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Die verheerende soziale Lage des Andenstaates zwang viele
BolivianerInnen in die Schattenwirtschaft als einzige
Einkommensmöglichkeit.
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Das Straßenbild des bolivianischen Regierungssitzes La Paz
wird von unzähligen StraßenhändlerInnen geprägt, die ihr
umfangreiches Warensortiment bis spät in die Nacht hinein anbieten. Von
Batterien und Kugelschreibern über raubkopierte Musikkassetten und
Textilien bis hin zu Elektrogeräten zweifelhafter Herkunft kann alles
erworben werden. Eine Indianerfrau verkauft Süßigkeiten und
Hygieneprodukte direkt vor einem Supermarkt, wo die selben Produkte,
allerdings weitaus teurer, in den Regalen liegen. Die verheerende soziale Lage des Andenstaates zwang viele
BolivianerInnen in die Schattenwirtschaft als einzige
Einkommensmöglichkeit. Auch die Jüngsten müssen, u. a. als VerkäuferInnen
oder SchuhputzerInnen, zum bescheidenen Familieneinkommen beitragen, nicht
einmal die Hälfte der Kinder und Jugendlichen im Alter von 5-19 Jahren
besucht die Schule. Bolivien gilt immer noch als ärmstes Land
Lateinamerikas. Über 100 von 1000 Neugeborenen überleben ihr erstes
Lebensjahr nicht und fast 70 Prozent der BolivianerInnen leben in Armut.
Durchschnittlich werden nur 80 Prozent des täglich empfohlenen
Kalorienbedarfs gedeckt. Nur ein Viertel ist an die Kanalisation
angeschlossen, die Wenigsten besitzen Strom oder Heizung. Letzteres führt
zu regelmäßigen Erkältungskrankheiten, denen vor allem Kinder und alte
Menschen zum Opfer fallen. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung hat
außerdem keinen Zugang zu ärztlicher Versorgung. Seit über einem Jahr ist mit Hugo Bánzer einer der brutalsten
Ex-Diktatoren des Landes als demokratisch gewählter Präsident wieder in
Amt und Würden. Von 1971 bis 1978 herrschte er mit eiserner Hand über
Bolivien, ließ politische GegnerInnen und DemonstrantInnen foltern und
ermorden. Den nach Südamerika geflüchteten Naziverbrecher Klaus Barbie,
der Bánzers erste Machtübernahme finanziell gefördert hatte, setzte er als
hohen Diplomaten ein. Bánzers Partei ADN erreichte bei den Wahlen von 1997
zwar nur rund 20 Prozent der Stimmen, wurde damit aber zur stärksten Kraft
des politisch zersplitterten Landes. Koka-Bauern, denen die Abfertigung der Regierung zu bescheiden ist,
machen schon mal Bekanntschaft mit der gefürchteten
Antidrogen-Sondertruppe UMOPAR ("Einheit des Militärs zur
Drogenbekämpfung"). Koka, das zwar auch unverarbeitet gekaut, als Tee
getrunken oder in diversen Produkten verarbeitet wird, dient natürlich in
erster Linie als Rohstoff zur Kokainherstellung. Allerdings ignoriert die
Drogenvernichtungspolitik Bánzers und seiner nordamerikanischen
Verbündeten, die nicht fähig sind, das Drogenproblem auf ihrem eigenen
Territorium zu lösen, die soziale Lage der Landbevölkerung. Um ihre
Familien zu ernähren, bleiben den Campesinos nämlich meist überhaupt keine
Alternativen zum Kokaanbau. Durch den Verkauf der lorbeerartigen Blätter
verdienen sie ein Vielfaches dessen, was der Anbau von Alternativprodukten
wie Kaffee, Bananen oder Orangen einbringen würde. Selbst viele
arbeitslose Arbeiter aus der Stadt wählen daher die Migration in die
Kokaanbauzonen des Tieflandes. Statt die soziale Situation der breiten Bevölkerung zu verbessern, befolgt auch die jüngste bolivianische Regierung, wie zu erwarten, artig den vom Internationalen Währungsfonds vorgegebenen Sparkurs: Privatisierung, Erhöhung der Preise für Treibstoff und Gas, Reduzierung der Beschäftigten im staatlichen Sektor usw. Bildung, Gesundheit und Soziales werden weiterhin vernachläßigt. Wie es aussieht, wird Bolivien auch weit über das Jahr 2000 hinaus das sozialpolitische Schlußlicht Lateinamerikas bleiben. |
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