[Inhalt]

ROSA MYSTICA – MADRIGALE

Von Peter Torstein Schwanke


„Nachts, wann gute Geister schweifen,
Schlaf dir von der Stirne streifen,
Mondenlicht und Sternenflimmern
Dich mit ewigem All umschimmern,
Scheinst du dir entkörpert schon,
Wagest dich an Gottes Thron.“
(Goethe)


LOBPREIS

Ich weiß nichts anderes als dich zu singen,
Die Einzige, die jemals mich geminnt.
Gib mir der großen Lobpreisengel Schwingen

Und Saitenspiel der Tempelsänger, Wind
Der Ewigkeit durchrausche meine Leier,
Aufjubeln will ich, Mutter, als dein Kind

Und minnen dich, o Minnerin im Schleier,
Der Schönheit Krone ewger Friedensfeier!


LATEIN

Gib Weisheit mir, oliva speciosa,
Verbind die Wunden, rosa sine spina,
Lehr gut mich leiden, mater dolorosa,

Gib Licht ins Herz, o stella matutina,
Und tröst die Seele mein, o consolatrix,
Den Frieden schenk dem Herzen, o regina,

Und führ mich zur Glückseligkeit, Beatrix,
Und senk mich in die Gottheit, mediatrix!


SOPHIAS SCHULE

Schau trostlos auf in deiner Tränen Flor
Zur reinen Jungfrau auf, die dich geboren,
Hör ihre Stimme mit dem innern Ohr:

In lauter Schmerzen bist du nun verloren,
Doch sei nur still, denn ich bin da, mein Buhle!
Du hast die Ewge Weisheit dir erkoren,

Bist so mein Tröster, deiner Hierodule,
Wenn du dich unterziehst Sophias Schule!


ABISCHAG

Als David lag in seiner Agonie,
War um ihn voller Schönheit Abischag.
So bist nun du, jungfräuliche Marie,

Dem frommen Sänger nah am dunklen Tag,
Da er von Todesschatten übermannt.
Wie David Abischag, die bei ihm lag,

In menschlicher Erkenntnis nicht erkannt,
Bleibst auch du Liebe Frau im Jungfraunstand.


DIE DREIFALTIGE

Gott, meine Mutter, ewige Ich-bin,
Wend zu mir deine Brüste voll Erbarmen,
Sophia, meine Braut, Erlöserin,

Die Freude künde deinem geistig Armen,
O Geistperson, o Trösterin, ergieß
Der Liebe Balsamflut auf all mein Harmen!

Dreifaltige! In deinem Paradies
Ist meine Liebe Frau Maria süß.


MEIN WEIB

Mein Herr Maria, du mein Liebes Weib,
Du bist die Liebe Fraue, die ich freie,
Mein Weib in deinem makellosen Leib,

Mein wunderliebes Weib, dem ich mich weihe,
Mein Liebes Weib, das weise zu mir spricht:
Ich höre alle deine Klageschreie,

Vertrau mir, ich allein verlaß dich nicht,
Dein Weib, führ ich dich in der Weisheit Licht!


ELIAS

Elias ähnlich bin ich ohne Kraft
Und hab nur Todessehnsucht in der Seele!
Ich berge mich in dunkler Leidenschaft,

Ich trete vor den Himmel aus der Höhle:
Vorüber geht der Donnergott durchs Grau,
Der Feuergott vorüber mit Geschwele,

Doch das ist Jahwe nicht! Doch aber schau:
Sanft säuselt Gott wie eine Liebe Frau...


UNSERE LIEBE FRAU VOM KARMEL

Nun steig ich auf den Karmel, in die Höhle,
Um zu betrachten, daß mir in der Schau
Der Schönheit Gottes heil wird meine Seele.

Am Karmel weih ich mich der Lieben Frau
Vom Karmel. Segen kommt mir von Elia
Und seiner Himmelfahrt ins lichte Blau.

Bald aber werd ich wieder, o Maria,
Den Nächsten Liebes tun in Samaria.


MARIA SPRICHT

Und wenn die Menschen gottlos sind und böse –
Mir weihe du der Menschen innre Flamme,
Die unbefleckte, daß sie Gott erlöse

In fleischgewordner Weisheit, in dem Lamme.
Vollziehe das Erlösungsopfer mit
Durch Leiden, trage sie wie eine Amme,

Die für die Seelen voll Erbarmen litt.
Um Seelen du das Herz Mariä bitt!


TROST

Du Seele, die du schwarzer Schwermut schauerst
Vor dunkler Nacht der Seele und des Lebens
Und um den Mangel wahrer Liebe trauerst,

Weil deine Opfer scheinen all vergebens
Und dich ein Mensch nicht liebt, bist du betrübt,
Ein Mensch und ein Geschöpf, das irren Strebens

In Erbschuld dir nicht Gottes Liebe gibt –
Du, Seele, bist von Gott! von Gott geliebt!


DER HERR SPRICHT

Nie wird mein Lobgesang genügen, Herr,
Ist ein geringes armes Stammeln nur,
Dich loben besser Himmel, Erde, Meer! –

Schau, mein Geschöpf, die Vöglein der Natur,
Die Kleinsten singen Lobpreis in den Hainen.
Ich freu mich, liebt mich eine Kreatur,

Und gebe große Gnade schwachen Kleinen.
Ich seh die Liebe in den Liedern, deinen.


LEID

Die dunkle Leidenswolke kam gewitternd
Und Schmerzen zogen Schwerter aus den Scheiden,
Nun ist die bange Seele zag und zitternd

Und naß die Flügel von dem Tau der Leiden
Und blind die Augen von der Tränen Trübe,
Die Seele einsam von der Menschen Meiden.

Ich schweige, weil ich schriee, wenn ich schriebe:
Oh Nacht! - - Ein Licht glänzt auf: die Ewge Liebe!


MARIA SPRICHT

Mein Toto, soll ich nicht mit dir im Dunkeln
Der Mitternacht der Seele mit dir weinen
Und sollen meine Tränen dir nicht funkeln

Und mitleidvolle Augensterne scheinen?
Sieh die Madonna, Dame aller Damen!
Ich will mich dir als deine Braut vereinen

Und trösten deine Leiden mit dem Namen
Der Ewgen Liebe, heiligen Balsamen.


LEID UND KREUZ

Ich frag euch, Dichter, singt ihr mir vom Leid?
Du, dunkler Bruder, singst das Leid der Liebe,
Du aber Leiden an der bösen Zeit.

Was schimmert durch den Schleier dunkler Trübe
Der Tränen dessen, der das Glück vermisst
Und schaut, wo in der Trauer Trost verbliebe?

Du, dunkle Muse, sprichst: Wer leidend ist,
Gekreuzigt ist er wie ein andrer Christ!


NÄCHTLICHER TROST

Die Nacht gewaltig dunkel um und um
Vernimmt allein mein töneloses Schreien,
O Mutter! von der Macht der Schmerzen stumm

Will ich den Schmerz der Einsamkeit dir weihen,
Der trostlos ich in Trauertränen bade,
Und du willst mich als dunkle Muse freien:

Der Weisheit Schicksal ist ein Glück und Gnade –
Zum Trost die Hymne tönt der Olympiade.


KINDLICH

Und wenn du auch verwundet warst von Schmerzen
Und deine Augen ganz von Tränen blind –
Du träumst von reiner Schönheit nachts im Herzen

Und bist am Morgen neugebornes Kind,
Das alle die Verwundungen vergessen.
Wie gläubig an die Menschen Kinder sind!

Sind Seelen Sakramente, Leben Messen –
Spiel mit dem Jesuskinde unterdessen!


TRAUM

In deiner Schmerzen schwarzer Mitternacht
Die Träne blutig aus dem Aug dir rollt.
Doch nachts im Traum die Seele selig lacht,

Weil dir das Leben zeigt die Schönheit hold.
Schreib, Dichter, von geträumter Schönheit schreib,
Da dir wie Marmor, reiner Schnee und Gold

Die Frau entgegenkam, das Wonne-Weib,
Bloß, wie der Herr geschaffen ihren Leib!


MARIA SPRICHT

Ich bin die starke Frau, die Königin,
Die liebt dich sehr, die immer dich bewacht.
Geb du dich ganz nur meiner Liebe hin!

Bist du ans Kreuz gebunden in der Nacht
Und stirbst du auch, so rührt dich doch kein Schade:
Ich hüte deine Seele süß und sacht.

Und geb ich dir nicht Trost, geb ich dir Gnade,
Daß du der Jungfrau gleich wirst, rein wie Jade!


NEUE GNADE

Ich habe Weisheit in der Einsamkeit
Gesucht in einsam betender Vigilie,
Der Hagia Sophia mich geweiht,

Der Göttlichen mit der Erleuchtung Lilie –
Nun gibt mir Gott noch eine Lebensgnade,
Zu schmecken auch die Liebe der Familie,

Mit Frau und Kindern ziehn die Lebenspfade,
Ein Papa oder richtiger: ein Pate.


LIEBE UND TOD

Heut sprach die liebe Frau, das Kind im Arm:
Als wir zusammen einst bei Wein und Brot
Und du mich lieb gehabt, daß Gott erbarm,

Als unsre heißen Küsse waren rot
Und du im Schlaf in meine Seele drangst –
Da sah ich ihn, den dunklen Bruder Tod,

Er wich von mir, als du in Liebe sangst:
Die Liebe überwand die Todesangst!


TREUE ZU GOTT

Ich kenn nur eine Treue: die zu Gott,
Dem ich vereinigt bin in Lust und Last.
Was trennt von Gott, das findet meinen Spott!

Die lieb ich, die du mir gegeben hast
Zeitweilig, Ewiger, zu Weggefährten,
Gern bin ich liebevoll bei ihnen Gast.

Doch ruft mich meine Einsamkeit auf Erden –
Der Herr und ich, wir weiter wandern werden!


GANZHINGABE

Erst wenn du in totaler Einsamkeit
Der dunklen Nacht der Liebe dich ergeben,
Erst dann bist du Maria ganz geweiht,

Wenn du entäußerst dich bis auf das Leben
Und gibst dein Nichts in einem Liebes-Akt
Maria, dann erst wirst du dich einweben

Ins ewge Leben, schließt du einen Pakt
Mit deinem Gott, der an dem Kreuze nackt!


DIE JUNGFRAU

Mich führt die Göttliche, die Jungfrau, Sie
Ist makellos und meiner Seele Braut,
Ich Ritter folge ihrer Fahne, die

Allein mein makelloses Minne-Traut,
Hat mir das Musen-Priesteramt beschieden
Und Amt des Sehers, der in Hoffnung schaut:

Es kommt der Minnedame Reich hienieden,
Die Jungfrau bringt die Liebe und den Frieden!


EROS UND RELIGION

Oft wurde mir die heißgeliebte Frau
Zur Göttin aller Schönheit, aller Liebe,
So ich in ihr das Licht der Gottheit schau.

So gab es Eros ein in fromme Triebe.
Wird aber gar erotisch auch der Glaube:
Zur Gottheit wird der Schönheit und der Liebe

Jahweh – Sophia küsst mich in der Traube –
Die Mutter Ruach wird zur Liebestaube.


TRÖSTERIN

Woher, Maria, bist du so sehr mächtig,
Zu trösten meiner Seele dunklen Sinn,
Den Leiden überfielen mitternächtig?

Von welcher Gnaden, Trosteskönigin,
Kommts, daß du tiefsten Trostes Gnade bist?
Weil du der Geistperson, der Trösterin,

Der Herrin Trösterin, die göttlich ist,
Bist Kelch und Mittlerin, bekennt der Christ.


UNERHÖRTES

Wie Unerhörtes sing ich aus der Trauer
Prophetisch: Sing die Gottheit Schöpferin
In hoher Minne und der Ehrfurcht Schauer

Und die befreiende Erlöserin,
Die bringen wird den Frieden in die Zeit
Wohl tausend Jahre, wenn die Trösterin

Der Liebe Feuer sendet in die Zeit:
Ich sing die göttliche Dreifaltigkeit!


IN DER WELT

Die Menschen gehen einer nach dem andern
An mir vorüber zu den nächsten Zielen
Und wieder einsam muß ich weiter wandern,

Daß neue schöne Frauen mit mir spielen,
Die da gehören ihrer Ehe Trott,
Doch manchmal auch für mich was Liebes fühlen.

Die Welt in der Verbannung ist ein Spott!
Ich sehne mich nach meiner Heimat – Gott!


SCHON GESTORBEN

Genau genommen bin ich schon gestorben,
Doch wollte Gott, daß ich allein als Schemen
Im Auferstehungsleibe unverdorben

Auf Erden bleib, im Herbst bei Chrysanthemen
Die Liebe auf der Erde anzufachen,
Die Fraue Welt nicht allzu ernst zu nehmen,

Mit Kindern, die sich fürchten vor dem Drachen,
Erlösend laut zu lachen Gottes Lachen!


MARIA SPRICHT

Der Weisheit, Schönheit, der Erkenntnis Kraft
Ergib dich, weise dich als neugeboren!
Nicht der dämonischen, der Leidenschaft

Pfad will ich führen dich, der auserkoren,
Nicht Aufbegehr von Fleisch und Blut im Triebe,
Du diene nicht den Göttinnen der Toren,

Den Schleier nimm aus deiner Tränen Trübe
Und weihe dich allein der Gottheit Liebe!


DER EWIGE BUND

Die schöpferisch ins Leben mich geliebt,
Geliebt zuerst und immerdar, vermähle
Dich voll der Liebe, welche alles gibt,

Vermähle, Göttliche, dich meiner Seele
Und trau dich mir für alle Zeiten an
Und für die Ewigkeit! Heut, Herrin, wähle

Die Ewge Liebe ich, die mich gewann,
Die liebend mich gefreit als Gottes Mann!


STELLA MARIS

Die aufgewühlte Meerflut ist kein Spiegel,
In der sich spiegeln kann des Himmels Licht.
Du sänftigst Fluten mit dem Taubenflügel,

Wenn brüllend sich die Flut am Felsen bricht,
Wenn Leidenschaften wüten, wenn uns fern
Der Friede ist. Dann voller Friede spricht

Und stillt uns Meer und Sturm der Meeresstern
Maria, daß wir glänzen von dem Herrn.


SCHICKSALSWEGE

Was lauscht ich abergläubisch meinen Träumen
Und ließ das Bett, das wir gemeinsam hatten,
Verschwand aus den geschwisterlichen Räumen

Und jagte irrend nach dem feinen Schatten,
Ob ich ein Weib nach einem Schatten präge?
So mußt ich mich dem Todesschatten gatten,

Statt daß ich treu mein Liebchen heg und pflege?
Geschehen ist geschehn. Sind Schicksals Wege.


JENSEITSKÖNIGIN

Wem folgt ich, als ich folgte jenem Schatten?
Der Jungfrau Anima, der Feuersäule!
Wem führte zu sie den geschiednen Gatten?

In Mitternacht mit tödlichem Geheule
Dem eignen Tod sie in das Antlitz schaut,
Und nicht die Taube, doch der Weisheit Eule

Hat sie der Jenseitskönigin vertraut –
Nicht Erdengattin, aber Himmelsbraut!


GEISTLICHE EHE

Ich ließ die Ehe um der Jungfrau willen,
Dem reinen makellosen Ideal.
Wo bin ich nun? Nun eigne ich der Stillen,

Die mit mir Lager teilt und Trunk und Mahl
Und sanft verschwebend säuselt meinem Schweigen,
Dem mystischen, die Braut dem Brautgemahl.

Verlassen hab ich Weibes Schoß und Zeugen
Und bin nun einer Himmelsgöttin eigen.


MEIN SCHATZ IM HIMMEL

Ist alles bittersüß, doch aber du
Bist süßer als der Wabenhonig süß,
Ist alles Lärm, doch du bist meine Ruh,

Berauschender als Wein, den ich genieß,
Sind deine Küsse mit den Lippen weich,
Dein Schoß ist wie der Liebe Paradies!

Geliebt bin ich an Glück den Göttern gleich,
Denn du, mein Schatz, du bist im Himmelreich!


MARIA SPRICHT

Der Erde Lust und Leid ist wie ein Schatte,
Wie Grases Blume ist des Menschen Güte.
Die Welt ist eine Brücke, eine glatte,

Hinüber schreite, Hoffnung im Gemüte,
Und schau zum Himmel auf, der immer da.
Das Erdenleben sinkt wie eine Blüte.

Entschieden sag zum Paradiese Ja!
Dann bin ich in der dunklen Stunde nah.


LEID UND SELIGKEIT

Maria, soviel Leid und Bitterkeit
Und solche Einsamkeit und schwarze Schatten,
Des Schicksals grausamhartes Liebesleid!

Nun klag ich dir das Leid des Lebenssatten,
Der nur die Stunden bis zum Tode misst,
Da wird er sich der Makellosen gatten,

Der tiefer Nacht inmitten, frommer Christ,
Allein im Anschaun Gottes selig ist!


DER KNABE

Die Närrinnen und Kerle dieser Welt
In Wut sich wechselseitig blind zerfleischen,
Sich keiner mehr vor Gottes Antlitz stellt,

Ist keine mehr ein Spiegelbild der Keuschen.
Komm ich vom Anschaun Gottes in die Zeit,
Mich tief die Menschen dieser Welt enttäuschen.

Allein ein holdes Kind ist Gott geweiht,
Ein kleiner Knabe in der Einsamkeit.


HIMMEL UND ERDE

Die Unbefleckte in dem Himmelreich,
Aus Gnade Göttin, ist des Lammes Frau,
Der Ewgen menschgewordnen Weisheit gleich.

Wie Mond auf einer Blüte Tropfen Tau
Ist makellos das wandellose Wesen.
Wenn aber wieder ich zur Erde schau –

Von der Befleckung durch die Macht des Bösen
Kann nur ein Gott geweihtes Leid erlösen.


AUF ERDEN

Die Himmelspforte aufging einen Spalt
Und ich war bei den Seligen zu Gast
Und sah der Gottheit Antlitz, die uralt...

Nun wieder tragen muß ich meine Last
Und täglich an das Kreuzesholz mich binden
Und doch ich sterbe doch vor Sehnsucht fast

Nach Gott – und bitte Jesus nur, den Linden:
O Jesus, laß dich auch auf Erden finden!


TOD

Ja, lang schon hab ich Sehnsucht, abzuscheiden,
Wiewohl ich bange vor der Todesstunde,
Die die Erlösung ist von allen Leiden.

Gott selber schlug mir eine Todeswunde,
Die kann erst heilen in dem ewgen Leben,
Wenn ich mein Heil empfang von Gottes Munde.

Schon darf ich manchmal in dem Himmel schweben –
Und muß, Maria, doch vorm Tode beben.


CHRISTUS

Gott will in seiner seligen und zarten
Ergötzung wandeln an der Schöpfung Krone
In Einsamkeit in dem verschlossnen Garten. –

Wir gehn durch Disteln und durch Dornen ohne
Glückseligkeit die Gärten durch des Leids.
Doch Gott ist mit uns in dem Menschensohne,

Der leidet mit uns in des Glückes Geiz,
Der stirbt mit uns Gekreuzigten am Kreuz.


IN DIE WELT

O Königin, ich sehn mich aus der Welt
Und irdischer Verbannung himmelwärts,
Du aber, Mutter, schickst mich in die Welt:

Du trage, Sohn, mein unbeflecktes Herz
Den Menschen zu, die in der Macht des Bösen
Dem Herzen Jesu machen manchen Schmerz.

Mit dem Erlöser Seelen zu erlösen,
Trag Liebe in die Welt, der Gottheit Wesen.


GLUCKE JESUS

Du selber, Jesus, glichest dich der Henne,
Die sammelt mütterlich die kleinen Küken.
So, Herr, auch ich vor Mutterliebe brenne

Und will zu Kindern, will zu Seelen blicken
Mit Mutterblicken der Barmherzigkeit.
Barmherzigkeit, die Seelen zu beglücken,

Hast du dich, Glucke, deinem Gott geweiht –
Mach mich zu deinem Bild in dieser Zeit!


SOPHIA

Allein zur Mitternacht in meiner Zelle
Ich ein Gesicht in meiner Seele seh.
Ich dürste wie der Rehbock nach der Quelle

Nach Hagia Sophia! Licht wie Schnee
Die Göttin sitzt im Thron von Elfenbein,
Dem güldnen Sedes Sapientiae.

Du erste und du letzte Göttin mein,
Anbeten will ich dich und benedein!


GÜLDENE ROSE

Getrost und unverzagt, du Turm der Herde,
Gott kennt sie alle, deines Schicksals Lose.
Steh fest, ist auch voll Sünde diese Erde.

Es kommt das Königtum der güldnen Rose,
Zur Maid Jerusalem die Herrschaft wieder.
Die Jungfrau sammelt in dem Mutterschoße

Und haucht den Geist aufs Neue in die Glieder.
Du singe nur der güldnen Rose Lieder!


JONA

Und denkst du, daß ich auf dem weißen Sitz
Erhebe des Gerichtes heißen Strahl
Und zürnend meinen Völkern zeig den Blitz

Und traust der Liebe nicht – so soll der Wal
Mit seinen Eingeweiden, weich und warmen,
Einschlingen dich wie in des Todes Saal.

Du geh, ich sende dich! Künd allen Armen
Der Gottheit mütterliches Allerbarmen!


SCHWESTER

Nach einem Bruder kann ich mich nicht sehnen,
Die Brüder waren doch am Herzen hart.
Doch sehn ich oft mich kindlich unter Tränen

Nach einer Schwester, einer Jungfrau zart.
So schaue ich, von Tränentau Durchnässter,
Was Gott, ein Mensch geworden, offenbart:

Ein Kind, gewiß! Doch seufzet mein gepresster
Notseufzer: Du sei, Weisheit, meine Schwester!


SEGEN DER LIEBE

Gott gönnt dir deine Freude! Offenbar
Wird Gottes Liebe auf verschiednen Wegen.
Und fühlst du wie das erste Menschenpaar

Dich mit der Freundin an der Seite – Segen
Der Gottheit Kinder sind! Ruhn Gottes Hände
Den deinen Lieben auf dem Haupt und regen

Die Seele an, daß sie dir Liebe spende:
Die Liebenden sind Gottes Sakramente!


DIENST UND KAMPF

Du, Gottheit, Ewige, hast Lust an Wahrheit
Und Tag und Nacht des frommen Diensts Bewahrung
Und an geheimer Weisheit schöner Klarheit.

Dieweil ich aber dien der Offenbarung,
Die Schlange möchte mich mit Gift bewirten. –
Doch in der geistigen, der Schlacht Erfahrung

Maria schenkt mir hochzeitliche Myrthen:
Gott sendet zu den Menschen uns wie Hirten!


FINSTERNIS UND TROST

Auf Erden scheint nur Finsternis und Fluch
Und Qualen, quillende, trägt jeder Same?
Der goldnen Rose reiner Wohlgeruch

Soll überströmen dich: Marien Name
Ist Süßigkeit wie Rosenöle süß,
Balsamisch wie die Öle der Balsame!

Im Heimweh schau zur Heimat auf und grüß
Der Liebe Königin im Paradies!


MARIA SPRICHT

Wo Torheit ist, gib weise Offenbarung,
Die Liebe bringe hin, wo herrscht der Haß,
Dem Hunger armer Kinder schenke Nahrung

Und lebe von der Liebe Gottes! Das
Wird dir geschehen, wie ich dir gebiete,
Wenn du nur betest ohne Unterlaß!

Und betend wird dein Leben dir zum Liede
Und Segen bringst du und den Herzen Friede!


MUSE

Des Frauenlobs gemeine Minne geht
Zugrund, wenn Frauen sind dem Feind geweiht,
Unminniglichem Haß. Doch du, Poet,

Du siehst allein im Inneren die Maid,
Die schöner ist, als jemals Frauen sah
Dein Auge. Also werde benedeit

Die Frau der Frauen, Jungfrau Anima,
Das Ebenbild der Gottheit-Domina!


KLAGE

Mir ist so traurig auf der Erde, ach,
Ich wäre schon im Paradiese gern!
Untreue, Bitterkeit und Ungemach

Und meinem Elend süße Freude fern
Und allezeit die tiefe Mitternacht
Und Einsamkeit und nirgendwo ein Stern

Und niemand, der mir in die Seele lacht –
Als nur dein Bild, o Jungfrau süß und sacht!


SCHWARZE MADONNA

Man nennt, Madonna, dich die Schwarze, nennt
Der Schmerzen Mutter dich, die mit uns weint.
Das dichte Dunkel ist mein Element,

Da nicht ein Mond und nicht ein Stern mehr scheint.
Ein schwarzes Licht will mir dein Auge scheinen,
Das meiner schwarzen Schwermut sich vereint.

Wenn wir wie Nacht und Dunkel uns vereinen,
Sind selig wir, weil wir gemeinsam weinen...


AN DEN GEIST

Komm, Geist, verkläre mich von Herrlichkeit
Zu Herrlichkeit, der ich bei Toten schlief,
Verkläre mir den Gott der Ewigkeit

Und mache mich, der in dem Finstern tief
Der Seele Leben lebt als lebt er nicht,
Mich zu der Ewgen Liebe Liebesbrief

Und offenbare mir der Weisheit Licht:
Gott! Es ist Christi dunkles Angesicht!


SEELE UND SELBST

Ich schaute, wenn ich in mein Innres sah,
Die reine Jungfrau, nimmer auszumerzen,
Die Makellose meiner Anima.

Die Frau ist meine Seele tief im Herzen
Und wird nicht in der Seele Nacht vermisst.
Sie offenbart: In meinen schwersten Schmerzen

Mein ganzes Selbst als Mann und frommer Christ
Voll von dem Heilgen Antlitz Christi ist.


IKONE

Hier sehe ich die Hagia Sophia
Als mütterliche Gottheit, All und Ein,
In ihr Messias, den geborn Maria,

Den Herrn, der offenbart der Liebe Sein,
Der ruht verborgen in der Weisheit Grund.
Er führt zum ewigbräutlichen Verein

Die Jungfrau und den Jesus-Jünger – und
Gott selber siegelt diesen Liebesbund!


AN DIE MADONNA

Du bist die Pflaumenblüte in dem Schnee,
Die Perle Tau im Mondenschein im Mai,
Du bist die Transparente, die ich seh,

Als ob sie ganz von weißer Jade sei.
Du bist umhaucht von süßem Duft und Schleier
Und makellos vollkommen wie ein Ei.

Weil du mir heimlich Wonne schenkst, so feier
Ich keine andre Frau mit meiner Leier.


WEISHEIT UND SCHÖNHEIT

Die makellose Weisheit unbefleckt
Im Himmel ist mein reines Ideal,
Das mir wie Liebeswein des Geistes schmeckt.

Sie aber sendet vom Ideensaal
In ihrem mystisch-innerlichen Schweigen
Zur Erde mich in ihres Lichtes Strahl,

Dort soll ich männlich in der Schönheit zeugen:
Weil schließlich Weise sich zur Schönheit neigen...


AN CHRISTUS

Weil du mich, o mein Christus, immer wieder
Als Himmels Gast zur Erde hast gesendet
Zu neuen Leiden, neuer Liebe nieder,

Drum klag ich dir. Wann wird mein Los gewendet,
Daß ich nicht Gast nur bin, ein Bürger sei
Im Himmelreich und all mein Leiden endet?

Auf Erden in der Nacht der Schwermut Blei
Setzt doch des Kreuzes güldnes Kleinod frei!


DAS EWIGWEIBLICHE

Ur-Mutter Eva, Älteste der Ahnen,
Sie pflanzt sich fort durch Reihen großer Mütter.
Jungfräulich ich geboren, im Humanen

Ich suche immer Frauen, süß und bitter,
Anbetend sie als Göttliche zu ehren,
Im Höchsten der Madonna Minneritter –

Ich find der Liebe Gottheit unter Zähren,
Die will sich ewiglich in mir gebären...


JUNGFRAUEN

In früher Vorzeit Gynäkokratie
Die gnostischen, die Jungfraun führten an
Im unbefleckten Jungfraunhause, die

Nicht Mütter waren, unzerstört vom Mann:
So lese ich, so sagen kluge Leute.
An Thekla denk ich da und Agnes dann

Und Mechthild und Therese – aber heute,
Wo sind die unbefleckten Jesusbräute?


BITTE UM GNADE

Vollkommen-Weibliches, in Gott Idee,
Wenn deiner Liebe Gnaden auf mich tauen
Und ich in dir das Makellose seh –

Dann hilf mir, Liebe, liebend anzuschauen
Mit mütterlicher Allbarmherzigkeit
Auf Erden alle unvollkommnen Frauen,

Die sind, wie ich, befleckt von dieser Zeit
Und doch von Gottes Ebenbildlichkeit.


FRAUENFREUNDLICHE WEISHEIT

Leutselig, menschenfreundlich, sanft und gnädig –
Mach, Weisheit, weise mich nach deiner Weise!
Wohlwollen siege, wenn, der Frauen ledig,

Die Frauen ich besuch im kleinen Kreise.
Wertschätzung allem, was das weiblich ist,
Zum Ruhm der schönen Weisheit, das ist weise.

Verborgen in der Seele Keim, o Christ,
Der Fraun der Inbegriff der Gottheit ist.


JESUS UND MARIA

Wir Sterblichen im Erdenschoße kamen
Als Mutterkinder wehenvoll im Werde
Und aus der Beischlafswonne Mannessamen.

Human sind wir, sind Humus von der Erde.
Vom Himmel kam alleine Jesus Christ,
Der Gott-Mensch, Hirte seiner Menschenherde.

Maria, Erde auch, den Himmel küsst,
Die Irdische, die Menschen-Göttin ist.


MENSCHLICHE EINSAMKEIT

Ist niemand, der mich kennt und mich versteht!
Vergeblich, daß ich zu den Menschen spreche!
Mein Geist – woher er kommt, wohin er geht –

Von niemandem erkannt! Und ich zerbreche
An all den Fremden, die ich nicht erkenne,
Den Menschen aus der Welt der Oberfläche!

Im Purgatorium, in dem ich brenne,
Ich nur Maria meine Freundin nenne!


VEREINIGUNGSSEHNSUCHT

Was weckt die Schönheit, schön wie dunkle Nacht,
In meiner Seele wunderliches Sehnen
Nach Liebe auf, daß ich allein verschmacht

Und suche Trost mit hoffnungslosem Stöhnen!
Allein Frau Welt droht mir mit Steinigung
Und Schlangenzungen! Einzig zu versöhnen,

Die Gottheit, Trösterin in Peinigung,
Lädt mich zur göttlichen Vereinigung!


FREUDE DER FREUDEN

Schau nicht zu denen, welche dich nicht lieben
Und nicht verstehen deinen innern Sinn
Und nur mit hohlen Phrasen dich betrüben!

Schau zu der seligen Madonna hin
Und lösch den Durst an dem verborgnen Bronnen
Der Liebe deiner Herzenskönigin –

Die Freude aller Freuden hast gewonnen,
Die Paradieseskönigin der Wonnen!


BESSERER WEG

Wär hilflos eine Frau doch oft und kühl
Und würde welken in Vergänglichkeit
Und würde spielen oft der Torheit Spiel.

Die unsichtbare Unvergänglichkeit
Unsterblicher Madonna blühend preise
Als ewge Jugend, der ich bin geweiht,

Die mir als Braut und als Geliebte leise
Die Gottheit spendet, die alleine weise.


VEREINIGUNGSZIEL

In Tiefen meiner Nacht der Einsamkeit
Erscheint als Punkt, als Kreis ein reines Licht:
Schoß oder Herz der Gottheit! – Ewigkeit

Begehre ich allein und will schon nicht
Die Welt mehr, Fleisch und der Dämonen Pracht.
Die Gottheit auch begehrt mich sehr! – Sie spricht:

Den Kreuzweg geh! Du mußt durch manche Nacht,
Bis Gott dich göttlich eins mit Gott gemacht!


LEIDENSCHAFT UND IDEE

Auf Erden wühlen dunkle Leidenschaften
Wie Wettersturm und aufgewühlte Flut
Und dürfen doch am Seelenkeim nicht haften!

Der Seele goldne Blüte, Fünklein, Glut
Des Geistes, weiht mit innerem Vertrauen
In reiner Blöße sich dem Höchsten Gut,

Der Gott-Idee, die schöner als die Frauen,
Glückselig, ewig Gottheit anzuschauen!


KREUZ

Was Fromme lehren von dem Kreuzestod,
Will mir so recht nicht ein, will mir nicht schmecken.
Steht nicht ein andrer Sinn noch zu Gebot?

Der Geist des Karmel läßt mich noch entdecken:
Wer göttlich werden will, sterb mit dem Sohn!
Der lasse sich vom eignen Kreuz nicht schrecken!

Das Bett des Kreuzes ist der Weisheit Thron,
Das Hochzeitsbett der mystischen Union...


INNERES HEIL

Wenn alle die Verwundungen am Herzen
Wie Kreuzessplitter sind in jedem Teil
Und ganz das Herz erscheint als Bündel Schmerzen –

Maria, Mutter, öffne in der Weil
Im Herzensinnern mit der mutterzarten
Und sanften Hand die Pforte mir zum Heil:

Zum Lämmlein, weidend unter Lilienarten,
Zum heilgen Kinde im verschlossnen Garten...


DER HERR SPRICHT

Wenn ich dir nehme deine Augenweide
Und deines Herzens Wunsch – sollst du nicht trauern
Und nicht verletzen dich in deinem Leide

Und nicht versinken unter Tränenschauern,
Auch nicht so schwer auf deiner Schwermut brüte,
Vielmehr verkünde (und dein Wort soll dauern),

Was dir die Weisheit sagt in ihrem Liede:
Nenn Gott nicht Vater, preise Gott die Güte!


FRIEDE

In allem Lärm und Treiben dieser Welt
(Die Damen plaudernd und die Ritter trabend)
Ist meine Heimat nur das Himmelszelt.

Ein Kind auf meinem Schoß saß ich am Abend
Und schaute in den blauen Himmel müde
Und fühlte still das Kind an Gott sich labend –

Denn Gottheit war in grenzenloser Güte
Auf uns herabgegossen: Süßer Friede!


JESUS SPRICHT

Du denkst, ich bin ein strenger Herr und Mann
Und daß ich dich mit bittern Schmerzen quäle?
Ich aber lös dich von des Todes Bann

Und gebe ewges Leben deiner Seele!
Sieh an Maria, deiner Seele Flamm,
Die süße Vielgeliebte ohne Fehle –

Wie sie dir Braut ist, bin ich Bräutigam
Der Anima, demütig sanftes Lamm.


SCHWARZER CHRISTUS

Verflucht der Tag, da ich geboren bin,
Was blieb ich nicht in meiner Mutter Schoß?
Als Leben besser ist es, geht man hin,

Und besser ungeboren sein! So groß
Erscheint die Finsternis im tiefen Schacht!
Der schwarze Christus wendet nur das Los,

Da er gestiegen in des Abgrunds Nacht –
In Finsternis der schwarze Christus wacht!


SELIGKEIT

Wohl wachend vor dem Bilde Unsrer Frauen
Die Seele aus dem Leib gen Himmel geht,
Still selig schon die Gottheit anzuschauen!

Doch auch der tiefe Traum war ein Gebet
Und wie ein religiöser Geisteskuß,
Da in Glückseligkeit die Seele weht

Und still schwimmt in glückseligem Genuß
Erlöst, erlöst in Gottes Uterus....................

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