Der Staubsauger-Vertreter

Aus dem Leben einer Ikone

Silvio Berlusconis ganz persönliche Tellerwäscher-Mystik

von Gabriella Vitiello

(Freitag, die Ost-West-Wochenzeitung, 04.05.2001)

Er meint es gut mit der italienischen Wählerschaft und bietet sich jeder Bevölkerungsgruppe gesondert als Identifikationsmodell an. Zunächst war Berlusconi Verbündeter der Hausfrauen, anschließend mutierte er zum Arbeiter, Landwirt, Handwerker, Angestellten, Rentner und Unternehmer. Schließlich verließ er das zeitgenössische Terrain und erhöhte sich ins Metaphysische. Wahlweise bezeichnete er sich als Moses, Kaiser Justitian oder Napoleon, denn das Strafgesetzbuch will er auch noch umschreiben, sollte er am 13. Mai gewinnen.

Mit dieser aufsteigenden Strategie reproduziert der Self-Made-Man die Geschichte seines Werdegangs. Als Staubsauger-Vertreter und Unterhalter auf Kreuzfahrtschiffen verdiente er sich während des Studiums sein Taschengeld. Dann kam die Karriere als Bauunternehmer, Medienmogul, Präsident eines Fußballvereins - als Ikone von Forza Italia. Der Parteiname ist dem Jargon der Fußballwelt entlehnt. Bevor Berlusconi ihn für seine Zwecke instrumentalisierte, feuerten die Zuschauer im Stadion mit "Los, voran Italien" die Nationalmannschaft in ihren azur-blauen Trikots an. Sicherlich nicht zufällig bestimmt das Blau auch die Chromatik der Partei - sei es bei Kundgebungen, auf Wahlplakaten oder als Anzugstoff von Berlusconi.

Hinter diesem Populismus verbirgt sich immer die gleiche selbstreferentielle Botschaft: Ich, Berlusconi. Der Cavaliere verbannte sogar seine politischen Partner von den Wahlplakaten, um die eigene Präsenz zu vervielfachen. Nur sein Antifaltencreme-durchtränktes Gesicht darf die Wähler angrinsen. Medienallmächtig will Berlusconi den Bildschirm ganz für sich allein und scheut absichtlich die direkte Konfrontation mit seinem Gegner Francesco Rutelli in einem TV-Duell. Dies - so die Rechtfertigung - käme der politischen Legitimation und Anerkennung Rutellis gleich. Dank der eigenen Fernsehsender kann Berlusconi sein wichtigstes Produkt - sich selbst - ungehindert in der Öffentlichkeit vermarkten. Über seine Sender konstruiert und antizipiert er eine heile Welt mit niedrigen Steuern, die er dann als Politiker seinen Wählern verspricht. Mit seinem populistischen Loop verwischt er die Grenzen zwischen Unternehmen, Fernsehen und Politik und suggeriert den Wähler-Zuschauer-Konsumenten, dass auch sie so sein können wie er: erfolgreich und wohlhabend.

Dieses Konzept treibt Berlusconi mit seiner Bilder-Biographie, die unter dem bescheidenen Titel Una vita italiana kostenfrei alle italienischen Haushalte erreichen soll, auf die Spitze. Politik wird zur Seifenoper. "Ihm ist der Unterschied zwischen den Funktionsmechanismen eines Unternehmen und dem Wesen der Demokratie völlig fremd. Seine Partei dient lediglich der Verkündigung des Oberhauptes und dessen Geschäftsausschusses", analysiert der Literaturwissenschaftler Alberto Asor Rosa das "Erfolgsmodell Berlusconi" in La Repubblica.

Die "Foto-Story" über Berlusconis glorreiches Leben zeigt den Cavaliere ganz privat als Sohn, Schüler, Familienvater, Fußballfan, Hobbyliteraten. Die Sprache auf den 125 Seiten ist einfach und sentimental: "An einem Winterabend schaute Mama Rosella ihrem Sohn tief in die Augen: Wenn das deine Bestimmung ist, sagte sie, dann wirst du auch den nötigen Mut dazu finden." Mehr als 200 Fotos dokumentieren zudem die Sonnenseiten des Unternehmer- und Politiker-Daseins. Silvio abgelichtet mit Sylvester Stallone, Giovanni Agnelli, dem Papst, Bill Clinton, José María Aznar. Angeblich, so der Autor-Protagonist-Verleger-Absender, könne er mit diesem Projekt drei Prozent der Wähler zu seinen Gunsten umstimmen, und das muss ihm wohl der geschätzte Preis von umgerechnet 150 Millionen DM wert sein. Die Angaben über die Auflage schwanken zwischen zwölf und zwanzig Millionen.

Il manifesto empfiehlt, möglichst viele davon an den Absender zurückzuschicken und zwar an dessen Privatadresse in Arcore. Ein Teilporto reiche aus - so die Auskunft des Blattes - den Rest zahle der Empfänger. Es sei denn, die Post umgeht die Rückbeförderung und gibt das Werk direkt in den Schredder.

Diese Biographie wirkt wie die Antwort auf die zahlreichen Publikationen, die hinter die Oberfläche des "Modells Silvio" blicken. L´odore dei soldi (Der Geruch des Geldes, Editori Riuniti) ist mit mehr als 300.000 verkauften Exemplaren das erfolgreichste Buch über die dunklen Seiten des Premier-Anwärters. Die Autoren, Elio Veltri und Marco Travaglio, gehen darin der zweifelhaften Herkunft von Berlusconis Vermögen auf den Grund. Erst dank seiner Kontakte zur sizilianischen Mafia soll es ihm gelungen sein, sein Unternehmen Fininvest aufzubauen, so die Vermutungen.

Als feindlich bezeichnete Berlusconi Ende April die Stimmung im Land und schlüpfte in eine neue Rolle: die des bedrohten Politikers. Er bleibt so seiner Strategie der mystifizierenden Übertreibung treu. Der Verkünder der frohen Botschaft seiner selbst wird das Opfer feindlicher Aggression. Verantwortlich für dieses Klima sei allein die Linke, sagt Berlusconi: "Die Regierung beschützt mich nicht, die Linke nährt den Hass. Falls etwas Schwerwiegendes passiert, liegt die Schuld bei ihr."


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