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VERMISCHTE GEDICHTE

Von Peter Torstein Schwanke


HIOBS ELEGIE

Verlöschen soll der Tag, da ich geboren,
Und jene Nacht, die finster und verloren.
Der Tag soll finster sein und nimmer scheinen.
Gott frage nicht nach ihm! O laßt mich weinen.
Viel Finsternis und dunkle Todesklage
Und Wolken laß wie Nacht sein jenem Tage.
Ach, jene Nacht soll Finsternis verzehren,
Sie soll nicht in der Zahl der Monde währen.
Die Nacht sei, wehe, sie sei unfruchtbar
Und sei kein Jubel darin hell und klar.
Fluch ihr von denen, die verfluchen Satan,
Rahab und Beelzebub und Leviathan.
Den Abend soll der Stern erhellen nicht,
Verzehrend hoff die Nacht aufs Morgenlicht:
Es komme aber nicht (ach meine Nöte),
Die Nacht seh nie das Aug der Morgenröte,
Weil sie mich zeugte, soll sie nimmer taugen,
Und weil sie Unglück brachte meinen Augen.
Warum starb ich nicht zur Geburt und nahm
Das Leben mir, als in die Welt ich kam?
Man nahm mich auf den Schoß mit Mutterlüsten,
Warum? und saugte mich mit Mutterbrüsten.
Ach wär ich tot! Dann lieg ich still und werde
Zu Schlaf und Ruh beerdigt in der Erde.
Ich schlief mit Herren und mit Obrigkeit,
Die Monumente baun der Ewigkeit,
Ich läg mit Fürsten, welche reich an Gold,
Bei denen immerdar das Silber rollt;
Wie eine Fehlgeburt im Grab verscharrt,
Wie denen nie das Licht sich offenbart.
Gottlose ruhn von ihrem Wüten aus
Und Mühevolle in des Todes Haus.
Da haben die Gefangnen des Gefängnis
Viel Ruh und sehen nimmer die Bedrängnis.
Da sind die Kleinen und die Großen gleich
Und jene welche arm, und die die reich.
Warum gibt Gott das Licht dem Mann der Schmerzen,
Gibt Gott das Leben den betrübten Herzen?
Die sich am zögerlichen Tod ergötzen
Die Seelen wollen wie an edlen Schätzen?
Die jauchzten so wie über Hochzeitsthemen,
Wenn sie von Gott dem Herrn ein Grab bekämen!
Warum gab Gott das Leben jenem Mann,
Dem er den Weg getan in Acht und Bann?
Ich möchte essen, doch ich seufze sehr,
Mein Schreien stürmt und wogt wie wildes Meer!
Gekommen ist, was niemals war mein Hoffen,
Wovor mir graute, das hat mich getroffen.
Ich hatte weder Ruh noch Frieden, ach,
Da kam schon wieder neues Ungemach.

***

Ach, wollte man doch meinen Kummer wägen,
Mein Seelenelend auf die Waage legen!
Nun ist es schwer wie nasser Sand am Meer,
Drum: unbedacht sind meine Worte sehr.
Die Pfeile Gottes stecken tief in mir,
Und meine Seele trinkt ihr Gift wie Bier.
Schreit denn der Esel, findet er sein Gras?
Und schrie der Stier, als er vom Futter fraß?
Wo ißt man Fades ohne Salz, und wo
Hat Eiweiß Wohlgeschmack, das kalt und roh?
Ach, meine Seele widerts an, beim Himmel,
Mein Brot ist mir als wär es voll von Schimmel.
Ständ meinen Bitten doch der Himmel offen,
Erfüllte Gott mir meiner Seele Hoffen!
Ach, schickte Gott mich in das Totenreich
Und schnitte meinen Lebensfaden gleich.
So hätte ich noch Trost und könnte singen
Und wollte voller Freude fröhlich springen,
(Ob auch der Schmerz mich peinigt ohne Gnade)
Ich stand zum Wort des Herrn gerecht und grade.
Wo Stärke, daß ich trage meine Pein?
Zu welchem Schluß soll ich geduldig sein?
Ist meine Kraft doch nicht aus Eisenerz,
Wie Jade unvergänglich nicht mein Herz.
Steht mir denn keiner bei mit guter Tat,
Hat keiner für mein Herz mehr einen Rat?
Wer mir Barmherzigkeit verweigert, siehe,
Vor dem die Ehre Gottes ewig fliehe.
Ach, meine Brüder trügen wie ein Bach,
Wie Bäche, die im Sand versickern, ach.
Erst sind sie matt und trüb und eisbedeckt,
Daran der Schnee mit weißer Zunge leckt;
Wenns aber heiß wird, dann versiegen jene,
Vergehn von ihrem Ort wie eine Träne.
Ach, ihre Straße windet sich dahin
Und schwindet in das Nichtssein ohne Sinn.
Die Karawanen hofften auf die Flüsse,
Die Karawanen auf des Wassers Küsse;
Zuschanden wurden sie und bös betrogen,
Man hatte die Erquickung nur gelogen.
So bist du mir, der du mein Herz bedrangst,
Wo du nur Schrecknis siehst, da hast du Angst.
Hab ich denn nicht gesagt: Befreit mich bloß
Und kauft mich aus der Hand des Feindes los?
Belehrt mich, so will ich verstummend schweigen,
Worin ich irrte, das müßt ihr mir zeigen.
Wie kräftig ist doch tugendhaftes Wort!
Was soll mir euer Tadeln fort und fort,
Daß eure Worte nichts als Rügen sind?
Das Wort des Elenden verhallt im Wind!
Nun hebt doch an und seht mein Augenlicht,
Ob ich euch lüge in das Angesicht.
Kehrt um, damit ein Unrecht nicht geschehe!
Kehrt um, kehrt um! Noch seh ich, was ich sehe.
Will meine Zunge denn am Unrecht lecken,
Mein Gaumen etwa von dem Bösen schmecken?
Muß nicht der Mensch sein ganzes Leben dienen?
Die Tage ihm wie Sklaventage schienen.
So wie ein Knecht sich sehnt nach lindem Schatten
Und Sklaven ruhn wolln auf den Blumenmatten,
So war die Mühsal Monde mir beseelend
Und Nächte wurden mir mit stillem Elend.
Geh ich zu Bett, wann wiederum erwacht?
Dann plag ich mich den Tag bis in die Nacht.
Mein Fleisch ist um und um der Würmer Beute,
Und meine Haut verwelkt und schrumpelt heute.
Ein Weberschiffchen, so sind meine Tage
Vergangen, ohne Hoffnung, voller Klage.
Bedenk, mein Leben geht dahin wie Hauch,
Und meine Augen sehen nichts als Rauch.
Kein Auge voller Leben mich mehr sah,
Ja schaust du nach mir, bin ich nicht mehr da.
Wie eine Wolke weht und endlich schwindet,
Ist wer zum Totenreich die Straße findet.
Ihn werden nimmer die, die leben, sehn.
Ach, wird der Tote einmal auferstehn?
Drum red ich. Rede mit der Angst im Herzen
Und in der Seele Trübsal weher Schmerzen.
Bin ich denn wie das Meer und wie der Drache,
Daß du mir aufstellst Heer und Heereswache?
Frag ich: Ist Trost mein Bett in meiner Kammer,
Mein Lager soll mir stillen meinen Jammer?
So läßt du meine Seele Träume schauen
Und schreckst mein Herz mit Grauen über Grauen.
Dann wünsch ich mir in meinem bangen Herzen:
Das Totsein ist mir lieber als die Schmerzen!
Ach ich vergeh! Ich leb nicht stets, wie Rauch,
Laß ab von mir! Mein Leben ist ein Hauch.
Was ist der Mensch, daß du ihn achtest groß
Um kümmerst dich, o Jahwe, um sein Los?
An jedem Morgen hast du ihn gefunden
Geprüft, du prüfst, o Gott, ihn alle Stunden.
Läßt du nicht ab von meiner Seele, du?
Und lässest keinen Atemzug mir Ruh?
Hab ich gesündigt, was denn tu ich dir
Mit meiner Sünde an? Ach, sieh mich hier,
Und siehst du mich, O Gott, warum denn hast
Du auferlegt mir solche schwere Last?
Vergibst du meine Sünde nicht und Schuld
Mit eines reinen Opferlamms Geduld?
Ich werd mich legen und dem Tode nahsein,
Und suchst du mich, so werd ich nicht mehr dasein.

***

Mein Leben widert mich und meine Tage,
Ich rede dir nun meiner Seele Klage.
Tust du denn gerne meinem Herz Gewalt,
Wo du mich in dem Schoße doch geballt?
Hast du denn, Herr im Himmel, Menschenaugen?
Dem Sterbling seine Augen nimmer taugen.
Ist dein des Menschen Zeit? Dies offenbare!
Sind deine Jahre eines Mannes Jahre?
Du fragst nach meiner Sünde, wo du weißt,
Daß rein ich vor dir steh durch deinen Geist.
Herr, deine Hände haben mich gemacht
Und nun schickst du mir des Verderbens Nacht?
Bedenke doch, du machtest mich aus Staub,
Läßt werden mich verstaubter Erde Raub?
Du gabst mir Haut, Fleisch, Knochen, Muskeln, Sehnen
Und meinen Augen bitterliche Tränen.
Du tatest Wohltat mir nach deiner Art,
Ja du hast meinen Odem mir bewahrt.
Du sahst nach meiner armen Seele hin
(Ich weiß, du hattest nichts als das im Sinn)
Und suchtest nach der Schuld in meinem Geist.
Ach wär ich schuldig: wehe mir! Es heißt,
Wär ich auch ohne Schuld, du würdst mich schrecken
Und mir mein Haupt mit schlimmer Schmach bedecken.
Was ließest du mich kommen aus dem Schoß?
Wär ich gestorben und des Lebens los!
So wäre ich wie die in tiefer Nacht,
Vom Mutterschoß sogleich zum Grab gebracht.
Kurz ist mein Leben, ach, laß ab von mir!
Ein wenig laß mich doch erquicken hier.
Dann kehr ich hin und kehre nimmer wieder
Und kehr ins Land der Dunkelheiten nieder,
In Finsternisse, wo die Lethe aufwellt,
Bis dann der Tag der Auferstehung aufhellt!...

***

Ihr wollt um meine arme Seele werben?
Fürwahr, mit euch wird alle Weisheit sterben.
Doch ich hab ebenso Verstand wie ihr
Und bin von gleicher Klugheit, glaubt ihrs mir?
Von meinen Nächsten werde ich verlacht,
Der ich zu Gott rief, und er half mit Macht.
Ihr Sichern meint: Verdient hat Unglück Spott,
Er stürze, dessen Fuß wankt. O bei Gott!
Die Hütten der Verwüster stehen oben
Und sicher, und es ruhen die die toben
Und Gott in ihren Fäusten führen. Frage
Die Nachtigall nach meiner Seele Klage,
Der Erde Sträucher werden euch belehren
Und all die Trauerschwäne in den Meeren.
Wer sähe nicht an jedem Tag und Nacht,
Daß Gottes Hand die Kreatur gemacht?
In seiner Hand ist das was Leben heißt
Und aller Menschenodem, Menschengeist.
Prüft nicht das Ohr die Rede, ob sie weise,
So wie des Menschen Zunge schmeckt die Speise?
Großväter sollten Weisheit nur entfalten
Und Klugheit und Verstand sei nur bei Alten?
Bei Gott ist Weisheit und Gewalt der Hand
Und aller guter Rat und viel Verstand.
Wenn er zerbricht, so hilft kein Bauen hier.
Schließt er wen ein, schließt niemand auf die Tür.
Hält er den Tau zurück, wird alles dürr,
Läßt er ihn los, dann regnets für und für.
Den Höchsten große Kraft und Einsicht ziert.
Sein ist, der irrt und der da irreführt.
Die stolzen Könige gibt er verloren
Und macht die Philosophen gleich zu Toren.
Er läßt die reichen Priester barfuß gehen
Und alle alten Völker gleich vergehen.
Sangkundigen entzieht er ihren Sang.
Verstand nimmt er den Alten, macht sie krank.
Verachtung wirft er auf das Fürstenhaus
Und zieht den Rittern ihre Rüstung aus.
Er macht die tiefen finstern Schluchten auf
Und führt die Dunkelheit ans Licht herauf.
Er macht die Völker groß und - tötet sie.
Er breitet aus ein Volk und - sagt dann: Flieh!
Er nimmt des Volkes Häuptern allen Mut
Und führt sie in die Irre wohlgemut.
Er führt sie in die Finsternis. Im Dunkeln
Die trunkenen Betrunknen tappen trunkeln...
Dies alles hat mein mattes Aug geschaut,
Die Ohren hörten's, dies ward mir vertraut.
Und was die Klugen wissen, ja das weißt
Du auch, mein gottgehauchter Menschengeist.
Mir schien, ich könnte reden laut mit Gott
Und streiten mit dem allerhöchsten Gott.
Doch ihr seid Lügentüncher, eitle Toren
Und allesamt unnützige Doktoren.
Wollt Gott, ihr bliebet stille, meine Lieben,
Denn wenn ihr schwieget, wärt ihr klug geblieben.


AN JESUS

Mit meiner Schwachheit, allen meinen Sünden,
Mit wenigen Talenten, wenig Tugend,
Mit Träumen schöner Frauen meiner Jugend,
Mit meines schwarzen Elends Urabgründen,

Mit aller der Verderbnis in dem Fleische,
Mit aller meiner Torheit, allen Tränen,
Mit dem Begehren als der wenig Keusche,
Mit meines Leibes unstillbarem Sehnen

Will ich dich lieben! Nichts kann ich dir geben
Als den Gesang, der steigt mir aus dem Herzen.
Ein Schrei steigt mir aus allem dem Betrüben:

Ich liebe dich! ich liebe dich! mein Leben,
Dich lieben meines Herzens rote Schmerzen
Und all mein Nichts! Ich will dich, Jesus, lieben!



AN MAGDALENA

1

Bist du mir nah, du Schöne,
Im Reich der Welt, in dem verworfnen Raume?
O Lena! Magdalene!
Schneeweißem Meeresschaume
Gleich schau ich dich in meiner Seele Traume.

Vom holden Himmelreiche
Bist als der Liebe Botin du gekommen.
Dein goldnes Haar, das reiche,
Hat dich so schön umschwommen.
Mit deinem Glanz mir durch die Seele streiche!

Mit deinem Händefalten
Fleh auf mich Armen nieder Gottes Segen!
Du Schönste der Gestalten,
Ich will auf allen Wegen
Dich als ein Heiligtum im Herzen hegen.

2

Sinnliche Sehnsucht, Schmachten
Wirst du als mein Gebet zu dir erhören.
Entsagendes Umnachten
Hör du wie Hirsches Röhren,
Du Meerstern über Frankreichs Wald der Föhren!

Die Seele muß sich sehnen,
Verzichten und entsagen, weinen, weinen,
Muß weinen Trauertränen,
Da wirst du, Schöne, scheinen,
Die Einsamkeit dem Himmelreich vereinen.-

(Das darf ich keinem sagen,
Der dich nicht kennt. Dich kennen heißt dich lieben!
Und so sind diese Klagen
Für dich allein geschrieben,
Weil ich mit dir allein, allein geblieben.)


AN SANKT AGNES

Gottselige in deiner heiligen Reinheit,
Ich irrte mannigfaltig hier und da.
Die Liebe meines Lebens sei die Einheit
Der Dreifalt.- Du, du weißt, wie mir geschah
Und daß ich bitte um das Charisma
Des Besseren, der Ehelosigkeit.
Doch seufze ich aus meines Fleisches Seelenleid

Und fleh zu dir, die du dich ganz ergeben,
Hilf du mir, ein Poet des Herrn zu sein
Und aus dem Bronnen: aus dem Seelenleben
Zu schöpfen Gott den dichterischen Wein,
Zu bleiben in der Muße und allein
Und dennoch in dem Lob der ewigen Frau
Die Liebe hoch zu rühmen als der Gottheit Schau!

Steh du mir bei in neuen Schwärmereien
Und lasse sie aus Gnade mich bestehn.
Du weißt von Minne, Myrten, Mond und Maien
Und den Erinnerungen, welche gehn
In meiner Seele um und geistig wehn
Und wollen werden Lobgesang der Minne
Und Magnificat, der gottentsprungnen Liebe inne!

Doch ohne Gottes Beistand werd ich nicht
Und ohne deinen Beistand in der Reinheit
Als heiliger Poet erblühn zum Licht.
Erhör mich, Heilige im Schoß der Einheit,
Und leite mich durch Tale der Gemeinheit.
Ich durfte mich an deinem Tag bekehren
Und will in deinem Licht das Lob der Liebe mehren.



AN MARIA MAGDALENA

Du, hör. Ich sitze hier in Nacht
Und Weben meiner Einsamkeit.
Das Leben ist so dünn, so sacht,
Ich sehne mich nach Frühlingspracht
Und bange vor dem neuen Leid.

Wie soll ich leben mit dem Schemen,
Der immer blasser wird und schwindet.
Woher soll ich die Bilder nehmen?
Viel näher stehn mir Chrysanthemen,
Die meine Seele herrlich findet.

Wie immer, so auch heut zerspalten -
Wollt ich mich doch der Weisheit weihen
Und dichten wie die weisen Alten
Und Hände fromm zusammenfalten
Wohl vor der Königin des Maien -

Nun aber drängts in mir und quillt,
Ich sehne mich nach Leben pur
Und nach des Lebens schönem Bild
Und Tanz und Lachen im Gefild
Und fürcht, es wird zur Qual mir nur.



MATER DOLOROSA

Weh! mich durchbohrt die Schärfe jenes Schwerts,
Das mir als Gottes Sklavin prophezeit
Und das besteht aus allen Lebens Leid
Und aus der Lanze durch das Heilandsherz!

Ja sagen mußte ich zu Gottes Wort,
Mitwirken an dem gottgeschenkten Heil.
Nun brauchts ein neues Ja - zum Leiden - weil
Tortur mir wird des Menschensohnes Tort!

Zu hören unsern Meister war beschausam -
Zu sterben seinen Tod, o Gott! ist grausam!
Zu sein, wie Er! so elend Gott-verlassen!

Ewiger Gott! Ich kann dich nicht mehr fassen!
Da fass ich deines Sohnes blutige Leiche -
Und merk, wie ich in dunkler Nacht erbleiche.


LITANEI VOM KINDE

Gott, du bist lieb!

Kind, in Mühen geboren
Kind, dem Gebote folgend
Kind, möge dirs wohlergehen
Kind, du Kind Gottes
Kind, was ist das Menschenkind, daß Gott deiner gedenkt
Kind, dein Geschlecht wird verleugnet
Kind, mögest du die Schönheit Gottes schauen
Kind, deiner erbarmt sich Gott wie ein Vater
Kind, es segne dich der Herr
Kind, du wirst sein wie ein junger Ölbaum
Kind, du wirst beschirmt von deinem Engel
Kind, ein Kind ist uns geboren
Kind, die Einsame hat mehr Kinder als die Ehefrau
Kind, nicht für frühen Tod gezeugt
Kind, Rahel weint über dich
Kind, bist du nicht Ephraim, Sein liebes Kind?
Kind, du Kind des lebendigen Gottes
Kind, ich klage um dich wie um das einzige Kind
Kind, laß mich freundlich zu dir sein
Kind, wir sind Kinder der Heiligen
Kind, aus dem Stein erweckt
Kind, wir wollen dir gute Gaben geben
Kind, du bist ein guter Same
Kind, wer dich aufnimmt, nimmt einen Engel auf
Kind, komm zu Jesus, er wehrt dir nicht
Kind, schreie ruhig im Tempel
Kind, mit dem Blute Christi getauft
Kind, das göttliche Kind war in Windeln gewickelt
Kind, wisse wes Geistes Kind du bist
Kind, du Kind des Friedens
Kind, nimm das Himmelreich an
Kind, du Kind der Auferstehung
Kind, ich weine über uns
Kind, du lebst!
Kind, du Kind Abrahams
Kind, du Kind des Lichtes
Kind, liebes Kind, noch eine kleine Weile
Kind, hast du genug zu essen?
Kind, du wirst erben
Kind, versteh doch
Kind, sammle dir Schätze im Himmel
Kind, nicht Mägde oder Knechte sind wir, sondern Kinder
Kind, wir haben eine Mutter
Kind, kenne die heiligen Schriften
Kind, es kommt die letzte Stunde
Kind, lebe in der Wahrheit
Kind, ein Kind wird entrückt zu Gott

Gott ist Liebe. Amen.


DIE MADONNA AUF DEM SESSEL

I. Im Einschlafen gesungen

Madonna süß
Geheimnisvoll -
Ein Paradies
Das um mich schwoll.

Die Arme weich,
Die Augen glüh -
O Himmelreich!
O Morgenfrüh!

Versunken tief
In ihrem Aug -
In Auen schlief
Voll Bienensaug,

Voll Nektarwein
Beim Hochzeitstrank -
O Liebe mein!
Hab Dank, hab Dank!


II. Im Erwachen gedichtet

Wie schön du bist, o Liebe Frau, wie süß,
Wie glühen deine Augen tief und warm,
Wie schließt du mich in deinen starken Arm,
O Baum des Lebens in dem Paradies!

Wie hüllst du mich in deiner Haare Vließ,
Da seh ich deinen Mund so minniglich.
Ich geb mich hin - Ich liebe, liebe dich!
O reich die Frucht mir du im Paradies!

O wie ward ich von Trank der Frucht doch trunken,
Als ich die Liebe Jesu mit dem Munde
Geküsst und mit dem Herzen tief empfangen -

Und ließ mich hin, in Schönheit ganz versunken
Und opferte mich selbst im Liebesbunde
... und Gottes Tiefen habem mich umfangen.



GELIEBTE MADONNA

I

Mir ist, ich liebte
Die Liebe Frau...
- Oh, wo bist Du?
Warst Du doch bei mir,
Als ich auf dem Sopha lag,
Umschlangest mich mit Deinen Armen,
Hülltest mich in Deine braunen Haare
Und ich sah Deinen Mund
Und ruhte
Wie ein weißer Stein
In der unendlichen Nacht Gottes.---
Ah weh, wohin bist Du entfleucht, Geliebte?
Traurig bin ich,
Weil ich mit keinem Christen
Meine Liebe nicht teilen kann.
Sie schmähen Dich oder
Nennen Dich Mutter -
Ich aber mag Dich nicht Mutter nennen.
Mir bist du meine innig minnig süß
Geliebte mit den glühen Augen,
Schamhafter Röte der Wangen,
Holdseligsüßem, vollkommenschönem Angesicht,
O Madonna
Mit dem Kinde.

II

Maria, benetzt vom goldenen Wein des Blutes Christi
Trug ich Dir mich an als Deinen Brautgemahl.
O Maria, wann sprichst Du Dein Ja?
Der Priester spricht: Sie will dir wie eine Freundin sein.-
Meine Freundin! Lieb ich Dich denn mehr
Als Du mich? - O Du liebende Liebe Frau
(Tochter des Gottes der wahren Liebe,
Jungfrau und Mutter der schönen Liebe,
Braut des Geistes der feurigen Liebe),
Verschmäh mich nicht! Nimm meinen Antrag an!
Vermähle mich mit Dir in einem mystischen Dom
Und spende mir auf geheimnisvolle Weise
Das Mysterium Caritatis
Und laß mich Dein
Minnesänger vom Berge Karmel sein.



VISION DER MADONNA

Als mir der Rosenkranz vom Himmel sank,
Vom Himmel hold und blau,
Wie Perlen, dunkler Tau,
Sah ich die Liebe Frau -
O wundervolle Schau -
Madonna mit dem Kinde! Lob und Dank!

O Wunderschöne! hold erhaben, schlank,
So braun und rank und groß,
Wie eine schwarze Ros
Und mild und makellos -
Du Schöne Salomos! -
Madonna mit dem Kinde! Lob und Dank!

Von deiner Schönheit bin ich liebeskrank!
All meine reine Lust
Und Sehnsucht unbewußt
Und glüher Wüstendust -
Dem Kinde deiner Brust!
Madonna mit dem Kinde! Lob und Dank!

O glüher Minne Feuerrebentrank!
Wie bloß und blank dein Arm,
Holdselig-süß dein Charme,
Dein Herz so innig warm -
Ich brenne! Gott erbarm! -
Madonna mit dem Kinde! Lob und Dank!

Madonna! Rosenranke rot und rank,
Im lebensgrünen Kleid
Im Sonnenlichte weit -
O Traum von einer Maid -
Sieh an mein Liebesleid!
Madonna mit dem Kinde! Lob und Dank!



AN DIE KÖNIGIN DES PARADIESES

O Königin des Paradieses! Du,
Du führst wie eine Braut
Die Seele in die Ruh
Der Minne immerzu,
Seit ich dir in die Augen hab geschaut.

Wohlan, wenn ich am Kreuz der Schmerzen häng -
Du leidest meinen Schmerz!
In deinen Schmerz versenk
Ich meinen Sinn und lenk
Den Geist, daß er versenkt sich in dein Herz.

Du Führerin ins neue Paradies!
Mir näher als die Haut:
In meinem Blute fließ
Und mach das Herz mir süß,
O mütterliche Freundin, Schwester, Braut!



AN MAHANAJIM

O Mahanajim
Nun sind aus mir zwei Lager geworden
O Mahanajim
Er führe das Volk aus dem Lager Gott entgegen
O Mahanajim
Es sind Lästerungen erklungen im Lager
O Mahanajim
Sie empören sich gegen die Gebote
O Mahanajim
Sie gehen mit bösen Gedanken um auf ihren Lagern
Christus erbarme sich -
O Mahanajim
Mein Lager möge mir meinen Jammer erleichtern
O Mahanajim
Ich netze mit meinen Tränen mein Lager
O Mahanajim
Ich rede in meinem Herzen auf meinem Lager
Christus erbarme sich -
O Mahanajim
Gott ist ins Lager gekommen
O Mahanajim
Darum soll dein Lager heilig heißen
O Mahanajim
Jesus möge mich erquicken auf meinem Lager
O Mahanajim
Ich möchte segnen und loben auf meinem Lager
O Mahanjim
Es ruhen in Gott auf ihrem Lager die Gerechten

O Mahaneh Elohim!
Selah.


DIE EWIGE WEISHEIT

Die ewige Sophia süßer Miene
Sei meine Herrin, meiner Minne Dame,
Der ich als wahrer Minneritter diene,
Mit Grund, denn Huld und Güte ist ihr Name.

Sophia ist die Schönheit alles Schönen,
Die Liebeslust in allen Liebeslüsten,
Sie möge mich mit ihrer Keuschheit krönen
Und nähren mit der Milch von ihren Brüsten.

Sie ist Oasenquell in Wüstendürre,
Ist ferne Hoffnung, ist der Stern der Sterne.
Gesalbt ist sie mit Aloe und Myrrhe,
Sie zieren Glocken und Granatenkerne.

O Stern des Morgens vor dem Morgenfrühen,
O Stern des Meeres über allen Fluten!
O Minne du in allem Minneglühen,
O Minne du in allen Minnegluten!

In Liebe hat sie alles schön geschaffen,
Mir zugemessen ihrer Gnaden Zeiten.
Wir Minneritter unsre Glaubenswaffen
Im Liebesopfer ihrer Hoheit weihten.

Wir sind bereit, für ihre Gunst zu sterben,
Der Herrin, Urbild aller holden Damen,
Erhört von ihr zu werden und zu erben
Im Herzen der Sophia lieben Namen.

Sophia wird sich schreiben in die Herzen.
Nur Minneritter ihren Namen kennen.
Sophia, sieh mich in der Minne Schmerzen
Als Märtyrer der Minne brennen, brennen!


AN DIE JESUSHOSTIE

Hostie, ich will dich lieben,
Die du immer treu geblieben,
Selbst auch als ich untreu war,
Süße Hostie wunderbar,
Höchster himmlischer Genuß,
Küss mein Herz mit süßem Kuß,
Tilge alle meine Fehle
Und umarme meine Seele
Und erfülle mein Gemüt,
Meinen Geist und mein Geblüt.
Hostie in deiner Demut,
Süßes Brot, still meine Wehmut,
Meiner Seele Wehgequängel,
Brot des Himmels, Brot der Engel,
Du erlöse mich - man hu? -
Lieb mich, lieb mich, Hostie du!



VIRGILS VIERTES HIRTENGEDICHT

O Musen von Sizilien! geschrieben
Sei Liebliches! Nicht alle Menschen lieben
Das Unterholz und Tamarisken klein;
Die großen Wälder sollen würdig sein
Dem römischen Konsul. Denn nun sind nah
Die letzten Zeiten, die geweissagt ja
Die heilige Sibylle. Zeiten gingen,
Die Zeiten sich durch die Geschichte schlingen,
Ein blühendes Jahrtausend kommt hernieder,
Es gibt Gerechtigkeit auf Erden wieder,
Saturnus’ Herrschaft wieder seh ich schon,
Vom Himmel kommt herab der Menschensohn!
Hebamme du der Helden, du befreund
Den Sohn des Himmels dir, des Krieges Feind,
Durch den vergeht des Krieges Eisenzeit,
Wird goldne Zeit des Friedens weit und breit!
Apollo wird da herrschen, Gottes Sohn!
Beginnen sollen diese Zeiten schon,
O Pollio, du hoher Herr des Staates,
In stolzen Tagen deines Konsulates.
Die Monde nahn auf ihrer Wanderschaft,
Geführt von deiner gloriosen Kraft.
Und wenn da Spuren unsrer Sünden bleiben,
Er wird sie alle aus dem Lande treiben,
Die Erde wird von großer Angst befreit.
Er lebt ein Götterleben in der Zeit,
Mit Göttern leben Helden auf der Erden,
Und angeschaut wird er von allen werden,
Der mit dem Vater wird vom Himmelszelt
Als Friedensfürst beherrschen diese Welt.
Für dich, o Sohn, ist diese Erde groß,
Sie wird dir geben frei und grenzenlos,
Dir alle ihre Gaben wie ein Kind.
Und Efeu, Fingerhut und Lotos sind
Mit lächelndem Akanthus da und biegen
Sich schwer von Düften. Und von selbst die Ziegen,
Sie kommen mit den Eutern, mit den vollen,
Die da von süßer Muttermilch geschwollen.
Die sanften Lämmerherden an den Hecken
Sich nicht mehr vor der Wölfe Brut erschrecken.
Um deine Wiege, Sohn, die grünen Schlingen
Und blauen Blumen zärtlich niederhingen.
Die alte böse Schlange, sie wird sterben,
Verräterisches Kraut voll Gift verderben.
Und überall wird süß die Myrrhe blühn
Und Orients Gewürz und Kräuter grün.
Und du wirst lesen von der Helden Ruhm,
Von deines Vaters Tat und Heiligtum,
Und lernen wirst du, tugendhaft zu leben.
Da wird die Erde goldne Ernten geben,
Am Dornstrauch hängen Äpfel, fruchtbar reiche,
Und Honigtau wird tröpfeln von der Eiche.
Von alten Sünden keine Spuren bleiben.
Auf Ozeanen werden Schiffe treiben,
Gegürtet werden Städte sein mit Mauern,
Das Feld bebauen werden fromme Bauern.
Ein zweiter Steuermann lenkt durch die Nacht
Die zweite Argo mit der Helden Fracht.
Und Kämpfe werden kommen in das Land,
Achill erneut nach Asien gesandt
Und Troja sinken wird in neuen Schlachten.
Wenn reife Jahre dich zum Manne machten,
Dann werden keine Händler mehr so stolz
Aufs Gold sein in dem Schiff aus Pinienholz,
Dann werden keine Handelsleute fahren
Mit Schiffen, vollgepackt mit Handelswaren;
Denn jedes Land der Erde wird dann haben
In gleichem Maß und Fülle alle Gaben!
Der Acker nicht mehr an der Hacke leidet,
Die Sichel nicht mehr ab die Rebe schneidet,
Der Bauer läßt die Ochsen aus dem Joch.
Gefärbte Wolle täuscht nicht mehr; und doch
Wird weiden auf den Wiesen dieser Erde
Der Widder und wird lehren seine Herde,
Mal scharlachrot zu tragen ihre Wolle
Und mal wie reines Gold das Fell, das volle.
Im Purpurmantel weidet da das Lamm.
Die Schicksalsfrauen sitzen da zusamm
Und spinnen ewges Schicksal offenbar:
Die Zeit wird kommen, wie sie anfangs war.-
Nach Hoheit strebe, denn die Zeit ist nah,
Der Sohn der Götter, Jove’s Sohn ist da!
Schaut alle her! Die Wölbung dieser Welt
Ist sehr erschüttert und das Himmelszelt,
Der Kosmos und die Erde und das Meer,
Und siehe, alles jauchzt und jubelt sehr
Entgegen dieser Zeit, und Herzen beben!
Ah! möge mir zu teil sein langes Leben
Und bleibe Atem mir genug, zu singen
Von Gottes großem Werk vor allen Dingen!
Selbst Orpheus’ Harfe überträfe nicht,
Sing ich vom Sohn der Götter, mein Gedicht,
Und hilft ihm auch die Muse, seine Mutter!
Auch Linus sänge nicht, der Dichterbruder,
Wie ich so kunstreich und so gnadenvoll,
Und hilft ihm auch sein Herr, der Gott Apoll!
Und auch selbst, wenn den Gott der Hirten, Pan
Und mich im Wettstreit alle hörten, dann
Wird ganz Arkadien uns richten, siehe,
O Pan, vor meinem Sang vom Sohne fliehe!
O süßer Säugling, Sohn der Götter, du,
Sag deiner Mutter leis: Gegrüßt seist du!
O Sohn, beginne so, mit einem süßen
Und lieben Lächeln lieb die Frau zu grüßen,
Die dich neun Monate im Schoß getragen.
Mag einer lächelnd nicht sein Ave sagen
Der Mutter dein, der ist es nimmer wert,
Daß je ein Gott den Becher mit ihm leert,
Kein Gott wird brechen ihm das Brot zur Speise
Und keine Göttin mit ihm ruhen schöner Weise!


HYMNE AN DIE PLATONISCHE LIEBE

Den Ältesten der Götter nenn ich Eros.
Als Mutter Erde mit den breiten Brüsten
Gebar die Götter und den ersten Heros,
War er schon da mit seines Geistes Lüsten
Und auch vorm Chaos und der Mutter Nacht.
Den Eros zur Geliebten aber nenne
Ich allen Lebens Schönheit. Wahre Pracht
Der Seele ists, erotisch zu verbrennen!

Der Seele Edelkeit ward einem Heros
Vom Gott, so sagt Homeros, eingeblasen.
Den Liebenden begeistert aber Eros
Mit lautersten Verzückungen, Ekstasen,
Bereitschaft, aufzuopfern selbst das Leben!
So hat dereinst Alkestis für Admet
Dem Tode ihre Seele übergeben -
Lebendiges erotisches Gebet!

Ja, Eros lebt im Liebenden viel mehr
Als in dem Menschen, der da nur empfängt.
Liebe zu geben ist viel seliger
Als nur zu nehmen, wie der Weise denkt.
Wenn Eros nun, sag ich als Eros’ Bote,
Sich hingibt um der Seele Edelkeit,
Ist er der schöne Grund, daß nach dem Tode
Die Seele dauert in Glückseligkeit.

Und will mir einer seine Mutter preisen,
So Eros überhaupt geboren ward:
Urania, gekränzt von Sternenkreisen
Ist es, des Himmels Tochter, holder Art.
Nicht aber kommt mir mit der Aphrodite,
Der dienen mit den Leibern wüste Huren,
Ihr Sohn Cupido ist nur eine Mythe,
Und töricht der, der geht auf seinen Spuren.

Den Eros treibt, der Liebende will dienen
Und sein der lieblichen Geliebten Knecht,
Ein Sklave vor der Gnade ihrer Mienen.
Für die Geliebte nur ist er gerecht
Und bildet sich nicht etwas ein dabei,
Weil ihre Gunst das Gutsein ihm erwirkt.
In seinem Sklaventume ist er frei -
Ist nur vom Universum noch umzirkt.

Wer aber Hunde, Knaben, lose Weiber
Alleine liebt mit starrendem Geschlecht,
In wildester Begierde liebt die Leiber,
Den nenn ich einen Narren oder schlecht.
Wer aber sich im Herzen hat erlesen
(Und sei es auch zu seines Herzens Trauer)
Die Seele, der Geliebten tiefstes Wesen,
Vermag allein zu lieben auf die Dauer.

Doch wie die Schönheit der Geliebten lehrt,
Die einer Lilie gleicht und einer Rose,
Wird Eros nicht im Menschen nur verehrt,
Auch in dem Tau, dem Tier, dem Baum, dem Moose,
In jedem goldenen Granatenkerne,
In jeder Wolke, jeglichem Arome,
In Mond und Sonne und in jedem Sterne
Und in den Quäntchen tief in dem Atome.

Die ungeordneten Begierden stören
Die Herzensrhytmen, Seelenharmonieen,
Wo wüste Leidenschaften wild betören,
Die holden Grazien und Musen fliehen.
Weil man ja sagt, die Himmlische der Musen,
Urania hab Eros aufgezogen,
Drum hab auch ich mit ihrem schönen Busen
Und süßen Munde Umgang stets gepflogen.

Wie überhaupt der Eros auch begeistert
Zu hohen Himmelreichen, allen sieben.
Die ganze Schar der Götter übermeistert
Die Seelen mächtig, die da wahrhaft lieben.
Und laßt den Stern der Venus einmal blinzeln:
Da strahlt ein herrliches Elysium
Am Saum des Himmels auf mit Sterneninseln,
Der Seelen Seligkeit Mysterium!

Auch war in allerersten Menschheitstagen
Am Werke Liebe, als den Menschen machte
Die ewigliche Liebe ohne Klagen
Und jener Mensch allein an Liebe dachte.
Er dann vom Menschen eine Seite nahm
Und Mann und Männin waren so entstanden.
Seitdem sehnt sich zur Braut der Bräutigam,
Erotisch fühlen Menschen allerlanden.

Denn das ist die Begier in ihrer Reinheit,
Das muß ein Erossänger nicht verschweigen:
Zwei Menschen zu vereinen in der Einheit
Des Eros, in Empfangen und in Zeugen.
Ursprünglicher Natürlichkeit die Nackten
Nach tiefer, tiefer Lust der Seelen brennen,
Die Liebenden in allen Liebesakten
Versuchen die Geliebte zu „erkennen“.

Nichts als ein kosmisches Mysterium
Ist Eros’ Akt, und Liebe ist sein Wesen.
Des Menschen Seele ist sein Heiligtum,
Das er zum Brautgemach sich auserlesen.
So schwebt er sacht und sanft auf einer Wolke
So heilig wie das Hymen keuscher Blüte.
Ein Seher bin ich wahrlich, der ich folge
Gott Eros ins geliebteste Gemüte...

Wie Phönix gern in einem Myrrhenest
Und wie Narzissus an des Teiches Spiegel,
Hat Eros Blumen gern beim Hochzeitsfest:
Die Rose allerorten ist sein Siegel,
Die rote Rose ist des Herzens Blume,
Im Herzensinnern ist der Rosengarten,
Da will die Heilige im Heiligtume,
Die Seele ihren Bräutigam erwarten.

Ich selber bin durch Eros ein Poet,
Wie kein Homeros ohne Helena,
Und wie Odysseus’ Irrfahrt nie versteht
Wer nie Penelope im Herzen sah.
Zwar lernte ich beim alten Meister Plato,
Im tieferen Geheimnis aber lehrte
Gott Eros durch die liebliche Erato,
Der ich der Schönheit Bild von ihr begehrte.

Wir Dichter Diener sind Uranias
(Die schön wie Cypria von Paphos-Ktima,
Wo sie dem Meer entstiegen meerschaumnaß).
Wir hören auf das Wort der Diotima,
Vor deren Charisma wir uns verneigen
Und die wir mit dem Lorbeerkranze krönen:
Denn wirkliche Poeten wollen zeugen
Unsterbliche Kinder in dem Schoß der Schönen!

Die schönen Glieder reizen in der Jugend
Und Leidenschaften brennen auch im Blute,
Dann lieben mehr wir ihrer Seele Tugend
Und preisen sie für alles wahrhaft Gute.
Der Liebreiz einer Anadyomene
Wird übertroffen von dem Ruhm der Seele,
Der ganze Geist erscheint in seiner Schöne:
Urania unfehlbar ohne Fehle!

O ewige Schönheit du in allem Schönen,
Geliebt wahrhaftig, tugendreich und gut!
Getaucht aus einer Flut von Liebestränen
Ist wahren Liebenden das Höchste Gut!
Wie Eros Psyche nahm zu seiner Braut,
Wählt sich das Höchste Gut das Menschenherz.
(Ich hab in meiner Muse angeschaut
Vollkommne Schönheit - einer Gottheit Schmerz!)



JONIS PHANTASIE VOM HIMMEL

1

Wir stimmen unsre Saiteninstrumente,
Das Geigenstimmen ist ein schräges Krächzen.
Das Lied wird, nach der Zeit der Elemente,
Mit Lobgesang erschallen ohne Ächzen.

Und meine Seele hörte einen Raum,
In dem mir auferstanden wunderbare
Gedanken sich erfüllten, mancher Traum.
Ich tauche in den Ozean die Haare,

Ich werde köstliche Orangen schälen,
Genieß sie in der Seligkeit der Seelen,
Ich werde auf die höchsten Berge steigen

Und allerhöchste Gipfel mir erklimmen
Und in dem Meer der weißen Wolken schwimmen
Und meinem Jesus meine Seele zeigen.


2

Ein neuer Himmel, eine neue Erde,
Das Alte ist in Feuersglut vergangen.
In einer neuen weißen Wolke werde
Ich auf der neuen grünen Wiese prangen.

Umflossen von kristallnen Ozeanen
Taucht auf die neue Stadt, wie eine Braut.
Ich kann sie schon in meinem Dasein ahnen,
Wenn mir die Träne von der Wimper taut.

Ach, die Smaragdstadt Oz ist Nichtigkeit,
Die Halle Höchster Harmonie reicht weit
Nicht an das Himmlische Jerusalem

Mit seinen Straßen ganz aus Gold und Glas
Und Mauern aus Smaragd und Chrysopras,
Erleuchtet von dem Sohn aus Bethlehem!


3

Das ganze Paradies ist wie ein Tempel,
Darin zuhause Gottes Herrlichkeit.
In jedem süßen Himmelsblütenstempel
Nach der Erlösung ruht die Ewigkeit.

Und ist das Paradies auch unsichtbar
Wie eine transparente Geistestaube,
Es ist doch im Vertrauen offenbar
Und ist Besitz durch Hoffnung, Liebe, Glaube.

Und meine Seele ist hinangeflogen,
Da glänzte es so wie ein Regenbogen
In lichten Wasserwolken rings umher,

Und wie ein lichter Saphir war ein Thron,
Und darauf saß der milde Menschensohn.
Und Jesus sagte mir: „Ich bin der Herr!“


4

Wie eine Vollmondnacht mit einer Frau,
Wie Maienmorgende mit süßen Küssen
Auf Moos inmitten von dem Morgentau...
Wir werden es noch viel genauer wissen.

Auch schuf der weise Schöpfer das Geschlecht,
Wird dem Geschlechte auch Vollendung weisen.
Verklärte Zähne werden, nicht mehr schlecht,
In eine pralle Lebenspfirsche beißen.

Vor dir ist voller Freude Überfluß
Und ewig ungemessne Seelenwonne!
Gerechte werden leuchten wie die Sonne,

Wenn Jesus küsst mit seines Mundes Kuß
Von allen Wimpern alle Trauertränen.
Ja, das muß meine Seele sich ersehnen!


5

Und wie die wunderschöne Morgenröte
Hervorgeht und die lichte Sonne thront,
Wie in der Purpurrobe Abendröte
Hinuntergeht und schimmernd scheint der Mond;

Und herrlicher wird Gottes Herrlichkeit
Mit Licht erfüllen süß das Paradies!
Jerusalem besteht in Ewigkeit,
Erleuchtet von des Lammes goldnem Vlies.

Da gibt es nicht mehr Schmerz und Leid und Tränen,
Erfüllung findet vieler Seelen Sehnen
Nach ewiger Glückseligkeit, und Leben

Wird fluten wie ein unbändiges Meer;
Da ist der große Feind, der Tod nicht mehr.
Herr Jesus möge mir dies Leben geben!


6

Und mitten auf dem Marktplatz, ganz aus Gold
Und wie das reinste Glas so transparent,
Da wird der König stehen, süß und hold,
Zugleich ganz offenbar, ganz transzendent.

Das Land umher wie transparentes Glas,
Zugleich erfüllt von prallem echtem Leben,
Und vom kristallnen Meer ganz rosig naß
Die Hände mir zum höhern Himmel schweben.

Gebadet in Gesundheit und in Schöne
Steh ich und harfe ganz vollkommne Töne
Und fühle wie ein honigfarbner Mann,

Das Wasser und die Luft erstrahlen golden,
Mein Herz geht auf wie süße Blütendolden:
Ich seh mit lauter Liebe Jesus an!


7

Verklärte Körper werden uns umgeben
Mit echten Armen, Händen, Beinen, Füßen,
Wir werden nicht wie hohle Geister schweben,
Wohlfühlen aber uns in unserm süßen

Verklärten Leib, gleich Jesu Christi Leib.
Und alle Seelen werden sich erkennen,
Da ist von einst das wunderbare Weib,
Und Männer werden sich mit Namen nennen.

Denn Gott wird geben einem jeden Samen
Verklärten Leib und einen neuen Namen;
Wir werden auferstehen aus dem Staube,

Erweckt vom Geiste, welcher in uns wohnt,
Durch welchen Jesus in den Herzen thront,
Und werden Jesus sehn, das glaubt mein Glaube.


8

So wie wir Adams Bild getragen haben,
So werden wir auch Christi Bildnis tragen.
Die Leidenszeiten, die uns Schmerzen gaben,
Die werden vor dem Himmel nichts mehr sagen.

Die Eiche hat ja keine Ähnlichkeit
Mit einer Eichel, und der Schmetterling
Nicht mit der Raupe. Das Vergehn der Zeit
In lauter Ewigkeiten herrlich sink!

Gesät wird werden, ach, in Niedrigkeit,
Wird auferstehn in schönster Herrlichkeit,
Armseligkeit wird auferstehn in Kraft!

In einer Welt von Göttinnen und Göttern
Wir werden wandeln wie in Maienwettern,
Weil Gott der Allerhöchste Neues schafft!


9

Ob wir nun spielen werden mit dem Balle,
Ob wir vorüberziehn am Großen Bären,
Ob wir bei Mauern stehen werden alle,
Ob wir durch Mauern durchgehn zu den Sphären,

Ob wir mit allerliebsten Freunden plaudern,
Ob wir mit guten Engeln Weisheit reden,
Ob wir Forellen fangen voller Schaudern,
Ob Wein wir trinken von dem Wein aus Eden,

Wir werden immerdar vollkommen stimmen
Zu allem, was wir tun, auf neuer Erde,
Im neuen Himmel. Und mit schönsten Stimmen

Wir loben ihn, den Hirten seiner Herde,
Der uns durch seinen Geist bereitet hat.
Ich lobe ihn mit Lyrik lebenssatt.


10

Ein neues Herz wird meines sein, ganz neu,
Ich werde dadurch mit dem Herrn verbunden.
O meine liebe neue Seele, freu
Dich sehr, daß du wirst küssen seine Wunden!

Mit neuem Denken werde ich erkennen
Den Herrn, wie Jesus Christus mich erkennt.
Mit neuem Fühlen werd ich auf den Tennen
Ruth sehn, die mich mit neuem Namen nennt.

Ich werde einmal alle Weisheit denken:
Was Engel sangen an dem ersten Tage
Und Paulus in dem dritten Himmel schaute.

Ich werde Liebe fühlen (ohne Klage,
Wie heut, als mir die Träne niedertaute)
Und werde Jesus meinen Willen schenken.


11

Ewige Sabbatruhe, süßer Frieden
Wird ewig meine Seele hold umhüllen.
Und auf der neuen Erde werd hienieden
Die Stille ich des neuen Himmels fühlen.

Ich werd mich reihen in die Ringelreihen;
Auf Zehenspitzen unter Seraphim
Werd meine neuen Lobgesänge weihen
Ich meinem meistgeliebten Meister, Ihm!

Und jedes Herz des neuen Himmels werde
Ich lieben, jedes Herz der neuen Erde,
Mit ungeteilter Liebe ungetrübt!

Und keine Seele wird mich je verletzen
Und jede Seele mich unendlich schätzen
Und lieben, wie mich Jesus Christus liebt!


12

Ich möchte Josef nach den Träumen fragen
Und Daniel, wie er die Nachtgesichte
Auslegen konnte und die Wahrheit sagen
Vom Licht, das in dem Dunkel schien, vom Lichte.

Und Melodieen werd ich hören schöne,
Viel schöner noch als Mozarts Zauberflöte!
Und werde Inka sehn, die Wunderschöne,
Im Widerschein von Gottes Morgenröte,

Und werde Bücher lesen einst in Eden,
Viel schöner noch als Klopstocks Nazarenus,
Mit Mark werd ich darüber oftmals reden,

Und werde sehen Botticellis Venus
Und schönre Frauenzimmer noch als sie
Und werd von ihnen schwärmen mit Rong-Ji.


13

Erst dann werd ich die Harfe und die Leier
So wie ein milder Minnesänger streichen,
Erst dann werd ich auf keiner Freundschaftsfeier
Von meinen weisheitsvollen Freunden weichen,

Erst dann werd ich die Colombinen malen,
Wie Gott sie sich ureigentlich gedacht,
Erst dann werd ich für gute Bücher zahlen
Den Preis der Schönheit einer Vollmondnacht,

Erst dann werd ich besingen ganz vollkommen
Messias mit den reinsten Lobgesängen
Und mit geheiligt süßer Poesie.

Erst dann bin ich in Liebe angekommen,
Wie Gott sie sich gedacht, in Harmonie
Werd ich mein Herz an meine Gottheit hängen.


14

Es gibt ja keinen Zufall, meine Lieben,
Gott hat mir meine Freunde zugeführt.
Durch seine Gnade sind sie treu geblieben,
Die täglich, ach, mein Liebesleiden rührt.

Und jene Frauen, die ich herzlich liebe,
Sie führte auf den Weg mir Gottes Geist,
Der möge führen sie mit seiner Liebe,
Die mir auch täglich meine Wege weist.

Im Himmel werden wir die Freundschaft leben,
Verständnis, Harmonie, Verbundenheit
In Seelenzärtlichkeit und Geisteseinheit.

Uns wurde Neu-Jerusalem gegeben,
Zum Zeichen für Gemeinsamkeit in Reinheit,
Zum Bild für Liebe in der Ewigkeit.


15

Der Herr spricht: „Vater! laß sie bei mir sein,
Die Gotteskinder, die du mir gegeben.
Ich kleide sie mit weißen Kleidern ein
Und gebe ihnen Kronen: ew’ges Leben!“

Beim Hochzeitsmahl des Lammes auf dem Throne
Sitzt Jesus mit dem Blick von einem Lamme
Und spendet seinen Heiligen die Krone,
Und diese beten an mit Geistesflamme.

Gebeugte krönet er mit Sieg, mit Ruhm
Und Freude, welche Sünder gottwärts leiten,
Und unvergänglich krönet er die Reinen

Am Tage des Gerichts, im Heiligtum
Die Leiter krönet er mit Herrlichkeiten;
Mir mög die Krone der Gerechten scheinen.


16

Vorm Richtstuhl Christi werden stehen Sünder,
Und er wird ihrer Sünden nicht gedenken,
Weil sie in ihm sind, weil sie Gottes Kinder.
Er kam, im Meer die Sünde zu versenken.

Er prüft die Fähigkeiten, Gott zu dienen,
Wie wir ihm dienten. Alle unsre Sätze
Prüft Jesus, welcher kam, die Schuld zu sühnen.
Auf Erden laßt uns sammeln Himmelsschätze!

Wir wollen bauen auf den Christus-Grund
Mit Silber, Gold und Edelsteinen; und
Verherrlichen aus einem reinen Herzen

Den Herrlichen, den hehren Mann der Schmerzen.
All unsre Leiden werden vor dem Thron
Des Herrn belohnt mit ew’gem Freudenlohn!


17

Anbeten werden wir die Macht der Liebe,
Die sich ergießt wie hellstes Licht von oben.
Und dichten werd ich, der ich Jesus liebe,
Und meine Dichtkunst wird ihn ewig loben.

Langweilig wird es nimmer sein. Ihr wißt
Ja gar nicht, wie erregend jene Liebe,
Die nie vergehen wird. Der Himmel ist.
Gott liebt mich, und ich schenk ihm meine Liebe.

Verborgnes Manna speis ich honigsüß,
Und Wahrheit duftet mir wie eine Blume,
Ich seh den Morgenstern im Paradies

Und Himmelssterne in dem Heiligtume,
Ich gehe in das himmlische Gebäude
Zu meiner wahren Liebe ew’gen Freude!


18

Wenn milde Märzenlüfte seufzen, ach,
Und Bäume sehnen sich in ihrem Saft,
Und eine Nachtigall wird morgens wach,
Sehnt alles sich nach Auferstehungskraft,

Wenn Meereswellen flüstern sanfte Töne
Und auf den Gräsern perlen Taues Tränen,
Sehnt die Gazelle sich in ihrer Schöne,
Ist alles nach Erlösung lauter Sehnen.

Wie majestätisch wird der Berg doch stehn
In Gottes neuer Schöpfung und das Tal,
Wie herrlich wird der Lämmer lichte Herde

Und sprühend voller Leben Jonas Wal,
Wenn wir von Herrlichkeit erleuchtet sehn
Vor Gottes Angesicht die neue Erde.


19

Wir werden sehen Gottes wundes Lamm,
Wie es zu uns so voller Liebe schaut!
Wir werden sehen unsern Bräutigam,
Wie er die Hochzeit feiert mit der Braut.

Wir denken immerdar an Golgatha,
Bei Himmelsbrot und bestem alten Wein,
Wir loben ihn, wie er auf Erden nah
Uns immer war in aller Erdenpein.

O süße himmlische Glückseligkeit
In Liebe und in schönster Ewigkeit
Des Lebens (denn er tat hinweg den Tod)!

Uns glühn die Herzen für die sieben Geister
Und für Messias Jesus, unsern Herrn und Meister,
Und lieben wird uns - lieben wird uns Gott!


TOTENANGEDENKEN FÜR PAULA MEYER-GRENSEMANN

1

Gott, Leben, Leben ist in Dir beschlossen,
Du bist der Meister über allen Tod;
Du bist die Tröstung, wenn die Tränen flossen,
Wenn meine Augen sind vom Weinen rot.

O Gott, der Du lebendig in den Messen,
Wo Geist sich mag in meine Seele senken:
Vor Dir will ich die Liebe nicht vergessen,
Will meiner Mutter Mutter hier gedenken.

2

Ich denke an die schwermutvollen Dichter,
Die in der Nacht des Glaubens hingeschieden,
Die da gefleht zum Vater aller Lichter,
Friedlose Seelen; gebe ihnen Frieden!

Ich denk an die sensiblen Dichterinnen,
Die da Marien-Minne mich gelehrt,
Sie priesen Dich, o Gott, in allem Minnen,
Sind drum vom Gott der Minne auch geehrt.

Ich denke an die Heiligen, die Lieben,
Die leben jenseits von dem Jordanstrom.
Patronin meines Glaubens ist geblieben
Sankt Agnes mir, die Heilige von Rom.

Sankt Paula aber ist Patronin meiner
Großmutter: bete du für ihre Seele!
Jungfrau Maria, niemand war je reiner
Als du: o bitte du für ihre Seele!

Ich will mit euch, ihr Heiligen, anbeten,
Mit euch, ihr seligen Poeten, singen,
Mit euch vor meinen Gott, den Vater, treten
Und Ihm der lieben Paula Seele bringen.

3

In jedem Augenblicke ist mir nah
Der Herr und nahe ist die Todesstunde.
Zum Leiden und zum Sterben sag ich Ja,
Wird Heil doch werden meiner Herzenswunde.

Mein Gott, so oft mach ich mein Testament,
Seit meine liebe Oma hingeschieden,
Weil Sehnsucht nach dem Paradiese brennt
In meinem Herzen und nach Ruh und Frieden.

Sie gab auf Erden meinem Herzen Heimat,
Gab Seelenheimat mir in ihrem Herzen.
Nun ist sie fort. Der Himmel ist nun Heimat,
Da gibt es nicht mehr Tod und keine Schmerzen.

Und eines Tages sterben werd ich auch,
So wie im Herbste welken muß die Blume;
Das Leben eines Menschen ist ein Hauch.
Da sei mein Tod ein Lob zu Deinem Ruhme!

4

Wir sollen nicht wie eitle Toren trauern,
Die keine Hoffnung auf das Leben haben,
Die ihre Herzen vor dem Herrn vermauern
Und glauben nicht an Seines Geistes Gaben:

Der Geist ist Geist der Auferstehung doch!
Und doch: Wir trauern in der tiefen Nacht,
Schwer drückt auf uns des harten Daseins Joch
Und Traurigkeit ist immer an der Macht.

Da war ein Trost mir meiner Oma Liebe,
So weich und sanft war sie wie Blätter fächeln
Im Maien und wie blühn die Blumentriebe
Und wie der blaue Himmel war ihr Lächeln.

Und in der Stille ihrer Wohnung war
Mir immer wohl und meiner Seele Frieden,
Und warm ward mir, wenn sie mich ansah klar
Mit himmelblauem Blick - Dein Licht hienieden!

Und ob ich einer auch von Jesus sei
Und ob ich lesen möge einen Psalm
Und feiern Himmelfahrt mit ihr im Mai
Und freitags, Christus, speisen einen Salm?

O mir wird traurig, traurig mir zumut,
Weil sie nicht mehr auf Erden weilt, und weh,
Weil ich allein auf Erden bin! doch gut,
Daß ich im Himmelreich sie wiederseh!

5

Wie sehn ich mich im Paradies zu sein
Und ewig dort an Jesu Brust zu hangen!
Er küsst mir fort die Tränen meiner Pein,
Ich bin glückselig...- Woher dieses Bangen?

O Christus, in der Todesstunde Nacht
Sind wir allein mit lastendem Gewissen,
Ob unsre Sünden Dich in Zorn gebracht,
Ob wir das Heil für immer müssen missen?

Dann gib uns, Ewiger, gib uns Vertrauen,
Gib Liebe uns, daß Liebe Angst austreibt!
Wir wollen Dich und alle Heilgen schauen!
- Gib, daß mein Geist beim Geiste Paulas bleibt.

6

Wie können uns denn jemals Menschen trösten?
Kennt irgendeiner meines Herzens Ton?
Abgründiger Verzweiflung kennt den größten
Zuspruch und Trost der Herr, der Liebe Sohn.

Da warest Du, als Paula war verschieden,
In der Sankt-Agnes-Nacht, um Mitternacht,
Mein Herr, mein Gott, da gabst Du Deinen Frieden -
Und Liebe über meinem Leben wacht.

Und darum: Lob der tiefsten Einsamkeit,
Mit dem Alleinigen sind wir allein,
Der tief getaucht ist in der Menschen Leid,
Der da versteht die Seufzer meiner Pein!

7

O Jesus, der Du Lazarus erwecktest,
Weil Magdalena so um ihn geweint,
Der Du des Todes Linnen ihm aufdecktest,
Der bald im Schoße Abrahams erscheint,

Dich will ich loben, Auferstehn und Leben!
Elia fuhr in Flammen auf zum Herrn
Und gab Elisa seines Geistes Weben
Und segnete den treuen Sohn von fern.

Als Paula einschlief, als sie heimgegangen,
Als ich nachweinte jener stillen Frommen,
Als traurige Gedanken ihr nachhangen,
Ist Jesu Geist auf mich herabgekommen!

8

Im Augenblick des Todes ganz allein
War sie, da war kein Mensch an ihrer Seite.
Du aber mochtest ihr im Geiste sein,
O Gott der Ewigkeit! - Den Sinn mir weite

Und laß mich sehn an ihrem letzten Wort:
„Ihr seid so lieb!“, daß Liebe in ihr war
Und Liebe sie erwartete von Dort,
Wo ihrer Seele ewge Heimat war.

Erneut will ich die Holdeste der Frauen,
Die mir wahrhaftig eine Mutter war,
Dem Gott der ewgen Liebe anvertrauen,
Der ist im lieben Jesus offenbar!

9

O Herr, sie bat ja um die Heilge Schrift,
Als sie ihr Sterben nahen fühlte, spürte,
Daß ihr ein Wort, das ihre Seele trifft,
Vorlese ihr zum Trost der fromme Hirte.

Und dieses Psalmwort hat sie mir gewiesen:
Im dunklen Tale ist mit mir der Hirte,
Er führt zur Quelle mich, zu grünen Wiesen.
Herr, Gott, mit Brot des Himmels sie bewirte!

Sie lächelte bei meinem Schwingenregen,
Da sprachen wir einmal vom nahen Tod.
Sie lächelte entgegen Deinem Segen
Und nach des Todes Nacht dem Morgenrot.

10

O Jesus Christus, spende Dein Erbarmen,
Laß sie beim Vater sein im Paradies,
Geborgen in der ewgen Liebe Armen
Und ewger Liebe Gnaden trinken süß!

O Jesus Christus, spende Dein Erbarmen,
Willst Du sie reinigen in Liebesflammen;
Anbeten wollen Seelen Dich, die armen,
Laß sein sie mit dem Ewigen zusammen!

O Jesus Christus, spende Dein Erbarmen,
Daß wir, wo sie gegangen, uns ergänzen,
Uns Tröstung sind in unsrer Seele Harmen
Und eines Tags im ewgen Maien lenzen!

11

O Gott, in Deinem himmlischen Gebäude,
Im Garten Eden unter Deiner Sonne,
Gib Paula Seligkeit und tiefe Freude,
Gib ihr Glückseligkeit und süßte Wonne!

O Herr und Gott, wir flehn zu Dir hienieden,
Und schaue an dies betende Gedicht:
Gib ihrer Seele Frieden, tiefen Frieden,
Erleuchte ihren Geist mit Deinem Licht!

Die Himmelskönigin, des Himmels Rose,
Sie führe ihren Geist dem Vater zu,
Auf daß sie ruh in ewger Liebe Schoße,
Daß sie in ewger Liebe Schoße ruh!

12

O Gott, der Herr ist nicht im Grab verwest,
Er ist am dritten Tage auferstanden!
Gott, wenn der Engel die Posaune bläst,
Erstehen alle Menschen allerlanden!

Herr, ihre Seele in dem Himmelreich
Mit dem verklärten Leibe Du verein!
Laß wieder sein die Wange pfirsichweich,
Laß wieder himmelblau die Augen sein!

Wie Flammen in dem Licht der Ostersonne
Laß steigen uns ins ewge Morgenrot!
Schenk ein den Becher uns mit Wein der Wonne
Und speise uns mit süßem Himmelsbrot!

13

O Gott, Du wolltest Paula einmal taufen
Und sie im Geist zu Deinem Kind gebären,
O Herr, Du wolltest sie am Kreuz erkaufen!
Sie wollte gegen Dich sich nimmer wehren,

Sie feierte Dein Ostern, Deine Weihnacht,
Dein Jesusname war ihr lieber Name.-
Laß leben sie in Edens süßer Mainacht
Mit Jesu süß als Jesu Minnedame.

14

O Tod, wo ist dein Sieg, wo ist dein Stachel,
O Todesnacht, wo ist dein spitzer Dorn?
Mit Jakob wandle sie und schöner Rachel
Und mit Sankt Paula an des Lebens Born.

O Tod, du wurdest von dem Sieg verschlungen!
Kreuz Christi, das du allen Tod vernichtet,
Laß loben sie mit süßen Engelszungen
Den lieben Gott, der sie gerecht gerichtet!

O Tod, verschlungen du von Christi Leben,
Dein Tor des Todes wurde aufgestoßen!
In das Geheimnis möge Gott sie weben
Der Rose, die gesegnet vor den Rosen.

Bei lauter Rosen, Lilien, Reseden,
Orangenbäumen, Dattelfeigen, Mandeln,
Laß Paulas Seele in dem Garten Eden
Mit Dir gemeinsam, o Messias, wandeln!

15

O Herr, sei voller Gnade im Gericht
Und lasse Paula Dein Erbarmen sehn!
Führ, Jesus, Paula in des Vaters Licht
Und lasse sie zur Seligkeit erstehn!

Und wenn Du irgend an dem lieben Kinde
(Was ich nicht denken kann, doch möglich ist)
Nur irgendeinen Makel, eine Sünde
Entdeckst - verzeihe ihr, o Jesus Christ!

Uns Lebende, laß uns in Liebe sterben,
In Gottvertrauen, ferne allem Zweifel.
Entfern von unserm Sterbebett den Teufel
Und laß uns Gottes ewges Leben erben!

16

Spend meiner trauervollen Seele Schonung,
Das Schwert geht durch die Seele mir, das scharfe.-
Gott, Paula gib in Deinem Haus die Wohnung,
Laß ihre Seele sein wie eine Harfe!

Hüll ihre Seele in ein weißes Linnen,
In schönsten Glanz, entsprechend ihrer Reinheit!
Laß kosten sie die Früchte deiner Minne
Im Brautgemache ewger Gotteseinheit!

Es war ja doch ihr Lieben nicht vergebens,
Die Wohlgefallen Gottes stets gesucht,
Wenn sie nun tränkt der reine Quell des Lebens
Und sie erfreut wird mit des Lebens Frucht!

Laß wandeln sie in Gassen ganz von Golde
Und Glas im Himmlischen Jerusalem!
Und kröne, schöner Bräutigam, die Holde
Mit einem gloriosen Diadem!

Schreib einen neuen Namen Paula ein
Und Deinen neuen Namen offenbar!
Halt kostbar sie wie einen Edelstein,
Ihr Deine Liebe ewig offenbar!

Am Throne laß sie leuchten, eine Flamme,
Und halte sie in Deinen Armen fest,
O Bräutigam, gleich einem sanften Lamme,
Und führe sie zu Deinem Hochzeitsfest!

17

Ich danke Dir, o Gott der Ewigkeit,
Daß Paula meinem Herzen Liebe gab
Und Tröstung mir in der Zerrissenheit
Und Davids Psalm vom Stecken und vom Stab.

Ich danke Dir, o Gott der Ewigkeit,
Daß Paula hat mich einst so sanft erzogen,
Die mütterlich mir immer stand zur Seit
Und war mir immer liebevoll gewogen.

Ich danke Dir, o Gott der Ewigkeit,
Für die paulanischen Erinnerungen,
Für dieses Lied, mir Trost in meinem Leid.
(Ob sie es sang mit süßen Engelszungen?)

O Herr des Lebens, alles soll erhalten
Mir bleiben, womit Paula mich beschenkt,
Vergessen laß mich nicht die Huld der Alten,
An der noch immer meine Seele hängt.

Erbarme Dich der Hinterbliebenen,
Für die Dir Fernen Deiner Gnade zu!
Laß sterben uns gleich jener Liebenden
Und führ auch mich zu Deiner ewgen Ruh!

O Gott, o Vater, Dich mein Leben preist,
O Gott, Dich preise ich als Menschensohn,
O Gott, als Tröster preis ich Dich, o Geist,
Anbetung sei Dir Gottheit auf dem Thron!


SONETTE AN MARIA

1

Einst liebt ich dich. Und darf dich wieder ehren
Als die Geliebte, die mit Jungfraunschöne
Und Muttergüte kommt? Ich will die Töne
Aufreihn wie einen Perlenkranz und mehren

Dein Lob: Sei lichter Stern auf dunklen Meeren
Der Seele! Dies mein zartes Wagen löhne
Mit deinem Nahn. Mit lauter Rosen kröne
Mein Lied, mit deinem Glanz, und komm zu lehren

Im Lobgesang den Dichter, komm zu raten
Dem Dichter: wie ich voll Gefühl die feine
Zartselig-süße Sehnsucht meiner Seele

Dir singe mit dem Atem, aus der Kehle,
Und meine Traurigkeit zu Magnifikaten
Dir widme, Jungfrau, heilige und reine.


2

Maria, o du Turm von Elfenbein,
Sieh her in meine Einsamkeit im Turm;
Maria, Meeresstern so ruhig rein,
Sieh meines Meeres Flut im Schicksalssturm;

Maria, o du süße Balsamstaude,
Sieh all das Bittre, das mich traurig macht;
Maria, Morgenstern, der blühend blaute,
Laß leuchten dein Gesicht in meine Nacht.

O Jungfrau Gottes, hör mein Minnegrüßen,
O Mutter Jesu und der bittern Schmerzen,
O Braut des Geistes mit den bloßen Füßen,

Laß deine Brüste Milch der Liebe fließen,
Laß ruhen mich an deinem süßen Herzen,
Laß mir aus Schmerzen rote Rosen sprießen.


3

Und Diesen brachtest du hervor: den Herrn
Und Gott, den absoluten König meiner
So makelhaften Seele. Siehe, keiner
War reiner je als Er, der Morgenstern.

Dem warst du Mutter, milder Mandelkern,
Als Er verloren lag, der kleine Weiner.
Du sahest Ihn: Er übte sich als Schreiner
Und war sein Geist nicht immer ewig fern?

Und war so nah! O Mutter, diese Stunde!
Ich bin noch aufgewühlt und zittr’ und bebe!
Als ich zu Seinen reinen Füßen lag - -

Da war Er Heil für meine Herzenswunde,
Daß ich fortan allein der Liebe lebe
Und harr entgegen Seinem Freudentag!


4

O Liebe, alle Stunden dieser Nacht
Sind all in deiner Schönheit Lob gemündet
Und haben sich zum Rosenkranz geründet
Und haben nachgesonnen, nachgedacht

Und tief geliebt die Granatapfelpracht
In deinem keuschen Schoß. Und Buße findet
Mein Herz bereit, der ich so sehr gesündet
Und will nun haben auf die Reinheit acht.

Madonna der Glückseligkeiten-See!
O rote Rose in dem reinen Schnee!
Im irdischen Paradies die Neue Eva!

Ich frag dich, Heilige, was ist dir Schaum?
O Liebe beim Maronenbaum!... Im Traum
Sing ich der Lieben Frau Marien Ave.


5

Als Christus trat in meine arme Hütte -
Ich bins nicht wert daß Du zu mir kommst, Meister -
Lag ich im Staub und war nur Flehn und Bitte
Und tausend Tränen! Aber Gnade heißt Er

Und wies mich gnädig auf die Liebe hin.
Fürwahr, fürwahr, Er sprach: Die sollst du minnen,
Die liebt dich heilig mit dem frommen Sinn.
Und ich war trunken, trunken, wie von Sinnen!

Nun aber bin ich tot, ein Leichnam kalt,
Und böse Würmer nagen mir am Herzen,
Und meine Seele, sie ist anderswo -

Und ruh doch, wie des Schmerzensmanns Gestalt,
Quer über deinen Schoß, Marie der Schmerzen!
... Sing Osterjubel wieder, mach mich froh!


6

Gegrüßet seiest du, o Herz Marias,
Du sanftestes der Herzen, voller Liebe!
Mitleidende der Schmerzen des Messias!
Ach, daß ich ewig in dem Jubel bliebe

Von jenem Ostertag, den mir gewährte
Mein Herr und Meister, der mich auserwählte
Und mich bestimmt, daß ich die Liebe ehrte
Und lehrte Liebe mich, vom Geist beseelte.

O komm, o Mutter der Barmherzigkeit,
In mein Gethsemane - und tröst die Tränen,
Du Balsamstaude, Königin der Engel!

Ich danke für die Schmerzen und das Leid.-
Er sieht der Seele Seufzersang und Sehnen
Und Er zerbricht nicht den geknickten Stengel...


7

Maria, in dem lieberoten Kleid
Und meeresblauen Umhang, Jungfrau, standest
Du vor den Jungfraun, die du Gnade fandest,
Der Liebe hingegeben, holde Maid,

Und Eli’s Sohn aus Juda war bereit
Zur Liebe. - Du, o Liebe Gottes, sandtest
Den Jüngling zu der reinen Maid und bandest
Zusammen sie, o Gott der Ewigkeit!

Marie du Maid, du standest vor dem Dom,
Dem Priester trauend aus dem Heiligtume,
Die Seele war dir wie ein Schleier weiß.

Veni sponsa de Libano! Arom
Der Myrrhe! Pfingstrose! o du Blaue Blume!
Den Segen gab der Hochzeit Jesses Reis.


8

Maria, Mutter du der Schmerzen, siehe,
Wie ich durchbohrt bin von dem scharfen Messer!
Doch durch das Wort Messias’ wird es besser,
So will ich singen bis zur Hahnenfrühe

Von Liebe. Du, du liebst und läßt dich lieben,
Du schmähest nicht des Herrn und Jüngers Ehre.
Du liebst es, was ich dir zu Lob geschrieben,
Du Stern der einsamdunklen Seelenmeere.

Was sind die Schatten aus dem Tränental
Hartherzig! Aber du, mein Ideal,
Du bist mit sanfter Liebe für mich ja.

Das Kreuz ward mir verkehrt ins Herz gestempelt,
Die Seele in der Liebe Grab getempelt -
Da sprachst du für, Madonna Pietà.


9

Madonna! Aller Schönheit Inbegriff!
Wie nennt man dich doch schönen Meeresstern
Und nennt dich in der Muschelflut ein Schiff;
Und ich will huldigen am Römerriff

Dir als der Mutter schöner Liebe gern
Und loben an der Schlüsselinseln Kliff,
Der ich das Eiland Cypros für dich schliff,
Die wundervolle Mutter meines Herrn -

Ich nenn dich, Liebe, Chrysorrojatissa
Mit goldner Frucht, Marie Aphroditissa,
Du bist die wahre clemens dulce Venus,

Du bist die Gnadenreiche, du bist Charis,
Du bist in Liebe - Ave stella maris,
Ich grüß die Mutter Jesu Nazarenus!


10

Du Sanfte, mit dem Herzen wahrer Demut,
Du mit der Seele Frieden, Stille, Reinheit,
Du mit des Sohnes Sanftmut in der Einheit
Der Liebe - die ersehne ich mit Wehmut,

Da mich zerteilt das Streiten der Gemeinheit
Und Albernheit trat in die stille Schwermut
Und mischte meinen süßen Wein mit Wermut
Und Lästerung und dem Protest der Kleinheit.

Nun flieh ich mich in deinen roten Mantel,
Assunta, nimm mich mit ins Reich der Engel,
Wo ewige Liebe dich so hold gekrönt.

Sieh mich hier traurig sein im Staub; verwandel
Des angefochtenen Gemüts Gequängel
In Magnificat, das Herrlichkeit verschönt!


11

Im Orgelspiel der Erde, in den Röhren
Und in den feingebauten Silberflöten -
Und mit dem goldnen Wehn der Morgenröten
Und mit dem Meeresrauschen bei den Föhren

Und mit den Frühlingen die so betören
Und mit den Nächten und den echten Nöten
Und mit den Ängstlichkeiten welche töten -
Komm ich zu dir und hoffe auf dein Hören.

Web in den Mantel weicher Harmonieen
(Wie in das Pupurvlies von einem Lamm)
Mir Seele und Gemüt und laß mich fliehen

Zu eines schönen Domes Fensterrose,
Die keusch vom Licht durchschimmert. Notre Dame,
Laß ruhn in deinem Schoß mich, Makellose.


12

Ich möchte dich mit Poesie und Prose
Und meiner Liebe zu der Anonymen
Lobpreisen, dich und deine Reinheit rühmen
Und weisen dich der Welt als die famose

Gebärerin der Liebe, rote Rose
Der Liebe mit dem makellosen Hymen
Und göttlichem Ambrosia im Schoße,
Und möchte dich mit Blumen blau umblümen:

Im Andachtswinkel meiner Seele zünde
Das Weihegut der weißen Kerze Reinheit
Vor deinem milden mütterlichen Herzen

Ich für die Jungfrau von der Maienlinde,
Ich für die Frau der süßen Seelenfeinheit,
Ich für die Madonna meiner Schmerzen...


13

In meinem Herzen blüh, Aurora Rosa,
Mit Diadem des Stella Matutina,
Und gieße Tau hernieder, o Virgina,
Von himmlischer Fontana Amorosa,

Und bette mich, o Mater Dolorosa,
Auf deines Leibes Hügel, Aventina,
Ins Grab und bete für, o Madonnina,
Die du vorausgegangen, Gloriosa,

Bist in die Herrlichkeit vom Neuen Eden,
Gepriesne Blume unter den Reseden,
Wo Seraphim das Magnificat Marias

In Ewigkeiten singen, Königinne
Des Himmelreiches, Mutter süßer Minne!
... Und münden will ich mit dir zum Messias.


14

Komm, führe mich in einen holden Traum,
Ich möchte mich in lauter Liebe weben,
Ich möchte in dem Land der Schönheit schweben
Und nahen, wenn ich darf, dem Lebensbaum

Und küssen einer rosa Pfirsche Flaum
Und saugen Saft aus vollgeschwellten Reben
Und innig voller Wohl und Wonne beben
Und weben in Madonnas Schleiersaum

Die Seele, daß ich schmelze vor Entzücken
Vor deiner himmelblauen Augen Blicken
Und trinke deine Küsse freudetrunken,

In Flammen reime meinen Seelenfunken
Auf deiner Minne Glut, und will versunken
In Gott....... Die Liebe hat zum Schlaf gewunken.


15

„Du mußt dich nicht, o kleines Herz, betrüben,
Auf deine Seele warten süße Sonnen
Und weichgefügte, reichgezierte Wonnen
Und Charis Gaben, alle seligen sieben

Messiasgaben aus des Lebens Bronnen
Und Weisheit nach den Schriften die geschrieben
Begeistete und Seelen die geblieben
In wahrer Liebe Linnen eingesponnen...“

O irdisch Stückwerk, nur zusammgestückelt!
O aufgezehrte Anmut einer Motte!
O Armut, Schwermut, Wehmut, Weh und Weinen!

Doch tauchte auf Maria in der Grotte,
Ein Schimmer vor den dunklen Felsensteinen -
Und Gottes Sohn - in Windeln eingewickelt.


16

Du holde fromme Königin der Nacht,
Um dich der Geister Weben heiliger Stille,
Hab du auf meine arme Seele acht,
Auf ihrer Liebe Armut, Liebe Fülle.

Bald leg ich auf die Bibel meine Brille
Und streif den Rosenkranz vom Arm, und sacht
Legt sich in tiefen Traumes Hand mein Wille
Und webt ohnmächtig sich in Geistes Macht.

Dann sei du da mit deines Armes Beuge
Und meinen Mund an deinen Busen neige
Und flöße mir die Milch des Trostes ein

Mit deiner süßen Minne Honigseim
Und laß auf deinem Schoße mich daheim
Und in der Liebe Gottes ruhig sein.

17

Ich will in einer weißen Marmorstadt
Mit bunten Bildern und mit goldnem Funkeln
Und mit viel schwarzen Schwänen auf den dunkeln
Opalnen Wasserwegen müd und matt -

Umkränzt von Muscheln perlenmuttermatt,
Vorbei an Friedhofsinseln mit Zypressen,
Da man für Tote eine Messe hat,
Vorbei an süßen Mädchen brauner Blässen -

Zu dir! Du bist die Dame meines Domes,
In dem ist Himmelfahrt Vermählungsfeier,
Da man im Kreis von Kinderengeln schaut

Umblüht von myrrheharzigen Aromes
Gebeten und umtönt von Schwanenleier:
Maria dell Miracoli, die Braut.

18

Mit Raffael (und Michelangelo)
In der Kapelle von Sankt Peters Dom
Will ich dich feiern wie ein Salomo:
Du bist die wahre Selomith von Rom,

Und Myrrhe, Myrrhe dein Gewand, Arom
Von Äpfeln unter deiner Zunge, wo
Des Kusses Quell, der Küsse Tiberstrom,
Und voller Trostmilch deine Brüste so

Wie Hindinnen, fliehend in der Morgenröte...
Da lobt mit Tamburin und Silberflöte
Der Dichterpapst auf seinem Musenstuhl

Gekränzt mit Rosenkranz vom Kapitul
Die Liebe seines Lebens, die Virgina
Coeli, in dem Bilde der Sixtina.

19

Madonna Mariam, Madonna mein,
Wie soll ich tragen diesen traurigen Traum?
Ein weißer Schleier... und der Leiden Stein...
Lechzende Hindin röhrend unterm Baum

Im Föhrenwald... und auch der Nächte Schaum
In einer Zelle dichterischem Schein...
Und angerührt vom weißen Seidensaum
Sah ich dein Bild... und trank den weißen Wein

Des Blickes blauer Blume... In mein Blut
Sank ein das Bild der Venus meiner Venen...
Sie schloß das Tor zu meines Herzens Kammer

Mit roten Himmelsschlüssels Morgenglut
Für immerdar... Mir schlug des Herzens Hammer
Den Seelenfunken und der Liebe Tränen.

20

Maria, vor den Frauen allen preise
Ich dich und deines Leibes goldne Frucht!
O Maienkönigin, ich habe leise
Bei nächtlichen Blutbuchen dich gesucht

Und hörte Sang aus einem süßen Buch:
Uraltes Wehn vom Meer...
Und wollte Wohlduft sein und Wohlgeruch
Und Wohlgefallen und ein Liebender

Und will dir singen Traum von süßer Minne
Im süßen Stil, den wunderbaren Namen
Der marianischen Geliebten,

Und in der Vielgeliebten
Die Eine preisen, die vor allen Damen
In allen Domen innigsten Lobes inne.

21

O Mutter meines Herrn, Gebärerin,
Weise
In deiner Demut hin
Auf Jenen, Jenen, dem ich leise

Ein Minnesänger und Psalmiste bin
Und dem ich singe nach der Weise
Der Lilie und der Jugend und der Jungfrau: In
Der Liebe von dem ewigen Paradeise

Ist dein Sohn -
Unaussprechlich ists der Vater -
Und im süßen Säuseln ists der Geist -

Und Gott gab dir in meinem Herzen einen Thron
Und Gott gab Sehnsucht mir nach dir in jede Ader
Und Gott ist Gott - den deine Liebe lobend meine Seele preist!


DIE WEISHEIT

I

Wohl dem, der wahre Weisheit will erlangen!
Den Wert des Goldes übersteigt ihr Wert.
Mehr noch als Muschelperlen wird empfangen,
Wer sie im ehrfurchtsvollen Herzen ehrt.

Zu ihrer rechten Hand ist langes Leben
Für immerdar. Ihr Weg ist süßer Frieden.
In ihrem Geist die Himmel droben schweben
Und ist geschaffen alles was hienieden.

Ein Lebensbaum ist sie mit Lebensfrucht.
Und weise ist, wer ihre Schönheit sucht,
Und wer sie festhält, dem wird alles glücken,
Und seinen Hals wird sie als Schmuckstück schmücken.

Liegst du mit ihr, so liegst du wahrlich süß,
Gebettet wie in eines Lammes Vlies.


II

Ich hab im Schoß Jehowah’s schon gelegen
Und war vereint und eins mit seinem Sinn,
Als er begann mit seinen guten Wegen
Der Schöpfung, die er schuf im Anbeginn.

Als er den Himmel schuf und Wolkenheere
Und schuf die Erde mit Gebirg und Hügel
Und schuf das Meer und schuf den Deich dem Meere
Und Quell und Teich mit seinem Wasserspiegel,

War ich als Liebling bei ihm, seine Lust
War ich und spielte vor ihm allezeit.
An Menschenkindern hatt ich meine Lust
Und spielte auf dem Erdkreis weit und breit.

Wer mich verfehlt, gerät in große Not,
Und die mich hassen, buhlen mit dem Tod.


III

Die Weisheit ist, in der Jehowah schafft,
Kristallenklarer Strahl der Herrlichkeit,
Ein Abglanz und ein Hauch der Gotteskraft
Und makellos wie Gottes Heiligkeit.

Sie ist der Schimmer ewiglichen Lichts,
Göttlichen Wirkens fleckenloser Spiegel.
Sie ist es, die geschaffen aus dem Nichts
Als Heimstatt seiner Güte Zions Hügel.

Sie bleibt bei sich und macht doch neu das All
Und haucht sich in die edle Seele ein
Und schafft sie zum Propheten, welcher rein
Lobpreist den Herrn, wie eine Nachtigall.

Denn niemand wird Gott lieben, außer dem,
Dem ist im Geist die Weisheit angenehm.


IV

Der Weisheit hab ich immer schon getraut
Und war von Jugend an ihr wohlgesonnen.
Drum freite ich die Weisheit mir zur Braut,
Ich hatte ihre Schönheit liebgewonnen.

Ich trat zu ihr an einem milden Morgen:
Sei meine Freundin! - Und da kam ein Schauer
Von Liebe in mich: Rat in allen Sorgen,
Geschenk des Guten, Trost in aller Trauer.

Zusammensein mit ihrem süßen Herzen
Bringt keine Trübsal, keinerlei Verdruß
Und keine Quälerei und keine Schmerzen,
Nur Lust und Süßigkeit wie Kuß auf Kuß.

Weil ich die Weisheit hab als Braut umfangen,
Drum wird mein Herz Unsterblichkeit empfangen.


V

Wie die Zypresse war die Weisheit schlank
Und hochgewachsen wie Engeddis Palme,
Jerichos Rosenstöcke sangen Dank
Und Hermons Nachtigallen manche Psalme,

Weil Weisheit strömte lieblichen Geruch
Wie Zimt und Myrrhe und die süße Würze,
Sie war ein aufgetanes Bundesbuch
Und strömte so wie Pischons Wasserstürze.

Sie blühte wie die Terebinthen, sproß
So lieblich wie der Weinstock, brachte reife
Granaten, die ich aussog und genoß,
Der ich alsbald in Honigwaben greife.

Die Braut war süßer noch als Honigseim
Und gab mir Kuß auf Kuß - wie Reim auf Reim.




PSALMEN

1

Wohl dem und Heil, der sich nicht läßt verleiten,
Des Schritte nicht auf üble Wege gleiten,
Der nicht mit unheilvollen Leuten schwafelt
Und nicht mit Lästermäulern tischt und tafelt!
Wie glücklich ist, wer Freude hat am Wort
Und liest im Buche Gottes fort und fort!
Er ist ein Baum, wo Wasserbäche fließen,
Und seine Blätter, seine Früchte sprießen.
Und alles, was er tut, gelingt ihm recht.
Nicht so das ungeheiligte Geschlecht:
Sie sind wie Spreu, vom Wind davongeweht,
Ihr Leben im Gerichte nicht besteht,
Und sie bestehn in der Gemeinde nicht.
Unheiligen Empörern das Gericht;
Jedoch die Kinder Gottes, Gottes Samen,
Sie leben immerdar und ewig. Amen.

2

Was stören die Nationen so den Frieden?
Was solls, daß sie so finstre Pläne schmieden?
Die Herrscher eifern gegen Gott den Herrn
Und gegen Christus, Gottes Morgenstern:
„Wir wollen nicht mehr auf den Himmel hören,
Auf, laßt des Himmels Bande uns zerstören!“
Ha, aber Gott, der Herr der Herren, lacht
Und spottet jener Herrscher kleine Macht
Und zürnt und schreckt die Herrn und herrscht sie an:
„Ich habe eingesetzt den Gottesmann,
Der tut auf Zion meiner Herrschaft Werk,
Wo er regiert, der Herr, auf meinem Berg.“
Ich singe, was der Herr geredet schon:
„Heut hab ich dich gemacht zu meinem Sohn,
Ich geb dir alle Völker in die Hand
Und gebe, wenn du fragst, dir Land um Land.
Regiere sie mit starker Eisenfaust,
Auf daß du sie wie Tongeschirr zerhaust!“
Drum werdet klug, ihr Hirten eurer Herde,
Und seid gewarnt, ihr Mächtigen der Erde;
Werft nieder euch vor Gottes Jaspisthron
Und küsst mit Liebesküssen Gottes Sohn!
Sehr schnell entbrennt sonst seines Zornes Flamme!
Wohl allen, die sich bergen bei dem Lamme!

3

(Auf der Flucht vor Absalom dichtete David diesen Psalm.)

Mein Herr und Gott, ich kann sie nicht mehr zählen,
Die vielen Feinde mit gemeinen Seelen!
So viele sagen über meine Lage:
„Der hofft vergebens, daß sein Gott ihn trage!“
Du aber, Herr, du sendest deine Heere,
Der Engel Schar, und rettest meine Ehre.
Du hörst mich täglich bang um Hilfe rufen
Und hörst mich treu von deines Thrones Stufen,
Von deiner Höhe schickst du Antwort mir.
Beim Schlafen berg ich mich total in dir,
Du schirmest meinen Schlaf, bis ich erwache.
Hilf, Jahwe, daß kein Feind mir Angst mehr mache!
Sieh nicht mehr zu, greif ein! Ich bin so bange,
Du aber schlägst die Bösen auf die Wange
Und brichst den Feinden ihre Zähne aus.
Dein Volk, o Herr, geht treu mit dir hinaus.

4

(Von David. Zur Gitarre.)

Mein Retter! Als ich kaum mich mehr gerührt,
Da hast du in die Freiheit mich geführt.
Drum hab auch jetzt, mein Gott, mit mir Erbarmen
Und höre, bet ich mit erhobnen Armen.
Ihr Reichen habt zur Macht euch aufgeschwungen,
Mißbraucht die Macht mit euren Lügenzungen;
Und meine Ehre zieht ihr in den Dreck;
Wann wirkt ihr länger nicht zu bösem Zweck?
Das seht doch ein: der Herr tut Wundertaten
Für alle, die um seine Wunder baten,
Für den, der ihm bewahrt des Herzens Treu,
Der anfleht seinen Retter täglich neu.
So bebt vor Gott! Verhaltet euch gerecht!
Ihr in der Nacht vom einsamen Geschlecht,
Denkt gründlich nach und werdet einmal stille;
Gott Lob und Dank zu opfern, ist sein Wille.
Schenkt wieder eurem treuen Gott Vertrauen.
Ihr klagt: „Wann werden wir das Gute schauen,
Wo uns der Herr doch nicht mehr Gnade spendet?“
Du gabst mir Glück und Freude, die nicht endet,
Viel mehr der Freude, als die andern haben,
Die sich an Traubenmost und Weizen laben.
Mich quälen keine Sorgen, wenn ich ruh,
Du läßt mich sicher leben, Jahwe du!

5

(Zur Flöte.)

Mein Herr und Heiland! höre, was ich sage,
Gib auf mein Seufzen acht und meine Klage,
Schrei ich um Hilfe, schließ die Ohren nicht,
Mein Helfer und mein König und mein Licht!
Ich komm zu deinem Herz mit meinen Bitten.
Schon früh am Morgen habe ich gelitten,
Früh sag ich, woran meine Seele leidet,
Und warte, wie mein König sich entscheidet.
Dir, Vater, dir gefällt das Unrecht nicht,
Das Finstre darf nicht nahen deinem Licht.
Die Stolzen wissen nichts von deiner Liebe
Und unter deinem Zorne stehn die Diebe.
Du überführst die Leute, die gern lügen,
Und voller Abscheu siehst du das Betrügen.
Doch große Güte zeigst du allen Frommen;
Ich auch, ich darf zu deinem Tempel kommen,
Vor deinem Heiligtume niederknien
Und beten, denn der Herr hat mir verziehn!
Er läßt die Bösen sehn, daß er mich rettet.
Mein Leben ist in seine Hand gebettet.
Laß mich erkennen deinen guten Plan
Für meinen Lauf auf meines Lebens Bahn.
Man kann sich auf die Sünder nicht verlassen,
In ihrem Herzen brennen Zorn und Hassen,
Ihr Kopf ist voll von frevelhaften Plänen.
Glatt ist die Zunge zwischen ihren Zähnen,
Doch wenn sie reden, reden sie vom Tod
Und bringen über ihre Nächsten Not.
O Gott, an ihre vielen Sünden denke,
Verstricke sie in ihre eignen Ränke,
Vertreibe sie, o Gott, aus deiner Nähe,
Denn ohne Maß sind ihre Sünden, wehe!
Maßlos sind ihre Übeltaten, Gott,
Ihr Trotz und ihre Lüge und ihr Spott.
Vor lauter Freude können sich nicht fassen,
Die sich auf Gott, den Ewigen, verlassen!
Ihr Jubelrufen soll kein Ende haben,
Denn du wirst sie mit allem Guten laben;
Die, die dich lieben, dich vor allen Dingen,
Die sollen vor erlesner Freude singen!
Sehr reich beschenkst du, Vater, deine Treuen,
Die sich an deiner großen Liebe freuen!

6

(Zum Saitenspiel mit acht Saiten.)

Herr, deinen Zorn, ich kann ihn nicht mehr tragen;
Laß es genug sein; hör auf, mich zu schlagen!
Erbarmen, Herr! Ganz schlapp sind meine Hände,
Und meines Lebens Kraft, sie ist zuende!
Ich weiß nun, Vater, keinen Ausweg mehr.
Wie lang muß ich auf Tröstung warten, Herr?
Laß deinen Zorn; zeig, daß du mich nicht haßt!
Hilf, wie du deinem Volk versprochen hast!
Kann ich dich denn noch preisen, wenn ich tot?
Es dankt dir, Vater, niemand mehr im Tod!
Bin müd vom Stöhnen, der ich ganz alleine
Die Nacht auf meinem Lager Tränen weine,
Ja, meine Augen sind schon ganz geschwollen.
Ach, viele gibt es, die mir Böses wollen:
Macht, daß ihr endlich fortkommt, ihr Verbrecher!
Gott hört mein Weinen, Jahwe ist mein Rächer,
Er nimmt mein Beten an in der Gemeinde.
O Schimpf und Schande über meine Feinde!
Ganz plötzlich sollen Schreck und Furcht sie streifen,
Daß endlich sie beschämt die Flucht ergreifen.

7

(Ein Klagelied.)

O Herr, mein Gott, ich suche Schutz bei dir!
Du rette mich aus großer Not, hilf mir,
Sonst beißen mir die Löwen in die Kehle,
Und wer hilft dann vor ihnen meiner Seele?
Stimmts, was man sagt, o Herr in deiner Huld,
Und klebt an meinen Händen eine Schuld,
War ich den Freunden treulos, die jetzt klagen,
Dann laß es zu, o Gott, daß sie mich jagen,
Mich endlich fangen und mich niederschlagen.
Dann laß im Totenreich mich drunten klagen!
Herr, laß sie spüren, wie dein Zürnen tut,
Und stell dich gegen meiner Feinde Wut,
Greif ein, und stell du wieder her das Recht,
Ruf zum Gericht ein jegliches Geschlecht
Und setz dich über ihnen auf den Thron!
O Vater, das Gericht gabst du dem Sohn,
O Herr, verschaff mir Recht in deiner Huld,
Denn unbewußt bin ich mir jeder Schuld.
Mach du ein Ende allem bösen Treiben!
Doch dem, der will in deinem Willen bleiben,
Gib festen Boden ihm, laß ihn nicht wanken,
Der du erkennst die heimlichsten Gedanken!
Gott ist mein Schutz, der Herr ist vielen Retter,
Gerechter Richter ist der Gott der Götter,
Ein Gott, der alle Schuld mit Strafe schlägt.
Gehn sie auf bösem Wege unentwegt,
Dann spannt er seinen Bogen, schießt den Pfeil
Und tötet den, der hasste Gottes Heil!
Der, der nur böser Pläne Netz will weben,
Wird Unglück und Enttäuschung nur erleben.
Wer andern eine Grube hat gegraben,
Der mußte sie zum eignen Grabe haben.
Die eigne Bosheit wirft ihn ins Gefängnis,
Und seine Untat wird ihm zum Verhängnis.
Ich preis den Herrn für seine große Treue
Und hoff, daß er an meinem Lied sich freue!

8

(Zur Gittit zu singen.)

Groß ist dein Ruhm, Herr, auf der Erde Kreis,
Der Himmel singt von deiner Hoheit leis.
Du bist so stark, Herr, unser Herrscher oben.
Du bautest einen Wall aus Kinderloben,
Vor diesem Walle stürzen Feinde nieder.
Ich staun den Himmel an, geliebte Brüder,
Die Sterne ziehn die Bahn mit leisem Ton,
Wie klein scheint da dann doch der Menschensohn,
Und doch gibst du dich ab mit seinem Leben,
Ja, du hast Würde ihm und Macht gegeben,
Er steht nur wenig unter Elohim,
Die ganzen Kreaturen gabst du ihm,
Schafe und Ziegen und der Vögel Heer
Und Fische und die Wale tief im Meer.
Dein Ruhm reicht über alle Grenzen weit,
Voll ist die Erde deiner Herrlichkeit!

9

(Almuth Labben, oder: für hohe Stimmen.)

Von ganzem Herzen, Herr, will ich dir danken
Und preisen deine Taten und Gedanken,
Will jubeln und vor großer Freude springen
Und, Allerhöchster, ewig von dir singen!
Wenn du erscheinst, muß alles Übel schwinden,
Das Böse muß den Tod im Feuer finden.
Du setztest auf den Thronstuhl dich, o Richter,
Und halfest deinem kampfbereiten Dichter.
Den Völkern hast du mit Gericht gedroht
Und einst für ewig ausgetilgt den Tod!
Die Bösen wären besser nie geboren,
Sie sind zunichte, ewiglich verloren.
Für ewig herrscht der Herrscher aller Welt,
Ja, Gottes Richterstuhl ist aufgestellt,
Und seine Sprüche Recht und Freiheit schafften,
Der er entscheidet über Völkerschaften.
Er bietet sichern Schutz den Unterdrückten,
In schlimmen Zeiten Wege ihnen glückten.
Ich berge mich bei dir, ich liebe dich
Und traue dir, du läßt mich nicht im Stich!
Lobpreist den Herrn mit eurem Liebeslied,
Des Thron man auf dem Zion glänzen sieht,
Macht bei den Menschen seine Tat bekannt!
Er hört den Schrei der Elenden im Land!
Verfolgten hilft er in der Qual mit Kraft,
Verfolger zieht der Herr zur Rechenschaft.
O Herr, mein Gott, hab du mit mir Erbarmen,
Der Bösen Bosheit trifft mich elend Armen!
Zieh aus dem Tode mich mit deinem Worte
Hin zu des Paradieses goldner Pforte!
Am Tor zum himmlischen Jerusalem
Sag ich, was alles ich verdank und wem.
Die Heiden sind gestürzt ins Reich der Schatten,
Ins Loch, das andern sie gegraben hatten.
Sie legten ihre engen Netze aus,
Sind selbst verstrickt in ihren Maschen kraus.
Erwiesen hat der Höchste seine Macht
Und Licht entzündet in der tiefen Nacht.
Doch in die eignen Fallen Böse laufen,
Da wird sie Gott der Herr mit Feuer taufen.
Die Menschen gehen alle zu den Toten,
Die glaubten nicht der Tat von Gottes Boten.
Nur scheinbar sind die Elenden vergessen,
Die Hoffnung wird vom Elend nicht gefressen!
O Herr, den Trotz der Völker dulde nicht,
Das Urteil sprich du ihnen im Gericht.
Die Sünder, Herr, bekehre durch das Leid,
Zeig, daß zuende geht des Menschen Zeit.

10

Was bist du in so weiter Ferne, Herr?
Wir wissen uns nun keine Hilfe mehr.
Die bösen Schurken stellen nach den Armen,
Sie jagend ohne jegliches Erbarmen.
Nur ihre Habgier ist es, was sie zieht,
Was zählt bei ihnen, das ist der Profit.
Sie danken dir nicht, Gott, sie lästern bloß
Und tun in ihrem Größenwahn sehr groß:
„Wie zöge Jahwe uns zur Rechenschaft,
Er ist doch ohne Macht und ohne Kraft,
Ja, gibts ihn überhaupt und sein Gericht?“
Und weiter reicht ihr dummes Denken nicht.
Doch sie erfüllen sich jedweden Traum;
Was du da denkst, das interessiert sie kaum;
Du bist ja ach so fern im Himmel oben;
Sie spotten über deines Volkes Loben.
„Was sollte unsern Stolz uns denn erschüttern?
Das Leben lassen wir uns nicht verbittern!“
Sie fluchen, lügen, drohen mit dem Sterben
Und bringen Leid und Unheil und Verderben.
Sie stürzen aus dem dunklen Hinterhalt,
An Heiligen verüben sie Gewalt,
Sie liegen wartend im Gebüsch wie Löwen
Und stürzen nieder auf den Fang wie Möwen,
Sie werfen auf den Armen sich und so
Ermorden sie ihn wie die Teufel roh.
Bei alldem plagt sie niemals das Gewissen:
„Jehowah? Ah, der will nichts von uns wissen!“
Greif ein, Herr, nimm das schwache Volk in Schutz
Und wehre ab, o Gott, der Schurken Trutz!
Sie dürfen sagen: „Jahwe straft uns nicht“?
Jehowah ist nicht blind, er ist das Licht!
Du kennst, o Herr, das Leid; nicht so die Götter;
Und darum bist du Helfer auch und Retter.
Dir naht der Waise, Elende und Schwache;
Dir, Jahwe, anvertraut er seine Sache.
Zerschlag dem Übeltäter seine Hände
Und mache dem Verbrechen bald ein Ende!
O Herr, die Heiden wollen dich nicht finden?
Drum müssen sie aus deinem Land verschwinden.
Du nimmst es an, der Armen lautes Bitten,
Und spendest Mut jedwedem, der gelitten.
Du wehrst den Schreckenstaten böser Sünder.
Vater bist du für vaterlose Kinder.

11

(Von David.)

Ganz nah bei meinem Gott bin ich geborgen.
Was sagt ihr: „Voogel, fliehe früh am Morgen
Auf das Gebirge in das sichre Land!
Der Mörderbogen ist ja schon gespannt,
Der Pfeil liegt schußbereit auf seiner Sehne,
Im Dunkel zu durchbohrn des Menschen Vene.
Wenn Chaos herrscht in abgefallner Welt,
Was tut dann, der an Gottes Wort sich hält?“
Der Geist des Herrn in seinem Tempel weht,
Der Thronstuhl Gott des Herrn im Himmel steht.
Sein Augenpaar ist auf die Welt gerichtet,
Der er die Menschen anblickt und sie richtet.
Der Herr sieht die Getreuen, die ihn achten,
Und die Verlornen auch, die ihn verachten.
Gewalt haßt Gott, der Heilige, von Herzen,
Er straft die Schuldigen mit schweren Schmerzen.
Er lässet regnen Feuersglut und Schwefel
Und sendet Höllenhitze allem Frevel.
Verheißung hat der Christus uns gegeben:
Wer an ihn glaubt, darf ewig mit ihm leben!

12

(Zu acht Saiten.)

Jehowah, hilf uns, sonst ists aus mit Deinen!
O Herr, gibt es denn keinen Treuen, keinen?
Der eine täuscht, der andre lobt mit Lügen,
Sie alle spielen stets das Spiel Betrügen.
Herr, bring zum Schweigen diese falschen Schmeichler,
Dem Schwützer stopf das Maul, dem hohlen Heuchler!
Sie sagen: „Ha, wir wissen allerlei,
Schlagfertig sind wir und geschickt dabei!“
Jehowah sagt: „Ich laß mich nicht mehr höhnen!
Der Unterdrückte klagt, die Armen stöhnen.
Mißhandelte beschenke ich mit Freiheit!“
Wahr ist das Wort des Einen, der in Dreiheit
Gott ist, der Herr und Geist und Zufluchtsort,
Geläutert siebenmal ist Gottes Wort.
Jehowah, du hälst treu, was du verheißen,
Denn Jahwe schützt vor Lügnern, welche gleißen.
Und laufen sie auch überall umher,
Vor den Gemeinen schützt uns Gott der Herr!

13

(Von David.)

Herr, hast du mich verlassen? Herr, verlassen?
Wann willst du dich denn wieder finden lassen?
Wie lange sollen quälen mich die Sorgen,
Der Kummer jeden Abend, jeden Morgen
An meinem elendigen Herzen nagen?
Wann bin ich frei, Herr, kannst du mir das sagen?
O sieh mich wieder gnädig an, mein Herr!
Gib mir doch Antwort, o Allmächtiger!
Laß Sonne wieder meinen Augen blinken
Und laß mich nicht in Todesnacht versinken!
Sonst sagt der Feind: „Wo ist denn nun sein Gott?“
Und er vergießt mit Freude seinen Spott.
Doch ich verlasse mich auf deine Liebe,
Ich juble über deine Retterliebe!
Mit meinem Liede dank ich dir, Herr Christ,
Weil du zu mir so gut gewesen bist!

14

(Von David.)

Die Narren sagen: „Jahwe gibt es nicht.“
Sie halten Jahwe nur für ein Gedicht,
Sie sind verdorben und ihr Tun abscheulich,
Und einer ist so wie der andre greulich.
Jehowah schaut vom Himmel her und sagt:
„Ist da nicht einer, der nach Jahwe fragt?“
Doch alle haben sie sich abgewandt,
Sind Narren ohne jeglichen Verstand,
Das Wahre und das Rechte, das tut keiner
Aus jenem Volk der Sünder, nein, nicht einer!
So spricht der Allerhöchste: „Sie sind blind!
Ob ich noch Weisheit bei den Narren find?
Die Meinen fressen sie wie süßes Brot.
Glaubt keiner an ein Leben nach dem Tod?“
Doch bald schon werdet ihr fürwahr erschrecken,
Denn bald wird Jahwe seinen Arm ausstrecken.
Gott hält zu seinen Treuen, die ihm trauen.
Die Armen sollten Seligkeit nicht schauen?
Der Höchste ist ihr Retter, Schutz und Heil!
O Herr, mit deinem Wiederkommen eil!
O Retter Israels, zum Zion komm!
Das Schicksal wende derer, welche fromm
Und dir gehorsam sind in allem Trubel.
Mit Christus kommt für Israel der Jubel!

15

(Von David.)

Wer darf dir nahen mit Gebetes Flügel?
Wen läßt du wohnen auf dem reinen Hügel?
Er muß dem Herrn gehorchen, in ihm ruhn,
Und allezeit und stets das Rechte tun.
Er darf nur Wahrheit denken, Wahrheit sagen,
Er wird nicht lauthals über Andre klagen.
Er ist nicht der, der Freunden Schaden schuf,
Und bringt die Nächsten nimmer in Verruf.
Er haßt die Sünde, welche tun die Sünder,
Und liebt von ganzem Herzen Gottes Kinder.
Er tut mit aller Kraft, das was er singt,
Selbst dann, wenn es ihm selber Nachteil bringt.
Für ausgeliehnes Geld verlangt er nichts,
Und unbestechlich ist der Sohn des Lichts,
Schuldlose Menschen bringt er nicht ums Recht.
Wer so tut, der steht fest, ja der ist echt.

16

(Von David.)

Jehowah schütze mich! Dir will ich trauen,
Auf meinen Herrn und Christus will ich bauen!
Mein Glück find ich allein bei dir, mein Retter!
In unserm Lande ehrt man viele Götter,
An denen ich auch meine Freude hatte.
Jetzt sag ich: Sie sind nichts als schwarzer Schatte,
Wer ihnen folgt, muß seine Strafe tragen.
Den Göttern werde ich kein Lob mehr sagen,
Kein Opfer opfre ich in ihrem Haus
Und sprech nicht preisend ihren Namen aus.
O Herr, das was ich braucht, bei dir ich fand,
Du hälst mein Leben sicher in der Hand.
Mir ist ein schönes Erbteil zugefallen,
Was du mir gabst, daran hab ich Gefallen.
Ich preis den Herrn, er leitet meine Taten,
Der mir auch nachts im Herzen oft geraten.
Er ist mir nah, das ist mir stets bewußt,
Er gibt mir meine Sicherheit und Lust.
Geborgen bleib ich in des Herrn Gebäude
Und bin drum voller Dank und voller Freude!
Du treuer Herr, du bist so sanft und weich,
Du schickst mich nimmer in das Totenreich,
Du gibst mich nimmer der Vernichtung preis.
Der Herr den Weg zum ewgen Leben weiß!
Ich kehr mit Freude stets zu dir zurück,
Aus deiner Vaterhand kommt Glück um Glück!

17

(Von David.)

O Heiliger, ich such Gerechtigkeit!
Nimm meine Bitten an zu jeder Zeit,
O Allerhöchster, höre meine Klagen,
Ich will dir meines Herzens Wahrheit sagen.
Dein Urteil spricht mich frei zu jeder Zeit,
Dem Ehrlichen bist du Gerechtigkeit.
Du kennst mein Dichten und wonach ich trachte.
Du kommst im Traume, wenn ich übernachte,
Durchforschst in meinem Herzen jede Fibe;
Ich hoff, du findest nichts zu tadeln, Lieber!
Ich denk nicht anders, als ich rede nun.
Bei meinem Treiben, allem Tun
Richt ich mich stets nach deinem Wort der Liebe
Und nimmer nach der Lügner tun und Diebe.
Ich halt mich an den Weg, der nicht der breite,
Und weich vom schmalen Wege nicht zur Seite.
An dich wend ich mich, Gott, der du mich liebst,
Ich weiß gewiß, daß du mir Antwort gibst.
Nun wende dich zu mir und hör mein Wort,
Erweis mir deine Güte fort und fort,
Du Retter aller, die zu dir sich flüchten
Vor Menschen, welche wollen sie vernichten.
Bewahre uns wie deine liebsten Dinge
Und schütze uns mit deines Geistes Schwinge!
Die uns verfolgen, wollen uns vernichten,
Die über uns viel böse Lügen dichten.
Ihr Herz ist ohne jedes Mitgefühl,
Ihr Reden ist vermessen, hart und kühl.
Sie starren, ob sie finden einen Flecken,
Und wollen mir mein Leben niederstrecken,
Wie wilde Löwen, die um Rehe kreisen,
Auf Beute lüstern, um sie zu zerreißen.
Steh auf, Herr! Zwing zu Boden diese Strolche
Und stell dich gegen sie und ihre Dolche!
Befreie mich mit deiner starken Hand,
Gib ihnen keinen Teil am Lebensland.
Und ich, bin ich denn ohne Schuld, o Jahwe?
Oder bin ich wie Dornen der Agave?
Durch dich bin ich von jeder Sünde los,
Drum darf ich dich auch schauen. Du bist groß.
Ja, wenn ich auferwach und aufersteh,
Ist meine Freude, daß ich Christus seh!



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