirtschaft angekurbelt werden. Geradezu haarsträubende Kommentare gelangen aus dem familiären Umfeld Humalas an die Öffentlichkeit. So forderte die Mutter, man solle nur einige Homosexuelle öffentlich erschießen, und schon werde es "weniger Unmoral" geben. Vater Isaac macht Schlagzeilen mit einem wirren Rassismus. In Lateinamerika sollten nur noch "Cobrizos" (Indios mit kupferfarbener Haut) leben dürfen.

Während die Humalas lange als Spinner belächelt wurden, bleibt der Oberschicht nun das Lachen im Halse stecken. "Wie kann es sein, dass nach zehn Jahren der Scham unter (Ex-Präsident) Alberto Fujimori (1990-2000) jetzt schon wieder mindestens ein Drittel des Volkes eine Diktatur mit gesteuerter Presse, manipulierter Justiz, Straflosigkeit und Verletzung der Menschenrechte will?", fragte Perus berühmtester Schriftsteller Mario Vargas Llosa. Der linke Soziologe Julio Cotler malt ein Schreckensbild an die Wand: "Unter Humala wird eine Million Peruaner ins Ausland fliehen, und eine weitere Million wird ähnlich brutal verfolgt werden, wie dies in Kuba oder Venezuela üblich ist."

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Nachtrag: Im Juni 2011 wurde Humala zum Präsidenten gewählt - in einer Stichwahl gegen Fujimoris Tochter Keiko.


*Humala war kein General, sondern nur Major. Er wurde nach einem mißglückten Putschversuch aus der Armee entlassen, Anm. Dikigoros.


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