Prinzipien sind keine Gute Nachricht

Bemerkungen zu einem bemerkenswerten Buch von Peter P. Klassen

Was kommt dabei heraus, wenn sich jemand, der einen guten Teil seines Lebens Fragen des Friedens und der Gewalt(freiheit) bewegt hat, mit dem erzählerischen Werk eines mennonitischen Historikers aus Paraguay zu genau diesem Thema auseinandersetzt? Wolfgang Krauß über "Die schwarzen Reiter", das neue Buch des Autors Peter P. Klassen.

"Wenn keine Obrigkeit da war, griffen auch Mennoniten zum Gewehr - und wer will sie dafür kritisieren, dass sie ihr Leben und Eigentum zu schützen versuchten?" Diese wohl rhetorisch gemeinte Frage stellt Peter J. Foth in einer Rezension im "Gemeindebrief der Mennonitengemeinde Enkenbach" 2/2000.

Ende April durfte ich Peter P. Klassen oder Pit, wie ihn seine Freunde nennen, in Filadelfia, im paraguayischen Chaco, begegnen. Er zeigte sich verwundert, dass sein neues Buch, "Die schwarzen Reiter", so freundlich aufgenommen werde. Eigentlich hätte er erwartet, dass vor allem die Prediger es auf den Kanzeln zerreissen würden. Schließlich gehe er doch mit dem Prinzip der Wehrlosigkeit und seiner Umsetzung in die gesellschaftliche Realität nicht gerade zimperlich um. Dafür jedoch, meine ich, können wir Peter Klassen nicht genug danken: nämlich, dass er zum einen gnadenlos das Dogma der Wehrlosigkeit demontiert, dass er zum anderen mit großem Respekt bewegende Lebensbeispiele von einzelnen und Gemeinschaften sammelt, anschaulich nacherzählt oder historisch präzise nach-erfindet.

Zerfallsprodukte

Die Erzählungen beginnen mit der Geschichte der preußischen Gemeindeältesten, die zur Bewahrung des Privilegs der persönlichen Wehrfreiheit während der Militarisierung Preußens ab den "Befreiungs"kriegen zu vielen Mitteln greifen und doch am Ende scheitern. Das Privileg können sie zwar einigermaßen erhalten, ihre Gemeindeglieder jedoch nicht mehr überzeugen, dass sie auf ihrem Vorrecht bestehen und den Wehrdienst verweigern oder wenigstens unbewaffneten Dienst tun sollen. Erschütternd zu lesen, was da alles aufgebracht wurde von "freiwilligen" Geld- und Pferdespenden ans Militär bis zu Zwangskontributionen, Schutzgeldern und Ersatzmännern. Verständlich, dass die nicht-mennonitische Bevölkerung sich empörte und den recht modern klingenden Sprechchor anstimmte: "Pferde für Menschenblut! Eure Pferde für unser Leben!" Nachvollziehbar auch, dass die jungen Männer bald nicht mehr verstanden, warum sie zwar für den Krieg zahlen, aber nicht selbst kämpfen sollten. Irgendwas schien falsch gelaufen zu sein mit dem Prinzip der Wehrlosigkeit.

PPK scheint in Prinzip und Privileg das täuferische Ideal zu sehen. Dabei sind sie schon "Zerfallsprodukte" der ursprünglich täuferischen Haltung "aggressiver" Gewaltfreiheit und Herrschaftskritik, wie sie etwa das Schleitheimer Bekenntnis formuliert. Diese ehemals die ganze Gesellschaft herausfordernde radikale Haltung ist anfang des 19. Jahrhunderts einem lammfrommen Wenn-nur-unsere-Gemeindeglieder-nicht-selbst-schießen-müssen-Pazifismus, eben der Wehrlosigkeit, gewichen. Bezeichnend die Antwort als der preußische Kriegsminister die mennonitischen Ältesten fragt, ob denn auch er als Soldat selig werden könne. "Unsereiner hat es sozusagen mit der Muttermilch eingenommen, und die Prediger und Eltern haben es gelehrt, daß Kriegführen Sünde ist. So ist es für uns zur Gewissenssache geworden und damit zur Sünde. Exzellenz aber und Ihresgleichen sind von klein auf belehrt worden, daß Kriegführen und Vaterlandsverteidigung heilige Pflicht ist. Folglich wird es ihnen nicht zur Sünde gerechnet." S. 35.

Wer will Mennoniten dafür kritisieren, dass sie ihr Leben und Eigentum mit der Waffe schützen? Oder für das kritisieren, was PJF in seiner Rezension ausblendet, die Erzählungen jedoch in bewegenden Lebensschicksalen schildern: dass sie dem Druck des Staates nachgaben und sich seiner Tötungsmaschine anschlossen, dass sie die militärische Pille samt dem ideologischen Zuckerguss von Nationalismus und "Freiheit" schluckten? Dass sie gar dem Antichristen Hitler auf den Heilsleim gingen? Wer will sie für all das und manches mehr kritisieren?

Der mitfühlende Erzähler

PPK jedenfalls kritisiert nicht. Er nimmt die Rolle eines mitfühlenden Erzählers ein. Sein Selbstverständnis als Historiker bürgt für die Genauigkeit mit der der geschichtliche Hintergrund gezeichnet wird. Unterstrichen wird der dokumentarische Charakter durch die im Anhang mitgelieferte "Kleine Geschichte der Privilegien zur Befreiung vom Wehrdienst", die die Situation damals und heute in den Ländern, in denen ethnische Mennoniten leben, darstellt. Die Geschichten selbst sind semi-dokumentarisch, die mitgeteilten Ereignisse historisch belegt, es hat solche Schicksale gegeben. Die Namen, die Dialoge, die vielen und ausführlichen inneren Monologe der Gewissensnot sind der Realität nachempfunden.

Der dokumentarische Gestus könnte fast vergessen lassen, was PPK zwar im Vorwort kurz erwähnt jedoch nicht reflektiert. Er wählt "einzelne Geschichten ... aus der Fülle der Ereignisse." S. 11f.

Hinter der Maske des Historikers ist er alles andere als unbeteiligter Chronist. Durch Auswahl der geschilderten Beispiele, durch die Wahl der Perspektive, durch (oft aus dem Blickwinkel der Charaktere) kommentierende Erzählweise ... hält er die Fäden in der Hand. Unkritische Leser/innen und Rezensent/innen werden sich dem Drall, der starken Strömung des Erzählens kaum entziehen können oder wollen, zumal wenn die Tendenz in ihr eigenes theologisches oder ideologisches Muster passt.

Nach meiner Beobachtung hat PPK ein deutlich erkennbares Erkenntnisinteresse. Entweder jedoch ordnet sich ihm der Stoff nicht völlig unter dieses Interesse, was für den Stoff sprechen würde. Oder der Autor baut ironische Fußangeln ein, die seinem Erkenntnisinteresse zuwider laufen, was für den Autor sprechen würde. Ein Beispiel ist das schon im Buchtitel vorhandene Leitmotiv: die "schwarzen Reiter". Das sind zum einen die preußischen Freischärler gegen Napoleon (S. 17-27) Dann aber auch die nach allen Regeln der Feindbildmalerei gestalteten "anarchistischen Banden" des ukrainischen "Banditen" Nestor Machno (S.55, 90, 95). Und werden am Ende nicht sogar bewaffnete Mennoniten zu "schwarzen Reitern", wenn sie ihren Feinden mit Tod und Vernichtung drohen?

Was zu beweisen war

Ist mit seinen Beispielen wirklich bewiesen, dass die Wehrlosigkeit, besser gesagt das Prinzip der Wehrlosigkeit nicht funktioniert? Oder beweist er am Ende nur, dass eine Gemeinschaft die sich ihrer ursprünglichen radikalen gewaltfreien Identität nicht mehr gewiss ist, die diese nicht mehr schlüssig theologisch und existentiell begründen und an die jeweils nächste Generation überliefern kann, eine Gemeinschaft, die sich bis heute verunsichern oder faszinieren lässt von der nationalistischen, liberalen, faschistischen, demokratischen Ideologie der sie umgebenden Gesellschaft, dass diese im "Ernstfall" eben nach den Regeln dieser Gesellschaft oder des Staates handelt und nicht nach den Regeln Christi. Auch Mennoniten sind nicht davor gefeit, in dieselbe Falle zu gehen wie weiland das Volk Israel, als es gegen Gottes und seines Profeten Samuel Willen einen König haben wollte, um zu "sein wie alle Völker" (1 Sam 8, 6ff). Dieselbe Falle, in die die Kirche unter Konstantin ging, als sie den Weg der Nachfolge Jesu verließ.

PPKs Geschichten illustrieren, dass und wie Wehrlosigkeit, als Prinzip und Privileg gestaltet, fast unausweichlich zum Verlust der Wehrlosigkeit führt, da es die Auseinandersetzung der jeweils folgenden Generation mit der inneren Logik und Theologik von Glauben und Wehrlosigkeit/Gewaltfreiheit eher (ver)hindert als fördert. Kombiniert mit mehr oder weniger Pietismus, mehr oder weniger lutherisch geprägter Staatslehre bleibt der täuferischen Lehre und Praxis verengt auf "Wehrlosigkeit" und getrennt von ihrer ekklesiologischen Wurzel eines Verständnisses von Gemeinde als Alternativgesellschaft im Ernstfall keine Chance. Als kollektive Haltung hatte sie zwar noch als Dogma, eben als Glaubensprinzip überlebt. Ihre Praxis wurde jedoch immer mehr zu einer verstaubten und schließlich unverstandenen Äußerlichkeit, hochgehalten von Ältesten, die das Gewehrtragen ebenso sanktionierten wie andere Äußerlichkeiten, etwa das Tragen unschicklicher Kleidung, Schminken oder Tanzen.

Das Prinzip Wehrlosigkeit und seine gesellschaftliche Umsetzung als Privileg spiegelt als Schrumpfform der urspünglichen jesuanischen und täuferischen Herausforderung an die Gewaltgesellschaft theologisch und sozialethisch die soziologische Gestalt der sich in den Winkel, in die Sekte zurückziehenden Täuferbewegung.

Das Gespenst vom Sockel stoßen

PPK kann nicht genug dafür gelobt werden, dass er diesen Mythos, dieses Gespenst der Wehrlosigkeit demontiert. Die fürsorgliche Herrschaft der Ältesten über das Gewissen der Einzelnen, die Uniformität der Gemeinde, die privilegiengestützte Minderheitenexistenz - all das hat keine Zukunft, ist nicht realistisch spätestens angesichts der Herausforderungen der postmodernen globalisierten Gesellschaft. PPK zeigt auf, dass es so eigentlich noch nie befriedigend funktioniert hat. Mündiges Christsein hätte schon immer anders aussehen müssen.

Ein großes Defizit des Buches, und dafür wiederum kann PPK nicht genug getadelt werden, liegt darin, dass er nur Geschichten des Scheiterns eines von vorneherein falschen Prinzips in einer folgerichtig falschen Praxis erzählt. Dass er nicht oder kaum in den Blick nimmt, dass das Prinzip der Wehrlosigkeit nicht nur der Realität der Welt nicht gerecht wird, sondern auch nicht dem Evangelium entspricht. Prinzipien sind keine Gute Nachricht. Prinzipien sind entweder schon Gesetze oder sie tendieren dazu, welche zu werden. Schon der Begriff "Glaubensprinzip" scheint mir widersprüchlich. Aus Gnade und Glauben sind wir gerettet, nicht aus Prinzip!

Ein weiteres Defizit ist nicht PPK selbst anzulasten. Als eifriger Bilderstürmer zerschlägt er ein mennonitisches Denkmal. Er stellt jedoch nichts neues auf den verwaisten Sockel. Es sei denn, die Gewissensfreiheit des Einzelnen soll nun zum Prinzip erhoben werden. Da bliebe der Sockel wohl besser leer.

Die Herausforderung

Unsere Herausforderung liegt vielmehr darin, persönliche Glaubensentscheidung und Gemeindeethik in einem fruchtbaren und dialektisch aufeinander bezogenen Prozess zu verbinden. Nicht eine noch so wohlmeinende Ältestenoligarchie darf die dabei entscheidende Rolle spielen. Entscheidend(!) ist vielmehr die jeweilige nachwachsende Generation. Ihre Entscheidung für den Glauben darf nicht reduziert werden auf eine Entscheidung für den sozialen Kontext der eigenen ethnischen Gruppe oder für eine Ansammlung von Prinzipien richtigen Verhaltens. Zur Entscheidung steht vielmehr ein Weg. Dem ersten Schritt werden weitere folgen: Schritte der Nachfolge in bewusstem Gewaltverzicht, Feindesliebe, Versöhnungsdienst, freiwilliger Leidensbereitschaft. Vorangehende Generationen können in diese Entscheidung als positive, negative Vorbilder einbezogen werden. Sie erweisen ihren Kindern und Großkindern den besten Dienst, wenn sie sich der Auseinandersetzung in einem Geist der Buße und der Orientierung am Evangelium stellen.

Die Gemeinde hat von Jesus den Auftrag, seine messianische Gegenwart in der Welt fortzusetzen. Ihre, wenn auch bruchstückhafte, Messianität geht verloren, wenn sie sich der konstantinischen Form des Christentums anschließt. Meist wird daraus bei Mennonitens sowieso nur eine Karikatur großkirchlicher Existenz, denn erstens sind wir ja klein an Zahl, und zweitens bewahren wir in Gemeindestruktur und Lehre jede Menge an täuferischem Substrat, das uns dann doch hindert, gute Soldaten zu sein. Auch dazu liefern PPKs Geschichten einige Beispiele. Etwa Hermann Nickel, der vom alternativen Forsteidienst über den mennonitischen Selbstschutz gegen die Machno-Truppen, bis in die weiße Armee kommt und immer wieder von seinen Gewissenszweifeln eingeholt wird. Betr. Selbstschutz gegen Machno hatte eine MB-Ältestenversammlung die Entscheidung ausdrücklich ins Gewissen des Einzelnen gestellt. Dies jedoch nach dem Krieg wieder zurückgenommen und das Gemeindeprinzip befestigt. Kein Wunder, wenn nachwachsende Generationen dieser entwurzelten und zum Prinzip geronnenen Vision die Gefolgschaft verweigern.

Feindbilder

Das Kapitel "Die Terek Saga" zeigt auf, wie im mennonitischen Siedlerbewusstsein Feindbildproduktion die Überhand gewinnt und Feindesliebe erstickt. Wehrlosigkeit als Prinzip hat inmitten "raublüsterner Banden" und tschetschenischer "Horden" sowieso keine Chance. In der Schlusserzählung "Die Chamacocos" geht es um die Frage, sollen Mennoniten im Chaco sich gegen indianische Angriffe schützen und die abwesende oder unwirksame Staatsgewalt selbst in die Hand nehmen. In der Diskussion einer Dorfversammlung werden die Warnungen durch Feindbilder übertönt: Die angreifenden Indianer werden mit wilden Tieren verglichen: Der Jaguar "weiß doch auch nichts von meinem Glauben, warum ich schieße oder nicht schieße. Der Jaguar zerreißt mich, der Moro schlägt mich tot." S. 251. Mennoniten stehen schließlich mit vom Militär geliehenen Waffen Wache. Bauern pflügen jahrelang nur mit dem Gewehr auf dem Rücken. "Die Angst ... überwältigte den alten Glaubensgrundsatz und die uralte Tradition mit einem Schlag ...". S. 251. Spannend und beeindruckend die Geschichte "Der Fahneneid: David Regier findet sich während des 2. Weltkrieges im verwirrenden Hin und Her verschiedener militärischer Einheiten: Rote Armee, deutsche Wehrmacht. Im Selbstschutz unter Waffen-SS-Kommando schließlich verweigert er den Eid. Er wird jedoch nicht etwa an die Wand gestellt, es geschieht ihm nichts weiter, als dass er zum Latrinenputzen abkommandiert wird. "Er selbst empfand seine Standhaftigkeit als einen Tropfen der Gerechtigkeit im Meer der Ungerechtigkeit ..." S. 160. Hier sehe ich die Andeutung eines Auswegs, des Auswegs der Nachfolge.

Hier und dort formuliert einer der Charaktere die Problematik als "Zwiespalt zwischen jener reinen und idealen Täufergemeinde, mit der einmal alles angefangen hatte, und einer Mennonitenkolonie, die sich nun mit ihrer Umwelt blutig hatte auseinandersetzen müssen." S. 132. – Aber gab es sie wirklich, die reine, ideale Täufergemeinde, die keine Probleme hatte mit der Gewalt? Oder hatten nicht gerade die ersten Täufer in Auseinandersetzung mit Bauernkrieg, Münster und obrigkeitlicher Gewalt ihre pazifistische Position erst hart erarbeiten müssen. Und wieso "mussten" sich Mennonitenkolonien "blutig mit der Umwelt auseinandersetzen"? Gibt es nicht immer eine andere Wahl? Steht der Weg Jesu nicht immer offen? Zumindest solange das Martyrium als Konsequenz nicht ausgeschlossen wird. Auch Selbstschutzleute und Waffen-SSler mussten leiden und sterben. Leider nicht als Zeugen Christi.

Mögen Mennoniten noch so viele Weichselniederungen trockengelegt, russische Steppen gepflügt und Chacos kultiviert haben, ihre eigentliche Berufung als herausgerufenes Volk Gottes haben sie eingetauscht gegen das Linsengericht bäuerlicher Tüchtigkeit, bürgerlicher Anerkennung und ethnischer Identität, samt Karikatur einer Armee wie dem "Selbstschutz" in der Ukraine oder die bewaffneten Wachen im Chaco. Das Salz mal wieder fad und unbrauchbar? Stromausfall in der Stadt auf dem Berge?

Der Grundirrtum, mennonitischer Ethnizität, zumal der koloniebildenden Variante meint, aus der Welt fliehen und eine fromme Welt bauen zu können, ohne die Radikalität der Nachfolge ernst zu nehmen. Das Ergebnis ist ein mennonitischer "Staat", in den nach und nach alle Merkmale des richtigen Staates einwandern, ein Konstantinismus im kleinen. Wenns gut geht, kassiert der echte Staat sehr bald die kleinstaatliche Konkurrenz. Wenns schlecht geht, entwickelt sich jenes tragikomische Schauspiel das PPK in seinen Erzählungen beschreibt.

Ausweg und Verheißung

Jesus sagt nicht: Ihr müsst Frieden stiften. Ihr müsst auf Gewalt verzichten. Er sagt: Glücklich sind die Friedenstifter! Sie werden Kinder Gottes heißen! Glücklich sind die auf Gewalt verzichten! Sie werden die Erde besitzen! Das ist eine Verheißung für hier und heute. Keine Forderung und vor allem kein Prinzip. Jesus gibt uns zwar Gebote: Liebet eure Feinde! Tut Gutes, denen, die euch hassen! Doch er macht uns auch vor, wie das geht, und er befähigt uns dazu durch seinen Geist.

Allerdings nicht das nur seinem Gott verantwortliche Einzelgewissen, wie es PPK als Alternative zu Ältestenoligarchie und Ausnahmeprivileg wohl anvisiert, ist der Ausweg, sondern die Gemeinde als lebendiger Organismus, als Leib Christi, der im Geist mit seinem Haupt verbunden ist, dessen Glieder im gemeinsamen Hören auf Gottes Wort und im Gespräch miteinander nach seiner Weisung suchen. Als Zeugen und Zeuginnen inmitten der von Gewalt geprägten Welt Gottes Gute Nachricht in Wort und Tat verkündigen, ja in ihrer Existenz als Gemeinde Frohe Botschaft verkörpern. Schalom in ihren Beziehungen miteinander und nach außen, selbst zu den Feinden leben.

Solche Nachfolgemeinde gibt es nicht umsonst. Sie kostet das Leben. Röm. 12, 1-2. Wir leben nicht mehr uns selbst, sondern Christus lebt in und durch uns. Mit Christus ist kein Selbstschutz, kein Staat zu machen, kein Überleben um den Preis des Tötens zu organisieren. Mit ihm lässt sich "nur" der Leib Christi als Alternative zur Gewaltgesellschaft organisieren. Für unser Überleben und unsere Sicherheit ist, wenn wir ihm unser Leben gegeben haben, Gott verantwortlich. Er wird unser Leben retten oder auch nicht: Unser Teil ist es, ihm zu vertrauen und uns nicht fremden Göttern zu beugen. Daniel 3.

Die Jesusbewegung ist sich einerseits ihrer Minderheitenexistenz immer bewusst, andererseits versteht sie sich jedoch immer als tatsächliche Alternative für alle Menschen, für die ganze Menschheit, für die ganze Schöpfung. Der Sauerteig, will das ganze Mehl verwandeln. Salz und Licht wollen ihre Umgebung durchdringen und verwandeln. Mt 13, 33; Mt 5, 13f. Auf dieses Ziel ist unser Zeugnis ausgerichtet. Es wäre angesichts unserer Unzulänglichkeit, unseres Versagens, unserer Untreue allerdings eine sehr schlechte Nachricht, wenn wir dieses Ziel aus eigener Kraft erreichen müssten. Die Gute Nachricht sagt uns, wir dürfen Zeugen der neuen Realität Gottes sein, soweit sie uns ergreift und wir sie ergreifen. Gott selbst jedoch wird seine Welt neu machen und ans Ziel führen.

Wenn wir als Mennoniten die gute Nachricht ins Gefängnis der Prinzipien sperrten, uns in die Winkelsekte zurückzogen, oder später hin, wie die Mennoniten in der Schweiz, im deutschen Reich, in Brasilien uns ganz den staatlichen Zumutungen wie Wehrpflicht etc. ergaben, dann hat das historische Gründe. Nicht in erster Linie die einzelnen haben versagt, sondern die Gemeinde hatte ihr Fundament verloren. Es ist höchste Zeit, die historischen Ketten und Ausreden abzustreifen. Dazu braucht es zunächst ihre gründliche Analyse, zu der PPK einen wichtigen Beitrag leistet. Darüber hinaus geht es darum, den jesuanischen Weg zu Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit und Heil neu zu skizzieren und gemeinsam unter die Füße zu nehmen.

Ich wünsche dem Buch viele Leserinnen und Leser. In den Geschichten können sie eintauchen in die schwierige Geschichte Gottes mit seinem Volk. Am besten lesen sie parallel noch das von PPK selbst im Vorwort erwähnte Buch von John H. Yoder, Was würden Sie tun? Es enthält eine andere Perspektive und dazu positive Beispielgeschichten von Friedensstiften und Gewaltfreiheit. Oder das Buch von Cornelia Lehn, Friede sei mit euch! Sie zählt auch die Zeugnisse derer, die für ihren Glauben zu Märtyrern wurden, zu den Beispielen des Gelingens. Aus menschlicher Perspektive war es mit Jesus am Kreuz vorbei - aus der Traum von Feindesliebe und Gewaltfreiheit. Gottes Perspektive ist anders.

 

Peter P. Klassen, Die schwarzen Reiter, Geschichten zur Geschichte eines Glaubensprinzips, Sonnentau Verlag, Uchte 1999, 273 S., 25 DM

John H. Yoder (Hrsg.), Was würden Sie tun? Analysen und Texte zu einer Standardfrage an Pazifisten und Kriegsdienstverweigerer, Mit Beiträgen von Leo Tolstoi, Joan Baez u.a., Agape Verlag, Weisenheim am Berg 1985, 99 S.

Cornelia Lehn, Friede sei mit euch!, Agape Verlag, Weisenheim am Berg, 1987, 175 S.

 

 

Dieser Artikel erschien in der Nr. 6/2000 der täuferisch-mennonitischen Gemeindezeitschrift "Die Brücke".

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