Zumindest im Fußballstadion bleibt Industrie-Kapitän Rinat Achmetow in der Ukraine weiter unbestrittener Oligarchen-Chef. Mit 2:1 sicherte sich sein Club
Schachtjor Donezk in der Verlängerung des Entscheidungsspiels gegen den punktgleichen Dynamo Kiew die dritte Meisterschaft der Clubgeschichte. Mit dem Titel nahm für den 39-jährigen Imperiums-Chef der Industrie-Holding SCM ein auch persönlich sehr wechselhaftes Fußballjahr ein versöhnliches Ende. Denn vor
Jahresfrist hatten die Gazetten schon das Ende der Oligarchen-Herrlichkeit angekündigt.
Die im orangen
Revolutionsrausch verfassten Grabesreden haben sich indes als
vorschnell erwiesen. Zwar hat sich das Kräfteverhältnis der
Industrie-Kapitäne gewandelt, haben ausländische Konzerne nun einen
besseren Zugang zur lange abgeschirmten Schlüssel-Industrie. Doch
die meisten inzwischen auch international als Geschäftspartner
geschätzten Mogule sitzen fester als je zuvor im
Oligarchen-Sattel.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion hatten
sich frühere Direktoren, ehemalige Parteikader und Glücksritter zu
Beginn der 90er die einstigen Staatsbetriebe einverleibt. Oft blutig
fochten die mit der Politik eng verquickten Industrie-Barone in den
turbulenten Wildwest-Jahren der Ukraine ihre Verteilungskämpfe aus.
Für eine erste Zivilisierung der Wirtschaft sorgte Mitte der 90er
Jahre der heutige Präsident Wiktor Juschtschenko. Mit der Einführung
der Nationalwährung Griwna stoppte er 1996 als Notenbank-Chef die
Hyperinflation. 1999 wurde er Premier und sorgte gemeinsam mit
seiner Energieministerin Julia Timoschenko mit ersten Versuchen zur
Eindämmung der Schattenwirtschaft für eine höhere Steuermoral der
Unternehmen.
Doch bis Ende 2004 blieben die Besitzstrukturen
in der Ära des Skandal-Präsidenten Leonid Kutschma unangetastet.
Sponsoren des Systems konnten zum Schleuderpreis die Rosinen des
privatisierten Staatseigentums erwerben. Je näher der Umgang mit den
Entscheidern in der Politik, desto größer die Beute: Zu den
reichsten Magnaten stiegen mit dem Donetzker Oligarchen Achmetow der
Finanzier des damaligen Premiers und mit dem Dnjepepotrowsker
Clan-Chef Wiktor Pintschuk der Schwiegersohn von Präsident Kutschma
auf.
Nicht nur gegen Wahlfälschung, sondern auch gegen
Klüngel-Wirtschaft und Oligarchen-Macht zogen die Demonstranten der
Revolution auf die Straße. Juschenkow wurde hernach Präsident, kürte
seine Mitstreiterin Timoschenko im Februar 2005 zur
Regierungschefin. Diese erklärte die Annullierung dubiöser
Privatisierungen zu einer ihrer wichtigsten Vorhaben. Kiew machte
tatsächlich den spektakulärsten Firmenraub wieder rückgängig. Das
landesweit größte Stahlwerk Kriworoschstal, das sich Achmetow und
Pintschuk in trauter Gemeinsamkeit zum Schleuderpreis von 800
Millionen Dollar angeeignet hatten, wurde wieder verstaatlicht - und
zum sechsfachen Preis an die indische Mittal-Gruppe versteigert.
Doch nicht nur weil sich die einstigen Partner verkrachten,
Juschtschenko die ihm zu forsche Timoschenko im September 2005 vor
die Türe setzte, blieb das Großreine-Machen aus. Das Wachstum brach
2005 ein. Um die Investoren nicht noch mehr zu verunsichern, hat
Kiew die Überprüfung früherer Privatisierungen weitgehend
eingestellt.
Gewinner und Verlierer
Manche der Oligarchen
haben seit der orangen Zeitenwende an Einfluss und Macht eingebüßt,
andere von der Nähe zu den neuen Machthabern deutlich profitiert. Zu
den Gewinnern zählen Banken-Mogul Ihor Kolomojski oder Schokokönig
Petro Poroschenko, einer der wichtigsten Finanziers von
Juschtschenko. Zu den Verlierern gehört Ex- Präsidialamt-Chef Wiktor
Medwetschuk, der bis vor kurzem gemeinsam mit Dynamo-Chef Gregory
Surkis noch das Wirtschaftsleben der Hauptstadt kontrollierte. Um
eine Milliarde Dollar ist 2005 auch das geschätzte Vermögen von
Pintschuk geschrumpft. Achmetow hat sich indes berappelt und seine
Position konsolidiert.
In sein wieder expandierendes Firmenimperium hat der Clan-Chef westliche Berater geholt, die vor allem im Westen erfolgreich um die Gunst internationaler Partner buhlen. Wie viele andere Großindustrielle des Landes hat sich der findige Achmetow bei der Parlamentswahl im März zudem mit Hilfe
einer Zweitkarriere als Politiker gegen mögliche Nachstellungen der Justiz abgesichert. Als Abgeordneter der von ihm gesponserten "Partei der Regionen" genießt er Immunität.
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