[Inhalt]

URANIA

Lehrgedicht der platonischen Theosophie

Von Peter Torstein Schwanke


„Urania, die glänzende Jungfrau, hält mit ihrem Zaubergürtel das All in tobendem Entzücken zusammen!“
(Ardinghello)


„O Christ-Sophia, sende deinen Strahl,
Daß ich verherrliche mein Ideal!“


ERSTER GESANG


1

Ich, Sokrates, ich schau in Geistes Klarheit
Die eine, reine, makellose Wahrheit,
Unfehlbar, irrtumslos und unbefleckt,
Die Gottheit, die allein ist ganz perfekt!
Inmitten wüster Frevler, eitler Narren,
Will ich allein der Offenbarung harren.
Die Frevler sind verstockt und Spötter spotten,
Sie wollen ihre Nichtigkeit vergotten
Und Götter schaffen nach der Narren Bild,
Wie Tiere leben sie, gleich wüst und wild,
Doch böse werden sie vom Traum erwachen
Und schaudern. Ja, dann wird Frau Weisheit lachen,
Sie lacht die Narren aus, die eitlen Spötter,
Sie stürzt sie nieder, sie und ihre Götter,
Sie stürzen in den Hades zur Vernichtung!
Sie ist ja nicht poetische Erdichtung,
Nein, Weisheit offenbart sich in dem Licht
Des Geistes, wenn die innre Stimme spricht.
Ist auch der Körper sterblich, mein Gemüt
Auch wankelmütig wie der Mond, der glüht,
Der einmal finster, einmal strahlend wacht,
Im Geiste offenbart sich Geistes Macht,
Im Geiste herrscht in makelloser Klarheit
Die reine geistgeoffenbarte Wahrheit.
Mein Geist ist ja der Weisheit Heiligtum,
Die innre Stimme als Daimonium
Ist höchste Weisheit in des Geistes Wort,
Sie spricht in meinem innern Seelenort,
Wie Hauch, der flüstert lieblich linder Leisheit.
Ja, mütterlich liebkosend spricht Frau Weisheit,
Verheißt das Glück mir in Elysium,
Wenn für die Wahrheit mein Martyrium
Ich dulde, wie die großen Dulder duld,
Duld wie Odysseus in Athenes Kult,
Wie Hiob dulde, bis der Gott, der wahre,
In seiner Weisheit selbst sich offenbare.
Ja, vor der Weisheit ich mein Haupt verneige
Und beuge meine Knie. Als Marterzeuge
Bezeuge ich noch im Martyrium
Sophia, Göttin von Elysium!


2

Beschlossen ist des Philosophen Tod.
Man breche ruhig seinen Leib wie Brot!
Was soll der Philosoph vorm Tode bangen?
Lang war die Seele in dem Leib gefangen,
Und eingeengt im düsteren Gefängnis
War immer sie in Drangsal und Bedrängnis.
Viel überlegte hin und her der Geist,
Was Sein, was Werden und Vergehen heißt,
Was Erstursache ist und was die Welt.
So drehte sich der Geist in seinem Zelt,
Doch alles was die Philosophen hatten
Erkannt, das waren nur der Weisheit Schatten.
Der Philosoph begehrt nur, daß er seh
Von Schatten nicht verschleiert die Idee,
Die Schönheit selbst, nicht nur im Fleische Lais,
Sie selbst, die Unverschleierte von Sais,
Die unverschleierte, die bloße Wahrheit,
Idee der Schönheit selbst in reiner Klarheit!
Parmenides doch einst in der Vision
Wallfahrte durch die dunkle Nacht zum Thron
Der Göttin Weisheit, die ihn lehrte dort
Das reine Sein, das ist! Der Göttin Wort
Erleuchtete Parmenides in Klarheit,
Er sah das Sein, das sprach: Ich bin die Wahrheit!
Solch eine Reise durch die dunkle Nacht
Des Todes wird nun auch von mir vollbracht,
Die Seele zieht nun aus das Kleid der Schatten
Und scheidet sich vom Fleisch, dem Ehegatten,
Daß Psyche nackend in der Himmelfahrt
Zur Weisheit fährt, die dort sich offenbart!
Der Tod ist Sehnsucht aller Philosophen,
Die Schatten all wie Dirnen oder Zofen
Verachtend als Betörung zu verschmähen,
Um rein die bloße Göttin anzusehen!
Dort wird der Philosoph, erlöst von Schatten,
Sich der Idee der reinen Schönheit gatten,
Die reine Göttin Weisheit, göttlich nackt,
Die große Herrin voll Potenz und Akt,
Wird dort dem Philosophen sich entschleiern
Und in Elysium die Hochzeit feiern!


3

Wenn ich die Schönheit sah, sprach Sokrates,
In Liebe lachend Alkibiades,
Voll Reiz und Anmuthuld Aspasia,
In Wahrheit sah ich doch Urania,
Die schöne Liebe selbst, die in der Mythe
Verklärt von Dichtern wird als Aphrodite.
Pandemos nicht, der Hurer Hure nur,
Ich meine Sie, die göttliche Natur
Der Schönheit selbst, der Liebe höchstes Gut,
Die Ur-Idee, die in den Himmeln ruht!
Was liebte ich des schönen Knaben Lachen,
Was wußte mich die Schöne zu entfachen,
Wenn ich nicht durch die Schönen tiefer seh
Geoffenbart der Schönheit Ur-Idee?
In aller Liebe meiner Seelentriebe
Geheim sich offenbarte Gottheit Liebe!
Was weiß ich von der Liebe, von dem Schönen,
Von den Ideen, die die Menschen krönen?
Wenn Menschen schön und lieb sind, zeigt sich ganz
Geheim darin der schönen Liebe Glanz!
Was ist an Menschen Liebe, die ich seh,
Das ist der Liebe ewige Idee,
Der ich geschaffen bin, die ohne Spott
Mir höchste Göttin ist, Idee in Gott!
So sah ich einst in einer Traumvision
Die wahre Gottheit ruhen in dem Thron,
Den altehrwürdigen, den weisen Greis,
Wie Licht sein Kleid, sein Haupt und Barthaar weiß,
Saß er im Himmel, ihm in Armen sah
Ich seine Lieblingin Urania
Sophia! Da ich sie im Traume seh,
Sprach süß zu mir der Schönheit Ur-Idee:
Weil du mich angeschaut, ich dich erkoren,
Drum ist ein Gottesbild dir angeboren,
Das offenbart dir Weisheit, Schönheit, Liebe!
Der Gottheit Inbild in dem Seelentriebe
Dich liebend führt zu diesen oder jenen
Und kündet dir in allen deinen Schönen
Die wahre Schönheit selbst, Idee im Schatten.
Sophia dich als Philosoph zu gatten
Ist deine ewige Berufung, Sohn!
So aus der Ewigkeit in der Vision
Urania Sophia lächelnd leise
Sprach: Durch die Gottheit einzig wirst du weise!


4

Was ist die Seele als des Leibes Leben?
Der Leib ist wie ein toter Stoff gegeben,
Gebildet aus dem Chaos, nacktes Elend.
Die Lebensseele kommt, den Leib beseelend,
Die Lebensseele kommt herab vom Himmel
In der Materie stoffliches Gewimmel
Von Elementen und Atomen, um
Den Leib zu bauen als ein Heiligtum.
Die Seele will als Herrin darin wohnen,
Sie, die gekommen aus den Lichtäonen,
Die makellose Jungfrau, reine Herrin.
Die leibliche Beschaffenheit ist Närrin,
Ist Magd der Seele, voller Gier der Triebe,
Die Seele aber ist die reine Liebe.
Die Seele lebt im Körper in der Stille.
Die Seele ist Gefühl, Verstand und Wille,
Des Leibes innre Herrin, innres Leben,
Vom Geist als die Lebendige gegeben.
Des Menschen Leben ist die Jungfrau Psyche,
So widersinnig sind nicht Widersprüche,
Daß Psyche werde nun des Menschen Tod.
Nein, bricht des Menschen Fleisch im Tod wie Brot,
So flieht die Jungfrau Psyche aus dem Turm,
Der Leib jedoch sinkt in das Grab zum Wurm,
Er wird verzehrt, wird kotig durch die Made.
Die Jungfrau Psyche aber lebt in Gnade,
Lebendig bleibt Gefühl, Verstand und Wille,
Sie schwebt gen Himmel, in die Himmelsstille,
Ins paradiesisch schöne Griechenland
Des Äthers. Dort in einem Luftgewand
Sie schwebt, im hingehauchten Ätherkleid,
Zur Lust Elysiums, die Psyche-Maid!


5

Im hohen Himmel ist ein Griechenland,
Die Seele suchte es, der Tote fand
Sein Griechenland, daß er glückselig werde
Im Paradiese dieser Himmelserde!
Nicht jede Seele darf im Himmel fluten
Zum Weißen Thron. Die Liebenden, die Guten,
Wahrhaftigen und Weisen wird erlösen
Die schöne Liebe. Aber alle Bösen
Durch ihre eigne Bosheit sich verdammen
Zum Tartaros, zum Schwefelsee der Flammen,
Wo sie herab die Schrecken finstern Pfades
Versinken in die Traurigkeit des Hades,
Wo sie die eigne Bosheit wie ein Pfahl
Im Herzen stets durchbohrt mit grimmer Qual.
Die Seelen, welche mittelmäßig waren,
Halb gut halb böse, Millionen Scharen,
Sie baden in dem Acherusischen See
In Reue ihre Schulden ab, im Weh
Der Buße werden sie von Schuld gepeinigt
Und durch den eignen Tränenstrom gereinigt.
Wenn sie gereinigt sind, so steigen sie
Nur durch der schönen Liebe Sympathie
Zu den Erlösten auf, den wahrhaft Weisen.
Die wahrhaft Weisen in den Sphärenkreisen
Bewohnen Wohnungen von reinem Gold,
Wo voller Huld die Himmelsnymphen hold
Dort zechen mit den Weisen, wo die Zecher
Die Knaben rufen: Schenkt uns voll die Becher,
Wo dort die Weisen übers höchste Gut
Beim Weine disputieren den Disput,
Wo sie dann mit den Himmelsnymphen hold
In Wagen fahren auf dem Pfad von Gold
In das Elysium des Paradieses.
Dort wird das schönste Himmelsmädchen, dieses
Holdselige, glückselige, den Sohn
Der Weisheit führen zu der Weisheit Thron,
Der Weise schaut in offenbarer Schau
Sophia dort, die Göttin, seine Frau!



ZWEITER GESANG


1

Ich, Dion, war im ewigen Äon
Des überhimmlischen Olymp, zu sehen
Die wahre Gottheit in dem weißen Thron.

Ich schaute in der Gottheit die Ideen,
Drei Grazien in Einer Göttin sah
Ich sich vor mir wie nackte Nymphen drehen:

Idee der Schönheit war Urania,
Idee der Weisheit Hagia Sophie,
Idee der Liebe war Agape da.

Ich sah die Grazien der Gottheit, die
Wie drei Personen Einer Göttin waren,
In Seligkeit des Himmels sah ich sie,

Da ich als Psyche unter Geisterscharen
Geflogen bin, vom Flügelpaar verhüllt,
Die Brust und Scham mit Feuerhaaren.

Jungfräulich Psyche wie ein Ebenbild
Der einen Göttin selbst glückselig war,
Ein Kindlein, an der Gottheit Brust gestillt,

Ein Mädchen, nur bekleidet mit dem Haar,
Jungfräulich bei jungfräulichen Gestalten.
Wer sie gesehn, wie sie im Himmel war,

Für eine Göttin hätt er sie gehalten.


2

Die Psyche des Olympos in dem All
Doch speiste leider die verbotne Frucht.
Das war der Psyche tiefer Sündenfall,

Daß sie verlor der Flügel keusche Zucht
Und niedersank in dunkler Schwermut Schwere
Und landete bei Zypern an der Bucht,

Wo Mutter Erde in der dichten Sphäre
Empfing die Psyche mit des Leibes Kleid.
Die Nacktheit war im Himmel Psyches Ehre,

Nun trug sie einen Mantel schwer und weit.
Verborgen in dem schweren Mantel war
Gegangen auf der Erde nun die Maid.

Da trat sie an die Lethe, da sie klar
Noch einmal schaute Gottheit unermessen
Äone um Äone offenbar!

Sie trank die Lethe und hat gleich vergessen
Der Gottheit ewiges Mysterium.
Sie hat von der Granatfrucht ja gegessen

Und war vertrieben aus Elysium.
Sprach Mutter Erde über Psyche dann:
Ich hab in meinem finstern Muttertum

Empfangen einen Knaben, einen Mann!
Ein Mann zu sein ist seines Lebens Sinn,
Ein Gottesmann! Die Mutter sah mich an,


Mich, der ich heute also Dion bin.


3

Die schöpferische Gottheit war mir gnädig,
Daß ich als Menschenkind geboren bin
Und nicht als Tierlein, der Erkenntnis ledig,

Daß ich ein Mensch bin mit Vernunft und Sinn!
Ja, gnädiger war noch die Gottheit mir,
Sie gab mir meines Lebens Vollgewinn,

Daß ich der Schönheit Diener bin, die Zier
Der Schönheit tief verehre und ihr Wesen,
Und daß ich als Vernunft und nicht als Tier

Ein Meister der Erotik bin gewesen
Und liebte sehr die Liebe, nämlich sie
Ist meines Lebens Krankheit und Genesen,

Und mehr noch, daß ich fromme Philosophie
Studiert und staunte die Ideen an,
Und daß ich selbst die mantische Magie

Der Musen lernte und der Musen Wahn
Und durch der Musen göttliche Mania
Geworden wahrlich ein dämonischer Mann,

Als Dichterseher Dolmetsch der Sophia!


4

Die Menschen leben wie in einer Höhle,
Der Öffnung wenden sie den Rücken zu,
Blind und in Finsternis des Menschen Seele

Sagt trotzig: Laß mich mit dem Licht in Ruh,
Ich will nur starren auf die Höhlenwand!
Dort huschen hohle Schatten immerzu,

Der wahren Dinge Schatten, von dem Rand
Der Höhlenöffnung und dem Quell des Lichts
Hinabgespiegelt in das Schattenland.

Die Menschen starren immer in das Nichts
Der Schattenwelt, ins Leere oder Hohle.
Die Worte eines himmlischen Gedichts

Vernehmen sie wie Echo nur. Idole
Verblenden sie, daß sie das Licht nicht sehen
Und nicht erleuchtet werden, sich zum Wohle.

Sie lieben Schatten mehr als die Ideen,
Mehr als die Sonne lieben sie die Nacht,
Mehr als das Wort des Echos leeres Wehen.

Ich habe in der Höhle auch verbracht
Mit anderen Bewohnern lange Zeit
Und lag wie tot in einem dunklen Schacht.

Ich dämmerte in trister Dunkelheit,
Ich sah die Schatten huschen, Paranoia
Befiel mich vor des Todes Ewigkeit –

Als mich herausrief Herrin Metanoia!


5

Ich sah die Jungfrau Metanoia an,
Die Seelenführerin zum Quell des Lichts,
Sie führte den zum Licht bekehrten Mann

Ins lichte Leben aus der Nacht des Nichts,
Sie hielt in ihren Händen sieben Kerzen.
Die Muse wahrhaft göttlichen Gedichts

Mir öffnete die Augen in dem Herzen,
Ich schaute die Natur der wahren Dinge.
Doch mir bereitete die Schauung Schmerzen.

Sie sprach: Durch Schmerzen zu dem Licht durchdringe,
Die Wahrheit wird geboren nur durch Wehen
Der schmerzlichen Geburt. Die Seele schwinge

Sich steigend auf, die Nacht wird widerstehen,
Die Finsternis wird lästern und verspotten,
Die Schattenseher werden dich verschmähen,

Die kalten Schlangen in den finstern Grotten
Begeifern dich mit ihrem Todesgift.
O Seele, will die Weisheit dich vergotten

Und schreiben in dein Buch der Gottheit Schrift,
Bereite du dich auf die Einsamkeit
In der Erleuchtung vor, die Seele trifft

Dort keine Seele, die wie sie geweiht!


6

Ich, Dion, schaute Diotima an,
Ich schaute an das göttergleiche Weib,
Von ihrem Licht erleuchtet ward der Mann,

Ich schaute ihre Seele in dem Leib
Und schaute in den Dingen an das Sein.
Dein Lied der Liebe, Diotima, schreib

Ins Buch des Lebens meiner Seele ein,
Dein Lied der Liebe schläft in allen Dingen,
Dein Wort der Liebe makellos und rein

Will, Muse, ich als dein Rhapsode singen,
Athenes Weisheit will ich singen wie Homeros,
Mich singend zu der Schau der Weisheit schwingen!

O Diotima, in der Kraft des Eros
Seh ich die göttliche Agape schon,
Des Weltalls Harmonie, Musik des Sphäros,

Hör ich schon tönen um Agapes Thron.
O Diotima, denk ich deine Worte
Ergründend bis zu Ende, im Äon

Des Lichtes seh ich an der Himmelspforte
Die Göttin Weisheit strahlen, sie ist da
Die Weisheit deines Worts. Im innern Orte

Des schönen Leibes Diotimas sah
Die Psyche Dions, in der Seelengattin
Bild, schön die göttliche Urania.

Ich sah die drei Personen meiner Göttin!


7

Ich kostete den Dämon der Erotik,
Dämonische Mania, aufzuwecken
Den Wahn, der Musen mantische Poetik,

Die Poesie des Eros! Todes Schrecken
Sind wie des Eros Schrecken! Pein und Lust
Und Feuerpfeile, die im Busen stecken,

Gemischt sind in dem Eros unbewußt.
Und doch ist Eros Mittler, Seelenretter,
Der reißt hinan das Innerste der Brust!

Da die Geliebte aus dem Reich der Götter
Zu stammen scheint, die Göttin meiner Seele,
Die Schönheit selbst (ob spotten auch die Spötter),

Die göttergleiche Schönheit ohne Fehle,
Da bete ich sie an von ganzem Herzen
Und warte auf die himmlischen Befehle.

Und sie befiehlt: Vergeh vor Liebesschmerzen!
Entzünde deiner Liebe Himmelslicht,
Vergehend und hinschmelzend wie die Kerzen!

Wenn du in der Geliebten Angesicht
Erkennst als wie in einem lichten Schatten
Die Gottheit, die zu deiner Seele spricht,

Wirst du verwundet tödlich nicht ermatten,
Wirst du, erweckt vom Lichtglanz einer Frau,
Der Liebe Gottheit dich unendlich gatten,

Glückselig sein in deiner Gottheit Schau!


8

Ich liebte ganz nach Diotimas Wort.
Die Schönheit der Geliebten liebt ich sehr,
Den Leib der Lieblingin, den Seelenort.

Ich liebte alle schönen Mädchen, mehr
Und mehr die Schönheit selbst wie eine Frau,
Wie eine Mädchengöttin auf dem Meer

Der Schönheit, die ich schaute in der Schau
Der Seele angeborenen Vision!
Ich schaute meine Seele wie im Tau

Des Lichts der Gottheit, schwebend vor dem Thron
Der Gottheit mit den andern schönen Seelen.
Ich war in Seligkeit der Seelen schon.

Ich tat die schönen Seelen anbefehlen
Der Gottheit, um die Seelen gut mich sorgen,
Die Seelen wie ein guter Hirte zählen,

Die alle sie erwacht am Weltenmorgen,
Wie schöne Nymphen treibend in der See,
Wie Perlen in der Muschel Schoß verborgen!

Wenn ich im Kind die reine Seele seh,
Der Seele angeborne fromme Tugend,
Seh ich der Gottheit Geist in der Idee

Wie eine schöne Göttin reiner Jugend!


9

Ich schaute schließlich selbst die Schönheit an,
Der Gottheit Schönheit, die ich geistig seh
Prophetischer Vision als Gottesmann.

Wie inkarniert die ewige Idee
Der Schönheit selbst erscheint in meiner Schau,
Hinschmelzen möchte ich vor Sehnsuchtsweh!

Sie ist so frisch und unberührt wie Tau,
Wie lichter Tau der Knospe einer Rose,
Wie zarter Hauch die unberührte Frau,

Wie reinen Lichtes Glanz die Makellose,
Wie aufgetaucht in Perfektion und pur
Wie eine Perle in dem Muschelschoße!

Von ewig überirdischer Natur
Erscheint vor mir die makellose Maid
Als jugendliche Blüte in der Flur

Elysiums, dem Hain der Ewigkeit!
Ein Licht um sie, jungfräulich rein wie Schnee,
Ist wie der Segen einer Gnadenzeit,

Der Gnadenzeit, da ich die Schönheit seh,
Erleuchtet durch erotische Mania
Ich schaue aller Schönheit Ur-Idee,

Die Hagia Urania Sophia!


10

Wer je Urania geschaut im Licht
Des Geistes in prophetischer Vision,
Der Gottheit feminines Angesicht,

Sie, bauend überm Meer sich ihren Thron,
Wer je in der Erleuchtung jähen Schau
In Offenbarung schaut als Gottessohn,

Wer je geschaut die gottgezeugte Frau,
Der absoluten Schönheit Perfektion,
Wer je erleuchtet von des Lichtes Tau

Gestanden ist am Meer vor ihrem Thron,
Der wird durch die prophetische Erfahrung
Urania erwählen als ihr Sohn

Und als der Bräutigam der Geisterpaarung,
Der wird der Gottheit Gatte, Gottesmann
Der gottgehauchten Frau der Offenbarung!

Wer so sich bindet an die Herrin an,
Taucht in der Liebe Quelle ungetrübt,
Vergöttlicht wird er götterähnlich dann

Und ist als junger Gott von Gott geliebt!


11

Nun Psyche abgelegt das Leibeskleid,
Schwebt Psyche wie ein Falter auf dem Hauch
Des Ätherlichtes in die Herrlichkeit!

Das Leben ist ein Schatten und ein Rauch,
Das Dasein auf der Erde wird zunichte.
Unsterblich ist die Seele! Aber auch

Muß Rechenschaft sie geben im Gerichte
Des Totenrichters, der die Psyche richtet!
Er schaut sie an in nackter Wahrheit Lichte,

Die nackte Psyche, wie ein Hauch durchlichtet,
Gewogen wird sie auf der Liebe Waage.
Ihr gottgehauchter Körper goldgedichtet

Ist schön wie eine Nymphe aus der Sage.
Die Psyche wurde im Gericht gewogen.
Der Totenrichter sprach: Fürwahr, ich sage,

Wer Wahrheit suchte, der war schon gewogen
Der Wahrheit, war schon in der Wahrheit Reich...
Nun tauche aus kristallnen Meeres Wogen

Und sei glückselig, reinen Nymphen gleich,
Sei im erotischen Mysterium
Der Hochzeit in dem Himmel freudenreich

Und leb als Göttin in Elysium!


12

O Insel der Glückseligkeit! Dein Garten
Ist wie ein Paradies der Himmelswelt,
Da Psyche im gehauchten Kleid, im zarten

Hauch eines Kleides, ruht in ihrem Zelt,
Gebettet ruht sie in dem Brautgemach,
Die Zone ihr Gewand zusammenhält,

Sie ist befriedigt – und verschmachtet, ach!
Gestillt verschmachtend! Schöne Helena!
Als Gottes Eros zu ihr trat und sprach:

Ich bin dein Bräutigam und ich bin da!



DRITTER GESANG


Die Lebensquelle, aller Wesen Schoß,
Bewegungsvoll, das Weltall zu bewegen,
Der Uranfang ist selber anfangslos,
Kein leeres Nichts – ein glühendes Erregen
Das All erschafft, die Harmonie des Sphäros.
Die Schöpferkraft, das ist der Gottheit Eros!

Die Gottheit hauchte Psyche, sie zu legen
Als die Lebendigkeit des Menschenleibes
Ins Innere und Äußere, bewegen
Soll sie den Leib des Mannes und des Weibes,
Sie ist das Leben. Daß sie nicht vergißt,
Die Psyche-Maid, daß sie unsterblich ist!

Drei Kräfte walten in der Psyche Innern:
Die höchste ist die führende Vernunft,
Sich ewig an die Gottheit zu erinnern;
Die niederste ist wie des Tieres Brunft;
Die mittlere ist Mittlerin der Kräfte
Und führt zum Geist hinan die Lebenssäfte.

Die Psyche nun im himmlischen Gefieder
Schwebt durch den Äther über aller Welt.
Sie hört den Sternenchor, die Sphärenlieder,
Die Musen singen in dem Himmelszelt.
Sie schwebt im Hauchgewande durch den Äther
Der Gottheit. Nieder kommt sie aber später.

Was aber machte Psyche mit dem Flügel,
Als sich zu überheben aller Schwere,
Auf zu den Kräften auf des Himmels Hügel,
Den heitern Himmlischen der lichten Sphäre?
Das Göttliche ist Schönheit, Weisheit, Liebe –
Dort Psyche wird gestillt im tiefsten Triebe.

Der Gottheit folgen Myriaden Geister,
Geordnet in der Himmelshierarchie,
Der Gottheit Spiegel, Throne, Mächte, Meister,
Die Fürstentümer alle preisen Sie,
Die Eine Gottheit über allen Göttern,
Die ewig alle Himmlischen vergöttern!

Sie wandeln droben alle zu der Feier,
Ambrosia und Nektar ist ihr Mahl.
Dort Psyche wandelte im Hauch von Schleier,
Der Gottheit Magd, ein Himmelsideal.
Die Flügel rissen fern von aller Schwere
Hinan die Psyche in die höchste Sphäre!

Das überhimmlische Elysium
Hat noch kein Seher und Poet geschaut,
Noch wird dies ewige Mysterium
Den Sterblichen auf Erden anvertraut.
Ich aber schaue selig es in Klarheit
Und will es nennen mit dem Wort der Wahrheit.

Gestaltlos, stofflos, farblos, wahrhaft seiend
Im Höchsten thront das eine Überwesen.
Der Seele Führer, die Vernunft, befreiend
Vom Stoff, hat in der Gottheit Buch gelesen.
Dort schaut sie an die Weisheit und die Kraft
In göttlich-inspirierter Wissenschaft.

Der Seele Führer, der Vernunft, beglückend
War diese selige Vision und Schauung
Des Überwesens. Gottheit bloß erblickend,
Der Seele ward das Heil der Anvertrauung
Und der Vereinigung im Liebesbrennen,
Da folgte auf das Schauen das Erkennen!

Die Seele schaute die Gerechtigkeit,
Die Gutheit und die Schönheit und die Wahrheit,
Die Weisheit und die Allbarmherzigkeit,
Der Liebe Ewigkeit in lichter Klarheit,
Die Seele sah im innerlichsten Triebe
Der Gottheit höchsten, letzten Zug - die Liebe!

Das ist die große Lust der Himmelsfrauen,
Der Gottheit Seelen in dem Himmelszelt,
Die makellose Wahrheit anzuschauen
Im himmlischen Elysium, dem Feld
Des Paradieses, tönend süß von Liedern
Der Seelen mit den rauschenden Gefiedern.

Die Psyche, die der Gottheit Freundin war
Im seligen Elysium voll Gnade,
Wenn sie die Wahrheit sah im Lichte klar,
So wird der makellosen Maid kein Schade.
Doch hier versagt sich mir das Lebensbuch,
Denn dunkel tönt der Gottheit Schicksalsspruch:

Die makellose Psyche soll zur Erde
Und Leben sein für einen Leib vom Staube.
Was sagt von diesem göttlich-ernsten Werde
Der heilig allumfassend wahre Glaube?
Der Philosoph sagt: Leben ist ein Sühnen,
Der Heilige: Ein Himmelreich-Verdienen...

Die Psyche, die vollkommener geruht
Im Überwesen, an der Gottheit Busen,
Wird Philosoph und liebt das Höchste Gut,
Wird Schönheit-Liebender und Freund der Musen.
Der auserwählten Seele Buße, Sühnen,
Das ist, der Liebe nun allein zu dienen.

Die Seele, die verlor die Himmelsflügel,
Die tragisch in das Grab hinabgetrieben
Des Staubes, schaut nicht mehr der Gottheit Spiegel,
Es sei denn, sie vermöchte fromm zu lieben
Die schönen Frauen und die lieben Knaben
Und zu betrachten Weisheit hocherhaben.

Der Philosoph lebt nur der Mnemosyne,
Erinnernd sich der himmlischen Gestalten.
Auf Erden in der Buße und der Sühne,
Betrachtet er nicht das, was Narren halten
Für Wirklichkeit, vielmehr den Geist befreiend
Betrachtet er die Gottheit einzig seiend!

Wer aber schaut allein die Gottheit an
Und hält das Göttliche allein für Wahrheit,
Die Welt nennt das den religiösen Wahn,
Weltweise halten das für eine Narrheit.
Der von der Gottheit Wahnsinn übermeistert,
Ist reiner Tor der Liebe und begeistert!

Den Wahnsinn gibt es ja der Religion,
Den Wahnsinn der ekstatischen Propheten,
Den Musenwahnsinn auch im Musensohn,
Kommt die Begeisterung über den Poeten,
Doch allen Wahnsinns Wahnsinn immer bliebe
Mir Toren treu - der höchste Wahn der Liebe!

Wenn nämlich eine Seele schaut auf Erden
Die Schönheit an in einer schönen Frau,
Erinnert sie sich an das eigne Werden
Und an der Gottheit seligliche Schau,
Urschönheit schaut sie an im schönen Spiegel,
Da regt die Seele wieder ihre Flügel.

Da hebt die Seele rauschend das Gefieder
Und will gen Himmel fliegen zu der Schau
Glückselig-göttlicher Urschönheit wieder,
Die sich gespiegelt in der schönen Frau.
Auf Erden wird die Seele liebeskrank,
Wird seelenkrank, der schönen Frau sei Dank...

Wer dieses Liebeswahnsinns teilhaft wird,
Wer je nach der Urschönheit so gebrannt,
Wer nach der schönen Gottheit Schau gegirrt,
Der wird ein wahrhaft Liebender genannt.
Wer Gottheit schaute in der Schönen Schleier,
Der ist ein wahrer Minner, wahrer Freier.

Ist die Erinnerung ans Paradies
Stark in dem Mann und schaut er eine Frau,
Verzückt ist er von ihrer Anmut süß
Und überwältigt von der Schönheit Schau,
Und übermächtigt von dem Liebreiz girrt
Irrsinnig er und weiß nicht wie ihm wird!

Die göttliche Urschönheit ist zu schauen
In Ewigkeit, der Gottheit Hypostase.
Im Anbeginn, der Schöpfung Morgengrauen,
Die Seele sah in seliger Ekstase
Urschönheit, schön wie eine Überfrau,
Und war berauscht und trunken von der Schau!

Die Seele war vor diesem Überweibe
Urschönheit als der Gottheit Hypostase
So selig, als sie frei war von dem Leibe,
Daß sie in götterähnlicher Ekstase
Vor diesem Ideal getanzt den Tanz,
Anbetend vor dem göttlichreinen Glanz!

Die Schönheit glänzte in des Himmels Auen.
Wenn auf der Erde nun der Seele Augen
Die Schönheit wieder in dem Gleichnis schauen,
So ists der Seele Lust, sie einzusaugen
Mit heißem Durst des Lichtesten der Sinne,
Daß wieder wird das Herz der Schönheit inne.

Der Gottheit Weisheit ist nicht anzuschauen,
Die Seele wird von ihrem Licht geblendet!...
Die Schönheit in der Schönheit schöner Frauen
Wird wie ein Engel in die Welt gesendet,
Die glühendste, liebreizendste Idee,
Daß Psyche so der Gottheit Schönheit seh.

Ist nun ein Weiser heilig von den Weihen
Der uranfänglichen Urschönheit Schau,
So ists ihm wie die Gottheit selbst zu freien,
Sieht er der Gottheit ähnlich eine Frau,
Der Gottheit ähnlich, also eine Göttin,
Des Weisen innerliche Seelengattin!

Wenn er der Gottheit Ähnlichkeit geschaut,
So überfällt vom Himmel ihn ein Schauder!
War schön des Philosophen Seelenbraut,
Voll Reiz beim philosophischen Geplauder,
Ihm ist, er würde eine Göttin sehen,
Da wird ihm bang wie einem Weib in Wehen!

Dann betet er der Schönheit Göttin an,
Die er in der Gestalt des Weibes sah,
Er nennt als Dichter sie im Musenwahn
Aphoditissa und Urania,
Er fleht sie an um seiner Seele Wohl,
Er weiht sich seinem göttlichen Idol.

Das göttliche Idol in Fleisch und Blut
Voll Liebe betet der Verliebte an,
Ihr opfert er sich selbst in Liebesglut
Und kündet sie in dichterischem Wahn
Als seine neue Religion der Liebe,
Der er ein ewig treuer Sklave bliebe.

Und hat der Liebende die Seelenbraut
Betrachtet, nach dem Schauder kommt das Fieber,
Voll Glut hat er die Lichte angeschaut,
Durch seine Glut wird sie noch schöner, lieber,
Er schmilzt in Hitze hin und heißer Glut,
Sie lächelt über ihm, sein Höchstes Gut.

Weil er geöffnet seiner Seele Augen,
Urschönheit in der Schönheit anzuschauen,
Der Schönheit Ausfluß innig einzusaugen,
So wird vom Licht der Schönsten aller Frauen
Der Minner, der in Liebesflammen stand,
Ein Phönix, der aus Feuern auferstand!

Durch seiner Schönen glühendes Begießen
Mit Schönheitsausfluß fließend um die Glieder
Der Phönix-Psyche ihre Federn sprießen,
Dem Minner wächst sein rauschendes Gefieder,
Er hebt zum Fluge in den Himmel an
Als Phönix, Adler, Eule, Sangesschwan!

Wenn seine Schwingen breitet aus der Schwan,
Des Minners Seele wird zum Überwinder,
So schmerzt das wie der Schmerz beim ersten Zahn,
Wenn ihren ersten Zahn bekommen Kinder.
Da fühlt die Seele wehe, wehe Schmerzen,
Doch will der Minner süß von Minne scherzen.

Die Liebesseligkeit im süßen Herzen
Der Minner fühlt sich glücklich wie die Götter,
Zugleich im Herzen wehe Liebesschmerzen,
Schwermütig ist sein Herz wie trübes Wetter.
Die Seele seufzt und schmilzt und singt und girrt,
Die Rose macht die Nachtigall verwirrt.

Die Seele wie in geistiger Verwirrung
Kann nachts nicht schlafen, noch des Tages wachen,
Im Labyrinth der Liebe in Verirrung
Die Menschen über ihren Irrsinn lachen,
Der nüchterne Verstand wird sie verspotten,
Sie aber will Frau Schönheit nur vergotten!

Sie wurde von dem Rosenmunde wund,
Solang sie mußte süße Küsse missen,
Sie fleht zur Ärztin: Mache mich gesund,
Mein Heil sei mir mit Heil von Friedensküssen,
Laß den Rubin der Purpurlippen sein
Mein Heil mit Küssen blutigrot wie Wein!

Wer da der Gottheit Diener ist und Knecht,
Der wird der Gottheit Diener auch auf Erden
Besonnen wandeln, weise und gerecht,
Er will zuletzt der Gottheit ähnlich werden,
Der Gottheit gleich in schöner Liebe handeln,
Der Gottheit Bild, ein Gott auf Erden wandeln!

Wer je der Gottheit in dem Himmelreich
Ergeben war als Sklave und als Freund,
Der macht die Lieblingin der Gottheit gleich,
Wenn er die Vielgeliebte schaut, so meint
Er anzuschaun in ihrem Augenlicht
Der Gottheit feminines Angesicht!

Wenn er die Gottheit seine Mutter nennt,
Die Liebste preist er Herrin hocherhaben,
Wenn er die Gottheit in dem Herrn erkennt,
Nennt seinen Gott er den geliebten Knaben.
Sie ist Frau Schönheit aus der Gottheit Meer,
Das Ebenbild der Gottesliebe er.

Wer in der Vielgeliebten Sankt Marias
Symbol erkennt, wird lieben sie als Dame.
Wer im geliebten Knaben den Messias
Als Kind erkennt (gepriesen sei sein Name)
Der wird den Liebling nennen ohne Spott:
Der Gottheit Liebling – seinen kleinen Gott!



VIERTER GESANG


1

Frau Welt voll Harmonie ist eine Einheit,
Ein schöner Körper, voll der schönen Seele.
Weltseele voller Harmonie und Reinheit

Ist makellose Jungfrau ohne Fehle,
Die nur der Seher schaut in der Vision,
Wenn ihn erreichen göttliche Befehle.

Weltseele in des Kosmos Zentrum schon
Ich sah, ein Herz wie ein zentrales Feuer,
Voll Liebe in des Organismus Thron.

Der Menschheit Pilgerschaft, ihr Abenteuer
Zum Ziel der menschlichen Vollkommenheit
Geführt wird von der Jungfrau in dem Schleier,

Der Seele des Humanen, Psyche-Maid,
Der Seele aller Seelen, der Idee,
Der alle Menschenseelen sind geweiht.

Die Seele des Humanen, die ich seh,
Ist voller Freundschaft, voller Sympathie,
Voll Mitleid bei der Menschenseelen Weh.

Weil voller Sympathie die Seele, die
In allen Seelen einwohnt, ist, darum
Sind Menschen sich sympathisch. Ja, weil sie

Zentrales Feuer in dem Heiligtum
Der Schöpfung ist, ein Herz voll Liebesglut,
Drum ist erotisches Mysterium

Die Schöpfung und die Menschheit. Jeder tut
Sein Werk, des Teiles Arbeit an dem Ganzen,
Bis Eins in Allem ist, das Höchste Gut.

So auch im All die schönen Engel tanzen
Und walten auf den Sternen, auf der Sonne,
Wie Sieger siegreich mit den Strahlenlanzen.

So ist der All-Leib eines Sehers Wonne,
So schön wie immer kann ein Gleichnis sein,
Das ausgeflossen aus des Urbilds Bronne.

Bemängelst du die Mängel weise? Nein,
Das Gleichnis nie ist schön wie die Idee.
Im Abbild innen lebt das Inbild rein.

Glückselig bin ich, wenn ich geistig seh
Ideen durch die stoffliche Gemeinheit
Durchschimmern strahlend wie der erste Schnee,

In geistiger Jungfräulichkeit und Reinheit.
Dann fühle ich und ahne und erkenne
Die makellose, absolute Einheit.

Weltseele, mir erlaube, daß ich nenne
Dich Schöpferin der Welt, des Kosmos-Leibes,
Mitschöpferin des Schöpfers dich bekenne,

Die strahlend in der Herrlichkeit des Weibes
Des Herrn das Leben in den Kosmos strahlt.
Dein Licht vom Licht, im dunklen Kosmos bleib es

Die Heimat meiner Seele. All ist kalt,
Weltseele, ohne dein zentrales Feuer,
Das Glut dir auf die lichten Wangen malt.

Weltseele, reine Jungfrau in dem Schleier,
Gezeugte als Geschöpf von Gottes Geist,
Du Harmonie in der astralen Leier,

Dein Dasein Gottes Geist als Schöpfer preist,
Den wir in deiner Jungfraunschönheit schauen,
Den Geist, der Vater uns und Mutter heißt.

Erkennend ist der Vater zu verstehen,
Als Mutter aber ist er die Erkannte,
Geist, Mutterschoß der ewigen Ideen.

Als ich den Geist der Gottheit Ausfluß nannte,
Da schaute ich im Geist des Lebens Quelle!
Die Quelle allen Lebens ich bekannte:

Ist in ihr weder Dunkelheit noch Helle,
Ist in ihr nicht ein Was und Wo und Wie.
Als ich betrachtete in meiner Zelle

Die Einheit, göttliche Ur-Einheit, die
Ur-Gottheit, bloß von allen Bildern, bloß
Von allen Gottesnamen – pries ich Sie,

Geborgen in der Gottheit Mutterschoß!


2

Das Gute ist das Schöne, wahre Schöne,
Urgutheit ist die Gottheit und darum
Urschönheit ist die Gottheit, daß ich stöhne

Vor göttlicher Urschönheit Heiligtum!
Enthusiastisch kann ich nur verehren
Der Schönheit heiliges Mysterium!

Begeisterung entspringt aus dem Begehren
Und Wonne aus der seliglichen Schau
Der Himmlischen, die auftaucht aus den Sphären,

Aus dem kristallnen Meer die Himmelsfrau!
Weltseele glüht in ihren Augensternen
Und Eros in der Elemente Bau!

Urschönheit seh erscheinen aus den Fernen
Ich als die immanente Form in Stoffen.
Ich seh sie nahen sich und sich entfernen.

Ist Glück ihr Nahsein und ihr Fernsein Hoffen.
Sie, die allein mir bleibt, Idee und Liebe,
Von ihrem Feuerwein bin ich besoffen!

Ich schaue mit dem Sinn im Seelentriebe
Die göttliche Idee der Schönheit an!
Dem Seligen, was sonst als Schönheit bliebe

Zu schauen an dem trunknen Gottesmann?
Kunstschönheit und die Schönheit der Natur
Schlägt mich in der Urschönheit Zauberbann!

Des Künstlers Kunst ist adlig, heilig, pur,
Wenn er nicht nachahmt nur die Wirklichkeit,
Das Elend armer Erdenkreatur,

Wenn er vielmehr ist der Idee geweiht
Und bildet die Idee im Spiegelbild
Der Kunst, die Göttin Muse benedeit!

Schön ist der Leib der Welt, ist anmutmild,
Von Gottes Wetter schwanger die Natur,
Die Sterne im astralischen Gefild

Die Throne sind der hohen Engel nur,
Die Gottheit ist im Firmament zu schauen!
Vorzüglich aber die Urschönheit pur

Ist anzuschauen in den schönen Frauen,
Den Schönen, welche tauchen aus dem Blut
Des Liebenden, sich liebend zu vertrauen!

Wer dieser Frauenschönheit hohes Gut
Als stolzer Mann verachtet und verschmäht,
Der wird nicht liebevoll, der wird nicht gut.

Ihr Weisen, wenn ihr Sinnlichschönes seht,
Den Spiegel seht der schönen Sinnenwelt,
Urschönheit schattengleich vorübergeht,

Wenn ihr Frau Venus seht im Himmelszelt,
Befällt euch Weise wunderbar ein Ahnen,
Ihr seid in lauter Glanz hineingestellt,

Urschönheit euch umkreist auf Sternenbahnen,
Urschönheit schaut euch an aus einer Frau!
Dann will euch all die Herrlichkeit ermahnen,

Der Schönheit Quelle voller Geistestau,
Des Wunderbaren wunderbare Bronne,
Zu schauen an in visionärer Schau!

Die Frau ist Mond, Urschönheit ist die Sonne,
Urschönheit Licht, Frau Welt ihr Spiegelbild.
Enthusiasmus für der Wonnen Wonne

Wühlt auf das Blut wie Liebesflammen wild –
Doch himmlisch lächelt hold das Ideal
Der Gottesschönheit weiblich sanft und mild!

Den Liebenden in freier Gnadenwahl
Erwählt die Schönheit. Eros ihn durchwaltet.
Idee der Schönheit im Ideensaal

Schaut göttlich lächelnd, sie, die nie veraltet.
Ihm, der begnadet ist von Eros‘ Gnade,
Ihm hat sie sich als Inbild eingestaltet.

Sein Auge in dem Licht der Schönheit bade,
Wo schließlich er die höchste Schönheit schaut!
Er eilt zu ihr auf schmalem Gnadenpfade,

Eilt durch die Perlenpforte enggebaut,
Und schaut Urschönheit, Quelle allen Seins!
Der Gottheit Schönheit wird er angetraut,

Als Gottgeliebter mit der Gottheit eins!...


3

Aus ewiglicher Übersinnlichkeit
Ist Psyche (nach des weisen Orpheus Lehre)
Hinabgestiegen in des Leibes Kleid.

O Mensch, in dieser dunklen trüben Sphäre
Der materiellen Welt dich nicht verliere
Und nicht versumpfe in der dumpfen Schwere

Und leb nicht unvernünftig wie die Tiere
Und nicht wie fauler Moderkot vergammle!
Mensch, immer im Gebete konzentriere

Die Seele, in dem Seelenfunken sammle
Die innre Schönheit. Heiterer Gebärde
Dein Lob der göttlichen Urschönheit stammle!

Hinangezogen über Mutter Erde
Von Gottesliebe, deiner Herrscherin,
Ein Geist der seliglichen Schauung werde!

Des Menschen Seele, eingeboren in
Weltseele, sie ist makellose Einheit,
Dreifaltig aber ihrer Kräfte Sinn:

Geistseele schaut der Schönheit Licht in Reinheit,
Seelseele aber ist die Mittlerin,
Leibseele lockt zur irdischen Gemeinheit.

Ein Geist zu sein sei ganz dein Lebenssinn,
Vernunft zu sein im Bild der Allvernunft,
Hinanzusteigen in die Geistwelt, in

Der Schönheit Reich, geläutert von der Brunft
Der niedern Triebe, fleischlich und gemein.
Ins Himmelreich der Seele Wiederkunft

Sollst du erringen, Schönheit schauen rein,
In geistigen Äonen süßes Licht,
Ins Himmelreich der Liebe gehen ein

Und leben vor der Gottheit Angesicht,
Die Gottheit lieben in dem Himmelszelt,
Die Bürgerrecht im Himmel dir verspricht,

Daß du, sonst Heimatloser in der Welt,
Verbannt sonst in der Erdenwelt der Sünde,
Im Himmel bist der Gottheit zugesellt!

Im Himmel in dem Grund der Gottheit gründe
Und leb ein Leben schöner als ein Geist:
Als Geist im Ätherleib von Liebe künde!

Dein Geist die ewigschöne Liebe preist,
Die Jungfrau, Mutter-Braut, uralt an Tagen,
Die Gottheit, die ins Paradies dich reißt!

Der Liebe Göttin, wie die Dichter sagen,
Erhob sich aus dem Schaum des Meers am Felsen.
Der Liebe darfst du dich zu nahen wagen –

Dich mit der Gottheit-Lieblingin verschmelzen!...



FÜNFTER GESANG


1

Das Universum ist die Hierarchie
Der Wesenheiten. An der Spitze steht
Die Eine Gottheit allen Seins, die Sie

Allein ist absolute Majestät,
Die Einzig-Seiende, die Ich-bin-da!
Vom Hauche Ihres Mundes ausgeweht

Die Himmelskönigin Urania
Ist Geistperson, der Engel Königin,
Die Platon als Idee der Schönheit sah.

Weltseele ist sie, haucht die Seele in
Das Leben, daß die Jungfrau Psyche lebt
Als Seele von Weltseele, deren Sinn

Ist in Weltseele heimlich eingewebt,
Weltseele aber auch, ein Gottesbild,
Als die Idee der Psyche innen schwebt.

Auch Seele von Weltseele gnadenmild
Lebendig webt in aller Kreatur,
In allem, was da Odem hat, im Wild

Und in dem Grün lebendiger Natur.
Die Seele der Natur erschafft den Leib
Der Welt, Materie als Grundstoff nur.

Die Psyche, Gottes auserwähltes Weib,
Des Kosmos Zentrum ist, des Weltalls Mitte.
In Psyche ist ein doppelter Verbleib,

Von oben strömt in sie die Geistessitte
Und ist die Führerin der Seelentriebe,
Von unten lenkt der Weltstoff ihre Schritte,

Sie ist des Geistes und des Körpers Liebe.


2

Die Seele ist zur Gottheit aufgerufen,
Zu werden Lichtglanz in der Gottheit Licht,
Zu steigen auf der Himmelstreppe Stufen,

Zu kontemplieren ist der Seele Pflicht
Und Vorrecht vor der ganzen Kreatur,
Zu schauen an der Gottheit Angesicht.

Der Seele Ziel, die göttliche Natur
Zu lieben, zu erkennen, ist im Kern
Der Seele angelegt. Die Seele nur,

Die nicht mehr stirbt, kann schauen an den Herrn.
Wenn Gott der Seele schenkte dieses Ziel,
Der Seele gab zur Führerin den Stern

Betrachtenden Gebets, dann müssen viel
Geschaffne Menschen dieses Ziel erreichen.
Denn schon das Tier in seinem Liebesspiel

Wird stillen seinen Trieb bei seinesgleichen
Und jeder Same wird erblühn als Blüte.
So wird die Seele in den Himmelreichen

Den Liebestrieb zur Gottheit im Gemüte
Befriedigen und wird zur Schönheit werden,
Sich zur Idee der Seele wandeln. Güte

Und Glaube, Liebe, Hoffnung sind auf Erden
Und das betrachtende Gebet gegeben,
So wird der Seele nach des Tods Beschwerden

Unsterblichkeit der Seele, ewiges Leben!


3

O Muse, singe mir die schöne Liebe,
Die liebte Platon, liebte Sokrates,
Der sah die Schönheit in dem Seelentriebe

Des reinen Knaben Alkibiades!
Sing Freundschaft auch, die holde Philia,
Die Jesus Jüngern schenkt, Empedokles

Zur Seele aller Welt gemacht, die da
Das Innerste der Welt zusammenhält!
Du singe auch die Minne, denn ich sah

Die junge Beatrice glanzerhellt
Vorm Meisterwerk, dem Tempel von Florenz,
Neun Jahre alt, die Schönste in der Welt!

O Muse, sing der Liebe Transzendenz,
Die oft will Licht von ihrem Lichte legen
Auf Kreaturen in der Immanenz.

So kann den Mann die schöne Frau erregen,
Sie scheint das feminine Angesicht
Der Gottheit selbst zu sein, der Schönheit Segen.

Die Frau ist Glanz vom Glanz der Gottheit, Licht
Vom Licht der schönen Liebe. Solche Liebe
Zu solcher Frau ist mehr als ein Gedicht,

Anbetung ists im innern Seelentriebe
Der Ewigen, der Schönen Liebe, die
Durchschimmert durch der Kreaturen Trübe

Und zieht den Minner durch die Sympathie
Ans Herz der Gottheit selbst, den Quell des Schönen.
Drum liebe du der Gottheit Liebe, sie

Soll Freundschaft stiften, Herz und Herz versöhnen,
Dann wirst du nicht mehr vor der Frauen Spott
Verwundet an der Liebessehnsucht stöhnen,

Denn deine wahre Liebe ist dein Gott!


4

Der Philosoph auch stehe in dem Glauben
Und messe immer die geliebten Weisen
An Gottes Offenbarung. Nie erlauben

Die Worte Gottes, die die Weisen speisen,
Sterngötter zu befragen und Magie,
Das hat die wahre Kirche abzuweisen.

Die wahre Mutter Religion, die sie
Geoffenbart ist, ist die Religion,
Die sich an Jesus Christus bindet, die

Im Glauben an den eingebornen Sohn
An jene Gottheit glaubt, die Liebe ist!
In jeder andern Religion ist schon

Die Spur der Wahrheit auch, die Weisheit mißt
Ja allen Völkern zu die Spur der Wahrheit.
Drum lerne von den Religionen, Christ,

Was ist in ihnen Saat der Offenbarheit
Und ihnen Reichtum auch von Gott gegeben.
Allein in Christus ist die ganze Klarheit.

So Christus gab den Weisen auch das Streben
Und gab den Griechen auch die Sehnsucht ein,
Den Logos zu erkennen, das All-Leben

Der einen Gottheit, die als einig Ein
Die Erstursache ist und die Idee
Der Liebe und das absolute Sein.

Denn Sokrates empfing, wie ich es seh,
Die Weisheit Gottes auch als Offenbarheit.
Die Weisheit sprach zu Sokrates: Versteh

Die Liebe in der Liebe, höchste Klarheit
Aufstrahlt in Aphrodite Urania,
Der Gottheit schöner Liebe in der Wahrheit,

Der Allerhöchsten Sapientia.


5

Nun wende dich von deines Körpers Schmerzen
Und von dem Erdenalltag voller Sorgen
Der innern Seele zu, dem Herz im Herzen,

Der Seele deiner Seele, die verborgen
Im Innern ruht, von Wenigen beachtet.
Dort geht dir auf der Liebe Stern am Morgen,

Dort glüht die Sehnsucht, die dir heimlich schmachtet,
Der Liebe Schönheit und Glückseligkeit,
Die stets der weise Mann als Braut betrachtet

Und kontempliert Frau Schönheit, Gott geweiht,
Urania Sophia seiner Seele!
Die Gottes-Kraft und Weisheit benedeit

Lebt ewig! Sie zur Führerin dir wähle
Ins Paradies als deine Liebe Frau,
Allkönigin im Schmucke der Juwele

Jerusalems! Der weiblich-schöne Bau
Des Himmelreiches ist der Gnadenthron
Der Herrlichkeit des Herrn. Zu Gottes Schau

Begleiten dich die Liebe und Passion
Und die Erkenntnis und die weise Wahrheit.
Du wirst, der Gottheit vielgeliebter Sohn,

Frau Weisheit in der Menschheit Offenbarheit
Erkennen und betrachten, Licht vom Licht,
Und schauen an im Heiligen Antlitz Klarheit

Der Liebe – Gottes Mutterangesicht!




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