Franzose oder Gauner

Franzose oder Gauner

von Birgit Holzer

(Märkische Allgemeine, 10.08.2010)

Frankreich will kriminellen Ausländern die Staatsbürgerschaft entziehen

PARIS - Lies Hebbadj ist Frankreichs umstrittenster Muslim: willkommen und unwillkommen zugleich. Unwillkommen, weil er sich als gebürtiger Algerier, der 1999 durch Heirat mit einer Französin eingebürgert wurde, nicht an die „republikanischen Werte“ hält. Zum ersten Mal fiel er auf als Lebenspartner einer zum Islam konvertierten Französin, die im Frühjahr einen Strafzettel bekam, weil sie im Ganzkörperschleier Auto fuhr (MAZ berichtete). Als sie diese „Stigmatisierung“ in einer Pressekonferenz kritisierte, stand er schweigend, mit stolzem Blick, ein Palästinensertuch um den Kopf gebunden, neben ihr.

Umgehend ordnete Innenminister Brice Hortefeux, ein enger Vertrauter von Präsident Nicolas Sarkozy, Ermittlungen an, die ergaben, dass der 35-Jährige nicht nur Mitglied der als radikal geltenden islamischen Tabligh-Bewegung ist. Er lebt auch mit vier vollverschleierten Frauen in einer Wohnanlage im westfranzösischen Nantes zusammen. Da sie für die insgesamt 15 und bald 17 gemeinsamen Kinder Alleinerziehenden-Hilfe beziehen, wurde ein Verfahren wegen Sozialbetrugs eingeleitet, nicht aber wegen Hebbadjs Vielweiberei. Mit drei seiner Partnerinnen ließ er sich nur in religiösen Zeremonien trauen. „Geliebte zu haben, verbietet weder das französische noch das islamische Recht“, versetzte er.

Nun beschuldigt eine ehemalige Freundin Hebbadj, sie zwischen 2003 und 2007 misshandelt und vergewaltigt zu haben. Am Wochenende kam er in Untersuchungshaft, inzwischen ist er unter Auflagen wieder frei. Er sei Opfer einer besonders repressiven Politik, sagt seine Anwältin.

Auch wenn seine Schuld noch nicht bewiesen ist, dient Hebbadj dem Präsidenten und seinem Innenminister als Negativbeispiel par excellence: ein polygam lebender, gewaltbereiter Sozialschmarotzer mit verdächtigen Verbindungen ins Ausland. Die Sorte „Gauner“ also, denen Sarkozy einen „nationalen Krieg“ angedroht hat. Franzosen ausländischer Herkunft, die die Staatsautorität angreifen, müsse die Staatsbürgerschaft entzogen werden können.

Hortefeux arbeitet an einem Gesetzentwurf, der die Aberkennung der französischen Staatsbürgerschaft auch bei Polygamie und Beschneidung ermöglicht. Bislang kommt dies höchst selten, nur in Fällen von Spionage und Terrorismus, vor. Hortefeux will sie noch ausweiten auf „Ausländer, die ihrer Frau den Ganzkörperschleier aufzwingen und Ausländer, die sich weigern, Beamtinnen die Hand zu geben“. Und, das sagt er explizit, auf Lies Hebbadj.

Die linke Opposition und Menschenrechtsorganisationen reagieren alarmiert auf die scharfen Töne aus der Regierung. Sie klagen die pauschale Stigmatisierung von Ausländern an und werfen Sarkozy vor, er wolle mit der Konzentration auf die innere Sicherheit und der Verknüpfung von Kriminalität und Immigration Wählerstimmen vom rechten Rand abgraben und von den Problemen seiner Regierung ablenken.

Tatsächlich zeichnet sich in Umfragen eine breite Unterstützung für die angekündigten Schock-Maßnahmen ab, und Sarkozy versucht offensichtlich, möglichen Rechtspopulisten zuvor zu kommen. Man sei eben auf Linie mit der Gesellschaft, beglückwünschte sich Hortefeux. Industrieminister Christian Estrosi unterstrich dies mit einer besonders drastischen Forderung: „Unsere Gesetze akzeptieren oder verletzen – man muss sich entscheiden. Franzose oder Gauner – man muss sich entscheiden.“


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