[Inhalt]

Peter Torstein Schwanke
 
PETRUS
 
 
 
ERSTER GESANG
 
Sing, Muse, des Apostels Petrus Leben,
Wie er gewandelt ist in Israels
Gefilden, wo im See die Fische schweben,
Wo Jesus ihn berufen als den Fels
Und ihm die Himmelsschlüssel übergeben,
Sing Roma auch in ihrer Schönheit Schmelz,
Und singe, Muse in den schönen Seiden
Im Hain am Helikon, den Gott der Leiden.
 
Johannes Jona war ein Fischermann
Und lebte in Bethsaida an dem See
Genezareth. Er saß allein und sann
Und sah zu fernen Hermons Gipfelschnee
Und sann, wie sein Patron, der Gottesmann,
Verkündet hatte Ninive das Weh
Und ob bald käme der Prophet des Mose
Und künde das Gericht, der Makellose?
 
Gott sprach zum Manne Jona, dem Propheten:
Geh hin, mein Sohn, und künde das Gericht
Den Übeltätern in Assyriens Städten
Und Ninive vor allem, welches dicht
Bevölkert seh ich zu den Götzen beten
Und Unzucht treiben an der Sonne Licht.
Geh hin und ruf zur Buß die Große Stadt!
Verkünd, daß Jahwe reiche Gnade hat!
 
Doch Jona floh vor dem Gebot des Herrn,
Verleugnete, was Gott ihm aufgetragen,
Floh an das Mittelmeer und weiter fern
Nach Tarsis mit dem Schiff, um nicht zu sagen,
Daß Jahwe hatte auch die Heiden gern.
Über den Seher muß Jehowah klagen,
Daß er in seines Herzens Härtigkeit
Ersehnte nicht das Reich der Gnadenzeit.
 
Das Schiff geriet in eines Sturmes Wüten,
Die Schiffersleute bangten allzumal,
Da bergehoch die wilden Wellen sprühten.
Der Gottesmann als Opfer sich empfahl,
Um zu erringen allen Fischern Frieden,
Ließ er verschlingen sich von Meer und Wal.
Drei Tage in des Riesenfisches Bauch,
Pflog er des inneren Gebetes Hauch.
 
Und Jona ward vom Fische ausgespieen
Und ging allein nach Ninive zu Fuß.
Da hat er von des Herrn Gericht geschrieen
Und Volk und König taten weinend Buß
Und darum hat Jehowah auch verziehen.
Doch Jona fiel ein Lebensüberdruß
Mit schwarzen Schatten an, daß Gott so gnädig,
Bußfertig Ninive der Sünden ledig.
 
Da weinte er in seiner Trauer, kaum
Zu trösten, saß er in dem Schatten kühl.
Gott aber fällte den Maronenbaum,
In dessen Schatten ihms so gut gefiel:
Soll ich nicht geben meiner Gnade Raum,
Soll alle senden in den Feuerpfühl?
Du, aus dem Bauch des Wales auferstanden,
Verkünde Jahwes Gnade allerlanden!
 
So sann Johannes Jona, einsam sinnend,
Da trat zu ihm sein ehliches Gemahl:
Mein lieber Mann, so hauchte mild sie minnend,
Komm in die Hütte nun zum Abendmahl.
Sie lächelte so herzlich ihn gewinnend,
Da ward die Hütte ihm zum Kaisersaal.
O Frau, hier diesen Fisch zum Mahle brat!
So sagte Jona zu Frau Mahalat.
 
Frau Mahalat, die Mutter zweier Söhne,
War eine wundervolle sanfte Frau,
Die nie so recht verlor der Jugend Schöne
Und immer munter war wie Morgentau
Und spielte manchmal auf dem Psalter Töne
Und kannte Davids Psalmenbuch genau.
Sie hatte blaue Augen, helle Haare
Und bangte nur vor einem - vor der Bahre!
 
Ihr Vater war der alte Jerimot,
Der übte freudig seines Geistes Witz.
Doch ernst nahm er das siebente Gebot,
Denn Ehebrecher treffe Jahwes Blitz!
Ernst war ihm auch das erste: Zebaoth
Jehowah saß allein auf seinem Sitz
Der Gottheit, Gottheit über alle Götter,
Der klar vernehmlich redete im Wetter!
 
Und ihre Mutter, Oma ihrer Söhne,
War Abihajil, eine Wundergute,
Die in den Augen trug der Kindheit Schöne,
Uralte Frömmigkeit in ihrem Blute.
O lobe sie, du heilige Kamöne,
Wie sie geehrt noch Jahwes Vaterrute
Und doch gleichzeitig war von solcher Milde,
Geschaffen als der Gottheit Ebenbilde.
 
Und Abihajil liebte ihre Enkel,
Sie liebte Simon und Andreas sehr,
Sie war zu ihnen wie ein heiliger Engel,
Den Simon liebte sie ein wenig mehr
Und band ihm manchmal der Sandale Senkel,
Er aber machte ihre Töpfe leer,
All ihre Speise war ihm süß wie Manna
Und köstlich wie der Mehlbrei von Madmanna.
 
Auch Abihajils schon gestorbne Mutter
War eines Fischers Ehefrau gewesen.
Sie hatte Honigseim genug und Butter,
Allabendlich die heilige Schrift zu lesen,
Wenn draußen schlummerte der Fischerkutter,
Dann konnten sie an Gottes Wort genesen,
Wie Eva schon im Paradies gefischt
Und allzusüße Früchte aufgetischt.
 
Und eine Schwester hatte Mahalat,
Die früh schon trug des Silberhaares Würde,
Die früh schon Witwe war, Frau Basemat,
Seit ihrer Witwenschaft trug sie die Bürde
Der Krankheit. Aus der Augenpaar Achat
Die Tränen tropften. Aber ihre Zierde
War Furcht vor dem, den man recht fürchten soll,
Der richten wird die Seele in Scheol!
 
So völlig war ihr Jahwe nicht geheuer
In seiner Schrecklichkeit und seinem Zorn.
Wie sollte denn der Sünde Jugendfeuer
Und alles Laster aus des Herzens Born
Bestehn vor göttlichen Gerichtes Feuer?
Sie flehte für Andreas auserkorn,
Daß ihn nicht locken mög der Locken Henna
Und Wollust werfe ihn in die Gehenna!
 
Andreas war ein Jüngling an der Grenze
Zur vollen Mündigkeit und Mannesreife.
Und Jonas sprach zu ihm: Mein Sohn, scharwenze
Nicht in den dunklen Winkelgassen, streife
Nicht um die Ascheren in diesem Lenze
Und gib nicht deine Kraft den Dirnen, schweife
Nicht aus in zügellosem Trunk und Scherzen,
Vielmehr sei du ein Mann nach Gottes Herzen!
 
Ja, darum haben wir dich „Mann“ genannt,
Mannhafren, daß du seist ein wahrer „Isch“.
Daß Gott an dir sein Wohlgefallen fand,
Bewies er mannigfaltig. Sei am Tisch
Demütig und bescheiden, laß die Hand
Nicht greifen als die erste nach dem Fisch.
Gott widme Herz, Gemüt und alle Kraft.
Doch manchmal wallen wird des Lebens Saft.
 
Darum ja schuf dem Isch die Ischa auch
Der Herr, dem Mann die Männin einst in Eden.
Sieh, diesen Frühling weht der Blumen Hauch
Und manche Mädchen wandeln wie Reseden.
Dann laß nicht qualmen düstrer Wollust Rauch,
Vielmehr sollst du um eine Gattin beten,
Wenn du dich nicht für Gott enthalten kannst,
Damit du nicht die Huren übermannst.
 
Mein Sohn, da gibt es Frauen, die sind Becher,
Gefüllt bis an den Rand mit Taumelwein,
Die bieten an sich jedem wüsten Zecher
Und lassen jeden Wanderer herein
Und sind für alle Pfeile offne Köcher.
Erst gehen sie dir ein wie süßer Wein,
Dann aber munden sie wie bittre Myrrhe,
Daß du verschmachtest in der Wüste Dürre.
 
Doch findest du die Mitarbeiterin
An deinem Wirken für den Ruhm des Herrn,
Dann liebe sie mit hingegebnem Sinn
Und habe sie von ganzem Herzen gern,
Dann wird sie dir ein reichlicher Gewinn
Zur Freude deines Herzens und dein Stern.
Du aber sollst, so hab ich stets geglaubt,
Als Gottesmann sein deinem Weib das Haupt.
 
Auch Jahwe ist der Jungfrau Israel
Allein der Herr, das Haupt, der Bräutigam.
Die Jungfrau Israel, gesalbt mit Öl
Der Freude aber wandte sich zum Stamm
Des Baal, daß sie ihm widme ihre Seel.
Die Priester opfern heilig Lamm um Lamm,
Doch muß die Jungfrau Israel zu Ehren
Des Höchsten Buße tun und sich bekehren.
 
Andreas, werde du ein Gottesmann
Wie David war, Elia, Samuel.
Damit der Allerhöchste dich gewann,
Wardst du beschnitten. Mußt an Herz und Seel
Beschnitten sein, da ist noch Sünde dran.
Nun salbe dir die Füße mit dem Öl
Und komm ins Haus und gehe fromm zu Bette,
Du weißt, Andreas, daß ich für dich bete.
 
Und Simon war der erstgeborne Sohn,
Ein starker Eifrer für Gerechtigkeit.
Da sah sein alter Herr ihn reiten schon
Mit der Zelotenschar und sagte: Reit
Nicht mit Zeloten, denn sonst wird dein Lohn
Der gleiche sein wie ihrer Sündigkeit,
Mit Schwert und Feuer machen die Zeloten
Viel Jünger für den Schreckensherrn der Toten.
 
Mein Sohn, du weißt vom Manne Simeon,
Wie er gewütet um die Tochter Dina
Und welche Raserei den Jakobssohn
Getrieben in dem Licht der Matutina,
Dem Heiden mit dem Schwert zu sprechen Hohn
Und wegen ihrer Schändung der Virgina
Zu morden alle Söhne jenes Hamor;
Sie starben mit Gebet zum Götzen Amor.
 
Und darum sprach auch Jakob seinen Segen
Nicht über Simeons Nachkommen aus,
Weil Gottes ist die Rache allerwegen,
Des Herrn ist Zorn und Rage, Grimm und Graus,
Jehowahs ist die Glut, der Schwefelregen,
Der Donnerhammer steht in Jahwes Haus,
Wir aber sollen nicht von Zorn getrieben
Abschweifen, sondern alle Menschen lieben!
 
Und Simon sprach mit seinenfeurigroten
Und blassen Wangen zu dem Vater dies:
Steh ich auch nur als Fischer in den Booten
Und scher der Silberfische Schuppenvlies,
So hab ich Ehrfurcht doch vor den Zeloten,
Erringen wollen sie das Paradies!
Für den Messias tragen sie den Hammer,
Auf daß er schlage Rom und end den Jammer!
 
Und Jona sprach: Und darum ist der Stamm
Des Simeon erloschen, weil in Wut
Und Rage sie genaht vom Bergeskamm
Und gossen in die Wüste Hamors Blut.
Im Reiche des Messias, Gottes Lamm,
Wird Simeon erneuert, rein und gut
Zu Gottes Ehre seine Stärke brausend,
Lebt er mit Hundertvierundvierzigtausend.
 
Mein Sohn, sprach Jona, wie gefällt dir jener,
Der immer von den lichten Engeln spricht?
Und Simon sprach: Im Kreise der Essener
Geboren werden sie vonGeisteslicht
Und Wasserreinigung. Der Nazarener
Jamblika drüben macht so ein Gesicht,
Als wenn er mehr von dem Geheimnis wüsste
Und hätte schon gesehn der Gottheit Küste.
 
Jedoch hier ist ein ewiger Widerspruch,
Sprach Jonas Sohn: Die einen nur die Tat
Verehren, haben nur die Kraft versucht,
Die andern glauben an des Geistes Rat
Und leben eingeschlossen in ein Buch,
Ein Jota ist für sie des Himmels Saat.
Und was, bei diesem Widerspruch, ist Wahrheit?
Sieh, Vater, auch ein Fischer möchte Klarheit.
 
Und Simon stand am See Genezareth
Und über ihm der Mond und die Gestirne.
Ein leiser linder Lenzhauch lieblich weht
Über den See, geformt wie eine Birne.
Allein er bei den Rosenbüschen steht
Und fühlt das Wehn an seiner Mannesstirne
Und sieht die schattenhaften Kapernbüsche,
In die geweht vom See die Frühlingsfrische.
 
Maiglöckchen schienen minniglich zu läuten
Und flammend lockten rote Anemonen.
Ob diese Blumen irgendwas bedeuten,
Ob in den Blumen Ebenbilder wohnen
Der Liebe Gottes? Nicht wie andern Leuten
War ihm, er schaute zu den Sternenkronen:
Ob auf der Venus mit dem goldnen Scheine
Zu finden waren Goldorangenhaine?
 
Der rosane Hibiskus war so rein
Und so ätherisch all die Schmetterlinge.
Doch ich bin Mensch. Und was heißt, Mensch zu sein?
Wird denn mein Fleisch getragen von der Schwinge
Der Seele in den himmlischen Verein?
Ob ich mit dem Gesetz der Tugend zwinge
Meine Natur? Ach wär ich eine Blume,
Ein Lilienblütenknauf im Heiligtume!
 
Dort drüben auf der andern Seite blühn
Die Malven wunderschön in Magdala.
Die Färber durch die blauen Gassen ziehn
Mit blauen Linnen bis nach Gischala.
Hier Fledermäuse durch die Nächte fliehn,
Unheilsprophetisch sind die Eulen da.
Doch ist der stille See von Kinnereth
Wie einer Harfe Spiel ein Lobgebet.
 
Heut nacht ruht still der See Tiberias,
Doch unten ist vulkanisches Gestein.
Die Römer haben ihren Badespaß,
Hebräer aber sind mit Gott allein
Und suchen ihn - und sehn die Mondin blaß
Und sehn die Venus mit der Gluten Schein,
Der Rabe fliegt, der Wiederkäuer hoppelt,
Gott ist allein - und alles sonst ist doppelt.
 
Schön sind die Frühlingsnächte, schön und warm,
Die Rosen duften und die Anemonen,
Am Ufer ruht der Pelikane Schwarm
Und bei Bethsaida glänzen die Zitronen.
Allein der Mensch, er heget seinen Harm
Und tuts nicht unter den astralen Kronen.
Wer kann die Sehnsucht ihm befriedigen?
Gott müsste nahn und sich erniedrigen!
 
Und jäh und plötzlich bricht der Fallwind ein
Und Stürme klappern an des Himmels Fenster
Und beben will vulkanisches Gestein
Und auf dem Wasser wandeln um Gespenster
Und Fischerboote taumeln ungemein.
Der aufgewühlte Kinnereth, da glänzt er
Von Wildheit, seiner Wildheit ausgeliefert.
(Ist nicht ein Wort Jehowahs überliefert?)
 
Hier dachte Simon an den Schöpfungstag,
Da das erschaffen, was im Meere lebt.
Die Muschel hegt die Perle zart und zag,
Die Schnecke bange in der Hütte bebt,
Schildkröten schauen uralt, weit und vag,
Der rosa Krebs zur rechten Seite strebt.
Im großen Meere schwamm auch der Delphin,
Allein damit er dem Arion dien.
 
Arion ward von Räubern in das Meer
Hinabgeworfen einst, daß es ihn töte.
Sie machten über seinen Schatz sich her,
Doch tönte seine Lyra laut Gebete:
Zeus, Zeus, wo bist du, o Allmächtiger?
Da trug ihn ein Delphin zur Morgenröte
Und legte ihn bei Smyrna in den Sand,
Da ward er König in der Liebe Land.
 
Der Fisch der Chromidae im Wasser schwamm
Und die Familie der Karpfen, Barben,
Die Chromidae mit ihrem Rückenkamm,
Alburnus Sellah mit den weißen Farben
Schwamm nahe des Vulkangesteines Stamm,
Sardinen ähnlich, und die Welsen warben
Um Welsenweibchen mit den Fühlerfäden.
Und alles dieses lebte schon in Eden?
 
Der Anguilull Vulgaris war nicht rein
Nach dem Gesetz und dennoch war der Aal
Geschöpf des Höchsten, schwamm den Strom allein
Hinab, vorbei am Angelhakenstahl,
Entkam den Fängern. Um zu leben? Nein,
Ihn trug des Jordans südgewandter Strahl
Ins Tote Meer, da brach er sich den Hals,
Da ward zu einer Säule er von Salz.
 
Was sind denn Fische? Leute aus Ägypten,
Die tummeln sich im gelben Vater Nil
Und hängen sich mit frevelnden Gelübden
Dem Pharaonem an, dem Krokodil.
Gefressen werden sie vom Ungeliebten,
Leviathan, mit teuflischem Gefühl,
Da finden alle Fische ihren Tod
Im Rachen ihres Gottes Behemot.
 
Was aber sind die Fischer? Sind Hebräer,
Die mit den Netzen heiliger Schriften fischen
Die Völker und Nationen, die Verdreher
Des göttlichen Gesetzes, die vermischen
Mit Wahrheit Lüge, die Dämonenseher
Und Götzendiener mit den Opfertischen
Und Lästerer des Wahren, Schönen, Guten.
Das Heil wird aber kommen von den Juden.
 
Und Simon sah am See den Kormoran
Die Fische fangen aus der trüben Flut.
Und Simon sah am See den Pelikan,
Der sich gepeinigt bis aufs Herzensblut.
Und Simon sah am See den Sangeschwan,
Der wie in ewigen Ewigkeiten ruht
Und orgelte Lobpreisung wie zur Flöte
Und rief herauf den Stern der Morgenröte.
 
Und Simon ging zum Städtchen Julias,
Zum Freunde Phillip, welcher griechisch sprach.
Sie setzten sich am Ufer in das Gras,
Da ward dem Simon überscharf und wach
Der Geist am Wasser von Tiberias
Und er gab ein Orakel jäh und jach
Von Phillips Namen, welcher auf der Erde
Am allermeisten liebte schlanke Pferde.
 
Du weißt von dem von Mazedonien,
Du selber lasest Aristoteles,
Der hochberühmt ist in Ionien,
Und sprach er Wahrheit? bist du sicher des?
Und Phillip unterwarf sich Thrakien
Und schuf den Zugang zu dem Meere, des
Gewässers Göttin war ja Kythereia,
Und siegte herrlich einst bei Chaironeia.
 
Doch sehe ich mit Geistes Sehergaben
Auch einen andern Phillip, der ein Sohn
Des Barbarossa ist und Herr von Schwaben.
Dann seh ich einen, dessen Schönheit schon
Sich ausgeliefert Satans schwarzen Raben,
Weil er des Stellvertreters Gottes Thron
In schmähliche Gefangenschaft geführt,
Wo unter Huren leben mußt der Hirt.
 
Den Kühnen seh ich auch, der sein Burgund
Erweiterte durch Flanderns Margarethe,
Die Ländereien brachte in den Bund.
Und sehe, wie der Wind von Holland wehte,
Von Seeland und vom meerischen Brabunt
Phillip dem Guten um die Stirne stete,
Und wie er Friesland suchte und das Meer.
Von deinem Namen kommt ihr Name her.
 
Phillipus sprach: All das versteh ich nicht,
Denn was davon steht in der heiligen Schrift?
Zwar haben auch die Griechen manches Licht,
Doch weiß die Thora nur, was einst eintrifft.
Sprach Simon: Dies Historiengedicht
Steht für ein Schiff, das durch die Zeiten schifft,
Und trägt Jehowas Überlieferungen
An Bord, gedichtet von des Geistes Zungen.
 
Genug der Worte, trockenen Gedanken!
Sprach Simon an dem See Tiberias,
Wir wollen nicht wie leere Boote schwanken,
Wir wollen von dem wahren Leben was
Erbeuten, Rosen- oder Rebenranken,
Die Jugend jubelte in Julias
Und angehaucht von lenzlich-linden Winden
Wollt ich wohl eine reine Liebe finden.
 
 
ZWEITER GESANG
 
O Königin Maria, was ist Ruhm?
Arbeite ich denn für den leeren Wind?
Will meiner Liederliebe blaue Blum
Dereinstmal schnuppern Kind und Kindeskind?
Vergessen bin ich von dem Heidentum
Und von der bösen Welt, die liebt die Sünd,
Und bin geschmäht auch von so manchen Christen,
Die buhlen mit der Welt und Marktes Lüsten.
 
O Königin Maria, was hat Sinn?
Was soll ich tun, als meine Gabe üben?
Ruhmlosigkeit ist mir vielleicht Gewinn
An Seligkeit! Denn einzig Gott zu lieben
Ist voller Sinn und hat Bestand auch in
Der Ewigkeit! So habe ich geschrieben,
Um Gott zu dienen und ihn lobzupreisen,
Das ist der Ruhm für alle meine Weisen.
 
O Königin Maria, mach mir Mut
Und stärke meinen Sinn, ich bin verzagt.
Kastaliens Qeulle mit kristallner Flut
Und Pegasos, der nach den Sternen jagt,
Mach mir das Herz begeistert, wohlgemut,
Auf daß ich preise nachtlang, bis es tagt,
Die liebe Mariam Bath-Nacham rein -
Auf ihrem Antlitz liegt dein Widerschein.
 
Und Simon ging am See Tiberias,
Ihn dürstete, er trat in eine Schenke.
Er trank den guten Wein von Julias
Und hörte, wie ein Mädchen sprach: Versenke
Dich geistig in das rubinrote Naß,
Benetze nur die Lippen leicht und denke,
Wie alles wohlgeordnet ist nach Maß.
Leichtfüßig trat sie dann ins grüne Gras.
 
Er sah dem Mädchen nach durchs offne Tor,
Wie rote Rosen glänzte ihr Gewand.
Sein Blick in einen Rosengarten sich verlor,
Da hat das Mädchen leicht sich umgewandt.
Kein Silberschmuck an ihrem schlanken Ohr,
Am Arme keine Spange, an der Hand
Kein Ring, doch Simon ward das Herz umringt
Vom Blick, der ihn in ihre Herrschaft zwingt.
 
Er sah die Farbe jener Augen nicht,
Doch stand er ganz in ihrem Zauberkreis,
Der um ihn zog den Zirkelkreis aus Licht
Und tauchte ihn in tiefer Teiche Weiß.
Sein Herz erzitterte vorm Angesicht
Der Jungfrau, und er sah sie lächeln leis
Und ihn durchdringen mit den tiefsten Blicken
Bis in des Herzens Grund, ihn zu beglücken.
 
O Maid, sag an, wie darf ich dich benennen,
O Maid, mit welchem Namen dich? Sie sagte:
Ich heiße Maria Bath-Nacham. Kennen
Willst du, die siebzehn Erdenjahre wagte
Den Wettlauf nach dem großen Ziel zu rennen,
Das mancher Seher schon zu sehen klagte?
Ich bin des Mannes Nacham Tochter und
Die der Naomi mit dem süßen Mund.
 
Wie wird das Volk gequält von Wölfin Rom!
Wann kommt der Davidssohn mit Geistes Öl,
Mit Mastix, Myrrhe, Aloe-Arom,
Und gibt dem Volke Juda den Befehl?
Komm, laß uns gehen an den Jordanstrom,
Da wo er mündet in den See des El,
Wo Völker saßen in dem Todesschatten,
Die alle eine große Hoffnung hatten.
 
Und Simon wie verzückt und selig war,
Vor Freude fühlte er den Herzschlag stocken.
Er hätte gern gekost ihr langes Haar,
Gestrichen die maronenbraunen Locken.
Am Himmel einsam flog ein Königs-Aar,
Im Grase läuteten die Blumenglocken,
In weiter Ferne muhten braune Rinder
Und in den schmalen Gassen spielten Kinder.
 
Ganz anders sahen nun die Anemonen
Aus ihren Blüten, da ein reines Lamm
Geweidet, mitten unter Kaiserkronen,
Salomosiegeln, beim Maronenstamm,
In dessen Krone reine Tauben wohnen,
Und alles feierte nur Mariam
Bath-Nacham im verliebten Herzen Simon,
Wie Kypris feierte auf Kypros Kimon.
 
Du lachst, wie Sarah einst, die Königin,
Du trägst wie Rahel schön die Augensterne,
Du bist wie Ruth so holde Schnitterin,
Du kommst wie Sulamith aus weiter Ferne,
Mir wäre deine Liebe Vollgewinn
Und deine lieben Lippen küsst ich gerne,
Wie Michal, Abischag, Ahinoam
Bist du mir, Tochter Nachams, Mariam!
 
Ich pflücke dir die Rosen von den Büschen
Und lege sie vor deinen schlanken Fuß.
Sieh, meiner Seele Fühlen steht auf Fischen
Und strömt zu deinem See als Jordanfluß,
Du Nymohe dieses Sees dem Schwärmerischen.
Das Himmelreich ist nah im Kind der Buß,
Tochter der Buße, milde Mariam,
Du bist der Altar, ich das Opferlamm!
 
Und Abend brach herein mit blauem Schauer,
Von Osten stieg herauf der volle Mond.
Du sprichst von Gott - und weißt du es genauer,
Sprach sie, mit welchem Namen Er gewohnt
Genannt zu werden? Ist er Gott der Trauer,
Der Liebe Gott, der Sehnsucht auch belohnt?
Wir sind an Seinem Herzen alle Diebe,
Sprach Simon, aber Er gibt Lieb um Liebe!
 
Siehst du den Mond allein mit rotem Blut,
Des Firmamentes hohe Königin
Erhaben thronen über blauer Flut
Mit einem keuschen demütigen Sinn?
Erhabner sprach aus eines Feuers Glut
Aus einem Dornenbusch der Herr: Ich bin!
Ich bin es, der ich bin; ich heiße Jahwe -
Vom Feuer nicht verzehrt ward die Agave.
 
Er hieß sich selber: Wir, die Elohim,
Wir machten einen Menschen Uns zum Bilde!
Geschaffen sind die Menschen alle Ihm,
Der schuf das paradiesische Gefilde,
Mit Adam sprach und Eva er intim
Und ging im blauen Abendschatten milde
Wie Hauch des Lenzes oder holder Traum
Und wies mit seiner Hand zum Lebensbaum.
 
Propheten nannten ihn Eloah auch,
Das heißt soviel wie: Eure Majestät
Herr Gott der König! Seines Geistes Hauch
Ist Quell und Quelle jeglichem Gebet.
In seiner Heiligkeit jedoch dem Rauch
Vom Brennen unsrer Sünde widersteht
Eloah, nämlich seine Heiligkeit
Ist makellos in alle Ewigkeit.
 
Wir nennen ihn voll Ehrfurcht Adonai,
Er ist Gebieter aller Erdenherrn,
Der Herr der Herren macht die Sklaven frei.
Zu seiner Ehre dient der Abendstern,
Zu seinem Lob der Morgenstern des Mai,
Zum Ruhme seines Reichtums Kern an Kern
Im roten Schoß der fruchtbaren Granate:
Er kommt zu uns in seiner großen Gnade.
 
Wir preisen unsern Gott als Zebaoth,
Den Herrn der Himmlischen, den Herrn der Scharen,
Der durch den Engel gab einst sein Gebot,
Als unsre Stämme in der Wüste waren.
Ihm lebt das Lebende und selbst der Tod,
Heimholt er auf den Flügeln seiner Aaren
Die Seelen in das holde Reich im Äther,
Zur heiligen Versammelung der Väter.
 
Der Allerhöchste ist er, welcher oben
Im Himmel aller Himmel herrlich waltet,
Zusammen hält er dieses Weltalls Toben
Mit seiner Macht, in welcher frei er schaltet,
Er ist der Gott der Götter. Laß uns loben
El Elyon, der unsern Leib gestaltet
Und uns gegeben unsres Lebens Odem,
Laß loben uns El Elyon mit Oden.
 
El Shaddai ist er, er der mein Genüge,
Der Speise gibt dem Sperling und dem Spatz,
Die Lilie in die Lichtgewänder füge,
Er ist der Schatz der Schätze, du mein Schatz!
Er schuf die braunen Locken, welche Ziege
Um Ziege in dem Lenz mit Einem Satz
Am Gilad hüpfen und sich dann am Fuße
Des Berges lagern, Tochter du der Buße.
 
Er ist des Volks von Juda wahrer Vater,
Israeliten sind ihm seine Kinder.
Nicht Zeus, wie auf dem tragischen Theater,
Er ist des Heidentumes Überwinder,
Er ist der Gott der Götter und mein Rater
Und liebet mich und liebet dich nicht minder.
Und Salomo rief ihn dereinst in Rabba
Bußfertig flehentlich: Mein Abba! Abba!
 
Er heißet Rouah, Odem unsres Lebens,
So unsichtbar wie diese Nacht der Wind,
Doch redend, Antwort gebend unsres Strebens
Verlangen, wenn wir gnadendurstig sind.
Ein Luftgespinst ist alles und vergebens,
Was nicht geschieht in seiner Liebe lind
Und süßen Weisheit, welche unsrer Seele
Die Weihe gibt wie mit Propheten-Öle.
 
Und Memra nenn ich ihn, das Schöpfungswort,
Das Gott gesprochen, das aus Gottes Sinn
Und Gottes Herzen kam und welches dort
In Ewigkeiten war und her und hin
Ausging zu Gottes Kindern fort und fort
Und gibt ein Zeugnis und bezeugt: Ich bin
Das Wort des Lebens und das Leben selber. -
Doch sieh, der rote Mond wird immer gelber.
 
Der Mond wird gelb und blasser, wird versinken,
Heraufgehn wird die goldne Morgenröte.
Du laß uns, Liebe, von dem Lichte trinken
Und überfließen heilige Gebete!
Ich sehe der Marone Blätter winken,
Als ob sie von uns Abschied nehmen täte.
Komm, küss mich, Mariam! In Gottes Namen
Ist alles Liebe! lauter Ja und Amen!
 
Und eines Sommertages machten eine
Verlobungsfahrt Simon und Mariam.
Ihm schwebte wie ein Engel vor die Reine,
Die ihn bei ihren beiden Händen nahm.
Sie trug ein weißes Kleid so zart und feine
Als Ausdruck ihrer Reinheit lobesam.
Sie reisten an dem Jordan nordwärts da
Und kamen zu dem Felsen Gischala.
 
Und wieder stockte ihm des Herzens Schlag,
Als er in ihre grünen Augen sah
Und sah der Hoffnung grünen Freudentag
In ihren Augen, die ihm hold und nah
Erglänzten. O Zikaden von Ziklag,
Ihr wart so grün nicht wie auf Gischala
Die Augen Mariams, so grün! so blau!
Als lebe Eden in dem Aug der Frau!
 
Und da sie an dem Fuß des Felsen standen,
Da lagen sie einander in den Armen.
Vom See Semachonitis Enten landen,
Vom Mittelmeere fliegen Möwenschwarmen,
Und Hals des Schwans und Hals der Schwanin wanden
Sich als ein Gleichnis für des Herrn Erbarmen
Und hingegebne Liebe umeinander
Und schlängelten sich schlank wie der Mäander.
 
Als wär das Licht der Mondin weiß ergossen
Und spiegelte im See Semachonite
Ihr Bild, und wellenatmend wiederflossen
Die Wasser. Und es schwamm die weiße Blüte
Und ihr Ambrosia ward süß genossen
Von einer Biene. Goldne Sonne glühte
Und ihre goldnen Feuerzungen glommen
Auf grauem Fels, der war vom Licht umschwommen.
 
Denn da der Mann und seine Männin hold
Und lieb einander in den Armen lagen,
Da hat die Schöpfung der Tribut gezollt
Und offenbarte Lust, nicht auszusagen,
Der Sperling zwitschert, Taubengurren rollt
Und ersten Flug die grauen Küken wagen
Und Wolken fliegen vogelgleich gemeinsam,
Baum blüht bei Baum und niemand ist mehr einsam.
 
Sie standen oben auf dem steilen Felsen.
Mir scheint, ich kenne dich schon seit Äonen,
Wir lieben uns, seit sich die Sterne wälzen,
Seit Turteltauben in den Wipfeln wohnen
Und sich verflechten mit den Schillerhälsen,
Seit Blütentempel bilden die Maronen
Und seit in Eden blühte rot die Rose,
Wir waren alt, als Gott gerufen Mose.
 
Und Simon lächelte und sah vom Fels
Hinüber bis zum See Semachonithe.
Ich lieb dich ewig, Tochter Israels,
Bist mir am Lebensbaum die schönste Blüte.
Wenn ich mich auf dem Sterbelager wälz
(Auf daß ich eingeh in der Freiheit Friede),
Dann reiche mir der Liebe Öl und Brot.
Ich lieb dich, Mariam, bis an den Tod!
 
Dann gingen sie zurück den Weg zu Fuß,
Am Himmel blühte dunkelblauer Dämmer,
Am Wegesrande Hirten grüßten Gruß
Und trieben schweigend weiter ihre Lämmer.
Und Mariam gab Simon einen Kuß,
Da funkelte der Augen Blickgeflämmer,
Da Mariam und Simon süß sich küssten,
Wie Amoretten in den Rosen nisten.
 
Wohl dem, der eine gute Frau gefunden,
Der wird aufgrund der Freude länger leben.
Wer mit der Tugendvollen sich verbunden,
Dem wird das Herz vor süßer Wonne beben.
Das Leben wird ihm so wie Süßwein munden,
Wenn ihre Lebensfäden sich verweben.
Die fromme Frau ist Quelle froher Freude
Und baut geschickt ein wohnliches Gebäude.
 
Ein gutes Weib ist köstlicher als Seim,
Als Wabenhonig süßer, sagt die Lehre
Der Weisheit, welche Versmaß gibt und Reim,
Und sie erlangt, wer Jahwe gibt die Ehre.
Die Hütte baut sie um zum trauten Heim
Und Fülle ist fortan, wo vordem Leere
Gewesen, Chaos, Staub und Schmutz und Öde.
Und hindert nicht gemeinsame Gebete!
 
Des Weibes Anmut ist dem Manne Wonne
Und wohl dazu die weibliche Vernunft.
Ein Weib erbitte dir, wie in der Sonne
Nach frischem Wasser röhrt des Hirsches Brunft.
Siehst du die holde Hirtin an der Bronne,
So schaff ihr eine rechte Unterkunft,
Denn jene, die du magst so gerne sehen
Und hören, mehret all dein Wohlergehen.
 
Nichts Liebenswerteres auf Erden gibt es
Als eine Frau, die auf die Tugend hält.
Ein reines Mädchen - reiner Jüngling liebt es,
Sie ist die Sonne ihm in seiner Welt,
Er nennt sie Täubchen, Lilie, Vielgeliebtes
Und Stern der Jungfrau an dem Himmelszelt.
Ihr schönes Antlitz ist wie eine Kerze,
Die Beine Säulen aus des Goldes Erze.
 
Und Mariam nahm aus dem Bausch ein Steinchen
Und gab es Simon als ein Angedenken:
Draus baue eine Hütte für ein Kleinchen,
Du sollst es in die Fundamente senken,
Dann kommt der Segen über uns, daß Weinchen
Und Brötchen wird der Höchste immer schenken.
Und mög es, Simon, dir ein Zeichen sein,
Daß meine Liebe dauerhaft wie Stein.
 
Und Simon ging nach Kephar-Nachum, dort
Für seine Lieblingin ein Haus zu bauen.
Kpfernaum, so nannte man den Ort,
Darin war eine Zollstation zu schauen,
Da Sünder Zoll abpressten fort und fort,
Da sich Soldaten mit Soldaten hauen,
Da vor der Synagoge hockte Mefi
Der Bettler, bettelte beim Zöllner Levi.
 
Der Synagogenvorstand war Jair,
Der las geweihter Lippen aus der Thora.
Der Hauptmann der Kolonne lebte hier
Und betete am liebsten zur Aurora,
Sein Sklave war ein stets betrunknes Tier
Und hielt gar wenig vom Gebot: labora!
Jairus Tochter war die Mattana,
Bei Karmi war sie gern in Magdala.
 
Und Simons Hütte lag in einem Garten,
Johannesbrot und Terpentinpistazien
Und Maulbeerfeigenbäume, Pinien starrten
(Erhaben wie Venedigs Prokurazien)
Und die Olivenbäume Lenz erharrten
Und die Zypressen, Galiläas Grazien,
Ersehnten nur die wandelnde Zypresse:
Maid Mariam in ihrer braunen Blässe.
 
Von dir, o Gott, ich meine Braut erheisch,
Denn meine Liebe ist so fest wie Stein,
Ich liebe sie, die tugendsam und keusch
Und die an Geist, Gemüt und Seele rein
Und sittsam trägt ihr edles Jungfraunfleisch
Und deren Augen rein wie Mondenschein.
O komm, o komm, o Braut vom Libanon,
Du bis zum Tod geliebte Mariam!
 
Wir alle sind an Gottes Herzen Diebe,
Die wir ihn alle mannigfach betrübten,
Er aber gibt die Maid der schönen Liebe,
Die holde Anmut meiner Vielgeliebten.
Sie ist das Ende aller Eigenliebe
Und Inhalt meinen ehlichen Gelübden.
O komm, o komm, o Braut vom Libanon,
Du bis zum Tod geliebte Mariam!
 
Die holde Jungfrau ist Jehowahs Magd,
Die Braut der Weisheit, meines Lebens Wonne,
Sie ist die Tröstung mir, der ich geklagt,
Sie trocknet meine Tränen wie die Sonne,
Sie gab das Ja-Wort, als ich sie gefragt,
Und Freude quoll aus meines Herzens Bronne.
O komm, o komm, o Braut vom Libanon,
Du bis zum Tod geliebte Mariam!
 
Sie ähnelt einem schön geformten Krug,
Hingebungsvoll darin der rote Wein.
Sie gab sich hin, als ich um Liebe frug,
Hingabe war ihr ganzes Wesen rein.
Auch schön geformt ist ihres Busens Bug,
Die Lippen sind wie Rosenblüten fein.
O komm, o komm, o Braut vom Libanon,
Du bis zum Tod geliebte Mariam!
 
Sie ist in meinem Sinn die Makellose,
Der keinen Fleck an ihrem Herzen finde,
Sie ehrt von Herzen das Gesetz des Mose,
Verabscheut innig Übelsinn und Sünde.
O sie ist die geheimnisvolle Rose
Aus Glut und Purpur, ist der Liebe Linde.
O komm, o komm, o Braut vom Libanon,
Du bis zum Tod geliebte Mariam!
 
Geheimnisvolle Rose, glutgestaltet,
Und schlanker hoher Turm von Elfenbein,
Der mir in meinem Herzen nie veraltet,
Und nichts an ihr ist niedrig und gemein,
Vielmehr in ihr ein Geist der Hoheit waltet
Und alles glänzt an ihr von innerm Schein.
O komm, o komm,o Braut vom Libanon,
Du bis zum Tod geliebte Mariam!
 
Sie ist so edel wie ein goldnes Haus,
Darun die Balken Zedern und Zypressen.
Gott fegte das Unheilige hinaus,
Die sünde sei auf immerdar vergessen.
O Herz der Liebe! o ein Hochzeitsschmaus,
Da Manna wir und Trauben wir gegessen!
O komm, o komm, o Braut vom Libanon,
Du bis zum Tod geliebte Mariam!
 
Die Rose ist sie mir, der Morgenstern,
Verheißung mir der Gottesliebe Sonne.
In ihrem Licht hab ich die Sterne gern.
Wenn sie erscheint, ist Wein in meiner Tonne.
Ich nenne sie Gesegnete des Herrn,
Und Jungfrau voller Liebe, meine Wonne!
O komm, o komm, o Braut vom Libanon,
Du bis zum Tod geliebte Mariam!
 
 
DRITTER GESANG
 
Und Mirjam nahm zur Hand das Tamburin
Und sang prophetisch, und die andern Frauen
Mit Tänzen folgten ihr: Lobpreise Ihn,
O meine Seele, Ihm will ich vertrauen,
Der unsre Rettung ist, der uns verziehn,
Wir durften seine Wundertaten schauen,
Der half durch Blut und Tod, durch Hagelwetter
Und schlug die Feinde, unser Gott der Götter!
 
Zur Höhe deines Heiles wirst du führen,
Weil wir am Berge des Gebotes stehn.
Du wolltest dir ein heiliges Volk erküren,
Als Fels mit ihnen durch die Wüste gehn.
Du wirst sie nicht aus deiner Hand verlieren,
Für immer wird die Wolke vor uns wehn
Und Feuer reden in dem Dornenstrauch.
O Jahwe! Menschensohn! Hochheiliger Hauch!
 
Hochheiliger Messias! Sieh, ich leite
Dir deines Stammbaums Mütter singend her:
Die Dirne Rahab nannte man „die Breite“,
Doch ließ des Gottesvolkes Kundschafter
Nach Jericho sie ein. Man rühmt sie heute
Im Volke wegen ihres Glaubens sehr,
Weil sie ein Seil zum Zeichen nahm, das rot
Wie Blut war, zur Versöhnung Zebaoth.
 
Und einer war von Josuas Gesandten
Der Salmon, der bei Rahab ist geblieben,
Weil Herz, Gemüt und Seele ihm entbrannten
Vor Rahabs Schönheit, die er mußte lieben,
Und da die beiden sich sehr gut verstanden,
Ward Boas bald geboren, der geschrieben
Im Stammbaum des Messias. Doch es war
Zuvor geschwängert worden die Tamar.
 
Als Jakobs Segenserbe Juda ging
Nach Timna, setzte Tamar sich ans Tor,
Die sie sich Liebreiz in die Locken hing
Und barg sich unter schönen Schleiers Flor
Wie Huren taten. Juda aber fing
Zu schmeicheln an der losen Dirne Ohr
Und wie er war, so staubig von der Reise,
Tat er mit Tamar nach der Menschen Weise.
 
Die Leute aber wollten sie bezichten
Der Hurerei, da sie sich wölbte bald.
Der Sohn des Jakob wollte Tamar richten
Nach dem Gesetze, doch sie sagte: Halt,
O Juda, was ich sage, ist kein Dichten
Von Lüge: Vater bist du der Gestalt
In meinem schwangern Schoß, das sollst du wissen.
Und Perez hat ihr einen Riß gerissen.
 
Der Perez und der Boas sind genannt
Im Buche von der Moabiterin,
Die sich aus Moabs Heidenland gewandt
Als Schnur der Mara, ihrer Hüterin,
Nach Bethlehem in Gottes eignes Land,
Und ging als arme, arme Sammlerin
In Boas, des Verwandten, Gerstenfeld,
Und Boas war ihr Löser und ihr Held.
 
Als Boas müde in der Gerste lag
Und oben schien der Mond in blauer Nacht,
Kam Ruth geschlichen keusch und zart und zag
Und hat sich einen Ruheplatz gemacht
Zu ihres Lösers Füßen, der am Tag
So gut zu ihr gewesen, der nun sacht
Sie in der Nacht erhob mit frommem Sinn.
Und Mutter ward die Moabiterin.
 
Anständig aber ging es dabei vor
Und ohne Unzucht, ganz nach dem Gebot.
Doch Ruths Urenkel David sich verlor
An seine Wollust, welche schrlachrot
Ihn brannte, daß die Tugend ihm erfror,
Da schickte Uriam er in den Tod,
Um Uriams Gemahlin beizuwohnen,
Doch starb der Sohn, denn Gott wird Sünde lohnen.
 
Doch David und Bathseba taten Buß
Und weinend lagen sie in Sack und Asche,
Erbarmen flehend vor Jehowahs Fuß.
Jehowah wandte ihnen zu das rasche
Erbarmen. Und aus holdem Minnegruß
Geboren ward, daß er nach Winden hasche,
Der Fürst der Weisheit, Friedensfürst, der Liebe -
Verzweifeln ließ ihn Rebellion der Triebe.
 
Und Tamar, Rahab, Ruth, Bathseba: alle
Sie stehen in dem Stammbaum des Messias,
Die Töchter Evas, Fraun im Sündenfalle,
Geweiht durch das Erharren des Messias,
Der Weisheit, die sich baute eine Halle:
Die Demut und Holdseligkeit Marias,
Die immer sich bewahrte ihre Reinheit
Und unverletzten Hymens Blütenfeinheit.
 
Maria! heißt dein Name Bitterkeit,
So wie das bitter-bittre Wasser Mara
Und wie die Witwe in der Hungerszeit,
In Bethlehem Noomi hieß sich Mara?
Da du doch leiden mußtest solches Leid,
Stammutter eines Volkes, neue Sarah!
Maria, heißt dein Name, holder Traum,
Wie Marjam: Meerestropfen oder -schaum?
 
Und Miriam gebar den Menschensohn,
Der war vorzeiten lange prophezeit,
Er werde Jesses Sproß auf Davids Thron
Für immer sein, der Israel befreit.
Ich sing den Hohenpriester Simeon,
Vorschatten aus der Makkabäer-Zeit,
Der Jubel brachte in des Volkes Jammer,
Eherne Tafel priesen ihn als Hammer.
 
Wenn Simon durch den Vorhangsschleier trat,
So glänzte er so wie der Morgenglanz
Und wie der Mond auf einen Gartenpfad
Herniederglänzte, wenn er voll und ganz,
Und wie die Sonne schlug ihr goldnes Rad
Und sprühte ihren Feuerzungen-Kranz
Und wie mit Farben schön der Regenbogen
Ist durch den Wolkenschleier aufgezogen.
 
Er war wie eine Frühlingsrosenblüte
Und wie die Lilie weiß an einem Fluß,
Wie goldne Ähre in des Ackers Krume,
Wie eine grüne Wiese an dem Fuß
Des Libanon, wie an dem Heiligtume
Der Weihrauch aufsteigt als Gebet der Buß
Und wie ein Kelch von Gold und Edelsteinen
Und wie Zypressen, welche Tränen weinen.
 
Und allem Volk von Juda war sehr bange,
Vor Schrecken und vor Furcht befiel sie Zittern,
Weil in das Land gekommen war die Schlange
Von Syrien mit ihren Heidenrittern.
Doch Simon kam in heiligem Überschwange
Nach Zion, alle Bösen zu erbittern
Und alle Guten zu versammeln und
Zu trösten mit dem Wort aus seinem Mund.
 
O Juda! nicht will ich in dieser trüben
Schrecklichen Zeit mein eignes Leben schonen,
Ich will mit Wort und Werken Juda lieben
Und in dem Zelt der Tochter Zion wohnen,
Ich will mich in dem Tanz des Schwertes üben
Und deinen Feinden all ihr Böses lohnen,
Ich will dich retten, Scharons schöne Blume,
Und Rettung bringen deinem Heiligtume.
 
Der Syrer Tryphon wollte kämpfen gegen
Judäa, und er zog mit Reiterei
Herbei, da fiel von Schnee ein dichter Regen
Und wehrte Tryphons Reiterei. Doch bei
Baskana brachte er auf Gilads Wegen
Den Bruder Simons um; des Leibes frei
Erharrte Jonatan das Auferstehn
Am Jüngsten Tage, seinen Gott zu sehn.
 
Ein Denkmal baute Simon aus den Steinen
Von Modehin und sieben Pyramiden.
Die Klageweiber um den Helden weinen
Und flehn zu Gott für seiner Seele Frieden.
Und Simon holte Bäume aus den Hainen,
Mit einem Hain das Denkmal zu umfrieden.
Da ward das Denkmal Jonatans zum Zeichen,
Das sollte übers Meer hin Rom erreichen.
 
Und Simon kämpfte als ein tapfrer Held,
Judäa von den Heiden zu befreien.
Und wenn der Schreiber schrieb in Zions Zelt,
So zählte er vom Tag der Tempelweihen
Und von dem Jahre Simons an die Welt.
Die Tochter Juda tanzte Ringelreihen
Und sang: Geschlagen hat der Bosheit Biester
Der Hammer Simon, unser Hoherpriester!
 
Mit Palmenzweigen und mit Lobgesängen
Zur Gittit zog man nach Jerusalem.
Die Frauen an das Stadttor Zweige hängen
Und Lobpreis schrein die Steine und der Lehm.
Und Zion pries zu goldnen Harfenklängen
Den Frieden, den ihr Simon angenehm
Gebracht als wie vom Himmel her das Manna.
Und alle Männer riefen: Hosianna!
 
Und Frieden hatten Weiden, Wiesen, Felder
Und Gerste stand und Weizen reich in Ähren,
Voll von Granaten waren alle Wälder
Und Lämmer hatten Ruhe vor den Bären,
Das rote Blut der Traube ward je älter
Je besser, tausende Olivenbeeren
Im Ölbaum hingen und zehntausend Feigen
Und Datteln wollten ihre Süße zeigen.
 
Und Juda war im Herzen voller Dank
Und sagte einem jüdischen Poeten,
Er solle malen schöne Lettern schlank,
Daß Simons Taten nicht im Nichts verwehten,
Da schrieb der Dichter frommes Reimgerank:
Preis ihm, der bis zum Tage des Propheten
Soll unser Fürst und Hoherpriester sein,
Bis der Messias kommt, der Zions Stein!
 
Und Simon ward geladen auf ein Mahl
Und war beim Brot und Weine mit den Seinen.
Doch da kam Ptolemäus mit dem Stahl,
Der mit den Bösen wollte sich vereinen,
Und brachte Simon um. Im Speisesaal
Der Boden war gerötet von den Weinen.
So war das Ende Simons, durch Verrat.
Ruhm sei dem Hammer Gottes stark und grad!
 
Und Simon, Jonas Sohn, war in dem Boot
Am Kinnereth beim Boot des Zebäiden
Johannes, der im schlichten Mantel rot
Im frischen Morgen stand, das Herz voll Frieden,
In seinem Geiste dacht er ans Gebot
Der Liebe zu den Bettlern, Invaliden,
Aussatzbefallnen, Witwen, Waisen, allen
Mitmenschen: das fand Gottes Wohlgefallen.
 
O Simon! viele zeigen Jahwe Haß,
Obwohl er seine Liebe doch erwiesen.
Ach unsres Volkes Sünden sind so kraß
Und Übertretungen wie Gräser sprießen,
Doch Liebe will vergeben alles das.
Jehowah will der Sion Kuß genießen,
Die ihn in ihrer Brautzeit einst geliebt,
Doch daraufhin den Höchsten hoch betrübt.
 
Ach, keiner liebt mehr, keiner ist mehr treu,
Doch wollen durch die Opfer sie gefallen.
Doch Jahwe spricht, daß ihn nichts mehr erfreu,
Allein an Liebe hat er Wohlgefallen.
Daß mir mein Geist an Gott gebunden sei
Durch Liebesseile, bete ich mit allen
Gerechten, die die Worte Gottes halten.
Lob sei dem Herrn der Mächte und Gewalten!
 
Wir sollen Gott von ganzem Herzen lieben,
So sagt es das Gesetz des heiligen Mose.
Mitmenschen sollen wir desgleichen lieben,
Dem Bettler reichen unsres Herzens Rose.
Dann werden wir Jehowah nicht betrüben
Und Tochter Juda wird als Makellose
Aus ihrem Schoß den Menschensohn gebären.
Wohl allen, die Jehowah ernstlich ehren!
 
Jehowah liebt der Tochter Zion Pforten.
Weil sie ihn liebt, drum will er sie erretten,
Weil sie gehorsam ist des Höchsten Worten
Und spricht Gebet zu ihm an allen Stätten,
Demütig sich ergebend allerorten,
Spricht Ja zu Jahwe sie, wenn auch in Ketten
Des Daseins in dem Jammertal der Tränen,
Ist nur Jehowah ihrer Seele Sehnen.
 
Er wird sie lösen, weil er je und je
Sie schon geliebt hat vor Beginn der Zeit.
Ja, ich bezeuge hier an diesem See,
Daß Jahwe liebhat seine fromme Maid,
Die Tochter Zion, die so weiß wie Schnee
Und blutrot wie Korallen durch das Leid,
Und sie liebt ihren Gott, den Ich-bin-da,
Und das ist allerschönste Weisheit ja.
 
Da naht der Herr! und schwarze Amseln blicken
Mit schwarzem Onyx ihrer Augen hin,
Blaugrüne Meisen mit den Köpfen nicken
Und hoffen mehr als eines Wurms Gewinn.
Und Amsel singt und Meise zum Entzücken
Und singen hochauf ihrer Sehnsucht Sinn.
Die ganze Schöpfung jubelt: Maranatha!
Der Meuster kommt, der Gott der Immaculata!
 
Und aus der Erde kriecht der Regenwurm
Und plötzlich wird der blinde Maulwurf sehend.
Mit tiefer Inbrunst rauscht herbei ein Sturm
Durch breite Maulbeerfeigenbäume wehend,
Die stehen stolz und stark als Turm an Turm,
Doch nicht so schön wie Jesu Schönheit stehend.
Die ganze Schöpfung jubelt: Maranatha!
Der Meister kommt, der Gott der Immaculata!
 
Und lieblicher als Maulbeerfeigenbaum
Im Lichte leuchtet auf der Liebe Linde,
Um ihrer Blüten duftgeweihten Schaum
Die Honigbienen summen, süß wie Sünde,
Sie summen einen Sang wie goldnen Traum,
Die Honighymnen geben kund die Winde.
Die ganze Schöpfung jubelt: Maranatha!
Der Meister kommt, der Gott der Immaculata!
 
Die Bäume, welche Mütter der Maronen,
Die blühen somaschimmernde Pagoden,
In denen blaugekränzt Zephyre wohnen,
Die singen zu der Falter Psalter Oden
Und legen nieder ihre blauen Kronen
Vor Ihm, dem Herrn der Lebenden und Toten.
Die ganze Schöpfung jubelt: Maranatha!
Der Meister kommt, der Gott der Immaculata!
 
Die Silberfische in dem Silbersee
Die Flossen falten fromm mit Aussatz-Schuppen
Und schwimmen in dem See von Galilee
Und harren auf die Boote aus den Schuppen,
Auf daß mit einem Boote, weiß wie Schnee,
Er käm und fäng sie mit den Fingerkuppen.
Die ganze Schöpfung jubelt: Maranatha!
Der Meister kommt, der Gott der Immaculata!
 
Die Kapernbüsche spreizen ihre Dornen,
Die Malven duften süß in Magdala.
Die Spatzen schwatzen an den Quellenbornen,
Der Milan kreist am Felsen Gischala.
Verschämte Rosen schauen den Erkornen
Und weihn ihm Nektar und Ambrosia.
Die ganze Schöpfung jubelt: Maranata!
Der Meister kommt, der Gott der Immaculata!
 
Narzissen, Nelken, Anemonen, Lilien,
Sie alle blühn dem Herrlichen entgegen,
Und im Gewand der Lilienfamilien
Die Wiesen lächeln an den Wanderwegen
Mit smaragdgrünem Gras, das in Vigilien
Den Tau getrunken und den Balsamregen.
Die ganze Schöpfung jubelt: Maranatha!
Der Meister kommt, der Gott der Immaculata!
 
Das Einhorn kommt, die Hindin kommt gesprungen,
Um sich an des Messias Hand zu schmiegen.
Die Tauben girren, Nachtigallenzungen
Lobpreisen, Lerchen singen auf den Flügen.
Die Mutterschafe kommen mit den Jungen
Und Buße tat der Bock mit seinen Ziegen.
Die ganze Schöpfung jubelt: Maranatha!
Der Meister kommt, der Gott der Immaculata!
 
Des Meisters Haar fließt hin wie eine Wolke,
Am Berge seines Hauptes niederhangend.
Idol aus Lapislazuli dem Volke,
Ziehn Adern durch die Jadehaut, und prangend
Wie zwei Saphire oder reine Kolke
Die Augen, seine Blicke alles fangend,
Die braunen Wimpern so wie Palmen wippen
Und Rosenblütenmeere seine Lippen.
 
Die Augen sind in Milch getauchte Mandeln,
Die Nase wie ein Türmchen von Beirut,
Die Hände so wie Moses Hände handeln,
Als er geteilt des Roten Meeres Flut.
Die Beine sind wie Säulen, welche wandeln,
Zu seinen Füßen ruhte gerne Ruth,
Die Schultern sind wie Schultern von Delphinen,
Bestimmt zu tragen und bestimmt zu dienen.
 
Und seine Seele! Lobpreis seiner Seele,
In seiner Seele war die ganze Liebe
Jehowahs, der ihn salbte mit dem Öle
Des Geistes! Wenn die Seele ich beschriebe,
Daß ich dann seine Reinheit nicht verhehle
(Daß auch mein Lied in lauterer Reinheit bliebe)!
Und Wahrheit, Klarheit, Weisheit, Frömmigkeit
War sein und Demut und Barmherzigkeit!
 
Und Simon fiel zu seinen Füßen nieder:
O Herr, geh weg von mir, ich bin ein Sünder!
Doch Jesus sprach, und so wie Liebeslieder
Sprach er, der war der wahren Liebe Künder:
Seht, Gott erbarmt sich seines Volkes wieder,
Daß Kreaturen werden seine Kinder.
Du bist ein Fischer, werde Menschenfänger
Und folg dem Meister aller Psalmensänger!
 
Er sprach Ein Wort, da ward das Herz gesund
Dem Menschen Simon, und er sagte: Ja,
Dir widm ich Herz und Hände, Ohr und Mund,
Weil mir erschienen ist der Ich-bin-da,
Drum bin ich jetzt an meiner Seele wund
Vor Liebe! Weiß ich denn, wie mir geschah?
O meine Seligkeit ist meine Pein! -
Und Jesus sprach: Du heißest fortan „Stein“!
 
Ich bin der Fels, und du sei mir ein Stein,
Sei du der Treue Festigkeit und Dauer.
Aus diesem Felsen sprudeln wird der Wein,
Wird er herabgerissen wie die Mauer
Jerusalems, dann wird in Zion sein
Ein Schrein, die Steine schreien lauter Trauer,
Doch wird vom Grab ein Stein hinweggeschoben,
Daß eine Stadt von Steinen werde oben!
 
Zwölf Steine nehm ich aus dem Jordanstrom
Und bau aus Steinen einen Sühnaltar,
Ich salb den Stein mit Tragakant-Arom
Und Myrrhe, Aloe und Narde gar.
Ja, nieder einen Stein leg ich in Rom
Und mache meine Werke offenbar.
An diesem Steine stoßen sich die Laurer,
Verwerfen werden diesen Stein die Maurer.
 
Von Menschenhand ward nicht bewegt der Stein
Und rollte von dem Berge doch herab,
So muß der Menschensohn geboren sein
Von einer Jungfrau, und muß aus dem Grab
Erneut geboren werden hold und rein,
Auf daß er gebe einen Hirtenstab
Dem Menschen, den er sieht aus Buße weinen,
Ich mache ihn zum Stein vor allen Steinen.
 
Da sieh den weißen Stein bei den Zyklamen:
Ich bin der wahre weiße Stein, der lebt,
Und du, o Stein, du trage meinen Namen.
Sieh, wenn der Fels vor Zions Mauer bebt,
Dann weinen alle Weiber, die da kamen,
Weil Blut dann am lebendigen Steine klebt.
Folg du mir nach, den steinigen Pfad empor
Der Leiden, bis du stehst am Himmelstor!
 
 
VIERTER GESANG
 
O Muse, sing die schöne Sünderin,
Die tanzte mit gelockter brauner Mähne,
Die zog des Mannes Sinne an und Sinn,
Mit Wollust noch in der gelockten Strähne,
Die fiel ihr an der braunen Wange hin,
Bis auf die Brust. Maria Magdalene
War aufgeglüht in roter Wollust Schauer
Und hatte in der Seele tiefe Trauer.
 
O woher kam die Mischung toller Lüste
Mit einer abgrundtiefen Traurigkeit?
Und wenn sie mit dem Dattelmunde küsste,
Dann schreckte sie des Todes Ewigkeit,
Und wenn ihr bebten ihre Granatbrüste,
Dann zagte sie vor dem Vergehn der Zeit,
Und hoben sich die Brüste voller Sehnen,
Dann tropften auf die Brüste heiße Tränen.
 
Sie war wie eine Pantherin von Kusch
Und wie in Mizraim die schwarze Katze,
Sie war die Tigerin im feuchten Busch
Am Indus, da sie mit der scharfen Tatze
Den Rehbock in dem roten Blute wusch,
Und sprang von Indostan mit einem Satze
Zum Tigris und besah sich in der Welle,
Zu reißen den Gefährten der Gazelle.
 
Sie war wie eine purpurne Granate
Und süß wie eine braune Dattelfeige,
Sie wäre Göttin im Chaldäer-Staate,
Mann streute ihrem Tanze Myrtenzweige,
Mit Eva ging in Eden sie zu Rate
Und biß in eines prallen Apfels weiche
Goldrote Wange, aller Sünder Traum
Ist nackend aufgetaucht sie aus dem Schaum.
 
Sie badete die Glieder oft in Myrrhe
Und duftete wie Aloe-Essenz.
Wie die Oase war sie in der Dürre,
Der Wüste Wandervision vom Lenz.
Ihr Blicken machte arme Sünder irre
(Sie blickte wie die Venus von Florenz)
Und dennoch war in ihrem Blick ein Wesen,
Das sprach: Ich kann nicht an der Lust genesen.
 
Die Männer sahn das nicht und wollten grüßen
Die minnige Maria Magdalee
Und wollten liegen nur zu ihren Füßen
Und küssen düftereicher Füße Schnee
Und sich erheben an dem wundersüßen
Leib mit der Grazie des schlanken Reh
Hinauf bis zu den runden Brüsten und
Dem zuckersüßen Dattelfeigenmund.
 
Alleine aber in verschlossner Kammer
Ergab sie sich den bitterlichsten Tränen.
Ihr Herze pochte wie ein Donnerhammer,
Blut strömte glühend um in ihren Venen,
In ihrem Munde war das Lied vom Jammer
Und ohne Hoffnung ihrer Seele Sehnen,
Und da die Atemstöße hastig jagen,
Entringt sich ihrer Brust ein lautes Klagen.
 
Da schlägt sie mit den Händen sich die Brüste
Und rauft die Haare sich mit ihren Händen
Und prophezeit Gericht für ihre Lüste
Und flucht und flucht den Schlangen ihrer Lenden,
Ihr ist, als ob sie Satans Engel küsste,
Und weiß nicht, wohin soll sie sich noch wenden
Und wo ist Rettung aus der ungeheuern
Wollust und Elend und des Todes Feuern?
 
In jenem Augenblick klopft an die Pforte
Der Meister und er hat nur Ein Begehr:
Du kehre um und wend dich zu dem Worte
Der Liebe um! Wer sprach es aber, wer?
Die Liebe selber war an jenem Orte,
Mächtiger wogend als das Mittelmeer
Und aus des Herzens ungeteilter Einheit
Gebietend in Marias Seele Reinheit.
 
Da jagten aus der Hütte die Dämonen
Und stürzten sich in brünstige Eselsstuten.
An diesem Ort soll wahre Liebe wohnen
Und sich ergeben allem wahrhaft Guten.
Und sei bereit, zu tragen Dornenkronen
Und an der wahren Liebe zu verbluten,
Sprach der Messias Magdalee zum Gruße,
Als sie geweint die Tränen ihrer Buße.
 
Die Wollust trieb dich in der Sünde Pfuhl
Und brannte im Gemüte dir als Glut,
Da hetzte dich ins Elend Beelzebul,
Ich trieb ihn aus, und nun ist alles gut
Und du wirst thronen auf der Minne Stuhl
Und dir wird wogen der Gebete Flut
Ans Herz, das ist erfüllt von wahrer Wonne,
Weil du den Fuß geküsste der Gottessonne.
 
Und in der Zwischenzeit in Nazareth
Die Mutter Gottes wandelt in der Nacht,
Die Seele ist ein blühendes Gebet,
In dem sie um den Sohn des Vaters wacht.
Der keusche kühle Wind von Osten weht
Und küsst den Goldsaum ihres Schleiers sacht
Und schiebt den Schleier liebevoll zur Seit
Und blickt ins Aug der Mutter und der Maid.
 
Woher der Augen innig stilles Leid?
Weiß ihre Mutterseele von des Schwerts
Verheißung, da sie geht im dunklen Kleid?
Durchbohren wird ihr Herz, ihr weiches Herz
Der Schmerz, weil Jesus wandelt in der Zeit
Und muß erleiden aller Zeiten Schmerz,
Er tragen muß die Krankheit aller Kranken
Und aller zwiegespaltnen Seelen Schwanken.
 
O welche Unermeßlichkeit von Elend
In Menschenseelen, die entzweigerissen!
Und Gottes Hauch, sie inniglich beseelend,
Verdunkelt und von Fleischeslust zerschlissen.
Die andern Seelen, hohe Hoffnung wählend,
Mit letztem Atem liegen in den Kissen
Und dämmern in die Nacht mit krankem Fieber.
O nahe, o mein Heiland, o Viellieber!
 
Und Mariam Bath-Nachams Mutter lag
Mit einem Fieber, ihrem Tode nah,
Im veilchenfarbnen Kissen, Tag um Tag
Den Tod erwartend. Simon Petrus sah
Der Greisin faltiges Gesicht so zag,
An der ein Unergründliches geschah,
Daß sie so hoffnungsloser Hoffnung sterben
Wollte den Tod, den gnadenreichen, herben.
 
Wenn sie vom Lager aufstand in der Frühe,
Erfasste sie des Schwindels Reigentanz
Und wirbelte sie in den Armen, Mühe
Und Mattheit lagen in der Augen Glanz.
O daß sie an dem Baum des Lebens blühe
Und trage einen weißen Blütenkranz,
Erhoffte sie, doch sie verzagte gleich,
Daß sie herunter müss ins Totenreich.
 
Nie mehr wird sie Rosinenkuchen backen
Und Ziegen melken in dem Reich der Schatten.
Doch wird zuende sein der Mühsal Placken
Und ruhn wird sie auf Asphodelenmatten.
Weh! kommen Raben, Augen auszuhacken,
Und nahen, Ohren abzunagen, Ratten?
Wie wird der Seele, jener weißen Taube,
Sobald der Leib geht heim zum alten Staube?
 
Zu Staub zerfällt des Leibes Mark und Bein,
Der Staub wird im Schirokko bald verwehen.
Doch ihrer Seele weißer Freudenwein,
Wer wird in diesen Kelch sich spiegeln sehen?
Wo wird der Odem ihres Lebens sein?
Der Körper wird am Jüngsten Tag erstehen,
Das war gewiß; doch was sonst weiß man mehr?
Ihr schwindelte erneut. - Da kam der Herr.
 
Wie, Petrus, bist du denn ein Feigenbaum,
In dessen Wipfel find ich keine Frucht?
Siehst diese liegen an des Todes Saum
Und wandeln halb schon an der Lethe Bucht,
Das Herz erfüllt von einem bangen Traum,
Und hast nicht Zuflucht im Gebet gesucht?
- O Herr, ich betete, es wirkte nicht!
> - So siehe zu, es kommt des Lebens Licht! <
 
Der Herr las wie in einem offnen Buch
In der Naomi müdem Angesicht.
Er trocknete die Stirn mit einem Tuch
Und blickte in das klare Augenlicht.
Da fluchte er dem Tod und Teufel Fluch
Und rief dem Tod: Es kommt bald dein Gericht
Und ist schon da! dies ist des Lebens Stunde!
Und küsste ihr die Stirn mit seinem Munde.
 
Naomi lächelte wie traumumflort,
Als sähe sie der Liebe Paradiese,
Als sähe sie des Vaters Kinderhort,
Den Lebensbaum, die Lilien auf der Wiese,
Und hörte Engel singen fort und fort
Von einem Lamme wie im Purpur-Vliese,
Als sähe Himmel sie, kristallne Wogen
Und einen Thron, umkränzt von Regenbogen.
 
Da sprach der Herr sie an: Ich kenne dich,
Naomi, steh du auf, denn du sollst leben!
Da blühte ihre Seele minniglich,
Sie wollte sich in Jesu Mantel weben.
Und Mariam sah ihre Mutter sich
Und Petrus seine Schwieger sich erheben,
Da stand sie in des Lebens Frische wieder
Und sank sogleich zu Christi Füßen nieder.
 
Der Meister sprach: Bereite mir ein Essen,
Ich will mit Petrus und mit Mariam
Und dir, Naomi, von dem Manna essen.-
Du bist von Gott gesandt, du sanftes Lamm,
Dein Antlitz werd ich nimmermehr vergessen
Und dich Erwecker nennen lobesam,
Durch dich bin ich, die war dem Tod erkoren,
Durch dich, o Herr, ein zweites Mal geboren!
 
Und Jesus ging mit Simon Petrus und
Jakobus und Johannes Zebedäus
(Johannes mit dem gottgeküssten Mund),
Zelote Simon und Bartholomäus
Und Thomas (oft von bösen Zweifeln wund),
Andreas und Phillipus und Taddäus,
Matthäus und Jakobus manchen Meter
Nach Cäsarea und mit dem Verräter.
 
We sagen denn die Leute daß ich bin?
Der Sohn der nazarenischen Maria
(Sei Lob und Preis der Gottesdienerin),
Wiedergeburt des Sehers Jeremia
Und so zum Schmerz berufen immerhin,
Das uns verheißne Kommen des Elia.
Wer bin ich euch denn? frug der Sohn Marias
Und Gottes. - Gottes heiliger Messias!
 
Gesalbter Priester und gesalbter König
Der Juden bist du und der Völker Retter!
Die Toren wissen weniger als wenig,
Die dich nicht kennen, wissen auch nicht Wetter
Zu prophezeien, aber wie du gnädig
Zu uns gesandt bist von dem Gott der Götter,
Das sehn sie nicht! sprach voller Überschwang
Gottselig Petrus und sang Lobgesang:
 
O höre, Israel, Gott hat geweiht
Auf Zion seinen König, seinen Sohn,
Er wird ihn zeugen aus dem schwarzen Leid
Der Nichtigkeit und rufen auf den Thron,
Die Enden aller Erde weit und breit
Gibt er ihm, seiner Folgsamkeit zum Lohn.
Er wird die Völker weiden mit dem Stabe,
Sein Wort ist süßer als die Honigwabe.
 
Wer ist der Mensch, wer ist der Menschensohn,
O Jahwe, daß du ihn so hoch geehrt?
Steht über ihm doch nur des Höchsten Thron,
Der sich dem Menschen gnädig zugekehrt.
Er gab ihm Vollmacht, Macht und Herrschaft schon
In dieser Zeit, die oft so sinnentleert,
Gabst ihm zur Krone Herrlichkeit und Pracht
Und hast zum Weltenherrscher ihn gemacht.
 
Und doch ist er kein Mensch, ist er ein Wurm,
Ein Spott der Leute in der letzten Stunde,
Wenn um ihn tobt der Drachen Feuersturm
Und kläffend ihn umdringen wilde Hunde
Und er zerbrochen wird wie Davids Turm,
Wenn seine Mutter sehn muß seine Wunde,
In deren Schoß der Höchste ihn gezeugt,
Die ihn mit ihrer Mutterbrust gesäugt.
 
Erheb dein Haupt, du Zions schönes Tor,
Erheb dein Haupt, ehrwürdig alte Pforte,
Denn den sein Volk geschlagen mit dem Rohr
Und den es marterte mit schlimmem Torte,
Der zieht herein, umjauchzt vom Jubelchor,
Da Seraphim lobsingen süßer Worte:
Es gibt die Auferstehung aus dem Tod,
Es lebt der Herr der Scharen, Zebaoth!
 
Heraufgeholt aus des Verderbens Pfuhl
Ward er, heraufgeholt aus Schlick und Schlamm,
Die Wahrheit thront auf einem Felsenstuhl,
Ja auf dem Zionsberg steht hoch das Lamm,
Das richten wird mit Feuer Beelzebul,
Daß Tod und Sünde ewig in der Flamm
Vergehen und bestehn im Qualen-Qualm!
Sieh, alles dieses singt der Davidspsalm.
 
O schöner als die andern Menschensöhne,
Auf deine Lippen Anmut ausgegossen,
Gesegnet ewig mit vollkommner Schöne,
Von Gloria und Herrlichkeit umflossen
Bist du, o Herr und Meister! O versöhne
Die mit Gottlosigkeit den Pakt geschlossen,
Versöhn sie durch das Wort aus deinem Mund
Und schließe einen neuen, ewigen Bund!
 
Du liebst Gerechtigkeit mit deiner Seele
Und hassest angrundtief Gottlosigkeit,
Du hassest Sünde und des Sünders Fehle
Und leidest darum an der Seele Leid.
Gerechter du, gesalbt mit Freudenöle,
O Gott, durch deinen Gott in Ewigkeit,
Gesalbt mit Myrrhe, Zimt und Aloe -
O mach die Scharlachbraut so weiß wie Schnee!
 
O wußte Petrus, daß er als Prophet
Die Wege des Messias wahrgesagt?
Das hat der Geist des Herrn, der säuselnd weht,
Ihm offenbart, und nicht ein Zweifel nagt
An ihm, da er gebetet dies Gebet.
Und Jesus Christus seine Jünger fragt:
Glaubt ihr das auch, daß ich der Christus bin?
Sie glaubten ihm, als ihres Lebens Sinn.
 
Glückselig seid ihr, habt ihr solchen Glauben,
Glückselig Petrus, daß er dies bezeugt.
Ihr werdet schneeweiß sein wie reine Tauben,
Glaubt ihr ans Lamm, das vor dem Schlachter schweigt.
Ihr werdet speisen Himmelsbrot und Trauben,
Wenn sich die volle Herrlichkeit euch zeigt,
Wenn ihr gelangt ans Ziel des Glaubens seid,
Der Seelen ewige Glückseligkeit!
 
Sieh, Petrus, jeder Mensch vermag sein Herz
Vor göttlicher Barmherzig zu schließen
Und vor dem Bruder, hart wie Stein und Erz,
So wird er Gottes Liebe nicht genießen.
Er wird sein Herz verschließen sich zum Schmerz,
Das Blut wird ihm zum eignen Elend fließen,
Dann ist sein Herz ihm alles Übels Born
Und über seinem Herzen lastet Gottes Zorn.
 
Doch Gott besitzt den Schlüssel zu den Herzen,
Vermag das Herz zur Liebe aufzutun.
Dann zieht die Liebe ein, um auszumerzen
Gottlosigkeit mit ihrem bösen Tun.
Doch kann man Gottes Liebe auch verscherzen,
Wenn man in seiner Sünde will beruhn
Und fleht nicht, daß Vergebungsströme fließen.
Weh! wollte Gott sein Herz im Zorn verschließen!
 
Denn Lob sei Gott, der alle Schlüssel hat,
Den Himmel aufzutun und alle Schleusen
Und alle Fenster seiner Wolkenstadt,
Den Regenströmen ihren Weg zu weisen,
Ja wenn die Wolke prall, der Wasser satt,
Dann kommt der Segen aus der Wolkenfrau,
Wie aus dem Schoß der Morgenröte Tau.
 
So hat der Herr den Schlüssel auch zur Mühle,
In der gemahlen ward das Himmelsbrot,
Das Engel speisen in der Abendkühle
Des Sabbat, Sonntags früh im Morgenrot,
Und das gesandt der Herr vom Stuhl der Stühle
Als Manna Israel in seine Not.
Ich bin das Manna, bin das Brot des Lebens,
Mein Fleisch ißt, wer da glaubet, nicht vergebens.
 
Den Schlüssel Davids halt ich in den Händen,
Weil man mich nennt verheißnen Davidssproß.
Ich kann die hohen Flügelpforten wenden
Und einziehn mit des Herrn der Scharen Troß.
Denn den Messias Israels zu senden
Aus Jesses Reis den Vater nicht verdroß,
Vielmehr gab er ihm aller Herrschaft Macht,
Für die Prophete David oft gewacht.
 
Ein Schloß nur ist zum Haus, ein Schlüssel nur
Zum messianischen Palast, der offen
Für jede Seele, jede Kreatur,
Die zu dem Davidssproß gewandt ihr Hoffen.
Denn ihm entgegen seufzte die Natur,
Von seinem Segen Sinas Himmels troffen.
Und schließt er zu, tut niemand auf. Doch tut
Er auf, ist an der Pforte Lammesblut.
 
Ich hab den Schlüssel auch zum Totenreich,
Ich habe sie dem Tode abgenommen
Durch jene Tat, die ich für euch tu gleich.
Und alle, die in Charons Nachen schwommen
In die Gefilde blauer Schatten weich
Und Lethe tranken und am Styx erglommen,
Die werden alle einst vor das Gericht
Gerufen und durchforscht vom Wahrheitslicht.
 
Ich habe auch den Schlüssel zu der Hölle,
Und wehe dem, dem aufgetan die Pforte,
Der sinket in des Feuermeeres Welle
Hinab zu Qual und ewiglichem Torte,
Wo er gesperrt in die Gefängniszelle
Mit Ratten und mit andern solcher Sorte,
Wo sich bespeien Isebel und Dathan
Und alle Lästerer. O Fluch dem Satan!
 
Ich habe auch die Schlüssel zu dem Bronnen
Des Abgrunds, Aufenthaltes der Dämonen,
Da sie zu Qual und Peinigung zerronnen,
Wo sie mit Satan in dem Feuer wohnen,
Der meinte freventlich, es sei gewonnen
Sein Kampf, er könnt auf Gottes Thronstuhl thronen.
Nach tausend Jahren kommt er frei, in Flammen
Werd ich ihn schließlich ewiglich verdammen!
 
Die Schriftgelehrten meinen nun, sie hätten
Zur Weisheit und Erkenntnis alle Schlüssel,
Doch wollen sie die Elenden nicht retten.
Gewoben von dem Fleiß der Bienenrüssel
Die Kerze brennt für mich, der aus den Ketten
Der Sündenschuld befreit, der in der Schüssel
Als Manna liegt, als Speise ohne Makel,
Als fleischgewordnes Wort im Tabernakel.
 
Ich bin gekommen nicht das Volk zu richten,
Ich bin gekommen um das Volk zu retten.
Ist eitel auch ihr Trachten und ihr Dichten
Und wühlen sie sich in der Wollust Betten,
Seh ich doch ihre Rettung in Gesichten
Und Lösung aus der Bindung ihrer Ketten.
Und die Erlösung sollst du allen künden,
Mein Petrus, viele mit dem Herrn verbinden.
 
Mein Freund, den Schlüssel zu dem Himmelreich
Nun dir und Macht zu binden und zu lösen.
Vergebe einem seine Schuld und gleich
Ist er befreit von seines Herzens Bösen.
Doch den du nicht hereinläßt in das Reich,
Muß draußen bleiben. Aber Gottes Wesen
Und seines Sohnes ist Barmherzigkeit.
Du bist mein Schlüsselträger in der Zeit.
 
 
FÜNFTER GESANG
 
O Petrus! ich gedenke jener Nacht,
Da du, o mein Patron, zu mir geredet
Und ich nicht nüchtern war und nicht gewacht
Und nicht Magie und Zauberei getötet
Und hatte nicht auf die Gebote acht
Und doch das Paternoster stets gebetet
Und stets gefleht zu Christus an dem Kreuze -
Versucht hat mich der Tod mit seinem Reize -
 
Da sprachest du: Mein Sohn, noch leb ein wenig!
Doch Jahre waren mir zu große Zahl,
Ich wollte sein in Eden bei dem König
Und nicht mehr in der Tränen Jammertal.
Du betetest für mich, der Herr war gnädig
Und schlug mir aus der Hand des Todes Stahl.
Ein zweites Mal geboren in das Leben,
Will ich dir die Legende dichtend weben.
 
Nun will ich singen von der heiligen Sippe,
Die stammte ab von Emerentia
Susanna, die vor einer Grotte Klippe
Gebar die liebliche Esmeria,
Die saugte an der Brust mit süßer Lippe
Und ward ein Mädchen und ward schön und da
Sprach sie mit Ephraim ein Bittgebet
Und auf die Erde kam Elisabeth.
 
Das tugendhafte Weib Elisabeth
Vermählt ward mit dem Priester Zacharias,
Sie haben lang um einen Sohn gefleht
Und lamentierten wie einst Jeremias,
Der Weherufe jammernde Prophet,
Und Gott war gnädig und der Geist Elias
Erschien im Prediger Johannes, Täufer,
Der pries den Herrn als Lamm und Schuld-Loskäufer.
 
Susanna Emerentia gebar
Die zweite Tochter, Gottes Freundin Anna,
Die anvertraut dem Mann Joachim war.
Sie flehte um ein Kind wie weiland Hanna
Um Samuel, der Gott verkündet klar.
Und um des Weines Willen und des Manna
Gebar sie menschlich ganz die Immaculata -
O Lob Marie von Bethlehem-Efrata!
 
Maria, sei gegrüßet, Meeresstern,
Küß, o Madonna, meine Sängerlippe,
Auf daß ich goldnen Mundes sing den Herrn,
Den du gebettet in das Stroh der Krippe!
Der aller Hoffnung holder Morgenstern,
Er ist die Mitte jener heiligen Sippe.
Maria, sei gegrüßet, deine Brüste
Gesegnet sei’n, die nährten Jesu Christe!
 
Joachim starb und Anna ward vertraut
Dem Kleophas, der Anna fromm erkannte,
Da schenkte ihrem Bräutigam die Braut
Maria Kleophas, wie man sie nannte.
Maria Kleophas im Frühling schaut
Zu jenem, dessen Ruhm sie übermannte,
Sein Ruhm war Gottesfurcht, der Mann Alphäus
War Nachbar und war Freund des Zebedäus.
 
Alphäus und Maria Kleophas
Empfinden den Jakobus, Sohn Alphäus,
Sein Antlitz immer blieb ein wenig blaß,
Geboren ward dem Freund des Zebedäus
Bald Josef der Gerechte, aber das
War noch nicht alles, denn dann kam Taddäus
Jehuda, durch die Gnade Zebaoth
Kam als der Jüngste Simon der Zelot.
 
Und da gestorben war der Kleophas
Und Anna ausgeweint der Trauer Weh,
Ward sie vertraut dem Manne Salomas,
Sein Haupthaar war wie Mandelblütenschnee,
Von ihm empfing sie, wie den Tau das Gras
Der Erd vom Mond, Maria Salome,
Die sich vermählt mit Zebedäus hatte,
Der war ein Fischer und ein treuer Gatte.
 
Natürlich aus dem Samen eines Mannes
Empfangen hat Maria Salome
Jakobus und den jüngeren Johannes,
Zwei kleine Turteltauben, weiß wie Schnee.
Jakobus las von Jambres und von Jannes
Und von dem Durchzug durch die Rote See,
Johannes las zumeist im Hohenlied
Und war verliebt, verliebt in Schulammyth!
 
Maria Kleophas war eine Blume,
Maria Salome war eine Taube.
Maria glich dem goldnen Heiligtume,
In welchem wohnte Gottes wahrer Glaube.
Maria Magdalee war voll vom Ruhme
Der Schönheit schön in Malvenhain und Laube.
Und Mariam Bath-Nacham, Frau des Petrus,
War mittenmang und liebte innig Jesus.
 
Und Jesus sprach zu Petrus: Folg mir nach,
Die mir nachfolgen, die sind meine Brüder.
Seid nüchtern, meine Lieben, bleibet wach,
Denn Luzifer versucht euch immer wieder.
Doch folgt mir nach und traget Weh und Ach.
Und drückt euch eure Schuld zur Erde nieder,
So wird das Kreuz zum Himmel euch erheben,
Mein Tod am Kreuz allein ist euer Leben!
 
Wie oft doch wollen wir mit Jahwe rechten,
Weil anders als die menschlichen Gedanken,
All die hoffährtigen und eitel schlechten,
Sind Gott des Vaters göttliche Gedanken!
Sprach Petrus. Wie oft sind wir in den Nächten
Dem Lichte fern, und unsre Tritte wanken.
Erbarme dich, o Gott der Ewigkeit,
Nach deiner herzlichen Barmherzigkeit!
 
Wohin denn mit der wüsten Sünde Reiz
Und nichtigen Begierden, bösen Lüsten,
Des felsenharten Herzens kargem Geiz
Und unsern Lügen, unsern falschen Listen?
Doch Gott gab uns zu tragen unser Kreuz,
Das Kreuz des Christus tragend sind wir Christen.
Erbarme dich, o Gott der Ewigkeit,
Nach deiner herzlichen Barmherzigkeit!
 
Wir sind so arm an Liebe, nur die Schönen
Und Anmutvollen lieben wir und gräßlich
Sind uns die Elenden. Und eitel frönen
Wir unsrer Schönheit, aber wir sind häßlich
Durch unsre Sünden. Nur der Buße Tränen
Erneuern unsre Schönheit unermeßlich.
Erbarme dich, o Gott der Ewigkeit,
Nach deiner herzlichen Barmherzigkeit!
 
Wie dunkel sind die Augen mir vor Weinen
Und meine Blicke blind vor bittern Tränen.
Will mir denn keine Tröstung mehr erscheinen
Und stillen meiner Seele tiefes Sehnen?
O komm, o Tröster, komm du zu den Deinen,
Laß sie sich an die Brust des Trostes lehnen.
Erbarme dich, o Gott der Ewigkeit,
Nach deiner herzlichen Barmherzigkeit!
 
Wie feige bangen wir vor allem Leiden
Und wollen fröhlich nachen nur und Freude,
Und alle tiefen Schmerzen immer meiden,
Wir hassen abgrundtief des Elends Räude
Und wollen uns allein an Wonne weiden
Und wollen schweifen in dem Tanzgebäude.
Erbarme dich, o Gott der Ewigkeit,
Nach deiner herzlichen Barmherzigkeit!
 
Wir wollen suchen Gottes Angesicht
Und meiden es in seinem Ebenbild?
Wenn einer fast vor Schmerz zusammenbricht,
Sind wir dann seinem Leib und Seele mild?
Und sind umwölkten wir ein Hoffnungslicht?
Zerschundnem Lamm sind wir oft Wölfe wild.
Erbarme dich, o Gott der Ewigkeit,
Nach deiner herzlichen Barmherzigkeit!
 
Wir tappen wieder in die alten Fallen,
Weil uns gelockt der süßen Sünde Wurm,
Der bläht sich auf und wird zu einem prallen
Und feisten Drachen, reißt uns fort im Sturm
Und läßt uns in die Glut des Elends fallen
Und schließt uns Schuldner in den Schuldenturm.
Erbarme dich, o Gott der Ewigkeit,
Nach deiner herzlichen Barmherzigkeit!
 
Wir denken an die Not der Seele flüchtig
Und sorgen sehr um unsres Leibes Nöte.
In unsern Schmerzen sind wir eigensüchtig
Und beten eigensüchtige Gebete.
Fürbittend wäre unsre Tugend tüchtig,
Im Nächsten ginge auf die Morgenröte.
Erbarme dich, o Gott der Ewigkeit,
Nach deiner herzlichen Barmherzigkeit!
 
Zum Staub ist meine Seele mir gebeugt
Und in den Boden ist mein Leib getreten.
Ich bin wie einer, der verstummt und schweigt
Und findet keine Worte mehr zum Beten.
Doch Gottes unendliche Gnade zeigt
Die Tröstung und den Jammer der Propheten.
Erbarme dich, o Gott der Ewigkeit,
Nach deiner herzlichen Barmherzigkeit!
 
Wir rauben allen Jungfraun ihre Schleier
Und stellen alle Männer bloß mit Spott.
Ankläger sind wir, seltener Verzeiher,
Verachten Menschen in des Daseins Trott
Und stimmen an zum Spottlied unsre Leier
Auf all die Sünder. Wir sind Sünder, Gott!
Erbarme dich, o Gott der Ewigkeit,
Nach deiner herzlichen Barmherzigkeit!
 
Wie sind wir oft ans Daseins angenagelt,
Man reicht uns Essig und man reicht uns Galle,
Hartherzigkeit der Menschen niederhagelt
Und alle spotten unserm Sündenfalle
Und sind doch selber Sünder und bemakelt
Und sind bedrängt von schwerem Joche alle.
Erbarme dich, o Gott der Ewigkeit,
Nach deiner herzlichen Barmherzigkeit!
 
Sinnlos erscheint uns unser Daseinsleid,
Wir wähnen weind uns von Gott verlassen,
Aus tiefster Not das Herz zum Heiland schreit
Und um ihn drängen dichte Wolkenmassen,
Doch mitten in der Not ist der bereit,
Der unermeßlich ist und nicht zu fassen.
Erbarme dich, o Gott der Ewigkeit,
Nach deiner herzlichen Barmherzigkeit!
 
Ich bin der Mensch, den traf des Grimmes Rute,
Weil ich gesündigt hab in meinem Herzen,
Weil ich mich leiten ließ von meinem Blute.
Doch zu gewaltig sind mir meine Schmerzen,
Sind Todesschmerzen! Todeswasser flute
Und lösche endlich meines Lebens Kerzen!
Erbarme dich, o Gott der Ewigkeit,
Nach deiner herzlichen Barmherzigkeit!
 
Doch Gott ist nicht der Gott der Ewigtoten,
Des Lebens Gott ist er, ihm leben alle!
Vorsehung Gottes schirmt uns, seine Boten,
Daß, wenn ich wanke, ich nicht schlimmer falle.
Wir folgen Christus! Auf den Fischerbooten
Der Halleluja-Lobgesang erschalle!
Dir Lob und Preis, o Gott der Ewigkeit,
Denn dein ist Reich und Kraft und Herrlichkeit!
 
Und Jesus ging von seinen Jüngern fort,
Allein zu seinem Vater ins Gebet.
Als wie ein Kind in einem Kinderhort,
Der Herr zu seinem Gott und Vater fleht,
Zur ewigen Liebe spricht der Liebe Wort,
Es trägt das Wort hinauf der Wind der weht,
Trägts von des Tabor Einsamkeit empor,
Und Jesu Wort steigt an des Vaters Ohr.
 
O Vater! hüte wie ein Hirt die Deinen,
Die du als meine Herde mir gegeben.
O Vater! Engel sende zu den Kleinen
Und hüte ihrer armen Seelen Leben.
O Vater! höre ihrer Herzen Weinen
Und sieh der Geister flehentliches Streben.
O Gott, der du die Welt erschaffen weiland,
Erlöse deine Welt durch deinen Heiland!
 
Da Jesus also betete allein,
Da fuhren seine Jünger auf den See.
Der Abendröte rubinroter Wein
Ward abgelöst von vollen Mondes Schnee.
Die Sterne glitzerten im Glitzerschein,
Der Wind strich übers Wasser, durch den Klee,
Um am Gebirge Baschan anzuschwellen
Und sich als Sturm zu wenden zu den Wellen.
 
Der Sturm befiel mit wüster Macht das Wasser
Und wühlte an dem Grunde auf den Schlamm.
Der Mond verlor die Röte, wurde blasser,
Da wirbelte ein herrenloser Stamm.
Die Segel klatschten lärmend, wurden nasser,
Die Boote schwankten auf dem Wogenkamm.
Hilflos die Segel an den Masten baumeln,
Hilflos die Boote in den Wassern taumeln.
 
Den Jüngern griff das Bangen in die Brust,
Mehr Furcht als Gottesfurcht befiel sie alle.
Das Wasser wühlte sich in wüster Lust
Und spritzte auf mit böser Wollust Schwalle.
Die bangen Seelen fürchteten den Dust
Des Wassers, doch sie saßen in der Falle,
Gepeinigt von dem gnadenlosen Winde
Und vom Bewußtsein ihrer eignen Sünde.
 
Johannes rief: Wär nur der Meister da!
Er würde mächtig Wind und Meer gebieten!
Was wars, was Thomas auf dem Wasser sah?
Vor dem Gespenst den letzten Funken Frieden
Verloren sie in lauter Furcht. Doch nah
Herbeigetreten war, wie Birnbaumblüten
So weiß, der Meister. Wenns der Meister wäre!
Dann wären still die Wellen in dem Meere!
 
Ich bins! so sprach, der auf dem Meere schritt.
Herr, bist es du, heiß mich auf Wasser wandeln!
Rief Petrus, der die Bangnis nicht mehr litt.
Der mächtig, ihm die Seele zu verwandeln,
Der sprach: Setz auf das Meer des Fußes Tritt
Und komm zu mir! Wirst du im Glauben handeln,
So kannst du in den Fluten nicht versinken!
Und Petrus sah voll Freude Jesus winken.
 
Da Moses Stab geteilt das Rote Meer,
Weil Jahwe Israel erretten wollte,
Ging Aaron vor dem Volke Gottes her,
Der Gott die ungeteilte Ehre zollte.
Doch der ägyptischen Bedränger Heer
Richtende Woge Gottes überrollte.
Un düberm Meere schwebte goldner Steile
Der Menschensohn in Jahwes Feuersäule.
 
Als zum Gericht der bösen Buhlerei
Der Engel und der Menschentöchter schwoll
Die Sintflut über Sterbender Geschrei,
Die alle es getrieben allzu toll,
Schwamm auf den Wassern Gottes Arche, treu
Gerettet von Jehowah gnadenvoll,
Die nahm die Tiere auf und Noah groß
Und sieben Seelen auf in ihren Schoß.
 
So ging es Simon Petrus durch den Sinn.
Doch sah er auf der Wogen dunkle Flut,
Chaotisch wühlend wie im Anbeginn,
Verließ den Wandelnden der Glaubensmut,
Er sank und wär dem Abgrund zum Gewinn
Geworden und des Wassertodes Wut,
Wär Jesus nicht gewandelt auf den Wogen,
Der Petrus aus der Flut herausgezogen.
 
Der Herr stieg in das Bott mit Petrus wieder,
Und stille auf den Wellen ward der Wind.
Die Engel Gottes gingen auf und nieder.
Schau stets auf mich und nicht auf deine Sünd
Und liebe Gott und liebe deine Brüder
Und liebe jeden Bettler, jedes Kind,
Sprach Jesus, dann wirst du den Elementen
Gebieten, denn du ruhst in Gottes Händen.
 
Das Boot floß an den grünen Ufersaum,
Als überm Baschanberg die Sonne stieg,
Emporgetaucht aus morgenrotem Schaum
Die Sonne feierte Triumph und Sieg.
Die Menschen schüttelten den wirren Traum
Hinfort. Die Lerche sang die Lobmusik
Und trug sich zu der Sonne auf den Flügeln,
Beschauend Galiläa mit den Hügeln.
 
Und Jesus nahm die Zebedäussöhne
Und Petrus, seinen Auserwählten, mit
Zum Tabor in der Gräser grünen Schöne,
Da er auf Blumenteppich schwebend schritt.
Im Kelch der weißen Lilie Taues Träne,
Ihr Kleid war Linnen von erlesnem Schnitt,
Um sie bewarb sich purpurrot ein Falter.
Der Herr sang einen Psalm aus Davids Psalter.
 
Und da die Viere auf den Gipfel kamen,
Ging Jesus Christus einen Schritt voran,
Denn Jesus, Name über allen Namen,
Er war der Erste, gotterwählte Mann,
Der Schöpfung Anfang, Sinn und Ziel und Amen.
Die Jünger standen ganz in seinem Bann
Und sahn ihm nach mit ehrfurchtsvollem Staunen
Und hörten in dem Winde leises Raunen.
 
Und Mose und Elia kamen ihm
Aus jenseitigen Welten schwebend nah.
Und Mose, weise wie die Cherubim,
Sprach zum Erfüller des Gesetzes da:
Gewähre, daß ich in dir Jahwe rühm
Und sündelose Tugend, Jesus, ja
In dir erfüllt ist jegliches Gebot,
Du Herr der Heeresscharen, Zebaoth!
 
Doch um der Sünde deiner Menschen willen
Wird bald der Nilstrom deines Leibes Blut
Und ekle Kröten deinen Gaumen füllen
Und dich umschauert Finsternis wie Flut,
Und nur durch Sühne ist der Zorn zu stillen
Jehowahs, der am Kreuz dich richten tut
Und dich zur Sünde macht und wird dich knechten
Und töten stellvertretend für die Schlechten.
 
Elia schwebte auf der andern Seite
Und glühte so wie eine Feuerflamme:
Wenn du geleert den Kelch mit allem Leide
Und trugst die Sünde fort gleich einem Lamme,
O Herr, hinab ins Reich der Toten schreite
Und lös die Toten dann von Adams Stamme,
Ja geh hinab, o Herr, ins Reich der Schrecken
Und töt den Tod! Und Gott wird dich erwecken!
 
Der du erweckt den armen Lazarus,
Der du bist Auferstehn und ewiges Leben,
Du wirst erwachen durch des Geistes Kuß
Und als Erstandener durch Türen schweben
Und spenden aus das Mahl in Emmaus
Und wie im Feuerwagen aufwärts streben
Zum Vater, daß du ihm zur Rechten sitzt.
Dein Tod den Sterbenden zum Leben nützt.
 
Und Jesus schwebte etwas überm Gipfel,
Umglänzt von einem reinen Strahlenkreis.
Als wie in Schnee gehüllt ein Tannenwipfel,
Wie eine Schwanin auf dem Teiche leis,
Wie Baumwollflocken schimmerte sein Zipfel
Und sein Gewand war wie die Sonne weiß
Und sein Gesicht war wie kristallner Mond,
In dem sein Blick wie Doppelflamme wohnt.
 
Und seine Beine glichen goldnen Flammen
Und seine Füße golddurchglänztem Erz,
Als wie in Kupfer floß sein Leib zusammen
Und rot und weiß erglühte ihm sein Herz.
Die Haare, die wie Schnee ihn weich umschwammen,
Auf seine Schultern sanken. Himmelwärts
Erstreckte er die Arme und die Hände.
Liebegegürtet seiner Seele Lende.
 
Und Petrus stand in einer weißen Wolke
Und all sein Denken war ihm traumumflort:
Der die Gesetze gab dem Gottesvolke
Und der in Flammen zu der Väter Ort
Gestiegen war, und dir, der auf dem Kolke
Des Kinneret gegangen, Gottes Wort,
Aufstellen will ich hier drei heilige Hütten,
Die beiden seitlich, deine in der Mitten.
 
Da klang wie Donner und wie Meeresrauschen
Die Stimme Zebaoths vom Jaspisthron:
Den Einen liebe ich, dem sollt ihr lauschen,
Messias Jesus ist mein lieber Sohn! -
Du Felsgestein in meines Mantels Bauschen,
Du Grundstein jener Wohnung, da ich wohn,
Du folge mir, dann wird dich allerorten
Nicht überwältigen der Hölle Pforten!
 
 
SECHSTER GESANG
 
Und Jesus sandte Simon Petrus aus
Und Donnersohn Johannes, für das Mahl
Des Passa zu bereiten schön ein Haus,
Zu breiten weiche Kissen in dem Saal.
Der Herr sah vor sich schon des Todes Graus
Und schaute der vier Marternägel Stahl.
Doch wußt er auch, er würde auferstehn.
Und er hielt eine Rede gut und schön.
 
Schafft Speise euch, daß nicht vergänglich bleibt
Das Leben, sondern quillt zur Ewigkeit.
Des Lebens Speise wird euch einverleibt
Vom Menschensohn, dem Ewigen in der Zeit.
Dies Wort den kommenden Geschlechtern schreibt:
Gott wirkt den Glauben zur Glückseligkeit
An den, den lobten die Propheten Hanna
Und Simeon. Die Väter aßen Manna.
 
Die Väter aßen Manna, Himmelsbrot,
Das ähnelte dem Koriandersamen.
Doch euch gibt Gott das wahre Himmelsbrot,
Das euch gegeben ist in Gottes Namen.
Dies Brot des Lebens ist kein Brot zum Tod,
Ich bin das Brot des Lebens. Amen, Amen.
Ich gebe Speise, welche wirklich sättet,
Ich bin das Brot des Lebens, das euch rettet.
 
Der zu mir kommt, wird den noch hungern? Nein!
Der zu mir kommt, der schmeckt niemehr den Tod!
Ihn wird nicht dürsten, denn ich bin der Wein
Und er ist meine reife Rebe rot.
Wer zu mir kommt, dem werd ich Pforte sein
Ins Reich des ewigen Vaters Zebaoth!
Ich werde euren Durst und Hunger stillen,
Dazu bin ich genaht nach Gottes Willen.
 
Fürwahr, fürwahr, ich bin das Brot des Lebens.
Die Väter haben Manna zwar gegessen,
Was aber war das Ende ihres Strebens?
Sie weilen in dem Lande des Vergessen.
Mein Brot des Lebens eßt ihr nicht vergebens,
Es spendet Gnadenleben unermessen.
Ich werde in dem Tode nicht verderben
Und spend mich euch, so werdet ihr nicht sterben.
 
Des Lebens Brot bin ich und bin gekommen
Zu euch herab von Gottes Himmelreich,
Das Himmelreich zu allerbestem Frommen
Zu bringen allen Sündern. Werdet gleich
Dem Brot des Lebens, das ihr angenommen,
Und gleich dem Brot des Lebens spendet euch
Den Menschen; die ist was ich von euch heisch.
Das Himmelsbrot des Lebens ist mein Fleisch.
 
Ihr müsst das Fleisch des Menschensohnes essen,
Ihr müsst das Blut des Menschensohnes trinken,
Die Speise und der Trank der Sühnemessen
Läßt euer Herz in Gottes Herz versinken,
Ihr werdet nicht im Totenreich vergessen,
Ihr werdet wie die goldnen Sterne blinken
In meines Vaters Reich am Jüngsten Tag.
Beharrlich glaubet dies, weil ich es sag!
 
Mein Fleisch geb ich euch hin als wahre Speise,
Mein Blut geb ich euch hin als wahren Trank.
Ich geb mich hin geheimnisvoller Weise
Und heile alle Herzen, welche krank,
Und wandle sie, mach sie zu Gottes Preise,
Verherrlichung und Lob und Ruhm und Dank,
Und wandle sie in mich ein, geh ich ein
In ihrer Herzen Mund als Brot und Wein.
 
Der in mein Wesen einverwandelt wird,
Fürwahr, der lebt fortan um meinetwillen.
So kommt zum Tisch, heut bin ich euer Wirt
Und möchte eure Seelen himmlisch stillen.
Kommt zu der Quelle, da euch euer Hirt
Des Lebenswassers Strom läßt reichlich quillen.
Zum Vater bete ich ein Dankgebet,
Der Geist herbei nach heiligem Willen weht.
 
O Vater, der du wachsen läßt die Ähre,
Am Weinstock reifen läßt die Rebentraube,
Sei dir Verherrlichung und Dank und Ehre!
Sieh nicht der Jünger Sünde, sieh auf Glaube
Und Liebe! Meiner Jünger Liebe mehre
Und laß wie bei der Taufe deine Taube
Sich offenbaren über Brot und Trank!
Dies Opfer meines Leibes dir zu Dank!
 
Und Christus legte seine Opferspende
Seinen Aposteln als ein Abendmahl
In ihre bittend dargereichten Hände
Und tränkte jedem seinen Mund einmal.
Und als des Abendmahles Fest zuende,
Verließen singend sie den Feiersaal
Ins Kidrontal und brachten Gott zu Dank
Und Ruhm und Preis ihm dar den Lobgesang.
 
O Herr, o Herr der Mächte und Gewalten,
Dir Lob und Preis und Ehre, Halleluja!
Dich nennen alle den an Tagen Alten,
Den Schöpfer aller Meere, Halleluja!
Der kann die Berge durch sein Wort entfalten
Und jede Sternensphäre, Halleluja!
Dein Sohn hat uns gespeist mit wahrem Manna,
Dem Fleisch des Gottessohnes! Hosianna!
 
Sie gingen durch die Abenddämmerung,
Des Ölbergs Bäume schimmerten von fern.
Die Taube Gottes flog dahin, so jung,
Ölzweig im Schnabel. Und der Abendstern
Mit seines Trostes sanftem Strahlenschwung
Stand als ein lichtes Gleichnis für den Herrn,
Der untergehen muß, am Firmament.
Der Herr sah zu den Seinen, die er kennt.
 
Und Petrus dachte an das Heilige Mahl,
Da zu Johannes sagte Simon Peter:
Sieh an, der Meister ist so bleich und fahl,
Du frag ihn: Meister, wer ist der Verräter?
Iskariothes sich von dannen stahl
Und da in blauer Schwermut schwamm der Äther,
Er übergab sich um das schnöde Gelt
Dem Mammonsgott, dem Fürsten dieser Welt.
 
Und Jonas Sohn, gestärkt vom heiligen Brot
Und heiligen Wein an seinem innern Herzen,
Sah Jesus wandeln durch das Abendrot
Mit seinen purpurroten Flammenkerzen
Und sah in seinem Antlitz eine Not,
In seinem Angesichte linde Schmerzen,
Und sann, als wollt er nach dem Winde haschen,
Wie Jesus seine Füße ihm gewaschen.
 
Der Meister hatte sich in jenen Stunden,
Da sie den Kult des letzten Mahls begangen,
Zuvor das Tuch des Sklaven umgebunden
Und zu dem frommen Werk sich unterfangen,
Die Schar zu waschen, die sich ihm verbunden
Und deren Füße staubig von den langen
Apostolarischen Fußwanderungen,
Da sie als Prediger den Staub durchdrungen.
 
Der Meister nahm sich eine schlichte Wanne
Und wusch mit Wasser seiner Jünger Füße.
Dann goß er Öl aus einer kleinen Kanne,
Die Füße salbend mit der Myrrhe Süße.
Doch Petrus sagte zu dem Gottesmanne:
Der ich dich meinen Herrn und Meister grüße,
Will mir von dir den Fuß nicht waschen lassen
Und ist er noch so staubig von den Gassen.
 
Du bist der Herr der ewigen Himmelsscharen,
König aus Davids Haus und Sohn des Jahwe,
Die Patriarchen und Propheten waren
In ihrer Heiligkeit Verkünder: Ave
Messias, Ewiger! Du willst gebaren
Dich vor uns armen Sündern als ein Sklave?
Herr, das sei ferne! Laß mich dir den Fuß
Mit Tränen waschen meiner Reu und Buß!
 
Herr, willst du meiner Füße Niedrigkeit
Den Staub abwaschen in der Reinigung,
Dann wasche bitte auch die Hände beid,
Wirk allen meinen Werken Läuterung,
Und salb mit Salböl deiner Herrlichkeit
Die Haare meines Haupts zur Heiligung.
Doch Jesus sprach: Mein Felsgestein, ich grüße
Dich als dein Herr, dir waschend deine Füße.
 
Mein Felsgestein, du festes Fundament
Aller Herausgerufnen, mit dem Schlüssel
Zum Tor des Reiches, der da Christus kennt
Und aß das Fleisch aus Gottes Mannaschüssel,
Der selig ist, wenn er den Herrn bekennt,
Des Wortes Honig aufsaugt mit dem Rüssel
Und predigt Wundertaten Gottes; höre:
Ich bin fürwahr der Herr der Engelschöre.
 
Ich bin der Herr der Engelschöre, doch
Ich herrsche nicht wie Könige und Kaiser
Und Unterdrücker. Leichter ist mein Joch
Und der Gebote Gottesstimme leiser,
Wie des Gewissens Stimme redet noch.
Zu herrschen bin ich nicht gekommen. Weiser
Ist Gottes Ratschluß, des Allmächtigen:
Er will, daß ich mich als der Knecht bekenn.
 
Jesaja hat ja einstmals prophezeit
Von mir als Schmerzensmann und Gottesknecht.
Vor Abraham bin ich in Ewigkeit
Und meine Schönheit war dem Vater recht.
Doch nun wird kommen meine Häßlichkeit,
Weil meine Kreaturen allzu schlecht
Und ihre Schlechtigkeit mich zeichnen wird,
Wie Sünde Haß und Hassen Tod gebiert.
 
Weil allen ward von Adam her die Schuld,
Die alle müssen mit dem Tode sühnen,
Bin ich gesandt von meines Vaters Huld
Und bin daher gekommen, euch zu dienen.
Der Vater will aus ewiger Geduld
Den Tod des dürren Holzes mit dem grünen
Holz meines Lebens stellvertretend streichen,
Drum muß das grüne Holz dem dürren gleichen.
 
Darum geb ich mich hin für euch und werde
Darum als euer Herr euch Diener sein.
Ich werd entstellt von häßlichster Gebärde
Zu Gott dem Herrn um eure Rettung schrein.
Aufopfern werd ich mich und in die Erde
Vergraben. Doch ich lebe in dem Schrein
Des Allerheiligsten als Opfergabe,
Weil ich als Knecht mich euch geopfert habe.
 
Und Jesus, Gottes heiliger Messias,
Bereit war, daß die Trauernacht ihn kröne,
Und Jesus, Sohn Jehowahs, Sohn Marias,
Bereit war, daß die Menschen er versöhne.
Und Jesus, prophezeit durch Jeremias,
Nahm mit sich beide Zebedäussöhne
Und Simon Jonas, den er Petrus nannte.
Und Jesus sich zum großen Schmerz ermannte.
 
Sie stiegen auf den Ölberg in der Nacht,
Da man dereinst die Kelter hat getreten.
Die sternenlose Nacht in schwarzer Pracht
Und kühle Winde durch das Öllaub wehten.
Nahbei die schöne Tochter Zion wacht,
Im Tempel von Jeruschalajim beten
Die goldnen Menorahs auf edlen Steinen
Mit Kerzenflammen, welche traurig weinen.
 
Tautropfen träuften auf des Grases Matten.
Und über Jakob und Johannes kam
Und Petrus tiefer Schwermut schwerer Schatten,
Vor Trauer wurden ihre Herzen lahm,
Daß sie in einem traurigen Ermatten
In Schlummer sanken. Schlaf ist wonnesam,
Wer wollte den Genuß des Schlafs nicht loben?
Doch um den Meister wache Schrecken toben.
 
Er ging voran in seine Einsamkeit,
Von unendlicher dunkler Nacht umhüllt,
Aus der entgegen kam der Menschen Leid
Und Gottes großes Grimmen ungestillt
Und seines eignen Schicksals Schmerzlichkeit
Und Teufels Toben ungestüm und wild
Und aufgetan der Abgrund und die Hölle,
Da sich in Schwefel wälzt die Feuerwelle.
 
Visionen schauerten um ihn im Düstern.
Er sah des ersten Menschen Rebellion,
Die Jungfrau Eva ungehorsam lüstern
Und Adam speisen bittrer Sünde Lohn
Und hörte Satanas als Schlange flüstern
Und sprechen Gott dem Allerhöchsten Hohn
Und hörte ihn den Herrn blasphemisch segnen
Und nichts, und hörte Jahwe nichts entgegnen.
 
Er fühlte alle Angst der Sterbestunde
Und schmeckte Bitterkeit, den bittern Tod.
Da tropfte eine Träne ihm zum Munde
Und fiel zur Erde hin wie Blut so rot,
Als wäre ihm sein Auge eine Wunde,
Und war kein Trost in seiner Seelennot,
Denn Gott war über alle Schuld ein Rächer
Und reichte seinem Sohn des Todes Becher.
 
In diesem Becher war die bittre Galle
Der Sünde, dargereicht dem Sündelosen,
Der reinen weißen Taube ohne Galle,
Gereicht ward ihm, dem süßen Makellosen,
Die Bitterkeit der ekelhaften Galle.
Er schaute Dornenkränze ohne Rosen,
Von denen Blut und Myrrhetropfen troffen.
O Elend, Elend! Was ist noch zu hoffen?
 
Er war der Mann, geschlagen von der Rute
Des Gotteszorns, geworfen hin zum Staube,
Geschlagen mit der Bosheit ward der Gute,
Vom Hund zerfetzt die gallenlose Taube,
Die Tränen troffen rötlich gleich dem Blute,
Er schwitzte Blut, im Blute war sein Glaube,
Er warf sich nieder, grub sich in die Erde.
Der Hirt geschlagen und zerstreut die Herde!
 
O Vater! rief er aus der tiefsten Qual,
Laß diesen Kelch an mir vorübergehen!
Soll Abel tragen seines Bruders Mal,
Erbarm dich Vater, und erhör mein Flehen!
Ich sehe deines Zornes Marterpfahl,
Und muß ich noch des Grabes Schrecken sehen?
Laß, Vater, nicht den Geist des Todes siegen,
Dem viele schon hinab zum Hades stiegen!
 
Geschehe, Gott, dein unergründlicher Wille,
In deinen Willen will ich mich ergeben.
Du gabest mir des armen Staubes Hülle,
Und muß ich sterben, Vater, du bist Leben!
Da ward die Menschenseele Jesu stille.
Und sanfte Engel durch die Stille schweben
Und stärken ihn mit göttlichen Balsamen
Und mit der Kunde seines Vaters Amen.
 
Und da erhob er sich vom Staube wieder,
Von Tränen und von Schweiß und Staub benetzt,
So trat er zu den Schlafenden: O Brüder,
Hat euch die Todesangst zu sehr entsetzt?
Was sanket ihr zum Schlaf ins Moosbett nieder,
Dieweil die Sünde euren Herrn verletzt?
Wohlan, der Geist ist willig und ist keusch,
Doch schwach ist und zur Sünde neigt das Fleisch.
 
Du, Petrus, bist bereit für mich zu sterben?
Verleugnen wirst du mich beim Hahnenschrei,
Wenn alle Himmel sich vom Blute färben
Und beben wird von deines Meisters Schrei
Die Erde, wenn die Menschen Nägel kerben
Durch meine Hände, Religionspartei
Und Pöbelvolk und Priesterpotentaten
Und Kaisers Gouverneur und Roms Soldaten!
 
Da wurde Petrus traurig, daß der Meister
Ihm einen Glaubenszweifel prophezeit.
Ist Petrus nicht der Schlüsselträger, heißt er
Nicht Fels der Kirche, hat er nicht geweiht
Den Menschengeist dem Herrn der Sieben Geister?
Doch ist auch er befleckt von jenem Leid,
Das angeboren jedem Menschenkinde,
Durch die von Adam her vererbte Sünde.
 
Der Meister sah den Jünger gnädig an,
In seinen Augen Flut von Liebesmeeren:
Daß von euch keiner bei mir bleiben kann,
Auch du nicht, Petrus! aber wiederkehren
Wirst nach den Tränen du als Gottesmann,
Du wirst den Glauben meiner Kirche mehren,
Wenn dich nach meinem Tode unterweist
Von meinem Auferstehn der Wahrheit Geist.
 
So standen sie bei den Olivenbäumen
Im Keltergarten von Gethsemane,
Als Jesu Jünger wachten aus den Träumen,
Johannes, Jakob, Petrus in dem Klee,
Und sahen eine Schar Soldaten schäumen
Vor Wut, die kamen zu des Meisters Weh,
Das konnte nur geschehn, weil Gott es billigt
Und weil der Sohn des Vaters eingewilligt.
 
Iskariothes Judas kam geeilt
Auf Jesus Christus zu mit einem Gruß,
Und der mit ihm das Brot beim Mahl geteilt,
Der sprach: Verrätst du mich mit einem Kuß?
Die Menschheit aber wird dadurch geheilt,
Daß mich die Schlange beißt in meinen Fuß,
Weil so allein zertritt des Weibes Samen
Die Schlange, schau ich komm in Gottes Namen.
 
Ihr römischen Soldaten wollt mit Stangen
Und Spieß und Schwert den Jesus Nazarenus
Auf das Gebot des Hohenpriesters fangen?
Und zittert ihr, Gefangene der Venus
Und Eingeschnürte von der Sünde Schlangen,
Als säht ihr einen göttergleichen Genius?
Ihr Narren! Bindet mich, ich komm mit euch.
Trat einer vor mit Schnaufen und Gekeuch.
 
Das war der Römer Malchus, war ein Knecht
Des Kaisers, der sich selbst zum Gott erklärt.
Er war ein Sünder, er war ungerecht,
Er wollte Christus fangen wie ein Pferd.
Doch Petrus stürzte wütend ins Gefecht,
Daß er sich für den Herrn und Meister wehrt.
Er nimmt das Schwert und stürzt auf Malchus vor
Und hieb dem Manne Malchus ab das Ohr.
 
Doch Jesus Christus rief: Steck ein dein Schwert
Und laß es friedlich in der Scheide wohnen.
Bin ich nicht der, der Gott dem Herrn gehört,
Der würde Myriaden Legionen
Erzengel schicken, Scharen hochbewährt
Im Kampfe gegen Luzifers Dämonen,
Doch dient mir die Gefangennahme. Später
Gerichtet wird der teuflische Verräter.
 
Und Jesus trat zum Manne Malchus vor,
Dem Liebling einer Frau von Zyperns Eiland,
Anrührte heilend er das wunde Ohr,
Erwies sich so auch als der Römer Heiland.
Und Petrus in Betrachtung sich verlor,
Wie Heilungswunder wirkte Jesus weiland.
Der Herr war nicht der Hammer der Zeloten,
Er war der Retter auch der Zyprioten.
 
Und dennoch: welches Weh und welche Schmach!
Der von der heiligen Jungfrau war geboren,
Der Logos in des Weibes Brautgemach,
Befand sich in der Hand der schlimmsten Toren,
Die ihn bestimmt zu Pein und Weh und Ach,
Obwohl er der Erlöser auserkoren
Von allem Ach und Weh und aller Pein.
Wie können Menschen nur so böse sein?
 
Er, der aus Gottes ewiger Herrlichkeit,
Ward nun geworfen in den Schweinekoben.
Er, der erfüllt von aller Heiligkeit,
Ward nun umgeifert von der Teufel Toben.
Er, der gewohnt in Gottes Ewigkeit
Und den die Myriaden Engel loben
Als Gottes Herrlichkeit und Reich und Krfat,
Ward nun geführt in die Gefangenschaft.
 
Er, der die Liebe Gottes in Person,
In Banden wird geführt vom Menschenhaß.
Er, der die Liebe auf dem weißen Thron,
Er wird zum Schauspiel für der Sünder Spaß.
Er, der der ewigen Liebe lieber Sohn,
Der wird verflucht vom Volk, unfaßbar das,
Doch wahr. Gebrochen wird des Lebens Brot,
Freiwillig geht die Ewigkeit zum Tod.
 
 
SIEBENTER GESANG
 
Anbetung dir, Herr Jesus, Lob und Preis!
Messias stand vor menschlichem Gericht,
Als man ihn höhnisch anschrie, schwieg er leis,
Und als er litt, da drohte er doch nicht.
Er überließ sich böser Richter Kreis.
Ergeben war des Meisters Angesicht,
In der Erniedrigung hielt er sich tapfer.
Frewillig brachte er sich dar als Opfer.
 
Das Kreuz der Schande brachten die Soldaten,
Frewillig nahm er es auf seine Schultern.
Er wollt der Menschheit Elend auf sich laden,
Geduldig tragen, Vorbild allen Duldern.
Das Lamm ward angefallen von den Maden,
Der ewig Sündelose von den Schuldnern.
Das Sühnelamm auf seinem Wege war,
In Gott ergeben, zu dem Schlachtaltar.
 
Der Weg war steinig und die Last war schwer,
Die Schultern trugen alle Schuld der Welt.
Bis an den Tod ermattet war der Herr,
Er schwankt, der er zum ersten Male fällt.
Und für gezeichnet und geschlagen sehr
Sah man ihn an, sein Antlitz war entstellt.
Sein Körper hatte keine Herrlichkeit,
Ein Mann der Schmerzen und der Häßlichkeit.
 
Messias ging die Via Dolorosa,
Da sah er seine Mutter an den Steinen.
Da sah zum Sohn die Mater Dolorosa,
Die Augen waren dunkel ihr vom Weinen.
Doch mächtig war die Liebe jener Rosa
Maria, die sie hatte für den Einen,
Ja, stark wie Tod war ihrer Liebe Glut,
Die nicht gelöscht ward von der Trauer Flut.
 
Wer kann die Kreuzeslast alleine tragen?
Der Meister sah, im Auge eine Träne
Und in der Menschenseele banges Zagen,
Zu jenem Manne Simon von Kyrene,
Der trug das Holz des Kreuzes ohne Klagen.
Und wo, wo war Maria Magdalene?
Ein Jünger Christi muß sein Kreuz aufschultern
Und dulden mit dem Vorbild allen Duldern!
 
Da naht die heilige Veronika
Und bietet ihrem Herrn das Schweißtuch dar:
Ich Sklavin suche Gottes Antlitz, ja,
Mir werde Jesu Christi Antlitz klar
Geprägt in meine Seele ein, daß da
Mir lebt das Angesicht der Liebe, wahr
Und gut und schön - noch schön in seinem Elend,
Weil dieses Menschen Leid ist mich beseelend.
 
Wie groß ward ihm die Schwäche und der Schmerz!
Der Sohn des Höchsten fiel zum zweiten Mal.
Ich bin ein Wurm, und elend ist mein Herz,
Ich bin gebeugt zum Staub im Jammertal.
Doch vorwärts, vorwärts, schädelstättenwärts,
Um zu erlösen Menschen ohne Zahl,
Ich mußte fallen, viele zu vergotten
Durch jenes Kreuz, daß sie so sehr verspotten!
 
Am Wegesrande standen Zions Frauen,
Die jammernd über den Messias weinen,
Die Mitleidstränen tropfend niedertauen
Und trocknen fruchtlos auf den harten Steinen.
Weint über mich nicht! Vielmehr sollt ihr schauen
Auf euer Elend und die Last der Kleinen,
Die zu erlösen ich so leiden muß.
Göttliche Trauer wirkt die Frucht der Buß.
 
Die Last des Kreuzes war ihm zu gewaltig,
Er brach erneut zusammen. Und zum Boden
Ist ihm gebeugt sein Körper ungestaltig,
Die Seele ihm gebeugt zum Staub der Toten.
Mit meinem Blut den Todesstaub entfalt ich
Zu neuem Leben, wie mir Gott geboten,
Den Staub der Erde werd ich blutend küssen
Und Viele rufen von den Todesflüssen.
 
Zu Tod ermattet auf der Schädelstätte
War angekommen er, auf Golgatha.
Due Wunden bluten wieder von der Kette.
Soldaten Romas reißen Christus da
Vom Leib die Kleider. Meine Wunde rette,
Die Geißelung mir nicht umsonst geschah,
Unheilig schlugen sie mich wund mit Riemen,
Heil werden sollen sie durch meine Striemen.
 
Soldaten seine Hände ihm durchbohren
Und seine Füße nageln sie ans Holz.
Er war für die Verlorenen verloren,
Gedemütigt für ihren bösen Stolz.
Sie reichten Galle, Essig ihm mit Rohren.
Und ist er auch ein Gottessohn, was solls,
Wir kennen einen Herrn nur: Gott den Kaiser
Und sind ansonsten Aphroditenpreiser.
 
Als wir noch Feinde Gottes waren, da
Bist du, o Christus, schon für uns gestorben.
In deiner Seele war zu uns ein Ja,
Wenn wir dich auch verneinten sehr verdorben,
Da wir nicht ehrten, was für uns geschah,
Und gaben uns der Sünde hin, umworben
Von Satan, den du an dem Kreuz zertreten!
Wir aber uns vor lauter Hochmut blähten.
 
Doch du bist Gnade und Barmherzigkeit
Und gern willst du den Reuigen vergeben.
Glückselig werden wir durch Christi Leid,
Sein Tod am Kreuze ist uns unser Leben.
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Und Jesus hing am Kreuz von Golgatha
Und rief zu seinem heiligen Vater nun:
O Vater! klang es am Kalvaria,
Vergib, sie wissen gar nicht was sie tun!
Geschöpfe sind die bösen Menschen ja
So wie die Guten, die im Vater ruhn,
So sollen wir auch für der Sünder Leben
Fürbitten und bereit sein zu vergeben.
 
Und ein Verbrecher schaute alles dies,
Er hing am Kreuz, denn er war ungerecht,
Doch sah er an den Herrn, von dem es hieß,
Er war ja ohne Sünde und gerecht.
Noch heut bist du mit mir im Paradies!
Verhieß ihm Jesus, wo das Leben echt
Und ewig ist! weil er aufs Lebensbrot
Gehofft, als zu ihm kam der Bruder Tod.
 
Und Jesus sah den Jünger, der ihm lieb,
Und seine Mutter sah er, sagte: Frau,
Dies ist dein Sohn! Der Jünger bei ihr blieb.
Sohn, dies ist deine Mutter! O Jungfrau,
Sei Trösterin, wenn mir die Seele trüb,
Sei meinen Brüdern Unsere Liebe Frau!
Die Gottes Willen tun, so heut wie gestern,
Sind Jesus Christus Mutter, Brüder, Schwestern.
 
Mein Gott, mein Gott, was hast du mich verlassen?
Schrie Jesus unsre Hoffnungslosigkeit.
Mein Gott, mein Gott, was hast du mich verlassen?
Schrie Jesus alle unsre Einsamkeit.
Mein Gott, mein Gott, was hast du mich verlassen?
Schrie Jesus aus der ganzen Menschheit Leid.
Er hat sich mit uns allen eins gemacht
Und stieg in unsrer Gottesferne Nacht.
 
Und schmachtend seufzte er am Kreuz: Mich dürstet!
Man reichte Essig ihm mit einem Schwamm.
Die ihr die ganze Galle auf ihn stürztet,
Ihr habt gemordet Gottes Opferlamm,
Ich reichte Essig ihm. Doch ward gefürstet
Für mich Gekreuzigter am Kreuzesstamm.
Der war der wahre Lebensbaum laubkronig,
Von dem troff Essig nicht, troff Wabenhonig.
 
Und darauf sagte er: Es ist vollbracht!
Ein heiliges Geheimnis ist sein Tod,
Der uns die Lebenshoffnung hat gebracht.
Er war der Morgenstern in weiß und rot,
Der aufgeleuchtet in der tiefsten Nacht
Und unsern Leiden Sinn und Richtung bot
Und uns das Ende allen Leids verhieß
Und ewiges Leben in dem Paradies!
 
Zum Tempelraum das Vorhangstuch zerreißt
Und alle Felsen bebten sehr hienieden.
In deine Hände, Vater, meinen Geist
Empfehle ich! rief er und ist verschieden.
Zum Allerheiligsten die Wege weist
Der Hohepriester, der uns unsern Frieden
Gebracht durch sein geheimnisvolles Opfer.
Am Kreuz verschieden hängen ließ den Kopf er.
 
Maria, oh Maria, Gottes Mutter,
Die Sündelose, dornenlose Rose,
Die unbefleckt Empfangne, Jesu Mutter
Empfing zum zweiten Mal in ihrem Schoße.
Sie war der wunderschönen Liebe Mutter,
Des Makellosen Mutter, makellose
Gebärerin, empfing den Leichnam sie.
Darf reden man von ihrer Melancholie?
 
Sie hatte alle Leiden mitgelitten
Mit ihrem Sohn in ihrem Mutterherzen.
Sie ist den Kreuzweg mit hinangeschritten
An jenem Freitag in dem Monat Märzen.
Sie liebte ihren Sohn und darum bitten
Wir Kinder die auch, welche allen Schmerzen
An unsern Herzen eine Trösterin
Und durch den Heiland unsre Heilerin.
 
Doch wie ergings der Mutter im Gemüt,
Als sie im Jungfraunschoße trug den Toten?
Wie soll das singen eines Sünders Lied,
Dem nicht vertraut der Sündelosen Noten?
Wer fühlt, wie ihrer Trauer Blume blüht
Mit Rosenblütenblättern, blutigroten?
Und auf den Leichnam sank der Träne Tau,
Als Christus lag im Schoß der Lieben Frau.
 
Ob in dem heiligreinen Geist Marias
Sich die Person des vollen Heils bewußt,
Welches da lag im Tode des Messias?
Da bohrte sich durch ihre Mutterbrust
Das prophezeite Schwert. Und Jeremias
Lamentationen klangen: In den Dust
Des Todes ist gebeugt mir meine Seele!
O daß ich nicht beim Sterben Christi fehle!
 
Und meine mütterlichen Tränen fallen
Auf meinen toten Sohn und Herrn hernieder
Und meine langen Jungfraunlocken wallen
Um seine blutbenetzten Mannesglieder.
Und doch wird er der erste Mensch von allen
Erstehern sein und wird ins Leben wieder
Kehren nach seiner heiligen Verheißung,
Im Geiste zu des Vaters ewiger Preisung!
 
Als jungfräuliche Mutter seines Leibes
Fühl ich die Schräfe prophezeiten Schwerts
Und leide mit der Weichheit eines Weibes
Bis tief ins mitleidvolle Mutterherz.
O dieses Kind, an meinem Herzen bleib es!
Doch wird der Herr erstehen himmelwärts
Und ich als seine fromme Jüngerin
Preis ihn als Logos und des Lebens Sinn!
 
Wir werden seinen Leib zu Grabe tragen,
Doch gleichnishaft ist ihm sein Grab mein Schoß.
Die anderen Marien weheklagen,
Ich bin die Kleinste unter ihnen, groß
Allein durch meine Hoffnung auf das Tagen
Der schönen Sonne ewig wolkenlos.
Aus meinem reinen Schoß der Morgenröte
Ersteht der Morgenstern! Den Tod er töte!
 
Und Josef und Maria Magdalene
Den Leichnam trugen zu dem Felsengrabe.
O Muse, singe, singe mir die Szene
Zu meines elendigen Herzens Labe!
Sei Magdalenas Träne meine Träne
Und ihre Salbe werde Geistesgabe
Und schenke mir empfindsame Beschauung
Zu andrer Seelen tröstender Erbauung.
 
O Herr, wie plagte mich der böse Geist,
Daß ich in tiefen Finsternissen lag,
Da Sünde mir an dem Gewissen reißt,
Chaotische Begierde, der ich pflag.
Ich weiß im Herzen nicht, was Reinheit heißt
Und bange drum vor des Gerichtes Tag.
Mir ist es alles wieder gegenwärtig,
Wie ich mich lüstern stellte ungebärdig.
 
Da tratest du in meine arme Hütte,
Mein Meister und mein Herr, ich wars nicht wert!
Du schautest tief in meines Herzens Mitte
Und hast mich alle meine Schuld gelehrt.
Da sehnte ich mich nach der reinen Sitte,
Die Gottes Heiligkeit in Ehrfurcht ehrt,
Geist wollt ich werden, fern der Fleischeslüste,
Die ich dir deine heiligen Füße küsste!
 
Mir war, als stände ich in Feuers Mitten,
Mir brannte die Untugend in der Glut,
Ich habe an der Seele Schmerz gelitten
Und weinte meiner Reuetränen Flut.
Da bist du nach Jerusalem geschritten,
Ich folgte dir, o du mein Höchstes Gut.
Du schrittest deinen Kreuzweg, Meister, da
Sah ich dich leiden sehr auf Golgatha.
 
Man sagt, du trugest unsre Schuld hinfort.
Doch mir war anders, als ich deine Leiden
Am Kreuze sah, du fleischgewordnes Wort.
Ich wollte ebenfalls den Kreuzweg schreiten,
Dein Leid erleiden, fühlen deinen Tort,
Mit dir am Kreuze hängen wie die beiden
Verbrecher, wie der eine zu dir schrein:
O Herr, im Paradies gedenke mein!
 
Der Kreuzesleiden Ausgang war dein Tod.
O bist du tot? Ich kann es gar nicht glauben.
Doch bist du dieser Leichnam blutigrot,
Dann soll mir Gott auch meine Seele rauben!
In deinen Leib ich bette meine Not.
Reliquien will ich zusammenklauben.
Ich liege hier vor dem durchbohrten Fuße
Und salbe ihn mit Tränen meiner Buße.
 
Und leg ich deinen Leib in diese Höhle
Auf diesem knochenübersäten Hügel,
Dann sei dein Grab in meiner dunklen Seele,
Versiegelt mit dem felsenfesten Siegel
Der Lust an dir, die ich dir nicht verhehle,
Denn du bist Gottes Liebe, ich dein Spiegel!
Und siehst du mich an deinem Fleisch so handeln,
So mögst du mich in deinen Leib verwandeln!
 
 
 
ACHTER GESANG
 
Am Sabbattage waren traurig alle,
Die all auf Jesu Christ gesetzt ihr Hoffen,
Daß er sie hebe aus dem Sündenfalle,
Daß ihnen steh in ihm der Himmel offen.
Nun aber saß im Haus mit Schluchzerschwalle
Maria Magdalee, die Tränen troffen
Und netzten wie ein Schleier ihren Busen.
O singe, Hymnensingerin der Musen,
 
O singe, Hymnische der Pieriden,
Wie Magdalena zu der Freude kam
Und der, der in den einsamen Gebieten
Der Reu und Buße war vor Trauer lahm
Und matt und fand im Herzen keinen Frieden,
Weil niemand ihm die Last der Seele nahm,
Daß er den wundervollen Herrn verleugnet,
Als sich sein eignes Heil am Kreuz ereignet.
 
Die Mutterkühe auch am Sabbat kalben
Und Bienen weben Honig in der Wabe.
Doch matt vor Kummer wollt mit einem falben
Gesicht Maria Magdalee zum Grabe.
Maria Salome, nimm du die Salben,
Die ich für unsern Herrn erworben habe,
Maria Kleophas, komm mit zur Höhle.
Ihr seid die Trösterinnen meiner Seele.
 
Wenn ich den Herrn und Meister nicht mehr finde,
Seid ihr mir Gottes Bilder, ihr Marien,
Ihr honigsüßen Blüten an der Linde
Der Liebe Gottes in dem Morgenglühen.
Wenn ich in meiner Traurigkeit entschwinde,
Will ich an eure Frauenherzen fliehen,
Die ihr wie Eva schön und gottentsprungen
Und habet Gott geglaubt und Lob gesungen.
 
Doch welches Lob, ihr Frauen, ist zu singen,
Da unser Retter und Erlöser fehlt?
Er fehlt mir ja in allen, allen Dingen,
Nichts Lebendes ist ohne ihn beseelt,
Umsonst die Vögel sich zum Himmel schwingen,
Umsonst der Täuberich die Taube wählt,
Die Berge starren sinnlos und die Meere
Sind eitel und das Himmelreich ist Leere.
 
Dieselbe Trauer, tiefbetrübter Tränen,
Empfunden hatte Petrus, voller Schuld,
Daß er beim Bluten gottgeborner Venen
Und in der Stunde allerhöchster Huld
Gerichtet seiner Seele eitles Sehnen
Nur auf sein eignes Sein, da in Geduld
Er hätte mit dem Meister leiden müssen.
O Quell des Elends, Quell von Tränenflüssen!
 
Maria vor des leeren Grabes Höhle
In tiefer, tiefer Sehnsucht lobesam
Mit Liebestränen ihrer Frauenseele
Rief nahc dem gottesgleichen Bräutigam:
Mit gottgeschaffnem Glänzen der Juwele
Schau du zu mir, mit sieben Augen, Lamm,
O komm, o komm, und weide unter Lilien,
Licht send in meine traurigen Vigilien!
 
Ich sehne mich so sehr nach dir, Saphir
Des Himmels, nach den tröstenden Balsamen
Aus deiner Schönheit, du der Menschheit Zier,
Aus deinem honigwabensüßen Namen,
O komm, o komm, mein Herr, erscheine mir
Und säe in meinen Grund der Liebe Samen
Und herze und umfange deine Braut
Und tröste meine Trübsal, o mein Traut!
 
Du königlicher Löwe und du Lamm,
Du Adler und du gallenlose Taube,
Du edle Blüte an der Menschheit Stamm,
Komm du mit Huld und Gnade, daß ich glaube,
Daß nicht erloschen deines Lebens Flamm!
Das Leben selber fiel dem Tod zum Raube,
Das Leben, das dem Leben Gottes gleichkam?
O laß mich herzen, herzen deinen Leichnam!
 
Maria! säuselte ein Wehn im Wind,
Im grünen Garten lenzlich-lindes Blühn.
Maria! sang es lieblich wie ein Kind,
Wie süßer Vogelsang im Morgenglühn.
Maria! alle Sehnsuchtsgluten sind
Aus Gnade über jegliches Bemühn
Geschmolzen in dem süßen Herzen Christe,
Weil deine Liebe meine Seele küsste!
 
Sieh her, Maria! wie ein Gärtner komm
Ich wieder in das Meine: deinen Garten,
Daß deine Blumen blühen froh und fromm,
Die mußten alle auf die Sonne warten.
Das Herz des Höchsten immer für dich glomm,
Auch damals, als dich deine Sinne narrten,
Nun hat das Herz des Höchsten mich gesendet,
Hat heute meinen Anblick dir gespendet.
 
Maria, meinen Körper nicht berühre,
Bis ich gewandelt in die Herrlichkeit
Und komme wieder durch des Himmels Türe
In meines Geistes Liebesfeurigkeit,
Dann aber meinen Leib in Liebe spüre
Dein Herz verwandeln mit der Süßigkeit,
Dann küsse meinen Leib, verschling, verzehre
Mein Fleisch. Nun geh und meine Jünger lehre!
 
Maria ging zum Haus, in dem verschlossen
Die Jünger saßen, und Maria wandte
Zu Petrus sich, dem Reuetränen flossen,
Da er dreifache Leugnung Christi kannte.
Maria aber von den Lippenrosen
Zu des Betrübten Trost die Worte sandte:
Erstanden ist der Herr, er ist am Leben!
Du bitte ihn, und er wird dir vergeben!
 
Was heißt das, fragte Petrus, daß erstanden
Der Herr und lebt? Ist schon der Jüngste Tag,
Und wir sind hier noch in der Trauer Banden?
Und wie lebt er und wo? Maria, sag,
Ob deine Augen Jesus sichtbar fanden,
Sag, ob er nicht mehr in der Höhle lag?
So wie der reinen Jungfrau Schoß versiegelt,
War doch mit einem Stein das Grab verriegelt!
 
Johannes sprach: In deinem Herzen lebt
Mit Liebesglut, der wahrhaft ist gestorben.
Bei seinem Tod die Erde hat gebebt,
Der Erde Abgrund hat um ihn geworben.
Er starb am Kreuz, ist nicht davongeschwebt,
Und weiß ich auch nicht, ob sein Leib verdorben,
So denk ich doch, daß Christus wahrhaft tot
Bis zu des Jüngsten Tages Morgenrot.
 
Die allerliebste Mutter Christi aber
Sprach leise zu den beiden Zweiflern so:
Er war doch auf der Menschheit Kandelaber
Die Leuchte Gottes, flammend lichterloh,
Wie wenn die Flamme wär schon Anteilhaber
Am ewigen Morgenrot und irgendwo
Auf Petrus wartete, ihm alle Tränen
Zu stillen und Johannes all sein Sehnen?
 
Die allerliebste Mutter Christi sprach:
Den ich geboren, der ist Weg und Wahrheit
Und Leben und der Auferstehung Tag!
So macht euch auf den Weg und schafft euch Klarheit
Und tragt zum Ruhebett der Weisheit zag
Und suchend eure Zweifel voller Narrheit.
Ich sage: Wer da suchet meinen Sohn,
Der findet Weisheit und des Lebens Thron!
 
Die allerschönste Mutter Christi schaute
Zu Petrus, daß sein Herz in Flammen stand,
Weil wie des Meisters Aug ihr Auge blaute
Und wie der Lichtglanz aus der Liebe Land.
Aus Petris Auge eine Träne taute,
Beherzt nahm er Johannes’ rechte Hand:
Der Meister wird uns unsre Herzen heilen,
Laß uns zum Leib im Felsenschreine eilen!
 
Und Petrus und Johannes liefen los,
Von heißentbrannter Liebe heiß beflügelt,
So groß war ihnen Jesus Christ, so groß,
Daß sie die Wege flogen, die gehügelt
Im Morgenglanze lagen grandios,
Bis zu dem Grab, das war vom Stein versiegelt.
Sie wußten nicht, daß aus dem Grab hervor
Der Herr erstanden aus des Todes Tor!
 
Und dennoch, Kephas flog und flog dahin,
Getrieben von dem abgrundtiefen Hoffen,
Daß Christus lasse ihm die Schulden hin,
Weshalb ihm seine Reuetränen troffen.
O wäre nur der Weltgeschichte Sinn
Lebendig und das Tor des Himmels offen
Durch die Erfüllung aller Prophetie!
Ihm seufzte Jeremias Elegie!
 
Wie lagen doch die Schatten schwarzen Todes
Und quälten den, der hieß sich selbst das Leben,
Der schon gepeinigt worden durch Herodes
Und durch das wahrer-Weisheit-Widerstreben
Des Pontius Pilatus. Ein marodes
Gefühl ergreift den Jünger, ihn durchbeben
Die Ängste, aber stärker als sein Bangen
Ist seiner Hoffnung Alles-schon-empfangen!
 
Johannes, Jünger, welchen Jesus liebte,
Der ihm beim Mahle an der Brust gelegen,
Das Leben Jesu Christe so sehr liebte,
Daß er besonders reich an seinem Segen,
Der eilte Petrus noch voran, der liebte,
Daß er der Erste wollte auf den Wegen
Der Liebe sein, der Liebe zu dem Leben
Des Herrn, der alles, alles ihm gegeben.
 
Johannes rief dem Simon Petrus zu:
Mein Lieber, überflügle mich im Rennen,
Sei du beim Corpus Christi wie im Nu
Und laß dich nimmermehr von Jesus trennen
Und eile wie du kannst und sonder Ruh
Und ich will eilen mit des Herzens Brennen,
Dich noch zu überflügeln in der Liebe
Zum Herrn, der Jesseswurzel  Blütentriebe.
 
Johannes kam als Erster an das Grab
Und Petrus trat als Erster in die Höhle.
Das Schweiß- und Leichentuch zu sehen gab
Ein Cherub da den Augen seiner Seele.
Da stand er wie ein alter Hirtenstab
Und bat den Herrn um göttliche Befehle
Und anempfahl zur Buße ihm sein Leben,
Um Wort und Werke alles Gott zu geben.
 
Herr, es will Abend werden und der Tag
Hat sich geneigt mit Vogelsang und Dämmer.
Wir wandern auf der Straße bang und zag
Und an dem Wegesrande weiden Lämmer.
Der Vesperstern ist schön wie Abischag
Und sendet rötlichgoldenes Geflämmer.
Da wandern wir die Wege in die Nacht.
Und wo ist der, der uns das Licht gebracht?
 
Zwei Männer gingen an den grünen Rainen
Und über ihnen blau die Mutter Nacht
Im goldnen Mantel, schön geziert mit feinen
Sternkränzen voller glorioser Pracht.
Wir ruhen auf des Weges Feldersteinen,
Da die Natur in ihrem Glücke lacht
Und lächelt leis beseligt in die Stille.
O Her, gescheh auf Erden auch dein Wille!
 
Da trat ein Dritter zu den Wanderern
So unbeschreiblich und geheimnisvoll.
An seiner Wimper trug er einen Stern,
Ein offnes Meer der Liebe um ihn schwoll.
Doch noch erkannten sie ihn nicht, den Herrn,
Doch voller Güte sah er gnadenvoll
Auf ihre Blindheit, lehrte sie die Weisheit
Vom Freudengarten und des Kleides Weißheit.
 
Er lehrte sie vom ersten Menschen alles,
Der von der Erden war genommen worden,
Wie vor der Pforte eines Mauerwalles
Mit eines Engels Feuers Überborden
Die Beiden standen nach des Sündenfalles
Hochmut und Gier im fernen kalten Norden.
Doch Weibes Samen wird die Schlang zernichten,
Ein neuer Garten Eden wird sich lichten!
 
Er sprach zu ihnen von der Flut der Sünde,
Von Noah als dem einzigen Gerechten,
Der seine Frau und seine lieben Kinde
Geborgen in der Arche, der verpechten.
Sie fuhr daher im bergehohen Winde
Und brachte nach dem Untergang des Schlechten
Das neue Leben vor: zuerst den Weinstock!
(O Nacht, o wie umhüllt die Bloßen Dein Rock!)
 
Da trat das Licht in ihre Hütte ein
Mit staubesdunklen bloßen Wanderfüßen
Voll wunderbarem dunklem Sternenschein.
Den Himmelsvater voller Dank zu grüßen
Und Brot zu brechen, zu bereiten Wein,
War sein in jener Nacht, der wundersüßen,
Da er gewärtig war im Tabernakel
Verklärten Leibs, voll Wunden, ohne Makel.
 
Erbarme dich, o schenk uns dein Erbarmen,
Du Herr der Throne, Mächte und Gewalten!
Durch dich wir ruhen in des Vaters Armen,
Du Wunderrat in einerlei Gestalten!
Im Corpus Christi ruhen wir am warmen
Herz Jesu des Messias, und beim Alten
An Tagen, welcher ist wie eine Nacht,
Da Christus sich den Menschen dargebracht.
 
Die Jünger waren nahe Magdalee
Im grünen, grünen Garten Galiläa,
Sie waren in der Frühe auf dem See,
Die Wellen waren Nymphen von Judäa,
Und magisch war des fernen Hermon Schnee
Weiß wie ein Linnenkleid aus Ituräa.
Und aus dem keuschen Schoß der Morgenröte
Der Morgenglanz der Ewigkeit herwehte.
 
Im Morgen süß begann ein Vogelsang,
Ein Hymnensingen und ein Jubilieren
Den ganzen Garten Eden liebentlang
Und Flötenreihen voller zarter Zieren
Und hymnischen Gejauchzes Überschwang,
Die erst im höchten Äther sich verlieren,
Als Festgesang, als ein Davidentanz
Vorm Allerheiligsten und der Monstranz!
 
Marien Sohn herbeigewandelt kam
Und sprach zu seinen Jüngern guten Gruß:
Ein Grüßen also süß und wundersam,
Daß Petrus schwamm zu seines Meisters Fuß
Und warf sich voller Demut lobesam
Anbetend nieder: Früchte seiner Buß
Ihm waren seiner Tränen Silberperlen.
Und leiser, leiser sangen da die Merlen.
 
Johannes rief: Der Meister, der Messias,
Der Herr, der Herr ist unter uns erschienen!
Johannes sah den schönen Sohn Marias
Und Petrus wollt ihm tatenkräftig dienen,
Ihn loben mit den Tränen Jeremias
Und mit dem Schlüsselbunde, dem verliehnen,
Aus Wolken seine Tränen niederregnen -
Der Herr und Vater möge Petrus segnen!
 
O schau, mein Herr, ganz leer sind meine Hände,
Die Netze leer und keine Frucht darin.
Unfruchtbarkeit in mir zur Fülle wende,
Daß dir ein Opfer bringen kann mein Sinn.
Ich Elender, ich schwach an Haupt und Lende,
In dir zu sterben ist mir ein Gewinn.
Wie soll ich büßen, Herr, zu deinen Füßen?
Durch meines Leibes Tod, den martersüßen?
 
Und Petri Tränen aus den Schleusen sprangen
Und regneten in volen Strömen nieder,
Benetzten ihm als Tropfen seine Wangen
Und netzten seine Lippen leidensmüder
Und auf sein leidbereites Herze sanken
Die Tränen alle, seine Reuelieder
Aus Schluchzen und aus Zittern, auf den Fuß
Des Meisters. Da ward fruchtbar seine Buß.
 
Und der Messias Jesus winkte ihm
Und sprach mit einer Stimme wie ein Wetter,
Wie Wehn im Maienwinde sehr sublim:
Dem Weiner bin ich Tröster, bin ich Retter
In Bangigkeit Verlornem, und intim
In deinem Herzen leb ich, Gott der Götter,
Blühendes Leben, voller Blütentriebe
Und reinen Blumen einer wahren Liebe.
 
Drum frag ich dich, o Simon, ob du Liebe
Zum fleischgewordnen Worte Gottes hast,
Ob du dich hingibst mit der wahren Liebe
Und nichts als nur den Haß des Teufels haßt,
Und ob du zu den Mitgeschöpfen Liebe
Im Herzen fühlst, die dein Verstand nicht faßt?
Ich frage dich, o Simon, willst du dich
Hingeben voller Leidenschaft an mich?
 
Und Simon Petrus sagte: Herr, du weißt,
Daß ich dich ja von ganzem Herzen liebe,
Du bist ja meines Geistes Lebensgeist
Und Wehn im Wald und Blühn im Blumentriebe
Und Sohn des Ewigen, der Liebe heißt,
Erbarmer über Sünderinnen, Diebe
Und Trunkenbolde, haben sie nur Glauben.
Ich lieb dich abendlich im Gurrn der Tauben.
 
Und Jesus sprach: Ich frag dich, ob du liebst
Mein Angesicht in Gottes Ebenbild,
Ob du die Liebe allen Menschen gibst
Und nicht chaotischer Begierden wild
Dein Eignes suchst, wie du es einstmals triebst.
Ich frage dich, mein Freund, bist du gewillt,
Dein eignes Leben völlig hinzugeben,
Daß meine Liebe lebt in dir mein Leben?
 
Und Simon Petrus gab zur Antwort ihm:
O Herr, du weißt, ich hab dich herzlich lieb,
Du Auferstandner, Herr der Seraphim,
Der seine Liebe in mein Herz mir schrieb,
Als ich empfangen Fleisch und Blut intim
Zum Liebesglühen meines Herzens. Gib
Mir Anteil an der Frucht vom Baum des Lebens
Und laß mein Leben nimmer sein vergebens!
 
Messias Jesus sagte: Sei mein Freund,
Liebhaber meines Herzens voller Liebe,
Sei du von Rosenkränzen rings umzäunt,
Denn wahre Freiheit ist im Geist der Liebe,
Und lieb die Sünder, diene deinem Feind
Und gib Mariens Schwestern deine Liebe.
Da du im Herz nun meiner Liebe Schrieb hast,
Sag mir, o Petrus, ob du mich auch liebhast.
 
Da sank in Petri Seele Traurigkeit,
Ob Jesus seine Liebe ihm nicht glaube?
Dem er nicht beigestanden war im Leid,
Der sehend machte Blinde, hörend Taube,
Der an dem Kreuz die Menschheit benedeit,
Der war im Brotlaib, war im Blut der Traube,
Der Ewige, Allmächtige, die Liebe -
Er fragt mich, ob ich ihn von Herzen liebe?
 
O Jesu, Jesu, süßer Jesu mein!
Ich lieb dich, Granatfrucht vom Lebensbaum!
O Jesu, Jesu, süßer Jesu mein!
Ich liebe dich als meinen Mannatraum!
O Jesu, Jesu, süßer Jesu mein!
Ich küsse deines Königsmantels Saum
Und küsse, Tränen weinend meiner Buß,
Dir deinen duftgesalbten Wunderfuß!
 
Und Jesus lächelte so gnadenmild
Und sagte zu dem Schlüssel Israels
Und aller Heiden Pforte ins Gefild
Der neuen Tochter Zion, weiß wie Schmelz:
Es werde Mensch der Mensch und Christi Bild
Nimm an in ihm Gestalt. Du bist der Fels,
Auf dem ich gründe die Ecclesia,
Die ich im Geist als meine Braut schon sah!
 
Da grüßte Vogelsang den Stern im Dämmer,
Der da wie eine goldne Glocke schwang:
Sei Hirte, Kephas, weide meine Lämmer,
Du weide, Petrus, meine Schafe bang.
Ein Donnergrollen und ein Blitzgeflämmer
Besiegelten und süßer Vogelsang
In abendlichen düftereichen Myrten
Den Auftrag an der Kirche ersten Hirten.
 
Und schau nicht, wie die Anderen gedenken
Mir nachzufolgen, folge du mir nach!
Ich will dir Menschen, Völker, Zungen schenken
Als deine Herde. Folge du mir nach,
Und mußt du brechen auch in den Gelenken
Und grausam sterben, folge du mir nach,
Denn Leid ist Gnade. Dein Martyrium
Ist deine Pforte ins Mysterium.
 
 
NEUNTER GESANG
 
Und Christus mit den Augen voller Trauer,
Wie er sich hat dem Seher offenbart,
Er trat in einem wundervollen Schauer
Der Seligkeit an seine Himmelfahrt.
Zerrissne Wand einst, eingestürzte Mauer,
War er ein Halleluja nun. Ihr wart
Gesegnet, herbeseligend gesegnet,
Da eure Augen Christi Blick begegnet!
 
O tänzerischer Schwung von Himmelfahrt,
Da sangen Seraphim Hallelujah!
Da Freude mit Glückseligkeit gepaart
In andachtsvoll versunknen Herzen da.
Ein Engelslachen auf dem Antlitz ward
Zu einem Ja zu Jesus, einem Ja
Zum Leben, welches herrlich triumphierte.
Die Wolke seine Schönheit zärtlich zierte.
 
Und alles war ein Leuchten und ein Blühen
Und offen stand des Himmels Paradies!
Verzückungen und süß-orangnes Glühen
Erfüllte alle Herzen überdies.
Die Gnade floß, vor jeglichem Bemühen,
Den Raum erfüllte in der Wolke Vlies
Die Herrlichkeit des Herrn, so unaussagbar -
Und Freude alles - nichts war mehr beklagbar!
 
Wir preisen dich, o Jesu Paradies,
Der Liebe innig-süße Gegenwart!
Wir preisen dich, o Zelt der Liebe, dies
Von Licht erfüllt und Wonnenwollust ward!
Wir preisen dich, o Lamm im goldnen Vlies,
Im Fleische inkarnierter Gott von Art!
Wir beten an am Lebensbaum die Frucht -
Hinan, hinan! in himmlisch fliehender Flucht!
 
O Jubel, Jubel auf der Wolke, allen,
Daß sie teilhaftig werden alles Guten,
Dem Bräutigam des Hochzeitsmahls gefallen
Und baden in der wahren Wonne Fluten,
Im Garten der Glückseligkeit erschallen
Heilige Hymnen in Ekstasegluten!
O Geist, die Liebe komm in uns entfachen,
Auf daß wir in Glückseligkeiten lachen!
 
Die Seele, einst gewöhnt der tiefsten Trauer,
Im Tiefsten zuckt zusammen vor Entzücken!
Die höchste Lust der Liebe strömt als Schauer
Ein in ihr Innres unter Gottes Blicken!
O diese Lust will Ewigkeit und Dauer
Und immer inniger das Herz verzücken
Und überlaufen wie ein Kelch voll Wein -
Und ewig! ewig! so glückselig sein!
 
Und dann verließ er sie, verließ sie wieder,
Verließ sie wie als er im Grab gelegen.
Sie sanken in den Staub der Erde nieder
Und zitterten, ob ihnen Jesu Segen
Auf Erden bliebe. Keine Jubellieder,
Bedächtig war das Murmeln allerwegen.
O Herr, wie rasch vermögen wir zu sinken,
Wo wir nur Staub und unsre Tränen trinken.
 
O Christus, Christus, wohin gingest du,
Als du die Erde und die Welt verlassen?
Du gingest in der Himmelsheimat Ruh
Und solche Herrlichkeit, die nicht zu fassen,
Du gingest von dem Geist geleitet zu
Dem Vater, der geduldig und gelassen
Sein Heilswerk anfing und vollenden wird,
Bis alles Eine Herde, Er der Hirt.
 
Da saßen sie, die Jünger im Besinnen,
Die sie beharrlich im Gebet verharrten.
Mit ihnen ihre Schwestern, Jüngerinnen,
Johanna und Susanna, die aparten,
Und vll von einem heißerglühten Minnen
Maria Magdalena in dem zarten
Orangenen Gewand und grünen Kleid,
Umflort von einem stillen innern Leid.
 
Maria Magdalena sprach so stille:
Wie lieb, wie lieb hab ich ihn doch gehabt!
Zu seinen Füßen hört ich Weisheitsfülle
Und habe mich an seinem Wort gelabt,
Wie er verkündigt hat des Vaters Wille
Und lehrte mich, mit großem Herz begabt,
Die Liebe, die vergibt der Sünden Menge,
Der Gottheit Höhe, Tiefe, Breite, Länge.
 
Maria Magdalena sprach so leise:
Wie muß ich meinen Liebsten nun vermissen,
Da er gewandert nach dem Paradeise
Und ich verbleib an dunklen Tränenflüssen.
Doch will ich singen nach der Lilienweise
Dem Liebsten, meine Sünden alle büßen,
Bis meine Tränen schöne Perlen werden,
Mit denen man Gebete spricht auf Erden.
 
Einsiedlerisch will ich mein Leben leben
Und Tränen fallen lassen, so wie Tau,
Auf alle Malven von Magdala, beben
Soll wie purpurner Mohn mein Herze, schau,
Wenn mir mein Herz erzittert, schweben
Will ich wie eine Iris in das Blau
Und blühn im Paradies beim Lebensbaum -
Und meine Feige grüßt der Liebe Traum!
 
Da kam der Geist in seiner Liebe Glut,
Die Braut empfing ihn mit dem reinen Herzen,
Er kam wie Rauschen großer Wasserflut
Und Trost für alle ihre Seelenschmerzen,
Er gab der bang Verzagten neuen Mut
Und zündete ein Feuer auf den Kerzen
Und Licht ward alles, Freudentanz von Licht,
Ein Feuer, dem es nie an Öl gebricht.
 
Der Geist kam her in lauter Überwallen
Und schönem Feuer der Begeisterungen
Und ist der Braut ins lange Haar gefallen
Und hat als Wind sich durch ihr Haar geschwungen
Und war Liebkoser ihren Locken allen
Und küsste sie mit sieben Feuerzungen
Und küsste sie auf ihren Rosenmund,
Da wurde sie vor heißer Liebe wund!
 
Der Geist fiel ein, ein Feuerbräutigam,
Der setzte Mutter Erde ganz in Brand.
Er wehte lind, so sanfte wie ein Lamm,
Er weidete in dem verschlossnen Land.
Er war das Wehn im Laub, sie war der Stamm,
Er küsste ihr vollendet ihre Hand.
Sie legte ihre Hand sich auf das Herz,
Da war vergangen alsogleich der Schmerz.
 
Der Geist kam wie des Morgenglanzes Glühen
Und rosiggolden wurde alles Meer.
Der Geist kam wie ein Abendfeuersprühen
Und hüllte sie in Glut, die hold und hehr.
Er sah sie seinem Herz entgegenfliehen
Im weißen Kleid, der Geist war klar und leer,
Ja, reine Leere und kristallne Klarheit
Und Fülle Gott des Herrn war seine Wahrheit.
 
Der Geist kam sanfte zu der Braut wie ein
Liebhaber alles Guten, Schönen, Holden,
Sie ward verschönt von seinem roten Wein,
Er wollte alle Dinge ihr vergolden,
Er schenkte ihr der wahren Weisheit Stein,
Sein Tau sank tief in ihre Blütendolden,
Er fiel mit einem heilig-wilden Sturm
Ihr in das Herz und wohnte in dem Turm.
 
Der Geist in seinem Düften myrrheschwer
Als Salböl sank ihr auf das holde Haupt,
Sie duftete wie süße Myrrhe sehr,
Salbhörnchen sie, die seinem Horn geglaubt,
Er kam zu ihr so wie ein Dieb daher
Und hat ihr ewiglich das Herz geraubt.
Da neigte sie sich vor dem reinen Licht.
Beglänzt von Tränen war ihr Angesicht.
 
Der Geist kam als die Herrlichkeit des Herrn
Und wölkte in der Tochter Zion Zelt.
Der Braut hing an der Wimper gold ein Stern,
Er aber war ihr Beistand und ihr Held.
Ihr Schmuck war Granatapfelkern an Kern,
Er wie ein Wallen in die Glocken fällt
Und was er läutet ist das Lied der Buße -
Sie sinkt ins Knie, sie sinkt zu seinem Fuße.
 
Der Geist kam wie ein wundervoller Minner
Und trat zu ihr in inniger Vigilie.
Sie war sein Opfer, er ihr Herzgewinner,
Er war der Wind und Tau, sie war die Lilie.
Er war der Segen, war der süße Brenner,
Sie war die Mutter heiliger Familie.
Da neigte sich der Geist zu der Geliebten,
Der Tröster zu der Trösterin Betrübten.
 
Er war die Gottes Herz entsprungne Reinheit,
Ihr Herz war um der Liebe willen rein.
Er war der König über die Gemeinheit,
Sie war die holde Fürstin falterfein.
Geist der Dreifaltigkeit, er suchte Einheit
Und ging ins Herz der Braut der Liebe ein
Und zündete in Andacht Bienenkerzen
In ihrem honigwabensüßen Herzen.
 
Heiliger Geist, des Vaters und des Sohnes
Urewiglicher Geist, der Liebe Geist!
Wie soll, das fleht zur Hoheit deines Thrones,
Ein Herz dir singen, das du sündig weißt?
Ein Herz, das lieben will! O Herr, verschon es!
Wie soll ein Herz die singen, die da gleißt
Holdselig in der Anmut keuschen Reinheit?
Und welche Sprache hätte solche Feinheit?
 
O Mutter Christi, die du da im Kreis
Der Jünger saßest und den Geist empfingst,
Wie ward dir alles Laute lind und leis,
Die du anhebst und Halleluja singst
In deinem Schleier und dem Kleide weiß,
Das blaue Band des Gürtels betend schwingst
Und so wie David vor der Bundeslade
Schön tanzest vor des Allerhöchsten Gnade!
 
Und Petrus du, am Herzen nun erneuert,
Am Herzen durch den Heiligen Geist gestärkt,
Von Gottes Gnade überreich befeuert,
Dein Herz die Liebe Christi wieder merkt,
Dem du die Liebe inniglich beteuert,
Der nun auf dir als seiner Liebe werkt
Und hat ein Lied der Liebe süß gesungen -
Und Kefa, Kefa sprach in Engelszungen!
 
O Zawlazaw, Jehowah, Kawlakaw!
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Versammle die Gemeinde mir beim Mahl,
Beim Opfer, da das Opferlamm gespeist.
Brotbrechen nannten sie es dazumal,
Das Brot des Himmels war es durch den Geist.
Die Gläubigen empfingen in dem Saal
Das Manna, mit dem Kelch gereicht zumeist,
Den guten Kelch, den heiligen Kelch des Blutes.
O Herr der Potentates und Virtutes!
 
Das Wort des Herrn ist süß wie Honigwaben
Und mundet wie Rosinenkuchen süß.
Der Geist, der Heilige der sieben Gaben,
Macht Mehl und Öl zur Frucht vom Paradies,
Die Herzen mit der Liebe zu erlaben,
Ein Zeichen für das Lamm im Purpurvlies:
Vom Blut des Holzes rot das reine Lamm,
Das Lamm, das Krone trägt und Kreuzesstamm.
 
O Brot, du König in dem Gottesstaat,
O Brot, du Stern geborn aus Morgenrot,
O Brot, du allen Herzen Wortes Saat,
O Brot, du Fisch in Petri Fischerboot,
O Brot, du allen Seelen Geistes Rat,
O Brot, du Heliand in Nacht und Not,
O Brot, du Heiland aller wehen Schmerzen,
O Leib des Herrn, dich ehr ich mit dem Herzen!
 
In Winternacht bist du der Flügelschritt,
Da blühen Rosen, rot und rot und rot,
Im weißen Schnee, da dir ein Büßer litt
Und sehnte sich wie Kefa nach dem Tod.
O Mutter des Erlösers, für ihn bitt,
Gib ihm den Morgenstern aus Morgenrot,
Daß Er ihn wandele in Christus um
Durchs eucharistische Mysterium!
 
O selige Beseligung und Freude
Der Seele, daß sie tanzt den Freudentanz
Im andachtsvollen heiligen Gebäude,
Zum Halleluja Zimbelreigentanz!
O liebet, Kinder, liebt eure Feinde!
Johannes sprachs. Und wie im Sternenkranz
Maria saß in der Versammlung Mitte
Und betete zu Jesus eine Bitte.
 
Leib Christi, sagte Petrus, als er gab
Das Sakrament der Gottesliebe allen,
Die da versammelt um den Hirtenstab,
Dem dreimal Jesus Christus war gefallen
Und welcher sieben, siebzigmal vergab!
Der war als Priester in den heiligen Hallen
An Stelle Christi, der sich spendete
Im Fleisch, der die Apostel sendete.
 
Johannes hat an Jesu Brust gelegen,
An seinem Blut-durchströmten süßen Herzen.
Er war der Sohn der Mutter, unterm Segen
Der Mutter Jesu, Mutter aller Schmerzen,
Stand er, der wallte auf Messias’ Wegen
Und zündete der Jungfrau ihre Kerzen,
Wenn sie in tiefer Andacht war versunken
Und hat vom heiligen Blut des Herrn getrunken.
 
O voller gottversunknwer Andacht, welch
Ein Kreuzeszeichen machte nun Johannes
Und segnete den roten Wein im Kelch.
Und die gereiften Trauben eines Mannes
Verwandelten sich in den Gnadenkelch
Der Liebe Gottes. Jesu Geist, der kann es
Aus Schlangengift verwandeln in den Trank
Zu Gottes Lob und Preis und Ruhm und Dank!
 
O trinke Feuer aus dem reinen Wein,
Ein Feuer wahrer Liebe, und erheisch
Die Liebe dir zu allem, was da rein,
Und ein Erbarmen über alles Fleisch
Und Glauben an des Geistes Nahesein,
Des Sohnes einer Jungfrau rein und keusch,
Des ewigen Vaters, Herrn der himmlischen Heere,
Der Liebe, die da herrscht in jeder Sphäre!
 
O Gottes Gnade und Barmherzigkeit!
Rief Petrus als Empfangender des Blutes
Des Lamms! Lob sei dir alle Ewigkeit,
Du Herr der Potentates und Virtutes,
Du Herrlicher in deiner Heiligkeit,
Du allen Heiligen ihr einzig Gutes,
Theos und Kyrios der Kyriothes,
Messias, dir, und Jahwe Zevaothes!
 
Und Petrus speiste Jesu Christi leiblich,
Blutüberströmten Leib des Herrn der Gnade.
Die tiefe Trunkenheit war unbeschreiblich,
Er sah den Regenbogen, Thron von Jade,
Er sah die Stadt des Herrn im Himmel, weiblich
Als Braut geschmückt, gekommen aus dem Bade
Des Wortes Gottes und des Geistes Taube,
Verherrlicht hatte sie ihr Liebesglaube!
 
Und inniger und inniger ward ihm
Von jesuanischer Barmherzigkeit
Gespeist der Glaube, da der Herr intim
Im Herzen wohnte, welcher alle Zeit
Bei Petrus blieb. Und von Mahanajim
Die Engel aus Jehowahs Herrlichkeit
Geblieben sind an Simon Petri Seite,
Der schritt voran in seinem Kreuzesleide.

[Inhalt]

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