[Inhalt]

Peter Torstein Schwanke
 
BLUMEN DER TOCHTER SION
 
„Mich kust ir minneclicher kus.
ein mündel der übergulde ein überfluz.“
(Des Minnesangs Erzvater)
 
 
 
I. DIE EIFERSUCHT DES HERRN
 
(nach Hosea)
 
 
1
 
Geh, Seher, nimm dir eine Tempeldirne
Und zeuge Dirnenkinder mit der Frau!
So strafe ich der Sion freche Stirne
Und mach dich zu gelebter Gottesschau.
 
Da ging ich hin, nahm Gomer mir zum Weib
Und nannte Jesreel den ersten Sohn.
Gott sprach: In deine Prophezeiung schreib:
Ich sprech dem Königtum in Sion Hohn!
 
Und Gomer wölbte sich der bloße Bauch
Und ihre schwellenden Granaten sprossen
Und aus der Scham erstand ihr eine Tochter.
 
Da kam zu mir des Geistes heißer Hauch,
Das Herz mir zu entflammen, das vermocht er,
Der alle die Barmherzigkeit verschlossen.
 
 
2
 
Die Söhne Israels wie Meeressand
So zahlreich, wie Plejade und Orion,
Sie reichen brüderlich die rechte Hand
Den treuen Söhnen meiner Tochter Sion.
 
Ich seh sie wie Gazellenböcke dürsten,
War ihnen doch der Lebensquell geraubt.
Nun aber finden sie den Friedensfürsten
Als ihres Leibes gottgesalbtes Haupt.
 
Das wird ein Tag des Jubels und der Wonne,
Still steht im Tale Ajalon die Sonne,
Die Turteltauben turteln in den Nestern.
 
Dann nennt man alle Brüder wunderbar
Gott Zevaothes himmlische Heerschar
Und herzliche Barmherzigkeit die Schwestern.
 
 
3
 
Nein, eure Mutter ist nicht meine Frau,
Geschrieben sehet hier den Scheidebrief!
Auf ihren Brüsten ich die Flecken schau,
Weil sie mit ihrem jungen Tammuz schlief!
 
Ich zieh sie aus, sie stehe vor mir nackt,
Wie einst als ich getrennt die Nabelschnur.
Sie schloß mit ihrem Abgott einen Pakt
Und tat dem Götzen auf des Schoßes Spur.
 
Sie sagte: Folgen will ich wilden Freiern,
Sie salben mich, sie mögen mit mir trinken,
Umsonst werd ich vor ihnen mich entschleiern!
 
Doch ich gab ihr des goldnen Ringes Blinken,
Mit Bildern schmückte ich den Hochzeitssaal -
In dem sie sich dann gattete dem Baal!
 
 
4
 
Ich nehme meine Seide und mein Leinen
Von ihr und laß sie stehen nackt und bloß!
Dann mag sie ihren Freiern sich vereinen
In ihrem götzendienerischen Schoß!
 
Ich schwärze alle ihre Freudenhäuser,
Schwitzbäder und verschleierten Gemächer.
Wie Trunkne sollen lärmen dort die Preiser,
Sich Kater heulend hocken auf die Dächer.
 
Verwüsten werd die Trauben ich, die Feige,
In ihren Garten send ich Wurm und Igel,
Heuschreck soll schwellenden Salatkopf fressen!
 
Denn sie hat ihren Bräutigam vergessen,
Befleckt hat sie den reinen Tugendspiegel
Und meint, daß ich zu ihrer Wollust schweige!
 
 
5
 
Doch locken will ich sie und sie verlocken
Und sie verführen, in die Wüste führen!
Da werd ich ihre langen Hennalocken
Mit Dattelfeigenpalmenblüten zieren,
 
Da werd ich sie als Bräutigam umwerben
Und geb ihr wieder ihre Rebengärten.
Sie soll das ganze Tal der Hoffnung erben,
Er soll zum Tale der Erfüllung werden.
 
Sie wird mir folgen, ja, mir folgen willig,
Nicht länger irren, hurerisch und billig,
Sie weiht mir ihren ganzen Schatz der Jugend!
 
Wird nicht mehr wie die Huren von Ägypten
Mit Augen zwinken, wo die Wimpern wippten,
Nein, wird durch mich zum Inbegriff der Tugend!
 
 
6
 
An jenem Tage nennt sie mich den Gatten
Und nicht mehr götzendienerisch den Baal.
Lebendige vereinen sich im Schatten,
Sie hat im Schoß nicht mehr den Götzenpfahl.
 
Die Götzennamen nehm ich aus dem Munde,
Sei makellos der Lippenschminke Rot.
Bewohnen werd ich sie in ihrem Grunde,
Verzück zum Gipfel sie, ich, Zevaoth!
 
Ich werde dich, du Reizendste der Frauen,
Im dunklen Tale Achor mir vertrauen,
Wo Zevaoth durchs Tor der Hoffnung schaut
 
Und sieht das Tor der Hoffnung rot und heiß!
Vorhäute gebe ich der Braut als Preis,
Blutsbräutigam bin ich, der Herr, der Braut!
 
 
7
 
Gott sprach zu mir: Mein schauender Prophet,
Geh hin zu ihr und liebe diese Frau!
Du lieb sie, wie das Holz des Heiles steht,
Erkenne sie und ihrem Schoß dich trau!
 
So wie du Gomer liebst, so lieb ich Sion,
Ja, Sion mit den Söhnen Israels.
So liebte die Plejade einst Orion,
So liebt die Meeresflut den Meeresfels.
 
Ich kaufte sie für fünfzehnhundert Taler
Und schüttete ihr Weizen in die Schürze
Und sprach: Du bleibst jetzt jede Nacht bei mir!
 
Demütigen werd ich die lauten Prahler,
Die Kleinen aber kommen in der Kürze
Und heil wird meiner Tochter Sion Zier.
 
 
8
 
Weh euch, die Priester weihen sich dem Satan,
Die sie zerpflücken Lilien von Scharon,
Propheten sind nicht tugendhaft wie Nathan
Und Priester nicht mehr hoheitvoll wie Aaron.
 
Von allen Dächern wird man Schande rufen,
Weil Priester kleine Kinderlein zertreten,
Und weil hinab auf Totenreiches Stufen
Zu Huren eingehn heilige Propheten.
 
Weil du Erkenntnis hast und Weisheit weit
Verworfen und der Unzucht dich ergeben,
Darum verwerf ich dich, du Volk der Priester!
 
Bereit sind sie zur Sittenlosigkeit
Und doch erzeugen sie kein neues Leben,
All ihre Zellen sind Astartes Düster.
 
 
9
 
Der Opferfeigenschnaps, das Götterbier
Raubt meinem Volke jeglichen Verstand,
Ein jeder geiler als ein junges Tier,
Ein jeder legt die Kraft in seine Hand,
 
Die Hand, mit der sie die Orakelzeichen
Befragen, Zukunft deuten aus den Karten.
Sie treiben Buhlerei bei harten Eichen
Und räuchern Marmorbildern von Astarten.
 
Nichts Sions Töchter strafe ich, die Huren,
Gehn doch die Priester selbst auf Dirnenspuren
Und feiern mit den Freudenmädchen Kult.
 
O Tochter Israel, du dumme Kuh,
Vergeblich muhst du, findest keine Ruh,
Weil trunknen Zechern schenkst du deine Huld.
 
 
10
 
Jehowah haben sie den Bund gebrochen
Mit ihrer widerlichen Hurerei,
Drum ist auch nur ein Bastard ausgekrochen
Und grenzenlose Gier sein erster Schrei.
 
Schlagt Trommeln, schlagt die Zimbeln, lasset blasen
Die Widderhörner! Efraim ist jung!
Ist heißer Wüstenwind in euren Nasen
Und heiße Glut am Tag der Züchtigung!
 
Die Könige verdammen ihn zum schwarzen
Scheol, der untersten Gomorrha Dorf,
In Pech und Schwefel und in Feuerscheiter.
 
Die Tochter Israel schlag ich mit Warzen,
Die Tochter Israel schlag ich mit Schorf,
Die Tochter Israel schlag ich mit Eiter!
 
 
11
 
Komm, kehren wir zurück zu unserm Herrn,
Er schlug die Wunden, wird die Wunden heilen!
Aus Israel ersteht der Morgenstern
Und Jahwe wird in Tochter Sion weilen.-
 
Laß uns nach Wissen und nach Weisheit streben!
Gott kommt so sicher wie das Morgenrot!
Wie Tau betrauft er unser Blumenleben
Und nimmt wie Feuer unsern Gräsertod.
 
Was soll ich tun mit dir, o Juda? Siehe,
Wie Taugewölk zerstoben in der Frühe,
So seh ich alle deine Lust zerstieben.
 
Nicht Sühneopfer will ich von dir fodern,
Vermag zu stillen des Gerichtes Lodern
Nur, Tochter von Jerusalem, dein Lieben!
 
 
12
 
In Adam ward das Bündnis übertreten,
Sind alle Städte voller Übeltäter,
Die Räuber rotten sich in allen Städten
Und Wucherzinsenfordrer sind die Väter.
 
Poeten rotten sich mit frechen Räubern
Und werden zu Verteidigern der Morde.
Ergeben seh ich Efraim den Weibern
Und Israel als mordbereite Horde.
 
Dir, Juda, steht die Ernte noch bevor,
Da Engel schreiten hin als Ährenschnitter
Und werfen alles Unkraut in das Feuer!
 
Dann tret ich selber durch des Ostens Tor
Als Bräutigam und hoher Minne Ritter,
Dann sammle ich die kleine Schar Getreuer.
 
 
13
 
Ja, Efraim ist eine Turteltaube,
Sehr rasch im Wort von törichten Gelübden,
Lahm im Verstehen, nichtig ist sein Glaube,
Er traut sich der Prinzessin von Ägypten.
 
Und wenn er flattert auch zur Sonnenwärme
Und wird der Sonnengott sein Lieblingsgötze,
Ich fange doch die schnellen Vogelschwärme
Und werf mit meinem Arme aus die Netze.
 
Sie laufen von mir fort zum Hundehaupt,
Allein der Unterwelt wird noch geglaubt,
Von mit wird Lügel frech und dreist gelogen!
 
Sie wenden sich dem kleinen Nichtsnutz zu,
Doch wenn ich komme, werde ich im Nu
Nichtsnutzigem zerbrechen seinen Bogen.
 
 
14
 
Sie sagen alle, daß sie Jahwe kennen
Und daß der liebe Gott dem Lande hold,
Ich aber seh sie hasten, seh sie rennen
Nach Mammon, ihrem Götzenbild von Gold.
 
Sie setzen Könige und Landesfürsten
Im Lande ein, die schänden meinen Frieden.
Gerechte hör ich in der Wüste dürsten,
Will ihnen meinen Friedensfürsten bieten.
 
Sie säen Wind des Krieges, ernten Sturm
Des Terros, werden durch das Schwert umkommen,
Weil sie zum Schwerte greifen allenthalb.
 
An ihrem Weizen nagen wird der Wurm,
Verschlungen von der Wüste sind die Frommen,
Die Menge lobpreist vor dem goldnen Kalb.
 
 
15
 
Wildesel weiß ich in der Einsamkeit,
Doch Efraim macht werbende Geschenke,
Bauchnabelperlen für Ägyptens Maid
Und für die Tochter Babel Ohrgehänge.
 
Wie viele Hochaltäre aufgebaut
Im Lande sind, die Menschen zu entsühnen,
Ist keiner doch, der Sions Gott vertraut,
Der flammend in dem Dornenbusch erschienen.
 
Schlachopfer lieben sie und essen Manna,
Doch ohne Dankgebete und Vertrauen,
Drum werden alle in der Wüste sterben!
 
In Babels Zikkurat lobpreist man Ana,
Der Ischtar räuchern Räucherwerk die Frauen,
Den Zecher seh ich um die Hure werben.
 
 
16
 
Ich rede von der Torheit des Propheten
Und von des Weisen Wahnsinn red ich auch.
Lausch ich denn trunken lallenden Gebeten
Und geb ich Weisheit durch den Rautenrauch?
 
Anfechtung und Versuchung soll und Prüfung
Dir zeigen deine abgrundtiefe Schuld.
Durch deines Glaubens leidende Vertiefung
Erwirke dir erneut des Höchsten Huld.
 
Fangnetze seh ich überall umstricken
Den armen Hurengatten, den Propheten,
Und weinbenetzt des Totenreiches Schlund.
 
Gegraben werden Gruben in den Städten,
Den Seher in die Unterwelt zu schicken
Durch einer Dirne rotgeschminkten Mund.
 
 
17
 
So wie man Trauben findet in der Wüste,
So fand ich Israel, die erste Feige.
Doch Sion ließ betatschen sich die Brüste
Und bat den Baal, daß er ein Kind ihr zeuge.
 
Und Efraim ist wie ein Vogelschwarm
Und fliegt davon in Ischtars Schoß.
Und sieht er seine Kinder bettelarm,
So ist es doch, als wär er kinderlos.
 
Den Müttern gebe unfruchtbaren Schoß
Und laß die Brüste ohne Milch versiegen,
Weil ihre ganze Bosheit sich enthüllt!
 
Ich liebe sie nicht mehr, bin gnadenlos,
Verärgert über ihrer Lippen Trügen
Und ihre Lust an jedem Götzenbild!
 
 
18
 
Sät euren Samen der Gerechtigkeit
Und sät in Neuland, in den guten Acker.
Den Herrn zu suchen, das ist jetzt die Zeit,
So macht euch auf die Pilgerstraße wacker!
 
Dann wird er euch mit Segen überschütten,
Erheben wird er alle Unterlieger.
Du aber bist zum Grimm und Zorn geschritten,
Vertrautest auf die Stärke deiner Krieger.
 
Von Kriegen hört ihr und von schlimmen Seuchen,
Erdbeben stürzen eure Tempel ein
Und die eure Türme werden all zu Trümmer.-
 
Und werden wird im roten Morgenschein
Der Fürst von Sion treten aus dem Zimmer
Und durch den Staub von Krieg und Terror kräuchen!
 
 
19
 
Als Israel in Jugendkraft und Schöne
Ich angeschaut, da liebt ich den Geliebten,
Da rief ich Josef, rief ich Jakobs Söhne
Durch Moses aus dem Kerker von Ägypten.
 
Je mehr ich rief die Jungfrau Israels
Und lockte sie zum Offenbarungszelt,
Zu küssen dort der schönen Zähne Schmlez,
Je mehr lief sie zum Fürsten dieser Welt.
 
Ich wollte sie mit Menschensohnes Fessel
Und mit der Liebe Ketten an mich binden,
Ich rief von droben auf dem Felsensessel,
 
Mir brach das Herz, Barmherzigkeit entbrannte!
Doch wo ließ sich die Tochter Sion finden?
Wer war der Gott, der Sion übermannte?
 
 
20
 
Das sagt der Gott der Scharen, redet Jahwe:
Mit Gottes Hilfe kehr zur Ruh der Seele,
Bewahre Liebe, mein geliebter Sklave,
Dann krön ich dich mit fürstlichem Juwele!
 
Ich will dich lassen in dem Zelte wohnen,
Da ich erscheine in der Feuerwolke,
Ich segne mit Gesichten und Visionen
Die Seher und Propheten aus dem Volke.
 
Doch wegen eines Weibes wurde Sklave
Mein Diener Israel in Amrams Auen,
Um Jakob stritten sich die beiden Frauen.
 
Durch den Propheten hab ich ihn befreit
Aus Mizraim, da hat er sich geweiht
In meinem Bundeszelt dem Löser Jahwe!
 
 
21
 
Kehr um, o Sion, mit dem selben Fuße,
Mit dem du irrtest, komm, daß ich mich freue!
Du weihe mir die Tugend deiner Buße
Und liebenswerte Tränen deiner Reue!
 
Aus lauter Großmut will ich wieder lieben
Und werde da sein wie der Morgentau.
Du blaue Blume sei mir überschrieben,
Du Lilie, sei meine Liebe Frau!
 
Ich führe dich in die Zypressenhütte
Und meine königliche Zedernkammer
Und bett dich unterm Schleier auf dem Sopha.
 
Ich tränke dich mit Früchten vom Wacholder,
Und da erkenn ich dich, du nennst mich Holder,
Du, Jungfrau Israel, und ich, Jehowah!
 
 
 
 
 
 
II. DIE TOCHTER SION
 
 
1. EVA
 
Die Mutter Erde hat den Sohn geboren,
Den Hauch des Herrn, war er ein Staub vom Staube,
Dem Ewigen und auch der Zeit verschworn,
Aus Huld fiel er dem Tode nicht zum Raube.
 
Doch wo war sie, die Freundin, seine Taube?
Von seinem Fleische Fleisch und Bein vom Beine?
Da schlief er in der Paradieses-Laube
Und sah in einer Vision die Seine.
 
Vollkommne Frau, für alle Zeit die Meine,
Aus meiner Herzenswunde auferstanden!
Geb Gott, daß ich mich ganz mit dir vereine!
Und Mensch und Menschin liebend sich erkannten.
 
Doch Eva fiel, als Satan sie versucht.
Doch reicht die Frau dereinst die Lebensfrucht.
 
 
2. SARAH
 
Als die Dreifaltigkeit herniederkam,
Zu richten Sodoms und Gomorrhas Nacht,
Da hat der Patriarch und Bräutigam
Dem Herrn vorm Zelt ein Opfer dargebracht,
 
Da sprach der Engel Gottes süß und sacht:
Von Sarahs Schoß entstammen tausend Erben!
Da hat die Abgestorbene gelacht:
Will denn der Vater allen Glaubens werben
 
Um eine Alte, die schon nah am Sterben?
Doch Gott dem Ewigen ist nichts unmöglich,
Er wird noch aus dem harten Stein und herben
Tod auferwecken sich sein Volk. - Unsäglich
 
War über Isaak der Gottesschrecken.
Doch seiner Mutter Flügel wird ihn decken.
 
 
3. REBEKKA
 
Wenn Zwillinge im Mutterleibe drängeln,
Wer weiß da, wem da gilt des Höchsten Huld?
Der Jüngere wird sehen zu den Engeln
Und dienen sieben Jahre in Geduld.
 
Der Mutter Liebling wird Jehowahs Kult
Bewahren treu auf seinen Wanderwegen,
Denn Gott ist gnädig, trotz des Menschen Schuld,
Ob sich der Mensch erlistet auch den Segen.
 
Will Jahwe seine Auserwählung legen
Auf Eines Haupt, dann ist die Mutter hold,
Sie wird im Herzen immerdar bewegen
Des Sohnes Schicksal. Dessen Bruder rollt
 
Mit seinen wilden Augen schrecklich gar,
Weil Jakobs Mutter ihm nicht gnädig war.
 
 
4. RAHEL
 
Die Hirtin kam mit ihrer Schar von Lämmern,
Holdwandelnd zum verschlossnen Brunnenloch.
Wie schön der scheuen Hindin Augen flämmern!
Wie keusch die Scham auf ihrem Wangenjoch!
 
Will Israel ihr dienen noch und noch,
Ein Siebentagewerk in sieben Jahren
Der schönen Hirtin Rahel schenken. Doch
Der Arge will, es soll sich Jakob paaren
 
Erst mit der Älteren, der aber waren
Die Augen ohne Glanz und ohne Feuer.
O Rahel, Blumen trag in deinen Haaren,
Ich werde Tag um Tag dir treu und treuer,
 
Weil ich aus Liebe dich allein erwählte,
Weil Gott mich schöngeaugter Maid vermählte.
 
 
5. MIRIAM
 
Ägypten hielt sich Israel als Sklave,
Lehmziegeltreter hart zu unterdrücken.
Doch Zebaoth ist Retter, Jahwe
Ließ die Befreiung seines Volkes glücken!
 
Da standest du, das Rote Meer im Rücken,
O Paukenschlägerin, die du Gesang
Der Freiheit sangest! Heiliges Entzücken
Ging auf in Israel, das war so lang
 
Ein Volk verzagt, wie feige Memmen bang;
Du aber eine Heldin! prophezeitest
In Israels Geschichte Gottes Gang,
Des Gottes, den du als Prophetin freitest:
 
In Schilfmeers Schilfrohr trillern Rohres Dommeln -
Dir, Jahwe, deiner Gnade will ich trommeln!
 
 
6. RUTH
 
Ich werde stets in deinen Spuren gehen
Und sammeln, Guter, was du fallen läßt.
Du mögest immer gnädig zu mir sehen
Als wie zu einem demutvollen Rest.
 
Die Tauben schmiegen sich so schön im Nest,
Schläft denn die Nachtigall des Nachts allein?
Laß mich beim großen Dank- und Erntefest
Gekleidet in ein Kleid aus Mondenschein
 
Verliebt ganz still zu deinen Füßen sein,
Ich werde stille sein und dich nicht wecken.
Mein Löser, ich gehöre dir allein
Und werde deine Füße wärmend decken,
 
Doch du wirst mich in Huld zu dir erheben,
Da schenk ich einem Könige das Leben.
 
 
7. MICHAL
 
Mein Mann hat auf dem Saitenspiel gespielt
Und hat den Dunklen von der Furcht befreit,
Als der des bösen Geistes Macht gefühlt,
Sang David Psalmen von der Ewigkeit.
 
Und ich, ich war zu retten ihn bereit,
Als der verworfne König ihn gejagt.
Mitleiden war ich allem seinem Leid
Und hab verlassen um den Herrn geklagt.
 
Doch als sein großer Jubel ihm getagt,
Als vor der Herrlichkeit und vor der Macht
Er froh getanzt - er hat mich nicht gefragt,
Ich habe ihn als albern ausgelacht!
 
Dem Tanzenden vor Gottes Bundeslade
War ich unfruchtbar - das ist jammerschade.
 
 
8. ABIGAJIL
 
An einen Toren war als Frau gekettet
Ich arme Frau. Man nannte mich die Schöne.
Der König Israels hat mich gerettet!
Ich liebe ihn! Ich hab für seine Söhne
 
Kostbare Gaben, bringe ihre Löhne
Und David Weine und Rosinenkuchen.
Ob ich mich je an seine Huld gewöhne?
Nie wird er seiner Hirtentochter fluchen,
 
Er wird mich immerdar im Hause suchen,
Wenn ich da schlummere im Dämmerschatten,
Denn unser König ähnelt nicht Eunuchen,
Er weiß sich wohl mit einer Frau zu gatten,
 
Ich weiß mich an dem lieben Mann zu weiden.
(Doch warum muß ich Ahinoam leiden?)
 
 
9. ABISCHAG
 
Dich ruf ich, Engel in der Todesstunde,
Die du das herbe Sterben ihm verschöntest!
Ein Lächeln lag so hold auf deinem Munde,
Mit dem du einen Leidenden versöhntest!
 
O David, sterbender, wie schwer du stöhntest!
Da nahte Abischag, dich zu erwarmen,
Die du mit deines Alters Segen kröntest,
Weil sie erwiesen hat an dir Erbarmen.
 
O Abischag mit deinen Himmels-Charmen,
Komm du zu mir in meiner Todesstunde
Und trage mich in deinen Jungfraunarmen
Zu Gottes Thron, wo ich mit meinem Munde
 
Gemeinsam will mit dir bei Dattelpalmen
Jehowah singen hohe Hochzeitspsalmen!
 
 
10. BATHSEBA
 
Wer dich gesehen hätte in dem Bade,
Wie hätte der nicht auch die Schuld verübt?
Oh deines Leibes transparente Jade!
Wenn ihr euch, Wimpern, überm Auge hübt,
 
Da wäre jeglicher Psalmist verliebt,
Der da von Jugend singt und Inseltauben!
Ah weh! wie sehr die Schwäche uns betrübt,
Sie will uns gar den Gottesfrieden rauben!
 
Doch Gnade ist die Antwort unserm Glauben.
Gott schenkte dir den weisen Salomon.
Und Kronen hast du, Schleier hast du, Hauben,
Und bei dem Königsthrone deinen Thron!
 
Da kam ich, Davids Sohn, zu dir geschritten,
Dich, Königin, um Abischag zu bitten...
 
 
11. SULAMITH
 
Wie Duftöl und wie Salbe ist dein Name,
Du lautest wie die auserlesnen Öle,
Wie Myrrhe, Onych, Aloe, Balsame,
Doch süßer noch ist deine süße Seele,
 
Du Turteltaube in der Felsenhöhle,
Du Nachtigall, du dornenlose Rose!
Dein ist der Athemhauch in meiner Kehle,
Mein sündiges Gemüt, o Makellose!
 
Des Südweins Becher gleich ich deinem Schoße,
Dem Land von Milch und Honig deine Brüste!
Symbol der Schönheit Gottes bist du! große
Geliebte Gottes, ewiger Wollüste!
 
(In sterblicher Geliebter Angeschaut
Hab ich verliebt des lieben Gottes Braut.)
 
 
12. ESTHER
 
Den König lade du in deinen Garten,
Mach schön dich mit der Salbe und dem Öle,
In Schönheit deinen König zu erwarten,
Der da ganz hingegeben deiner Seele!
 
Du trägst die königlichen Kronjuwele
Und liesest in den Chroniken der Meder
Und Perser, und aus Nachtigallenkehle
Singst du und bauschest deiner Flügel Feder
 
Und singst dem König zu, der stolzen Zeder,
Von Gottes Gnaden, daß er deinem Volke
Erweise Gnade! Jede war und jeder
Vor Gott gehüllt in deiner Fürsprach Wolke,
 
Du unsre Königin, du unsre Schwester,
Viel schöner du als Ischtar, Jahwe’s Esther!
 
 
13. JUDTIH
 
Du Schönste, Schöneste im Kreis der Weiber!
Geh nur, du darfst dich für den Höchsten schmücken,
Der da geschaffen Seelen hat und Leiber
Zu seinem eignen göttlichen Entzücken!
 
Du Heldin, greife zu, das Schwert zu zücken,
Der Macht des Feindes die Gewalt zu rauben,
Assyrien und Babel zu zerstücken,
Vom Habicht zu erlösen Gottes Tauben!
 
Du brachtest Freiheit uns! Wir wollen glauben
Und preisen selig dich im Kreis der Frauen!
Jehowah kelterte Jehudas Trauben,
Daß wir bespritzt vom Blute Judtih schauen!
 
Die unter Frauen Allgebenedeite
Mit ihres Glaubens Schwert uns all befreite!
 
 
14. JUNGFRAU ISRAEL
 
Ich fand dich blutig unterm Baume liegen,
So ausgesetzt, verloren so und bloß.
Ich hab bei mir geschworn und nicht geschwiegen,
Du sollst mir werden eine rote Ros’.
 
Ich zog dich, jugendliche Schönheit, groß
Und schenkte vieles dir, dich schön zu schmücken.
Ich mach dich rein, ich mach dich makellos
Zu aller Schöpfung seligem Entzücken!
 
Und bittest du, will ich Gewährung nicken.
Ich lege dich als Ring an meine Hand.
Ich schirme dich in widrigen Geschicken,
Augapfel mein, mein Milch-und-Honig-Land!
 
Ich kröne dich mit sieben Sternensphären
Und du wirst den Messias mir gebären!
 
 
15. MARIA
 
Das Mitleid ist die große Möglichkeit.
Gott zog Maria so in seine Nacht,
Zur Miterlöserin ward so die Maid.
 
Wenn Gottes Geist die tiefe Ruh gebracht,
Wird sich der Seele Gottes Weisheit einen,
Die sie zu Gottes Eigentum gemacht.
 
Als Schweigen war, als fast verstummt das Weinen
Und alles war verzagt im tiefen Dunkel,
Ließ Gott der Weisheit goldnes Haus erscheinen,
 
Da kam das Wort, der göttliche Karfunkel,
Und leuchtete im tiefen Todesschatten
Vom Thron her mit verborgenem Gefunkel.
 
Wenn Seelen irgendeinmal Frieden hatten,
Auf daß die Weisheit in der Seele wohnt,
Wie konnte Gott sich dann der Jungfrau gatten,
 
Die Sonne spiegeln sich in ihr, dem Mond,
Denn sie war voller Ruhe, sie war rein,
Denn Gott hat vor dem Makel sie verschont.
 
So ging die höchste Gnade in sie ein,
Einwohnung Gottes sie, die Gott empfangen,
Er ward der ihre so, denn sie war sein.
 
Gott selber schmückte seine Braut mit Spangen,
Kleinodien der Weisheit, unterm Schleier
Der Nacht, in der sie niedertrat die Schlangen.
 
Gott stimmte selbst der Jungfrau ihre Leier,
In ihrer Demut war sie nicht bewußt
Sich ihrer eignen Schönheit auf der Feier
 
Der heiligen Vermählung in der Brust
Der Jungfrau und in ihrem reinen Schoß
In Süßigkeit der gottentstammten Lust.
 
Da stand sie in der Nacht, die makellos,
Und ward vom lichten Geiste überschattet,
Vom Tau des Lebens schwoll die rote Ros’,
 
Vom süßen Schimmer wurde sie begattet,
Von Gottes Morgenstern kam ihr der Schimmer,
Der sie beklebte, der sie nicht ermattet.
 
Allein Gott in der Höh, in ihrem Zimmer
War er allein der Herr und Bräutigam,
Die sie vermählt war mit dem Herrn für immer.
 
Sie war die Braut des Herrn, die monogam
Nichts andres wollte als des Höchsten Willen.
Und so wird ihr Gebet auch wundersam
 
Sich immerdar durch Gottes Huld erfüllen.
Nichts Irdisches in ihrem Herzen kreist,
Nur ein Verlangen wollte stets sie stillen,
 
Verlangen, das da hegt der Heil’ge Geist!
- Doch Gott in seiner Leidenslosigkeit
Sich selbst den Weg der schwersten Leiden weist,
 
Leidloser leidet für die Menschen Leid,
Drum hatte sie auch Mitleid mit den Wesen,
Den Seelen in dem Kleid der Sterblichkeit,
 
Mit ihnen hat sie Mitleid sich erlesen,
Das nicht nach Menschen-, das nach Gottes-Maß!
Von solchen Schmerzen, wer kann da genesen?
 
Und ob Maria je vom Schmerz genas?
Seht, ob es Schmerzen gibt gleich meinen Schmerzen!
Das wars, was sie in Jeremia las.
 
Wer fühlt so zart mit unsern armen Herzen
Und fühlt für alle unsre Nichtigkeiten
Wie sie, die hellste Kerze unter Kerzen,
 
Die leuchtet Trost in allen dunklen Leiden
Und sorgt sich noch um unsrer Liebe Wein!
Wir sehen sie der dunklen Welt entschreiten,
 
Um ganz allein die Braut des Herrn zu sein,
Vorbild für das Verzichten und Entsagen
Und Mittlerin der Weihe unsrer Pein!
 
Da hören wir sie reich an Tränen klagen,
Weil Israel sich Jesus abgewandt,
Den Herrn der Lästerung des Herrn verklagen
 
Hört sie sein Volk, hört Gottes eignes Land
Nun nach dem Kreuz für den Messias schreien!
Wie schwer ruht auf der Magd des Höchsten Hand,
 
Wie dunkel wird es, will der Herr uns freien,
Ohnmächtig werden wir vor Gottes Macht,
Versklavt, will uns der Ewige befreien,
 
Soll Licht uns werden, kommt die Mitternacht,
Soll Manna segnen, müssen wir verschmachten,
Dem Weinenden die wahre Freude lacht.
 
Gott wollte seine liebe Frau umnachten,
Um in dem Mitleid mit des Sohnes Schmerzen,
Die ihm die Sünden seiner Menschen machten,
 
Zu öffnen einen Raum in ihrem Herzen,
Da Gott ihr schenkt die große Mutterschaft!
Geschrieben steht mit Diamant in Erzen,
 
Daß allen Leiden unsrer Leidenschaft
Das Mitgefühl der Mutter Gottes gilt,
Der Mittlerin der Weisheit und der Kraft,
 
Das Mitleid Gottes ist sie, Gottes Bild.
Sie leidet jeden Schmerz von Gottes Sohn,
Doch bleibt sie sanft und demutvoll und mild.
 
Das Schwert durchschneidet ihre Seele schon,
Da gibt der Sohn zur Mutter uns die Frau -
Das ist sein Testament vom Kreuzesthron -
 
Um Ihn zu sehn in ihres Herzens Schau,
Denn Gott lebt in dem Inneren Marias,
In Gottes Herzen lebt die Liebe Frau -
 
In Ihrem Herzen sind wir des Messias.
 
 
III. DIE BRAUT JESU
 
 
1. SALOME
 
Du, Salome, du weißt sehr schönen Tanz
Zu tanzen mit den Hüften und dem Schleier.
Ich sehe deiner Silbermonde Glanz
Und in dem Haar den kleinen Jadereiher
 
Und seh den eingewobnen Perlenkranz
In deiner Seide, deines Leibes Leier
In Transparenz umhüllend, alles ganz
Geschaffen wie zu einer Hochzeitsfeier!
 
Was Wunder, daß ein königlicher Greis
Die Hälfte seines Reichs dir schenken will
(Ich würd dir schenken gar das ganze Reich)!
 
Da stockt das Blut, da steht das Herz mir still,
Das Haupt, das viel von Gottes Weisheit weiß,
Sinkt von den Schultern mir auf Einen Streich!
 
 
2. DIE EHEBRECHERIN
 
Sie schleppen dich vor deine Richter hin
Und haben unbarmherzige Gerichte,
Die ihren faulen Speichel speien in
Das wunderschöne Antlitz (im Gesichte
 
Steht Scham und Demut einer Sünderin).
Betörten dich judäische Gedichte
Von Lust und Liebe, Ehebrecherin?
Nun hängen sie Gesetze wie Gewichte
 
An deinen schlanken langen Schwanenhals,
Das dürre pharisäische Gelichter,
Die wissen nichts von Liebe, Lust und Leben.
 
Mir bist du eine Königin des Alls,
Ein Retter bin ich dir und nicht ein Richter
Und habe deine Schwäche gern vergeben.
 
 
3. DIE SAMARITERIN
 
Ich sehe lange deine Augen an,
In deinem Aug seh ich der Seele Schein,
Die Seele seh ich, welche lieben kann
Und ist trotz vieler Liebe so allein.
 
Und viele Lieben kamen, aber dann
Warst du allein mit deiner Liebespein.
O liebe Frau, o schau, der gute Mann,
Der so verlangt nach dir, ist auch nicht dein.
 
Und wenn man Brunnen auch von Steinen baut,
Man muß doch immer tragen schwere Eimer
Und wird trotz all der Fluten immer dürsten.
 
Nun schau mich an, du siehst den Friedefürsten,
Siehst Evas Samen, Segenserben, Träumer,
Der träumt, du seist ihm eine treue Braut!
 
 
4. DIE SYROPHÖNIZERIN
 
Ich höre sie, o Tochter, deine Klage,
Das Kindlein deiner Liebe ist besessen,
Unruhe hast du manche, alle Tage,
Die Herrschaft deiner Leibesfrucht ist wessen?
 
Wie könnt ich deine Traurigkeit vergessen,
Die spricht zu mir in der bescheidnen Frage.
Du sagst, daß Hunde noch den Abfall fressen,
Und bittest, daß ich Krümel zu dir trage.
 
Berufen bin ich zu der Heiligkeit
Als erster Sohn im auserwählten Volke
Und auf mir ruht der Geist. - Doch, schöne Taube,
 
Wie grenzenlos der Schatten meiner Wolke!
Auch Heiden will ich lieben, weil ihr Leid
Ist eine Mutter und das Kind der Glaube.-
 
 
5. DIE FRAU MIT DEN BLUTUNGEN
 
Ich stehe im Gewimmel und Gedränge
Und die Alltäglichkeit ist eine Haft
Und all die kranken Leiber in der Enge
Und kranker Seelen kranke Leidenschaft!
 
Da merke ich, wie mitten in der Menge
Von meinem Mantelsaume eine Kraft
Ausgeht und stillt in heilig-ernster Strenge
Den unaufhörlich fließenden, den Saft,
 
Den strömenden, den Saft des kranken Blutes.
Dem Blut will ich mit meinem Blut gebieten,
Von deiner Krankheit ist mein Herz mir wund!
 
Doch du berührtest mich. Sei gutes Mutes,
Dein stiller Glaube machte dich gesund,
Ich segne dich, o Frau, geh hin in Frieden!
 
 
6. MARIA MAGDALENA MIT DEN SIEBEN DÄMONEN
 
Wen rufst du an auf deines Herzens Stuhl,
Wen lässest du in deiner Seele wohnen?
Wen liebst du mit vergötterndem Gebuhl
Und wessen Geist läßt du im Geiste thronen?
 
Ich sehe den in dir, den Beelzebul,
Ich werde seine Schlechtigkeit nicht schonen,
Ich treib ihn aus bis in den Feuerpfuhl,
Und daß er quälte dich, mit Qual ihm lohnen!
 
Mit Feuer feg ich deine Wohnung sauber,
Treib sieben Teufel aus aus sieben Zimmern
Und lasse guten, süßen Wind herein.
 
Sie kehren nicht zurück, denn du bist mein!
Vorüber ist des Alptraums böser Zauber,
Fortan wird Gottes Liebe in dir schimmern.
 
 
7. DIE SÜNDERIN
 
Nicht Simon gab mir tausend Liebesküsse,
Doch du, die aufgetaucht aus ihrem Sunde,
Du gabest Küsse mir, so honigsüße,
So nektarsüße mit dem Rosenmunde!
 
Demütig sankest du mir vor die Füße,
Als wäre wohl dir nur im tiefsten Grunde,
Als wäre deine Liebe, die gewisse,
Die Liebe nur von einem treuen Hunde.
 
Mit deinen Lippen seh ich dich, den falben,
Und mit den Augen voll von Wehmuttränen
Und höre: Simon nennt dich Sünderin.
 
Vor dem Gesalbten weinst du, mich zu salben!
Du wandelst auf dem Blute meiner Venen
In mir als demutreiche Königin!
 
 
8. MARTHA UND MARIA
 
Nein, Martha, nicht begehre ich dein Geld
Und mehr das Herz begehr ich als das Brot,
Auch muß ich schlafen nicht im Leinenzelt,
Wenn mir das All der Himmelsscharen loht,
 
Und nimmst den Fleiß du als des Herrn Gebot,
Ich mein, daß Gott Beschauung höher stellt.
Der minnigen Maria Mund ist rot
Und wie es ist: sie spricht was mir gefällt!
 
Sie setzt sich nieder in die samtnen Kissen
Und lauscht der Weisheit mit den Muschelohren
Und sieht mit ihrer Seele Aug nach innen.
 
Von königlicher Weisheit auserkoren,
Ist sie geboren, inniglich zu minnen
Und schauend, atmend mir mein Herz zu küssen!
 
 
9. MARIA MIT DER KOSTBAREN NARDE
 
Wer schenkt mir seinen ganzen Jahreslohn
In einer Duftkaraffe voll von Narden?
Die geizigen Verräter sprechen Hohn,
Ich aber mit der zärtlichen und zarten
 
Messiasliebe lieb als Menschensohn
Duftreiche Narde aus des Morgens Garten.
Nein, schäm dich nicht, nein, werd nicht rot wie Mohn,
Wie lange mußte ich voll Sehnsucht warten
 
Auf eine Liebenden, wie du mich liebst!
Nun, Mutter Erde, kannst du mich begraben,
Sind an mir doch des ewigen Lebens Öle!
 
Ich möchte nimmer, daß du dich betrübst,
Denn wusste keine sonst mich so zu laben
Wie du, Maria, vielgeliebte Seele!
 
 
10. MARIA MAGDALENA UNTER DEM KREUZ
 
Ich liebe dich mit meinem wunden Herzen,
Mein Herz geöffnet! und mein Herz durchbohrt!
Ergießt Balsamen deinen Minneschmerzen,
Hat scheidend noch für dich ein gutes Wort.
 
Und scheid ich auch, ich lieb dich fort und fort!
Nach allen Minnetränen wirst du scherzen
Im Garten meiner Minne! Hier und dort
Dir brennen meines Geistes sieben Kerzen!
 
Von Tränen triefend deine Hennamähne
Umflutet meines Kreuzes Zedernstamm,
Der ist dir aus des Lebens Baum gezimmert.
 
Verschlinge mich als süßes Opferlamm,
Daß meine Minne dir im Herzen schimmert
Und macht dich selig, meine Magdalene!
 
 
11. MARIA MAGDALENA IM GARTEN
 
Sieh, Frau, du bist so schön mit deinen zarten
Und sehnsuchtsvollen Tränen deiner Minne!
Doch warum nahst du, meinem Leib zu warten,
Siehst du die Gottheit denn durch deine Sinne?
 
Willst du den Leichnam salben mit den Narden,
Den Toten salben mit dem Bart am Kinne?
Das Leben will erscheinen dir im Garten,
Der lebensvollen Liebesflamme inne!
 
Willst du die Wunden an dem Fleisch berühren?
Verwirr mich nicht mit minnigem Gekose...
Gerufen werde ich ins Jenseits drüben!
 
Von innen will ich dich zur Hochzeit führen,
Als lieber Gott in deines Herzens Rose
Mit ewiger Liebe, Magdalee, dich lieben!
 
 
12. JERUSALEM
 
Ich träume, Friedensfürstin, einen Traum,
Da bist du Herrin in der andern Welt,
Du wandelst auf des Mondenmeeres Schaum
Als Zeichen, Liebe Frau, die mir gefällt.
 
Ja, ich bin Minneritter, frommer Held,
Du meine Schöne mit der Sonne Saum!
Ich offenbare dir mich in dem Zelt,
Erkennen werd ich dich beim Lebensbaum,
 
Als Lämmlein lager ich in Lilienauen,
Bei Gottes Lebensbaum auf Sions Almen
Werd ich Jerusalem, der Braut, mich einen. - -
 
Die Seraphinen singen Hochzeitspsalmen
Der Lieben Frau und Myriaden Frauen
(Und meine Sänger werden nimmer weinen)!...
 
 
 
 
 
IV. THE SONNETS OF SHULAMITE
 
1
 
O kiss me, my beloved, kiss me, kiss
Me with the kisses of red roses’ mouth!
Thou art my only love, my life, my bliss,
I am thy black-eyed daughter of the south!
 
O bring me, my beloved, in thy chamber,
I will be glad in thee, I will rejoice!
I love thee everlastingly! Remember
The night I choose thee - thy love ist my choice!
 
I am but black but comely, virgins, black,
Because the sun hath cast his eyes on me,
Oh do not mock me, virgins, do not mock!
 
Tell me, my friend, where feedeth thou thy flock?
My soul ist like the sea, the foaming sea,
O lay thy pearls, beloved, on my neck!
 
 
2
 
I am the horse, thou art the chariot
Of Pharao, egyptian princess I!
Thou art the sun, the star, my only god,
Thou looked to me with very charming eye!
 
I pray thee, kiss me on my rosy cheek
And bind my neck, my love, with golden chain!
O I am comely, thou art mild and meek,
Thou art the morning-star, I am the maine!
 
A buddle of myrrh my wellbeloved is,
My wellbeloved shall lye all the night
With sweetest sports of love between my breasts!
 
O kiss me, most beloved, kiss thy kiss
And look to my with eyes as heaven bright
And love me like on everlasting feasts!
 
 
3
 
I am the rose, I am the rose of Sharon,
I am the lily, lily of the valley!
My friend comes to me, beautiful as Aron,
He cometh through his passion’s cypress-alley!
 
 
He is the apple from the tree of life!
I am a rose among the thorns, so chaste!
He is my god, I am his only wife!
So sweet, so sweet his mannah to my  taste!
 
Oh, comfort me, for I am sick of love!
My tongue is sweet, my tongue is flaming fire!
My heart’s all thirst, my heart’s all pure desire!
 
His hand is in my hair, his other hand
Doth all the spheres of seven heavens move!
Awake, awake, my love, in Sion’s land!
 
 
4
 
Behold, my wellbeloved is an hart,
I see him coming all along the mountain,
His thirst longs for my soul, my female heart,
My life to him is as an living fountain!
 
He said to me: Arise, arise, my morn,
Thou art as beautiful als sun and moon!
The winter’s past, the rose of may is born,
The nightingale will sing the red rose soon!
 
The flowers appear on earth, the moon of may
(As mannah) shining excellently bright!
Arise, my fair one, rise and come away!
 
My sweet, my soft, my black-eyed love of night!
Thy love is sweeter than the cyprian wine!
Thou art my own, my love, and I am thine!
 
 
5
 
Behold the bed, the bed of Solomon:
The angels waking near the bed like knights!
O sleep sweet sleep, my father and my son,
My bridegroom, thine are all my burning nights!
 
My flesh, my heart, my soul, my spirit stirr,
And beautify with love my female sense!
I am perfumed for thee with sweetest myrrh,
I smell for thee like indian francincence!
 
The pillars are of silver, and of gold
The ground, the covering all purple red,
The midst thereof with love, with love all paved!
 
 
I am thy bride with naked breasts, behold!
Thy love is for my love a welcome bed
And for thy everlasting love I’m saved!
 
 
6
 
By GOD’s own grace my goddess! Thou art fair,
Thou art the queen of beauty, ah, my love!
Thy eyes are like the ocean and the air,
Thy eye is soft, beloved, like a dove!
 
Thy teeth are pearls, thy lips are red like blood,
Thy smile, my lady, all my spirits hail!
And brown thy long, long locks, thy hair’s red flood
Is falling to thy bosom like a veil!
 
Thy neck’s swan’s neck or Davids tower,
With lapislazuli on silver chain!
Thy breasts - all saints of heaven! what a shower
 
Of fire-flames fall on me with bliss and pain! -
Thy breasts are apples hopping down and up!
Thy lap, my love, is in the mess the cup!
 
 
7
 
Thy lips, my spouse, they drob as honeycomb!
Thou art the promised land of milk and honey!
My heaven’s paradise is in thy womb
(And there I am a seraph singing funny)!
 
Thou art a garden, o my mystic rose,
I am the gardener, King Solomon!
Thy door of heaven never for me close
And let me in the wood of Lebanon!
 
O smile to me, my love, and I am healed,
Thou living fountain with the Spirit sealed!
O Shulamite! my love-song and my lute!
 
O kiss me with the odour of thy mouth,
The tongue of fire and the breath of south!
And I will worship - ah! thy womb’s sweet fruit!...
[Inhalt]


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