[Inhalt]

Peter Torstein Schwanke
 
PILGRIM ZUR TOCHTER SION
 
„Ich rufe Dich mit großer Gier, ich brenne unverlöscht in Deiner heißen Minne... Nun bin ich eine nackte Seele....“
(Mechthild von Magdeburg)
 
„In loneliness I long to see
The beauty of thy face,
My sister, o Sainte Charitee,
With mercy, love and grace.
Thou art my moon, my morn, my sea
And virgin-star in space!
(Sir Peter Cygnet)
 
„Minnedichter nennen sich Freunde und Liebhaber der göttlichen Jungfrau, ihrer ‘wahren Freundin’.“
(Walter Schubart)
 
 
ERSTER GESANG:
DIE URGEMEINDE
 
I
 
Re setzte sich in seine Todesgondel
Mit seinen dutzend tödlichen Seefahrern,
Gesellen seiner Hölle, finstern Dienern.
Der Wollust Göttin, Mizraims Mutterkuh
Mit dem Gehörn und mit der Mondesscheibe,
War dieser Barke Gallionsfigur.
Die tödlichen Schiffsleute aber sangen
Lobpreis zu Sistrum und zu Zimbel Ra
Und seinem Sohne Horus. Er ist schrecklich!
Der Opferstier der Wahrheit stand am Steuer,
Die Affen Afrikas eröffneten
Uralte Pforten zu des Todes Tempel,
Mit kreischendem Gesang den Eintritt Re’s
Begleitend unter dem Gezisch der Schlangen,
Die mit der geilen Augen roten Feuern
Des Todes Finsternis verfinsterten.
Und Re sprach Recht und sprach Gerechtigkeit
Der Erde Göttern zu, die in dem Korn
Erstanden in alljährlicher Erstehung,
In primitiven Auferstehungen,
Die säten ihren Samen in die Erde,
Die alte Mutter, wie den Regen Baals.
Und Re befahl dem Richter aller Toten,
Befahl dem Gott Osiris, aufzuwachen,
In dem er an ihn hauchte mit dem Willen
Und dem Gefühl und dem Verstand und gab
Ihm seiner Seele Rachgelüste wieder,
Um den Verfluchten auf den Feuerthron
Der Unterwelt zu setzen in den Kreis
Der grausam-richtenden Dämonen-Schöffen.
Mit Flügeln Schlangen glitschten in dem Gang,
Der immer tiefer sich hinunterwand,
In neun Spiralen in des Todes Tiefe.
Der sich vom Hauche seines Mundes nährt,
War da, der höllische Poet,
Der von der Wege-Wächter Stimmen lebt,
War da, der sprachgewandte Landesfürst,
Und Unheil, Übel, Lüge und Verleumdung
War um ihn als sein Höllen-Parlament.
Der Weg schien zwischendurch gefahrlos fast,
Der führte nieder zu Osiris’ Grab,
Des Throns des Gottes dieser Nekropole,
Es stinkte dieser Gott abscheulich nach
Verwesung und Ausscheidungen des Wurms.
Die Sonnenbarke Re’s fuhr auf den Hügel
Des Katzenkopfs der toten Isis zu,
Des Inneres bewacht von Drachenhäuptern.
Re fuhr hinein und sah den Gott der Erde,
Der da umherging wie ein wilder Löwe,
Der brüllt und sucht wen er verschlingen kann,
Ein Grabmal in Person. Da kam hervor
Mit seinem Falkenkopf der Götze Sokar,
Der auf dem Rücken einer Schlange saß,
Die da das Antlitz eines Menschen trug.
Und über dieses Gottes Sokar Hügel
Befand ein Käfer sich, Mitspillen drehend,
Der nach der Tondesgondel Zugseil griff,
Die Barke ziehend durch den Mist der Nacht,
Da Gottes Sonne sich verfinsterte,
Zog sie zum Wüstengrab des Totenrichters,
Des Schattenfürsten aller Unterwelt.
Sein Grab bewachten Sperberweibchen und
Aus seinem Grabe mit dem Namen Nacht
Erhob der Skarabäus sich, Abaddon.
Die Barke nahte sich dem Affengeist,
Dem Affen Gottes, der da Thot geheißen,
Der da den Tod in seinen Händen hielt,
Der da beabsichtigte, eine Stadt
Für Nord- und Süd-Ägypten zu erbauen,
Denn Mizraims Götter waren seine Freunde,
Besonders nahe aber stand ihm jener,
Den er den Chepre nannte, eine Leiche,
Umwunden von der fünfköpfigen Schlange.
Da rannte zu dem Gott der Sonne eine
Gestalt mit Katzenohren, Messer schwingend,
Die da enthauptete Gestalten bei
Dem Fleische des Osiris, das von Schlangen
Umwunden war; dieweil der Strafende
Rebellen fesselte und zerrte sie
Zu der Apophisschlange in das Chaos,
Da deren Schwanz gehalten ward von der
Skorpionengöttin und der Göttin, die
Man auch die Führerin der Klingen nannte.
Und Re zog weiter in die finstern Nischen,
Da wimmelten die Pharaonenratten
Und aus den schwarzen Todeswassern tauchten
Der Leviathan und der Behemot,
Wie Flußpferd und wie Krokodil der Hölle.
Sie trugen eine riesengroße Kobra,
Die aufschrie wie ein Kater, als sie schrie,
Erschien ein Dutzend Kobras, Feuer speiend,
Des Schattenfürsten Wächterinnen, die
Von dem verdammten Blut der Toten leben,
Wie Roten Meeres Lilim und Vampire.
Und da erging der Ruf des Re: Bestraft
Mir meine Feinde, die da durch die Pforten
Der Hölle treten in das Totenreich!
Und die Gestalten wurden von Dämonen
In siebenfachen Feuerpfuhl geworfen,
Da Göttinnen der Finsternis mit spitzen
Zänkischen Zungen Feuerflammen spieen,
Da in den andern Gruben die Verdammten
Kopflose Schatten waren voller Qualen.
Und über diesem Abgrund stand die Jungfrau
Mit ihrem Sohne, der da haucht das Wort:
Ihr seid geworfen in den Feuerpfuhl
Und sollt in Ewigkeit nicht mehr entkommen,
Die Führerin der Klingen wird euch alle
Äone der Äone eure Herzen
Hinschlachten auf dem höllischen Altar!
Und Re, die Sonne, die da Strahlen schoß,
Erglänzte in dem Schoß der Nut, kam zwischen
Den Schenkeln nachtgeheimen Göttin
Hervor und wühlt und wühlte sich ins Licht!
 
 
II
 
In Heliopolis lebte Pentephres
Mit seiner schönen Tochter Asenath,
Die schöner war als die Ägypterinnen,
Die schlank wie Sara war und blühend wie
Rebekka und wie Rahel schöngeaugt.
Und ihrer Schönheit Ruhm ging durch die Gauen,
Doch lehnte Asenath jedweden Freier
Und auch des Pharo Erstgebornen ab.
Sie saß in ihrem Purpurteppichzimmer,
Das war mit Edelsteinen ausgelegt,
Da goldne, silberne und steinerne
Abgötter aufgestellt, Osiris, Isis,
Maath, Horus, Nephtys, Hathor, Thot,
Die Göttinnen und Götter von Ägypten.
Und Silber, Gold und golddurchwirkte Seide
Befanden sich im Zimmer Asenaths
Und Edelsteine, Leinenkleider, Schmuck.
Und vor dem Fenster war im Innenhofe
Ein Brunnen, darin war kristallnes Wasser,
Und rundherum mit schönen Früchten Bäume.
Doch herrlicher als alle diese Dinge
Fand Asenath den schönen Träumer Joseph,
Der war der Höchste nach dem Pharao.
Der Gottheld kam mit einem Dutzend Männern
Zu Pentephres, dem Vater Asenaths,
Der war in Heliopolis Hoherpriester.
Gepriesen sei der Gott, der Joseph liebt,
Gepriesen sei der Gott, den Joseph liebt!
Rief Pentephres, da eilte Asenath
Ins Zimmer, zog sich feines Leinen an,
Mit Scharlasch und mit Gold durchwirkte Seide,
Und legte einen goldnen Gürtel an
Und an die runden Arme Silberspangen
Und an die Beine purpurrote Fesseln
Und Lapislazuli an ihren Hals
An Silberkettchen, darin eingraviert
Der Name war von Isis und von Horus.
Dann setzte sie sich einen Turban auf
Und setzte sich in ihre schwarzen Haare
Ein Diadem, die Schläfen schimmerten
Wie Scheiben von Granaten, und sie hüllte
Ihr schönes Angesicht mit feinstem Schleier.
Als Pentephres die Tochter kommen sah,
Die wunderschöne Tochter kommen sah,
Pries er den Träumer Joseph, pries ihn weise
Und rein und schön und über alle Maßen
Erhaben, in ihm sei des Höchsten Geist.
Da fragte Asenath sich bei sich selbst,
Ob Joseph mehr als nur ein Fremdling sei,
Sohn eines Bauerns Kanaans, zudem
Traumdeuter wie die alten Fabelweiber.
Auch ging da ein Gerücht um von der Lust,
Die er am Weibe Potiphars gestillt,
An dieser losen lüsternen Suleicha.
Doch Joseph kam auf einem goldnen Wagen,
Schneeweiße Rosse zogen seinen Wagen,
Der Wagen glänzte wie die lichte Sonne.
Er trug am Leibe einen edlen Rock,
Sein Umhang war von purpurrotem Linnen.
Im Haupthaar trug er einen goldnen Kranz,
Zwölf auserlesne Steine in dem Kranz
Und goldne Strahlen auf den Edelsteinen.
In seiner Rechten trug er einen Stab
Und in der Linken trug er einen Ölzweig.
Da seufzte Asenath und seufzte: Weh,
Unselig, wehe, arme Asenath!
Was hab ich schlimm vom Herrlichsten gedacht?
Er ist ja licht des schönen Lichtes wegen,
Das in ihm glüht, er ist doch wie die Sonne,
Was nannt ich ihn nur einen Bauerntölpel?
Wo je auf Erden gab es solche Schönheit,
Wer war die Frau, die diesen Gott gebar?...
Unselig hatte sie und töricht sich
Verhalten, aber nun begehrte sie
Nichts anderes, als Josephs Magd zu sein,
Leibeigne Sklavin seines Harems nur!
O dürft ich ihm die nackten Füße salben
Mit Myrrhe, Narde, Aloe und Stakte!
Da sagte Pentephres, die Tochter solle
Den Stellvertreter ihres Königs küssen,
Da spitze sie gehorsam wie begierig
Die Lippen, die da waren süße Feigen.
Doch Joseph sprach, der Keusche: Nein, er küsse
Unmöglich einen Mund, der Götzen preise,
Mit seinen gottgeweihten Lippen nicht
Die Lippen einer Götzendienerin!
Zwar seien diese Lippen süß wie Honig,
Aufgrund des Frevels doch wie Wermut bitter.
Er wolle nicht vom Kelch des Truges trinken
Und sich nicht salben lassen mit der Salbe
Der Götter, die da allesamt Dämonen.
Er teile nur mit einem Weib das Lager,
Das den Lebendigen verherrliche,
An ihren Brüsten würd er sich berauschen!
Drauf legte Joseph seine Rechte der
Beschämten schönen Asenath aufs Haupt
Und betete zu Gott und bat den Herrn,
Zu segnen Asenath, sie zu befreien
Von falschen Wegen ihres Götzendienstes,
Da bat er den Allmächtigen, daß Gott
Sich dieser Tochter Mizraims offenbare
Und ihr erleuchte ihres Herzens Augen,
Daß sie den Ewigen der Scharen schaue!
Gott möge Asenath erneuern durch
Die Neugeburt in Wasser und in Geist
Und sie mit der Erwählung Salbe salben
Und speisen lassen sie der Engel Manna
Und trinken lassen aus dem Kelch der Segnung
Und schenken Leben ihr in Ewigkeit!
Das rührte Asenath am Herzen an,
Sie ward erschüttert durch den Segen Gottes
Und Segen Josephs und sank auf ihr Lager.
Und dann erhob sie sich und warf die Götzen
Und frevelhaften Weihrauch aus dem Fenster
Und warf die Götterbilder Hunden hin.
Und allen Göttern schwor sie ab und bat
Den Ewigen der Scharen, Josephs Gott,
In Gnade anzunehmen ihre Buße
Und zu erneuern sie durch seinen Geist.
Nach sieben Tagen Fasten und Gebet
Ging an dem Himmel auf der Morgenstern
Und an dem lichten Himmel tat sich auf
Aus Strahlen eine goldne Himmelspforte
Und sieh, ein Engel trat zu Asenath
Und grüßte also: Freu dich, Asenath,
Denn Gott hat deine Buße angenommen
Und dich erneuert durch den Heiligen Geist!
Der Engel war sehr schön, von reiner Anmut,
Sein Angesicht glich einem lichten Blitz,
Die Augen waren wie der Sonne Glut,
Sein Haupthaar war wie Feuersbrand, dieweil
Von Händen und von Füßen Funken stoben.
Hab keine Angst! sprach Gottes Engel da,
Vermählen will ich dich mit Joseph nun.
Ablegen sollte sie ihr Bußgewand
Aus schwarzem Sacktuch und ein weißes Linnen
Anlegen und den goldnen Keuschheitsgürtel
Sich legen an die Lenden des Gemütes.
Sie wusch mit klarem Wasser ihre Hände
Und nahm sich ihren feinen schönen Schleier,
Das schöne Angesicht damit verschleiernd.
Der Engel sprach, sie sei nun eingetragen
Ins Buch des Lebens, werd in Ewigkeit
Nicht mehr getilgt aus Gottes Lebensbuch
Und dürfe essen Brot der Engel nun
Und leeren Becher der Unsterblichkeit
Und werd gesalbt mit unverweslichem
Salböl der Ewigkeit, geweihter Narde.
Der Gottheld sei fortan ihr Bräutigam.
Da reichte er ihr eine Honigwabe,
Die weiß wie Schnee war, süß wie Himmelstau.
In dieser Wabe sei der Geist des Lebens,
Gewoben von des Paradieses Biene
Vom Tau der Rose aus dem Paradies!
Und wenn sie von dem Brot des Lebens speise,
Vom Honigseim des Wortes Gottes, sprieße
Aus ihrem Fleische eine Lebensblume,
Genährt vom Wasser aus dem Born des Höchsten,
Da werde ihr Gebein in Ewigkeit
Wie Zedern auf den Bergen Gottes sein
Im ewigen Wonneparadies des Himmels!
Da tauchte Gottes Engel seinen Finger
In jenen Honigseim, da ward es Blut:
Frau, dies ist des Messias Blut, vergossen,
O Braut, zu deiner heiligen Erlösung!
 
 
III
 
O Nathan, Nathan, wer ist schön wie Chawa?
Der König Israels, der Gottgeliebte,
Der Hirte David, er bekam versprochen
Prinzessin Michal, die ihm lieber war
Als Merab, war ja Michal vielmals schöner,
War Michal sanft und still in ihrem Herzen,
War eine echte geistliche Prinzessin.
Was David aber überwältigte,
Das war ihr braunes aufgestecktes Haar,
Ein Kunstwerk an Gefühl, Geruch und Aussehn,
Ein Turm, wie er da in Dammaskus steht,
Errichtet ganz aus Ebenholz von Kusch
Und duftend wie nach Elefantenküssen,
Und dieser Turm umflochten rings von Blüten
Und Rosenranken, atmete den Duft
Äthiopiens, Geruch der Mitternacht.
Oh läge ich gefesselt in dem Haar,
In dem Verließ aus roten Rosenranken!
Im Rosenrankenturm von Ebenholz
Zwei goldne Spangen, Dammaszener Dolche
Aus Gold von Ofir, mit zwei runden Knöpfen
Wie Taubenaugen schauend im Gebüsch.
Oh wäre ich in diesem Rosengarten
Und tränke den Geschmack des Morgentaus,
Wenn er hervorquillt aus den Rosenknospen,
Jungfräulichen! Ein Eden duftete
Aus diesem Frauenhaar, geliebte Michal!
Und David schlachtete zweihundert Feinde,
Zweihundert lästernde Philister ab,
Vorhäute schneidend für den König Saul
Als sexuellen Brautpreis für die Schönste,
Die Schönste aller Jungfraun Israels!
O Nathan! ist sie nicht wie Chawa schön?
Und ist nicht schön wie Chawa Nabals Witwe,
Die wundervolle Abigail vom Karmel?
Von Nabal gibt es Gutes nichts zu sagen,
Er war ein Narr, ein Fresser und ein Säufer,
Nur reich am schnöden Silbergötzen Mammon,
Ein Frevler, starb darum auch jähen Todes.
Und Abigail warf David sich zu Füßen,
Er hob sie auf und hielt sie in den Armen,
Welch eine Wonne für den Gottgeliebten!
Das war ihm ein Geschenk von Gott dem Herrn,
Das er am Herzen klopfen fühlen durfte
Das pochende, das Herz der Nachtigall,
So warm, so blutend, so vor Liebe stöhnend,
Hingebungsvoll der Busen in dem Busen,
Aufopferungsbereite Frauenseele!
O deine Seele, Abigail vom Karmel,
Dein Leib ward dir geformt von deiner Seele,
Des Weibes Linie, die Gestalt der Hindin,
Wenn diese atmet mit bewegter Brust
Und fliegendem Gestöhn und wirft die Brust
Hin in den Wind, der sie heiß atment küsst!
Was sinn ich Ungeheures denn, was sinn ich,
Zu sagen, wie ihr Frauenbusen war?
O Glocken ihr aus mütterlichem Mehl,
O Brüste ihr aus süßem Himmelsbrot,
O Rosen ihr aus Milch und Honigseim,
O Äpfel ihr des ersten Paradieses,
O Zwillinge von hüpfenden Gazellen,
O Morgensterne ihr im All der Liebe!
Und ihrer Hüfte goldenes Geschmeide,
Ja, immer zog es Davids Arm um diese
Begehrenswerte Hüfte, David wollte
Umfangen sie und sie zum Tanze tragen!
Er wollte ziehen sie an seine Seite,
Zu wandeln mit der Schönen über die
Grastriften in dem Frühling auf dem Karmel
Und ruhn im Gras bei dem Gemuh der Lämmer
Und sich zu betten mit dem Haupt des Hirten
Auf eines Mutterschafes goldnes Vließ!
O Nathan, ist sie nicht wie Chawa schön?
Und ist nicht Wollust ein Geschenk des Herrn?
Wir wollen Gott den Schöpfer loben, Gott
Dank sagen fürs Geschenk der Augenweide
Und Dank für alle unsre sieben Sinne!
O Nathan, ist nicht lieblich anzusehn
Wie Chawa Davids Lieblingin Batsheva?
Oh wie ein Mond, wie eine Mondensichel
Im Schimmern weißer Milch erschimmerte
Des Weibes Angesicht herüber, da
Sie aus dem Bade kam, der Tau der Reinheit
Herniederperlte an dem nackten Leibe,
Wie himmlischer Gesang die Himmelsleiter
Herniederträufelt zu den Hirten, die
Ermattet schlummern auf den Weidetriften.
Der Hirte, der da David hieß, der sah
Den Mond von Anlitz, und Gefühl erquoll
In seiner Seele auf, Verzückungen
Und Sympathie, und sieh, er sah sie lächeln!
Ah, wie der Winkel ihres Mundes schräg
Hinaufgezogen, fand er allerliebst,
So lässig und so reizend! Und die Zähne,
Schneeweiße Zähne! Frischgewaschne Schafe
Sind nicht so strahlend wie Batshevas Zähne,
Vollkommen, Schmelz von Schnee und Lammesmilch,
Und ihre Zunge feuchtete die Lippen!
Und weh mir! ihre wundervollen Augen!
Weibliche Wasser mondner Fruchtbarkeit,
In denen Liliensterne nackt sich baden
Und Regenbogen, Augen sanft wie Engel,
Wenn sie zur Harfe stille Lieder singen,
Pupille wie Kamelmilch und die Iris
Die blaue Blume aus dem Garten Eden!
Und ihre Wangen! braun und weiß und rot,
Kußliche Bäckchen, wie von Wein erglüht,
Des Joches Wölbungen von Asia!
Und dann das Ohr, das sagte: Oh du David!
Als er ihr zärtliche Liebkosung sagte,
Sie hörte wohl den Liebreiz seiner Stimme
Und das Begehren und die Herzlichkeit,
Ein feines Ohr wars eines feinen Weibes,
Schaumweiße Muscheln nackender Bathsheva!
Ist wie Batsheva denn nicht Chawa,
Liebreizender gar noch die schöne Chawa,
O Nathan? Freie sie und herze sie!
Berausche dich an ihren jungen Brüsten
Und preise jeden Morgen Gott den Schöpfer!
 
 
IV
 
Der Menschensohn war wie ein grüner Baum,
Am Wasserbach gegründet, der zur Labsal
Uns seine Bergamott-Orangen gab,
Als an der Zeit es war, vom Herrn bestimmt,
Und seine Blätter waren heilsam, wie
Die Blätter von dem Baum des Lebens, die
Uns Schatten boten vor der Sommersonne
Judäas, und die rauschten, wenn der Odem
Des Herrn sie rührten, zitterten und rauschten.
Und alles, was er tat, gelang ihm wohl.
Nun soll sein Leben ihm mißlungen sein?
Hat denn sein Leben ihn zum Tod geführt?
Er ist doch mehr als nur ein dürrer Baum!
Hat Gott zerspalten unsre Hoffnung denn,
Wie Gottes Blitz zerspaltet einen Baum?
Für einen Baum gibts aber Hoffnung, wenn
Er abgehauen ward, so treibt Gezweig
Aus seinem Stumpfe. Altern mag die Wurzel,
Sie treibt doch neue Grünlinge hervor,
Vom Duft des Wassers lebt die Wurzel auf
Und treibt wie frische Pflanzen neue Zweige.
Doch da der Menschensohn gestorben ist,
Da soll er hingestreckt im Grabe bleiben?
Da er verschieden ist, wo ist er da?
Der Tod hält Eisenmänner nur für Stroh,
Erzmenschen sind ihm wurmstichiges Holz!
Der Mensch ist wie ein Splitter auf dem Wasser.
Doch wenn die Terebinthe Baschans und
Des Eichgrunds Eiche umgehauen werden,
Ihr Stumpf wird sein ein heiliger Überrest.
So ist es mit dem Samen des Messias.
Er war doch auserlesen wie die Zedern
Des Libanon, er war doch eine Zeder,
Stechdornen aber alle anderen!
So sprach der Herr Jehowah, er wird nehmen
Vom hohen Wipfel hoher Zeder, wirds
Einsetzen auf erhabnem Berge Juda’s,
Daß unter ihr die Töchter des Gesanges
Mit Stimmen singen, dünn wie müde Mühlen
Am Abend, in der Zedernzweige Schatten
Lobsingen sie und preisen ihren Schöpfer!
Und nun, und nun, wohin ist diese Zeder?
All unsre Hoffnungen in ihm, wohin?
Die Zeder auf dem Libanon, Prachtzeder,
Ward nicht verdunkelt von den andern Bäumen
Im Garten Gottes; die Zypressen glichen
Ihr nicht mit ihren trauervollen Zweigen,
Platanen kamen mit den breiten Ästen
Ihr auch nicht gleich; kein Baum im Garten Gottes
Kam dieser hohen Zeder gleich an Schönheit!
Schön hat der Herr Jehowah sie gemacht
In ihrer Zweige Fülle, es beneiden
Sie alle andern Bäume Edens, die
Im Garten Gottes wachsen. Doch sie ward
Dem Tode preisgegeben unter Menschen.
Und darum spricht der Herr Jehowah so:
Am Tage, da sie stieg zur Unterwelt,
Da hab ich Traurigkeit verursacht, da
Ließ ich die Fluten trüber Wasser fließen,
Den Libanon hab ich in Schwarz gehüllt
Und ließ verschmachten all des Feldes Blumen.
Doch Israel wird herrlich sein, wird herrlich
Wie eine Zeder sein, gepflanzt am Wasser,
Wie Cardamomen, die der Herr gepflanzt,
Denn der Gerechte ist ein grüner Ölbaum
In Gottes Haus und prangt mit reicher Frucht,
Abklopfen werden Völker die Oliven
Aus seinen Wipfeln und Gezweigen und
Mit seinen Beeren sich ernähren; gleich
Dem Weinstock ist er auch, von dessen Beeren
Sie Tröstungen und Freude trinken werden.
Ja, ausgegossnes Salböl ist sein Name
Und trunken wie der Wein macht seine Liebe!
Ja, er wird so wie eine Palme sprossen,
Wie eine Bergamott-Orange ist er
Im Kreis der Judasbäume. Seine Worte
Sind so wie goldne Bergamott-Orangen
Auf Silberschalen. Seines Mundes Wort
Ist wie der süße Duft von reifen Äpfeln,
Sein Mund ist wie die Frucht vom Baum des Lebens,
Denn Jesus Christus ist der Baum des Lebens.
Aufjauchzt, o Himmel, jubelt Lobgesänge,
Vollbracht hat es Jehowah! Jauchze, Grab,
Du leeres Felsengrab! Mit Jubelsang
Jauchzt auf, Moria du und Sionsberg,
Du Hermon und du Baschan und du Karmel!
Der Wald des Libanon und Sions Palme,
Sie sollen jauchzen, jubeln und sich freuen!
Der Himmel soll sich freuen und die Erde,
Das Schilfmeer brause und das Große Meer,
Es juble laut das Land von Milch und Honig,
Juchheien soll der Zimtbaum Palästinas,
Weil es vollbracht der Herr! Ihr Himmlischen,
Ihr Heiligen und Engel, preist den Herrn,
Jehowah preist, den Ewigen der Scharen,
Jehowah in der Höhe! Rühmen sollen
Plejaden und Orion und die Jungfrau,
Die Sonne und die Sterne und der Mond
Den Ewigen der Scharen! und die Wasser
Des Himmels sollen loben Gott den Herrn!
Denn droben wohnt in aller Himmel Himmel
Jehowah, Gott der Herr! Es ist vollbracht!
Erhaben wie der Himmel seine Gnade
Und seine Treue überall wie Wolken!
Sein Sproß wird ewig währen und sein Thron
Ist wie die Sonne, unermeßlich licht
Und wie die Sonne dauernd von Bestand
Und bleibt noch länger als der Mond am Himmel
Und bleibt Äone um Äone, ewig!
Schön wie die Sonne ist sein Angesicht
Und milde wie der Mond! Ihr Heiligen,
Seht auf zum Himmel, zählt die Myriaden,
Zählt ihr zuende je die Sternenscharen?
So zahlreich sollen Gottes Kinder sein,
Die er gegeben Adonai Messias,
Gegeben sind die Auserwählten ihm,
Dem Erstgeborenen der Auferstehung!
Denn Jeschuas Geschwister werden strahlen
Wie Himmelsbläue, seine Auserwählten
Erschimmern wie die schönen Sterne droben!
Wie bist du aus der tiefen Nacht erstanden,
Du lichter Morgenstern! Du bist der Stern,
Der da aus Jakob aufgegangen ist!
Wo wohntest du vergangne Nacht, o Licht?
Wo ist der Ort der tiefsten Finsternis,
Daß du durchbrachest seine Todesgrenze?
Kennst du die Pfade zu den dunklen Hütten?
Du kamest aus des feurigen Palastes
Uralter Todespforte, Triumphator!
Siegreicher Morgenstern! du Herrlicher!
Dein Glanz ist gleich dem Glanz des Lichtes Gottes,
Ein Strahlen wird an Gottes Seite sein,
Ein Strahlen wird an Jesu Seite sein,
Das Schimmern der Geschwister des Messias!
Du bist das Licht des Morgens, der du über
Die Menschen waltest in Gerechtigkeit
Und in der Reverenz vor Gott dem Herrn!
So bist du wie die Sonne, welche aufstrahlt,
Am Morgen wolkenlos, wenn von dem Licht
Und von dem Tau die junge Erde sprießt.
Du bist das siebenfache Licht der Sonne!
Du machst den Heiligen die dunkle Nacht
Zu einem strahlenden Zenit der Sonne!
Ihr Leben wird durch dich und deine Freude
Erstrahlen heller als die Mittagsstunde!
Laßt uns erkennen, o ihr Heiligen,
Jehowahs Angesicht in Jeschua,
Der aus dem Schoß der Morgenröte kam!
 
 
V
 
Schalom, o Salem! Friedliche, o Tochter
Jeruschalajim, Gottes liebe Braut!
Hierosolyma, Mutter aller Völker!
Wie schön wohnst du auf dem Gebirge Juda!
Wie senkst du dich ins Tal der Käsemacher
Und wie erhebst du dich zum Tempelberge!
Das Hinnomtal bringt dir die Berge nah,
Die Ölbergkette trägst du um den Hals
Des Kidrontales, Gott hat dich geschmückt
Und dich erwählt, Gott wollte in dir wohnen!
Urusalimmu! Lebenswassers Quelle
Ist in dir, ist im Kidrontal der Gihon,
Ich nenne heute sie Marienquelle,
Sie fließt ins schöne Jebus durch die Röhre
Hiskias, nieder in den Teich Siloah.
Urusalimmu! in Zisternen sammelst
Du stilles Wasser, das des Winterregens,
Der an dem Ölberg niedergeht im Dunst.
Von unten quillt herauf der Drachenbrunnen,
Genannt Bir Eijub, nämmlich Hiobsbrunnen,
Wie Wasser quillt herauf die Klage und
Wie Tränen aus der Mutter Erde Augen,
Wie aus den Teichen Salomos die Quelle
Bei Bethlehem, die fließt zum Tempel Gottes!
Die Davidsstadt ruht an der Gihonsquelle,
Die Tochter Sion, welche Salomo
Erweiterte um den Palastbezirk
Und gottgewollt um den Bezirk des Tempels!
Dann ward die Mörserstadt der Neuzeit im
Äon der Könige errichtet im
Gefild Jerusalems. Nebukadnezar
In seinem Wahnsinn nahm dich ein, o Frau
Jehowahs, und zerstörte dich, weh dir,
Jeruschalajim, whe! Nehemia
Hat Stein auf Stein gereiht zu neuen Mauern,
Du Mutter aller Welt, Urusalimmu!
Dein ist das Schaftor, Mea, Hananel,
Jesanator und Fischtor, Ofenturm
Und Pforte Ephraim und Scherbentor
Und Quelltor mit dem Teich im Kidrontal
Und Roß- und Wassertor und Innentor,
Wachttore allesamt vorm Tempel Gottes!
Der große Alexander nannte dich,
O Stadt, seit seiner Zeit in Persien
Jerusalem. Pompejus aber machte
Dich Römerin. Herodes baute Burg
Antonia und den Palast, da dann
Pilatus richtete, der da gesprochen
Auf Gabbata: Gekreuzigt sei der Christus!
Jeruschalajim, gabest du den Deinen
Ans Kreuz der Römer, deinen Herrn und Gott!?
Er kam in seine Stadt, sein Eigentum,
Sie lieferten den Herrn den Heiden aus.
Weh dir, Jerusalem, du wirst zerstreut
In viele Länder, ja auf deinen Trümmern
Des Tempels steht der Greuel der Verwüstung!
Dein Volk darf nicht betreten deine Tore,
Stattdessen nahn die Reiterstämme Kedars
Und leugnen, daß der Herr ist Gottes Sohn!
Gott aber wird sein Priestervolk heimholen
Nach Sion, Gott erbaut Jerusalem,
Messias baut Jerusalem im Himmel!
 
 
VI
 
Hör, Asia und Volk von Griechenland
Und Volk von Rom, was ich durch meines Mundes
Seimsüßen, honigstimmigen Gesang
Verkünde, Wahrheit in Person weissagend,
Nicht eines Lügengottes Seherin
Bin ich, vielmehr die Magd des großen Gottes,
Den Menschenhände nicht gebildet, sondern
Der Gott ist von Äonen zu Äonen!
Sein Haus ist auch kein Marmortempel mit
Korinthischen Akanthus-Architraven
Und Säulen in dem Stil der Dorer, sondern
Sein Haus ist unsichtbar im Himmel droben,
Und sieh! ich hab es noch nicht messen können!
Der alle sieht und wird gesehn von keinem,
Der wohnt in einem Lichte unzugänglich.
Sein ist die schöne Nacht, der milde Mond,
Der Sterne Meer, die fischereiche Flut,
Die Mündungen der Quellen, die da sprudeln,
Weinstock und Ölbaum und das Korn der Erde.
Glückselig werden alle jene sein,
Die auf der neuen Erde loben Gott,
Sie werden sehn die Herrlichkeit des Herrn!
Die Unbefleckten, die nicht Gott gelästert
Und nicht die Heiligen geschmäht, all die
Den Huren nicht gefolgt und nicht geopfert
Sterngeistern ihre Kinder, die sich rein
Erhielten, glaubten an den Gottessohn,
Die Gläubigen bestehen im Gericht,
Wenn Gott am Jüngsten Tage richten wird!
Gottlose werden dann bereuen ihre
Gottlosigkeit, die Sünder ihre Sünden,
Die Frevler ihre Freveltaten; aber
Die Frommen bleiben durch die Gnade Gottes!
Die Meder und die Perser, die vom Euphrat,
Die Phrygier und die vom Hellespont,
Die Asiaten und des Nils Ägypter,
Hellenen, die vom Fuß des Ätna, Tyrus’
Bewohner, Sizilianer, Mazedonen,
Die Wohner Samos’ und die Wohner Delos’,
Die Thebetaner und die Babylonen,
Das Volk von Baktra und von Susa, Syrer,
Die Italiener und Karthagos Wohner,
Das Volk von Kypros, Paphos, Salamis,
Kehrt um! und ändert euer Leben! und
Erzürnt nicht Gott! Laßt fallen Männermord
Und Hurerei! Und badet eure Leiber
Im Quell des Lammes und im Blut des Lammes
Und sühnt die Sünden durch Gebet zu Gott!
Erbarmen wird sich Gott, euch nicht verderben,
Die Sündenstrafe trug das Lamm, für den
Ihr Preisung tragen mögt in euren Gliedern
Und wahre Frömmigkeit in eurem Geiste.
Wird alles Asche nach dem großen Feuer,
Das da die Elemente bringt zum Schmelzen,
Wenn Gott dann des Gerichtes Feuer stillt,
Er, der es angezündet hat im Zorn,
Des Lammes Zorn, dann wird der Heilige Geist
Gebeine wieder rufen aus dem Staube
Und Seelen werden stehn vor Gott dem Herrn!
Gottlose wird man dann im Tartaros
Und in den Tiefen stygischer Gehenna
Und acherusischen Scheol auffinden.
Glückselig aber sind die Menschen, die
Mit Gott gelebt die Tage ihres Lebens
Und schauen ewige Glückseligkeit!
Und siehe, ja, ich sah, und was ich sah,
War die Erwartung eines Guten Hirten!
Er wird euch Ruhe geben, er ist nah,
Er kommt zu uns an des Äones Ende!
Bereit seit den Belohnungen des Reiches,
Des Lebens Kronen und die Kronen der
Gerechtigkeit und Herrlichkeit, sie sind
Aus Licht gemacht, das immer leuchten wird.
So flieht die Nächte dieser Welt und kommt
Zum Lichte Gottes und des Lamms, empfangt
Glückseligkeit der Herrlichkeit! Den Heiland
Bezeuge ich, der heißet Jesus Christus!
Was er euch gibt, das Leben wahrer Freude,
Das nehmt doch an mit Dankbarkeit und Lobpreis,
Dem dankend, der berufen euch zum Reich.
Preis den Versiegelten beim Hochzeitsmahl
Des Lammes, die den Geist der Welt nicht liebten
Und tragen glänzende Gewänder vor
Dem Ewigen, in Lammesblut gereinigt!
Jerusalem empfängt die volle Zahl,
Die Jaspismauer schirmt die Schar in weißem Linnen,
Die lebten da nach den Geboten Jesu,
Bewiesen dadurch ihre Liebe dem,
Der sie aus freier Gnadenwahl gerettet!
O Zion, siehe, deiner Kinder Zahl,
Du Völkermutter, ist vollkommen, denn
Gekommen ist das Königreich des Himmels!
Ich schaute auf dem Berg der Tochter Zion
Die Schar der Heiligen, die nicht zu zählen,
Die sangen alle Lobgesang dem Lamm!
Und in der Mitte stand der Gottessohn,
Der jedem Heiligen die Krone gab,
Die legten ihre Kronen ihm zu Füßen,
Die ausgezogen alles Sterbliche
Und überkleidet von Unsterblichkeit
Sie all bekannten Jesu Christi Namen!
Sie trugen ihre Palmen in den Händen
Und gingen mit dem Lamm im Garten Gottes!
Und eines Engels Stimme klang zu mir:
Das Heil schenkt Gott den Auserkorenen
Und läßt sie ewig leben im Gefilde
Aneslasleja, wo geschmückt mit Blumen
Gerechte gehen, denen Jesus schon
Die Wohnungen im Hause seines Vaters
Bereitet hat. Geh also in die Stadt
Und laß uns in den Weinberg Gottes gehen!
Da priesen wir die Gottheit und das Lamm
Mit einem neuen Lied. Der Engel zeigte
Mir einen offnen Garten voller Bäume
Mit reifen Früchten, segensreicher Frucht,
Und voll von Duft und Wohlgerüchen wie
Weihrauch aus Saba oder Räucherwerk
Des Offenbbarungszeltes, Stiftes Hütte,
Der Duft war süßer als Ambrosia
Und duftete zu mir und zu dem Engel.
Da sprach der Engel: Sahest du die Scharen
Der Väter und der Heiligen der Völker?
Wie ihre Ruhe ist und Seligkeit,
So ist der Marterzeugen Ruhm und Ehre!
Wer um des Namens Jesu willen ward
Verachtet und geschmäht, der wird gesegnet
Von Gott dem Herrn mit ewigen Lebens Krone!
Da ward ich froh und glaubte, was geschrieben
Vom Hagiographen in den Pergamenten.
Und Jesus sagte: Sieh, ich komme bald!
 
 
 
ZWEITER GESANG:
BRIEFE AN DIE SCHWESTER
 
 
I
 
Seit Ostern, Schwester, schreib ich kein Gedicht
Und keine Prosa mehr, doch denk ich viel.
Ob Gott er noch gefällt, mein Lobgesang?
Erwähnte Schneider doch den Zweifel, ob
Der schöne Schein nur milde Lüge ist?
Wo ist im Evangelium die Kunst?
Verwalten wir des Geistes Gaben treu!
Ich sehe meine Lebenspflicht darin,
Gott in Gedichten zu verherrlichen.
Durch diese schöpferische Pause wird
Der Boden unter meinen Füßen schwankend.
Doch hab ich neue Treffen mit Poeten,
Mit Schneider und - durch dich - mit der LeFort.
Schon bin ich dem Gefühl nach Katholik,
Die Mystik und die Heiligen verehr ich.
Fern ist das oberflächliche Gejauchze
Und nahe innerliche Kreuzbejahung.
Mein Christentum hält Ausschau nach dem Jenseits
Von Anfang an, ich leide an dem Diesseits.
 
II
 
Ich war im Gottesdienst, war in der Messe
Und habe an dem Mahle teilgenommen,
Ich hatte Sehnsucht nach dem Abendmahl
Der Stille, Heiligkeit und Andacht, während
Die Pfingstler bei dem Abendmahle tanzen,
Verkünden wir jedoch den Tod des Herrn,
Bis Jesus kommt in seiner Herrlichkeit.
In seinem Tod liegt seine Herrlichkeit.
So sagte er, er muß verherrlicht werden,
Als er von seiner Kreuzigung gesprochen.
Im Gotteslob entdeckte ich den Kreuzweg
Und fand in den Gebeten wahre Freude,
Denn so versenkt man sich ins Leiden Christi.
Kreuz-Jesu-Litanei hat mich berührt.
Auch habe ich in meinen Emotionen
Verehrung der jungfräulichen Maria.
Ich war von meines Glaubens Anfang an
Verehrer dieser benedeiten Jungfrau.
 
III
 
Wer kennt die Wahrheit übers Abendmahl?
Doch nach der Kommunion war meine Stimmung
Sehr schön verändert, da ging ich spazieren
Und dacht ans himmlische Jerusalem
Und ihren wundervollen Garten Eden,
War ein Gedenken an die Ewigkeit.
O Königinne der Barmherzigkeit,
Wir sehnen uns aus irdischem Elende,
Aus diesem Tal des Jammers und der Tränen
Zu deines Leibes benedeiter Frucht!
 
IV
 
Maria halte ich für zart, jedoch
Ist sie mir Schwester mehr als meine Mutter,
Ist Heilige und Magd des Höchsten mehr
Als Gottesmutter: Hat doch Gott der Vater
Wohl keine Mutter; aber Mutter Jesu
Und Mutter meines Herrn und selige Jungfrau
Vermag ich sie zu nennen. Wußtest du,
Daß Martin Luther bis zu seinem Tode
In seiner Kammer ein Marienbild
Gehabt an und daß Bach an Feiertagen
Mariens musizierte? Bitt für mich,
Daß Gott mich führt durch diese Irrungen,
Versteh ich wenig, weiß ich nichts, so muß
Ich umso mehr im Glauben alles lieben.
 
V
 
Dein Brief erzeugte eine tiefe Freude
In diesen Zeiten tiefer, ernster Schmerzen.
Ich sage dir von einer Gottgeliebten,
Von einer andern Schwester meiner Seele,
Die ohne Spur aus dieser Welt verschwunden.
Sie prophezeite eine Woche vorher:
„Ich sah ein großes weißes Licht, aus dem
Mich Gott zu sich gerufen!“ Das hat eben
Ein Bruder mir am Telephon gesagt.
Ich hatte aber vorher schon die Ahnung,
Daß sie vollendet in der Seligkeit
Des Paradieses ist; ich schrieb darüber.
Ich war einmal in sie verliebt, sie war
Holdselig... Ich hab nur noch Schmerz um sie
Und stellte die Ikone Christi auf
Und ein holdseliges Marienbild
Aus der Verkündigung von Botticelli,
Das stellt die Anmut meiner Schwester dar,
Und abends brennt davor die Seelenkerze.
Ich les die Göttliche Kommödie neu
Und schrieb hinein: Mit Gott und Sancta Thyrza!
So zogen Ritter nach Jerusalem.
 
VI
 
Aufrichtige und tiefe Liebe, Schwester,
Empfinde ich für dich; und liesest du
Die Elegie, wirst du die Schwester lieben
Und wirst sie eines Tages kennenlernen,
Dann tanzen wir auf Gräbern dieser Erde!
Ich bin entrückt der Erde. Aber dennoch
Hängt dieser Erde Staub an meinen Füßen.
Ich möchte mit dir in Jerusalem
Im heiligen Gehölz des Lebens sein
Und bei der Liebe reinen Feigenbäumen.
Oh, wann naht die Erlösung unsrer Leiber?
Ich bin im Jahre sieben meiner Sehnsucht
Nach jener schönen Welt; verstehe nicht
Die Christen, die da lieben diese Welt.
Novalis lieb ich sehr, der schon auf Erden
Im Jenseits lebte, liebe Dante sehr,
Der da allein vom Jenseits dichtete.
Die Erde ist fürwahr ein bittrer Becher
Mit bitterlicher Hefe auf dem Grunde.
Verurteilt ist die Welt zum Untergang.
Ich will nicht Spaß. Ich will die tiefe Freude
Im Leid und ewige Glückseligkeit!
Ich hätt nicht übel Lust schon abzuscheiden
Und in der Heimat bei dem Herrn zu sein.
 
VII
 
O Balsamstaude aller Tröstungen,
O Vließ des Lamms, vom Tau des Geistes feucht,
O makelloses Spiegelbild der Gottheit,
O reine Braut! Ich bin so traurig, einsam
Und melancholisch, voller Traum und Sehnsucht.
Ich will in Caritas mit dir verbunden
Im Geiste sein als Bruder und als Schwester.
Es gelte Wahrheit! Liebe ist nur Gnade!
Die Liebe, die du für mich hast, ward dir
Von Gott geschenkt; nichts anderes begehr ich;
Ich möchte dich nur nimmermehr verlieren.
Gott liebt dich, glaub ich, und ich auch, ich weiß.
 
VIII
 
Gesucht wird in der Liebe eben Qual,
Doch sucht die Liebe eigentlich nicht Glück?
Mit dem Verlangen meiner Liebe finde
Ich Unglück nur und Qual! Wen darf ich lieben?
Von wem werd ich die Liebe denn empfangen?
Daß ich Unmöglichkeiten immer liebe!
Ach! Chawa, die ich zur Verzweiflung liebe,
Ist mir - unmögliche Notwendigkeit!
Ich haß mein Leben, fluche meinem Dasein!
Vergessen will ich, fliehen in den Geist
Und muß doch kranke Leidenschaften singen.
Der Eros (Platon nennt ihn einen Daimon),
Der Eros treibt mich um in dieser Liebe!
Die Leidenschaft treibt mich zum finstern Abgrund,
Ich muß hinab, weil auf dem Grund des Abgrunds
(Wenn es im Abgrund einen Grund gibt und
Nicht bloß die bloße Bodenlosigkeit)
Mein Kreuz steht, das mich Christus ähnlich macht!
Ich leide, leide unter meinem Leiden,
Bin elend, klage, heule, schreie, weine
Und weine trockne Tränen, und doch sag
Ich Ja zu diesem Leiden meiner Seele!
Ich glaube an die bittern Leiden Christi!
 
IX
 
Früh sterben! Nun bin ich bald fünfunddreißig
Und wehe mir, wo nehm ich Blumen her,
Wenn Fahnen klirren in dem Wind des Winters?
Mein Dasein scheint mir eine Agonie,
Ein Tag um Tag die schwersten Lasten tragen.
Oh, der Verzweiflung Hoffnungslosigkeit!
Führt Gott mich durch die Wüste dieses Daseins
Wohl eines Tages doch noch bis nach Elim
Zu Wasserquellen und zu Palmenbäumen?
Und werden da auch süße Datteln sein?
Und führt mich schließlich ins Geloebte Land,
Wo von der Weisheit Brüsten Milch und Honig
Mir strömen und die Riesenreben sind,
Weintrauben ewiger Glückseligkeit!?
Begeisterungen vorm erhöhten Christus,
Sie wurden mir ein einziges Gedenken
An den am Kreuze einst Gekreuzigten,
Doch meine Hoffnung ist der Kommende!
Lebt Christus jetzt - dann will ich ihn verzehren!
 
X
 
Ich dank dir herzlich für den Rosenkranz,
Mir eine Nabelschnur für mein Gefühl,
Mir eine Perlenkette meiner Sehnsucht
Und meines Wunschs nach mütterlicher Liebe
In diesen so zurückgewiesnen Tagen.
Ich bet nicht zu Maria, doch wohl manchmal,
Doch denk ich gern an ihren schönen Namen
Und freu mich auf die himmlische Begegnung.
Wer ist Maria mir in dieser Zeit?
Ich kanns nicht sagen, wills auch nicht versuchen.
Ich dank dir herzlich für das Kruzifix.
 
XI
 
Der arme Schreiber ist nicht Harlekin,
Ist nicht einmal ein armer Schreiber mehr,
Ist nicht ein Mensch mehr, sondern wie ein Wurm,
Ein Gras, das morgens blüht und abends welkt,
Ein Seufzer, ist ein Hauch und ist ein Staub.
Kreuzleutelein sind wir! Die schwarze Wolke
Schwebt zwischen Lamm und Sonne. Und da ist
Verwandtschaft mit dem Christus an dem Kreuze,
Da schmecke ich das süße Herze Jesu
Und finde ernsten Frieden in der Wehmut.
 
XII
 
Wir müssen uns bescheiden und uns noch
Am Unvollkommenen genügen lassen,
An den Fragmenten unserer Gefühle.
Die wahre Sprache, wahre Poesie,
Wo Schönheit eines mit der Wahrheit ist,
Die wird es einst wohl erst im Himmel geben.
Das Wesentliche ist das Leid, das Er ist!
Ich weiß nur, daß ich weinen möchte und
Mich betten in dem Schoß der Ewigkeit,
Der Ewigkeit, die unsre Mutter ist,
Die voller Ruhe ist, ein linder Hauch.
O Wall der Tochter Zion! Laß die Tränen
An Tagen und in Nächten niederschauern
Wie eines Stromes Fluten, gib nicht Ruhe
Und laß nicht stille stehn die Augensterne!
 
XIII
 
Ah, schwarze Schönheit. Wann ist meine Stunde,
Die Stunde, da das wahre Sein beginnt,
Die andre Menschen Todesstunde nennen?
Ich bitte Gott um einen frühen Tod,
Doch allem Selbstmord will ich widerstehen.
Ach, welche unselige Sehnsucht flieht
Doch immer wieder zu dem Traum des Todes?
Der Tod wär süße Gnade, wäre höchstes
Ausschütten göttlicher Barmherzigkeit!
Ach, nichts und niemand hält mich auf der Erde!
Die Besten werd ich sowieso vor Gottes
Gebenedeitem Antlitz wiederfinden,
Wo wir die wahre Liebe leben werden.
Doch hier ist alles so zerstört und wund!
Die Liebe selbst, der Abglanz Gottes, ist
Verwundet von Gefallenheit der Herzen.
Am Tage ist in Wahrheit tiefste Nacht,
Wir leben wie in dauerhaftem Winter.
Was ist denn da die Weihnacht? Auch die Weihnacht
Ward von dem Fürsten dieser Welt entstellt.
Trostloses Elend! Wer kann mich noch heilen?
Muß ich mit diesem elenden Gemüt
Den Rest der bittern Lebenszeiten welken?
Doch kenn ich Süßigkeit gebrochnen Brotes.
 
XIV
 
Ich ziehe mich ins Innere zurück.
Refugium sei meine Wohnung mir.
So wie im Bild von Leonardo, die
Madonna von der Felsengrotte, ists,
Ganz dunkel, nur ein Licht des Glaubens schimmert,
Einsames Leuchten, weltverlornes Glänzen,
Einsame Totenkerze auf dem Friedhof.
Die Einsamkeit der Mitternacht ist schwer,
Nur einsam kann ich diese Zeit bestehn.
Des Tages Taten schlagen schwere Wunden,
Kontemplation der dunklen Nacht ist Balsam.
So bin auch ich, wie du, von Nacht umgeben.
Du bist auch so ein einsam Licht der Nacht,
Zwar fern, doch nahe meinem Angedenken.
 
XV
 
Kreuzlämmlein, unter Tränen schreib ich dir,
In Tränen lösen alle Aggressionen
Mir gegen Gott sich und die Menschen auf.
Ich bin allein. Kein Mensch vermag zu helfen.
Ich suche keinen Trost bei harten Herzen.
Ich habe solche Sehnsucht nach dem Herrn,
Gott fehlt mir so, Gott fehlt so sehr, ich möcht
In Jesu Armen an dem Herzen Gottes
Ausruhen ewiglich und Frieden finden!
Doch Jesus hat beschlossen, mich zu lassen
Im Dornenland für einen weiteren
Verhassten Tag! Da such ich bei dir Trost,
Den Trost, daß es dich gibt und daß ich nicht
Allein bin, liebe Mitgekreuzigte!
Zu dir, Maria, rufen unter Tränen
Wir aus dem Jammerlande und Exil,
Zeig uns nach diesem Elend deinen Sohn!
Ich reimte gestern Nacht zehn Liebeslieder
An die Madonna, ach, ich wollte eine
Vollkommne Frau und Gottestochter lieben,
Die sich mein Liebeslied gefallen ließe.
Ich wundes Staubkorn bin in keiner Muschel,
Ich bin nicht im Marienschoß geborgen,
Ich bin ja nicht einmal bei Gott geborgen!
Ich bin verloren in der kalten Welt,
Einsam, allein auf dieser fremden Erde,
Wo keines Trostes Balsamstaude blüht.
Hab Dank, daß ich dir klagen darf, Geliebte,
In Christus ohne Leidenschaft Geliebte!
 
XVI
 
Ganz sein Martyrium annehmen ist
Gebot des Herrn. Die Mönche Irlands sprachen
Vom weißen und vom roten Marterzeugen,
Der weiße opfert seines Lebens Leiden,
Der rote opfert seines Todes Leiden.
Ja sagen wollen wir zu jedem Tag,
An dem wir opfern unsre Lebensleiden.
Dann wird der Herr uns eines Tags erlösen,
Uns schöngeflochtne Hirtenkränze geben
Ewigen Lebens in der Gottesliebe.
Lang, lang war meine Sehnsucht lichtes Glück,
Die Sinnenfreude in dem Garten Eden.
Nun will ich nur am Herzen Gottes Ruhe
Und Frieden finden. Ist das wahre Leben
Der Ewigkeit vielleicht wie Dunkelheit
Und tief erfüllt von Ruhe und von Stille,
Unendliche Geborgenheit im Schoß
Der Gottheit, heilige Geborgenheit?
Der Geist wird uns sehr sanft berühren mit
Der Balsamstaude aller Tröstungen,
Daß wir im ewigen Äon genesen
Und lernen, wahre Freude zu empfinden
(Die uns so lange unbekannte Freude),
Die wahre Freude, süß wie Jesu Herz,
Der Liebe Kommunion in Ewigkeit.
 
XVII
 
Daß du sie lieb hast, meine Poesie,
Das reicht doch schon. Ich denk an Leidende
Aus kommenden Geschlechtern, die im Gang
Durch irgendwelche Antiquariate
Eins meiner Bücher finden, sich zum Trost.
Sie kennen alle Shakespeare, aber wer
Kennt heute schon den guten Edmund Spenser
Mit seinen „Katzenjammer“-Klageliedern,
Doch mir ist er ein Segen mehr als Shakespeare.
Ich schreib für Einsame und Irrende,
Die ich mit meinen Versen segnen will.
Ob unsere Gedichte auch dereinst
Im himmlischen Jerusalem bestehen?
Ich bin so dankbar, daß ich lieben darf,
Dich lieben darf, dich nicht begehren muß,
Nur möglich durch die briefliche Distanz,
Sonst würde ich mich in den goldnen Flaum
Auf deinem weißen Schwanenarm verlieben.
Ach ich verfluchter Hund und armer Narr!
Dank, daß du fern bist, näher als die Nahen.
 
XVIII
 
Die Freunde Hiobs taten recht, bei ihm
Zu sitzen und mit ihm zu weinen, aber
Sie irrten, als sie ihm erklären wollten,
Warum das schwere Leiden ihn befallen
Und als sie Gott dem Leidenden erklärten.
Denn Gott ist nicht verstehbar. - Ausweglos!
Verfahren! Hoffnungslos! Ummauert rings!
Allein Gott in der Höh kann mich erlösen!
Ich bin zuende! Würde ich jetzt sterben,
Mich würde niemand finden. Wochen später
Dräng der Verwesungsstank aus meiner Wohnung.
Doch hätte ich dich liebgehabt, o Schwester!
Darf ich das sagen, du, daß ich dich liebe?
Es ist ja anspruchslos, nur ab und an
Erzähle mir von dir in einem Brief.
Zugrundegehende, Ertrinkende,
Im Totenreich Vergessene sind wir!
Fremd bin ich in der Welt, der Wirklichkeit,
Dem Dasein, nichts als Hauch und nackter Staub!
Wie soll ich überleben? Gott erbarm sich!
Was Dichter? Muß man denn so leiden? Etwa
So leiden, daß man Lobpreis dichten kann?
Erbarmen! Kann denn nicht Maria kommen
Und mütterlich mir meine Stirne streichen,
Auf daß ich Frieden finde! Ich bin müde,
Ich habe mich in Schlaf geschrieben, ach,
Der Worte ist kein Ende, laß mich dir
Nur sagen, liebes Herz, daß ich dich liebe!
 
XIX
 
Ach, gibt es keine Freude auf der Erde?
Nur Sehnsucht und verzehrendes Verschmachten?
Zu Gottes Seite ist die Wonne ewig!
Und Gottes Freundlichkeit ists, daß ich noch
Nicht ganz zuende bin. Ich fühle mich
Wie eine Flade an die Wand geworfen!
Jehowah machte mich zu Kot und Kotze!
In meiner Seele steht ein dunkler Garten,
Da wachsen Wermut, Schierling, Belladonna!
Oh wo ist Gnade? Vater in den Himmeln,
Erlöse uns vom Übel! Christus, gib
Mir deinen Frieden! Führ mich aus dem Tal
Der Tränen, daß ich schau dein Angesicht!
Ach, ich bin schwarz vor Finsternis geworden!
Ich würd dir gerne Schönes, Lichtes schreiben,
Doch du allein, mein Herz, wirst mich verstehen,
Den Menschen ist mein Innenleben fremd.
 
XX
 
O Gott, gib meiner Schwester Mut und Trost
Und die Gewißheit deiner Vaterliebe
Und viel Geduld in Trübsal und viel Hoffnung!
Das kleine Christkind an dem Christfest ist
Das Hoffnungslicht in dicker Finsternis,
So klein und doch so mächtig, meine Schwester.
Ach, mög die sanfte süße Mutter Gottes
Dich in die Beuge ihres Armes legen
Und mich daneben! Wären wir - ich Narr! -
Zwei Zwillinge, zwei Säuglinge, und du
An ihrer einen Brust, ich an der andern!
Gott lasse leuchten über dir sein Antlitz,
Messias gebe seinen Frieden dir,
Dein Geist sei in dem Schrein des Herzens Gottes!
Dein Körper sei bewahrt im Tabernakel
Des Herzen Jesu! süße, milde Schwester!
 
XXI
 
Mit tränenfeuchtem Angesicht Maria,
Die allersüßeste Madonna wandelt
Unendliche Welträume meines Herzens
So schön hindurch. Was weinest du, Maria?
Jungfräulich-mütterliche Lieblichkeit
Geht von den Schläfen hinterm Schleier aus.
Fließendes Licht ist die Gestalt. O, sie
Ist voll der Güte Gottes, denn sie trug
Das Heil und die Erlösung unterm Herzen.
Nun kommt die Mutter meines Herrn zu mir?
Wer bin ich denn? Ein dornenreicher Strauch,
Der da der Liebe Rose werden möchte;
Bin eine Wüste, will Oase werden.
O komm, du Schöne, komm, du Wundersanfte
Und lege deine Hand mir in das Haar
Und trockne mir mit deines Schleiers Zipfel
Die Tränen alle mir vom Angesicht!
Du Lächelnde, Misericordia,
Das Miserere der Misere höre,
O Lacrimosa, küss mir jede Träne
Von meiner Wimper ab! Milchmutter Gottes,
Laß mich die süße Milch des Trostes trinken!
Braut Gottes, schließ mich dicht mit deinen Armen
Ans Herz und küsse mich mit deinem Munde!
Auf dich ist lauter Anmut ausgegossen!
Gebenedeite Jungfrau, nimm mich auf
Den weißen Schwingen deiner Himmelsliebe
Hinauf ins himmlische Jerusalem,
Zum Lebensbaum und zu des Lebens Frucht!
Und rühre meiner Seele Saiten an,
Daß meine Harfe rauscht zum Ruhme Gottes!
 
 
 
DRITTER GESANG:
DIE MADONNA VOM NACHTIGALLENBERGE
 
(Zur Erinnerung an Frau Evelin Becker)
 
Das Herz, es liebt so gerne.- Und es litt
Am ersten Januar der Liebe Schmerzen,
Die unerfüllte Sehnsucht, die da glühte,
Unendliches Verlangen nach der Liebe!
 
Ich nenn sie Chawa, denn sie war das Leben,
An dem mir teilzuhaben war gewährt,
Und gleichermaßen hat sie sich verwehrt.
 
Das Wollen war die Wurzel allen Übels,
Des Willens Treiben und die Leidenschaft.
 
Die lieblichste Geliebte, Chawa war
So schön von Leib, so sanft in ihrer Seele,
Holdselig anmutvoll und liebevoll,
Mit süßer Stimme, süßer als der Sang
Des Hohen Liedes, eine Schullammyth.
 
O Winter! Dieses Bild vergeß ich nicht,
Wie sie mit ihrem Sohn Schneebälle warf
Und leichte Bälle ich zurückgeworfen,
Die Chawa im Gesicht zerstäubten, lachend
Die glühen Wangen dieser braunen Schönen
Und auf den Wimpern weißer Puderschnee -
O Schnee auf den gebognen braunen Wimpern!
O Mond um Monde ein Betören meines
Poetischen Gemütes - solche Schönheit!
 
Ich liebte sie als wunderschöne Frau,
Begehrte sie zu meiner Freundin, schrieb
Dornröschen von der Insel Baltrum ihr.
Tagträumend ging ich in den Abendstunden
Durch einen einsam-melancholischen Hain
Von hohen Kiefern in dem Nebelschleier
Und Schnee auf ihren dunkelgrünen Zweigen -
O Schnee auf ihren dunkelbraunen Wimpern!
 
Seit ich sie sah zum ersten Mal,
Kleopatresk, begehrt ich ihre Schönheit.
Ich sah sie bei Zigeunern an dem Feuer
In einem reinen weißen Seidenkleid
Und schlief mit ihr im gleichen kleinen Zelt,
Mit ihr und unsrer lieben Freundin Lilith.
Dann kamen sie in Nordens Einsamkeit,
Die langvertraute alte Freundin Lilith,
Die schöne Chawa mit dem kleinen Kinde.
Was für ein Anblick! und wie damenhaft,
Als sie die biblische Novelle las
Und fragte nach dem Weg der Gottesliebe!
Wir gingen an dem Deich beim Wattenmeer
Und sahen Störtebeckers roten Turm.
Von Bad Pyrmont, vom Hylligen Borne aus
Trat ich in ihren grünen Apfelgarten,
Da sie als junge Mutter weißgewandet
Und traurig auf dem Bette sitzend war,
Da pries ich ihre Anmut, ihre Schönheit.
Dann trat sie ein in meine Eremitage,
Der Niederlande Maler brachten Bilder,
Vom süßen Indien Colombine und
Den Harlekin von Japan, den erstand sie.
Welch schöne Frau! schrieb ich ins Tagebuch.
 
Im Maien letzten Jahres, Liebste, träumt ich
Von dir als einer Lilie an den Ufern,
Und Freunde waren da, und Freund und Feind.
 
O Liebe! nehmen wir Minervas Schild,
Der Pallas Banner, Amazonen folgend!
Doch riß michs hin. Ich will Vergangnes singen.
Ich will wie Wordsworth auf der Wanderung
Erzählen, mit den Jamben wandernd, wie
Die Liebe und das Leid der Leidenschaft
Im Jahr der Heiligen Pforte mich verändert
Und wandelt meinen Glauben. Christus sing ich,
Der Beistand war in aller Not und Trübsal,
Mein Tröster, meine Hoffnung und mein Schild!
Am Fels des Schicksals bin ich nachts zerschellt!
O Hoffnung auf den Himmel - sei mein Trost!
 
O Chawa, voll von dir mein Herz, da lernte
Ich Maacha kennen, welche lieblich war
Und mit mir in den Flug der Wolke schaute,
Gelatti mit mir schlemmte, in der Kirche
Lag ausgestreckt sie vor dem Tabernakel.
Im Schwarzwald gingen wir, da sagte sie
Mir vom Brevier, den Horen und den Hymnen.
O Sammlung im Gebet, wie bist du selig,
Der Unruhe des Herzens gibst du Ruhe,
Und doch sind Zeiten, da der Mund des Herzens
Versiegelt ist und ist nur noch ein Schrei,
Ein letzter Seufzer - o Herr Jesus Christus!
 
O sympathetische Sympathie, o Seelen,
Die ihr einander sucht und findet innen,
O Liebe unter Seelen, in den Träumen
Seid ihr im Paradies und in der Hölle,
Und Gott ist mächtig in den tiefen Träumen,
Wie Daniel gewußt in Babylon.
 
O Maacha in dem Maien an der Linde,
Die mir ein rotes Herz gab von Metall,
Das dauert. Schreiben wollten wir uns Briefe.
O ja, und dann die Telephongespräche
Vom Tränenden Herz auf einer Rinderweide,
Wie Kinder sangen wir uns in den Schlaf.
 
Du Schwarzwald-Zeit, da roter Mohn und Gras,
Die rote Anemone, Buschwindröschen
In Maienlüften süße düfteten.
O Mnemosyne, Herrin des Erinnerns,
Ein Angedenken, ein Memorial
Geschrieben ward, die Religion der Liebe.
 
O Abschied! Um Mariens Willen will ich
Von dem Idole Abschied nehmen und
Wie Goethe lehrt die jungen Dichter, mich
Zuwenden dem Lebendigen, dem Leben,
Und Chawa singen, diese rote Rose,
Und singen, wie mein Schmerz den Weg mir bahnte
Zum Kreuz, zur Wahrheit und zur Mutter Gottes!
Denn was ist Wahrheit? fragte Pontius
Pilatus, aber Wahrheit ist das Wort,
Ist Christus, der Gekreuzigte, Erstandne,
Das Brot der Welt, das allen Leben spendet.
 
So sind wir wieder angekommen in
Dem Januar des Jahrs Zweitausend, da
Die Schöne glühte, eine Weihnachtskerze,
Mit Schnee auf ihren feinen braunen Wimpern.
O Trunkenheit von Leid, o Liebesunglück!
Gebet, das trägt, das das Gewölk vertreibt
Der Schwermut, mit der niederziehen will
Der Dämon, aber Geistes Zungenrede
Gab Gottes Kraft, die reine Gottesgnade.
 
Sei meine Frau, Batsheva, sei du mir
Ginevra, meine Minnekönigin.
Vergeben ist der Haß auf Uriam,
Die Mordgedanken. O die Freiheitsträume,
In einem Liebesbund zu stehn mit Chawa,
Tagträume immer in dem Kiefernhain,
Daß sie sich trennte, daß sie käm zu mir,
Von ihrer christlichen Bekehrung träumt ich
Und betete für sie, für ihre Seele,
Daß sie das Herz aufschließe Gott,
Der da die Liebe ist. Ich stand in Liebe.
 
Erinnerung an süße Leiden, komm,
Um diesen bittern Schmerz der Gegenwart
Aus meinem wunden Herzen zu verscheuchen!
 
O Gott, ich wandte mich zu deinem Lob,
Ein Glaubensbruder sagte: Überwinde
Böses mit Gutem. Aber was ist böse?
 
Ihr wolltet immer lachen, tanzen, zittern
Und zucken, wenn der Geist euch überkam.
In China wollten wenigstens die Pfingstler,
Daß Kranke werden durch den Geist geheilt,
Dämonen ausgetrieben durch den Finger
Des Geistes Gottes, Tote auferstehen -
O Halleluja, Tote auferstehen!
Und das geschah in Wirklichkeit. Jedoch
In Deutschland wollten alle satt am Spaß sein,
Die Summe ihrer Weisheit war der Spaß.
Ihr Elenden, wie widert euch das an,
Wenn das Exil in diesem Tränental
Zu Tränen treibt, zu echten Herzenstränen,
Zu Weltschmerz, tränenreicher Bitterkeit.
 
Reichschwellende Tränen um die schöne Muse,
In dieses Blut der schwarzen Tinte tauchte
Die Muse ihre Feder, in mein Blut,
Das Blut, geschwitzt um einer Rose Dorn!
 
O Sinnlichkeit! Ich will mit trunknen Augen
Von deiner Torheit süßen Macht berichten.
Doch laß mich denken. In der Todesstunde
Sind aus dem Blut des Herzens aufgetaucht
Sixtina und die Venus von Urbino.
Maria Magdalenas Epopee
Gab mir das Bild der Venus von Florenz.
In Dome von Siena steht in Marmor
Maria Magdalena, mancher meinte,
Daß dieses eine Aphrodite wäre.
Die Aphrodite von der Insel Zypern
Rief einer an: Olympische Madonna,
Maria Aphroditissa du von Cypros!
 
O Glück, wo find ich dich? Im Unglück find ich
Das Glück, und in dem Glück find ich das Unglück.
Unglückliche sind glücklich, Glückliche
Sind Liebende, unglücklich Liebende,
O seliger Schmerz, o süße, süße Pein!
O laß mich meine Leiden lieben, Chawa,
Daß deine Wimpernspitzen mich durchbohren
Wie eine Perle für den Rosenkranz,
Und ziehe mich auf eine feste Schnur
Und häng mich zwischen deine Dattelbrüste!
 
Ich kann von dir, o Chawa, singen nur
In trunknen Dithyramben deiner Schönheit
Undnendlich hoheitvollen Lob und Preis.
Ich weiß ein Thema nur noch: Meine Liebe,
Da Geben seliger denn Nehmen ist.
Und trunken bin ich sehr vor wilder Liebe,
Bin deiner Liebe endeloser Traum,
Bin Hoffnung - O du holde Hoffnung, komm!
Verlaß mich nicht, o Gütige, o komm,
Geschäftige, du Hoffnung auf die Schönheit,
Die Hoffnung auf die eine wahre Liebe!
Ich bin berauscht von meinem Blut und Tränen,
Vom Dorne deiner dornenlosen Rose,
O Schönheit, die du meiner Seele Qual
Und selige Glückseligkeit mir bist!
 
Wie war ich tränentrunken, trauertrunken,
Vom Weine trunken und von der Musik
Und von der Kerzenflamme deiner Schönheit!
Wie war ich trunken und in Not versunken
Und todestrunken - da das ewige Leben
Beseligung in alle Ewigkeit
Und meiner Liebe Garten Eden ist!
 
Ich hab in dieser Zeit den Salomo
Im Prediger der Weisheit oft gelesen:
Die Bitterkeit hat Bitterkeit geheilt.
Da war es alles eitel, alles nichtig,
Da war es alles Windhauch, Luftgespinst,
War alles Haschen nach dem Winde nur
Und Schmachten meines Geistes, ach! vergeblich!
Da war die Wonne aller Menschensöhne,
Die Frau, die Frauen, ja, ein Frauenharem,
Auch aller Saitenspiele schönste Freude,
Und doch war alles Hauch und Nichtigkeit.
 
Um mich zu wahren vor dem bittern Leid,
Erklärt ich den Verzicht zu dem Prinzip,
Daß mir mein Glück des Lebens sichern sollte;
Verzicht auf Chawas Gegenwart, Verzicht,
So weh er tat, zum Guten doch gedacht.
Das ganze tobende Begehren sprach
In Don Juan, Bathsheva und Ginevra -
O Lancelot, wie rührtest du Ginevra
Am Teich der silberseidnen Weidenbäume!
Und Buße Lancelots und Huldigung
Der Nonne, lebend in dem Apfelgarten.
Batsheva wurde eine Königin
Und eine hoheitvolle Dame, die
Auf einem königlichen Throne saß.
Ich liebte David sehr und Salomo
Und wollte lieben, wie die Weisen lieben,
Und folgte ihnen nach in ihrer Torheit!
 
Die höchste Weisheit ist wie eine Torheit,
In Sünden, Irrtum und in Fehlverhalten
Bricht Bahn sich doch der Weg des Allerhöchsten,
In Liebestrunkenheit, in Wahnsinn, Schmerz,
Bricht Bahn die Liebe sich als Liebe Gottes.
 
Und wenn ihr wollt, so ist es nicht platonisch,
Es ist nicht ohne Sinnlichkeit der Sinne,
Denn sie ist Inbegriff der schönsten Schönheit,
Ist eine Peri in der Houri Leib,
Ein Engel in dem Körper einer Venus,
Ausbund an Tugenden in höchster Schönheit,
Verklärt erscheut den Leib der Dichter schön
Und ihrer Seele ewige Seligkeit!
O Preis der Seele! ihrer neugebornen
Und tugendhaften Reinheit, ihrer Liebe,
Der Sanftmut und der Güte und der Wahrheit,
Und ihrer Sehnsucht nach vollkommner Liebe -
Das Hohelied der Liebe der Korinther
Bestimmte sie zu dem Gesetz der Liebe!
 
O laß mich schwärmen, laß mich, Mnemosyne,
Erato singen, Lieblichste der Musen!
Und wird das Augustinische Bekenntnis
Zu der Ecclesia Catholica
Mir auch nichts anderes als Liebeswahnsinn -
O Gott, so sagte meine Muse heute:
Die Liebe und die Liebe, sie sind Eine!
 
Wie meine Oma Milch mit Kirschen machte,
Wie sie am Nachmittag zum Tee mich lud,
So war jetzt Chawa Erbin meiner Oma.
Und wie ich meiner Oma eine Rose
Mit dem Gewehre auf dem Jahrmarkt schoß,
So schoß ich Chawa eine rote Rose.
In ihrem müden, trauervollen Antlitz
Sah ich die lieben Züge meiner Mutter.
Wie meiner erste Kindheitsfreundin war
Das ganze China dein geliebtes Reich.
Wie meiner ersten träumerisch Begehrten
Warst du der Schmetterling am Falterflieder.
Wie meine erste Herzensfreundin warst
Du die Gefährtin mir von Tee und Düften.
Und warst die Erbin aller meiner Lieder
Und einzige Geliebte meines Herzens.
 
Ich wollte doch erzählen, Mnemosyne.
Was war denn, als der Frühling anbrach? Glück!
Ich liebte sie, ich sagt ihr meine Liebe,
Sie war Aleppo mir, Dammaskus mir,
Ein Rosenquarz und ein Flakon Suleikas,
Akanthusblätteriger Amor und
Gazelle mir von Eden und von Ur,
O Dattelfeige du des Paradieses!
 
Du, Chawa, du bist Eva in Natur,
Die neue Eva bist du, wie ich seh,
Holdseligschöne, anmutvolle Frau.
Wie spielt das Licht mit deinem Angesicht!
Die Kerze spiegelt ihre Glut an dir,
Gewoben von dem Fleiß der Honigbienen,
Die Abendsonne legt den goldnen Schein
Verklärend und vergoldend auf dein Antlitz,
Im süßen Licht des Maiensonnenscheines
Strahlt dein Gesicht wie ein orangner Mohn,
Du Sonne meines Lebens, sieh, ich bin
Dein Mond und spiegle deines Lebens Licht!
 
Ich schreib dir nicht prosaisch, reihe nicht
Dein Lob in alltäglicher Nüchternheit,
Ich bin Poet, ich bin Poet, der deine,
Der nur von heißer Liebe weinestrunken
Die Hymne singt dem Schoß der Morgenröte!
Und doch, weil du, Erato, mich
Mit fortreißt, frisch lebendig wie die Quelle
Kastaliens, möchte Calliope singen
In epischen Perioden lang hinab
Wie Chawas hennabraune Lockenfluten!
Da ruf ich Mutter Mnemosyne an,
Die dunkeltönende Mutter aller Musen,
Daß sie vergegenwärtige mir alles
Was ich am Hang des Helikon erlebte,
Als lieblichste Erato um mich war -
Noch ist sie um mich, lieblichste Erato!
Und so, o Muse und o Genius,
Sei aus Vergangenheit und Gegenwart
Mein Lied gemischt, Bekenntnisse der Liebe!
 
Heut ist es so: Ich liebe Eine nur
Und niemand sonst, wie die Muslime sagen,
Die Trunkenen von Wein- und Liebesfeuer.
Ach, kaum ertrag ich euch, ihr andern Menschen!
Und nur, wo ihr von meiner Einen habt
Ein Etwas, einen Anhauch, o ihr Frauen,
Insofern nur vermag ich euch zu schätzen.
Ihr alle seid so zauberhaft mir nicht
Wie die, die heut den Gürtel vor mir band,
Ich meine meines Lebens Aphrodite,
Holdselige Magd, die Minnekönigin!
Ich denk bei ihr an Steinidole und
Die Venus von Florenz und Willendorf,
Granatenapfel aus dem Garten Eden!
Eva von Eden! meine Neue Eva!
 
O, alle Musen aller Dichter rief ich
Und ohne Hierarchie, nur alles Liebe,
Ich sang sie Lesbia und Diotima,
Pancharis Shakespeares, Celia Ben Jonsons,
Ich sang sie Fanny von Endymion
Und Heidée Don Juans, die Reizendschöne,
Ich sang sie Daphne, Laura von Petrarca,
Ich sang sie Hatems reizende Suleika.
 
Ein Wort, Geliebte, als dein Dichter dir,
Wohl hab ich die Empfindsamkeit von Klopstock,
Der den Messias und die Seelen sang,
Wohl hab ich eine Königin wie Dante,
Wohl hab ich Feurigkeit wie San Juan,
Wie er zum Schöpfer hatte, zum Geschöpf,
Und im Geschöpf zum Schöpfer hab ich Liebe,
So hoch sie alle stiegen in der Kunst,
Als Schutzpatrone meiner Dichtung ruf
Ich David und den weisen Salomo!
In ihnen hat sich Christus selbst verwirklicht,
Der Erz-Poet - und wir sind sein Poem!
 
Du bist ein allerlieblichstes Poem,
Du Wunderwerk der Schöpfung, wie ich fühle!
Nie sah ich solche sanfte süße Seele,
Ich send dir liebend meinen Engel zu,
Und nie bisher sah solche Schönheit ich,
In jeglicher Faszette faszinierend -
Nun gar die sympathetische Sympathie!
Denn sympathetische Sympathie ist Liebe!
 
Ein jedes Lied, hier die Erinnerung,
Nehm Gott der Schöpfer als Gebet für dich.
Ich will dich glücklich sehn, dich sehn glückselig,
Glückselig will ich dich erschaun, Geliebte.
Wir Dichter nennen dich des Gartens Houri,
Himmlische Eva du vom Garten Eden,
Und Magdalena dich, die ging im Garten,
Die der Messias vor den andern liebte,
Holdselig-anmutvolle Gnadenreiche,
Wir rufen dich, o Jungfrau und o Mutter!
 
O Jesus, zum Poeten bin geschaffen
Und inspiriert von deinem Genius,
Doch in der Vielfalt aller Poesie
Hast du doch auch prophetische Berufung:
Dein Lob soll ich verkünden, deiner Liebe
Lobpreis in Freude und in Liebesleid.
So machst du jetzt unglücklich-glücklich mich,
Daß ich von deinem Ruhm und Ehre künde.
 
O tränenreiche Zeit der Liebesleiden,
Wie war der Name Jesus eine Tröstung,
Der Geist als Beistand war die Tröstung mir,
Getröstet war ich als ein Kind des Vaters.
 
O Bitterkeit der salzigen Meeresfluten!
Nun, da die Süßigkeit des Gartens Eden
Mit Milch und Honig meine Seele füllt,
Kann ich euch nicht mehr singen, wie ich damals
Euch sang, bereit zum endlichen Verzicht,
Zur müden Resignation der Stoa und
Zum Schicksalsbrunnen bei der Weltenesche
Und zu der Musulmanen Fatalismus,
Zur pietistisch-orthodoxen Mystik
Und zum katholischen Quietismus schließlich.
 
Ihr, die ihr fleischlich seid gesinnt und weltlich,
Die ihr den Namen eines Christen tragt,
Nicht nur die Geißelstriemen in das Fleisch
Sind Leiden um des Christus Leiden willen,
Auch alle Peinigungen unsrer Seele,
Die wir in diesem Jammertal erleiden,
Sind Anteilhabe an den Leiden Christi,
Wenn wir das Leid mit Gottvertrauen tragen.
 
O wehe, wehe über Deutschlands Männer,
Die ihr nicht ehrt die holden Frauen Deutschlands!
Ich kenne eine Deutsche, blaue Blume,
Die ist der wahre Ruhm des guten Deutschland.
Ich rühme sie vor Damen Heidelbergs
Und send ihr Lob den Paderborner Nonnen.
Ich schwärm von ihr beim Weine den Baptisten
Und werde zornig, wenn Sektierer gar
Bemakeln meine makellose Herrin!
 
Ich jedenfalls will für sie beten, Jesus.
Mein Jesus, meine Liebe reißt mich hin!
Ich danke ihr die todestrunknen Schmerzen!
Ich habe einmal an den Tod gelitten
Und selige Glückseligkeit gefunden
In Liebe zu dem Ideal der Jugend.
Ich hab ein andres Mal den bittern Kelch
Getrunken bitterlichster Liebesleiden
Und Tränennächten voller Todessehnsucht.
Ich dank den beiden gottgesandten Frauen,
Ich danke Mahalat für meine Schmerzen,
Ich dank für meine Schmerzen Chawa ganz,
Denn ihre Schmerzen machten mir das Jahr
Zweitausend zu dem Heiligen Jahr der Kirche.
 
Fürwahr, Geliebte, heute fragtest du,
Warum ein Heiliges Jahr das Jahr Zweitausend?
Der Vater und der Diener aller Diener
Und Stellvertreter Christi tat die Pforte
Den Fegefeuerseelen auf zum Himmel,
Da rechts der orthodoxe Bischof saß
Und links der Bischof auch der Protestanten
(Wenn wir von den Sektierern einmal absehn).
 
Und mir, und mir, Geliebte, war dies Jahr
Ein Heiliges Jahr, weil ich im Fegefeuer
Geläutert ward, in Flammen meiner Liebe,
Da ich an Bitternis, Verlassenheit
Des Herrn, Gethsemane und Golgatha,
Teilhatte durch das Weigern deiner Liebe.
 
Von meinen Liebesleiden, Seelenschmerzen,
Selbstmordgedanken, tränenreichen Nächten,
Beglückt ich mich in der erfüllten Liebe
Des selbsterfundnen Ideals der Jugend,
Ergoß mich in Erinnerungen nächtens,
Erinnernd mich an Wahnsinn und an Tod,
An Petrus und Maria, Christi Kreuz,
Und Jesu Tränen waren meine Tränen.
 
Dich, Edmund Spenser, preise ich von Herzen,
Ich will mich in die Fairy Queene versenken
Und Ritter sein der Reinheit und der Liebe
Und leben einstmals in Adonis’ Garten
Mit Florimell, dem Inbegriff der Schönheit.
 
Nachahmung, ja, ist Poesie, so sagte
Schon Aristoteles, ich aber sage
Mit Hesiod, daß der Gesang der Musen
Der Quell ist aller wahren Inspiration.
So schaue, Dichter, auf zu deinen Musen
Und wähle Eine dir zum Ebenbilde
Und preise Allah in Suleikas Liebe
Und ehre sie wie eine Heilige
Und in der Königin der Heiligen
Geliebt find deine Herzenskönigin,
Dann sende deinen dichterischen Geist,
Die schöne Himmlische an deiner Seite,
Zur Nacht an deiner Muse Ruhelager
Und anempfehle ihre Seele Gott!
 
Euch Dichter wollt ich prisen, da gedenk ich
Des lieben Freundes Goethe, Deutschlands Vater,
Die Blüte der Kultur der deutschen Lande,
Des Minnesangs Erzvater, dessen Weisheit
In vielen bittern Tränen war ein Trost.
 
Des Werther Leiden waren meinen gleich,
Ich liebte Lotte, Lotte liebte Albert.
Dämonen überfielen mich wie Faust,
Das Gretchen oder Margarethe liebt ich
Und war zugleich verliebt in Helena,
Da kam Maria Gloriosa in
Mein Leben. Der Romantik König dank ich,
Denn da versenkt ich mich in die Romantik.
Ich las die ersten Teile aus dem Godwi,
Mich lockte Josef Eichendorf zurück
Ins Land Italia zu Colombine.
Oh, mühevoller Abschied, Colombine,
Wenn du nicht gar Aurelia mir warst!
Fürwahr, ich folge nach dem Rat des Geistes,
Dem Rate Goethes an die jungen Dichter:
Hängt nicht Gedanken eurer Trauer nach,
Preist das Lebendige, das Lebende,
Getrost schaut in die Zukunft, sie ist Gottes.
 
O Goethe, auch im Alter noch zu lieben,
Das ist der Weg der Abischag mit David.
Ihr Lotterbuben weltverliebter Sekten,
Ihr träumt nicht von der engelhaften Liebe,
Da engelgleich die schöne Abischag
Den alten Dichter David hold beseligt,
Der immer er die Frauen innig liebte
Und auch von brennendem Verlangen wußte.
Du kannst mich wohl verstehen, David du,
Und du, o Salomo, verstehst mich auch.
Ich glaub daran, ich preis euch selig, heilig,
Vertrau auf euren Rat und guten Beistand
In allen Dingen meines Lebens und
Des von der weißen Glut der Liebe Dichtens.
Ihr möget meiner Dichtung Weihrauch schütten
Auf Gottes heiligen Altar der Liebe -
Denn mein Gott weiß, daß ich in Flammen stehe!
 
Ihr Dichter, o ich liebe euch, ich wollte,
Daß eure Herrlichkeit geheiligt würde,
San Juan preise ich, den Dichter Spaniens,
Und Ephraem den Syrer. Alighieri,
Petrarca preise ich, Torquato Tasso
Und dich, Camoes, reich an Liebestränen,
Der du die Schönheit auch des Alters kanntest.
Anrufen wollt ich dich, o Vater Goethe.
Sizilien bekränzte Lauras Sänger,
Der Heilige Vater spreche Dante selig.
Und voll Gefühls, ihr lieben guten Freunde,
Seid um mich her als ein Gewölk von Zeugen,
Erscheine Schneider mir und die LeFort,
Ich preise auch Péguy, den Sänger Evas!
Ich schreibe eure Namen auf die Fahnen,
An deren Saum altmodisch eingestickt
Die Namen Rilkes sind und Hölderlins.
Wie anmutvoll und voller Seelenhoheit
War Diotima, war Suzette Gontard,
Und welche Mystik hatte Salome
Reimreichen Dichter Rußlands eingegeben.
 
Wie schwer ist es, Vergangenheit zu singen,
Wenn alle Gegenwart so voll der Liebe.
Geliebte, du hast mich zum Katholiken
Der allgemeinen Liebe umgeschmolzen,
Durch Blut und Tränen, Feuersturm und Glut,
Durch alle Sünden meiner Leidenschaft
Und deine makellose Adelkeit,
Durch deine Reinheit, deine Seelenhoheit
Und deine nie veränderliche Liebe.
Ich danke, danke dir von ganzem Herzen!
 
Du weißt es gar nicht, was du mir erwirkt
Durch die Verdienste deiner Tugenden.
Ich selbstverliebter Dichter darf dein Spiegel sein,
O laß mich fleckenlos, kristallen sein.
 
Methymna starb. Da griff ich als zur Bibel
Zum Buch des Gotteslobs der Katholiken.
Nicht nur, daß ich darin den Kreuzweg fand,
Ich fand Maria auch, die reine Jungfrau,
Die Schwester, der Methymna ich verglich.
Venetia in Jonsons Elegie
Und Dante Alighieris Beatrice
Vergleichbar ging die Jungfrau herrlich ein
In einen Himmel in Marien Schoß.
 
Drei Nächte lang in todestrunknen Flammen
Gedacht ich seliger Glückseligkeit
Und eines Bildes jungfräulicher Anmut
Und tiefer gläubiger Holdseligkeit.
 
Ich seh in dir, Geliebte, deinen Engel,
Seh deines Geistes Genius, den Kern,
Den Seelenfunken deiner reinen Seele,
Dein gottgeschaffnes Ich, wie Gott es sieht:
In allerheiligster Vollkommenheit!
Kein Wunder, daß der trunkne Dichter stammelt
Und dich des Paradieses Houri nennt.
Und wenn wir neigen, wie die Freundin sagte,
Zum Götzendienst - Sei du allein mein Götze,
Und laß dich finden, Lieb, im Herzen Gottes!
 
Aus dem Ägyptenland der Abgeirrten
Hast du mich ins Gelobte Land, nach Rom
Gerufen, und Maria ging voran,
Die Maienkönigin, die sie mich rief,
Die sie zur Marianischen Minne rief.
Als Gott die liebe Eva schaffen wollte,
Da übte er mit lilienweißen Lilim.
Methymna, Maacha, Mahalat, ihr waret
Der marianischen Minne reine Spiegel,
Darin ich meinen Spiegel läuterte,
Den mir die ungeordnete Begierde
Und manche falsche Lehre mir befleckte
Vorzeiten, und noch heute, ach du Liebe,
Wird manchmal meines Mondes Silberspiegel
Vom Meer der Leidenschaften angeschäumt.
Dein Spiegel will ich sein, der Sonne Mond,
In deinem Lichte seh ich Gottes Licht.
 
Zur guten Nacht - o Muse, du bist müde -
Will ich dein Angesicht beschreiben, wie
Ich heute deine goldne Schönheit sah.
Du saßest so voll Ruhe, voller Träume,
Mit einer unbeschreiblich holden Melancholie,
Vor deinem Fenster, das zum Garten ging,
Auf deinem Sessel - Madonna auf dem Sessel!
Da sah ich zu von meinem Andachtswinkel,
Wie Chawa in den roten Abend schaute.
 
Gut Nacht, du liebe goldne Sonne, sinke,
Und mütterliche Nacht, in deinem Schoß
Erquicke ihre Seele sich, die schöne.
Dies sind Bekenntnisse der schönen Seele,
Die schön geworden ist durch Ihre Schönheit!
Und Gott ist gut, ich will ihn bitten, daß
Er diese Liebeshymne annehm als
Ein Liebesopferwerk für ihre Seele:
Gott geb ihr ewige Glückseligkeit!
 
Zur Krücke nahm ich mir den Biblizismus
Und hoffte auf das Himmelreich dereinst,
Da Leid und Tod nicht mehr und alle Tränen,
Ansonsten ging es in dem Jammertal
Mir Hiob gleich in seiner Bitternis
Und Hiobs Freunde waren meine Freunde.
Doch fand ich auch schon Trost in Schneiders Kreuz,
Der Anteilhabe an den Leiden Christi,
An seiner Trauer von Gethsemane,
An seiner Gottverlassenheit am Kreuze -
So ward auch ich gekreuzigt um Christi willen.
 
Da schien mir Gott ein ferner kalter Götze
Und gegen diesen Götzen stand allein
Der Christus, der Gekreuzigte allein,
Und Christus der Gekreuzigte war Gott
Und in dem Herrn war Gottes Gnade da.
O schmerzensreiche Gnade, bittrer Segen!
Gethsemane und Golgatha allein
Und Hoffnung auf den Himmel war mein Schrei.
Da dacht ich an die sieben letzten Worte,
Kreuz-Jesu-Litanei war mir im Herzen
Und fern, fern die Gestalt der Schmerzensmutter.
 
Und Maacha schrieb mir einen lieben Brief,
Die ihre heimische Kapelle nannte
Gethsemane. Sie gab das rechte Zeichen,
Sie litt dasselbe jener Zeit wie ich,
Wenn sie nicht tiefer litt. Sie hab für mich
Barmherzigkeit und schwesterliche Liebe.
 
Laßt immerhin den Dichter leben, laßt
Ihn leben und das Lied der Liebe singen!
 
Und Chawa war wie eine reife Mango,
O Mundes Dattel und o Schoßes Feige,
Gezuckert und gescfhnitten reicht sie Pflaumen
Und eine Pflaume teilt sie für den Dichter
Und eine Mango schält sie dem Poeten,
Beim Mahle ist sie eine Paprika
Und pommes de paradis sind auch dabei.
 
Die Aphrodite von Südoldenburg
Läßt an dem Saume goldne Schellen klingen
Und tanzt mit einer Perlen an dem Nabel
Und Zimbelklang verschleiert einen Tanz
Mit bloßen Füßen in dem grünen Gras.
Aus ihren langen braunen Zyperlocken
Falln purpurrote Granatapfelblüten
In Schnee von schimmernden Magbolienblüten.
 
Sankt Josef ist der Schutzpatron der Dichter
Und Zimmermänninnen und Zimmermänner,
All die da Stanzen zimmern und Kapellen,
Raffaelitische Madonnenbilder,
Die Venus auf dem Sessel porträtieren
Mit einem kleinen losen Flügelknaben.
Auch Jesus war ein kleiner Zimmermann,
Tontauben tröpfernd, Hühner auferweckend
Und seinen alten Meister unterweisend.
Sankt Josef schaute es dem Sohne ab
Und schaute immer an das Ideal
In der poetischen Sankt-Josefs-Ehe,
Zu Diensten stehn der Jungfrau Heiligkeit
Bewirkt auch für den Diener Heiligkeit.
So schaun Poeten ihre Musen an,
Die unberührbar sind und ideal.
 
Ihr Töchter von Jerusalem, preist mir
Die Braut, die Lilie, die geliebte Taube,
Was ist an ihr, das mich so sehr verzückt?
Ihr aber wollt nicht preisen? Schweigt sodenn!
Denn nur wer in dem Hohen Lied der Liebe
Sein Leben singt, ist Gott ein Wohlgefallen,
Denn Schullammythe ist Marien Gleichnis!
 
Sankt-Josefs-Ehe du für sieben Tage!
Als wir in unsrer kleinen Bleibe wohnten
Im Kiebitzhäuschen, wo dein lieber Sohn
Versunken lauschte alten Seemannsgarnen
Von lieben Trollen in den Wäldern und
Von bösen, und vom letzten Sieg des Guten.
Sankt Josef war ein strenger Mann, aus Liebe
War er gestrenger väterlicher Herr,
Der Jesusknabe war ihm untertan.
Und Josef fabelte eintausend Märchen,
Vom langen August und der langen Anna,
Von keuschen rosa Heckenrosenblüten,
Den violetten Hagebuttenkelchen,
Daraus Dornröschen mit dem Prinzen trank.
 
O Blaue Blume auf der Kindheit Insel,
Im weißen Sonnenlicht, am weißem Strand,
Wie ein herabgefallnes Bild von Stein,
Von dunklem Stein, du Ebenbild des Schöpfers,
So saß die schöne Chawa, lächelte
Und sprach vom Liebesleide Jonathans,
Der Möwe, die da unter Muscheln hüpfte.
Wir gingen an der Düne sanftem Gras
Und auf dem warmen weißen feinen Sand.
Fasanenweibchen schauten scheu uns an,
Kaninchen huschten zu der Hochzeit Kanas,
Im Kiefernwäldchen voller Urgefühle
War ich mit meiner Kindheit eins.
 
Beinahe hielten sie die Händchen, als
Gemeinsam sie den Bollerwagen zogen,
Sankt Josef und die heilige Maria,
Den Jesusknaben auf dem kleinen Karren.
 
O Muschel von Atlantis, o Palast
Von Bernstein, Tränen unsrer lieben Vrouwe,
O Sonnenuntergänge golden glänzend
Und Herzensweihungen an Jesu Herz!
 
Mein Gott, o Vater, wie erlöst war ich,
Als ich da wieder deine Liebe fühlte
Und beten mochte, Unser lieber Vater,
Und einen Rosenkranz improvisierte.
 
Ja, wundervolle Jungfrau, Tochter Gottes,
Den ersten Rosenkranz in meinem Leben
Hab ich um Chawa seufzend dir gebetet
Zur Nacht allein auf meiner Kindheit Insel,
Da Chawa nahebei im Bette schlief.
 
Bei Sankta Eveline! Ich liebe Chawa,
Wie Eva in das Paradies gestiegen,
Wie Eva aus dem Traum des Mannes stammend,
Wie Aphrodite aus dem Schaum geboren,
Als Liebe Frau, als mütterliche Freundin,
Als Nymphe mit dem lieben Lämmelein.
O Gärtnerin, o stille Sünderin,
Du holde Minnerin der Liebe Gottes,
Du in der Taufe mit dem Mal Besiegelte!
 
Allgegenwärtige, wie reizt du mich,
Betörst du mich mit deiner Zauberkette,
Der Pyramide mit dem Einen Auge,
Auch gottgeweiht, auch über alles Wissen,
Du Blume und du Frucht des Lebensbaumes!
 
O blühe auf! Die Sonne meiner Liebe
Und meiner reinen Liebe Mondenbalsam
Soll deine Wunden heilen; laß mich sein
Der Engel, der dem Herrn die Füße salbt,
Ich will dich überschütten, Lieb, mit Salbe!
Sieh, ich bin Magdalena, Sünderin,
Und du, o Lieb, du bist mein Christus mir!
 
(Die Zungen singen süßen Weines trunken.)
 
Es steht geschrieben von der Nymphe Glorie
Im einundzwanzigsten Kapitel der
Johannesoffenbarung, Lammes Braut
Und Hagia Jerusalem ist sie,
Die da herniederkommt aus allen Himmeln -
Und in ihr seh ich sie, die Vielgeliebte!
 
Das sieht ein liebestrunkner Dichter nur,
Ein Madschnun und ein Hölderlin im Turm.
Im Wein die Wahrheit, weinestrunken sing ich,
Wie Diotima auf der Insel Baltrum
Von absoluter Liebe sprach und Treue
Bis in die Träume, und von der Verzweiflung,
Daß alle Männer ohne Treue sind.
 
Gott segne dich! - Gott segne dich! - so grüßen
Die Liebenden einander in der Nacht.
 
Du standst geschnitzt aus dunkelblauem Holz,
In dunkelblauer Nacht am dunklen Meer,
Die Haare auf die Schulter fallend lang,
Die Hände vor der Brust verkreuzt und traurig,
Ich weiß nicht, ob es Anadyomene
Im Leiden um den lieblichen Adonis,
Ob es Madonna Pieta, Maria
Von Magdala im Leiden um den Herrn?
Und alles blau wie eine blaue Blume,
Die Blaue Blum von Baltrum mit dem Kinde!
 
Die alte Mutter mit dem Schmerzensantlitz
Sah viele sterben, Schönheitsköniginnen,
Großmütter auch, und in der Todesstunde
Ist sie ein sichrer Beistand. In dem Lichte
Des Lebens schwebt voran sie als die Jungfrau,
Die starke Frau, Heerscharenführerin,
Als Magd und Schwester und des Lämmleins Nymphe!
 
Das blaue Leinenkleid an weißen Beinen
Hat sie ein wenig aufgeschürzt und ging
Vom Strand ins Wasser, da ihr kleiner Sohn
Im Wasser spielte, badete und jauchzte,
Der Wonneproppen mit der süßen Mutter
Und mit dem weisen alten Mann als Vater,
Der ansah Sie: Holdseligkeit der Güte
Und süß, daß eine Honigbiene stach
Und Amor ließ zurück den süßen Stachel.
 
Und in der Nacht allein ging ich ans Meer
Und lauschte dem Gebrande dunklen Meeres,
Den Wellenbrechern, Meeres Donnerrollen.
O Einsamkeit, o Nacht, o laute Stille,
O fernes Licht vom Leuchtturm übers Meer,
O Stern am Himmel, o des Meeres Stern!
In Schicksalstafeln wollt ich lesen da
Und las von Schmerzen und von Einsamkeit
Und Frauenliebe und von Gottes Gnade.
 
Die reine Seele, sie ging nachts zu Bett,
Die stille Träumerin am Frühstückstisch,
In allem schönes, anmutvolles Mädchen,
Ist meiner Augen schönste Augenweide
Und voller Schönheit meinem Herzen Labsal.
 
Geliebte, meine Muse, möge dir
Mein Engelin die Liebesverse schreiben
Mit Balsamöl in deine tiefen Träume!
 
All-Einzige Geliebte! Schlafe schön
Und träume süß vom bunten Blumenmantel
Der Allgebenedeiten, Vielgeliebte!
 
Marie, ich grüße dich, du Meeresstern,
O trauff aus Baltrums blauer Blume Tau
Und schütte Segensströme Balsam aus,
So niederflutend wie ihr langes Haar.
Mohnbraune Nacht breit um sie, süße Träume,
Und den Genuß der Huldigungsgesänge,
Die mir von ihrer Würde eingegeben.
 
Die köstlichsten Entzückungen der Seele,
Erkenntnisse der allgemeinen Liebe
Gottes sei dir als Segen zugedacht.
 
Und in der letzten Nacht der Baltrumtage
Gedacht ich der ägyptischen Maria
Und eines angefochtnen Eremiten.
Das war die erste Nacht des Rosenkranzes.
So hatte Chawa, die beseligende
Leidbringerin, durch Liebesleiden mir
Gebet zu Liebesheiligen gebracht.
 
Noch war das Volk nicht im Gelobten Land,
Da irrte Israel auf Wanderungen
Und aß doch schon vom Himmel Himmelsbrot,
Schaubrote Davids für die Männer, die
Der Frauen alle sich enthalten hatten
Und bitteren Gemüts und Herzens waren,
Schaubrote, süße Brote der Verbannung;
Wie erst, wenn wir im Schoß des Tempels Gottes
Das Hochzeitsmahl des Gotteslamms begehen!
 
Ich zeug in deinem Herzen, o Geliebte,
Die du durchs Ohr empfängst das reine Wort,
Das von der allgemeinen Liebe spricht
Und unsrer Liebe Gott ist Einer nur,
Das fleischgewordne Wort der Liebe Gottes,
Und es ward Fleisch und wohnte unter uns,
Wir haben diese Herrlichkeit gesehn
Und auch mit unsrer zarten Hand berührt.
 
Ich kenn nur Einen Götzendienst, den Dienst
Am Götzen meiner Liebe, liebster Abgott,
Komm, loser Flügelknabe, flieg herbei
Und bohre deinen Stachel in ihr Herz,
Den du in Honig vom Hymettos tauchtest.
 
Ich schwamm auf Wogen der Musik, der Song
„I wish this kiss would last for ever“ trug
Mich auf den lichten Flügeln schöner Liebe
Und wunderbarer Minnesympathie.
Das Kleid der braunen Königin von Saba
War zauberhaft wie Chawas Sommerkleid.
Die transparente Seide floß so leicht
Um deine kleinen hübschen Frauenbrüste,
Die Schultern waren frei, die schmalen Träger,
Spaghettiträger schob der kleine Amor
Ein weniges zur Seite, neckisch lachend,
Und Chawa ganz natürlich, aber ich
Sah alle Blätter fallen dieser Blume,
Die edelsteinern-bunten, glitzernden
Aus einem Spiritus von Stofflichkeit.
 
Es nahte meiner Seele eine Schwester
Vom Kloster der Barmherzigkeit und Liebe
In schönen Briefen und in zarten Versen.
Gedichte waren ihr Gebete, alle,
Anbetung Gottes der Dreifaltigkeit,
Sie war die Braut des Herrn. Ich suchte Trost
In ihren warmen Worten, ihrer Seele,
Der schönen Seele. Niemals sich zu sehen,
Beschlossen beide, Fleisch im Wort zu sein,
Lebendige Episteln, Briefe Christi.
 
Maria ging mir auf, die Himmelspforte.
O Königin der abgeschiednen Seelen,
Vermehre Gertrud ihre Seligkeit!
O Himmelstreppe, o Urania,
O fleckenloser Spiegel reiner Weisheit,
O makelloses Ideal, o Frau,
Panhagia Sophia, Sitz der Weisheit,
O Königin des Himmels, Dichtern Muse!
 
O laß mich dich in allen Frauen sehen,
Du unter Frauen Allgebenedeite,
Du Schwester aller schönen Seelen, siehe,
Ich dachte an die Oma, an die Mutter,
An Frauen, die Gesänge eingegeben,
Wie jede Frau ihr eignes Bild gezeugt
Im Seelenspiegel eines Musensohnes.
Und doch ist oft der Spiegel so getrübt,
Das sagt dazu der Dichter dieser Verse,
Daß er das reine Ideal nicht rein
Genug der Nachwelt überliefern kann.
 
Maria durch ein Dornwald ging, da wurden
Die Dornen Rosen, Jesus und Maria,
Kyrieleis. Und Weihnachtstränen flossen
Und schwärzeste Gedichte von dem Tode
Und von der Bitterkeit und von Gericht
Und Klagelieder an die Königin
Des Rosenkranzes, des aus Rom gekommnen,
Erklangen in der dunklen Dichterzelle.
 
Doch schweben nur die Augen der Geliebten
In Nächten vor den Augen meiner Seele.
O Einzigschöne unter allen Schönen,
Perfekte Schönheit nannten dich die Juden,
Die Griechen nannten deine Augen Venussterne,
Sie läuten zu der Zeit des Abendmahles
Ave Maria, Himmelskönigin!
 
O Sankta Apollonia! O bete,
Du Heilige, inmitten dreier Tage!
Wie soll ich singen dich, du König Christus,
Als du in meiner armen Hütte standest
Und ich zu deinen unsichtbaren Füßen
Auf des Gebetes Hirtenteppich lag,
Auf meinem Angesicht vor deinem Fuß,
Du lieber Gott, der alles mir vergab,
O du mein König und mein Herr, der du
Zu mir gesprochen stilll verschwebenden Schweigens
Und Liebe mir ins Herz als Samen senktest!
 
O du Lebendiger, du Quell des Lebens,
Du zeugest fort und fort im Herzen Liebe!
Von Buße und vom Sakramente sprachst du,
Gewährtest die Verehrung deiner Mutter.
 
Und ich war sprachlos und von Wahnsinn trunken,
Stand in den Chören allerhöchster Engel
Und aß mit Pharisäern, Schriftgelehrten.
Doch Dirnen kommen eher in den Himmel
Als Zollvereine, Pharisäersekten!
Die Liebe Frau erschien. Und du, o Mutter,
Im Mantel der Barmherzigkeit bei mir
Gestanden, schirmtest mich vor den Philistern,
Die mir die Dornenkrone aufgesetzt -
O Jesus! dicht schmieg ich mich an dein Herz!
 
Ich will dir deine Füße küssen, Christus,
Die Füße dir mit meinen Tränen salben,
Ich will dir deine Füße küssen morgens
Am Tag der Auferstehung - Halleluja,
Ja, feiert Jesus, er ist auferstanden!
Nun will ich tanzen, tanzen will ich vor
Der Bundeslade, wie einst David tanzte,
Damit ich nicht zugrunde geh, Maria!
 
O Liebe Frau! O Mutter voll Erbarmen,
Im Mantel der Barmherzigkeit, Sixtina,
Du wundertätige Ikone Raffaels,
Ich danke dir für deine schöne Liebe!
Verlaß mich nicht, wenn ich so arm an Liebe,
Heilwirkerin und Helferin der Seelen,
Gesegnet bist du mehr als alle Frauen,
Urania, o Himmelskönigin,
Du riefst mich zu der Liebe Himmelstreppe,
Da deine Schleppe rauschte seidenweiß.
 
Mein Ostern will ich singen, ja, mein Ostern,
Die stille Messe in der Mitternacht,
Nur eine Flamme brannte am Altar,
Daran ward angesteckt die Osterkerze,
Die Kerzen aller Gläubigen entzündet
Am Licht der Osterkerze durch die Mädchen
Und Knaben in den reinen Meßgewändern.
Die Liturgie sang schöngestimmt ein Priester,
Vom Fleiß der Honigbienen sang er süß
Und wie verzehrt das Wachs die Kerzenflamme!
Verzehre mich, o Feuer wahrer Liebe!
Die Glöcklein klangen einen lieben Segen
Und alles strömte zum Agapemahl.
Allein ging ich mit Christi roter Rose
(O Bräutigam, o göttlicher Geliebter!)
Und unterm Schirm Maria Magdalenas
In die Melancholie der dunklen Nacht.
 
O Hohe Königin des Mai, Maria,
Du zarter Morgenstern im grünen Schleier,
Du öffnetest der Liebe Rosenpforte,
Du Mutter der Lebendigen im Garten!
 
Gedenke, Minnige, des Quells von Lourdes,
Des Ringes vor der Bundeslade und
Des Musenkusses, o Maria!
[Inhalt]


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