Zur Geschichte des Buddhismus

von Colin Goldner (MIZ 1/00)

Der Ursprung der buddhistischen Lehre ist in Dunkel gehüllt. Schriftliche Quellen aus der Entstehungszeit gibt es nicht, vermutlich hat es nie welche gegeben. Die ersten greifbaren Zeugnisse, Säulenedikte des nordindischen Maurya-Kaisers Ashoka (272-237 v.u.Z.), stammen aus einer Zeit, als der Buddhismus bereits eine etablierte Religion mit fester kirchlicher Organisation, Dogmatik und Tradition darstellte. Die ältesten buddhistischen Schriften ­ der sogenannte Pali-Kanon ­ datieren aus dem zweiten und ersten Jahrhundert v.u.Z. Es handelt sich dabei um eine später formatierte und dreigeteilte Textsammlung, deren einer Teil sich mit Ordens- und Gemeinderegeln (Vinaya-Pitaka) befasst und deren beide andere Teile sich um die bis dahin mündlich überlieferten Lehrreden Buddhas (Sutta-Pitaka) beziehungsweise deren metaphysischen Überbau (Abhidhamma-Pitaka) drehen. Ausgehend von den in sich schon sehr legendenhaften Schriften des Sutta-Pitaka ­ diese gaben eine über zumindest zehn Generationen sich hinziehende und damit zahllosen Fremdeinwirkungen unterworfene orale Tradition wieder ­ entwickelte sich in den folgenden Jahrhunderten eine umfängliche und von Text zu Text immer noch phantastischer ausgestaltete Literatur zur Entstehungsgeschichte des Buddhismus.

Laut Pali-Kanon habe der Gründer des Buddhismus im 6. oder 5. Jahrhundert v.u.Z. im nördlichen Indien gelebt; sein eigentlicher Name sei Siddharta gewesen, bekannt geworden sei er aber unter dem Namen Gautama. Als Sohn eines lokalen Fürsten sei er von seinem Vater mit größtem Luxus umgeben worden, er habe im Verlaufe seiner Jugend nichts Dunkles, Bedrückendes oder Häßliches kennengelernt. Er habe geheiratet und zusammen mit seiner Frau einen Sohn gehabt. Einer späteren Legende zufolge habe er auf einer Vergnügungsfahrt zufällig einen Greis, einen Kranken und einen Toten gesehen und so erstmalig vom menschlichen Lose des Altwerdens und Dahinsiechens erfahren sowie von der Unvermeidbarkeit des Todes. Eine Begegnung mit einem Bettelmönch habe ihn dessen Beispiel folgen lassen: heimlich habe er seine Familie und den Palast seines Vaters verlassen und sieben Jahre lang unter strengster Askese und Selbstkasteiung in einem Walde zugebracht. Nach endlos langem und quälendem Grübeln sei ihm plötzlich die "Erleuchtung" zuteil geworden, die Erkenntnis nämlich, daß beide Extreme - ein Leben voller Freuden und Lustbarkeiten und ein Leben des Verzichtes und des freiwilligen Leidens - vom richtigen Wege gleichweit entfernt seien: der richtige Weg liege in der Mitte. Die Legende weiß genau zu berichten, wann und wo dieses umwälzende Ereignis stattgefunden habe: es sei in der Nacht des Vollmondes im Mai des Jahres 509 v.u.Z. gewesen, als Siddharta Gautama, unter einem Feigenbaume im nordindischen BodhGaya sitzend, zum "Buddha" geworden sei (um es zu wiederholen: durch die eminente Erkenntnis, man solle sich von Extremen fernhalten und stets den "goldenen Mittelweg" anstreben). Nach seiner "Erleuchtung" habe Buddha eine Tätigkeit als Wanderprediger aufgenommen, um seine neuerworbene Erkenntnis unters Volk zu bringen. Eine wachsende Anzahl an Schülern und Anhängern sei ihm zugeströmt, gegen Ende seines Lebens ­ er sei, 80jährig, im Jahre 464 v.u.Z. gestorben ­ habe es in Nordostindien bereits zahlreiche buddhistische Gemeinden gegeben.

Im Gegensatz zu späteren Legenden, in denen es von wundersamen Geschehnissen nur so wimmelt, die sich um Geburt und Erdenleben Buddhas herumranken, enthalten die Schriften des Pali-Kanon nichts Übernatürliches. Sie entsprechen durchaus den Verhältnissen in den nordindischen Fürstentümern des 5. und 6. Jahrhunderts v.u.Z. und könnten damit auf historischen Gegebenheiten beruhen. Die vieldebattierte Frage, ob es sich bei Siddharta Gautama, dem späteren Buddha, um ein mythologisches Konstrukt oder um eine geschichtlich fassbare Figur handelt, ist insofern relativ unbedeutend. Tatsache bleibt allerdings, daß es Belege für die Existenz einer Person dieses Namens nicht gibt. Völlig ungeklärt ist auch die Frage nach der Lebenszeit Buddhas (sofern es ihn denn gegeben haben sollte). Offiziell scheint man sich auf 543 bis 463 v.u.Z. geeinigt zu haben: im Jahre 1957 jedenfalls wurde mit großem Pomp sein 2.500 Geburtstag gefeiert.

Die Lehre des Buddhismus entstand zu einer Zeit (im Laufe des 6. und 5. Jahrhunderts v.u.Z.), als in den nordindischen Fürstentümern erbitterte Klassenkämpfe tobten. Nicht nur der Widerspruch zwischen dem luxuriösen Leben der Fürsten, Großgrundbesitzer und Sklavenhalter, allesamt Angehörige der oberen Kasten, und der Armut und Not der Sklaven, der leibeigenen Bauern und sonstigen Angehörigen niederer Kasten, sondern vor allem die Machtkämpfe zwischen der angestammten Priester-Aristokratie der Brahmanen und den aufkommenden Militärdynastien der Kshatrijas führten zu einer Krise der überlieferten Weltanschauung. Der Glaube an die Unerschütterlichkeit der angeblich von Weltenschöpfer Brahman selbst gestifteten Kastenordnung geriet mehr und mehr ins Wanken. Die Zahl der Einsiedler, Asketen und Wandermönche ­ auch und gerade aus den oberen Kasten ­ nahm Anfang der 5. Jahrhunderts v.u.Z. sprunghaft zu; es entwickelten sich zahlreiche ketzerische Lehren, Sekten und sogar atheistische Glaubenssysteme. Eine der neuen Lehren, in der die allgemeine Krisenlage, die tiefreichende Unzufriedenheit und Verunsicherung der Menschen, ihren Ausdruck fand, war der Buddhismus.

Lehrinhalte des Buddhismus

Durch die Überlagerungen aus späterer Zeit läßt sich der ursprüngliche Inhalt der buddhistischen Weltanschauung nur schwer rekonstruieren. Deren vielkolportierte Grundlage bilden jedenfalls die sogenannten "Vier erhabenen Wahrheiten", die Buddha in zahllosen Predigten verkündet habe: Das ganze Leben bestehe aus nichts anderem als aus Leiden; Ursache dafür sei die Begierde, deren Abtötung das Leiden beende. Der sogenannte "Edle Achtfache Pfad", beschreibt die Abtötungsmethoden: wer dem rechten Glauben, den rechten Taten, der rechten Lebensführung usw. folge ­ was das im Einzelnen sein soll, ist exakt definiert ­, gelange zur Vollkommenheit und löse sich auf ins Nichts (sanskrit: Nirvana). Solche Selbstauflösung, der Ausstieg aus dem Kreislauf leidvoller Wiedergeburten (sanskrit: Samsara), ist letztes Ziel buddhistischen Strebens.

Die Glaubenslehre des frühen Buddhismus wird gelegentlich als "Religion ohne Gott" oder als "atheistische Religion" bezeichnet. Tatsache ist, daß die frühen buddhistischen Schriften die Existenz der brahmanischen Götter nicht besteiten, daß sie ihnen allerdings die Macht absprechen, direkt in die Geschicke des Menschen einzugreifen: Von seinen Leiden erlösen könne der Mensch sich nur aus eigener Kraft. Auf den ersten Blick erscheint diese Lehre als emanzipatorischer Aufruf zu selbständigem Handeln, bei Lichte besehen erweist sie sich indes als das pure Gegenteil, als Aufruf zu Defätismus und Lebensabkehr: nur wer sich vom Leben lossage, könne vom Leiden des Lebens erlöst werden.

Die neue Religion fand rasche Verbreitung. Vor allem die unterdrückten und rechtlosen Massen fühlten sich von ihr angezogen, da sie dem Einzelnen die Idee eröffnete, sich selbst ­ ohne Zutun von Göttern und Priestern ­ vom Elend des Daseins befreien zu können. Größten Zulauf aber brachte der Umstand, daß die buddhistischen Wanderprediger ihre Lehre über alle Kastenschranken hinweg verkündeten und dies auch noch in einer Sprache, die dem einfachen Volke verständlich war. Im 3. Jahrhundert v.u.Z. entwickelte sich der Buddhismus in Nordindien zur dominanten Glaubenslehre. Die seit Beginn des 4. Jahrhunderts v.u.Z. herrschenden Maurya-Kaiser begünstigten den Buddhismus gegenüber dem Brahmanismus, da er unabhängig von allen Lokal- und Stammeskulturen über größten Masseneinfluß verfügte und daher ihrem zentralisierten Großstaat vorzügliche Konsolidierungsdienste leisten konnte. Zudem predigten die buddhistischen Lehrer Disziplin und Entsagung, was den Interessen der Maurya weiter entgegenkam; unter deren drittem Kaiser, besagtem Ashoka, wurde der Buddhismus zur Staatsreligion erklärt. Eine nicht unerhebliche Rolle spielte hierbei der Umstand, daß die buddhistische Lehre, die sich wohl über das herkömmliche Kastenwesen hinwegsetzte, an Sklavenhaltung nichts zu bemängeln wußte.

Ausbreitung in Asien

Gegen Ende des 3. Jahrhundert v.u.Z. fasste der Buddhismus auch außerhalb Indiens Fuß; über indische Handelswege gelangte er nach Ceylon und von dort aus nach Burma und Siam. Weiteren enormen Aufschwung erlebte er im 2. und 1. Jahrhundert v.u.Z., als er sich über große Teile Zentralasiens bis hinein nach China verbreitete. Im Zuge seiner Ausbreitung wandelte sich sein jeweiliges Erscheinungsbild ganz erheblich. Der Wandel vollzog sich teils durch kulturelle Adaptions- und Assimilationsprozesse, teils durch eigens gefasste Konzilsbeschlüsse. Schon auf dem zweiten buddhistischen Konzil ­ es soll hundert Jahre nach Buddhas Tod stattgefunden haben ­ soll es zu erbittertem Streit in der Frage der Gemeindestatuten gekommen sein. Auch um metaphysische Fragen wurde heftig gestritten, was letztlich zu einer Aufsplitterung des Buddhismus in mehr als dreißig einander wenig gesonnene Sekten führte. Die tiefste Spaltung erfolgte im 1. Jahrhundert u.Z., als die Lehre in zwei Hauptrichtungen zerfiel: des Hinayana (sanskrit: Kleines Gefährt) und des Mahayana (sanskrit: Großes Gefährt). Die Anhänger des Hinayana traten für eine strenge Beachtung der Statuten ein und hielten an der "unverfälschten" Doktrin des ursprünglichen Buddhismus, das heißt: an den Schriften des Pali Kanon, fest. Die Anhänger des Mahayana hingegen wichen weit von diesem ab: die Lehre des "Großen Gefährts" bedeutete eine weitgehende Konzession an das in Indien parallel zum Buddhismus immer noch vorherrschende Brahmanentum; sie spiegelte den Einfluß der alten Kastenpriester auf die neue Religion wider, die diese zwar notgedrungen akzeptierten, mit sämtlichen Mitteln aber um den Erhalt ihres Einflusses und ihrer Privilegien kämpften.

Ein Brahmane namens Nagarjuna verfiel auf die Argumentation, die buddhistische Glaubenslehre, derzufolge jeder Mensch aus eigener Anstrengung und ohne Zutun der Götter Nirvana erreichen könne, stelle zu hohe Anforderungen an die ungebildeten Massen; die große Mehrheit bedürfe einer theistischen und vor allem idolatrischen Religion mit darstellbaren und zu verehrenden Gottheiten (samt dazugehöriger Priesterschaft). Mittels eines eigenen Konzilsbeschlusses wurde Gautama Buddha, der in den Schriften des Pali-Kanon noch in durchaus profanen Worten beschrieben ist, in den Status eines Gottes erhoben. In der Folge entwickelte sich ein ungeheuerer Buddha-Kult, man errichtete eine Unzahl an Tempeln und Standbildern. Der Mahayana-Buddhismus, der auch das pomphafte Ritualwesen des Brahmanismus übernommen hatte, wurde in seinem Verbreitungsgebiet zur beherrschenden gesellschaftlichen Kraft. Letztlich wurde die Idee etabliert, Siddharta Gautama sei als "historischer Buddha" nur einer von vielen Buddhas gewesen, zu denen nun auch die zahllosen brahmanischen Götter gerechnet wurden (Gautama selbst wurde zu einer Inkarnation des Brahmanen-Gottes Vishnu erklärt). Darüberhinaus wurden die unzähligen Götter all jener Kulturkreise, in denen der Buddhismus Verbreitung fand, zu Buddhas umdefiniert und dem buddhistischen Pantheon eingegliedert. Allmählich wuchs die Menge an Buddhas ins Aberwitzige: zigtausende von Buddhas unterschiedlichster Funktionen bevölkern bis heute die buddhistische Vorstellungswelt. Zu den bekanntesten zählen neben dem "historischen" Gautama, verehrt als Buddha Sakyamuni oder Buddha Tathagata, der irgendwann wiederkehrende Buddha Maitreya oder der Weltenschöpfer Adibuddha.

Himmel und Hölle

Als weitere Neuerung führten die Mahayana-Strategen die Idee des Bodhisattva ein. Ein Bodhisattva ist ein zur Vollendung gelangtes Wesen, das sich eigentlich ins wohlverdiente Nirvana auflösen, sprich: zum Buddha werden könnte, aus grenzenlosem Mitleid mit allen Wesen, die noch nicht so weit seien, aber noch einmal ins irdische Jammertal herabsteige, um diesen helfend zur Seite zu stehen. Desweiteren wurde eine Paradies-Lehre entwickelt, die im ursprünglichen Buddhismus völlig fehlt. Das Mahayana-Paradies besteht aus prächtigen Gärten, in denen keinerlei Mangel herrscht und in denen die Gerechten lustwandeln dürfen. In Beantwortung der Frage, wie diese Vorstellung mit dem ultimativen Ziel des Buddhismus, der Selbstauflösung ins Nirvana, zu vereinbaren sei, wurde dekretiert, das Paradies stelle eine Art Aufenthaltsraum für hochentwickelte Wesen dar, denen nur noch eine abschließende Wiedergeburt auf Erden bevorstehe, ehe sie sich dann ganz auflösen dürften. Den Massen hingegen, denen ein tieferes Verständnis der Nirvana-Lehre abgesprochen wurde, verkaufte man das Paradies als anzustrebenden Endzustand schlechthin. Hand in Hand mit der Paradies-Lehre wurde eine ausgeklügelte Höllen-Lehre entworfen: um die Gläubigen einzuschüchtern, erfand man die furchtbarsten Qualen und Strafen, die jenen zuteil würden, die sich gegen die "Gesetze Buddhas", sprich: gegen die Doktrin des Mahayana versündigt hätten.

Im Mahayana-Buddhismus, der sich vom 4. Jahrhundert u.Z. an über ganz Südostasien verbreitet hatte, blieb von der ursprünglichen buddhistischen Lehre (soweit sie über die Schriften des Pali-Kanon rekonstruierbar ist) nur wenig erhalten. Durch seine Assimilationsfähigkeit, verbunden mit geschickten politischen Schachzügen seiner Missionsstrategen, konnte der Mahayana eine für ihn selbst sehr vorteilhafte Wechselbeziehung mit den in China und Korea vorherrschenden Denksystemen des Konfuzianismus und des Taoismus eingehen, die ihm zu hoher Blüte und Machtfülle verhalfen. Zu üppigster Blüte allerdings gelangte der Mahayana-Buddhismus in Tibet, wohin er Ende des 10. Jahrhunderts u.Z. gelangte.

Rezeption in Europa

Nach Europa drangen bis Mitte des 19. Jahrhunderts nur sehr vereinzelte Informationen über die buddhistische Lehre, Berichte jesuitischer Missionare oder früher Asien-Reisender zeichneten ein unvollständiges und vielfach auch heillos verzerrtes Bild. Denker wie Rousseau oder Herder freilich erkannten deren prinzipiell antihumanististische Ausrichtung, sie kritisierten den Buddhismus als rückständigen Wahn, der lediglich den Interessen feudaler Herrschaftsstrukturen diene. In Deutschland wurde der Buddhismus in den frühen 1880er Jahren Gegenstand akademischer Auseinandersetzung ­ als Vorreiter tat sich bezeichnenderweise der krankhaft misanthrope Philosoph Arthur Schopenhauer hervor ­, insbesondere die tibetische Variante des Buddhismus erregte größtes Interesse. Nährboden hierfür waren mithin die Schriften der Theosophin Helena P. Blavatsky (1831-1891) gewesen, deren spiritistische Hirngespinste von tibetisch-buddhistischen Okkultismen durchzogen waren.

1903 gründete der Leipziger Privatgelehrte Karl Seidenstücker die erste buddhistische Organisation, den sogenannten Buddhistischen Missionsverein in Deutschland, der, zusammen mit einer ganzen Reihe nachfolgender Gruppen und Zirkel, die bürgerlichen Schichten des Kaiserreiches für die kulturpessimistische Doktrin des Pali-Kanon zu gewinnen suchte. In den 1920er Jahren wurden mehrere buddhistische Glaubensgemeinschaften ins Leben gerufen, in denen nun nicht mehr der philosophische Diskurs im Vordergrund stand, sondern dessen "praktische Umsetzung": die Übung einer asketischen, quasi-monastischen Lebenszucht. Der Mediziner Paul Dahlke erbaute 1926 das heute noch bestehende Buddhistische Haus in Berlin, das zum Zentrum der buddhistischen Bewegung in Deutschland wurde. Während der NS-Zeit wurden Buddhisten ausdrücklich nicht verfolgt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg richtete sich das Augenmerk vor allem auf Zen-Buddhismus, Daisetz Suzukis Abhandlungen oder Eugen Herrigels Zen in der Kunst des Bogenschießens wurden zu ungeahnten Bestsellern; entscheidenden Anteil an der Verbreitung des Zen (der in der japanischen Gesellschaft seit je als Instrument autoritärer Zurichtung diente) in Deutschland hatte auch der ehemalige SA-Mann und NS-Kulturattaché in Japan, Karlfried Graf Dürckheim, der im Schwarzwald ein eigenes Übungszentrum errichtete. Daneben etablierten sich in den 1950er Jahren weitere Strömungen des (japanischen) Buddhismus in Deutschland, beispielsweise die shin-buddhistische Gruppierung Jôdo Shin-Shû oder wenig später der rechtslastige Massenverblödungskult Sôka Gakkai. Auch der tibetische Buddhismus fand in den 1950ern erstmalig einen organisatorischen Rahmen: 1952 wurde in Berlin ein Ableger des Arya Maitreya Mandala-Ordens (AMM) gegründet, eine Vereinigung, die auf den selbsternannten deutschen Lama Anagarika Govinda (bürgerlich: Ernst-Lothar Hoffmann, der sich u.a. auch als Reinkarnation des Dichters Novalis vorkam), zurückgeht.

Ende der 1990er lag die Anzahl deutscher BuddhistInnen (sämtlicher Schulen und Richtungen) bei rund 40.000 Menschen (zuzüglich etwa 120.000 BuddhistInnen asiatischer Herkunft), organisiert in etwas mehr als 400 Zentren und Ortsgruppen. Die in den Medien ständig kolportierte Zahl von 300.000 bis 500.000 bundesdeutschen AnhängerInnen des Buddhismus bezeichnet nicht die organisierten BuddhistInnen, sondern die weitaus größere Gruppe an Menschen, die dem Buddhismus mit Sympathie und mehr oder minder engagiert beziehungsweise sachkundig (Meditation, Lektüre einschlägiger Publikationen, Besuch von Schulungen etc.), aber unorganisiert, gegenüberstehen. Den einzelnen Dachverbänden ist es trotz großen Aufwandes bislang nicht gelungen, dieses Riesenheer an Sympathisanten organisatorisch an sich zu binden.

Den größten Boom erlebt der Buddhismus seit Beginn der 1990er Jahre innerhalb der Esoterik- und Psychoszene; zahllosen New-Age-Bewegten gilt er (bzw. das, was man davon weiß oder dafür hält) als übergeordnete "spirituelle Leitlinie". Ernsthafte Auseinandersetzung (womit auch immer) gibt es in dieser Szene freilich nicht, die oberflächliche Kenntnis von ein paar Begriffen und ein "Gefühl" für die Sache reichen völlig aus, sich "zugehörig" vorzukommen; vielfach versteht man sich dann schon als "engagierter Buddhist", wenn man einen Free-Tibet-Aufkleber auf dem Kofferraumdeckel spazierenfährt. Voran getrieben wird der gewinnträchtige Boom durch eine Unzahl einschlägiger Publikationen: eingepasst in das übliche Sortiment an Astrologie-, Bachblüten- und Wunderheil-Literatur findet sich jede Menge "buddhistisch" aufgemachten Unsinns auf dem Buch- und Zeitschriftenmarkt.


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