Dreihunderttausend Übergewichtstote im Jahr sollten Amerika eigentlich zu denken geben. Aber Millionen heißhungrige Fast Food Fans lassen sich nicht so schnell ins Boxhorn jagen. Mund auf, Augen zu: Double Burger, Triple Burger, heiße Fritten, Cheese und Mayo, Speck und Schinken. Fünfmal in der Woche frequentiert ein Viertel der Bevölkerung die allgegenwärtigen Junk Food Ketten von MacDonald, Burger King, Jack in the Box und wie sie alle heißen. 90% aller Drei- bis Neunjährigen wachsen in den USA mit Happy Meals auf, Ronald MacDonalds zuckersüßer, superfetter Kinderfalle. Warum die gesundheitsbesessene, auf Fitness getrimmte Nichtraucher-Nation bei Fast Food ständig schwach wird, fragt man sich. Vielleicht mischt da ein Mythos mit: Fast Food gilt als patriotische Errungenschaft, als Nervennahrung und Seelentröster. Außerdem schmeckt das Futter gut und überall gleich, kommt schnell und ist billig. Diese unbestreitbaren Vorzüge bescheren der 1948 von den Brüdern MacDonald gegründeten Industrie mittlerweile einen Umsatz von 110 Milliarden Dollar im Jahr - mehr als die Amerikaner vergleichsweise für
Universitätsausbildung, Software-Produkte oder neue Autos ausgeben.
Auch der Journalist Eric Schlosser war früher ein unvoreingenommener Fast Food Fan. Bis er 1998 im Rolling Stone Magazin
mehrere Artikel zum Thema veröffentlichte, die er nun in einem gerade
publizierten Report verarbeitet hat, der Amerikas food industrial complex
unter die Lupe nimmt: den monströsen Koloss industrieller
Lebensmittel-Produktion. Fast Food Nation hat Schlosser seine Untersuchung
überschrieben und hinzugefügt: The Dark Side of the all American Meal.
Die Fast Food Story ist eine Geschichte aus dem
Nachkriegs-Amerika. Obwohl die Industrie vor gut 50 Jahren von einer
Handvoll Einzelkämpfer gegründet wurde, habe sie - so der Autor - die
Homogenisierung der US-Gesellschaft bewirkt, hätten Fast Food Restaurants
die Zersiedelung der Landschaft beschleunigt, die Kluft zwischen arm und
reich vertieft, eine Epidemie von Fettleibigkeit nach sich gezogen, die
Ausbeutung von Teenagern und illegalen Einwanderern aus Südamerika
institutionalisiert, den amerikanischen Kulturimperialismus nach Übersee
katapultiert. Er habe dennoch versucht, ein komplexes Bild zu zeichnen:
"Es lässt sich ja auch Gutes über die Industrie sagen. Etwa, dass sie die
arbeitende Bevölkerung schnell mit preiswertem Essen versorgt. Aber
billige Mahlzeiten könnten auch schnell geliefert werden, ohne dass jemand
unter bösen Konsequenzen zu leiden hat."
"Böse Konsequenzen", für
Fast Food Kunden heißt das Fleisch von minderwertiger Qualität. Chicken,
Beef und Burger riechen zwar gut, aber nur weil ein künstliches Aroma ihre
wahre Herkunft vernebelt. Natural Flavor ist der Duft, der sich gnädig
über Rindfleisch legt, das zu Lebzeiten mit Abfallprodukten toter Tiere
gemästet wurde, mit industriell verarbeiteten Schweine-, Pferde- und
Geflügelresten. Bis 1997 aus England die ersten Rinderwahn-Ängste
herüberschwappten, durften auch tote Hunde, Katzen und die Reste von
Artgenossen verfüttert werden. Insgesamt zählt Amerika so pro Jahr etwa 76
Millionen Lebensmittelvergiftungen.
Doch den
Lebensmittel-Konzernen ist es gelungen, die zuständigen Politiker aus
Washington mit fetten Wahlkampfspenden auf Abstand zu halten. Höchst
selten lässt sich in den großen Firmen ein Inspektor der regierungseigenen
Arbeitsschutzbehörde sehen. Wenn es zwischendurch unangenehme Pannen mit
verdorbenem Fleisch geben sollte, bleibt es der Company vorbehalten, einen
Rückruf zu veranlassen. Schadenshaftung hat sich die Industrie verbeten.
Fast Food Nation ist in kürzester Zeit ein Bestseller geworden.
Kritiker und Leser sind gleichermaßen verschreckt und empört. Niemand hat
so richtig gewusst, welches Risiko mit den populären Happy Meals verbunden
ist und wie teuer der Billigfraß der Gesellschaft letzten Endes zustehen
kommt. Ob der Alarm verhallt oder als Appetitzügler wirkt? Vielleicht
lässt sich die Zahl der Fettleibigen ja ohne BSE oder MKS
verringern.
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