[Inhalt]

DAS HOHE LIED DER FRAU WEISHEIT


DIE EWIGE WEISHEIT
(Vita des seligen Seuse)


1

Am Anfang geschah es einmal, daß er in den Chor kam am Sankt-Agnes-Tag, wo der Konvent zu Mittag gespeist hatte. Er war da allein und stand im niederen Gestühl des rechten Chores. Zur selben Zeit war er heftig bedrängt von schwerem Leiden, das auf ihm lag. Und da er also trostlos stand und niemand um ihn war, da ward seine Seele entrückt – im Leibe? Ich weiß nicht; oder aus dem Leibe? Da sah und hörte er, was allen menschlichen Zungen unaussprechlich ist: Es war form- und wesenlos, und es war doch aller Formen und Wesen freudenreiche Lust in ihm. Das Herz war voller Verlangen und dennoch satt; der Mut war lustig und geleitet; ihm hatte sich das Wünschen gelegt, die Begierde war hingeschwunden. Er starrte in den glanzreichen Widerschein, in dem er gewonnen ein Vergessen seiner selbst und aller Dinge. War es Tag oder Nacht? Das wußte er nicht. Es war vom ewigen Leben eine hervorströmende Süßigkeit; der gegenwärtigen, stillen, ruhigen Empfindlichkeit. Er sagte danach: „Ist dies nicht das Himmelreich, so weiß ich nicht, was Himmelreich ist!“ Diese überschwengliche Entrückung dauerte wohl eine Stunde oder (ich weiß nicht) eine halbe Stunde. Ob die Seele im Leib geblieben oder von dem Leibe geschieden war, das wußte er nicht. Da er wieder zu sich selbst gekommen, da war ihm in jeder Hinsicht wie einem Menschen, der von einer andern Welt gekommen. Der Leib ward so weh von jenem kurzen Augenblick, daß er nicht glaubte, daß einem Menschen ohne den Tod in so kurzer Frist so weh werden könnte. Er kam wieder, ich weiß nicht wie, mit einem grundlosen Seufzen, der Leib sank zur Erde nieder gegen seinen menschlichen Willen, dem es von Ohnmacht an Kraft gebrechen wollt. Er schrie innerlich auf und seufzte unergründlich in sich selbst und sprach: „Ah weh, mein Gott! Wo war ich, wo bin ich jetzt?“ Und er sprach: „O Du meines Herzens Gut, diese Stunde vermag nimmermehr mein Herz zu verlassen!“ Er ging im Leibe und es merkte niemand etwas ihm auswendig an. Aber Seele und Geist waren ihm inwendig voll von himmlischem Wunder. Die himmlischen Blicke gingen wieder und wieder in seinem innersten Inneren auf. Und es war ihm, ich weiß nicht wie, als ob er in der Luft schwebe. Die Kräfte seiner Seele waren erfüllt von dem süßesten Himmelsgeschmack, als ob man eine gute Salbe aus einem Gefäß ausschütte und das Gefäß dennoch den Duft bewahre. Der süße Himmelsgeschmack blieb ihm lange Zeit erhalten und gab ihm eine himmlische Sehnsucht nach Gott!


2

O Wort! Ich merk es an mir selbst, es ist mir Liebe wie Leid, daß mir der geschlossene Mund meiner Seele aufgebrochen ist zu Dir. Ich muß Dir Gutes zu Lobe sagen, ich weiß nicht was, aus meiner verborgenen Heimlichkeit, was ich keinem Menschen je gesagt. Wort, ich kannte einen Prediger, der war noch jung, da ihm solche einschwebende Gnade alle Tage gewöhnlich zweimal von Gott geschenkt wurde, und dies währte wohl so lang wie zwei Vigilien. Er versank in der Zeit völlig in Gott, die Ewige Weisheit, so daß er nicht davon reden konnte. In der Zeit hatte er ein minnigliches Einreden mit Gott, mal ein jammervolles Seufzen, mal ein sehnsuchtsvolles Weinen, mal auch ein stilles Lachen. Ihm war, als ob er in der Luft schwebe und zwischen Zeit und Ewigkeit in der tiefen Woge der grundlosen Wundertaten Gottes schwamm. Davon ward sein Herz so voll, daß er seine Hände aufs tobende Herz führte und sprach: „Ach mein Herz, wie wills dir heute ergehen?“


3

Eines Tages geschah ihm, daß das Vaterherz in geistlicher Weise (ich weiß nicht wie, unsäglich, ohne Mittel) seinem Herzen zärtlich zugeneigt war, daß sein Herz eben zu dem Vaterherz verlangend aufgetan war; und es schien ihm, daß das Vaterherz, die Ewige Weisheit, minniglich und formlos in sein Herz hineinspreche. Er hob an und sprach froh im geistlichen Jubilieren: „O meine liebliche Liebe! So entblöß ich mein Herz und in der einfältigen Blöße aller Geschaffenheit umfaß ich Deine Gottheit! O Du alles übertreffende Liebe alles Lieben! Die in größter Liebe im zeitlichen Leibe mit Liebe litt! Liebe im Leibe! Aber Du, aller Liebe grundlose Fülle, Du fließest in Liebesherzen, Du ergießest dich in der Seele Wesen, Du Alles in Allem! Auf daß der Liebe nicht ein einziges Teil ausbleibe, daß es leiblich mit der Liebe eins sei...“


4

Er hatte von Jugend auf ein minnevolles Herz. Nun bot sich ihm die Ewige Weisheit in der Heiligen Schrift minniglich an, als eine leutselige Minnerin, die sich fein herrichtet, darum daß sie männlich wohlgefalle, und redet zärtlich im weiblichen Bilde, daß sich etliche Herzen ihr zuneigen mögen. Sie sagte, wie betrügerisch andere Minnerinnen seien und wie wahrhaft minniglich und treu sie selber sei. Davon ward sein junges Gemüt angezogen. Reizliche Weise hatte sie und ein Anlocken in geistlicher Minne, besonders in den Büchern, die da heißen Weisheitsbücher. Wenn man die zu Tische laß und er derlei Minnekosen vorgelesen hörte, so ward ihm sehr wohl zumute. Davon fing er an, ein Sehnen zu haben und gedachte in seinem Gemüte also: „Du solltest dein Glück recht suchen, ob dir diese Minnerin deine Liebe werden möchte, von der ich so große Wunder sagen höre, wo doch dein junges Herz ohne Liebe nicht länger bleiben möchte!“ In diesen Dingen nahm er sie wohl wahr und stimmte minniglich ein, und es gefiel ihm gut in Herz und Gemüt.


5

Als er SIE in den ausgelegten Gleichnissen der Schrift mit den inneren Augen schauen wollte, da zeigte SIE sich ihm also: SIE schwebte hoch über ihm auf einem Wolkenthron, SIE leuchtete wie der Morgenstern und schien wie die spielende Sonne! IHRE Krone – Ewigkeit, IHR Kleid – Glückseligkeit, IHRE Rede – Süßigkeit, IHR Umfangen – aller Lust Genüge! SIE war fern wie nah, hoch wie niedrig, SIE war gegenwärtig und doch verborgen, SIE ließ mit sich umgehen und doch vermochte niemand, SIE zu begreifen! SIE reichte über das Oberste des höchsten Himmels hinaus und rührte das Tiefste des Abgrunds, SIE breitete sich aus von einem Ende der Erde zum andern und reichte mannigfaltige Süßigkeiten! Glaubte er, eine schöne Jungfrau zu haben, fand er geschwind einen herrlichen Herrn! SIE gebärdete sich als eine weise Meisterin, eine weidliche Minnerin! SIE bot sich ihm minniglich an und sprach zu ihm voll Güte: „Mein Sohn, gib MIR dein Herz!“ Er neigte sich zu IHREN Füßen und dankte IHR von Herzen aus demütigem Grund. Dies ward ihm, und mehr konnt ihm nicht werden...



ABC DER HAGIA SOPHIA

(Jesus Sirach 51)

Als jung ich war, noch nicht auf Reisen ging,
Da suchte ich schon Hagia Sophia.
Bald kam sie zu mir in der reinen Schönheit
Und bis zum Ende will ich sie erstreben.
Chockma! Wie nach dem Blühen Trauben reifen
Zur Lust, erkannt ich sie von Jugend an.
Da schritt mein Fuß auf einem schmalen Pfad,
Da lauschte ich nur kurz und fand die Lehre.
Es war mir Hagia Sophia Amme –
Auch meinem Lehrer dank ich die Belehrung.
Fromm wollte ich erleben reine Freude
Und strebte nach dem wahren Glück des Lebens.
Ganz voll Begierde brannte ich nach ihr
Und wandte nimmer ab von ihr mein Auge.
Ha, ich begehrte sie auf ihren Höhen,
Tat auf ihr Tor und schaute sie leibhaftig!
Ich wusch in Unschuld meine Hände rein
Und fand Sophia in des Herzens Reinheit.
Ja, sehr erregt war ich, sie anzuschauen,
Drum hab ich sie erworben, edles Gut.
Kunstfertig machte meine Lippen Gott,
Mit meiner Zunge will ich danken Gott.
Lauft rasch herbei, Unwissende, zu mir,
Verweilt und lernt in meinem Lehrhaus.
Müßt ihr noch lange alles das entbehren
Und immer dürsten, dürsten in der Seele?
Nun öffn‘ ich meinen Mund und preis Sophia.
Erwerb der Weisheit kostet euch kein Geld.
O neiget eure Nacken unters Joch,
Ihr Joch ist sanft und ihre Last ist leicht.
Pur naht sie denen, die sie sehnlich suchen,
Wer sich ihr hingibt ganz, der findet sie.
Ruh fand ich viel und mühte mich nur wenig.
Kommt alle, schaut mit euren eignen Augen.
So hört auf meine Lehre, knapp bemessen,
Die edler ist als Silber oder Gold.
Tut eure Werke vor der Zeit des Urteils,
So gibt euch Gott den Lohn zur rechten Zeit.
Und freuet euch an Hagia Sophia
In meinem Lehrstuhl. Stolz seid auf mein Lied!
Wohl sei gepriesen Gott für alle Zeiten
Gemäß der Weisheit Jesus‘, Sohnes Sirachs.
Zum Schluß gepriesen sei dein Name, Jahwe,
Äone um Äone unser Gott!



DIE VERSAMMLERIN

(Prediger Salomo / Koheleth)


Die Worte Koheleths, des Sohnes Davids,
Der war ein König von Jerusalem.
Ist nichts als Nichtigkeit von Nichtigkeiten,
Ist nichts als Nichtigkeit von Nichtigkeiten,
Ist Alles nichts als Nichts, sprach Koheleth.
Was für ein Nutzen hat der Mensch vom Mühen,
Mit dem er müht sich unter dieser Sonne?
Geschlechter gehen und Geschlechter kommen,
Die Mutter Erde, sie besteht für immer.
Die Sonne steigt herauf und geht dann unter
Und lechzt erneut nach ihrem Ursprungsort,
Dort geht sie wieder auf, die junge Sonne.
Es geht nach Süden, dreht sich nach dem Norden,
Und immer kreisend geht der Wind herum.
Zu seinem Kreislauf kehrt zurück der Wind.
Die Bäche fließen alle in das Meer,
Das Meer wird aber dennoch nimmer voll.
Zu jenem Ort, zu dem die Bäche fließen,
Dorthin zu fließen wenden sie sich immer.
Die Worte machen alle soviel Mühe,
Und dennoch nichts vermag ein Mann zu sagen.
Das Auge ist ein Nimmersatt, zu sehen,
Und nie die Ohren werden satt vom Hören.
Was ist gewesen? Das was wieder sein wird.
Was tat man? Das was wieder wird getan,
Es gibt nichts Neues unter dieser Sonne.
Kann man von irgendeinem Dinge sagen:
Sieh dieses Ding an, das ist eine Neuheit?
Längst ist gewesen es in alten Zeiten,
In den Äonen, die da vor uns waren.
Es gibt kein Angedenken an das Alte
Und auch nicht an das Letzte, das da sein wird,
Es wird kein Angedenken daran geben
Und nicht an das, was in der Zukunft sein wird.
Ich Koheleth war Fürst Jerusalems,
Ich richtete mein Herz allein darauf,
Zu suchen, zu ergründen in der Weisheit,
Was alles sich ereignet unterm Himmel.
Dies böse Ding hat Menschen Gott gegeben,
Sich damit unter Mühen abzumühen.
Und ich betrachtete die ganzen Taten,
Die da gewirkt sind unter dieser Sonne,
Sieh, alles ist ein Nichts, Verdruß des Geistes!
Gekrümmtes nimmer wird Gerades werden,
Das Fehlende vermag man nicht zu zählen.
Da sprach ich bei mir selbst, zu meiner Seele:
Ich habe Weisheit reichere erworben
Und zu der vorigen hinzugefügt
Als die da vor mir in Jerusalem.
Mein Herz sah Weisheit und Erkenntnis viel.
Mein Herz sah auf Erkenntnis, sah auf Weisheit,
Erkannt ich Wahnsinn und der Torheit Handeln.
Und ich erkannte tief in meiner Seele,
Daß dies Begehren ist nach leerer Hohlheit.
Viel Weisheit ist auch viel Verdruß des Geistes,
Erkenntnis wachsend läßt die Schmerzen wachsen!

Ich sagte bei mir selbst, bei meiner Seele:
Erproben will ich es an dir durch Freude,
Auf, auf, daß du genießen sollst das Gute.
Doch siehe, dieses auch war Nichtigkeit.
Zur Lustigkeit des Scherzens sprach ich: Unsinn!
Zur Freude sprach ich: Was denn tust du da?
Und ich ergründete in meinem Herzen,
Den Menschenleib mit edlem Wein zu laben,
Mein Herz doch führend mit Vernunft der Weisheit,
Und Torheit zu ergreifen, bis ich sähe,
Ob dieses ist das Gute für die Menschen,
Dies, was da tun die Menschen unterm Himmel
Die ganze kurze Zahl der Lebenstage.
Verrichtet hab ich große Werke, wahrlich,
Ich baute Häuser, pflanzte Weinterrassen,
Ich habe Parks und Gärten angelegt
Und manchen edlen Fruchtbaum eingepflanzt.
Ich legte an die stillsten Wasserteiche,
Aus ihnen einen ganzen Wald zu wässern,
Der da von Grünkraft in den Bäumen sproß.
Ich habe Sklaven, Sklavinnen erworben,
Im Haus geborne, mir zum Eigentum,
Viel Kleinvieh war mein eigen, viele Kühe,
Da war ich reicher als die andern alle,
Die vor mir waren in Jerusalem.
Ich habe Silber auch und Gold gehäuft,
Besitz von Königen und von Provinzen.
Und Sänger ich erwarb und Sängerinnen
Und auch die höchste Lust der Menschensöhne,
Die Liebe Fraue und die schönen Frauen.
Ich wurde groß und nahm mehr zu als alle,
Die vor mir waren in Jerusalem.
Auch meine Weisheit ist bei mir geblieben.
Und das, wonach verlangten meine Augen,
Das Schöne hab ich ihnen nicht verwehrt.
Ich habe meinem Herzen nichts versagt,
Nichts vorenthalten von der ganzen Freude,
Mein Herz war froh bei aller meiner Mühsal,
Dies war mein Anteil bei der ganzen Mühe.
Da schaute ich auf alle großen Werke,
Die meine Hände sich geschaffen hatten,
Ich sah die Mühe an des ganzen Schaffens,
Sieh! Alles Nichtigkeit! Verdruß des Geistes!
Ist alles sinnlos unter dieser Sonne!
Ich sah mich um, die Weisheit zu betrachten
Und Unsinn anzuschaun und eitle Taten:
Was tut der Mensch, der nach dem König kommt?
Er tut dasselbe, was man längst getan.
Die Weisheit ist doch besser als die Torheit,
Wie Licht ist besser als die Finsternis:
Der Weise trägt im Haupte seine Augen,
Blind geht der Tor um in der Finsternis.
Doch ich erkannte gleichfalls die Erkenntnis,
Daß Ein Ergehen Weise trifft und Toren.
Da sprach ich zu mir selbst, zu meiner Seele:
Entsprechend dem Ergehen eines Toren,
Wird’s mich auch treffen. Warum ward ich weise?
Da sprach ich zu mir selbst, zu meiner Seele:
Ach dies ist alles Nichts der Nichtigkeit!
Kein Angedenken gibt es an den Weisen,
Sowenig wie man stets gedenkt der Toren,
Weil in der Zukunft alles ist vergessen.
Wie stirbt der Weise doch mitsamt dem Toren!
Da hasste ich das Leben dieser Erde,
Zuwider war mir alles Menschentun,
Was da getan wird unter dieser Sonne,
Ist alles Nichtigkeit, Verdruß des Geistes!
Da hasst ich alle Werke meiner Mühe,
Die meine Mühsal unter dieser Sonne,
Die Werke, die ich hinterlassen werde
Dem Menschen, welcher nach mir kommen wird.
Wer weiß, wird weise er, wird töricht sein?
Wo er beherrschen soll doch mein Ermühtes,
Worum ich mich bemüht in meinen Mühen
Und Weisheit stiftet unter dieser Sonne.
Auch dies ist Nichtigkeit der Nichtigkeiten!
Da wandt sich meine Seele zur Verzweiflung,
Verzweiflung über meiner Mühen Werke,
Die ich erschaffen unter dieser Sonne.
So ist es: Hat sich einer abgemüht
Mit Tüchtigkeit und Weisheit und Erkenntnis,
So fällts doch einem Taugenichtse zu.
Auch dies ist Nichtigkeit der Nichtigkeiten
Und ist nichts andres als ein großes Übel.
Was bleibt dem Menschen nun in seinen Mühen?
Was bleibt ihm in dem Streben seines Herzens,
Mit dem er tätig unter dieser Sonne?
Denn seine ganze Zeit besteht aus Schmerzen
Und Seufzer sind alleine seine Arbeit.
Selbst in der Nacht darf ruhen nicht sein Herz.
Auch dies ist Nichtigkeit der Nichtigkeiten.
Nichts ist so gut für eine Menschenseele,
Als daß er Speise ißt und trinkt den Trank
Und seine Seele Schönes sehen läßt.
Doch dieses auch hab ich erkennen können,
Daß es allein aus Gottes Händen kommt.
Denn wer kann essen, wer genießen da,
Wer, außer das es Gott ihm so gegeben?
Dem Menschen aber, welcher ihm gefällt,
Dem gibt er Freude, Weisheit und Erkenntnis,
Zu sammeln und zu häufen Sündern Mühsal,
Dem Gott Gefälligen das Gut zu geben.
Ach dies ist Nichtigkeit der Nichtigkeiten,
Vergeblich Seufzen und Verdruß des Geistes!

Es hat da alles seine Spanne Zeit
Und jede Angelegenheit den Kairos.
So sind die Zeiten unter dieser Sonne,
Zeit zum Gebären ist und Zeit zu Sterben,
Zum Pflanzen Zeit und zum Entwurzeln Zeit,
Zum Töten eine Zeit und Zeit zum Heilen,
Zum Niederreißen Zeit und Zeit zum Bauen,
Zum Weinen Zeit und Zeit zum Lachen auch,
Zum Klagen Zeit und Zeit zum Tanzen auch,
Zum Steinewerfen Zeit, zum Steinesammeln,
Zum Kosen Zeit und fern sein von Liebkosung,
Zum Suchen Zeit und Zeit auch zum Verlieren,
Zeit zum Bewahren, Zeit auch zum Verwerfen,
Zeit zum Zerreißen, zum Zusammennähen,
Zum Schweigen Zeit und Zeit zum Reden auch,
Zum Lieben Zeit und Zeit zum Hassen auch,
Zum Streite Zeit und Zeit zum Friedenschließen.
Was hat der Schaffende für einen Vorteil
Von aller Mühsal, damit er sich abmüht?
Ich sah die Arbeit, die gab Gott den Menschen,
Daß jeder Mensch sich mühe in der Arbeit.
Gott machte alles schön zur rechten Zeit,
Er legte Ewigkeit in ihren Sinn.
Doch findet nicht der Mensch die Werke Gottes,
Erkennt sie nicht von Anbeginn bis Ende.
Ich sah, nichts besser ist als sich zu freuen
Und Schönheit sich im Leben zu bereiten.
Ein Mensch, der Speise speist und trinkt den Trank
Und der genießt bei aller Mühsal Gutes,
Er weiß es, dies ist eine Gabe Gottes.
Erkannt ich auch, daß alles, was tut Gott,
Das wird für immer, immerdar bestehen,
Hinzuzufügen nichts, nichts wegzunehmen.
Gott tut es, daß man Ehrfurcht vor ihm habe.
Das, was gewesen ist, war vordem da,
Und das, was sein wird, auch ist schon gewesen.
Und Gott allein sucht das Entschwundene.
Und weiter sah ich unter dieser Sonne:
Am Ort des Rechtes, siehe dort war Frevel,
Am Orte der Gerechtigkeit war Frevel.
Da sprach ich bei mir selbst, zu meiner Seele:
Gerechte wird und Frevler richten Gott,
Für jede Angelegenheit kommt Zeit
Und eine rechte Zeit für alles Tun.
Da sprach ich bei mir selbst, zu meiner Seele:
Ach, was betrifft die armen Menschenkinder,
Sie anzuschauen, darum geht es Gott,
Und daß sie sehen, daß sie sind wie Tiere,
Daß sie erkennen solches für sich selbst.
Denn Eine Widerfahrnis hat der Mensch
Und Eine Widerfahrnis haben Tiere,
Dieselbe Widerfahrnis ists für beide.
Wie dieser stirbt, so sterben jene auch,
Ist Eine Ruach doch für alles Leben!
Der Mensch ist edler nicht als Tiere – Nichts!
Es geht doch alles an denselben Ort,
Es wurde alles aus dem Staub der Erde
Und alles kehrt zurück zum Staub der Erde.
Wer weiß: Des Menschen Ruach steigt nach oben?
Der Tiere Ruach sinkt hinab zur Erde?
Ich sah, daß es nichts Bessers gibt auf Erden,
Als daß der Mensch sich freut an seinen Werken,
Das ist sein Teil in diesem eitlen Leben,
Denn wer bringt ihn dazu, zu freun sich daran,
Was nach ihm sein wird auf der eitlen Erde?

Erneut sah all die Unterdrückung ich,
Die da verübt wird unter dieser Sonne,
Und siehe da, der Unterdrückten Tränen,
Und keiner war bei ihnen, der sie tröstet,
Und viel Gewalt von Händen der Bedrücker,
Und keiner war bei ihnen, der sie tröstet.
Ich pries die Toten, welche längst gestorben,
Mehr als die Lebenden, die noch am Leben,
Doch mehr noch als die Lebenden und Toten
Den Menschen, der noch ungeboren ist,
Das böse Tun noch nicht gesehen hat,
Das da verübt wird unter dieser Sonne.
Und was ich sah, das war der große Aufwand
Und war der große Ehrgeiz eitlen Treibens,
Ja, Konkurrenz des einen mit dem andern,
Auch dies ist Nichtigkeit der Nichtigkeiten,
Vergeblich Seufzen und Verdruß des Geistes.
Der Tor legt seine Hände in den Schoß
Und frißt mit seinem Maul sein eignes Fleisch.
Ist besser eine Handvoll in der Ruhe,
Als beide Fäuste voll mit schwerer Mühsal
Und nichtiger Begier nach Luftgespinsten.
Auch sah ich Eitles unter dieser Sonne:
Da gibt es einen, aber keinen zweiten,
Auch hat er keinen Sohn und keinen Bruder,
Doch gibt’s für alle seine Müh kein Ende,
Nie werden seine Augen satt vom Reichtum.
Er spricht: Für wen denn mühe ich mich ab,
So daß mein müdes Herz entbehrt des Schönen?
Auch das ist Nichtigkeit, ein böses Übel.
So sind doch besser zwei, als einer nur,
Gibt guten Lohn für sie bei ihrer Mühe.
Denn wenn sie fallen oder wenn sie stürzen,
Der eine richtet dann den andern auf.
Doch weh dem Einsamen, der fällt allein,
Weh dem, ist keiner da, der ihn erbaut!
Wenn zwei sich legen, wird es ihnen warm,
Dem Einsamen wird nimmer warm im Bette.
Und wenn ein Mann den einen angreift auch,
Gemeinsam können zwei doch widerstehen,
Und sind drei Fäden gar in Einer Schnur,
So wird die dicke Schnur nicht reißen rasch.
Ein Jüngling besser ist, der arm, doch weise,
Ist besser als ein Fürst, der alt, doch töricht,
Und der nicht klug und sich nicht raten läßt.
Ja, aus dem Kerker ging hervor der Jüngling,
Um schließlich noch zu werden Fürst im Lande,
Im Königtum geboren als ein Armer.
Ich sah die Menschen an im Land des Lebens,
Die Menschen, wandelnd unter dieser Sonne,
Ich sah sie mit dem Jünglinge, dem Armen,
Der an des Fürsten Stelle treten sollte.
Es ist kein Ende für das ganze Volk,
Für alle, denen nun der Jüngling vorsteht.
Nicht freuen sich die Kommenden an ihm,
Ist Nichtigkeit der Nichtigkeiten, Hauch!
Bewahre dich, gehst du zum Tempel Gottes,
Zu nahen, um zu hören Gottes Wort,
Ist besser als der Toren Opfergabe.
Unwissend sind sie, daß sie Böses tun.

Sei nicht zu eilig du mit deinem Munde,
Sei nicht zu schnell mit deines Herzens Zunge,
Ein Wort ergehen lassend vor der Gottheit,
Gott ist im Himmel, du bist auf der Erde.
Drum seien deine Worte wenige,
Denn Traum kommt mit der Menge an Geschäft
Und Torenschwatzen mit der Worte Menge.
Wenn du vorm Gotte ein Gelübde ablegst,
Dann halte dich nicht auf, es zu erfüllen,
Denn kein Gefallen gibt es an den Toren.
Was du gelobst dem Gotte, das erfülle.
Sonst ist es besser, du gelobst erst nicht,
Als daß du es gelobst und nicht erfüllst.
Gib nicht dem Mund zu, schuldig dich zu machen,
Sprich nicht vorm Engel: Es war ein Versehen.
Soll Gotte zürnen über deine Reden
Und deiner Hände Werke dir verderben?
Trotz vieler Träume, vieler Nichtigkeiten,
Trotz vieler Worte ohne Maß und Zahl:
Gott, deinen Gott sollst du alleine fürchten!
Siehst Unterdrückung du der armen Menschen
Und Raub von Recht und von Gerechtigkeit
In der Provinz, so wundere dich nicht!
Ein Hoher wacht wohl über einen Hohen,
Ein Höherer wacht über beide Hohen.
Des Landes Vorteil ist in allem dies:
Ein König, der dem Ackerlande dient.
Wer Mammon liebt, wird nimmer satt am Mammon,
Wer Reichtum liebt, wird satt nicht am Gewinn.
Auch das ist Nichtigkeit der Nichtigkeiten.
Wenn zahlreich aber werden gute Dinge,
So sind auch viele da, die es verzehren.
Was ist der Nutzen für den Eigentümer,
Es sei denn, daß er‘s sieht mit seinen Augen?
Süß ist der Schlummer des, der da geschaffen,
Ob er auch wenig isset oder viel.
Die Sattheit aber eines reichen Mannes
Bringt dennoch ihm zum Schlafen keine Ruhe.
Da gibt es eine wirklich böse Krankheit,
Die ich gesehen unter dieser Sonne:
Geld, vom Besitzer aufgehäuft, zum Unglück.
Vergeht der Reichtum durch Geschäftsverlust
Und hat der Reiche einen Sohn gezeugt,
So hat er nichts davon in seiner Hand.
Wie er hervorging aus dem Mutterschoß,
Nackt wird er gehen, nackt ist er gekommen.
Nichts trägt er mit davon für seine Mühe,
Nichts, das er mitgeführt in seiner Hand.
Und grade das ist eine böse Krankheit:
So wie er kam, so nackend wird er gehen.
Was für Gewinn wird schließlich für ihn bleiben?
Daß er sich abgemüht für Luftgespinste!
Auch alle Tage isset er im Finstern
Mit viel Verdruß und Ärgernis und Leiden.
Doch siehe, was ersehen ich als Gutes:
Schön ists zu essen, herrlich ists zu trinken
Und Schönheit anzuschaun bei aller Mühe,
Mit der man müht sich unter dieser Sonne
In der begrenzten Zahl der Lebenstage,
Die Gott der Schöpfer zugeteilt dem Menschen.
Das ist sein Anteil. Nämlich jeder Mensch,
Dem Gott gegeben seines Reichtums Schätze,
Und den er auch befähigt, zu genießen,
Befähigt, seinen Teil davon zu nehmen,
Bei aller Mühe Freude auch zu haben:
Schau, das ist eine Gnadengabe Gottes.
Er denkt nicht viel an die begrenzte Zeit
Des Lebens, weil die Gottheit ihn beschäftigt,
Beschäftigt mit der Wonne seines Herzens!

Und siehe, es gibt weiterhin das Böse,
Das ich gesehen unter dieser Sonne,
Das Übel lastet schwer auf Menschenseelen.
Ein Mensch, dem Gott gibt Reichtum, Schätze, Ehre,
Daß seine Seele nichts entbehrt von allem,
Was je begehrt die Seele jenes Mannes,
Doch Gott gibt nicht das Glück, es zu genießen,
Vielmehr ein fremder Mann genießt die Gaben,
Das auch ist Nichtigkeit der Nichtigkeiten
Und ist ein böses Leiden in dem Leben.
Wenn auch ein Mann erzeugte hundert Kinder
Und lebte eine Unzahl Lebensjahre,
Die Zahl der Jahre wäre wirklich riesig,
Doch seine Seele wird nicht satt am Guten
Und auch kein Grabmal wäre ihm beschieden,
So ist dann besser dran die Fehlgeburt,
Sie kommt im Nichts und geht in Finsternis,
Ihr Name ist bedeckt von Finsternis,
Die Sonne sieht sie nicht und kennt sie nicht,
Die hat mehr Ruhe als der andre Mann.
Und lebte einer auch zweitausend Jahre
Und hätte doch das Gute nicht gesehen?
Es geht doch alles an denselben Ort.
Des Menschen Mühe ist für seinen Mund,
Und doch wird das Verlangen nicht gestillt.
Ja, was für einen Vorteil hat der Weise
Und was ist da der Nachteil eines Toren?
Was ist der Vorteil des geringen Menschen,
Der da in Demut vor dem Herrn versteht,
Im Lande der Lebendigen zu wandeln?
Ist besser doch das Sehen mit den Augen,
Als die Begierde nach dem Luftgespinste.
Auch das ist Nichts, vergeblich ist das Seufzen.
Was auch geschieht, genannt ist dessen Name,
Es ist bekannt schon längst, wer da ein Mensch.
Und er vermag mit jenem nicht zu rechten,
Mit jenem, der ihm überlegen ist.
Ach ja, es gibt unendlich viele Worte,
Die eitlen Eitelkeiten zu vermehren!
Was ist der Vorteil da für einen Menschen?
Wer weiß, was gut ist einem Menschenleben?
Die Zahl der Tage seines eitlen Lebens
Verbringt er ja so flüchtig wie ein Schatten!
Wer also teilt der Menschenseele mit,
Was nach ihm sein wird unter dieser Sonne?

Ein Nachruhm besser ist als gutes Salböl,
Der Tag des Todes doch als der Geburtstag.
Ist besser, in einer Trauerhaus zu gehen,
Als in das Feierhaus, als in die Schenke.
Dies offenbart dir aller Menschen Ende,
Der Lebende, er nimmt es sich zu Herzen.
Ist besser Trauerschmerz als das Gelächter,
Denn durch das Trauern wird das Herz gereinigt.
Des Weisen Herz ist in dem Haus der Trauer,
Der Toren Herz in Häusern des Gelächters.
Ist besser, zuzuhörn des Weisen Schelten
Als eitlen Liebesliedern eitler Narren.
Denn wie der Disteln Knistern unterm Kessel,
So ist der Toren närrisches Gelächter.
Auch das ist Nichtigkeit der Nichtigkeiten.
Der unrechtmäßige Gewinn und Reichtum
Macht selbst den weisen Mann zu einem Toren,
Bestechung ruiniert des Weisen Herz.
Der Sache Ende besser als ihr Anfang,
Langmütigkeit ist besser als der Hochmut.
Sei eilig nicht im Geiste, dich zu ärgern,
Es wohnt der Ärger in dem Schoß des Toren.
Sprich nicht: Was waren doch die alten Zeiten,
Die goldnen Zeiten besser doch als unsre?
Denn nicht in Weisheit stellst du solche Fragen.
Ein Gut ist Weisheit, auch mit Erbbesitz,
Ist ein Gewinn für die, die sehn die Sonne.
Denn bist du in der Gottesweisheit Schatten,
Beschirmt sie dich im Schatten auch des Geldes.
Doch ist der Nutzen größer von Erkenntnis,
Denn Weisheit schenkt das Leben dem Besitzer.
Betrachte du genau die Werke Gottes:
Wer macht das grad, was er hat krumm gemacht?
Am guten Tage sei du guter Dinge,
Am bösen Tage aber du bedenke,
Auch diesen hat wie jenen Gott gemacht,
Allein weil nie der Mensch erkennt die Zukunft,
Was nach ihm kommt, das kann er nicht erkennen.
Das sah ich an in meiner Eitelkeit:
Ist ein Gerechter, sterbend als Gerechter,
Ein Gottvergessner lebt in seiner Bosheit.
Du sei nicht zu gerecht und nicht gebärde
Du dich so weise wie die sieben Weisen,
Warum willst du dich selber einsam machen?
Doch sei auch nicht zu gottlos, sei kein Narr,
Warum willst du verscheiden vor der Zeit?
Gut ist, daß du an dieser Weisheit festhälst
Und auch von jener Weisheit dich nicht fernhälst,
Der Gottesfürchtige entgeht der Sünde.
Die Weisheit wird dem Weisen Kraft verleihen,
Mehr Kraft als zehn Gebietern in den Städten.
Es ist doch kein Gerechter auf der Erde,
Der nichts als Gutes täte, niemals fehlte.
Auch all den vielen Worten, die man redet,
All dem Geschwätz sollst du dein Herz nicht widmen,
Daß du nicht hörest deiner Knechte Lästern.
Denn oftmals schon, das hat dein Herz erkannt,
Denn oftmals schon hast Andre du verlästert.
Das alles prüfte ich in Gottes Weisheit.
Ich sprach zu mir: Ein Weiser will ich werden!
Sie aber, Sie, ach Sie blieb fern von mir!
Sehr fern ist das, was ist, das ist sehr tief,
Wer kann den Urgrund allen Seins erkennen?
Ich wandt mich um und richtete mein Herz
Auf die Erkenntnis und auf das Ergründen
Der Weisheit und das Urteil zu ergründen
Und ich erkannte allen Frevels Stumpfsinn,
Erkannte Torheit als des Unsinns Frucht
Und fand auch bittrer als den Tod das Weib –
Ein Netz ist sie, ein Fangnetz ist ihr Herz,
Wie Fesseln ihre Haare, ihre Hände.
Wem Gott ist gut, der wird dem Weib entrinnen,
Wer sich verfehlt, wird von dem Weib gefangen.
Schau, wahrlich, das hab ich herausgefunden,
Spricht Koheleth, das eine und das andre,
So bin gekommen ich zum weisen Urteil.
Was meine Seele auch noch untersucht
Und was gefunden meine Seele nimmer:
Wohl Einen Mann fand ich bei tausend Menschen,
Ein Weib hab ich bei Menschen nicht gefunden.

Ja, dies hab ich zu Herzen mir genommen,
Dies alles sorgsam und genau zu prüfen:
Daß die Gerechten nämlich und die Weisen
Und ihre Werke sind in Gottes Hand.
Es sei nun Liebe oder Haß, was weiß der Mensch?
Denn ihnen steht bevor noch Haß und Liebe.
Ist alles gleichsam für die ganze Menschheit,
Ein und dasselbe Schicksal allen Menschen,
Ein Schicksal den Gerechten und den Frevlern,
Den Guten und den Reinen und den Sündern,
Den Opfernden und den Nicht-Opfernden,
So wie dem Frommen, so ergehts dem Sünder,
Gelobendem, dem Meider des Gelübdes.
Das ist ein Übel unter dieser Sonne,
Daß es dasselbe Schicksal gibt für alle,
Daß auch das Herz des Menschen voll vom Bösen,
Daß Unsinn immerdar in ihrem Herzen,
Und schließlich geht das Herz hinab zu Toten.
Wird wer noch zu den Lebenden gezählt,
So ist für ihn noch eine Hoffnung da,
Denn einem Hund am Leben geht es besser,
Als einem Löwen in dem Totenreich.
Ist wer am Leben, weiß er, er muß sterben,
Was aber wissen überhaupt die Toten?
Gibt’s für die Toten ja auch keinen Lohn,
An sie ist die Erinnerung vergessen.
Der Toten Liebe und der Toten Haß,
Der Toten Eifer, alles längst vergessen,
Es gibt für sie auf Dauer keinen Anteil
An allem Wandel unter dieser Sonne.
So geh und iß mit Freude deine Speise
Und trinke lustig deinen edlen Wein,
An deinem Werk hat Gott ein Wohlgefallen.
Es seien deine Kleider allzeit frisch
Und Salböl soll auf deinem Haupt nicht mangeln.
Genieß dein Leben mit der Lieben Fraue,
Liebfraue, die du liebst von ganzem Herzen,
Du liebe sie dein ganzes Leben lang,
Das Gott dir schenkte unter dieser Sonne,
Die ganze Lebenszeit der Nichtigkeit.
Das ist dein Teil an deines Lebens Mühe,
Mit der du mühst dich unter dieser Sonne.
Tu alles das, was deine Hände finden,
Tu alles das mit deiner ganzen Kraft.
Sind keine Werke doch und keine Werte
Und nicht Erkenntnis mehr und nimmer Weisheit
In jenem Schattenreich, zu dem du wandelst.

Die toten Fliegen lassen Salböl stinken
Und lassen gären Öl des Salbenmischers.
Schwerwiegender als Weisheit selbst und Ehre
Ist nur ein wenig von der eitlen Torheit.
Das Herz des Weisen ist zu seiner Rechten,
Das Herz des Toren ist zu seiner Linken.
Auch auf dem Wege, wenn der Tor ihn geht,
Auf seinem Wege fehlts ihm an Verstand,
Er sagt zu jedem nur, er sei ein Tor.
Wenn Zorn des Herrschers aufsteigt gegen dich,
Verlasse nimmer deinen sichern Platz.
Denn Sanftmut läßt nicht große Schuld geschehen.
Es gibt ein Übel, das ich angeschaut,
Betrachtet habe unter dieser Sonne,
Wie ein Versehn, verursacht von dem Herrscher,
Erhoben wird ein Tor in höchste Stellung,
Und Reiche sitzen in der Niedrigkeit.
Ich schaute Knechte auch auf Pferden reiten
Und Fürsten gehen barfuß wie die Sklaven.
Wer eine Grube gräbt, fällt selbst hinein,
Reißt wer die Mauer ein, den beißt die Schlange,
Wer Steine bricht, verletzt sich selbst daran,
Wer spaltet Holz, gefährdet sich dadurch.
Ist Eisen stumpf, man wetzt die Schneide nicht,
Dann muß man um so mehr der Kraft aufwenden.
Von Vorteil, Weisheit richtig anzuwenden.
Die Schlange beißt, bevor du sie beschworen,
Da gibt es nicht Gewinn für den Beschwörer.
Des Weisen Worte bringen Ruhm und Ehre,
Der Toren Lippen fressen nur den Toren.
Der Anfang seiner Worte ist die Torheit,
Das Ende seiner Rede übler Unsinn.
Wer da ein Tor ist, der schwatzt viele Worte,
Doch Einsicht fehlt dem Mann, in das was sein wird,
Was nach ihm sein wird, wer teilt ihm das mit?
Der Toren Arbeit, die ermüdet sie,
Vermag er nicht einmal, zur Stadt zu gehen.
Weh, Land, dir, wenn dein König ist ein Knabe
Und deine Fürsten morgens schon genießen.
Wohl, Land, dir, wenn dein König ist ein Edler,
Wenn Fürsten zu der rechten Zeit genießen
Als starke Männer, aber nicht im Saufen.
Zwei faule Hände senken das Gebälk,
Das Dach tropft durch der Hände Sinkenlassen.
Um froh zu lachen, hält man eine Mahlzeit,
Fürwahr, fürwahr, der Wein erfreut das Leben,
Das Geld, so heißt es, sorgt dann für das Ganze.
Selbst in Gedanken fluche nicht dem König,
In deinem Schlafgemache nicht dem Reichen.
Des Himmels Vögel tragen deine Stimme,
Die Herrn der Flügel künden deine Worte.

Schick deine Kuchen weithin übers Meer,
Nach vielen Tagen findest du sie wieder.
Verteil auf sieben Leute oder acht,
Du weißt nicht, was für Unheil noch geschieht.
Sind Wolken voll, kommt Regen auf die Erde,
Und fällt ein Baum nach Süden oder Norden,
Wohin er fällt, dort wird er liegen bleiben.
Wer achtet auf den Wind, kommt nicht zum Säen,
Wer auf die Wolken schaut, der wird nicht ernten.
Unwissend bist du über Windes Wege
Und ebenso kennst du nicht Gottes Werk,
Des Schöpfers, der das Ein und Alles wirkt.
Am Morgen streue deinen Samen aus,
Laß bis zum Abend deine Hand nicht ruhen,
Ob dieses dir gelingt, ob jenes dir,
Wer weiß, ob beides wird zusammen gut.
Dann wird es lieblich sein, das Licht des Lebens,
Den Augen tut es wohl, zu schaun die Sonne.
Denn wenn der Mensch auch viele Jahre lebt,
Soll er sich über alle Jahre freuen
Und denken an die Zeit der Finsternis,
Denn wahrlich zahlreich sind die finstern Tage.
Auch alles, was da kommen wird, ist eitel!
So freue, Jüngling, dich an deiner Kindheit,
Laß wohl sein deinem Herzen in der Jugend
Und lebe nach den Wegen deines Herzens
Und geh nach dem, wonach den Augen lüstet.
Bedenke wohl, daß wegen aller Werke
Einst Gott wird ziehen dich zur Rechenschaft.
Entferne also Kränkung aus dem Herzen
Und halte Unheil fern von deinem Leibe,
Denn Jugend sind und Lebensmorgen eitel!

Denk du an deinen Schöpfer in der Jugend,
Denk du an Gott, eh kommt die böse Zeit,
Eintreffen wird das Alter, du wirst sagen:
Ich hab an diesen Jahren kein Gefallen.
Dann wird die Sonne finster und das Licht,
Dann werden finster werden Mond und Sterne,
Die Wolken kehren wieder nach dem Regen.
In jener Zeit erzittern dann die Wächter
Des Hauses, krümmen sich die starken Männer,
Die Müllerinnen werden Pause machen,
Weil sie so wenige geworden sind.
Es werden dunkel, die da schaun durchs Fenster,
Verschlossen werden Türen zu der Straße,
Nachlassen wird das Klappern an der Mühle.
Erhebt man sich zur Stimme des Geflügels,
Dann sind gedämpft die Töchter der Gesänge.
Auch vor der Höhe wird man dann sich fürchten
Und vor den vielen Schrecken unterwegs.
In Blüte stehen wird der Mandelbaum,
Es schleppt sich mit den Lasten ab der Heuschreck,
Aufbrechen wird in Lust die Kapernknospe.
Doch geht der Mensch zu seiner ewgen Wohnung,
Auf Straßen jammern laut die Klageweiber.
Entfernt wird werden dann die Silberschnur,
Zerbrechen wird das goldne Ölgefäß,
Der Krug bricht auseinander an der Quelle,
Das Rad zerbrochen wird am Loch der Grube.
Der Staub kehrt heim zur Erde, wie er war,
Der Geist kehrt heim zu Gott, der ihn gehaucht.
Ein Nichts von Nichtigkeit, sprach Koheleth,
Ist Alles Nichts, ist nichts als Eitelkeit!
Und weiter? Koheleth war wahrlich weise,
Dazu Erkenntnis lehrt er die Menschen,
Er wägte, prüfte, dichtete die Sprüche,
Er mühte sich, das rechte Wort zu finden,
Gefälliges und schönes, war sein Trachten,
Aufrichtig dichten wahre schöne Worte.
Der Weisheit Worte sind wie Ochsenstachel,
Wie eingeschlagne Nägel sind die Sprüche.
Gegeben sind sie all von Einem Hirten.
Und was darüber noch hinausgeht, Sohn,
Vor mehr als diesem, Söhnchen, sei gewarnt!
Viel Büchermachen, ach, das nimmt kein Ende,
All das Studieren macht so müd den Leib!
Das Ziel des Ganzen wollen nun wir hören:
Du fürchte Gott und halte die Gebote,
Denn das allein macht aus den ganzen Menschen.
Denn Gott bringt alles Werk ins Weltgericht,
Was da geheim, sei’s Gutes oder Böses.



DAS LEHRGEDICHT DER WEISHEIT

(Sprüche Salomos, Kapitel 1-9)


Sprüche Salomonis, Sohnes Davids,
König Israels war Salmone,
Zu verstehen Weisheit und Erziehung,
Einsicht zu gewinnen in die Weisheit,
In die Sprüche der Vernunft und Klugheit,
Zu erwerben die Erziehung, merkend
Auf Gerechtigkeit und Recht und Wahrheit,
Unerfahrenen zu geben Klugheit,
Jugendlichen heilige Erkenntnis
Und Besonnenheit. Es lausch der Weise
Und vermehre Einsicht und Erkenntnis,
Der Verständige erwerbe Künste,
Einsicht zu gewinnen in die Sprüche,
Weise Worte, heilige Orakel.

Ehrfurcht Jahwes ist Erkenntnis-Anfang.
Narren schmähen Weisheit und Erziehung.
Höre, o mein Sohn, die Zucht des Vaters,
Lausch der Unterweisung deiner Mutter,
Wie ein Kranz sind sie auf deinem Haupthaar
Und am Hals wie eine Silberkette.

Sohn, wenn dich die bösen Kerle locken,
Wenn dich Männer der Gewalt bereden,
Schenke ihnen nimmer deine Ohren.
Wenn sie sagen: Folg uns auf den Raubzug,
Lauern wollen wir aufs Blut der Menschen,
Den Unschuldigen die Netze stellen,
Wollen sie verschlingen wie die Hölle,
Blühende ins Grab hinunterziehen.
Großen Reichtum werden wir erlangen,
Unsre Häuser füllen mit der Beute.
Und du wirfst das Los in unsrer Mitte,
Soll Ein Beutel sein für alle Räuber.
Sohn, dann gehe nicht auf ihren Wegen,
Deinen Fuß entferne ihren Steigen,
Ihre Füße laufen rasch zum Bösen,
Sie vergießen leicht das Blut der Menschen.
Denn vergeblich wird das Netz geworfen
Vor den Vogelaugen aller Vögel,
Auf das eigne Menschenblut sie lauern,
Stellen ihren Seelen eine Falle.
So ist das Ergehen aller Räuber.
Denn die Seele nimmt es dem Besitzer.

Ewge Weisheit laut ruft auf der Straße,
Auf dem Platz erhebt sie ihre Stimme,
Durch den Lärm der Kreuzung ruft sie, rufend
In den Toren steht sie, predigt Umkehr.
In den Städten spricht sie ihre Sprüche:
Ach wie lange liebt ihr Toren Torheit,
Ach wie lang ihr Lüsternen die Wollust,
Haßt ihr Gottvergessenen Erkenntnis?
Kehrt zu meiner Weisung um, spricht Weisheit,
Denn ich werde meinen Geist ergießen,
Wissen lassen euch der Weisheit Worte.
Weil ich rief, ihr doch nichts wissen wolltet,
Meine Hand ausstreckte, niemand merkte,
Nicht befolgtet ihr der Weisheit Ratschlag
Und habt Weisungen nicht angenommen,
Darum lache ich bei eurem Unglück,
Spotte beim Eintreffen eures Grauens,
Wenn das Grauen eintrifft wie Gewitter,
Unglück kommt herbei wie eine Windsbraut,
Wenn hereinbricht Drangsal und Bedrückung.
Ruft ihr dann, so geb ich keine Antwort,
Suchen werdet ihr und doch nicht finden.
Dafür daß ihr hasstet die Erkenntnis
Und die Ehrfurcht nicht vor Gott erwähltet,
Angenommen nicht der Weisheit Ratschlag,
Alle meine Weisungen verschmähtet.
Essen werdet ihr des Weges Früchte,
An den Planungen euch überfressen.
Denn der Toren Abfall wird sie töten,
Tödlich ist der Narren eitle Einfalt.
Doch wer mir gehorcht, wird sicher wohnen,
Sorglos vor dem Grauen alles Übels.

Söhnlein, wenn du meine Worte annimmst,
Meine Weisungen bei dir bewahrest,
Daß dein Ohr aufmerket auf die Weisheit,
Wirst dein Herz du lenken zum Verständnis.
Wenn du die Verständigkeit erflehest,
Dem Verständnis hingibst deine Stimme,
Suchest das Verständnis du wie Silber
Und verborgne Schätze in der Tiefe,
Dann wirst du verstehen Ehrfurcht Jahwes
Und erfinden die Erkenntnis Gottes,
Denn die Gottheit Jahwe spendet Weisheit,
Jahwes Mund Verständnis und Erkenntnis,
Jahwe speichert Redlichen die Hilfe,
Ist ein Schild für die vollkommen wandeln,
Zu bewahren die gerechten Pfade,
Zu beschützen Wege seiner Frommen.
Dann wirst du Gerechtigkeit verstehen
Und Geradheit, jeden Weg des Guten,
Weisheit wird dir in die Seele fließen
Und Erkenntnis deinem Geiste wohltun.
Die Besonnenheit wird dich bewachen,
Die Verständigkeit wird dich behüten,
Dich den bösen Wegen zu entreißen,
Von dem Manne, der Verkehrtes redet,
Die verlasssen die geraden Pfade,
Um zu wandeln auf den finstern Wegen,
Die sich freuen, Böses anzufangen,
Jubeln über die verkehrten Wege,
Deren Pfade sind verdreht, verdorben,
Irre gehn sie auf den breiten Straßen;
Auch dich zu entreißen eitler Dirne,
Fremder Frau, die ihre Worte glättet,
Die verläßt den Liebling ihrer Jugend,
Die vergißt die Ehe ihres Gottes;
Denn zum Tode senkt sich ihre Hütte
Und zu den Verstorbnen ihre Bahnen;
Alle, die zu ihr eingehen, sterben,
Kehren nimmer auf den Pfad des Lebens.
Lerne Weisheit mit dem Ziel des Glaubens,
Daß du wandelst auf dem Weg des Guten,
Achtest auf die Pfade der Gerechten,
Denn die Wahrheit in dem Herzen tragen,
Werden wohnen in dem guten Lande,
Die Vollkommnen werden übrig bleiben.
Gottvergessne werden ausgerottet
Und die Ungetreuen ausgerissen.

Söhnchen, nicht vergesse meine Lehre,
Meine Weisungen bewahr im Herzen,
Lange Tage, lange Lebensjahre,
Wohlbefinden werden sie dir mehren.
Liebe, Treue sollen bei dir bleiben,
Binde sie um deinen Hals, mein Söhnchen,
Schreib sie auf die Tafel deines Herzens.
So wird sich der Weisheit Antlitz neigen,
So wirst du erlangen gute Einsicht
In den Augen Gottes und der Menschen.
Traue Jahwe du von ganzem Herzen,
Stütz dich nicht aufs eigene Verständnis.
Denk an ihn auf allen deinen Wegen,
Er wird ebnen deine Lebenspfade.
Sei nicht in den eignen Augen weise,
Fürchte Jahwe, weiche von dem Bösen!
Heilung wird das sein für deinen Nabel
Und Erquickung für den ganzen Körper.
Ehre Jahwe du mit deinen Gütern
Und den Erstgeburten deines Reichtums,
Überfließen werden deine Scheunen
Und die Vorratskammern überfließen
Und von Traubenmoste deine Kufen.
Die Ermahnung Jahwes, Sohn, verwirf nicht,
Sei geduldig du des Vaters Strafe.
Denn wen Jahwe liebt, wird er erziehen,
Wie des Vaters Zucht am Lieblingssöhnchen!

Wohl dem Menschen, der erlangt die Weisheit,
Wohl dem Menschen, der erreicht Verständnis.
Besser ihr Erwerb als Silberreichtum,
Besser ihr Ertrag als feines Gelbgold.
Ihre Kostbarkeit unübertrefflich
Übertrifft auch die Korallen kostbar.
Was du schätzest, ihr ists nicht vergleichbar.
Lange Tage trägt sie in der Rechten,
In der Linken Ehre, Ruhm und Reichtum.
Ihre Wege sind der Wonne Wege,
Alle ihre Steige Wohlbefinden.
Lebensbaum ist sie für die ihr Treuen,
Wer sie fasst, der wird beglückt und selig.
Jahwe gründete die Welt in Weisheit,
Stellte auf den Himmel in Verständnis.
Ozeane brachen aus dem Wissen
Und die Wolken träufeln Regen nieder.
Sohn, nicht soll sie deinen Augen weichen,
Du bewahre Umsicht, Weitsicht, Einsicht,
Diese werden Leben deiner Seele
Und ein Schmuck für deinen Hals, mein Söhnchen.
Sicher wirst du deine Wege gehen,
Und dein Fuß wird nicht an Steine stoßen.
Legst du dich, du brauchst dich nicht zu fürchten,
Liegst du, ist dein Schlummer süß und lieblich.
Fürchte du dich nicht vor jähem Schrecken,
Nicht vorm Untergang der Gottvergessnen,
Jahwe wird dir Zuversicht und Hoffnung,
Deinen Fuß bewahren vor der Falle.

Weigere Bedürftigen nichts Gutes,
Steht es in der Macht nur deiner Hände.
Sag dem Nächsten nicht: Zurück dich wende,
Morgen geb ich – hast dus bei dir heute.
Schaffe deinem Nächsten nimmer Böses,
Wohnt er arglos neben deinem Hause.
Führe Rechtsstreit nicht mit einem Menschen
Ohne Grund, wenn er getan nichts Böses.
Sei nicht neidisch auf die Übeltäter,
Nicht entscheide dich für ihre Wege,
Ungetreue sind ein Greuel Jahwe,
Den Aufrichtigen gilt sein Vertrauen.
Jahwes Fluch ist in dem Haus der Bösen,
Segen in der Wohnung der Gerechten.
Wahrlich, wahrlich, Jahwe spottet Spöttern,
Den Demütigen gibt Gnade Jahwe.
Ehre werden erben fromme Weise,
Eitle Narren tragen ihre Schande.

Höret, meine Söhne, ihr Geliebten,
Eures Herzensvaters Sittenlehre.
Gute Lehre geb ich euch in Weisheit,
Mein Gesetz und meine Weisung laßt nicht.
Ich war selber Sohn von einem Vater,
Zart und einzig Liebling einer Mutter.
Vater unterwies mich, hat gesprochen:
Halte fest mein Wort mit deinem Herzen.
Wahre die Gebote, lebe, lebe!
Weisheit dir erwirb, erwirb Erkenntnis,
Nicht vergesse Weisheit, Jahwes Weisheit,
Weich nicht von den Reden meines Mundes.
Laß sie nicht, denn sie beschützt dich sicher.
Weisheits-Anfang ist: Erwirb dir Weisheit
Und mit aller Kraft erwirb Erkenntnis.
Schätze hoch sie, sie wird dich erhöhen,
Rühme sie, wenn du umarmst sie liebend!
Sie gibt deinem Haupt den Kranz der Schönheit,
Schenkt dir eine königliche Krone!

Höre, Söhnchen, lausche meinen Reden,
Lebensjahre werden sich dir mehren.
Weisen will ich dir den Weg der Weisheit,
Gehen lassen dich auf rechten Wegen.
Deinem Wandeln sind nicht eng die Schritte,
Wirst du laufen, wirst du doch nicht straucheln.
Laß nicht nach, halt fest an der Erziehung,
Achte auf die Zucht, sie ist dein Leben.
Gottvergessner Pfade nicht betrete,
Gehe nicht einher der Bösen Wege.
Liegen laß der Bösen breite Straßen,
Weich von breiten Straßen, geh vorüber,
Böse schlafen nicht, bevor sie lästern,
Sie sind schlaflos, stellen sie nicht Fallen.
Sie verspeisen gottlos Brot der Torheit,
Trinken von dem Trunke der Gewalttat.
Aber der Gerechten schmale Pfade
Sind wie Herrlichkeit des Sonnenaufgangs,
Steigend, leuchtend zum Zenit des Tages.
Finsternis ist Gottvergessner Straße,
Merken selber nicht, wodurch sie straucheln.

Söhnchen, merke du auf meine Worte,
Meinen Reden neige deine Ohren.
Deinen Augen weiche nicht die Weisheit,
Wahre sie im Innern deines Herzens.
Ewges Leben ist mein Wort dem Finder
Und dem ganzen Leib Genesung, Heilung.
Mehr als Schätze hüte deine Seele,
Denn sie ist die Quelle deines Lebens.
Lege ab von dir den Trug der Lippen
Und entferne Sünden deiner Zunge.
Deine Augen sollen grade blicken,
Deine Wimpern schauen grad und strahlend.
Ebne du die Wege deiner Füße,
Jede deiner Strecken sei befestigt.
Nicht nach rechts und nicht nach links abweiche,
Halte ferne deinen Fuß vom Bösen.

Söhnchen, willig lausche meiner Weisheit,
Meiner Einsicht leihe du dein Lauschen,
Wahre Überlegungen der Weisheit,
Deine Lippen wahren die Erkenntnis.
Honig träufelt fremder Dirne Lippe,
Glatter ist als Balsamöl ihr Gaumen.
Doch das Ende ist wie Wermut bitter,
Scharf ist sie wie Schwerter doppelschneidig.
Ihre Füße wandeln zu den Toten,
Ihre Schritte streben in die Hölle.
Nicht schlägt ein sie Wege ewgen Lebens,
Ihre Füße beben ohne Einsicht.

Meine Söhne, lauschet meiner Weisheit,
Weicht nicht von den Reden meines Mundes.
Bleibe fern der fremden Frau des Andern,
Nahe dich nicht ihrer Hütte Pforte,
Geb nicht andern deines Lebens Frische,
Unbarmherzigen die Kraft des Lebens,
Daß nicht sättigt Fremde dein Vermögen,
Deine Arbeit kommt ins Haus des Fremden,
Daß du stöhnen wirst an deinem Ende,
Wenn hinschwinden wird dein Fleisch und Körper
Und du redest: Ich verwarf die Mahnung,
Meine Seele Warnung und Erziehung,
Lauschte nicht dem Wort der Unterweiser,
Neigte nicht die Ohren meinen Lehrern.
Fast wär ich geraten an das Böse
Mitten in Gemeinschaft und Versammlung.

Wasser trink aus eigener Zisterne,
Fließendes aus deines Brunnens Mitte.
Sollen deine Quellen überfließen,
Wasserbäche auf die breiten Straßen?
Sie, sie sollen einzig sein dein eigen,
Aber nicht für andre Nebenbuhler.
Deine Quelle, die gebenedeite,
Ist dein Glück, die jugendliche Fraue,
Liebliche Gazelle, Anmut-Hindin.
Ihre Brüste sollen dich berauschen,
Sollst gesättigt sein an ihrem Busen,
Taumle immerfort in ihrer Liebe!
Warum taumelst du um eine Fremde,
Stöhnst vor Brüsten einer Götzensklavin?

Jahwes Augen sehen Menschenwege,
Er beachtet alle Menschenpfade.
Gottvergessnen fangen seine Sünden,
Fesseln ihn der eignen Sünden Fesseln.
Er stirbt an dem Mangel an Erziehung,
Taumelt hin in Größe seiner Torheit.

Sohn, wenn du gebürgt für deinen Nächsten,
Handschlag gabest für den fremden Menschen,
Bist verstrickt in Worten deines Mundes,
Also handle, Söhnchen, dich befreie,
Wenn du kamest in die Hand des Nächsten,
Wirf dich nieder und bestürm den Nächsten,
Gönne nimmer Schlummer deinen Augen
Und den Schlaf nicht deinen Augenwimpern.
Wie ein Hirsch befrei dich aus den Händen,
Wie ein Vogel aus der Hand des Fängers.

Zur Ameise wandele, du Fauler!
Siehe ihre Wege, werde weise,
Die nicht Führer hat, nicht Treiber, Herrscher,
Die ihr Brot bereitet sich im Sommer,
Sammelt in der Ernte ihre Nahrung.
Ach wie lang, du Fauler, liegst du schlummernd,
Wann erhebst du dich von deinem Schlummer?
Noch ein wenig Schlaf, ein wenig Schlummer?
Ineinanderlegen deiner Hände?
Und es kommt die Eilende, die Armut,
Wie ein Wilddieb naht sich dir der Mangel.

Menschen Belials, der Sünde Menschen
Sind, die wandeln in des Mundes Falschheit,
Augenzwinkernd, stoßend mit den Füßen,
Zeigend mit den Fingern auf die andern,
Herzenskrumme, Böses nur bereitend,
Streitigkeiten auf der Erde stiftend.
Doch urplötzlich naht ihm sein Verderben,
Jäh wird er zerbrochen, ohne Heilung.
Sechs sind, welche Jahwe tief verabscheut,
Sieben sinds, die Greuel seiner Seele:
Stolze Augen und gespaltne Zungen,
Hände, die vergießen Blut unschuldig,
Herz, das Sündenanschlag vorbereitet,
Füße, eilig laufend zu dem Bösen,
Lügenbläserei der falschen Zeugen
Und wer Streit veranlaßt bei Geschwistern.

Wahre, Sohn, die Weisung deines Vaters,
Laß nicht von der Botschaft deiner Mutter.
Binde immerfort sie um das Herze,
Winde sie um deinen Hals, mein Söhnchen.
Leiten sie dich doch bei deinem Gehen,
Wachen über dich bei deinem Liegen,
Und erwachst du, werden sie dich grüßen.
Leuchte ist die Weisung, Licht die Botschaft,
Weg des Lebens ist dir die Erziehung,
Dich zu wahren vor der bösen Dirne,
Vor der Schmeichelei der Fremden-Zunge.
Nicht begehre sie in deinem Herzen,
Nicht begehre sie um ihre Schönheit,
Laß dich fangen nicht von ihren Wimpern.
Zu der Hure kommst du für ein Brötchen,
Doch die Gattin kostet dich die Seele.
Trägt wer Feuer in der Manteltasche
Und es brennen ihm nicht seine Kleider?
Geht wohl jemand auf erhitzten Kohlen,
Aber ihm verbrennen nicht die Füße?
So, wer eingeht zu der Frau des Nächsten,
Jeder wird gestraft, der sie berührte.
Man verachtet nicht den Dieb, den Räuber,
Wenn er stiehlt aus übergroßem Hunger,
Siebenfach ersetzt es der Ertappte,
Er gibt seines Hauses ganze Habe.
Ehebrecher, sie sind unvernünftig,
Ein Verderber seiner Seele tut es.
Schaden trifft ihn, Schmach trifft ihn und Schande,
Nimmer wird getilgt ihm seine Sünde.
Eifersucht ist Zorn und Grimm des Mannes,
Er wird schonen nicht am Tag der Rache.
Er nimmt Rücksicht nicht auf Sühnegelder,
Wird nicht willig dir, gibst du Geschenke.

Lieber Sohn, bewahre meine Reden,
Speichre bei dir meiner Weisheit Weisung.
Wahre meine Weisungen und lebe,
Wahre Weisheit wie des Auges Tochter.
Binde sie um deinen Ehefinger,
Schreibe sie auf deines Herzens Tafel.
Sprich zur Weisheit: Du bist meine Schwester!
Die Erkenntnis rufe deine Freundin!
Dich zu wahren vor der losen Dirne,
Vor der Fremden mit der glatten Zunge.

Nämlich durch die Fenster meines Hauses
Schaute ich und durch die Fenstergitter,
Und da sah ich einen armen Toren,
Einen Jüngling unter jungen Narren,
Der in ihrem Winkel ging die Straße
Und betrat den Pfad zu ihrer Hütte
In der Dämmerung zur Abendstunde,
Als die Nacht kam, Finsternis des Dunkels.
Siehe, jene Frau trat ihm entgegen:
Hurenkleider und verborgne Seele,
Leidenschaftlich sie und ungefesselt,
Nicht in ihrer Hütte blieben ihre Füße,
Auf der Gasse bald, bald auf dem Marktplatz,
Bald auflauernd ihm in dunklen Winkeln.
Hielt sie fest sich an ihm fest und küsst ihn,
Heißen Angesichtes zu ihm sprechend:
Auf mir waren Heil- und Friedensopfer,
Heute hab erfüllt ich mein Gelübde.
Darum ging ich aus, dir zu begegnen,
Suchte dich und habe dich gefunden.
Teppiche auf meinem Ruhebette,
Buntgestreifte Seide aus Ägypten,
Auch besprengt das Bett mit Myrrhedüften
Und mit Aloe- und Zimt-Parfümen.
Komm, wir saugen Liebe bis zum Morgen,
Komm, wir trinken Liebestrank mit Minze.
Denn mein Ehemann ist nicht im Hause,
Der er wandert lange ferne Wege.
Seinen Beutel hat er mitgenommen,
Erst zur Nacht des Neumonds kommt er wieder.
So hat sie ihn lieblich überredet
Und geneigt gemacht durch Redekünste,
Ihn verführt durch Glätte ihrer Zunge.
Augenblicklich folgt er ihren Reizen,
Wie ein Ochse wird geführt zur Schlachtung,
Wie ins Netz gefangen geht der Vogel,
Bis ein Pfeil ihm seine Galle spaltet,
Er gefangen ward von ihrer Spange.
Er erkennt nicht, daß es gilt die Seele!

Meine Söhne, lauscht auf meine Worte
Und vernehmt die Reden meines Mundes.
Bieg dein Herz nicht ab auf ihre Wege,
Irre nicht umher auf ihren Steigen.
Viele sind es nämlich, die Durchbohrten,
Die sie hingerichtet hat durch Schönheit,
Ohne Zahl sind die erschlagnen Männer.
Höllenweg der Weg zu ihrer Hütte,
Welche sinkt ins Brautgemach des Todes.

Ists nicht so? Die Weisheit ruft vernehmlich,
Die Erkenntnis anhebt ihre Stimme.
Auf dem Gipfel, auf der Höh der Wege,
An der Wege Kreuzung steht sie redend.
An den Eingangstoren zu den Städten,
Auf der Städte Plätzen ruft sie deutlich:

Männer ihr! An euch ergeht mein Rufen,
Meine Stimme an die Menschensöhne.
Lernt, ihr Unerfahrenen, die Klugheit
Und ihr Trotzigen lernt Herz und Seele.
Hört, ihr Menschensöhne, Edles red ich,
Meiner Lippen Öffnen ist die Wahrheit.
Wahrheit, nichts als Wahrheit spricht mein Gaumen,
Gottvergessenheit ist mir ein Greuel.
Redlich sind die Reden meines Mundes,
Ohne Hinterlist und ohne Krummheit.
Sie sind Klarheit dem, der da vernünftig,
Zuverlässig Findern der Erkenntnis.
Nehmet meine Zucht an und nicht Silber
Und Erkenntnis lieber als das Feingold.
Weisheit ist doch besser als Korallen,
Allen Schätzen ist sie unvergleichbar.

Ich, die Weisheit, wohne bei der Einsicht,
Der Besonnenheit Erkenntnis hab ich,
Ehrfurcht Jahwes ist das Bosheit-Hassen,
Hochmut, Hoffahrt, Stolz und böser Wandel
Und die Lügenzunge sind mir Greuel.
Bei mir ist der Rat und ist die Umsicht,
Ich bin die Vernunft, bei mir ist Stärke.
Durch mich haben Könige die Herrschaft,
Haben Ruhm und Ehre Würdenträger.
Durch mich herrschen Fürsten, alle Edlen,
Richten alle die gerechten Richter.

Ich, die Liebenden der Weisheit lieb ich,
Und wer Weisheit suchet, der wird finden.
Reichtum ist und Ehre ist mein Anteil
Und Gerechtigkeit und edle Güter.
Besser meine Frucht als Gold und Feingold,
Mein Ertrag als das geprüfte Silber.
Weisheit wandelt auf gerechten Wegen,
Die Gerechtigkeit sind ihre Steige,
Auszuteilen meinen Minnern Wohlfahrt,
Die Schatzkammern fülle ich aus Gnade.

Jahwe zeugt mich in des Weges Anfang,
Erstes seiner Werke nin ich ewig,
Eingesetzt ich in den Ewigkeiten,
Anfang, von dem Anbeginn der Erde,
In der Meere Nichtsein ich geboren,
In der wasservollen Quellen Nichtsein.
Ehe wurden eingesenkt die Berge,
Vor den Hügeln wurde ich geboren.
Vor der Länder Schaffung und der Fluren
Ward ich und vorm ersten Staub des Festlands.
Als er aufgestellt das Reich der Himmel,
Abgesteckt den Kreis des Meeresspiegels,
Wolken er befestigt in der Höhe,
Stark gemacht die reinen Wasserquellen,
Er dem Ozean die Grenze setzte,
Daß die Wasserflut nicht überströmte,
Er gelegt das Fundament der Erde,
War ich bei ihm, war ich ihm zur Seite,
Throngenossin – Liebling – Architektin!
Ich war sein Ergötzen alle Tage,
Scherzte allezeit vor seinem Antlitz,
Spielend auf dem Runde seiner Erde,
Mein Ergötzen sind die Menschensöhne.

Höret also, meine Söhne, lauscht mir,
Glücklich sind, die meine Wege wahren.
Hört Erziehung, Söhne, werdet weise,
Laßt nicht von der Züchtigung der Weisheit.
Glücklich der, der lauschet meinen Worten,
Wachend Tag für Tag an meinen Pforten,
Zu bewahren meiner Pforten Flügel.
Denn wer findet mich, der findet Leben
Und erlangt von Jahwe Wohlgefallen.
Wer verfehlt mich, schädigt seine Seele,
Tod nur lieben jene, die mich hassen.

Fraue Weisheit hat ihr Haus gebauet,
Aufgerichtet ihre sieben Säulen,
Hat geschlachtet Fleisch, gemischt den Mischwein,
Hat bereitet ihre Tafelrunde,
Ausgesandt hat sie die weisen Mägde,
Ladend auf den Gipfeln hoher Städte.
Wer ist unerfahren, komme hierher!
Zu dem Unverständigen sie redet:
Komm und iß von dem geweihten Brote,
Trink vom reinen Wein, den ich gemischt hab.
Umkehr, Unerfahrene, und lebet!
Schreitet auf dem Wege der Erkenntnis!

Wer den Spötter mahnt, wird selbst verspottet.
Wer zurechtweist Gottvergessne, Schmach ihm.
Weise nicht zurecht gottlosen Spötter,
Sonst wird er dich hassen und verachten.
Weise du zurecht allein den Weisen,
Denn er wird dich lieben und verehren.
Gib dem Weisen und er wird noch weiser.
Lehre den Gerechten, er wird klüger.
Weisheits-Anfang ist die Jahwe-Ehrfurcht
Und Vernunft Erkenntnis ist des Höchsten.
Durch mich werden reichlich deine Tage
Und vermehrt die Jahre deines Lebens.
Bist du weise, bist dir selber weise,
Bist ein Spötter, selbst wirst du zu Spotte.

Weibchen Torheit ist voll Leidenschaften,
Unerfahren, kennt sie nicht Erkenntnis,
Sitzet an des Hauses offnen Türen,
Sitzt auf einem Thron in hohen Städten,
Einzuladen Wandelnde des Weges,
Die geradeaus gehn ihre Pfade.
Wer ist unerfahren, komme hierher!
Und zum Unverständigen sie redet:
Süß allein ist das gestohlne Wasser
Und verbotne Früchte schmecken lieblich.
Er erkennt nicht, daß dort sind Verstorbne,
Ihre Gäste in der Hölle Tiefen!


DER FRAUEN WEISHEIT

(Sprüche 30 und 31)

Agurs Wort, Sohns Jakes, Spruch des Sehers,
Ist für Itiel, für ihn und Ukal.
Wie ein Vieh bin ich von einem Menschen,
Mir ist nicht Vernunft von Menschen eigen,
Nicht hab ich gelernt die wahre Weisheit,
Nicht erkannt des Heiligen Erkenntnis.
Wer ist aufgefahren in den Himmel,
Wer herabgefahren von dem Himmel?
Wind gesammelt in den hohlen Händen?
Wasser eingebunden in den Mantel?
Festgesetzt die Enden dieser Erde?
Wie sein Name? Seines Sohnes Name?
Gib mir Antwort, wenn du kennst die Wahrheit.

Gottes Rede rein ist, ganz durchläutert,
Schild und Schirm er denen, die sich bergen.
Füge nichts hinzu den Worten Gottes,
Er wird dich zur Rechenschaft sonst ziehen,
Du wirst dastehn als ein Narr und Lügner.

Zwei der Dinge will ich mir erbitten,
Mir versag sie nicht, bevor ich sterbe:
Trug und Lügenwort halt fern der Zunge,
Armut gib mir nicht, gib mir nicht Reichtum!
Laß genießen mich das Brot, das eigne,
Daß ich satt nicht werde und verleugne,
Sage meiner Seele. Wer ist Jahwe?
Daß ich arm nicht werde und nichts stehle,
Mich vergeh am Namen meines Gottes.

Kinder, welche ihrem Vater fluchen
Und nicht segnen ihre liebe Mutter,
Kinder, rein in ihren eignen Augen,
Ihre Sünde ist nicht abgewaschen!
Kinder, wie erheben sie die Augen,
Ziehen hoch mit Hochmut stolze Wimpern!
Kinder, scharfe Schwerter ihre Zähne,
Scharfe Messer ihre Schneidezähne,
Aufzufressen Menschen unter Mühsal
Und die armen Seelen unter Menschen!

Des Vampirs zwo Töchter: Gib! Noch mehr gib!
Drei Gestalten sind die Nimmersatten,
Vier Gestalten haben nie Genüge.
Totenreich, verschlossner Schoß der Weiber,
Mutter Erde wird nie satt vom Wasser,
Nimmer hat das Feuer ein Genüge.

Mannes Auge, das des Vaters spottet
Und verschmäht Gehorsam vor der Mutter,
Hacken Raben aus am Wasserbache,
Fressen gierig auf die Adlerjungen.

Drei Geschöpfe sind für mich ein Rätsel,
Vier der Wesen, die ich nicht verstehe.
Ist der Weg des Adlers an dem Himmel,
Weg der Schlange über einen Felsen,
Weg des Schiffes in des Meeres Herzen,
Weg des Mannes in dem Schoß der Jungfrau.
Ehebrecherischen Weibes Wege:
Speise speist sie, wischt sich ab die Lippen,
Spricht: Ich hab getan kein Werk der Sünde.

Unter drei Geschöpfen bebt die Erde,
Unter vieren will sie schier vergehen.
Sklave, wenn er wird zu einem Herrscher,
Narr, wenn er gesättigt wird vom Brote,
Die Verschmähte, wenn sie wird gefreiet,
Sklavin, wenn verdrängt sie ihre Herrin.

Vier Geschöpfe kleine sind auf Erden,
Aber Witzige nach ihre Weise.
Sind Ameisen Völkchen ohne Stärke
Und bereiten sich im Sommer Nahrung.
Die Klippdachse Völkchen ohne Kräfte,
Legen ihre Häuser in die Felsen.
Die Heuschrecken haben keinen König,
Ziehen doch geordnet aus in Heeren.
Die Eidechse greift man mit den Händen,
Wohnt doch in Palästen hoher Fürsten.

Drei Geschöpfe, welche stattlich schreiten,
Vier Geschöpfe, welche herrlich wandeln.
Löwe, ein Gewaltiger der Tiere,
Er kehrt nimmer um vor Kreaturen;
Der Geschnürte an den Hüften; Böcklein;
König, wenn mit ihm das Kriegsvolk auszieht.

Wenn du als ein Dummkopf hast gehandelt,
Als du dich erhoben über andre,
Wenn gehandelt du mit Überlegung:
Allenfalles Finger auf die Lippen!
Presst du Milch, bringst du heraus die Butter,
Nasen-Pressen bringt das Blut zum Fließen,
Zornes-Pressen bringt heraus die Streitlust.

Worte Lemuels, in Massa König,
Die gelehrt ihn seine weise Mutter.
Was, mein Sohn, was, Söhnchen meines Schoßes,
Was soll raten ich, Gelübdes Söhnchen?
Nicht gib schönen Frauen deine Kräfte,
Nicht die Wege dein, zu stürzen Fürsten.

Lemuel, ist Fürsten ungeziehmend,
Wahrlich ungeziemend, Wein zu trinken,
Fürsten zu befragen: Wo ist Rauschtrank?
Daß er trinkt nicht, nicht vergißt Gesetze,
Beugt Gerechtigkeit der Elendssöhne.
Rauschtrank dem gebt, der da geht zugrunde,
Süßen Wein den Seelen, die verbittert.
Jene trinken und vergessen Armut,
Denken nimmer an der Mühsal Elend.

Öffne deine Lippen für den Stummen,
Für das Recht der Söhne des Versinkens.
Öffne deinen Mund, Gerechter, richte,
Schaffe Recht Elendigen und Armen.


ABC DER STARKEN FRAUE

Ah, die starke Fraue, wer erlangt sie?
Über die Korallen ist ihr Adel!

Betend hofft auf sie das Herz des Mannes,
Nimmer wird es ihm am Segen fehlen.

Chochma-gleich tut Gutes sie, nicht Böses,
Gutes tut sie alle Lebenstage.

Dauernd sorgt für Wolle sie und Leinen,
Webend mit der Freude ihrer Hände.

Ehrlich ist sie wie die Kaufmannsschiffe:
Aus der Ferne bringt sie ihre Speise.

Freundlich steht sie auf in tiefen Nächten,
Gibt dem Hause Nahrung, Lohn den Mägden.

Gern sinnt sie auf Äcker, kauft die Felder,
Pflanzt von eigner Hände Frucht den Weinberg.

Hüften gürtet sie mit Kraft der Anmut,
Stärkt die Arme mit der Frauentugend.

Immer sie empfindet, gut ihr Schaffen,
Nicht verlöscht in Nächten ihre Leuchte.

Ja, die Hände streckt sie nach dem Rocken,
Ihre offnen Hände nach der Spindel.

Kostbar streckt sie Hände aus dem Armen,
Ihre Hände aus dem Elendsmenschen.

Lustig fleißig, fürchtet sie den Schnee nicht,
Denn ihr ganzes Haus hat doppelt Kleidung.

Milde Teppiche hat sie gefertigt,
Byssus sind und Purpur die Gewänder.

Namentlich bekannt ihr Mann den Märkten,
Sitzt er bei den Ältesten des Landes.

Oberkleider, sie verkauft sie Händlern,
Schöne Gürtel gibt sie an die Krämer.

Pracht und Kraft und Ehre ihre Kleider,
Und sie lacht den Tagen in der Zukunft.

Rosen-Mund eröffnet sie in Weisheit,
Das Gesetz der Liebe tönt die Zunge.

Sie bewacht des Hauses Wohlergehen,
Faules Brot der Faulheit ißt sie nimmer.

Töchter, Söhne preisen sie glückselig,
Ihr Gemahl steht auf und rühmt sie preisend.

Unsres Landes Töchter haben Tugend,
Aber du, du übertriffst sie alle.

Weibes Anmut Trug ist, Trug ist Liebreiz,
Weibes Jahwe-Ehrfurcht soll man rühmen.

Zehrt von ihren Früchten, Werk der Hände,
Preiset ihre Werke in den Pforten!


PSALM ZUR HOCHZEIT

(Dem Meister der Musik. Nach der Melodie: Lilie:
Von den Söhnen Korachs.
Ein Weisheitslied - ein Liebeslied.)

Wallt mein Herz von schönem Worte über,
Sing ich meine Lieder für den König!
Meine Zunge – raschen Schreibers Griffel.
Allerschönster du der Menschensöhne,
Anmut-übergossen deine Lippen,
Darum Gott dich segnete für immer.
Gürt dein Schwert um deine Hüfte, Heros,
Deine Majestät und deine Schönheit!
Deine Pracht durchdringe alle Länder,
Wandle, wandle für der Wahrheit Sache,
Für Gerechtigkeit in aller Sanftmut!
Deine Rechte lehrt dich Wundertaten!
Deine scharfen Pfeile fällen Heiden,
Dringen in das Herz der Königsfeinde!
Gott, dein Thron steht fest für immer, ewig,
Zepter der Gerechtigkeit dein Zepter!
Liebst du doch Gerechtigkeit, haßt Frevel!
Gott hat dich gesalbt, dein Gott, mit Freude,
Dich mit Öl, wie keinen der Genossen!
Aloe und Kassia und Myrrhe,
Also duften alle deine Kleider!
Elfenbeinpaläste tönen Lieder!
Königstöchter unter deinen Schätzen!
Deine Braut steht dir zu deiner Rechten,
Die Gemahlin in des Südens Golde!
Höre, Tochter, neige deine Ohren,
Laß von deinem Volk und Vaterhause,
Es begehrt der König deine Schönheit,
Er ist Herr, du falle vor ihm nieder!
Tyrus‘ Töchter kommen mit Geschenken,
Deinem Antlitz huldigen die Edlen!
Voller Glorie die Königstochter,
Sie im Innern des Palastes glorreich!
Goldgewirkte Stoffe die Gewänder!
Schau! Sie wird in buntgewirktem Kleide
(Feinsten Gazestoffs) geführt zum König!
Mädchen hinter der Gemahlin,
Ihre Freundinnen sind bei der Freundin,
Alle führt man jauchzend unter Jubel,
Frauen, ein in den Palast den Königs!
Statt der Väter werden sein die Söhne,
Fürsten sind sie auf der ganzen Erde!
Ich sing deinem Namen das Gedächtnis,
Kindern sing ich es und Enkelkindern,
Völker preisen immer dich und ewig!



DAS ALLERHEILIGSTE

(Das Hohe Lied Salomos in Auszügen,
von der jüdischen Mystik genannt das „Allerheiligste“ der Heiligen Schrift.)


Das Lied der Lieder, Salomo zu eigen.

Du küsse mich mit Küssen deines Mundes,
Weil deine Liebe süßer ist als Wein!
Wie köstlich deiner Salben Duft!
Dein Name ist wie ausgegossne Salbe,
Drum lieben dich die Mädchen!
Zieh mich dir nach! Wir wollen eilen!
Der König führt mich in die Brautgemächer!
Wir wollen jubeln und uns freuen über dich!
Wir wollen deine Liebe preisen mehr als Wein!
Mit Recht ist man verliebt in dich!

Schwarz bin ich und sehr schön,
Ihr Töchter von Jerusalem,
Schwarz wie die Zelte Kedars
Und wie der Pavillon von Salma.
Seht mich nicht an, weil ich so schwarz bin,
Die Sonne hat mich so verbrannt.
Die Söhne meiner Mutter stritten viel mit mir,
Sie setzten mich zur Hüterin der Weinterrassen,
Doch meine eigne Weinterrasse hab ich nicht behütet.
So sag mir, du, den meine Seele liebet,
Wo weidest du,
Wo läßt du deine Herde ruhn am Mittag?
Daß ich nicht als Verschleierte
Bei Herden der Genossen wandeln muß!

Wenn du es weißt, du Schönste aller Frauen,
Dann wandle auf der Schafe Spuren
Und weide deine Zicklein bei den Hirtenzelten!

Der Stute an dem Wagen Pharaos vergleich ich dich,
O meine Vielgeliebte!
Schön sind die Wangen mit den Strähnen,
Dein Hals mit Perlenschnüren!
Wir wollen Ringe dir von Gold und Silbertropfen machen!

Solang der König bei der Tafelrunde weilte,
Gab meine Narde ihren Duft.
Ein Beutel Myrrhe ist mir mein Geliebter,
Der zwischen meinen Brüsten liegt,
Und eine Hennatraube ist mein Vielgeliebter,
Die Hennatraube aus den Weinterrassen von Engedi.

Schau, schön bist du, o meine Vielgeliebte,
Sehr schön bist du!
Und deine Augen sind wie Tauben!

Schau, mein Geliebter, schön bist du und herrlich!
Und unser Lager ist aus frischem Gras,
Die Balken unsrer Hütte Zedern
Und unsre Bretter sind Zypressen.

Feldblume bin ich in den Scharonwiesen
Und bin die Lilie in dem Tale!

Wie eine Lilie unter Dornen,
Ist meine Freundin unter allen Frauen!
Ein Apfelbaum ist unter Waldesbäumen
Mein Vielgeliebter unter allen Männern!
Wie mich verlangt, in seinem Schatten still bei ihm zu sitzen,
Denn seine Frucht ist meinem Gaumen süß!
Er ging mit mir ins Weinhaus,
Da Liebe war sein Zeichen über mir.
O stärkt mich mit Rosinenkuchen,
Erlabet mich mit Äpfeln,
Denn ich bin krank vor Liebe!
Legt er mir unters Haupt die Linke,
Liebkost mich seine Rechte!
So will ich euch beschwören, Töchter von Jerusalem,
Bei den Gazellen und den Hindinnen der Felder:
Stört nicht die Liebe auf
Und macht ihr keine Unruh,
Bis es ihr selbst gefällt!

Die Stimme meines Vielgeliebten!
Schaut her, er kommt!
Springt über Berge, eilig über Hügel!
Mein Vielgeliebter ist wie ein Gazellenbock,
Ein junger Hirsch mein Vielgeliebter!
Da steht er hinter meiner Wand,
Er schaut durchs Fenster,
Er guckt durchs Gitter.
Mein Vielgeliebter spricht zu mir:
Steh auf, o Vielgeliebte, Schönheit, komm!
Denn schau, der Winter ist vergangen,
Der Regen ist vorbei, der Nebel ist dahin,
Die Blumen sieht man in dem Lande,
Die Zeit des Singens ist gekommen,
Der Turteltaube Stimme läßt sich hören
In unserm Lande,
Der Feigenbaum hat erste Feigen ausgebildet,
Die Reben duften in der Blüte.
Steh auf, o meine Vielgeliebte, Schönheit, komm!
O meine Taube in der Felsenspalte,
In dem Versteck der Felsterrassse,
Laß schauen mich dein Antlitz
Und hören deine Stimme,
Denn süß ist deine Stimme
Und lieblich ist dein Antlitz!

Fangt uns die Füchse, fangt die kleinen Füchse,
Die unsre Weinterrassen ruinieren!
Steht doch der Weinberg schon in Blüte!

Mein Vielgeliebter, er ist mein und ich bin sein,
Der in den Lilien weidet.
Wenn sich der Abendwind erhebt
Und wenn die Schatten schwinden,
Dann wende dich, Geliebter,
Gleich dem Gazellenbock und gleich dem Hirsche
Zu Scheidebergen!

Wer ist sie, die heraufsteigt aus der Wüste
Wie eine Feuersäule,
Umwölkt von Myrrhe und von Weihrauch,
Von duftenden Gewürz des Krämers?

Da ist die Sänfte Salomos:
Umgeben sie von sechzig Helden,
Den Helden Israels.
Sie alle tragen ihre Schwerter,
Geübt in Kämpfen.
Ein jeder hat das Schwert in seiner Scheide,
Bereit, zu kämpfen gegen Schrecken in der Finsternis.
Die Sänfte ließ der König Salomo sich machen
Aus Holz vom Libanon.
Die Säulen sind aus Silber,
Die Lehnen sind aus Gold,
Der Sitz aus rotem Purpur.
Ihr Inneres ist eingelegt mit Liebe
Von Mädchen aus Jerusalem.
So kommt herbei und schaut, ihr Töchter Zions,
Schaut König Salomo in seiner Krone,
Mit der ihn seine Mutter an dem Tage seiner Hochzeit krönte,
Dem Tage seiner Seelenwonne!

Schau, schön bist du, Geliebte,
Sehr schön bist du!
Wie Tauben deine Augen,
Die schaun durch deinen Schleier!
Dein Haar ist eine Herde schwarze Ziegen,
Die wallen nieder von dem Berge Gilead!
Die Zähne sind wie frisch geschorne Schafe,
Die steigen aus dem Bad,
Die alle Zwillinge gebären,
Von denen keines ohne Junge ist!
Wie eine scharlachrote Schnur sind deine Lippen,
Dein Reden lieblich!
Ein Spalt in der Granatfrucht,
So schimmern deine Wangen durch den Schleier!
Ein Davidsturm dein Hals,
Gebaut von Elfenbein,
Sind tausend Schilde dran,
Sind Waffen dran von Helden!
O deine Brüste sind Gazellenzwillinge,
Die in den Lilien weiden!
Wenn sich der Abendwind erhebt
Und wenn die Schatten schwinden,
Will ich zum Myrrhenberge wallen und zum Weihrauchhügel!
Ganz schön bist du, vollkommen schön, Geliebte,
O meine Vielgeliebte, Makellose!

Mit mir als Braut vom Libanon,
Ja, komm mit mir vom Libanon!
Schau du herab vom Berge Amana,
Vom Berge Senir und vom Berge Hermon!
Komm von der Löwen Lagerplätzen
Und von den Ebenen der Panther!

Du hast mein Herz gewonnen,
O meine Schwester Braut,
Du hast mein Herz gewonnen
Mit Einem Blick der Augen,
Mit Einem Schmuckstück deines Halsgeschmeides!
Wie schön ist deine Liebe, Schwester Braut!
Viel lieblicher ist deine Liebe als der Wein!
Und deiner Salben Duft ist lieblicher als alle Balsamdüfte!
Wie Honig träufeln deine Lippen, meine Braut,
Denn unter deiner Zunge Milch und Honig fließen!
Und deiner Kleider Duft ist Duft vom Libanon!

Wie ein verschlossner Garten du, o Schwester Braut,
Verschlossne Quelle du, o Brunnen unterm Siegel!
Dein Lusthain ist ein Paradies:
Granaten, süße Früchte, Hennasträucher, Narde
Und Safran, Zimt und Kalmus
Und Weihrauchbäume, Aloe und Myrrhe
Und die erlesensten Gewürze.
Du bist wie eine Gartenquelle,
Bist wie ein Brunnen,
Wie Lebenswasser, welche fließt vom Libanon!
Erwache, feuchter Nordwind, komm, o heißer Südwind!
Laßt meinen Garten duften!
Es sollen strömen seine Wohlgerüche!

Mein Vielgeliebter trete ein in seinen Garten
Und speise seine süßen Früchte!

Ich bin gekommen in den Garten, Schwester Braut,
Ich habe Myrrhe mir gepflückt und Balsam,
Ich habe Wabenseim und Honigseim gesogen,
Ich hab die Milch getrunken und den Wein getrunken!
Speist, Brüder, trinkt,
Berauscht euch an der Liebe!

Wie schön du bist, o Vielgeliebte!
Wie Tirza lieblich, strahlend wie Jerusalem,
Erhaben wie die Fahne in der Schlacht!
Du wende deine Augen ab,
Denn sie verwirren mich!

Dein Haar ist eine Herde schwarzer Ziegen,
Die wallen nieder von dem Berge Gilead!
Die Zähne sind wie Schafe,
Die steigen aus dem Bad,
Die alle Zwillinge gebären,
Ist keines unfruchtbar!
Ein Spalt in der Granatfrucht
Ist deine Schläfe hinter deinem Schleier!
Sind sechzig Königinnen, achtzig Konkubinen
Und Mädchen ohne Zahl,
Doch meine Eine
Ist meine Taube, die Vollkommne,
Die Einzige der Mutter,
Die Auserwählte ihrer Mutter,
Die sie geboren einst!
Die Mädchen sahen sie und rühmten sie als Selige!
Die Königinnen und die Konkubinen haben sie erhoben!

Wer ist sie, die erhebt sich wie die Morgenröte,
So lieblich wie der Mond,
So rein wie Sonnenlicht,
So makellos wie Sternenscharen?

Ich ging zum Walnußgarten,
Zu sehn die Knospen in dem Tal,
Ob schon der Weinstock treibt,
Ob der Granatbaum blüht!

Du wende dich, du wende dich, o Friedensfürstin,
Du wende dich, du wende dich, daß wir dich anschaun können!
Was wollt ihr schauen an der Friedensfürstin?
Den Hochzeitstanz im Doppellager!

Wie schön sind deine Füße in den Schuhn, Prinzessin!
Die Rundung deiner Hüften ein Geschmeide,
Des Künstlers Werk!
Dein Schoß der heilige Kelch,
Dem nie der Süßwein mangelt!
Dein Leib ein Weizenbündel,
Umflort mit Lilienflor!
Die Brüste wie Gazellenkitze,
Gazellenzwillinge!
Dein Hals ein Turm von Elfenbein!
Die Augen dein wie Teiche
In Heschbon an dem Tor Bath-Rabbim!
Dein Näschen wie das Türmchen auf dem Libanon,
Das nach Damaskus schaut!
Dein Haupt wie Karmel!
Das Haar auf deinem Haupte Purpur,
Ein König liegt in deinem Haar gefangen!

Wie schön und lieblich bist du doch,
O Liebe voller Wonnen!
Dein Wuchs ist gleich der Palme
Und deine Brüste sind wie Trauben!
Ich sprach: Ich möchte auf die Palme steigen,
Umfassen ihre Rispen!
O deine Brüste sind wie Trauben an dem Weinstock!
Und deine Atems Duft ist Apfelduft!
Dein Mund wie edler Wein,
Der dem Geliebten köstlich mundet
Und Lippen netzt und Zunge!

Ich, ich gehöre meinem Vielgeliebten,
Nach mir, nach mir steht sein Verlangen!

Komm, mein Geliebter,
Laß uns hinausgehn auf das Feld,
Wir wollen in dem Dorf die Nacht verbringen,
Wir wollen frühe zu den Weinterrassen,
Wir wollen schauen, ob der Weinstock treibt,
Ob aufgegangen sind die Rebenblüten,
Ob die Granaten blühn!
Dort werde dir ich meine ganze Liebe schenken!
Die Liebesäpfel spenden ihren Duft,
An unsrer Tür sind Früchte letzten Jahres
Und frische neuen Jahres,
Mein Vielgeliebter,
Dir hab ich aufgespart die Frucht!

Wer ist sie, die heraufsteigt aus der Wüste,
Gelehnt auf ihren Vielgeliebten?
Ich hab dich unterm Apfelbaum geweckt!
Dort einst empfing dich deine Mutter,
Sie hat dich dort empfangen,
Sie hat dich dort geboren.

Leg wie ein Siegel an dein Herze mich
Und wie ein Siegel mich an deinen Arm!

Die Liebe - Sie ist mächtig wie der Tod
Und Ihre Leidenschaft ist brennend wie das Totenreich!
Denn Ihre Glut ist lauter Feuer,
Sie ist die Flamme GOTTES!


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