Ukraine: Das Ende der Oligarchen-
Herrlichkeit ist ausgeblieben

Die Orangenrevolution in der Ukraine hat lediglich das
Kräfteverhältnis der Wirtschaftsmagnaten verändert

Gegen Klüngelwirtschaft und Oligarchenmacht demonstrierten die Ukrainer während
der Orangenrevolution 2004. Zwar hat die Zeitenwende manchen Mogul Einfluß
und Geld gekostet. Doch die Macht der Industrie-Kapitäne ist ungebrochen.

(von Thomas Roser/Frankfurter Rundschau, 27.05.2006)

Zumindest im Fußballstadion bleibt Industrie-Kapitän Rinat Achmetow in der Ukraine weiter unbestrittener Oligarchen-Chef. Mit 2:1 sicherte sich sein Club Schachtjor Donezk in der Verlängerung des Entscheidungsspiels gegen den punktgleichen Dynamo Kiew die dritte Meisterschaft der Clubgeschichte. Mit dem Titel nahm für den 39-jährigen Imperiums-Chef der Industrie-Holding SCM ein auch persönlich sehr wechselhaftes Fußballjahr ein versöhnliches Ende. Denn vor Jahresfrist hatten die Gazetten schon das Ende der Oligarchen-Herrlichkeit angekündigt.

Die im orangen Revolutionsrausch verfassten Grabesreden haben sich indes als vorschnell erwiesen. Zwar hat sich das Kräfteverhältnis der Industrie-Kapitäne gewandelt, haben ausländische Konzerne nun einen besseren Zugang zur lange abgeschirmten Schlüssel-Industrie. Doch die meisten inzwischen auch international als Geschäftspartner geschätzten Mogule sitzen fester als je zuvor im Oligarchen-Sattel.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion hatten sich frühere Direktoren, ehemalige Parteikader und Glücksritter zu Beginn der 90er die einstigen Staatsbetriebe einverleibt. Oft blutig fochten die mit der Politik eng verquickten Industrie-Barone in den turbulenten Wildwest-Jahren der Ukraine ihre Verteilungskämpfe aus. Für eine erste Zivilisierung der Wirtschaft sorgte Mitte der 90er Jahre der heutige Präsident Wiktor Juschtschenko. Mit der Einführung der Nationalwährung Griwna stoppte er 1996 als Notenbank-Chef die Hyperinflation. 1999 wurde er Premier und sorgte gemeinsam mit seiner Energieministerin Julia Timoschenko mit ersten Versuchen zur Eindämmung der Schattenwirtschaft für eine höhere Steuermoral der Unternehmen.

Doch bis Ende 2004 blieben die Besitzstrukturen in der Ära des Skandal-Präsidenten Leonid Kutschma unangetastet. Sponsoren des Systems konnten zum Schleuderpreis die Rosinen des privatisierten Staatseigentums erwerben. Je näher der Umgang mit den Entscheidern in der Politik, desto größer die Beute: Zu den reichsten Magnaten stiegen mit dem Donetzker Oligarchen Achmetow der Finanzier des damaligen Premiers und mit dem Dnjepepotrowsker Clan-Chef Wiktor Pintschuk der Schwiegersohn von Präsident Kutschma auf.

Nicht nur gegen Wahlfälschung, sondern auch gegen Klüngel-Wirtschaft und Oligarchen-Macht zogen die Demonstranten der Revolution auf die Straße. Juschenkow wurde hernach Präsident, kürte seine Mitstreiterin Timoschenko im Februar 2005 zur Regierungschefin. Diese erklärte die Annullierung dubiöser Privatisierungen zu einer ihrer wichtigsten Vorhaben. Kiew machte tatsächlich den spektakulärsten Firmenraub wieder rückgängig. Das landesweit größte Stahlwerk Kriworoschstal, das sich Achmetow und Pintschuk in trauter Gemeinsamkeit zum Schleuderpreis von 800 Millionen Dollar angeeignet hatten, wurde wieder verstaatlicht - und zum sechsfachen Preis an die indische Mittal-Gruppe versteigert. Doch nicht nur weil sich die einstigen Partner verkrachten, Juschtschenko die ihm zu forsche Timoschenko im September 2005 vor die Türe setzte, blieb das Großreine-Machen aus. Das Wachstum brach 2005 ein. Um die Investoren nicht noch mehr zu verunsichern, hat Kiew die Überprüfung früherer Privatisierungen weitgehend eingestellt.

Gewinner und Verlierer

Manche der Oligarchen haben seit der orangen Zeitenwende an Einfluss und Macht eingebüßt, andere von der Nähe zu den neuen Machthabern deutlich profitiert. Zu den Gewinnern zählen Banken-Mogul Ihor Kolomojski oder Schokokönig Petro Poroschenko, einer der wichtigsten Finanziers von Juschtschenko. Zu den Verlierern gehört Ex- Präsidialamt-Chef Wiktor Medwetschuk, der bis vor kurzem gemeinsam mit Dynamo-Chef Gregory Surkis noch das Wirtschaftsleben der Hauptstadt kontrollierte. Um eine Milliarde Dollar ist 2005 auch das geschätzte Vermögen von Pintschuk geschrumpft. Achmetow hat sich indes berappelt und seine Position konsolidiert.

In sein wieder expandierendes Firmenimperium hat der Clan-Chef westliche Berater geholt, die vor allem im Westen erfolgreich um die Gunst internationaler Partner buhlen. Wie viele andere Großindustrielle des Landes hat sich der findige Achmetow bei der Parlamentswahl im März zudem mit Hilfe einer Zweitkarriere als Politiker gegen mögliche Nachstellungen der Justiz abgesichert. Als Abgeordneter der von ihm gesponserten "Partei der Regionen" genießt er Immunität.


zurück zu Sonnenblumen und Schwarzer Ginster

zurück zu Reisen durch die Vergangenheit