HOLLAND  IM  WANDEL

[früher sagte man: "Holland in Not", Anm. Dikigoros]

Ist die Multi-Kulti-Gesellschaft am Ende?

von Johanna Metz (Aspekte, 7.11.2003)

Anmerkungen: Nikolas Dikigoros

Ein Blick zu den Nachbarn: In den Niederlanden, dem einstigen Musterland der Integration, hat sich der Ton gegenüber Einwanderern deutlich verschärft. Schon seit Monaten wird heftig über Kriminalität und soziale Probleme unter Immigranten diskutiert.

Forderungen nach einer schärferen Asylgesetzgebung werden immer lauter. Eine parlamentarische Untersuchungskommission soll nun bis Ende des Jahres die Ursachen und Konsequenzen dieses Stimmungswandels klären. Ist die offene Bürgergesellschaft letzten Endes an sich selbst gescheitert? [Nein - an den Immigranten, Anm. Dikigoros]

Schmelztiegel Amsterdam

Wer an Amsterdam denkt, dem steigt womöglich der Duft von Marihuana in die Nase. Legal kann man hier in einem der "Coffeeshops" an einem Haschkeks knabbern oder sich einen Joint genehmigen. Und das seit Jahren. Doch nicht nur wegen der liberalen Drogenpolitik ist das "Venedig des Nordens" für viele der Inbegriff von "Freiheit" und "Weltoffenheit". Menschen aller Kontinente und Hautfarben tummeln sich in der Grachtenstadt. Über 20 Moscheen und 15 buddhistische Tempel zeugen von ihrem kosmopolitischen Charakter.

Schon im 17. Jahrhundert hatte sich Amsterdam zur größten und reichsten Handelsstadt Europas entwickelt. Doch auch wenn von den vielen Kolonien der einstigen Seefahrernation nur ein kleines Archipel in der Karibik geblieben ist, die Vergangenheit scheint allgegenwärtig: Menschen aus Surinam, Java und den Antillen prägen das Straßenbild. Hinzu kommen zahlreiche Einwanderer aus der Türkei, Marokko und anderen arabischen Ländern.

Holland, Musterland?

Etwa drei Millionen Menschen ausländischer Herkunft leben gegenwärtig in den Niederlanden - deren Gesamteinwohnerzahl gegenwärtig circa 16 Millionen beträgt - fast 1,4 Millionen von ihnen sind Muslime. In Großstädten wie Den Haag und Rotterdam ist der Islam mittlerweile stärkste Religion.

Viele Jahrzehnte waren die Holländer stolz auf ihre scheinbar erfolgreiche Integrationspolitik. [Die Narren, Anm. Dikigoros - der immer gesehen, gesagt und geschrieben hat, wie es wirklich war!] Die Niederlande galten als vorbildlich in Europa, auch weil sie gemessen an ihrer geringen Einwohnerzahl die meisten Asylbewerber aufnahmen. Sie förderten die Sprache und Kultur der Einwanderer mit Subventionen in Milliardenhöhe und sorgten dafür, dass muslimische Kinder an bestimmten Schulen in Türkisch oder Arabisch unterrichtet wurden.

Zugeständnisse

Besondere Integrationsleistungen oder Zugeständnisse wurden von den Immigranten nicht erwartet. Vielmehr glaubte man, die eigene christliche Kultur dürfe nicht zu dominant werden. Ein Fehler? [Die Frage stellen heißt sie beantworten, Anm. Dikigoros] Diese "Integration unter Beibehaltung der eigenen Identität", so urteilt der niederländische Soziologe Paul Scheffler, sei einer der größten Fehler gewesen, den der Staat habe machen können.

Lange jedoch wurde diese Politik mehrheitlich toleriert. [Das stimmt so nicht - sie wurde vielmehr massiv gefördert, Anm. Dikigoros] Die europäischen Nachbarn schauten neidvoll auf das kleine, friedliche Land ohne nennenswerte Minderheitenprobleme. Doch die Stimmung kippt.

Rechtspopulismus im Aufwind

Nicht erst seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 steigt der Argwohn der Holländer gegenüber ihren muslimischen Mitbewohnern. Insbesondere mit dem Aufstieg des Rechtspopulisten Pim Fortuyn im letzten Jahr entflammte die öffentliche Debatte über "illegale Einwanderung" und "Kriminalität von Ausländern" in bislang ungekanntem Ausmaß. Fortuyn brach die Tabus, machte aus seinem Hass gegen Muslime keinen Hehl. Den Islam nannte er eine "rückständige Kultur". Zugleich wetterte er gegen illegale Zuwanderer und forderte, die Grenzen künftig dicht zu machen. Und seine Partei konnte mit solchen Parolen als stärkste Fraktion in das niederländische Parlament einziehen.

Die Welt schaute auf Holland und wunderte sich. Waren solche "populistischen Auswüchse" bislang nicht Frankreich, Österreich oder Belgien vorbehalten? Waren es nicht die Herren Le Pen, Haider und Vanhecke, die unablässig und zudem erfolgreich gegen Asylschmarotzer und Überfremdung "hetzten"? Was war los im Land der Tulpen und Windmühlen?

Pluralistische Gesellschaft im Kreuzfeuer

Es scheint, als weckte die ausländerfeindliche Polemik des ermordeten Politikers in den Niederlanden ein ganzes Rudel schlafender Hunde. Die viel beschworene Duldsamkeit der Holländer scheint ausgereizt. Heftig wird nun über die Schließung von Moscheen gestritten, über "Ausländer-Kriminalität" und infolge über radikale Ausweisung von Asylbetrügern. Erstmals wird allerdings auch deutlich, dass sich islamistische Kräfte über Jahre eine Parallelwelt aufbauen konnten, weitgehend ungestört von Staat und Justiz. Seit Monaten rufen einige Imame in ihren Gotteshäusern zum Dschihad gegen "Juden und Kreuzfahrer" auf.

Zusätzlich lastet die schwerste Wirtschaftkrise seit über 20 Jahren auf dem sozialen Sicherungssystem. Viele Einwanderer nehmen staatliche Hilfen in Anspruch. Die Arbeitslosigkeit in den Einwanderermilieus ist hoch, mit ihr steigt die Kriminalität. Weiterer Zündstoff in der Debatte.

Multi-Kulti adé?

[Wohl kaum, denn adé kommt von "adieu" - zu Gott. Richtig muß es hei-
ßen: "Multi-Kulti au diable!" - Multikulti zum Teufel, Anm. Dikigoros]

Im Jahre 2003 stellen sich in Frau Antjes buntem Biotop immer mehr Menschen die Frage, wie ihre freiheitlichen Ideale mit dem gewachsenen Sicherheitsbedürfnis in Einklang gebracht werden können. Der Blick für die Schattenseiten der multikulturellen Gesellschaft ist geschärft. Während über Jahre Spannungen verdrängt wurden, beherrschen nun Stigmatisierungen und Übertreibungen die Diskussion. Viele Eltern lehnen es ab, ihre Kinder mit "Farbigen" gemeinsam in die Schule zu schicken.

Sind dies Zeichen einer verfehlten Ausländerpolitik? Oder war die Vorstellung von einer multikulturellen Gesellschaft von vornherein eine Illusion? Nicht nur die Niederlande, ganz Europa steht zu Beginn des 21. Jahrhunderts am Scheideweg, wie und mit wem man zukünftig zusammen leben will [und vor allem, mit wem nicht, Anm. Dikigoros].


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