DER CRASH VON 1997

von Günther Ruffert (1927-2010)

Als kürzlich George Soros auf einem Seminar in Bangkok zum Thema Globalisierung sprechen wollte, ging ein Aufschrei durch den Blätterwald. Man machte Soros und seinen Hedge Fond als Hauptschuldigen für das finanzielle Desaster von 1997 verantwortlich, und tönte laut, daß es der Stolz der Thais nicht zulasse, daß solch ein Mann das Land, das er angeblich beraubt und in den Staatsbankerott getrieben hat, betritt. Die NOC Gruppe der Thailändischen Patrioten kündigte an, daß man ihn mit Eiern und Tomaten, wenn nicht mit noch schlimmeren Dingen empfangen würde. Verständlicherweise sagte Soros darauf seinen Auftritt in Bangkok ab, und die Thais versäumten damit die Gelegenheit, aus berufenem Munde einmal zu erfahren, wie die globale Finanzwirtschaft heute tatsächlich funktioniert, und welches die wirklichen Ursachen für die von Thailand ausgehende, mit der Abwertung des Bahts beginnende Asienkrise von 1997 waren.

An der erbarmungslosen Spekulation gegen den Baht, die schließlich die Regierung Chavalit zwang, nachdem sie alle Devisenreserven des Landes beim vergeblichen Versuch den Baht zu retten verspielt hatte, den Baht-Wechselkurs freizugeben, hat sicherlich auch Soros verdient. Man muss aber nicht Volkswirtschaft studiert haben, um zu erkennen, wer tatsächlich die Schuld an dem finanziellen Niedergang des Landes und den daraus resultierenden Problemen hatte, durch die die WirtschaftThailands, so wie es heute aussieht, nicht nur um ein paar Jahre zurück geworfen wurde, sondern seinen Platz unter den so genannten Tigerstaaten für lange Zeit verloren hat.

Die Wurzeln des Problems lagen in der wie eine Seifenblase aufgeblasenen Konjunktur, mit jährlichen Zuwachsraten um 10%, die nicht durch Arbeit und gefertigte Produkte genährt wurde, sondern zum großen Teil durch im Ausland aufgenommene Milliardenkredite. Die feste Bindung des US Dollars an den Baht machte es zusammen mit dem tatsächlich absinkenden inneren Wert des Bahts möglich, Riesenkredite aufzunehmen, die bei dem eingefrorenen Dollar-Baht Wechselkurs immer billiger wurden. Mit dem Geld wurden vor allem Bauvorhaben finanziert, bei denen schon von vornherein feststand, daß sie nie genug Rendite abwerfen würden, um die Zinsen und die Amortisation des Kapitals zu bezahlen. Hier sind allerdings die ausländischen Banken mitschuldig, die ihre Gelder den Thais, die eine gute Rendite versprachen, regelrecht aufdrängten, ohne sich vorher darüber zu informieren, daß Thais in der Regel nicht daran denken, geborgtes Geld zurückzuzahlen. So machten neben den Spekulanten vor allem auch alle die Leute in Regierungsstellungen ein Vermögen, die vorher ordentlich geschmiert werden müssen, um selbst für unsinnige, oder den geltenden Vorschriften widersprechende Bauvorhaben die erforderlichen behördlichen Genehmigungen zu bekommen.

Als die Sache den Kreditgebern schließlich mulmig wurde, und ihnen schwante, daß sie ihr Geld nie mehr wieder sehen, oder bestenfalls in stark abgewerteten Baht zurückbekommen würden, begannen die Leute, die sich klar darüber waren, daß die Dollar-Baht Bindung über kurz oder lang fallen würde, Riesenbeträge an Baht auf Termin zu verkaufen. Das waren natürlich Finanzmanager die wissen wo es lang geht, aber auch, vor allem in den letzten Tagen vor der Baht Abwertung, die Leute in Thailand die Bescheid wußten, also vor allen der Regierung angehörende oder nahestehende Leute mit Insiderwissen. Die Regierung, unter dem damaligen Ministerpräsidenten Chawalit, der sich bei seinen Entscheidungen weniger von sachverständigen Leuten, als von den Wahrsagern seiner Frau beraten ließ, versuchte durch Bahtaufkäufe solange dagegen zu halten, bis die Devisenreserven des Landes völlig erschöpft waren. Der unvermeidliche Absturz war dann um so härter. Der Baht verlor binnen weniger Tage die Hälfte seines Werts gegenüber dem Dollar. Alle Firmen und Finanzinstitutionen, die Dollarkredite aufgenommen hatten, waren nun erst recht nicht in der Lage, das Geld zurück zu zahlen, da sie dazu die doppelte Summe in Baht benötigten, die sie seinerzeit für die Dollarkredite erlöst hatten. Eine ganze Reihe von Finanzinstituten brach daraufhin zusammen, nicht ohne daß einige Generaldirektoren schnell aus dem Vermögen ihrer Firmen und Banken noch ein paar Milliarden beiseite brachten und damit ins Ausland türmten. Die Zeche zahlten aber vor allem die kleinen Leute, da viele Bauvorhaben eingestellt werden und Fabriken schließen mußten, und die vor allem aus dem Isaan stammenden Arbeiter plötzlich auf der Straße standen. Durch die Bahtabwertung wurden natürlich auch alle aus dem Ausland eingeführten Produkte, vor allem Treibstoffe und Maschinenteile teurer, so daß die armen Bauern im Isaan noch ärmer wurden, als sie schon waren. Zusammengefaßt also ein klassisches Lehrbeispiel dafür, wie sich globale Entwicklungen auf ein Land und eine Bevölkerung mit der Mentalität der Thais auswirken.

Interessant ist aber nun, welche Lehren die Thais aus all dem zogen. Da ein Thai, vor allem in gehobener Stellung, nie zugeben wird, daß er etwas falsch gemacht hat, er könnte ja sein Gesicht verlieren, mußten Sündenböcke gesucht werden. Hier boten sich vor allem Leute wie Soros an, der mit den ihm zur Verfügung stehenden Finanzmitteln natürlich die Möglichkeit genutzt hatte, an der vorhersehbaren Bahtabwertung Geld zu verdienen. Als weitere Sündenböcke wurden dann der Weltwährungsfond und die Weltbank ausgemacht, die zwar in höchster Not der Thairegierung mit vielen Milliarden Dollars zur Hilfe gekommen waren, aber die Hergabe dieser Kredite mit strengen Auflagen zur Erholung des Staatsbudgets und des Finanzmarktes verbunden hatten. Die Regierung Chuan Lekpais verwendete diese Kredite aber weniger dazu, die Notlage der Bevölkerungsgruppen zu lindern, die am meisten von den Folgen des Crashs betroffen wurden, sondern vor allem dazu, die Banken und Finanzinstitute aus der selbst verschuldeten Misere zu ziehen. Tatsächlich hatten sich also die Reichen ganz gut aus der Affäre gezogen, und der Masse des Volkes, das heißt dem Steuerzahler die Bezahlung der Rechnung überlassen.

Da von der ungebildeten Masse der Bevölkerung nicht erwartet werden kann, daß sie die zu der derzeitigen Misere führenden komplizierten Zusammenhänge erkennt, hatten es die tonangebenden Stellen recht einfach, der Bevölkerung einzureden, daß Soros und der Weltwährungsfond an allem Schuld sind, nicht aber die korrupten eigenen Politiker, die eigenen gierigen Kapitalisten, und eine unfähige Regierung, bzw. inkompetente und korrupte Beamte. Schon damals wurde zwar behauptet, daß Angehörige der Regierung und ihre Freunde ihr Insiderwissen genutzt haben, um mit der Bahtabwertung gewaltige Gewinne zu machen. Niemand von denen ist aber je zur Rechenschaft gezogen worden.

Die Leute, die mobilisiert wurden, um lautstark gegen den Besuch Soros protestieren, sind also tatsächlich der Meinung, daß es der Clique aus Politikern, Generälen und Bankern darum geht, die die Ehre des Landes zu verteidigen. Anstatt ihnen die Eier und Tomaten zu widmen, die sie Soros zukommen lassen wollten, machen sie sich zum Sprachrohr dieser "Elite", mit dem Erfolg, daß nach den kürzlich stattgefundenen Neuwahlen zwar mit Thaksin ein neuer Kapitän das Steuer übernahm, dabei aber weitgegend die Leute wieder an den Rudern der Thaitanic sitzen, die wie die ehemaligen Ministerpräsidenten Barnharn und Chavalit das Land an den Rand des Abgrunds geführt haben. Es sitzen noch dieselben Leute in den einflussreichen Stellungen, die nie aufgehört haben, sich die eigenen Taschen auf Kosten ihrer Landsleute zu füllen, und die deren sprichwörtlich buddhistische Tugend, allen Konflikten moeglichst aus dem Weg zu gehen ausnutzen , um weiter so zu verfahren wie bisher.


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