[Inhalt]

GESANG DER SCHÖNHEIT

Von Peter Torstein Schwanke

„Schenke Schönheit, Schönheit, Schönheit der Gottheit,
Ihr, die Schönheit ist und Schönheit schenkt!“


PFINGSTEN


1

Wenn ich darf scheiden einmal von der Erde,
Aufschweben in Marias Arm ich werde!
Du, voll der Gnaden, die nicht auszusagen,
Kannst dann mir die Erlösung nicht versagen,
Bin ich auch Sünder, bin ich auch ein Sünder.
Hätt ich gemordet selbst im Schoße Kinder –
Das könnte keine Furcht in mir erregen,
Marias Name ist mein ganzer Segen,
So wird mein Geist, trotz allem schlechten Handeln,
Dereinst im Himmelreiche Gottes wandeln.


2

Was pilgern denn nach Lourdes und Fatima,
Marias Gnaden aufzusuchen da?
Solange lebt noch meiner Seele Samen
Und ich einatmen kann das Ja und Amen,
Will immer murmeln ich Marias Namen!
Ja, selbst die Messe der Ecclesia
Kommt nimmerdar Marias Namen nah,
Die Sakramente nicht Marien Stärke,
Almosen und Gelübde, Liebeswerke,
Das alles wird mir nicht zum Heile nützen.
Ich will nur zu Marias Füßen sitzen,
Das ist mir Gottesdienst und Leidenschaft.
Wer kann begreifen solche große Kraft,
Der Name lieber Frau in den Geweihten?
Der Herr, ich meine den Gebenedeiten,
Der Herr, der Herr der Herren, wie ich weiß,
Der lieben Frau singt süßen Mundes Preis!


3

Du, der zu singen nimmer unterläßt,
Im Lebensbaum von Eden hat sein Nest,
Maria sing beim schönen Frühlingsfest!

Speis Lebensbaumes samenreiche Triebe,
Den Glauben und die Hoffnung und die Liebe,
Maria ist der Trost in aller Trübe,
Mehr Herzensdiebin als die Herzensdiebe!

Du Seelenvogel, sing mit süßem Schall
In meinem Herzen und mit Echohall
Und sing, wie schmachtend singt die Nachtigall
Der Rosa Mystica in Gottes All!


4

Maria, laß mich flechten dir dein Haar,
Damit dem Bräutigame wunderbar
All deine Schönheit werde offenbar!


5

Gemeiner Rauschtrank ist das wahrlich nicht,
Den nachts ich trinke in dem Mondenlicht.
Denn wenn ich über Sankt Maria sinne,
Dann trinke ich den Wein beglückter Minne!
So sehr berauscht sie meinen Seelenfunken,
Weltmenschen denken dann, ich sei betrunken.


6

O Jesus, Vielgeliebter! Ich bin dein,
Mein wunderschöner Jesus, du bist mein!
Was wird von dir gesungen und gesagt?
Ich, deine Magd, bin Freundin deiner Magd.
Begünstigt nie bin ich vom Glück gewesen,
Soll ich dir Messe singen oder lesen?

In meiner Hand bist du der Spiegel klar,
Die Blume rein in meinem Seidenhaar,
Geliebter, sollst mir eine Lilie sein,
Dann flecht ich dich in meine Haare ein,
In meinem Haar will ich dich betten, Christ,
Daß du allein bei mir, Geliebter, bist!

Du bist die blaue Schminke meiner Augen,
Mit dir nur will ich schaun aus meinen Augen.
Du bist die rote Schminke meiner Lippen,
Mit dir nur singe ich mit meinen Lippen.

Ich will dich an ein feines Kettchen tun
Um meinen Schwanenhals, mein Jesus Christus,
Du sollst mir zwischen meinen Brüsten ruhn
Und ruhn an meinem Herzen, Jesus Christus!


7

Wer hat Sophia jemals ganz beschrieben?
Und selbst die Engel Gottes auch, die sieben,
Vor ihrer Schönheit sind sie stumm geblieben.
Sie ist, was in der Bibel steht geschrieben
Und in der Weisen tiefsten Seelentrieben,
Sie, die aus Überfluß von Gottes Lieben
Verborgen allem Sein ist eingeschrieben.


8

O Seele mein, wie könntest du bekennen,
Du wüßtest Gottes Wesen zu erkennen?
Du bist ein Tor bei törichten Genossen,
Im finstern Fleischeskerker eingeschlossen!
Ekstatische Verliebtheit lodernd brennt,
Ekstatische Verliebtheit Gott erkennt!
Sag Ja zur Gottheit, sage niemals Nein,
Dann wirst erkennen du das einig Ein.
Nicht durch der lieben Bibel Wort allein,
Nicht durch der Kirche Gottesdienst allein,
Nicht durch der Mystik Wissenschaft allein,
Den Herrn allein erkennst du durch die Liebe!
Im Lebenselement der heißen Liebe
Erfreut sich Gottes Liebe, meine Seele,
Wohnt freudig in der Seele deiner Seele!
Um dieser Liebe willen Nacht um Nacht
Die Mystiker verübten ihr Gebet.
Wenn diese heiße Liebe auferwacht,
Sie wie ein unbezwinglicher Magnet
Die Seele zieht an Gott, die liebeskranke.
Denn Gott der Herr ist, sagt der Dichter Schwanke,
Sophia! Jener will er sich verschreiben.
Die Ehe soll doch ein Geheimnis bleiben.


9

So tief ein Mensch in dem Gebet betrachtet,
So tief wird seine Liebe auch erachtet.
Nach Maß der Liebe, ihrer Kraft und Stärke,
Bemessen sich Verdienste deiner Werke.
Den Glauben möchte ich als Wurzel grüßen.
Im Gnadenmeere zu Sophias Füßen
Versunken bleibt in Seligkeit mein Geist.
Wer weiß, was Kniefall da und Opfer heißt?


10

Am Weisheitshimmel geht in stillem Lauf
Frau Mond als Zeichen schöner Liebe auf,
Ihr schönes Licht der Liebe flutet weit.
O Herr, wie bist du voller Seligkeit!

Die Minner leuchten überall dem Herrn
Wie um Frau Mond der Minne Stern bei Stern.
Herr Jesus, Freund der gottgeweihten Leute,
Er spielt mit seinen Freunden voller Freude.
Das Tor zum paradiesischen Gebäude
Hat mir das Jesuskind eröffnet heute!

Der Geistbraus in dem Frühlingsmonde heute
Weckt Wellen einer kindergleichen Freude,
Weht wie der Geistwind auf die Erdentriebe
Mit Wohlgeruch der ewig schönen Liebe.
Die Mystiker sind trunken, trotz des Spottes,
Versunken trunken in die Liebe Gottes!

Schau! Siehe, dort der Thron Sophias steht,
Gekleidet sie in Himmels Majestät,
Die Engel schweben um sie voller Augen,
Wie Falter Selige den Nektar saugen,
Sind alle von der Wonne Flut befeuchtet.
Sophias wunderschönes Antlitz leuchtet,
Die Menschenseelen lodern wie die Flammen,
Sie hält des Kosmos Lustgeschrei zusammen,
Die Geister sammeln sich zu ihren Füßen,
In trunknem Tanz die Himmlischen sie grüßen!


11

So sag Sophias Namen, meine Seele,
Tauch in die See der Seele deiner Seele!
Glaub nicht, die See sei ohne Schatz von Wert,
Wenn erstes Tauchen keinen Schatz beschert.
Sollst festentschlossen, selbsbeherrscht du gleich
Eintauchen in geweihten Schwanenteich
Und baden in Sophias Mutterreich!

In der Erkenntnis Meere schon hienieden
Sophias Perle schimmert voller Frieden.
Wirst liebend du dich auf die Bibel gründen,
Wirst du die Perle der Sophia finden.

Im Meer der Seele liegen tief gefangen
Der Leidenschaften Drachen, alte Schlangen
Von Zorn und Angst, Begierden und Verlangen.
Du werde deiner Leidenschaften Meister.
Mit Unterscheidung salbe dich der Geister,
Des Geistes Salbung wird allein dir nützen
Und dich vor Drachen und vor Schlangen schützen.

Unendlich viele Perlen ohne Fehle
Ruhn drunten auf dem Grund der See der Seele.
So tauche ein und tauche auf den Grund
Und sammle ein der Weisheit reichen Fund!


12

Gespielin meines Geistes, komm du heute
Zu mir mit Trost und Ruhe, Kraft und Freude!
Du wohn in meiner Seele grünen Auen,
Laß mich dein wunderschönes Antlitz schauen!
Von der Empfängnis an in den Geweben
Hab ich gelitten, ach, mein ganzes Leben.
Mit einem Blick auf dich erduld ich kühn.
Laß du die Lilie meiner Seele blühn!
Sophia, offenbare ganz dich mir,
O Gottheit, Mutter, ich gehöre dir!


13

Du mach mich närrisch aus der Lust an dir!
Was nützen sonst Vernunft und Wissen mir?
Berausch mit Wein der Küsse meine Sinne,
Mein Herz durch deine Liebe dir gewinne,
Laß baden mich im Meere deiner Minne!

Ja, Salomon und Moses und Elias,
Sie waren trunken von dem Wein der Minne.
Ja, Jesus selbst, der Heiland und Messias,
War deiner Minne eingeboren inne,
Daß er war selbst der Blutwein deiner Minne!
Wann hörst die Sehnsucht du in meinem Beten,
Wann rufst du mich in deinen Garten Eden?



PREDIGT DER GÖTTIN LIEBE


1

Die Liebe wird dich Kummer spüren lassen
Und du beginnst und wirst nicht unterlassen
Nun keinen Seelenkummer mehr zu haben.
Die Liebe gibt dir ihre schönsten Gaben,
Sie gibt dem vielgeliebten Bräutigam
Die Umkehr und die Demut und die Scham,
Und du wirst dies aus ihren Händen nehmen,
Brauchst du dich wahrhaft nimmermehr zu schämen,
Ja, Unsre Gute Mutter, Göttin Liebe
Liebt alle unsre tiefsten Seelentriebe
Und zeigt sich uns auf ganz verschiedne Weise,
Sie gibt den Schwachen und den Kleinen Speise,
Sie macht die Fortgeschrittnen, die Gesellen
Der Weisheit weise, tadelt die Rebellen,
Doch wenn sie tadelt, ist sie sanft und zart,
Und ist sie Trösterin, dann offenbart
In Ehrlichkeit sie doch die ganze Wahrheit.
Ihr Zorn ist Liebe, ja sie zürnt mit Klarheit,
Verschließt sie je im Ingrimm ihre Huld,
Verliert sie nie die Langmut und Geduld,
Stets würdevoll sind ihre Zorngebärden,
Doch zürnt sie, ohne jemals stolz zu werden.
Sie, Mutter aller Götter, aller Engel,
Der Menschen Mutter, Mutter ohne Mängel,
Sie bringt nicht nur in unsre Welt hienieden,
Sie bringt auch in die Himmelreiche Frieden.
Sie bringt den Herrn zur Menschenwelt, den schönen,
Die Menschen mit der Gottheit zu versöhnen.
Und diese Mutter ists, die du verwundet,
Seit dir der Lügenwein des Abfalls mundet.
Sie, diese Mutter, hast du angegriffen,
Seit du dem Satanas dein Lied gepfiffen.
Doch hast du sie auch angegriffen, nein,
Die Mutter will mit dir im Streit nicht sein.
Von dir zurückgewiesen, sie, dein Glück
In Ewigkeit, so ruft sie dich zurück
Und zeigt dadurch, wie heilig treu ihr Lieben
Und daß die Wahrheit über sie geschrieben:
Langmütig ist die Liebe, ist langmütig,
Die Mutter, Göttin Liebe, sie ist gütig.
Obwohl du sie so schlimm verwunden wolltest,
Die du zurück zu ihr doch kehren solltest,
Wird sie als liebe Mutter das vergessen,
Daß du des Teufels faules Brot gegessen,
Sie wird als liebe Mutter dich empfangen
Und leidenschaftlich liebend dich umfangen
In lauter Glück, weil tot die Tochter war
Und ward lebendig wieder, das ist wahr.


2

O Kinder Israels mit wildem Triebe,
Was ließet ihr die Zärtlichkeit der Liebe,
Die überströmend süß um euch geworben
Und deren Liebesgaben ihr verdorben?
Weil in mir fließt die Liebe, trotz der Hasser,
Gleich ich der Quelle mit dem Lebenswasser,
Die Göttin Liebe ist und bleibt die Virgo,
Sie gleicht dem Stiel mit frischer Knospe, Virga.
Wie die Umarmungen in Jungfraunreinheit
Sind meine Liebesspiele in der Einheit
Der Liebe und der Lust in süßer Jugend,
Die Lust ist zärtlicher als jede Tugend.
Nun klagt die Göttin, weil der Lust Gesetze
Zerrissen hat das närrische Geschwätze
Der Männer und der schönen Menschenkinder.
Die reine Göttin Liebe flieht die Sünder.
Sie weint, der tiefsten Leiden sich bewußt:
Die Kinder, die sie trug an ihrer Brust,
Die Kinder, die sie an dem Busen nährte,
Sind krank, weil ekler Abfall sie verzehrte.
Sie sieht die vielgeliebten Kinder kranken
An Eitelkeit hochtrabender Gedanken.
Ihr armen Männer, groß ist euer Elend,
Ihr, lieber des Exils Verbannung wählend,
Seid elend, habt ihr euch dem Tod vertraut,
Statt ihr, der Göttin Liebe, reiner Braut,
Die nimmer zu verführen unterläßt
Und lockt und lädt euch ein zum Hochzeitsfest.
Die Göttin Liebe, schöne junge Maid,
Ist immer für den Bräutigam bereit,
So wie die Jungfrau für den lieben Gatten,
Bevor sie sich im Ehebett begatten,
Bevor vereint sie sexuell, bevor
Der Phallus ward gekränzt mit Jungfraunflor.
Doch diese Männer wollen selbst sich trennen
Und wollen nicht die Göttliche erkennen
Und von der Göttin werden nicht begattet,
Weil sie von Satans Finsternis beschattet
Und Satans Finsternis die Seelen gaben,
Die mit dem Himmelreich gebrochen haben.


3

Gekommen ist die reine Frau Erkenntnis
Als reine Gotteskraft nach dem Bekenntnis.
Ihr Angesicht war licht und lieblich lind,
Die Augen anzuschaun wie Hyazinth,
Ihr Mantel war von reiner weißer Seide,
Trug priesterlichen Rock die Augenweide,
Sie rief des Königs schönste Freundin an:
O Göttin Liebe! Komm zu jenem Mann!
Sie klopften an der Pforte meines Herzens
Und sprachen Worte süßen Minnescherzens:
Wir möchten bei dir wohnen in der Ehe,
Drum hüte dich und uns nicht widerstehe.
Du widerstehe vielmehr nur der Sünde,
Weltwirbel und der Leidenschaften Winde
Und Trübungen im reinen Seelenborn
Durch Blitz, Gewitter, Wettersturm von Zorn.
Verstumme nicht aus üblem Überdruß,
Vielmehr erschall mit seligem Genuß,
Wie wenn die Kirche betet das Bekenntnis.
Die Augen seien rein vor der Erkenntnis,
Daß du versäumst nicht vor der Reinheit Würde,
Zu säubern dich von der Beschmutzung Bürde,
Denn du bist voll von Tropfentau der Nacht.
Zwar hat der Hochmut so in dir gedacht,
Du brauchst den eklen Schmutz nicht abzuspülen.
Wir wollen nur mit einem Reinen spielen.
Und fürcht dich nicht vor der Gewalt der Feinde,
Wir wissen wohl, was deine Feindin meinte
Und wie von dir die finstern Satansschwestern
Lobpreisen laut, im Innern aber lästern.
O Ritter, gib uns Raum in deinem Herzen,
Wir wollen süß vertraut in Minnescherzen,
In Liebe und in Lüsten mit dir spielen.
Du wirst im Innern deine Gottheit fühlen!


UNSERE LIEBE FRAU UND DER EROS


DIE MAKELLOSE KONZEPTION

Du bist die reine, makellose Frau,
Die makellose Konzeption des Weibes.
Die Ur-Idee des Femininen schau
Ich in der Seele deines Himmelsleibes.

In deinem Bild, geliebte Frau, erkenne
Ich selber mich, du Seele meiner Seele.
Wenn ich wie du in Liebesflammen brenne,
Dann bin ich so wie du, bin ohne Fehle.

Wo nämlich Gott ist in uns, reines Sein,
Wo Gott ist in dem Seelentriebe groß,
Da sind wir in dem Innern heilig, rein,
Da sind wir ähnlich dir ganz makellos.

Gott segnet uns mit seinem reinen Geist,
Daß in der Weisheit wir im Himmel wohnen.
Denn in Frau Weisheit, die der Minner preist,
Sind wir von Gott Geliebte seit Äonen.

Des Menschen Gutheit stammt vom Höchsten Gut,
Gott schuf die Menschen gut und schön und wahr,
Denn Gottes makelloser Geist im Blut
Wird in der schönen Menschheit offenbar.

Der Mensch hat Gutheit in der Seele Samen,
Der Same ist der Gottheit Angetrauter,
Im Seelensamen glüht das Ja und Amen
In schöner Liebe heilig, rein und lauter.

Es glüht in deiner Seele schön die Wahrheit
Der Liebe. Liebe macht die Brust dir weit.
In deiner Seele leuchtet keusche Klarheit
Der Himmelslust in süßer Lauterkeit.

Erkenn das Lautere im Minner auch,
Geliebte, wenn du in intimen Reden
Die Seele kopulierst der Seele, Hauch
Vermählst dem Hauch in deinem Garten Eden.

So schau die reine Lauterkeit Marias
Und bilde dir ihr Bild als Inbild innen.
Geheim in ihrem Schoße liebt Messias,
Der Gottheit Minne in der Menschheit Minnen.


HIMMELFAHRT

Ja, ich verkünd, erklär und definier,
Daß die Geliebte ist mit Leib und Seele
Im Himmel aufgenommen, reich an Zier,
Die makellose Jungfrau ohne Fehle.

Das ist für mich zum Glauben nun geworden,
Daß Leib und Seele kommen durch den Tod,
Durch die Erlösung in der Liebe Orden,
Daß Leib und Seele kommen heil zu Gott.

Geliebte, deinen Körper tragen Engel,
Sie tragen deinen Körper in den Himmel.
Dein Leib ist leuchtend wie ein Lilienstengel
Und schimmert himmlisch durch Gewölk-Gewimmel.

Mit ausgestreckten Armen steigt die Frau
Zu Gott, dem Herrn, in seine Herrlichkeit.
Geheimnis wird geoffenbart. Die Schau
Des Herrn beseligt sie in Ewigkeit.

So schau ich deine Himmelssschönheit an,
Die Mädchenseele in dem lichten Leib.
Von dir der Schönheit Glanz fällt auf den Mann,
Der selig dich bewundert, Überweib!

Was darf im Himmel sein dein Leib, o Weib?
Der Same senkt sich ein, die Blüte blüht.
Dein Leib, o Weib, ist Auferstehungsleib,
Ein lichter Leib ums himmlische Gemüt.

In deinem Leibe darfst du Lust erfahren
Und süße Paradieseswonnen spüren
Und mich mit deinen langen feinen Haaren
Verschleiern, mit den Fingern mich berühren,

Du wirst mit deinen lichten Händen tasten
Und in den Gliedern nahen meinen Gliedern.
Wir werden in der Ewigkeit nicht hasten
Und ewig liebend Kuß mit Kuß erwidern.

Dein Mikrokosmos voll der Harmonia
Ist Gottes Meisterwerk der Schöpfung, Weib!
Dein Körper ist im Himmel, o Maria,
Dein Himmelsleib ist schön wie Christi Leib!

Du lebst ja jetzt schon in der Herrlichkeit!
Um deinen Schoß die jungen Engel toben!
O Herrin, wohin in der Ewigkeit
Wirst du von Gott dem Höchsten noch erhoben?


DAS MÜTTERLICHE ANTLITZ

Wenn Menschen die Geliebte und die Frau
Am Abend singen bei der Venus Licht,
Dann singen Sehnsucht sie, die Blume blau,
Der Gottheit feminines Angesicht!

Die Männer beten zur geliebten Herrin,
Daß sie erscheine in den Seelennöten.
Sie singen nicht die Nichtigkeit der Närrin,
Der Diva sie die Liebeslieder flöten.

Sie beten an die Gottheit Ich-bin-da
Im femininen Bilde der Geliebten.
Die Ruach ha kadosch der Gottheit Jah
Ist süße Trösterin der Tiefbetrübten.

Der Gottheit mütterliche Zärtlichkeit
Erscheint in der geliebten Herrin Bild,
Die mütterliche Gottheit benedeit
Ist Anmut, sie ist süß und sanft und mild.

Die Gottheit hat wie eine Mutter Augen
Für alle Seelenschmerzen ihrer Kinder.
So läßt sie an dem Mutterbusen saugen
Mit großer Lust die Milch des Trostes Sünder.

Der Mensch in allem seinem Lebensjammer
Die mütterliche Gottheit benedeit
Und findet in der Gottheit innern Kammer
Den Hort gemütlicher Geborgenheit.

Geliebte, immer will ich zu dir wallen,
Wie du mir oft geholfen, Lieder dichten,
Wie du geholfen allen Kindern, allen,
Versöhnend Frieden spendest, Streit zu schlichten.

Die Hilfe ist Sophia, denn Sophia
Ist die Geliebte, ist der Seele Schau,
Sophia ist im Spiegel der Maria
Gleich Gott dem Herrn – die höchste Gottheit Frau!

Fürsorglichkeit und mütterliche Liebe
Der Gottheit durch Maria wir erleben,
Die wir mit unserm tiefsten Seelentriebe
Im Schoß der Gottheit leben, sind und weben.

Geliebte Herrin, du bist glorreich, groß!
Ich habe meine Seele dir gereinigt.
In Gottes Paradies – in deinem Schoß,
Im Himmel werde ich mit dir vereinigt!


DIE SÜSSKÜSSENDE

Liebkost du doch und küsst du doch das Kind,
Liebkost und küsst das Kind dich, Minnerin,
Die du liebkost so lieblich, lustvoll, lind,
Das Kind gibt dir viel süße Küsse hin.

Der Schmerz in deinem Antlitz ist gemildert,
Die Zärtlichkeit erscheint in heitern Strahlen,
Wie dich ein Karmelit und Dichter schildert,
Wie Karmeliter dich im Bilde malen.

Das Kind thront dir auf deinem holden Schoß
Und du umarmst das Kind mit warmem Arm,
Das Kind löst dir das feine Brusttuch los,
Du zeigst die bloße Brust mit Muttercharme.

Das Kind enthüllt den Busen dein, den warmen,
Der Busen dir von Milch des Trostes strahlt!
Geliebte Frau des Karmeliters, Carmen,
Ich schau dich, wie dich Lukas einst gemalt.

Ja, Weib, ich selbst bin das geliebte Kind,
Dem du die süße Mutterliebe spendest,
Wenn du liebkosend lieblich dich und lind
Süßküssend zu dem Vielgeliebten wendest!

So seh ich, daß die Gottheit schöner Liebe
Ist Mutterzärtlichkeit im Überfluß,
Die Gottheit mir im tiefsten Seelentriebe
Begegnet mir als Geist durch einen Kuß!

Das ist das ewige Gebot der Liebe,
Geliebte, das ist alles was wir müssen,
Vereinigt in dem tiefsten Seelentriebe
Uns küssen, immerdar und ewig küssen!

So spricht die Gottheit: Ich bin da für dich
Wie eine Mutter, die den Säugling hebt
Und ihn liebkost. Voll Liebe küsse ich
Den Liebling mein, daß er in Liebe lebt!

Da singt der Dichter: Ja, ich bin ein Kind,
Das an der Brust der Mutter trinken will,
Gestillt bin ich von Milch des Trostes lind,
An Gottes Brust ist meine Seele still!

Geliebte, wie du deinen Liebling kost,
So kost der Liebe Gottheit ihren Beter.
Der Liebe große Gottheit voller Trost
Neigt sich dem Sohn-Geliebten aus dem Äther.

Geliebte, deiner Liebe Überfluß
Erfährt dein Kind in seligen Genüssen!
Die Gottheit lehrt mich durch des Geistes Kuß,
Ich solle beten, beten – küssen, küssen!


DIE MILCHSPENDENDE

Milchspendende Geliebte, Überweib,
Milchnährende Geliebte, meine Lust,
Ich huldige an deinem Himmelsleib
Der Wunderoffenbarung deiner Brust!

Ich seh dich deine schöne Brust entblößen,
Die ich in manchem Traum schon liebgekost,
Und deinem Liebling auf die Lippen flößen
Den Honig und die Milch voll Muttertrost.

Ich freue mich, daß du intim vertraut
Dem Sohn-Geliebten reichst den bloßen Busen,
Den benedeiten Busen, Gottes Braut,
Den benedeien meine trunknen Musen.

Ich spüre Gnaden der intimen Nähe
Der Gottheit, dargestellt durch deine Brust,
Die offenbare Huld der Gottes-Ehe,
Intimer Nähe tiefgeheime Lust!

Die Milch ist Trank und Speise für den Leib
Und ist der Seele Trost, des Geistes Nahrung,
Den ganzen Menschen stillst du, Überweib,
Du Liebeskönigin der Offenbarung!

In deinem Himmelsbusen benedeit
Und deiner Brüste herzlichem Entblößen
Erahne ich, daß die Unsterblichkeit
Die Gottheit will mir in die Seele flößen!

Ja, die Unsterblichkeit der Seele will
Der Gottheit Busen, fruchtbar wie die Butter
Und süß wie Honig, in die Seele still
Mir schenken mit der Zärtlichkeit der Mutter!

Ja, deine Brüste beben wie die Tauben,
Wie die Gazellen weiden in den Lilien,
Ich trinke deiner Brüste volle Trauben
Als trunkner Mystiker in den Vigilien.

Ja, deine Brüste sind des Heiles Quelle,
Aus denen Leben zu mir strömt und Gnade,
Drum ich in deines Busens warmer Welle
Mit Lust und Paradieseswonne bade!

Dein Busen ist das Land von Milch und Honig,
Das Gott mir als das Paradies verheißen!
Dich, Edens Lebensbaum weit wipfelkronig,
Dich, Frau, will ich als Aue Eden preisen!

Der gute Hirte fordert auf den Christen:
Du sollst berauschen dich und liebend trinken
An der Geliebten benedeiten Brüsten
Und in des Paradieses Lust versinken!

Aus deinen Brüsten Seligkeit zu saugen
Ist Wollust, die den Minner nicht erniedrigt!
Die Minne deines Busens will mir taugen
Zur Wollust, die in Ewigkeit befriedigt!


DIE MYSTISCHE ROSE

O Rosa Mystica, geheime Rose,
Du Rose im geheimen Rosenhage,
O Lotosblüte du, o Makellose,
Du Aphrodite aus der Alten Sage!

Der Aphrodite Blume ist die Rose,
Ihr Duft verzaubert meinen Sinn allein,
Versinkt die Nase in dem Blütenschoße,
So bin ich trunkner als vom roten Wein!

Die Rose blüht, Geliebte, auf dem Tisch,
Die Rose ist die Herrin in dem Heim,
Daß unsere Gespräche geistig frisch
Vertraulich bleiben, vor der Welt geheim.

Du Lilie unter Disteln, unter Nesseln,
Du wurdest mir zur Rose ohne Dornen.
Pfingstrose weiß mich liebevoll zu fesseln,
Pfingstrose seiden weih ich der Erkornen.

Die Rosen weiland in dem Paradiese,
Sie waren ohne Dornen in dem Garten.
Drum dornenlose Rose ist die Süße,
Pfingstrose gleiche ich der süßen Zarten.

Geliebte, einmal gingst du durch die Dornen,
Die sieben Jahren Blumen nicht gegeben,
Da blühten Rosen auf vor der Erkornen,
Die Purpurrosen rot wie Blut der Reben.

Geliebte, Rose du der schönen Liebe,
Des Lichtes Rose, mehr als Perlen wert,
Die meine Seele in dem Liebestriebe
Mit Himmelslust der schönen Liebe nährt!

Geliebte, Rose, ganz in Gott versunken,
Du Rosa Mystica gebenedeit,
Ich bin von deinem Nektarsafte trunken
Versunken in der tiefsten Seligkeit!

Geliebte Frau im schönen Rosengarten,
Voll Liebe bist du, Lust um dich verbreitend,
Du reine Rose, blühend unter zarten
Mairosen, duftend in die Seele gleitend.

Wenn ich in deinem Rosengarten zelte,
Du schöne Rose reiner Transparenz,
So flieht der Winter fort, die Todeskälte,
In heißer Liebe aufersteht der Lenz!

Geliebte, wenn du aufblühst wie die Rose,
So flieht die Trübsal, flieht des Elends Trübe,
Dein makelloser Flor vorm reinen Schoße
Erweckt die Lust, des Paradieses Liebe!

Der Kosmos also wird durch dich erneuert,
O Rose rot, durch deiner Minne Blust,
Des Minners Seele wird durch dich befeuert,
Der Garten Eden aufersteht in Lust!

Fern von dem eitlen Lärmen dieser Welt,
Fern aller Nichtigkeiten Weltgetriebe,
Die Rose öffnet mir ihr Himmelszelt
Und schenkt in ihrem Schoß mir schöne Liebe!

Geheimnisvolle Rose voller Schöne,
Der Menschen Neugierblicken tief verborgen,
Mit deinem Dornenkranz mein Haupt bekröne –
So glühen wir herbei den Weltenmorgen!


DER VERSCHLOSSENE GARTEN

Ja, ein verschlossner Garten ist die Braut,
Verschlossne Aue und verschlossne Bronne.
Jungfräulich ist der Flor, vom Licht betaut,
Der Hymen immerwährender Madonne.

Der Aue Quelle bist du, bist die Bronne,
Die niederströmt vom Höhepunkt der Liebe!
Ganz gleich dem Paradies bist du, Madonne,
Nur dich vergöttern meine Lebenstriebe!

Die Lust der Liebe zwischen Mann und Weib
Erotisch sich ereignet in dem Garten.
Mir ist ein Paradies des Weibes Leib –
Ich will nicht länger einzugehen warten!

Doch unzugänglich ist der Minne Garten,
Ja, die Geliebte selbst ist unzugänglich!
Verschlossen, doch zugleich auch für den zarten
Verehrer ist der Minne Maid empfänglich.

Weil unzugänglich ihrer Schönheit Zierde,
Als sparte sie mit Liebesgunst aus Geiz,
Um so erhabener ist ihre Würde
Und wahrhaft götterähnlich ist ihr Reiz!

Geliebte, du bist ein verschlossner Garten,
Lustparadies mit Freudenparadiesen,
In dir allein kann mit dem heilig zarten
Verlangen der Verehrer Glück genießen!

Der HERR, geliebte Frau, ist monogam,
Begehrt dich schon seit ewigen Äonen,
Der HERR ist Eros-Gott, der Bräutigam,
Begehrt nur eins, dir liebend beizuwohnen!

Der HERR dringt ein in die verschlossne Aue,
Der HERR allein der Jungfrau Flor betaut,
Der HERR zieht voller Kraft ein in die Fraue
Und einigt sich als Bräutigam der Braut!

Der HERR zieht liebend ein in deinen Schoß,
Er nimmt voll Inbrunst dich zur Ehegattin!
Der HERR ist Gott, er ist als Eros groß,
Im Liebesakt schafft er dich um zur Göttin!



HIMMELFAHRT MARIENS


ERSTER GESANG

1

Maria spricht: Ich brenne nach dem Tod,
Ich möchte brechen meines Leibes Brot,
Vergießen meiner Seele roten Wein
Und ganz verzehrt von meiner Gottheit sein.
Schon schaue ich das Licht der Gottheit an,
Schon steh ich in der süßen Sehnsucht Bann,
Schon weine ich vor sehnsuchtsvoller Wehmut
Und harre doch auf Erden aus in Demut.
Mein Herz ist schon im Himmel in der Heimat,
Mein Herz auf Erden nicht den rechten Reim hat.
Ich brenne, Gottes Angesicht zu schauen
Mehr als nach ihren Männern brennen Frauen.
Dies schwarze Feuer meiner heißen Schwermut
Soll brennen in mir wie das Sternbild Wermut,
Mich werden heiße Liebestränen reinigen,
Bis ich mich darf dem Ewigen vereinigen!


2

Gott spricht: Ich weine heiß um dich, mein Kind,
Bis wir vereint im Paradiese sind.
Mein Herz in mir ist lichterloh entbrannt,
Die Sehnsuchtsglut, die ich zu dir gesandt,
Dies Sehnsuchtsfeuer brennt in meinem Herzen,
Im leidenslosen voller Liebesschmerzen!
Spricht Christus: Der ich mich am Kreuz vertraut,
Der Schmerzen Mutter, mystisch meiner Braut,
Die Frau der Schmerzen an dem Kreuzesstamm
Dem Schmerzensmann vereint, dem Bräutigam,
O Liebe Frau, ich brenn vor Sehnsucht heiß,
Bis ich dich bei mir hab im Paradeis!
Sanft sauste Ruach voll geheimer Glut:
Maria, die ich war dein höchstes Gut,
Das man dich Tempel meiner Gottheit nennt
Und meiner Mutterliebe Sakrament,
Ich will dich in der Wandlung, nicht zu spotten,
Durch Tod und Auferstehung dich vergotten!


3

Gegrüßt, Maria! Bei der Lampe Öl
Grüßt Unsre Frau der Engel Gabriel,
Sei Freude dir, Begnadete vor allen,
An dir zumeist hat Gott sein Wohlgefallen,
Es freute sich an deiner holden Demut
Die Weisheit Gottes wie an großer Anmut,
Die Ruach selig sich in dich verlor
Und dich zur Zelle des Gebets erkor
Und deinen Schoß zu ihrem Uterus.
So wundersam erscholl der Engelsgruß.
Maria sprach: Was kündest du mir, Bote?
Das Evangelium von deinem Tode!
Die Tochter Gottes wird nun offenbart
In dem Mysterium der Himmelfahrt!
Sei Preis dem Ewigen, an Tagen Alten,
Der seine Liebessehnsucht auszuhalten
Vor heißer Leidenschaft nicht mehr vermag
Und brennt inbrünstig nach der Hochzeit Tag!
Drum freue dich, Gebenedeite, Ave,
Zur ehelichen Frau erkor dich Jahwe! –


4

Maria jauchzte, ja, die Immer-Junge
Lobpreiste Gott mit Geistes Feuerzunge
Und mit vom Geiste inspirierter Psalme:
Ich sehn mich, zu umschlingen meine Palme,
Schon ihre Dattelrispen zu umfangen,
Lustparadies, in dich schon zu gelangen!
Mehr als die Wächter auf das Morgenrot,
Ich sehne mich nach meinem süßen Tod,
Ich werde durch Passion und Auferstehen
In Bruder Tod die Schwester Leben sehen,
Nicht Leben nur und nicht nur Paradies,
Denn ohne Gott wär Paradies nicht süß,
Ich werde in des Lebensbaumes Schatten
Erkennen meinen Schöpfer, meinen Gatten! –
Die Engel riefen dreimal: Hosianna!
Du wahre Lade, in dir war das Manna,
Du Offenbarungszelt der Schechinah,
Du Taube Israels, du fliegst zu Jah,
Entzücken aller Welt, Gott angenehm,
Du bist die Jahwe-Braut Jerusalem! –
Gott schaut Frau Weisheit an in sieben Schleiern,
Die Hochzeit alle Ewigkeit zu feiern!


5

Maria spricht, die sich der Herr erkoren:
Dank, Mutter Erde, daß du mich geboren,
Du alte Mutter, du erblühtes Weib,
Daß du geschaffen meinen lieben Leib,
Wenn auch mein Leib verfällt in seinem Tod,
Ach, Mutter Erde, wird der Würmer Kot,
In meinem Leib, den du geboren hast,
War meine Seele schon bei Gott zu Gast,
Als ich an Christi Kreuze fast gestorben,
Durch Christenleiden Gnaden mir erworben.
Dank, Mutter Erde, für des Lebens Spende.
Auch dank ich euch, ihr Lebenselemente,
Dir Licht und Luft und Meer und Land, denn Lenz
Um Lenz war ich in eurer Quintessenz,
War meine Seele liebend in dem Äther,
Von Gott gekränzt mit seiner Minne Kether,
Mit allem Feuer seiner Leidenschaft,
Mit allen Wellenbrechern seiner Kraft,
Mit allen Hauchungen aus seinem Geist,
Mit allem Brot und Wein. Seid auch gepreist,
Du schöner Mond, ihr Millionen Sterne,
Ihr Hoffnungszeichen aus des Himmels Ferne,
Ich preise euch, unendlich hohe Weiten,
Euch alle will ich noch als Geist beschreiten,
Um bis zum Rand des Kosmos vorzudringen,
Um liebend mich in Gottes Nichts zu schwingen!


6

Maria spricht zum zweiten Sohn Johannes,
Sie spricht zum Sohnesherzen jenes Mannes:
Mein Sohn, ich werde sterben, werde scheiden!
Johannes spricht in einem jähen Leiden,
Der Liebling spricht: O Mutter, tu das nicht,
Geh nicht aus dieser dunklen Welt ins Licht,
Denn du bist meine Leuchte in der Nacht,
Mein Mond, wenn betend ich zur Nacht gewacht.
Im Glauben stehn die Jünger und die Frauen,
Allein Johannes hier schon lebt im Schauen,
Schau ich das Antlitz an der schönsten Maid,
Seh ich den Herrn in seiner Herrlichkeit!
O Frau, o Frau, was willst du mich verlassen?
Willst mich allein im Tränentale lassen,
Verbannte Seele in des Leibes Kammer,
Sohn Evas, einsam im Exil aus Jammer,
Hier ausgeschlossen aus dem Schoß der Mütter,
Wo mein Asyl sind nur die Tränen bitter,
Dieweil dir, aller Mütter Mutter, süß
Glückseligkeit dir jauchzt im Paradies!
Doch weiche Satan fort von mir! Nicht Neid!
Ich hab dir meine Kindlichkeit geweiht,
Nun nimm als Mutter, die mit Christus schritt,
Mich, Mutter, in den Garten Eden mit!


7

Und als Marias Sterbestunde kam,
Befällt die Turteltauben süße Scham,
Die bräutlich-mütterlich voll Trauer gurren,
Die Bienen süßer Schwermut summen, surren,
Die Falter nun mit müdem Flügelschlage
Umschweben, stille Psychen voller Klage,
Die Amseln im Gebüsch wie Trauerrosen,
Die schwarzen Schwäne auch, die makellosen,
Die tragen schwermutsvoll ihr schwarzes Samt,
Anmutig trauernd in dem Totenamt.
Die schwarzen Pantherweibchen schleichen leise,
Die Lämmergeier kreisen ihre Kreise,
Sie legen sich der Lieben Frau zu Füßen,
Als Herrin allen Wildes sie zu grüßen.
Gazellenweibchen scheu wie Schatten flitzen,
Mit süßen Zwillingen, Gazellenkitzen,
Der Hirsch kommt aus dem Wald, die Rehe scheu
Versammeln sich um ihre Herrin treu,
Und Rehbock, Ricke, Kitze, alle sie
Sich schmiegen weinend an Marien Knie.


ZWEITER GESANG


1

Maria singt: O Gott, du bist das Licht,
Wann darf ich schauen an dein Angesicht?
Du bist die Liebe, die mich überflutet,
Die Liebe, die in meinem Herzen glutet!
Ganz überströmt von deiner Liebe Glanz
Ich tanze voller Trauer meinen Tanz,
Denn Schwermut blutet mir in allen Venen,
Die Tränen steigen mir, ich muß mich sehnen
Und mich verzehren ganz vor Wehmuttrauer,
Seit ich empfangen deiner Liebe Schauer,
Die süßer mich als Wollust heiß durchgossen,
Als ich die Liebe Gottes süß genossen!
O Wollust deiner Liebe, Herr, mein Gott,
Und bin ich nur ein Odem im Schamott,
Ich sterbe in dein Licht, dein Licht der Liebe,
Wo du mir stillst die tiefsten Seelentriebe,
Drum werde ich von Liebesqual gepeinigt,
Bis ich mich voller Lust mit Gott vereinigt!


2

Die Weisheit Gottes kam, nach Gottes Willen
Marien heiße Sehnsuchtslust zu stillen,
Die schrie nach Gott als nach der Lust der Lüste!
Da nahm die Weisheit sie an ihre Brüste,
Liebkoste sie in sanfter Zärtlichkeit
Und streichelte den Schwanenhals der Maid.
Maria wahrlich war im Paradies,
Da Gott wie eine Mutter tröstet, süß
Und zärtlich. Und das tiefbetrübte Weib
Maria spürte Zartheit um den Leib
Wie eines jungen Vögleins ersten Flaum
Und wie von Zärtlichkeit ein süßer Traum,
Als sie ein Engel liebevoll liebkost
Mit Himmelszärtlichkeit und Muttertrost,
Hold diesem Cherubin die Locken hingen
Um seine Lichtgestalt, die sanften Schwingen
Umgaben Unsre Herrin wie mit Armen,
Umarmend sie mit himmlischem Erbarmen,
Er linderte der dunklen Sehnsucht Bürde,
Indem der Engel Unsrer Frau die Würde
Als Königin der Engel zugesprochen,
Wenn aus der Puppe Psyche ausgekrochen.
Der Engel sprach: So fromm du mir erschienen,
Dir will ich alle Ewigkeiten dienen.
Ich wäre gern wie du so Gott vertraut,
Du Königin der Engel, Gottes Braut!


3

Maria wandelt still nach Golgatha,
Zur Schädelstätte, nach Kalvaria,
Dort im Gedächtnis an des Sohnes Wunden
Ihr wollte wieder neu das Herz gesunden.
Dort hab ich dich geopfert, o mein Sohn,
Dort brachte ich das Opfer auf dem Thron
Des ewigen Altares von Morija,
Ward Mutter aller Glaubenden Maria,
Wo Abraham fast Isaak geschlachtet,
Dort ward mein Sohn geschlachtet, schmerzumnachtet
Ging ich durch meine eigene Passion.
Denn da erlitten die Passion der Sohn,
Erlitt die eigene Passion die Frau
Der Schmerzen. Allen Menschen sagt ich: Schau,
Ob je ein Schmerz gewesen wie der meine?
Von meinen Schmerzen schreien noch die Steine!
Ich Mutter, die ich Gottes Sohn gebar,
Die Zeugin hier von Gottes Opfer war,
Daß Schmerzen mit der Schärfe eines Schwerts,
Mir sieben Schmerzen öffneten das Herz,
Als Menschen Gottes Einzigen ermorden,
Bin Mutter aller Menschen ich geworden,
Die Gottes und Marien Sohn geschunden,
Die haben eine Mutter nun gefunden.
Da nahte aus dem Himmel Jesus Christ:
Ich bin der Zeuge, daß du Mutter bist,
Du, Mutter voll der liebenden Gewalt,
Bis bei mir in dem Paradiese bald!


4

Maria sprach: Ich glaub an einen Gott,
Ein Gott ist Gott, ist außer Gott kein Gott!
Gott ist die Einheit, Gott ist einig Ein,
Gott ist allein in Ewigkeit das Sein.
Gott ist der Ewigseiende, Ich bin,
Gott ist der Schoß, zu Gott geht alles hin.
Gott ist in seiner Gottheit Gott geweiht,
Gott ist die absolute Einsamkeit,
Alleinheit im Mysterium der Liebe,
Gott liebend, Gott geliebt, ist Gott die Liebe!


5

Maria hat ihr Testament gemacht,
Johannes ihren Mantel grün vermacht,
Mit goldner Sternenordnung eingestickt.
Maria mütterlich zum Sohne blickt:
Mein Liebling, kränkt dich Welt mit kaltem Wandel,
So hülle dich in meinen Muttermantel,
Und wollen Närrinnen dir lästig sein,
Hüll dich in den Liebfrauenmantel ein,
Trag meinen Sternenmantel durch die Zeit,
Ich bin die Mutter der Barmherzigkeit.
O liebe Mutter, sagte leis Johannes,
Verläßt du diese Welt des Schmerzensmannes
Und gehst zu Christus in das Paradies,
Geist mir aufs Haupt von deinem Geiste gieß
Und sende mir die Kraft, des Geistes Taube,
Gib deine Liebe mir und Hoffnung, Glaube.
Mein Liebling, siehst du mich gen Himmel fahren,
Sprach Unsre Frau, wird Gott dir offenbaren,
Wie meine Seele in dem Himmel reist,
Dann schenke ich dir Geist von meinem Geist.


6

Maria schrieb in ihrem Testamente:
Den Leib, den bildeten die Elemente,
Daß ich erbaut als Mikrokosmos werde,
Vermache ich der alten Mutter Erde.
Denn in der alten Mutter Erde Schoß
Bin ich gebildet worden makellos,
Weil meine Seele rein und unbefleckt,
Kam ich in einen Leib, der war perfekt
In Frauenschönheit, nimmer zu veralten,
Nie ward ich runzlig, nie entstellt von Falten,
Der Geist erhielt um meiner Seele Tugend
Den Leib mir in frischaufgeblühter Jugend,
Noch sind die Jugendbrüste straff und fest,
Zwei Turteltauben in dem Liebesnest.
Doch bin ich nicht ein armes eitles Weib,
Vergöttre nicht den todgeweihten Leib,
Mariens Leib die Mutter Erde speist,
Gott gibt mir einen Körper ganz aus Geist.


7

Begnadete vor allen, sprach der Geist,
Hat als Gebenedeite mich gepreist,
Vor Anbeginn der Schöpfung grüßte Ave
Das Wort der Weisheit mich im Geist von Jahwe,
Denn Gott hat mich von Anbeginn der Welt
Als seine Angetraute auserwählt.
Frau Weisheit wollte werden Menschensohn,
Er wählte meinen Schoß als seinen Thron,
Empfangen hat die Weisheit fromm mein Glaube,
Mein Schoß trug Jesus, groß wie eine Traube,
Die Weisheit selbst, die mehr als Salomo,
War in Marien Schoß ein Embryo.
Denn Geist befruchtete den Blütenstempel,
Gott-Ruach wählte mich zu ihrem Tempel,
Die Ruach kontemplierte in dem Schoß
Mariens, in dem Schoße makellos,
Und bildete das Haupt und alle Glieder.
Ihr alle, liebe Schwestern, liebe Brüder,
Ihr großen Kinder und ihr kleinen Kinder,
Ihr Juden und ihr Griechen und ihr Inder,
Speist Manna nun aus mir, der Bundeslade,
Der ganzen Welt vermach ich meine Gnade!


DRITTER GESANG


1

Gegrüßet seiest du, Maria, Frau!
Sprach Magdalena in des Hauses Bau.
Zur Königin der heiligen Apostel
Sprach die Apostola der Weltapostel,
Zu segnen sie für ihre Himmelfahrt.
Maria sprach zu Magdalena zart:
Die Lichtgestalt erschienen ist der Braut,
Die über sieben Sternen Christus schaut,
Der sie erlöst hat von den Leidenschaften.
Nun muß sie nicht am Erdenstaub mehr haften,
Die sie nun Sphäre über Sphäre geht
Mit Engeln durch das mystische Gebet
Zum Garten Eden auf dem Morgenstern,
Wo sie vereinigt wird als Braut dem Herrn!
Die Engel grüßen mich mit Lustgewinn
Als aller Hierarchieen Königin,
Mich Königin und Morgenstern wie Esther.
Die Engel grüßen dich, der Engel Schwester!
Wenn Jesus kommt in seiner Parusie,
Dann wird die Menschheit sie erkennen, sie,
Die liebend sich an den Geliebten lehne,
Geliebte Jesu Christi, Magdalene!


2

Maria sprach: Mein Thomas fehlt mir sehr,
Er ist geblieben an dem Stillen Meer,
Den Frauen der drawidischen Kultur
Zu reden von der göttlichen Natur
Der Gottheit: Liebe, Weisheit, Herrlichkeit!
Wenn ich auf Erden lassen werd mein Kleid,
Bedauert er, daß ich auf Erden fehle,
Im Himmelreiche bin mit Leib und Seele.
Begehren wird er Wunder dann und Zeichen,
Dann werd ich ihm vom Paradiese reichen
Madonnas Zaubergürtel! Er wird blicken
Auf meinen Zaubergürtel voll Entzücken,
Er wird ihn bringen zur Olympus-Höhe,
Der ganze Archipel den Gürtel sehe,
Der als Reliquie im Kloster droben
Ganz Griechenland bekehrt. Die Griechen toben
Und preisen Aphroditissa mich und Charis,
An Petra tou Romiou mich Stella Maris,
Man preist mich Hagia Urania!
Und Thomas bringt mich dann nach India.


3

Johannes, du bist traurig, weil ich gehe,
Dir ist in deiner Seele bang und wehe.
War ich denn eine gute Mutter dir,
Seit Jesus Christus dich gegeben mir
Und mich gegeben dir zur Mutter, Sohn?
Für deine Kindesliebe dir zum Lohn
Will ich als Magd dir eine Speise spenden
Von Brot und Wein und von des Lammes Lenden.
Dann will ich trocknen deine Tränen, Kind.
Sieh, immerdar wir Sohn und Mutter sind.
Und wenn ich in das Himmelreich gegangen,
Dann will ich sanft dich wie der Wind umfangen,
Dann will ich trösten dich mit Engelsspeise,
Dann spende ich dir Weisheit, du wirst weise,
Du schreibst das Evangelium der Wahrheit
Und schaust mich an, die Frau in Offenbarheit,
Schaust deine Herrin in dem Sonnenkleid,
Hoch auf dem Mond, im Zodiak-Geschmeid.
Wenn du mich schaust, das Heil der armen Sünder,
Dann sprichst du nur noch: Liebt euch, liebe Kinder!
Aus der Verbannung will zu Zions Hügeln
Ich tragen dich dereinst auf Adlerflügeln,
Dann schaust du Gott - die Nase niemand rümpfe –
In mir, Jerusalem, des Lammes Nymphe!


4

Gegrüßet, sprach der Engel Gabriel,
Zu seiner Seite Engel Michael,
Es nahn vom himmlischen Jeruschalajim
Schutzengel-Heeresschar von Mahanajim.
Es nahen Sarah, Ribka, Rahel, Lea,
Zu grüßen ihre heilige Idea,
Es nahen Judith, Esther, Mara, Ruth,
Zu grüßen ihre Herrin wohlgemut.
Es kommt vom Himmelreiche Mutter Anna,
Im Namen Gottes kommt sie, Hosianna,
Joachim kommt, Sankt Annas Brautgemahl,
Der Vater grüßt die Tochter in dem Saal,
Maria Mitka kommt, die Tochter Annas,
Wie Tirza, singt sie sieben Hosiannas,
Sankt Josef kommt, der ewigen Vaters Schatte,
Die Jungfrau Josef, Sankt Marien Gatte.
Sie alle grüßen Unsre Liebe Fraue.
Da tritt in seine Paradieses-Aue
Der neue Adam, unser Herr, das Lamm,
Der Jungfrau-Psyche Eros-Bräutigam!


5

Und Christus spricht: Im Himmel steht ein Thron,
Der leer ist, nächst dem Thron von Gottes Sohn.
Erzengel-Kaiser Luzifer vorm Fall
Saß herrschend dort, regierte dort das All.
Erzengel, Engel, Cherub, Seraph dienen
Dem höchsten Thron, gekleidet mit Rubinen,
Mit Onyx, Chalzedon, Saphir, Smaragd.
Dort mit dem Gottesknecht herrscht Gottes Magd!
Dort wird sie auf dem Götterberg im Norden
Äbtissin sein im Empyreums-Orden!
Dort wird erhoben sein zum Morgenstern,
Zur Himmelskönigin die Magd des Herrn!
Dort wird sie wandeln in dem Paradiese,
So schön, daß Engel staunen: Wer ist diese?
Wer gläubig ist, im Glauben überwindet,
Wen meine Gottesliebe treu befindet,
Dem will ich schenken dich, den Morgenstern,
All-Königin, die Nächste Gott dem Herrn!


6

Sprach Christus zu Maria tief vertraut:
Komm, meine Schöne, meine Schwester Braut,
Erhebe dich, der Winter ist vergangen,
Die Nachtigall ihr Lied hat angefangen,
Die Falter schweben, Honigbienen surren,
Die mütterlichen Turteltauben gurren,
Die Feige tut sich auf dem Sonnenstrahl,
Die Rosen blühn in Ashtaroth, in Baal-
Hamon der Weinberg treibt schon seine Blüte.
Vergebens nicht die Sonne Gottes glühte.
Die ganze schöne Welt des Frühlings süß
Als wie ein stilles Gartenparadies
Anlächelt ihren Schöpfer und Gemahl.
Die Vögel freun sich in dem Äthersaal,
Die ungebornen Kinder tanzen, spielen.
Das Reich ist voll von ewigen Gefühlen,
Die Engel jubilieren, spielen, tanzen,
Sankt Michael spielt Waffenspiel mit Lanzen,
Die Gotteslöwen brüllen in der Ferne,
Die Gottessöhne singen, Morgensterne,
Die ganze Schöpfung in dem Schöpfungslenz
Jauchzt jubelnd zu der Gottheit Immanenz
Und alles feiert Gottes Königin:
Die Hagia Sophia des Ich-Bin!


7

Ja, Christi Liebe, seiner Liebe Glut,
Lebendig zehrte auf das Fleisch und Blut
Mariens. Jener Körper, der gehandelt
Auf Erden, ward durch Christi Geist gewandelt
In eine rein pneumatische Gestalt.
So schwebte sie zum Himmelsaufenthalt.
Die Engel jubelten zum goldnen Psalter,
Als Sankt Mariens Seele wie ein Falter
Geschwebt ist aufwärts Sphäre über Sphäre.
Auf Erden rief im Tempel alles: Ehre,
Rief alles: Alleluja, Gloria!
Zum siebten Himmel kehrt die Schechinah,
Aus der Verbannung heimkehrt die Matrone,
Zu ihrem Mutterthron bei ihrem Sohne!
Die zwölf Kollegen des Konzils verehren
Den Sitz der Weisheit, der sie alles lehren
Und ihnen helfen möge zur Mission
Zu allen Völkern für den Gottessohn.
Sprach Petrus, des Konziles Haupt, das Dogma,
Das inspirierte von dem Wort der Chockmah:
Maria ist empfangen ohne Fehle,
Ging in den Himmel ein mit Leib und Seele!


VIERTER GESANG


1

Schau, Jesus Christus ist der wahre Eros,
Der vortrat aus dem Himmelszelt als Heros,
Zu holen heim Maria, seine Psyche,
Von den Geschöpfen fort der Widersprüche
Zur Einen Gottheit aller Einigung!
Am Schluß der dunklen Nacht der Peinigung
Maria-Psyche wandelte zur Sonne,
Dort in dem Sonnenkleid ging die Madonne,
Betrat Maria-Psyche sanft den Mond,
Vor Lunas Launen königlich verschont,
Maria-Psyche überwand den Mars,
In goldnes Netz gewoben alles wars,
Maria-Psyche wallte zum Merkur,
Quecksilbergleich der Philosophie Natur,
Maria-Psyche schaute Jupiter,
Zinntellergleich so jovial war er,
Maria-Psyche freute sich der Venus,
Fast bliebe dort die Jungfrau Nazarenus,
Maria-Psyche weiter zum Saturn
Wallfahrte, wo Asträas Töchter murrn,
Maria-Psyche ging zum Fixsternhimmel,
Sah dort von Engelskindern ein Gewimmel,
Maria-Psyche trat ins Empyreum
Und sang dem Christus-Eros ihr Tedeum!


2

Maria sieht den Thronsaal des Gerichts
Und sie erschaut durch Gunst des Gotteslichts
Den Satan als Verkläger ihrer Brüder
Und Schwestern, Menschen, aller Christusglieder,
Sie sieht den Gnadenstuhl des Advocaten,
Des Parakleten oder Kinderpaten,
Dort steht auf einem Stuhle: Immaculata,
Ora pro nobis, Mater Advocata!
Dort sah sie auch im Glanz der Glorienlichter
Den hocherhabnen Thronstuhl für den Richter.
Sie sah, der Schöpfer gab den Richterthron
Der Allgerechtigkeit dem Menschensohn.
Dort richtet voll Erbarmen Gottes Liebe
Die Menschenkinder nach dem Maß der Liebe!
Und in Maria, kurz vor ihrer Krönung,
Erwachte Hoffnung auf die Allversöhnung.
Und Christus sprach von seinem Richterthron:
O Jungfrau makelloser Konzeption,
Nur du vom ganzen menschlichen Geschlecht
Kommst nicht in das Gericht. Du bist gerecht.


3

Messias sprach: Mein Abba, höre,
Wie ich Maria treue Liebe schwöre
Äone um Äone immerdar!
Geliebter Abba! Sie ist wunderbar,
Dein Bild die makellose Konzeption!
Gib sie zur Schwester-Braut dem Menschensohn!
Geliebter Abba, Ewiger, Ich-Bin,
Gib mir, dem König, meine Königin!
O Gott, in deinem Vatergeiste nur
Und Mutterschaft der göttlichen Natur,
Gib deinem Sohn als deinem Ebenbild
Die Tochter Gottes über Maßen mild!
Was ist denn ohne jene Jungfrau süß
Dem Menschensohn das ganze Paradies?
Du bist der Ewige, ich bin dein Lamm,
Du bist All-Einheit, ich der Bräutigam,
Der himmlischen Jerusalem vertraut,
Der Magd der Gottheit, der geliebten Braut!
Ich will sie schauen an in ihren Schleiern,
Die Schleier heben und die Hochzeit feiern!


4

Maria ward aus Gottes reiner Gnade
Vergöttlicht! Jungfraumutter, rein wie Jade,
Sie ward aus Gottes Gnade reine Diva!
Die Paradiesbewohner jauchzten: Viva!
Da ward das ganze Paradies Gebet:
Maria thronte in der Trinität!
Gott Vater sprach: Du Tochter des Ich-Bin,
Bist ewig nun die Himmelskönigin,
Gott Sohn sprach: Jungfraumutter des Messias,
Das Paradies singt ewig Gruß Marias,
Gott Geist sprach: Du des Geistes Nymphe, Braut,
Die ganze Schöpfung sei dir anvertraut!
Und Jahwe sprach zur heiligen Maria:
Ich liebe meine Hagia Sophia,
Und Jesus sprach zur stillen Magd des Herrn:
Ich liebe meine Frau vom Morgenstern,
Der Geist sprach: Hagia Urania,
Ich lieb die heilige Ecclesia!
Der Eine Gott sprach: Du bist meine Gattin
In Ewigkeit, aus reiner Gnade Göttin!


5

Und auf dem höchsten Berg im Paradies
Geschah im goldenen Äone dies:
Dort auf dem Gipfel eine Rose brannte,
Die ganze Heiligkeit des Reichs erkannte
Maria in der reinen Himmelsrose,
Da heller als das Licht die Makellose
Dort schwebte auf dem Berg im Paradies.
Ihr nahten Sulamith und Eva süß.
Und Sulamith und Eva sprachen fromm
Zur Rosa Mystica: Zur Erde komm
Und stifte dort das Friedensreich Marias,
Dann kommt auch das Millennium des Messias.
Und Sulamith und Eva schwebten fort.
Maria strahlte. Da erscholl ein Wort
Von Gottes weißem Thron wie Meeresrauschen:
Der unbefleckten Jungfrau sollt ihr lauschen,
Erklang es da mit großem Donnerschallen:
Sie ist mein Liebling, all mein Wohlgefallen!


6

Und in dem Garten Eden, in der Aue
Der Wonne, Adam war mit seiner Fraue,
Und Eva trug im Haare Chrysanthemen,
Die Nackte brauchte sich nicht mehr zu schämen,
Ein Licht verbarg sie, lichter als die Sonne,
Die himmlisch Liebenden im Hain der Wonne!
Lustgartenparadies, Lustparadies,
Ein Garten voller Liebeslust war dies,
Da Salomo der schönen Sulamith
Sang Minnesang, des Himmels Hoheslied,
Da er sie Freundin nannte, Schwester Braut,
Sie nannte ihn: Viellieber, Herzenstraut!
Er lag in ihrem schwarzen Haar gefangen,
Gebogne Schenkel wie Juwelenspangen
Umfingen ihn, ein Becher war ihr Becken!
Berauscht euch, Minner, laß den Rausch euch schmecken!
Berauschender als Küsse ist der Wein,
Den Sulamith im Paradies schenkt ein!
Oh schweiget alle still, ihr Gottesnarren!
Sollt alle auf die Offenbarung harren!
Er kommt, er kommt, der Herr kommt wieder! Schau,
Vereinigt mit dem Herrn kommt Sie, die Frau!
Als Göttlich-Liebender erscheint Messias
Mit der vergötterten Gestalt Marias!
Nun Herr und Frau sind aller Gottheit inne,
Vereinigt sind sie Eins in Gottes Minne!


7

Maria-Psyche tauchte in das Licht
Der Liebe, ward darinnen ganz zunicht
Und ward darin vollendet als Person
Und ward empfangen wie zur Adaption
Von Gottes Liebe, die sie ganz durchflutet,
Die in ihr strömt, die in ihr atmet, glutet,
Die in ihr zittert liebesüß und bebt
Und sie erschüttert, daß sie spürt, sie lebt,
Sie ist geworden selig, Licht vom Licht,
Geworden Glanz von Gottes Angesicht,
Ist eingegangen mystisch makellos
In das Mysterium von Gottes Schoß.
Maria-Psyche schwebt im reinen Triebe
Ins Meer der Gottheit, Gottes Mutterliebe!
Hauch süßer Minne zärtlich um sie fächelt,
Der Gottheit süßes Mutterantlitz lächelt,
Sie ist befriedigt wie ein Säuglingskind!
Und Gottes Liebe flutet wie der Wind
Und Gott der Mutterliebe Worte spricht
Und alle Liebe selig ist wie Licht,
Maria-Psyche taucht herauf, geht unter,
Spielt ewig in der Mutterliebe Wunder
Und ist geborgen in der Seligkeit
Der Gottheit Ewigkeit um Ewigkeit!




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