Ein Gottesstaat in Deutschland?

Radikale Islamisten auf dem Vormarsch

von Achmed Senjurt und Stefan Meining (Report aus München, 14.8.2000)

Köln, Müngersdorfer Stadion vor wenigen Wochen. Der Führer kommt. Necmetin Erbakan ist die unbestrittene Leitfigur von Milli Görüs. Hunderttausende Anhänger hören auf sein Wort. Immer wieder rufen sie: "Gotteskrieger Erbakan", "Gotteskrieger Erbakan".

Erbakans Ziel: Die Islamisierung der Welt. Sein politisches Programm: eine krude Mischung aus Islamismus, antiwestlichem Gedankengut und Antisemitismus.

Zitat:
"Der Zionismus ist ein Glaube und eine Ideologie, dessen Zentrum sich bei den Banken der New Yorker Wall Street befindet... Sie [die Zionisten] verstehen die Ausbeutung der anderen Menschen als Teil ihrer Glaubenswelt."

Skandalös auch die Nähe von Milli Görus gegenüber Holocaust-Leugnern und Rechtsradikalen. Noch im letzten Jahr empfahl das Sprachorgan der Milli Görüs, die Milli Gazette, ihren Lesern die Lektüre des antisemitischen Buches "Soykirim Yalani", auf deutsch: "Die Völkermordlüge". Damit nicht genug: Der Autor der judenfeindlichen Schrift, Harun Yahya, hat unter verschiedenen Aliasnamen im aktuellen Katalog des Milli Görus-Buchklubs seinen festen Platz.

Auch wegen solcher Verbindungen ist die Milli Görus nach wie vor ein Fall für deutsche Verfassungschutzbehörden:

Herbert Landolin Müller, Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg:
"Hinzu kommt ein anderes Moment. Ein solcher Autor wie der Genannte zeigt sich für mich als absolut antichristlich. Er ist für mich antijüdisch und die Äußerungen zum Holocaust zeigen auch, daß er im modernen europäischen Sinn auch antisemitisch ist. Also wir haben es hier mit einer Gedankenwelt zu tun, die sich für Deutschland in der Vergangenheit aufs schlimmste herausgestellt hat."

Trotz dieser erschreckenden Erkenntnisse hofiert die deutsche Politik die Islamisten. Beispiel Müngersdorfer Stadion. Der CDU-Kandidat für die Kölner OB-Wahlen im September ist sogar stolz hier zu sein:

Fritz Schrammer, CDU, amtierender Oberbürgermeister Köln:
"Dieses Fest aber ist ein schöner Anlass für die Welt, wieder einmal auf Köln zu schauen."

Eine Abgeordnete erklärt als Abgesandte des außenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion:

Ursula Heinen, CDU, MdB:
"Wir haben Gemeinsamkeiten, die Ausgangspunkt für den vor uns liegenden Weg sein können. Denn beispielsweise kommt das Zusammenleben in der Familie unserem Familienbild teilweise sehr, sehr nahe."

Christdemokraten als Wahlkämpfer bei den Gotteskriegern? Wie konnte es dazu kommen?

Ursula Heinen, CDU, MdB:
"Als die Einladung zu dieser Veranstaltung gekommen ist, habe ich überlegt und habe sie dann angenommen, weil ich das Gefühl hatte, daß es schon eine wichtige Sache ist, ins Gespräch zu kommen mit 20.000 bis 30.000 Menschen, die zu dieser Veranstaltung hingekommen sind, und ihnen eben auch meine Ideen zum Thema Integration zu vermitteln."

Zusammenarbeit mit den Islamisten auch im hohen Norden.
Rückblick: Bremen September 1997. Trotz massiver Warnungen des CDU-Innensenators nimmt die Islamische Föderation, die laut Verfassungsschutz Milli Görus nahesteht, an der Bremer Islamwoche teil. Milli Görüs wird für den Stadtstaat zu einem Gesprächspartner. Wie in Köln genügt ein einziger Brief und die Islamisten sind salonfähig:

Helmut Hafner, Referent für kirchliche Angelegenheiten beim Bremer Senat:
"An die Muslime hat niemand gedacht, weil sie in der Stadt nicht auftraten; und kurz danach kam ein Brief der Islamischen Föderation. Keiner wußte, wer ist das. Sie sagten, bitte lieber Bürgermeister, nimm zur Kenntnis in Bremen gibt es Muslime. Wir bitten um ein Gespräch, sehr höflich, sehr selbstbewusst und dann kamen sie, viele junge Leute dabei und regten an, eine Islamwoche zu organisieren und das haben wir gemacht, allerdings dann mit allen Muslimen dieser Stadt."

Und so sieht die Wirklichkeit aus. Berlin Kreuzberg. Nirgendwo sonst ist der Einfluss der Milli Görus so stark wie hier. Den Islamisten gehe es nicht um Integration, sondern um den Ausbau ihres Einflusses meint der türkische Sozialdemokrat Ahmet Iydirli. Er lebt seit 25 Jahren in Berlin. Mit Sorge beobachtet er die Entstehung einer Gegengesellschaft im Kiez:

Ahmed Iydirli, Türkische Sozialdemokraten in Berlin:
"Dieses Abkapseln führt zu einer Art Ghettobildung. Natürlich haben diese extremen Gruppen in geschlossenen Gesellschaften auch die Chance eigene Basis aufzubauen und entsprechend zu organisieren. In vielen Ecken, darunter in der Boppstraße ist diese Entwicklung in den letzten vier, fünf Jahren sehr sichtbar geworden."

Und wo die Islamisten wie hier in der Wrangelstraße den Ton angeben, ist es mit der Toleranz vorbei:

Ahmed Iydirli, Türkische Sozialdemokraten in Berlin:
"Im Kiez gibt sehr viele türkische Lebensmittelgeschäfte und in mehreren von diesen Geschäften werden keine alkoholischen Getränke verkauft, weil die Ladeninhaber von denen unter Druck gesetzt werden, daß sie diese Läden boykottieren würden, wenn sie alkoholische Getränke verkaufen würden."

Kritische Worte zum wachsenden Einfluss der Islamisten, die in einer wissenschaftlichen Studie der Berliner Ausländerbeauftragten fehlen. Lag es vielleicht daran? Laut Report-Recherchen sponserte ein islamischer Unternehmerverband die Schönwetterstudie mit 5000 Mark. Was verbirgt sich hinter Müsiad?

Herbert Landolin Müller, Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg:
"Diese Unternehmer, die die Müsiad bilden, sind ideologisch auch in diesem Bereich Milli Görüs eingebunden; und da habe ich auch noch keinen Hinweis bekommen, daß hier von dieser Seite außer dem oberflächlichen aus dem Bild schreiten, es eine inhaltliche Distanzierung gegeben hätte."

Report aus München konfrontierte die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John von der CDU in einem Interview mit diesen Zusammenhängen. Die Ausstrahlung wurde Report von Frau John untersagt. In dem Interview bestätigte sie jedoch den Sachverhalt.

John sagte:
"Da Berlin immer weniger Geld habe -das sei allen bekannt- habe die Ausländerbeauftragte des Senats Organisationen gebeten, sie bei der Veröffentlichung zu unterstützen; und dieser Verein, es handele sich um einen Verein von muslimischen Selbständigen, habe dafür 5.000 Mark zur Verfügung gestellt."

Zurück in Berlin-Kreuzberg bei Ahmed Iydirli und seinen Mitstreitern: Während sich die große Mehrheit der Muslime und Türken den Fundamentalisten entgegen stellt, umgarnen CDU und SPD die lautstarke islamistische Minderheit. Kann so Integration gelingen?


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