[Inhalt]

SPIRITUELLE LYRIK

Von Peter Torstein Schwanke



DAS DEUTSCHE HOHELIED DER FRAU LIEBE


1

O die Liebe! rief der Minner,
Was für eine schöne Herrin!
Was die Welt auch schön nennt, lieblich,
Nichts ist es mit Ihr verglichen!
Die Geliebte, meine Herrin,
Eine strahlende Erscheinung,
Sie ist lieblich, voller Anmut
Und von hohem Seelenadel
Wie kein andres Weib der Erde,
Die geboren wurde jemals
Oder jemals wird geboren.
Diese strahlende Geliebte
Ist so rein wie reines Feingold
Aus Arabia und Ophir.
Was ich bei Homer gelesen,
Daß Frau Helena von Sparta
Inbegriff der Frauenschönheit
Ist und Schönste aller Frauen,
Sie, der Morgenröte Tochter,
Ach, von diesem Heidenglauben
An die Frau des Ehebruches
Kam ich ab, denn die Geliebte
Nahm mir diesen Heidenglauben
An die Sünderin der Unzucht.
Nein, ich glaube nicht mehr brünstig
An die Dirne von Mykene.
Die vollkommne Schönheit nämlich
Ging nicht auf in der Antike,
Sondern in dem Christentume!
Mögen die Gedanken aller
Menschen sich auf Christus richten,
In dem Christentum zu sehen,
Wie der Schoß der Morgenröte
Uns gebar die lichte Sonne,
Ja, wie aus der frommen Mutter
Der Geliebten die Geliebte
Ward geboren uns zur Sonne,
Wie die vielgeliebte Herrin
Nun als Licht die Welt erleuchtet!
O der Strahl der Wunderschönheit
Der geliebten Frau erleuchtet
Alle Völker dieser Erde!
Was die Troubadoure jemals
Sangen zu dem Lob der Frauen,
Das ist alles eitel, nichtig,
Nichts, verglichen mit der Herrin!
Wer das wunderschöne Antlitz
Der Geliebten betend anschaut,
Ihm geläutert wird die Seele,
Daß sein Herz so rein wie Gold wird
Durch das Feuer Ihrer Reinheit!
Aber diese Vielgeliebte
Stellt die andern schönen Frauen
In den Schatten nicht wie Luna
Nachts verdunkelt alle Sterne,
Sondern dieser Herrin Schönheit,
Schönheit der Idee der Frauen,
Ja, der Frau-an-sich, die Schönheit
Dieser Herrin krönt die Frauen,
Krönt die Weiblichkeit der Erde
Mit dem Kranz der Frauenwürde,
Wie der Genius der Frauen!
Darum: Jede Frau erhebe
Nun ihr Haupt als edle Dame,
Denn es gibt die Vielgeliebte!


2

Schau, die Königin, die Mutter,
Ist erschienen, diese schöne
Morgenröte voller Freude,
Und sie führte an den Händen
Ihre Tochter, die Geliebte,
Sie, den Sonnenschein des Himmels,
Diese strahlend schöne Jungfrau,
Das Weltwunder, die Geliebte!
Neben solcher Morgenröte
Wandelte die lichte Sonne
Mit den graziösen Schritten,
Die dahinglitt wie ein Engel,
Schön geformt am ganzen Leibe,
Schlankheit in dem Lichtgewande,
So als hätte HERRIN LIEBE
Sie mit schöpferischen Händen
Selbst unmittelbar gebildet!
Sieh, die Traumfrau aller Träumer,
Ihre Schönheit und ihr Liebreiz
Läßt sich niemals übertreffen.
Sie trug lange weiße Seide
Und mit goldnen Ornamenten,
Diese Seide floß wie Lichtglanz
Um den schlanken weißen Körper.
Um die Hüfte trug die Jungfrau
Einen goldnen Zaubergürtel.
Diese Seide floß so lieblich
Um den lieben Leib der Jungfrau,
So erschien sie himmlisch-fraulich,
Feminin im wahrsten Sinne.
Dieses Kleid fiel auf die Füße
In den goldenen Sandalen,
Schmale, schöne, bloße Füße!
Was gewoben und gesponnen
War an diesem lichten Kleide,
Hatte selbst die Frau gestaltet.
Schöneres Gewand sah keiner
Je an einer Frau der Erde.
Blicke flogen, wie mit Flügeln
Reine Turteltauben fliegen,
Zu ihr hin und girrten, gurrten.
Die Geliebte hat so manchem
Gutem Mann sein Herz gestohlen,
Liebevolle Herzensdiebin.
Auf dem Haupt die goldne Krone,
Künstlerisch gestaltet, herrlich
Schön geschmückt mit Edelsteinen,
Diamanten und Juwelen,
Hyazinth,, Smaragd und Onyx,
Lapislazuli und Mondstein,
Chalzedon, Saphir und Jade!
Nie hat ein geschickter Goldschmied
Je geschmiedet solche Krone.
Und das Gold der goldnen Krone
Und das Gold des goldnen Schleiers
Lagen kriegerisch im Wettstreit.
Die Geliebte wallte fröhlich
Und so lustig wie ein Vogel.
Schau, ihr Gang war Gang der Schwanin,
Ihre Augen Taubenaugen.
Ihre langen schwarzen Haare
Auf dem weißen Lichtgewande
An die Elster wohl erinnern.
Jeder, der der Vielgeliebten
Schaute in die Taubenaugen,
Die an Teichen gurrend baden,
Keiner konnte seine Blicke
Wenden von dem Doppelspiegel
Ihrer wunderschönen Seele.
Diese lichte Jungfrau-Sonne
Schritt geflügelt wie ein Engel
Und verbreitete den Lichtglanz
Ihrer Herrlichkeit auf Erden.
Und die Königin, die Mutter,
Diese goldne Morgenröte,
Die Holdselige, die Holde,
Diese Sonnen-Jungfrau grüßte,
Grüßte liebreich wie ein Engel,
Und die strahlenreiche Jungfrau
In der Herrlichkeit der Sonne,
Sie verneigte sich voll Demut,
Schweigsam, sanften stillen Geistes.


3

Die Geliebte und der Minner
Tranken von dem Kelch der Liebe,
Da war groß des Herzens Unruh,
Stark die Treiberin FRAU LIEBE,
Diese große Herzensdiebin,
Und Sie stahl sich in die Herzen
Der Geliebten und des Minners.
Noch bemerkte die Geliebte
Und bemerkt es nicht der Minner,
Doch die große HERRIN LIEBE
Hisste schon die rote Fahne
Ihres herrlichen Triumphes
Und Sie unterwarf die beiden
Liebenden der Macht der LIEBE!
Vorher waren sie zwei Seelen
Und getrennt in diesem Leben,
Nun sind sie ein einig Wesen,
Ein vereinigtes, geworden.
HERRIN LIEBE stiftet Frieden
Zwischen Mann und Frau durch Minne,
Und die Spannung der Verliebtheit
Zwischen Frauentum und Mannschaft
War befriedigt durch die Liebe.
Beide waren so vereinigt
Im Mysterium der Minne,
Daß der eine für den andern
Makelloser Spiegel wurde
Der geheimnisvollen Liebe.
Beide hatten Eine Seele.
Ihre Wehmut war sein Kummer
Und sein Kummer ihre Wehmut.
Eins die zwei in Lust und Leiden!
Beide sie begehrten einzig
Die Vereinigung in Liebe!
Aber schamhaft, keusch und heimlich!
Als der Minner aber merkte,
Daß er die Geliebte liebte,
Suchte er sich zu beherrschen
Und die Liebe abzuwehren,
Aber seines Herzens Liebe
Zog unwiderstehlich mächtig
Ihn zu seiner Vielgeliebten.
Er bekämpfte seine Sehnsucht
Und bekämpfte sein Verlangen,
Doch FRAU LIEBE ist allmächtig!
Der Geliebte war gefangen
In den Fesseln seiner Liebe
Zu der vielgeliebten Herrin.
Nein, da gab es kein Entkommen!
Schaute er die Vielgeliebte,
Dann begann die HERRIN LIEBE
Ihn allmächtig und gewaltig
Durch die Liebste anzuziehen.
Ach, so sehr er widerstrebte,
Zwang die große HERRIN LIEBE
Ihn durch die Geliebte mächtig
In die Jüngerschaft der Liebe.
Immer sah er selig lächelnd
Die Geliebte an, doch wandte
Er die Augen von der Schönheit.
Aber wenn er nicht sie schaute,
So verzehrte er vor Durst sich
Und vor Hunger nach der Schönheit.
Dachte er an andre Frauen,
Andre Schöne dieser Erde,
War er dennoch unentrinnbar
An die Eine Frau gefesselt.
Seine Seele und sein Denken
Wollten fort von der Geliebten,
Doch es gab für ihn nur eines:
Die Geliebte und FRAU LIEBE!
Die Geliebte blickte heimlich
Nach dem Minner, nach dem Freier,
Ihre lichten Taubenaugen
Waren mit dem Herzen einig,
Und sie schauten heimlich zärtlich
Auf den vielgeliebten Minner.
Liebevoll und innig zärtlich
Er erwiderte die Blicke.
Doch die große HERRIN LIEBE
Gab ihn nicht mehr frei, und darum
Hat er sich so ganz ergeben
Als Ergebener in Demut
Ihrer Allmacht, Ihrer Herrschaft!
Und der Minner und das Mädchen
Machten oft sich wechselseitig
Zu der Schönheit Augenweide
Und zur Augenlust der Liebe
Und zum Sinnenschmaus der Wonne.
Ja, die Liebenden einander
Wurden schöner Zeit um Zeiten,
Das ist das Gesetz der Liebe,
Das Gesetz der HERRIN LIEBE,
Dieses Wachsen in der Liebe
Zur Vollkommenheit der Liebe,
Bis die Liebenden geworden
Sind zu Heiligen der Liebe!
Heilig, wie die LIEBE heilig!
Beide sie im Lauf der Jahre
Sich gefallen immer besser,
Mehr noch als im Anbeginne
Ihrer Liebe, ihrer Minne.
Ihre Liebe trug erst Blüten,
Dann trug ihre Liebe Früchte.
Solche Liebe, die da Frucht bringt,
Trägt in ihren süßen Früchten
Samen, die sind unverwelklich,
Samen, die da sind unsterblich,
So unsterblich sind geworden
Die Geliebten durch FRAU LIEBE!


4

Die Geliebte, der Geliebte
Waren traurig von Gedanken,
Wallten doch im Geist beflügelt.
FRAUE LIEBE lenkte ihre
Pilgerfahrt, der Liebe Irrfahrt.
Beide waren voller Schwermut
Von der Liebee dunklen Leiden.
Honig bitter ward wie Galle,
Süßigkeit wie Essig sauer,
Feuchtigkeit entbrannt in Flammen,
Milde wurde scharf und schneidend,
Ohne Herz diie Herzen waren,
War verkehrt die Welt der Menschen.
Die Geliebte, der Geliebte
Litten die Passion der Schmerzen.
Die Passion der Schmerzen quälte
Beide auf die gleiche Weise.
Fanden beide keine Ruhe,
Beide keinen iunnern Frieden,
Bis sie sich dann wieder sahen
Angesicht vor Angesichte.
Doch wenn sie einander sahen,
Waren elend sie vor Liebe,
Weil sie brünstiglich begehrten,
Eins zu werden in der Liebe.
Schamhaft nur betrachten heimlich
Einer sie den andern sehnlich.
Wenn die Augen am Geliebten
Sich geweidet, glühten Wangen
Wie das Herz und die Gedanken.
LIEBE schminkte diie Geliebte
Mit der Purpurglut diie Wangen
Und mit Feuchtigkeit die Lippen
Und mit Schattenschwarz die Augen,
Ganz wie es im Herzen aussah.
Duldete FRAU LIEBE Nimmer,
Daß man Liebe heimlich trüge
Tief verborgen in dem Herzen,
LIEBE ließ die Liebe strahlen
Offenbarlich aus den Augen.
Auch das Antlitz der Geliebte
Soll der HERRIN LIEBE Herrschaft
Offenbarlich offenbaren.
FRAE LIEBE schminkte darum
Die Geliebte mit der Purpur,
Mit dem Purpurrot der Liebe,
Mit der Blässe dann der Trauer.
Die Geliebte dem Geliebte
Ansah offen seine Liebe,
Der Geliebte auch erkannte,
Daß er der Geliebten lieb war.
Offenbarten sie einander
Liebe durch Gespräch, Geflüster,
Liebesflüstern, kluges Reden.


5

Seelenspiegel der Geliebten
Füllten sich mit Tau der Tränen,
Herz erfüllt von schwarzer Schwermut.
Ihre schönen Lippen schwollen
Wie die schwellende Begierde.
Sie umarmte den Geliebten,
Ihre Freund warmherzig zärtlich.
Flüsternd der Geliebte lispelt
Zur Geliebten: Schöne Liebe,
Warum bist du ach so traurig?
Die Geliebte, Herzendiebin
Großer Räuberin FRAU LIEBE,
Sagte zum Geliebten: Lieber,
Ach Amare ist mir Wehmut,
Ach Amare ist mir Schwermut,
Ach Amare macht mir Schmerzen,
Ach Amare schmerzt iim Herzen!
Der Geliebte meditierte
Lange übers Wort Amare,
Fand: Amare heißt zu lieben,
Doch Amare heißt auch bitter,
Und Amare heißt: O Meerflut!
Die Bedeutungen des Wortes,
Die Bedeutungen Amares
Schienen nahezu unendlich.
Er sprach aber nicht von Liebe,
Herrin aller Bitterkeiten,
Herrin aller Meeresfluten,
Sondern nur vom Meer des Bittern.
Der Geliebte sprach: Geliebte,
O du wunderschöne Liebe,
Sind die Meeresfluten bitter?
Die Geliebter sprach: Geliebter,
Nein, die Meerflut ist nicht bitter,
Doch Amare lässt mich seufzen.
Hörte da er den Gedanken
Aus den Worten der Geliebten:
Ach, die Liebe lässt mich seufzen!
Voller sanfter Zärtlichkeiten
Sprach er zur Geliebten: Liebe,
So ergehts mir auch. Amare,
Du, Geliebte, und Amare
Lassen mich verschmachtend seufzen.
Du, Geliebte, und FRAU LIEBE
Macht mir Sinn und Geist wahnsinnig!
Was erblicken meine Augen,
Schafft mir Überdruß und Ekel,
Ist auf Erden nur ein Schönes,
Welches meinem Herzen schön ist:
Du Geliebte, du alleine!
Sprach die Freundin zu dem Freunde:
Lieb dich auch von ganzem Herzen!
Da die Liebenden-Geliebten
Nur ein Fühlen und ein Denken
In den beiden Herzen fanden,
Ward die Leidenschaft gewalftig!
Schauten sie einander offen
An und sprachen herzlich kühner,
Sie den Freund und er die Freundin.
Fremdtuun war nun fremd geworden.
Küsste er sie zärtlich, zärtlich,
Küsste sie ihn keusch und lieblich.
Die war Anfang aller Freuden
Der Befriedigung durch Liebe.
Schenkten sie einander Wein ein,
Schenkten sie einander Blut ein
Und genossen Seligkeiten!


6

Die Geliebte, der Geliebte
Beide leiden schwere Leiden,
Nicht Gelegenheit zum Treffen
Ist vorhanden für die beiden.
Stund zu Stunde wird den Lieben
Schwächer ihre Kraft des Lebens.
Ganz nachlässig handeln beide
In Betreff des äußern Ansehns.
Der Geliebte ganz ermattet
Sich verseufzt vor süßer Sehnsucht
Nach der Freundin, die Geliebte
Müde wird vor süßer Sehnsucht
Nach dem Freunde, dem Geliebten.
Beide litten dunklen Kummer.
All ihr Leiden war gemeinsam,
Es vereinten sie die Schmerzen.
Wars eiin Wunder? Herr und Fraue
Hatten nur ein einzig Herz noch,
Eine Seele diese beiden.
Die Passion und dieser Jubel,
Dieser Tod und dieses Leben,
Das war all in eins gewoben
Durch die Liebe, HERRIN LIEBE.
War der eine krank vor Liebe,
Fühlte das der andre gleichfalls.
Dachte einer Lustgedanken
Einer liebevollen Sehnsucht,
Hört der andre die Gedanken
In der eignen Seele flüstern.
Eines sie in Tod und Leben,
Eiines sie in Weh und Wonne.
Qualen der Passion der Liebe
Waren beiden Seelen deutlich
In das Angesicht geschrieben.


7

Der Geliebte der Geliebten
Schenkte eine schlanke schwarze
Katze von der Göttin Isis,
Trug am Halsband sie ein Glöckchen,
Lustig läutete das Glöckchen.
Die Geliebte spielte immer
Mit der schwarzen Katze Isis,
Koste sie und freute sehr sich
Am Geläut der kleinen Glocke.
Sie tats nicht nur zum Vergnügen,
Sagt die Quelle meiner Muse,
Sondern um die Leidenschaften
Zum Geliebten anzufeuern.
Weil sie liebte den Geliebten,
Der ihr dieses Kätzchen schenkte.
Fand sie weder an der Katze
Noch am Glöckchen mehr Vergnügen,
Denn die Liebenden war trostlos.
Als die Katze mit dem Glöckchen
Ward gebracht zur Frau und Herrin,
War der erste der Gedanken
Beim Geläut des lieben Glöckchens,
Wie wohl der Geliebte traurig
Sei und voller schwarzer Schwermut.
Und sie dachte: Der Geliebte
Ist erfüllt von Wehmut, Schwermut,
Trauer, und ich soll miich freuen,
Was wär das für eine Treue?
Wie kann ich für Augenblicke
Fröhlich sein, dieweil er leidet
Uund vergeht vor weher Sehnsucht
Nach der vielgeliebten Freundin?
Er, der er sein ganzes Leben
Ganz der Melancholie ergeben
Meinetwillen, seiner Freundin!
Könnt ich ohne ihn mich freuen,
Die ich bin sein Weh und Wohlsein?
Könnt ich auch nur leise lächeln
Ohne ihn, der er doch ohne
Seine Freundin niemals lächelt?
Er lebt doch von mir alleine,
Lebt durch mich, für mich alleine.
Könnt ich heiter sein und glücklich,
Seufzt mein Freund sehr melancholisch?
Das verbiete mir der Herrgott,
Daß in meiner Seele wäre
Jubel, wärend der Geliebte
Ganz vergeht vor Weh und Elend,
Daß in meiner Seele Wonne
Wäre, die mein Freund nicht teilte!
Also löste sie das Glöckchen
Von dem Halsband ihrer Katze.
Niemehr läutete das Glöckchen
Ihr Geläut voll Trost der Trauer.
Ganz dahin war alle Tröstung,
Das war ganz egal der Freundin.
Wollt nicht Trost und wollt nicht Freude,
Leidenschaftlich die Geliebte
Hat geweiht die ganze Seele
Nur der Sehnsucht nach dem Freunde!


8

Wars nicht möglich, sich zu sehen,
Waren sie doch in Gedanken
Einer innig bei dem andern.
Das ist Liebenden schön Llindernd.
Wehe Sehnsucht, süße Hoffnung,
Bald sich wiederum zu sehen,
Schenkt dem Herzen ein Verlangen
Und es lässt erblühn die Seele.
Das ist Partnerschaft im Geiste,
Krone der Vernunft der Liebe
In der Sympathie der Freundschaft:
Wenn der Akt der Liebes-Einung
Ist nicht möglich, so vollziehe
Man den Akt allein im Geiste,
Lasse sich daran genügen.
Wünscht man nämlich sich zu sehen,
Ists nicht möglich, sich zu sehen,
So genüge dir die Sehnsucht,
Dämpfe aber deiin Verlangen.
Die Gespielen wahrer Liebe
Sollen wahrlich nicht begehren,
Was Gelegenheit verweigert,
Sionst vertrauern sie ihr Leben.
Kann man nicht zusammenkommen,
Will man doch zusammenkommen,
Ach da ist das Schicksal widrig!
Kann man dann sich treffen, sehen,
Soll man das auch herzlich wollen,
Denn daa ist das Glück im Spiele,
Wehmut, Kummer, Schwermut fliehen!


9

Wohin sich das Herz auch richtet,
Streben Augen auch wie Diebe,
Diiese Herzens-Schicksalssterne.
So war es auch bei den Lieben.
Konnten sie es beide schüchtern
Doch nicht unterlassen, ihre
Augen zu der Schönheit wendend,
Mit liebkosendem Betrachten
Ihre Lust zu offenbaren.
Der Genosse deines Herzens
Ist das Auge, ist gerichtet
Immer auf das Herz im Herzen.
Der Geliebte, die Geliebte
Ihre Augen wechselseitig
Woben liebend ineiinander,
Eins des andern Augenweide,
Kosten sie berauschten Herzens
Töricht ihre Lust der Augen.
Waren beide sie gefangen
In dem goldnen Netz der Liebe,
Das gewoben ist aus Strahlen,
Aus der Schönheit Augenstrahlen.
Überall um sie der Balsam
War der liebevollen Seelen.
Heimlich kosten sie einander
Mit den Augen ihre Schönheit.
Vor den andern Menschen, Neidern,
Da verstummten sie, verbargen
Ihre Seelen-Zärtlichkeiten
Vor der Eifersucht der Nächsten.
Auch verstummten voreinander
Plötzlich sie, verwirrt vor Schönheit!
Die Geliebte sprach, der Minner
Konnte nicht mehr lauschen, nämlich
Durch die Seele strömt dem Freunde
Höchste Schönheit der Geliebten
In den heißen Liebeströmen,
Da verwirrte sich die Rede
Der Geliebten vor der Wollust
Der Begierde des Geliebten
Und durchlodert von geheimer
Lust errötete die Freundin,
Seufzte, stammelte: Geliebter,
Ach was wolltest du doch wissen?


10

War ein Ort, geweiht FRAU LIEBE,
War der Liebe Garten Eden.
Dieses Paradies war gleicher
Höhe, Tiefe, Breite, Länge,
War schneeweiß und ganz von Lichtglanz.
Das Gewölbe abgeschlossen
Oben war mit einem Eckstein,
War auf allerschönste Weise
Sut gemacht vom Kunsthandwerker
Und der Boden war wie Marmor
Und so grün wie Gras der Wiesen,
Klar und edel, rein und herrlich.
In der Mitte stand ein Lager,
Eiin kristallnes Bett, ein breites,
Standen drauf geheimnisvolle
Worte wundervoll geschrieben,
Die das Bett der LIEBE weihten!
Licht von oben fiel mal hierin,
Fiel mal dahin. Lebensbäume
Waren da mit grünen Wipfeln,
Drunter waren viele Büsche.
Strauch und Gräser dicht bedeckten
Schattend dieses Land der Liebe.
An der Seite eine Wiese,
Sprudelnd eine reine Quelle,
Die Fontäne, kühl das Wasser,
Frisch und leuchtend wie die Sonne.
Apfelbäume an der Quelle,
Schöne rühmenswerte Äpfel,
Die beschützten diese Quelle
Mit den Wipfeln vor der Hitze,
Sonnenhitze, Regenströmen.
Blumen leuchteten und Gräser
Grün verschönerten die Wiese,
Und die Gräser und die Blumen
Lächeln leuchtend um die Wette.
Vögel sangen da im Frühling,
Immer währte dort der Frühling,
Sangen schönste Melodieen,
Der Gesang war in dem Klange
Schöner als was je gehört ward.
Ohrenschmaus und Augenweide!
Warmes Sonnenlicht und Schatten,
Sanfte Luft und Lüftchen zärtlich.
Die Geliebte, der Geliebte
Dfanden hier den Seelenfrieden
Und den Aufenthalt der Seele.
Und was speisten die Geliebten?
Sich zu schaun, war ihre Speise!
Ja sie lebten in dem Garten Eden
Einzig nur von Luft und Liebe!
Hatten keine Nahrungssorgen,
Unterhalb des Kleids die beste
Nahrung war, der Liebe Speise,
Liebesspeise, die umsonst war,
Wieder frisch nach jedem Mahle.
Das war Liebestreue, Balsam
Duftete wie Liebestreue,
Die zusammen Leib und Seele
Hält in Schönheit ihrer Liebe
Und die Seele ewig sättigt.
Dachten nicht an andre Speise
Als das Himmelsbrot der Liebe,
Die allein die Seele sättigt
Und den Leib erquickt mit Labsal.
Uund von solcher Lust der Liebe
Hatten sie genug und reichlich,
Unerschöpflich überfließend!
Ewig waren sie gesättigt
Und doch ewig hungrig, dürstend!
Ja, FRAU LIEBE so versorgte
Täglich mit dem Mahl der Wollust
Sie und schenkte ihnen Liebe,
Sattes Schmachten, schmachtend Sattsein!
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ZWEI MARIENLEGENDEN


1

Novizin war im heiligen Karmel
Die junge Mirjam. Ihre Seele hell
Jungfräulich war, sanftmütig, klar und zart,
Madonna hatte ihr sich offenbart
Als Jungfrau aller Jungfraun, rein und keusch,
Die aufgeopfert hat dem Geist das Fleisch,
Die Jungfrau war vor der Geburt und auch
In der Geburt blieb reine Jungfrau auch
Und auch nach der Geburt blieb Jungfrau rein.
So Mirjam wollte eine Jungfrau sein
Und sich der Jungfrau weihen, der sich weihn,
Die lebte ganz für Gott den Herrn allein.
So Mirjam liebte die Jungfräulichkeit
Der Immerwährenden gebenedeit
Und die Jungfräulichkeit der andern auch,
Die weihten die Jungfräulichkeit dem Hauch
Des Schöpfers. So Therese von Lisieux
Verehrte Mirjam sehr, l’Amour de Dieu
War dieser Jungfrau lieblich, licht und lind
Erschienen als das süße Jesuskind
Und in der Nachts des Nichts als finstres Licht
Als Jesu Christi heilges Angesicht,
Das Antlitz des Gekreuzigten voll Schmerz
Der Jungfrau rührte an das Herz iim Herz,
Daß sie vereinte sich in eigner Pein
Der Nachts des Nichts dem Herrn am Kreuz allein.
Die Jungfrau Mirjam ehrte voller Huld
Therese betend in der Messe Kult
Wie eine lesbische Genossin zart,
Daß sich Therese Mirjam offenbart
Und ihr erschienen ist als Geist im Dom,
Die fünfzehnjährig stand vorm Papst von Rom,
Die vierundzwanzigjährig stand vorm Herrn
Im Paradies als Christi Morgenstern,
Die strahlte nun jungfräulich rein und hell
Vor Mirjam als ein Engel des Karmel,
Daß Mirjams Herz entbrannte feurig rot
Und sie begehrte nur den Liebestod
Der gänzlichen Vernichtung in dem Nichts
Zur mystischen Vereinigung des Lichts,
Des finstern Lichts der Gottheit offenbar,
Das leuchtet in der dunklen Nacht nur klar,
Vereint der Seele sich der Demiurg
Im siebenten Gemach der Seelenburg.
Doch betet eine ohne Unterlaß,
Versucht sie bald der alte Satanas.
Und Mirjam schaute einen schönen Mann
Und gleich geriet sie in des Eros Bann
Und träumte von dem Manne Nacht für Nacht,
Im Traum liebkosend seine Leibespracht,
Daß sie an einem Tag begierlich so
Voll Leidenschaft aus dem Karmel entfloh.
Da nahm sie Abschied von Maria mild
Und legte nieder vorm Marienbild
Zur Abschiedsgabe einen goldnen Schuh
Und hiin war des Gebetes Seelenruh.
Durchlodert wurde sie von Eros‘ Kraft
Und aufgewühlt von Liebesleidenschaft
Und wäre an der Liebesglut verbrannt,
Wenn sie nicht selbst sich stillte miit der Hand.
Der Mann jedoch war bald gegangen fort,
In Wind geblasen seiner Liebe Wort
Und flüchtig wie die Blumen der Natur
Des Mannes hingestöhnter Liebesschwur,
Den er in Wollust schwur beim Liebesakt,
Und ließ zurück die arme Mirjam nackt.
Sie aber ging in eine große Stadt,
Des Lebens und der Liebe übersatt,
Sie schätzte sich gering als Elendsweib,
Verachtete den schuldbefleckten Leib
Und dennoch nicht zurück zum Beten kam,
Nicht kannte sie vorm Schöpfer mehr die Scham
Und sah nicht mehr des Lebens Sinn und Zweck
Und warf als Hure sich an Hurer weg!
Da lebte sie in Schande, Scham und Schuld,
Als Hure dienend in der Venus Kult,
Als Nonne im unheiligen Karmel
Der Aphrodite, nämlich im Bordell,
Wo sie von einem Manne ward versklavt,
Und brachte sie nicht Gold, ward sie gestraft.
So war sie täglich vielen Männern hold
Und gab die Seele hin dem Gott aus Gold,
Dem Mammon, diesem Obergott der Welt,
Die Sexualität gab sie dem Geld,
Die Seele gab sie wie ein totes Ding.
Als sie kaputt und vor die Hunde ging,
Verfluchte sie sich selbst und eilte zu
Marien Bild, um ihren goldnen Schuh
Zu schaun, den sie Maria einst geschenkt,
Ein letztes Mal, bevor sie sich erhängt!
Verlottert trat die Hure des Bordell
In die Kapelle heimlich des Karmel
Und trat mit Tod in ihren Augen wild
Vor das liebreizende Marienbild.
Als sie mit einmal wie im Spiegel schaut
Die Hure Mirjam da, dort Christi Braut,
Im Spiegel sie die Nonne Mirjam sah,
Da schrie sie auf in ihrem Schrecken: Wer ist da?
Maria selber vorm Marienbild
Die Nonne Mirjam war und gnadenmild
Die Makellose, Unbefleckte, Pure
Zu der Verlornen sprach, der armen Hure:
Mein Kind, ich tat an deiner Stelle Dienst,
Du immer im Karmel als Nonne schienst
Die Meisterin des Betens, unterdeß
Du legtest ab die Weihe und Profeß
Und so geschoren wurde dir dein Haar,
Den Schleier legtest du dir offenbar
Als Braut des Herrn dir an, daß keiner schaut
Als nur der Gatte selbst die keusche Braut.
Schon führte Christus ein dich in die Nacht
Des Nichts, da nicht die Braut mehr selber wacht,
Da wacht allein der Bräutigam, das Licht
Der Finsternis, die Braut ist längst zunicht,
Gestorben ist sie längst den Egotod
Und gab das eigne Leben hin wie Brot
Den Armen und den Sündern dieser Welt.
Als Miterlöserin bist du erwählt,
Die selbst sich opfernd dem Erlöser dient,
Als Sühneopfer für die Sünder sühnt.
Nun lege ab die Kleider dieser Welt,
Dein Christus hat das Aufgebot bestellt,
Brautführerin der Nonne will ich sein
Und führen dich zu Christi Hochzeit ein.
Denn heute, wo du aus der Welt Bordell
Gekehrt in Christi himmlischen Karmel,
Heut mach ich dich erneut den Jungfraun gleich,
Den klugen Jungfraun in dem Himmelreich.
Die Schamerfreute heiligt deine Scham,
Denn heute Nacht kam dir der Bräutigam!
Maria eben sprach den letzten Reim,
Sankt Mirjam ging zu Jesus Christus heim.


2

Peter lebte als ein Dieb mit Dieben,
Ihm umsonst war das Gesetz geschrieben,
Mit den Räubern streift er durch die Städtchen,
Raubte, und beschenkte lose Mädchen,
Stahl auf dem Gemüsemarkt die Birnen
Und verspeiste sie mit jungen Dirnen.
Nichts als Räuberhandwerk wollt er wissen
Und es regte sich nicht sein Gewissen,
Nimmer das Gewissen sprach, das tote,
Nimmer vom mosaischen Gebote:
Du sollst nimmerdar begehren Güter
Deines Nächsten und nicht die Geblüter
Seiner Mägde, all die jungen Weiber,
Nimmerdar begehren seine Weiber.
So gebot der Herr dereinst durch Mose.
Peter aber dachte in der Hose,
Ob er kann verführen nachts zum Tanze
Junge Ehefrauen mit dem Schwanze,
Folgte ihm doch jede junge Holde,
Winkte er mit dem geraubten Golde,
Perlenschnüren oder Silberkettchen,
So gelangte er in alle Bettchen.
War der Ehemann nicht in der Nähe,
Brach der Räuber jeden Bund der Ehe.
Aber bald der Weiber überdrüssig,
Schien ihm Frauenliebe überflüssig,
Wandte er sich von den Turteltauben
Wieder zu der Meisterschaft im Rauben,
Trieb es immer schlimmer noch, der Schlimme,
Bis die Polizei ihn fing, die grimme,
Eben als er sich ein Bild gestohlen
Einer nackten Venus, sah Pistolen
Er der Polizei auf sich gerichtet,
Und er wurde vom Gericht gerichtet
Und verurteilt zu dem Tod durch Hängen,
In die Schlinge seinen Hals zu zwängen!
Schon dem Tode nah der Dieb der Diebe
Dachte an die Kindheit, seine Liebe
Galt der alten lieben Kinderamme,
Und es loderte die Lebensflamme
Und er hörte seine Alte beten
Und von Unsrer Frau Maria reden.
Peter ward gehängt doch Peter schrie: Ah,
Komm mich retten, Liebe Frau Maria!
Und Maria eilig trat zum Balken
Und errettend stand sie unterm Galgen
Undsichtbar den Leuten, die dort stehen,
Aber Peter konnte doch sie sehen,
Wie sie seinen Leib, wie er dort hinge,
Hob, daß sich nicht zuzog seine Schlinge,
Wie sie ihn bewahrte so vorm Sterben
Und ihn rettete vorm Tod, dem herben.
Stand sie so drei Nächte lang und Tage,
Sprach zu Peter: Du mein Lieber, sage,
Weißt du noch wie deine Kinderamme
Dir mit ihres Mutterherzens Flamme
Immer vorgeschwärmt vom Herz Marias,
Daß du liebst die Mutter des Messias,
Wie du morgens als den Morgensegen
Mich anschautest, abends dich zu legen
Nach dem kindlichfrohen Tageswandel
Kindlichfromm in meinen Sternenmantel,
Daß das Sonnenweib in seiner Güte
Dich vom Monde als Matrone hüte!
Immer schautest du Marienbilder
In der Kindheit an, die mild und milder
Dich bezauberten, so daß du schauen
Konntst die Liebe Frau in allen Frauen,
Daß Madonna dir erschien im Städtchen
Bei der Kirche an dem Wald, da Mädchen
Alle dir holdselig lieblich waren
Wie Maria mit den langen Haaren.
Weißt du noch, wie an dem Herz Marias
Du ein Kind entdeckt hast, den Messias,
Du das Christkind schautest in der Weihnacht?
Weißt du noch wie in der linden Mainacht
Deine Amme trat mit dir ins Dunkel
Und dir zeigte all das Sterngefunkel
Und dann sagte: All die Sternentänze
Flechten der Madonna schöne Kränze!
Dir von deiner Kindheit Anbeginne
War Maria deine schöne Minne,
So daß du in deinen höchsten Nöten,
Da dich die Gerechten wollten töten,
Riefest an mein herzliches Erbarmen!
Lieg drei Nächte nun in meinen Armen,
Dich des Nachts an meine Brust zu betten,
Denn ich werde dich vom Tode retten!
An dem dritten Tage swahn die Feinde
Peters, sahn die Führer der Gemeinde,
Daß er lebte noch durch ein Mirakel,
Sehend nicht die Jungfrau ohne Makel,
Dennoch an ein Gottesurteil glaubend,
Peter wieder von dem Galgen schraubend,
Sprachen sie ihn frei, die ihn entließen.
Peter, Unsre Liebe Frau zu grüßen,
Warf sich nieder mit dem Antlitz auf die Erde,
Sprach mit einer freudigen Gebärde:
Jungfrau, nimm zum Dank an meine Buße,
Küssend nur den Staub zu deinem Fuße,
Noch unwürdig diesen Staub zu küssen,
Diesen Staub zu deinen bloßen Füßen,
Seh ich auf den Füßen blühn Hibiskus!
Also ist dein Wille, daß Franziskus
Werde nun mein Lehrer und mein Meister,
Daß ich in der Schar der frommen Geister
Dem Seraphischen in goldner Wolke
Seiner armen Bettelmönche folge
Und als Troubadour Frau Armut preise!
Höchste Königin der Sphärenkreise
Bist du, o Maria, doch auf Erden
Wir Frau Armut treue Sklaven werden,
Denn Frau Armut ist ja deine Schwester!
Für Frau Armut heiß ich nun Sylvester.


DIE WEISUNGEN DES PRIESTERS

1

Mein Priester, darf ich zu Maria beten?
Mein Sohn, du sollst mit ihr als Freundin reden,
Vertraut wie eine Freundin will sie sein,
Die einzige, diie wahre Freundin dein.
Du darfst sie alles bitten, was dir frommt,
Das gibt sie dir, doch alle Gnade kommt
Von Gott, der ist der Anfang und das Ende,
Die Gnade wird dir durch Marien Hände.
Mein Priester, Mutter kann ich sie nicht nennen,
Doch kann ich für die wahre Freundin brennen,
Für die geliebte Frau, die keine Närrin,
Frau Weisheit nenn ich sie und Minneherrin.
Mein Sohn, das ist der Kirche Weisheitslehre,
In Minne die Madonna du verehre,
Gleich Josef, einem keuschen Bräutigame,
Maria ehr als deine schöne Dame,
Die aller Glorien und Gnaden inne,
Sei deiner Dame Diener durch die Minne.
Mein Priester, eine schöne Frau begehre
Ich sehr und wie Madonna sie verehre
Und in der Minne mystischem Ereignis
Seh in der Frau Madonna ich im Gleichnis
Und wollte die geliebte Haura freien
Und der Madonna mich in Minne weihen,
Und war mir fast, dass ich in Hauras Nähe
Intim-vertraut in der Marien-Ehe
Schon stand, erleuchtet von Marias Aura,
Madonnas Gatte und der Freund der Haura.
Mein Freund, das sind ja zwei verschiedne Schuhe,
In welchem Hafen suchst du deine Ruhe?
Willst du mit der begehrten Haura schlafen
Und ankern weltlich in der Ehe Hafen,
Wie? Oder willst du mystisch Unsre Frau
Erkennen innen in der Seele Schau,
Als Beter fromm in der Marien-Ehe
Auf Erden leben schon in Gottes Nähe?
An Liebreiz darfst du deine Augen weiden,
Doch musst du dich für eine Frau entscheiden,
Für Haura in erotischer Mania,
Wenn Gott es will, für Unsre Frau Maria,
Entscheide dich, wer ist dir Sulamith,
Mit wem lebst du intim im Hohen Lied?
Mein Priester, die Marien-Mystik sucht
Mein Herz, Madonna an der Wonnen Bucht,
Die mystische Vereinigung im Geist
Mit Unsrer Lieben Frau, mir hochgepreist.
Mein Sohn, gepriesen sind Marien Brüste,
Der Mystik Zentrum bleibt doch Jesu Christe,
Denn ist Maria dir auch Seelengattin,
So ist sie aber keine Heidengöttin,
Ist keine Göttin aller Fruchtbarkeit,
Ist Mutter Gottes allgebenedeit.


2

Mein Priester, was ist Eros, der intim
Von Gott mir angeboren, wie sublim
Kann ich jungfräulich meinen Eros leben,
Durch Eros aufwärts in den Himmel schweben,
Wie werden denn zum Geiste meine Triebe?
Mein Sohn, gedenke in der Frauenliebe
Nur immer an den Genius der Frau,
Der Frauen Geist mit deinem Geiste schau,
Daß nicht das Weib ist Busen mächtig groß,
Daß nicht das Weib ist Busen nur und Schoß.
Vielmehr, bläst du als Dichter deine Flöte,
Dann denk an deinen Dichterfürsten Goethe,
Wie er in seinem dritten Faust bekennt
Als seiner Altersweisheit Testament,
Wie Ewigweibliches hinan uns lockt.
So rede nicht vom Weib, das ewig lockt,
So rede von der Frau, die führt hinan,
Das ist der Eros für den Gottesmann.
Mein Priester, denk ich an Maria, schau,
Ich nenne sie nicht Mutter, sondern Frau,
Ich sag, wie meine Seele sie erschaut,
Im Heilgen Geist mir anvertraute Braut.
Mein Sohn, ein jeder so Maria ehrt,
Wie Gott der Geist den Gläubigen belehrt.
Mir ist sie Schwester aller Menschen, schau,
Doch dir sei ruhig sie die Große Frau,
Die Fraue aller Völker zieht hinan
Als deine Große Frau dich Gottesmann.
Wenn du dich an der Großen Frau erlabst,
Ist deine Frömmigkeit wie bei dem Papst
Johannes Paul Secundus, dessen Schau
Maria als der Offenbarung Frau
War, der er ganz zu eigen wollte sein
Mit seinem Totus tuus: Ich bin dein!
So schenk Maria deine Ganzhingabe
Und dien als Dichter ihr mit deiner Gabe,
Denn Gott bracuht Träumer, Gott braucht weise Dichter,
Die Liebe ist, das Wort allein ist Richter.
Du bist durch Gottes Gunst Poet geworden,
Gott wartet nicht auf dich in einem Orden,
Als Träumer sollst du Sonnenstrahlen sammeln,
Der Liebe Psalmen, Oden, Hymnen stammeln!


3

Mein Priester, viele Frauen liebte ich
Und wohnte Frauen bei auch sündiglich.
Mein Sohn, du suchtest mit dem tiefsten Triebe
In allen Frauen nur die schöne Liebe.
Gedenke doch, wie herrlich sind die Frauen,
Einst wirst du die Urschönheit selber schauen,
Die Frauen sind ja nur wie matte Schatten,
Urschönheit paart sich einst dem Seelengatten!
Mein Priester, eine Frau mit jedem Sinne
Verehre ich und liebe sie mit Minne,
Anbeten möchte ich fast die Herrin Haura,
Auf ihrem Antlitz Glanz von Gottes Aura,
Sehnsüchtig such ich immer ihre Nähe
Und doch lebt sie als Frau in wilder Ehe.
Gebot der Herr, die Ehe stets zu ehren
Und meines Nächsten Weib nicht zu begehren.
Mein Sohn, du sollst des Weibes Ehe achten,
Du sollst bei allem deinem Liebesschmachten
Die Ehe brechen nicht, nichts unternehmen
Zum Ehebruch, du brauchst dich nicht zu schämen,
Daß du die Frau als Vielgeliebte liebst,
Daß du ihr heimlich deine Liebe gibst.
Du weißt, und der Gedanke ist katholisch,
Daß Minne selig ist und melancholisch,
Daß wahre Liebe nicht allein den Reiz
Umarmt, die Liebe auch umarmt das Kreuz!
Kannst du die Vielgeliebte nicht vergessen,
So nimm sie als dein Kreuz an unermessen.
Mein Priester, ich bin wie die Platonisten,
Mehr gleich den Platonisten als den Christen,
Ich wollte nur in allen schönen Frauen
Der Liebe Gottheit, die Urschönheit schauen,
Und in der Vielgeliebten ohne Fehle
Die Hagia Sophia, Gottes Seele.
Ich wollte steigen als der Liebe Heros,
Geführt vom Mittler, von dem Dämon Eros,
Hinan der schönen Liebe Himmelsleiter
Zu der Urgottheit der Urschönheit heiter.
Mein Sohn, gedenke auch als Platonist,
Die Liebe ist herabgekommen, Christ,
Die Liebe stieg die Himmelsleiter nieder,
Die Liebe zog sich an der Menschheit Glieder,
Die schöne Liebe ist ein Mensch geworden,
Sich dir zu einen in der Minne Orden.
Ja, die Urgottheit der Urschönheit, Liebe,
Sie wohnt dir bei in deinem tiefsten Triebe!


4

Mein Priester, lange Zeiten sind vergangen,
Seit beichtend ich bin ins Gericht gegangen.
Ich pries Maria meine Seelengattin
Und Hagia Sophia meine Göttin.
Ich stieg hernieder in der Mütter Reich,
Gott scheint mir einer großen Mutter gleich!
Bei aller Häresie der Feministen
Bewahrte ich die Seele eines Christen.
Doch wie die Kirchenväter Gott zur Ehre
Vereinten die geoffenbarte Lehre
Mit Griechenweisheit oder Platonismus,
Will ich den wahren Geist des Katholizismus
Vereinigen dem schönen Matriarchat,
Das werde meiner eignen Weisheit Saat,
Daß ich die Gottheit preis als Seelengattin,
Die Sapientia als Mutter-Göttin!
Ja, ich bin Hagia Sophias Sklave
Und wahrlich, wahrlich: Ich lieb innig Jahwe!
Mein Sohn, nimm dir zur Hand den Rosenkranz,
Marien Perlenschnur voll Christi Glanz,
Und wende dich zu Christus, Licht vom Licht,
Und bete an vor Christi Angesicht
Und murmle immer wie ein Benedein:
Du, Christus, du sollst mir Sophia sein,
Du, Jesus, Gottes Sohn, Sohn der Maria,
Mein Christus, sei mir Hagia Sophia!
Mein Priester, demutsvoll will ich gestehen,
Die Aphrodite will ich immer sehen,
Wenn ich den Namen Aphrodite höre,
Ich spür, wie Aphrodite mich betöre,
Ich kann die Liebesgöttin nicht vergessen.
Mein Sohn, die Liebe Gottes unermessen
Ist größer als der Aphrodite Liebe,
Vertreibe sie aus deinem Seelentriebe,
Und wenn du Aphrodites Namen hörst,
Du nicht bei Aphrodites Namen schwörst,
Sprich: Aphrodite, von dem Christen weiche!
Mein Priester, Unsre Liebe Frau vergleiche
Ich Aphrodite, da der Kirche Geist
Maria Aphroditissa heilig preist!
Soll ich die Aphroditissa also ehren?
Mein Sohn, ich will dich Gottes Liebe lehren,
Als ob Sie dir in deine Seele schriebe:
ICH, DEINE GOTTHEIT, BIN DIE SCHÖNE LIEBE!

*

Die SCHÖNE LIEBE bete an, mein Sohn,
Und so erteil ich dir die Absolution!



BRIEF AUS DEM BENEDIKTINER-KLOSTER

Gegrüßet seist du, Peter Torstein Schwanke,
Ich sag dir für dein schönes Schreiben Danke,
Da du gelobt als christlicher Homeros
Mein Buch der Mystik und mein Buch vom Eros.
Das freut mich, dass mein Beten und mein Sinnen
Von göttlicher Erotik auch dein Minnen
Dir inspiriert und dir ward zum Gewinne.
Ja, schreibst du von den Schmerzen deiner Minne
Und nennst dich melancholisch Grillenfänger,
So scheint mir auch, du bist ein Minnesänger,
Als Minner jenem Dornenvogel gleich,
Der sucht begierlich in dem Wälderreich
Den Dornbusch, dass er sich am Dorn verletze,
Am schönen Sang der Schmerzen sich ergetze,
Den schärfsten Stachel trägt er in dem Herzen,
Aus der Verklärung seiner Liebesschmerzen
Viel schöner als die andern Vögel singt,
Sich selber für sein Lied zum Opfer bringt!
Es ist die Mutterwunde an dem Herzen,
Der Liebesmangel, der die Liebesschmerzen
Dir wiederholt alljährlich bei den Frauen.
Versuche, in den Frauen anzuschauen
Maria! Mit dem minnigen Verehren
Und mit erotisch-mystischem Begehren
Sollst du als Seele deiner Seele schauen
Maria an, das Ideal der Frauen.
Und sprich mit deiner Seele, sie ist da
In deinem Innern, deine Anima,
Du sollst sie in dein Wesen integrieren,
Denn ihre Liebe wirst du nie verlieren.
Wie Christus ist dein Wahres Selbst, so ist
Maria deiner Seele Seele, Christ.
Dann wird Maria Seelenführerin
Und führt zum mütterlichen Gott dich hin.
Maria ist nicht Göttin, ohne Spott
Ist aber sie dem mütterlichen Gott
Ein Spiegelbild, in dem man Gott erkennt,
Der Mutterliebe Gottes Sakrament.
Gott Mutter will in deinem tiefsten Triebe
Die Gottheit sein bedingungsloser Liebe!
Gott-Mutter suchtest du, die Muttergöttin
Der Vorzeit, und im Traum die Seelengattin
Vereinte sich dem Sohne und Gemahl,
Das ist nicht psychologisch-ödipal,
Das ist, du hast in deinem tiefsten Triebe
Empfangen selbst vollkommne Mutterliebe
Und in der Einigung im Traum vollkommen
Die Mutter in dich selber aufgenommen,
Das Mütterliche in dir selbst empfangen,
Sei drum vor deinen Träumen ohne Bangen.
Nun dir gestillt die Sehnsucht deiner Triebe
Von Gottes absoluter Mutterliebe,
Nun kannst du deine Sehnsuchtsglut dir stillen
Und brennende Begierde dir erfüllen,
Wenn, wie du mir in deinem Briefe schriebst,
Maria, die du leidenschaftlich liebst,
Dich wiederliebt in reiner Leidenschaft,
In göttlicher Erotik Liebeskraft!
Wer so erotisch-mystisch innen schaut
Maria voller Leidenschaft als Braut,
Wer so intim-vertraut in ihrer Nähe
Geliebt sich weiß, der lebt in einer Ehe,
In der Marien-Ehe gottgeweiht,
Jungfräulich in der Ehelosigkeit.
So wünsche ich dir barfuß ohne Schuhe
Inspiration durch Sie und Seelenruhe.
Maria möge liebend dich erfüllen
Und Sehnsucht, sonst verzehrend, in dir stillen,
Und in der Gottes-Ehe schon hienieden
Dir Seelenruhe spenden, innern Frieden.
Inspiration will dir Maria schenken,
Dir Muse sein beim Dichten und beim Denken,
Wenn du von ihrer Liebesfluten Welle
Dich stillen lässt und trinkst aus ihrer Quelle,
Dann wird für dich in Gottes Geist Maria
Zu deiner Muse mystischer Mania!...
Noch bleibt in dir die Sehnsucht nach den Frauen,
Sei du bereit, die Wunde anzuschauen,
Die Liebesarmut deiner Mutterwunde,
Doch geistlich schau die Wunde an, gesunde,
Indem den Schmerz in Perlen du verwandelst,
So dass du mit dem Stein der Weisen handelst,
Daß deine Kindheitswunden schon auf Erden
Zu Perlen von dem Himmelreiche werden.
Du pflege gut das innre Kind im Mann
Und schau dir deine tiefste Sehnsucht an.
Mein Buch der Sehnsucht inspirierte dich,
Die Sehnsucht anzuschauen innerlich,
Mit deiner Sehnsucht bis zum Ziele walltest
Und vor dem Gott der Liebe – Mamma lalltest!
Gott-Mama deine tiefste Sehnsucht war,
Der Geist so seufzte in dir offenbar.
Ja, wie in deiner Ode du gesungen,
Da zu des Künstlers Seele vorgedrungen
Dein Mitempfinden, da in süßem Schmelz
Du sahst di schöne Seele Raffaels,
Der seine Mutter schon als Kind vermisste,
Der viele Frauen, seine Musen küsste,
Der einer Frau war geistiger Gemahl
In der Entsagung, die sein Ideal,
Und der durch seine eigne Anima
Dann die Sixtinische Madonna sah,
Die Jungfrau-Mutter in der Gottheit Aura!
So schaust du, wie du schreibst, in deiner Haura,
Der vielgeliebten schönen Frau, Maria,
Maria in der Aura der Sophia!
Sophia zu verehren ist katholisch,
Du musst nicht einsam sein und melancholisch,
Gedenke, wie Sophia einst verehrte
Sankt Heinrich Seuse, jener Gottgelehrte
Sophia sah als seine Minnedame
Und machte sich zu ihrem Bräutigame,
Der nicht mehr minnte Närrin püber Närrin,
Die Gottheit minnte nur, die Minne-Herrin!
Du schriebest mir, Sophia ist in Jahwe,
Und du seist selbst der Herrin Minnesklave,
Sophia, inkarniert in Jesu Christe,
Sie bette dich an ihre Mutterbrüste,
Zuletzt Sophia deine Seele preist
Als Mutterliebe Gottes, Heilig Geist!


SOPHIA UND MAGDALENA

Sophia sing und Magdalena, Muse mein,
Die Hagia Sophia sing, die sprach das Wort:
Den Kindern gleiche ich das menschliche Geschlecht,
Die sitzen, Flöte spielend, singend, auf dem Markt
Und spielen vor den Leuten Klagelieder auf,
Die Leute lauschen, aber doch, sie weinen nicht,
Und spielen vor den Leuten Hochzeitslieder auf,
Die Leute lauschen, aber doch, sie lachen nicht.
So rief der heilige Asket zur Umkehr auf,
Es hieß: Er ist besessen von der Religion!
Die Hagia Sophia aber trank den Wein
Und speiste mit den Sündern und den Huren auch,
Es heiß: Sophia? Das ist eine Sünderin!
Sophia aber sucht nur die Verlorenen.
Sie gleicht der Frau, die den verlornen Groschen sucht
Und kehrt die ganze Wohnung bei der Suche um
Und sucht in jedem Winkel, sucht in jedem Eck,
Und wenn die Frau den Groschen dann gefunden hat,
Dann ruft sie alle ihre Freundinnen herbei
Und zeigt den Freundinnen den Groschen, den sie fand,
Und freut sich mit den Freundinnen an ihrem Fund.
Das Wort der Hagia Sophia aber gleicht
Der Bäckerin, die bakcne will ein gutes Brot,
Da mischt sie unters Mehl ein wenig Sauerteig,
Der Sauerteig durchsäuert dann das ganze Mehl.
So ist der Hagia Sophia Himmelreich.
Sophia aber hatte Jüngerinnen auch,
Johanna und Susanna ihrer Meisterin
Sophia folgten, Miriam von Magdala
Und andre Jüngerinnen noch aus Galilee.
Sophia trieb aus Miriam von Magdala
Dämonen aus, trieb sieben böse Geister aus.
Im reinen Geist sah Miriam von Magdala
Die Hagia Sophia, eine Lichtgestalt,
Vom Himmel rief sie Miriam von Magdala,
Die musste sieben Sünden überwinden und
Die sieben bösen Sündengeister treiben aus
Und über sieben Stufen wie Planeten gehn
Hinan zu Hagia Sophia in das Licht!
Da sprach Sophia: Trieb ich aus den bösen Geist,
Dann irrt der Dämon in der Wüste lange Zeit
Und kehrt zurück zur Seele dann, die war sein Haus.
Nun aber wohnt der menschenfreundliche, der Geist,
Leutselig-philantropische Sophien-Geist
Im reinen Geist Maria Magdalenas ein.
Maria Magdalena war die Jüngerin,
Die Hagia Sophia liebte allermeist,
War Hagia Sophias Lieblingsjüngerin.
Zwar küsste Hagia Sophia alle mit
Dem Kuß des Friedens, schwesterlichem Wangenkuß,
Johanna und Susanna küsste sie die Stirn,
Maria Magdalena aber auf den Mund!
Sophia zu Maria Magdalena sprach:
Der reine Ausfluß aus der Herrlichkeit des Herrn
Und Spiegel des Allmächtigen und seiner Kraft
Auf Erden ist erschienen und gewandelt ist
Im Kreis der Menschen, suchend die Verlorenen.
Nun aber sehnt die Hagia Sophia sich,
Zu leiden und zu sterben selbst den Menschentod,
Um dieses Menschentodes finstre Mitternacht
Zu füllen mit der Gottheit lichten Gegenwart,
Zu sterben selbst als die Lebendige den Tod,
Um sterbend selbst den Menschentod – den Menschentod
Zu überwinden durch des Lebens Ewigkeit,
Das Tor des Todes aufzustoßen mit Gewalt
Der Liebe in der göttlichen Unsterblichkeit
Und auferstehend aus des Hades Schattenreich
Zu führen ewige Lebendigkeit herauf!
So komm, o Kreuz, o wie verlang ich heiß nach dir!
Das Holz des Todes werde mir des Lebens Holz,
Der Marterpfahl, der werde mir der Liebe Pfahl!
Umschlingen will ich dich mit Leidenschaft, mein Pfahl,
Will ganz hingeben mich mit Blut und Fleisch dem Pfahl,
Durch meine Liebesganzhingabe soll der Pfahl
Des Todes werden mir zu Edens Lebensbaum!
Sophia in dem Garten Eden will ich sein,
Die Mutter der Lebendigen am Lebensbaum!
Die Hagia Sophia ward gekreuzigt, ja,
Ist auferstanden voller Liebesglut vom Tod!
Maria Magdalena war bei ihrem Tod
Als die intime Freundin, die den Leib
Sophias küsste mit dem scharlachroten Mund,
Als alle Männer längst verlassen Gottes Frau,
Bis auf Johannes, der mit Magdalena stand
Anbetend vor Sophias nacktem Fleisch am Pfahl!
Und weil Maria Magdalena felsentreu
Und weil Johannes felsentreu gewesen war,
Drum Hagia Sophia Anastasia
Im Auferstehungskörper beide zu sich rief
Und rief die Jüngerinnen und die Jünger auch
Und stehend auf dem Ölberg nahe Joschaphat
Sprach Hagia Sophia zu der Jüngerschar:
Zu meiner Linken ewig wird Johannes stehn,
Zu meiner Rechten aber wird Maria stehn.
Ich scheide nun hinan ins goldene Äon,
In die Mysterien des Ur-Mysteriums.
Doch werde ich einst wiederkommen in die Welt,
Dann wird Mariia Magdalena mit mir sein,
Dann kommt Maria Magdalena mit herab,
Zu richten alle Toten und Lebendigen.
Ich lasse meine lieben Kinder euch zurück,
Drei Töchter zeugte ich in Gottes großer Kraft,
Spes, Fides, Caritas, so heißen diese Drei!
Spes, Fides, Caritas, Sophias Töchter, siind
Erschienen auf dem Tabor einem Gottesmann.
Die Tochter Spes in ihrem lindengrünen Kleid
Mit Paradiesesfrüchten auf dem Turban sprach
Zum Gottesmann: Wenn du mich wählst als schönste Frau,
Dann schenk ich einen gnadenreichen Heimgang dir.
Die Tochter Fides in dem weißen Linnenkleid
Erschien und hielt in ihrer Hand das Kruzifix
Und sprach zum Gottesmann: Wenn du als Frau mich wählst,
Dann schenk ich die Gerechtigkeit aus Glauben dir.
Die Tochter Caritas erschien dem Gottesmann
Als eine Schönheit voll von göttergleichem Reiz
In einem Kleid, das rot wie Blut und Feuer war,
Und in der Hand hielt sie der Liebe Feuerpfeil.
Sie sprach (aus ihrem roten Kleide quoll die Brust)
Zum Gottesmann: Wenn du mich zur Geliebten nimmst,
Dann schenk ich dir Madonna, Unsre Liebe Frau,
Die schönste Frau des Universums dir zur Braut!
Der Gottesmann sprach zu Sophias Töchtern da:
Du, Spes, und Fides, du, vergehen werdet ihr,
Doch Cariitas, die Göttin, bleibt in Ewigkeit!
Die Gottheit aller Schönheit – Liebe – Weisheit – die
Urgottheit sandte Magdalena in die Welt,
Die Hagia Sophia zu bezeugen dort
Als die Gekreuzigte und Auferstandene,
Die in den Himmel ging, in das Mysterium,
Von dort Maria Magdalena sandte aus
Mit ihren Schwestern, den Marien, übers Meer,
Und mit der schwarzen Sarah, ihrer Dienerin.
So ging Maria Magdalena übers Meer,
Ging übers Mittelmeer, sie tauchte aus dem Schaum
Des Mittelmeeres auf am Strande der Provence,
Maria Joses und Maria Kleophä
Und Martha waren bei ihr, die in der Provence
Gewandelt bis zum dunklen Wald von Tarrascon,
Wo Martha starb. Maria Magdalena sah
Den Himmel offen, als sie betete in Aix!
Die schwarze Sarah aber an dem Mittelmeer
Begründete allein der schwarzen Jungfrau Kult,
Daß zu der schwarzen Sarah Tempel pilgerten
Zigeuner, die Zigeuner aus der ganzen Welt,
Die kamen aus Ägypten und aus India
Und beteten vorm Bild der schwarzen Jungfrau an
Nicht Göttin Isis oder Göttin Kali mehr,
Sie betete allein zu Notre Dame Noire!
Doch von Maria Magdalena ging das Wort
Und die Legende um, dass sie ein kleines Kind
Empfangen vom Messias Jesus. Dieser Sohn
Ward König aller Könige in Frankreichs Thron.
Wer sagt uns aber, dass das wirklich Wahrheit ist?
Sagt doch die goldene Legende nichts davon.
Die goldene Legende sagt vielmehr davon,
Wie Sankt Maria Magdalena betete
Drei Stunden morgens und drei Stunden in der Nacht,
Sie kontemplierte mystisch in der Einsamkeit
Allein in einer Höhle droben auf dem Berg,
Als Eremitin auf dem Berge der Provence,
Wo sie so betete, erfüllt von Gottes Geist,
Daß Engel stiegen immer wieder auf und ab
Und speisten Magdalena mit dem Himmelsbrot
Und griffen sie bei ihrer langen Lockenflut,
Entrückten morgens iin die Herrlichkeit des Herrn
Die Beterin und nachts hinan zu Gottes Thron!
Maria Magdalena war intim vertraut
Mit Gottes Boten, mit den reinen Himmlischen.
Die Seraphim entflammten ihre Liebesglut,
Die Cherubim Maria gossen Weisheit ein,
Die Throne wiesen ihr den Weg zu Gottes Thron,
Die Fürstentümer zeigten ihr das Fürstentum
Der Himmelssphäre Venus, wo die Liebenden
In Ewigkeiten lieben in dem Paradies!
Die Himmlischen von Mahanajim grüßten sie:
O Magdalena, Schwester aller Engel du,
Maria, schöne Schwester aller Seraphim,
Maria, kluge Schwester aller Cherubim,
Zehntausend tausende von Geistern krönen dich,
Maria, Schwester aller Engel vor dem Herrn!
Maria Magdalena saß in Einsamkeit
Im Eingang ihres andachtsreichen Höhlenbaus,
Da sah sie über sich am Himmel eine Lichtgestalt,
Die Hagia Sophia, eine Frau aus Licht,
Ein Himmelswesen ganz aus Äther, Pneuma-Leib,
Wie eine Jungfrau rein im weißen Seidenkleid,
In reiner Seide, fließend wie das Sonnenlicht.
Auf ihrem Haupthaar trug sie einen Schleier fein,
Der weiß hernieder floß auf ihrer Schultern Paar.
Von reinem Gold der Gürtel war um ihre Brust.
Ihr Antlitz war Holdseligkeit und Lieblichkeit,
Ein Glanz der Schönheit, der von reiner Liebe war,
Ein Licht der Liebe, das vollkommne Schönheit war.
Mit ihren Lilienlippen sprach sie Lieblichkeit,
Mit ihrem Munde sprach sie Segen aus und Gunst.
Von ihren schlanken weißen Händen strömte Licht,
Der Gnade Strahlen gingen von den Händen aus,
Sophias Hände gossen aus den Gnadenstrom.
Die fließenden Erleuchtungen der Gottheit süß
Entzückungen erzeugten, Jubelschrei und Lust!
Da lag vor Jubel Magdalena da wie tot,
Der Körper Magdalenas ruhte auf dem Berg.
Die Seele Magdalenas aber wie ein Kind
Sprang aus dem Mund der großen Küsserin vor Gott,
Maria Magdalenas reines Seelenkind
Sprang von des Berges Gipfel in des Äthers Licht
Und tanzte Tänze zur Musik der Seraphim
Und jauchzte wie ein auferstandnes Paradies
Und jubelte wie Vögel vor dem Sonnenlicht
Und schwebte leuchtend wie des Apfels Blütenschnee
Und schwebte wie die rosa Wolke heiter froh
Und leuchtete so leuchtend wie des Morgens Glanz
Und strebte in den Himmel wie der Lebensbaum
Und breitete vor Liebeslust die Arme aus
Und eilte zu der MUTTER - - - - - - - - - - - - - - -


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