Größte Geldvernichtung in der Geschichte

(Focus Online, Dezember 2001)

In diesem Jahr ist auf dem Börsenparkett so viel Geld verbrannt worden wie nie zuvor. "2001 geht als das Jahr der größten Kapitalvernichtung in die Annalen der Börse ein," sagte der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK), Klaus Scheider, am Montag.

Zu den größten Sündern unter den deutschen Unternehmen gehört laut SdK die Deutsche Telekom mit einer „Wertvernichtung“ von gigantischen 200 Milliarden Euro (rund 391 Milliarden Mark) binnen Jahresfrist. Ebenfalls auf der schwarzen Liste steht ein ehemaliges Vorzeigeunternehmen, der Autoriese Daimler-Chrysler. Trotz eines stabilen Aktienkurses in diesem Jahr hat der Konzern nach Angaben der SdK seit der Fusion mit Chrysler gut 50 Milliarden Euro (etwa 98 Milliarden Mark) Börsenwert verloren.

Ende des Traums von schnellen Geld

Ungleich brisanter sehen die Aktionärsschützer jedoch die Situation am krisengeschüttelten Neuen Markt der Börse. Nach dem inzwischen drastischen Kursrutsch sei kaum mehr mit einer nachhaltigen Erholung zu rechnen, teilte ein Sprecher der SdK mit. Privatanleger warteten nur auf eine erste Kurserholung, um erlittene Verluste durch schnelle Aktienverkäufe zu begrenzen. Professionelle Anleger könnten wegen der niedrigen Umsätze und der schlechten Aktienbewertungen ohnehin kaum noch in den Neuen Markt investieren.

Von den heute 342 Firmen notieren weniger als ein Fünftel noch über ihrem Aktienkurs bei Börsenstart. Der Kursrutsch des Index Nemax All Share seit seinem historischen Höchststand mit 8559 am 10. März vergangenen Jahres beträgt rund 85 Prozent. Die zum damaligen Zeitpunkt am Neuen Markt vertretenen 226 Firmen kommen nach SdK-Berechnungen nur noch auf einen Börsenwert von zusammen 30 Milliarden Euro – nach 234 Milliarden Euro im März 2000.

Der Neue Markt werde noch viele Jahre brauchen, um sich von diesem Kursdesaster auch nur annähernd zu erholen, glaubt der SdK-Sprecher. Auch die jüngsten Sanktionsmaßnahmen der Deutschen Börse AG dürften daran nichts ändern.

Die Skandale am Neuen Markt haben die Aktionärsschützer erstmals veranlasst, selbst Strafanzeigen zu erstatten. Dabei geht es um den Verdacht des Kursbetrugs, der Verbreitung falscher Unternehmensnachrichten, sowie illegale Börsengeschäfte zum eigene Vorteil. Betroffene Firmen sind unter anderem Infomatec, EM.TV, Metabox und die CAA AG. Die SdK räumt allerdings Schadensersatzklagen nur geringe Erfolgschancen ein. Die Beweislast liege in Deutschland fast ausschließlich auf Seiten der Anleger. "Da wirft man schlechtem Geld noch gutes Geld hinterher."