[Inhalt]

DIE MYSTISCHE OPERATION

Von Peter Torstein Schwanke

„Nur mit meiner Zähne Haut bin ich davongekommen...“
(Hiob)

„Die Perlen, so geweint dein treuer Schmerze,
Sie wird sie zierlich all zusammenbinden,
Mit eigner Kette so dich süß umwinden,
Hinaufzuziehn an Mund und blühend Herze –
Was Himmel schloß, mag nicht der Himmel brechen.“
(Eichendorff)




ERSTER TEIL
DER BUND MEINER JUGEND


MADONNA MARION

1

Ich war ein reiner Tor, der Frieden wollte
In Rußland und Amerika und Deutschland,
Den Frieden in den beiden deutschen Ländern,
Dem deutschen Lande unter der Partei,
Dem deutschen Lande unterm Kapital.
Die jungen Menschen im Gymnasion
Verwandelten die Aula zum Theater
Und zeigten dort Lysistrata, die Frau
Gesegneter Antike, deren Weisheit
Die Weigerung der Schar der Frauen war,
Sich ihren Ehegatten hinzugeben,
Solange diese Männer Kriege führten.
Erst wenn der Friede wieder eingekehrt,
Beschenkten auch die Frauen ihre Männer
Mit körperlicher Liebe auf dem Lager.
Dies Fasten in der Sexualität
Der Feministinnen der goldnen Zeit
Beendete mit Macht der Väter Krieg.
Ich war verliebt in die Lysistrata,
Ich liebte alle Frauen von Athen,
Ich glaubte an die Weisheit dieser Frauen
Und daß der Friede von den Frauen kommt.


2

Bei dem Gymnasion war eine Schenke,
Da ich als Narr mit andern Narren zechte.
Dort schaute ich in einer Frühlingsnacht
Auf einmal in den Lichtglanz großer Augen.
Dort schaute mich aus Augen Seele an,
Dort schaut mich vom Vollmond an die Liebe!
Gleich liebte ich die Frau mit solchen Augen!
O dieses weiblich weiche Angesicht,
Das schlanke Antlitz in den braunen Locken,
Der jugendfrische mädchenreine Leib,
Die Kleidung femininer Phantasie!
Ja, ich verlor mein Herz in jener Nacht
Ans Ideal Madonna Marion!


3

Die weißen Herren in Südafrika
Tyrannisch unterdrückten alle Schwarzen.
Wir Narren in der Bundesrepublik
Des deutschen Landes solidarisierten
Uns mit den Schwarzen, Männern, Frauen, Kindern.
Für ein Theater jugendlicher Laien
Schrieb ich ein Szenenspiel des Widerstandes
Der Schwarzen gegen alle Unterdrückung.
Ich glaub, es hieß: Die blutige Orange.
Die edlen Jünglinge und holden Mädchen
Der solidarischen Theatergruppe
Studierten meines Szenenspieles Torheit
Im evangelischen Gemeindehaus.
Ich, der ich sonst nichts anderes gelesen
Als das vermaledeite Manifest
Des kommunistischen Gespensterwesens
Und die verkehrte Dialektik Lenins
Und jene Anti-Poesie von Brecht,
Im evangelischen Gemeindehaus
Begehrte ich, die Heilige Schrift zu lesen
Und stahl mir eine Bibel – Felix culpa!


4

Die Industrie der Zivilisation
Vergiftete des Äthers Atmosphäre.
Es weht im Himmel um die Mutter Erde
Ein Schleier und ein Schutzschirm von Ozon,
Der Sonne violette Todesstrahlen
Von unsrer Mutter Erde abzuwehren.
Das Gift der Zivilisation des Todes
Zerfetzte nun den Schleier von Ozon.
Die heilige Madonna Marion
Schrieb nun mit mir gemeinsam eine Botschaft,
Da wir prophetisch deuteten die Zeichen
Der Zeit nach der Geheimen Offenbarung,
Da ausgegossen wurde von den Engeln
Des Zornes Schale, die durchlöchert war,
Ergossen ward die Glut des Zornes Gottes.
Die Kommunisten aber auf dem Markt,
Sie lästerten der Botschaft Prophetie.
Mir aber ist Madonna Marion
Erschienen als die Frau der Apokalypse!


5

Madonna Marion erwählte mich
Zu ihrem Harlekin der Prozession,
Der Prozession der Revolution
Fürs Recht des Evangeliums des Lebens.
Gott baute seinen Menschen aus den Genen,
Der Mensch will aber selber Schöpfer sein
Und lauscht der Schlangenweisheit, die verheißt:
Dich, Mensch, dich mache ich der Gottheit gleich
Durch diese Früchte deiner Wissenschaft.
Madonna Marion als Muse schuf
Mit mir als dem Direktor des Theaters
Nun eine Prozession der Apokalypse,
Wo wie ein Biest gestiegen aus dem Abgrund
Monströse Wesen und Mutanten waren.
Die Häßlichkeit, die Satan zeugen will,
Die zeigten wir den Bürgern auf dem Markt,
Wir prozessierten in des Bösen Masken,
Daß reine Kinder rannten schreiend fort.


6

Nun kam zu mir Madonnas Minnesänger,
Der adlige, der edle Freiherr Joseph
Von Eichendorff mit seinem Taugenichts,
Der von des Vaters Hause fortgezogen
Mit seiner Geige und dem Lied der Liebe
Und sah auf einem nächtlichen Balkon
Liebfraue stehn, Holdseligste der Damen.
Der Taugenichts war ein verliebter Tor,
Ein reiner Tor der Dame seiner Seele.
Ich aß das Büchlein auf dem Friedhofshügel
Der großen Mutterkirche von Sankt Ludger,
Als unter die Kastanienbäume trat
Holdselig still Madonna Marion,
Da ich, von ihrem Dasein inspiriert,
Erzählte von dem Traum, ein Tor zu sein
Auf Pilgerschaft zu der romantischen
Liebfraue als dem Ideal der Minne.
Madonna Marion mit weisem Lächeln
Erklärte, daß sie Eichendorff verehre
Und Liebe diesen Traum des reinen Toren,
Denn wahrhaft weise sei der Tor der Liebe.


7

Ich sah ein Bild, ich schaute ein Gemälde,
Das stammte aus der rosa Periode
Des Malers, der gemalt die Zirkusleute,
Die ganze italienische Komödie.
Da sah ich Harlekin und die Gefährtin,
Tiefsinnig ernsthaft schauen Harlekin
Und melancholisch seine sanfte Freundin.
Und sie, die freundlich-ernste Colombine,
Die melancholisch sanfte Turteltaube,
Die schöne Anima des reinen Toren,
Sie ähnelte Madonna Marion.
Der reine Tor und seine Anima
Ernst melancholisch schauten in die Ferne,
In die verlorne Heimat ihrer Seele.


8

Auch schaute ich ein Bild von Albrecht Dürer,
Das schönste aller seiner Meisterwerke,
Die große Dame Melencolia.
Schwermütig brütend saß des Künstlers Seele,
Die melancholische Gestalt der Seele,
Die Anima des inspirierten Künstlers,
Die schwermutschwere Psyche seiner Kunst.
Die Schwermut ihrer melancholischen
Begeisterung und inspirierten Weisheit
Aufstrahlte in dem Weißen ihrer Augen,
Die schauten wie das Licht von Gottes Licht
In eine grenzenlose Ewigkeit
Als wie in reines absolutes Nichts,
Und doch war dieses Licht im Licht der Augen
Die Fülle einer grenzenlosen Weisheit
Und eines uferlosen Liebesmeeres,
Des Liebesmeeres unbefleckten Lichtes.
Wie Melencolia und ihre Augen,
So mir erschien Madonna Marion,
So sah ich ihrer Augen Gotteslicht.


9

Auf dem Balkon an einem Sommerabend
Ich las die Friedensfeier Hölderlins.
So brüderlich verwandt war mir die Seele
Des Sehers, welcher trunken Christus ahnte,
In meiner Seele seine Seele lebte
Mit ihrem Traum voll Trauer auf der Stirne,
Daß ich mit seinen Augen aufgeschaut
Zum lichten Himmel an dem Sommerabend,
Da auch der Himmel selbst die Friedensfeier
Der Allversöhnung feierte, ein Friede
Sich wie ein Strahl der Sonne mir von Christus
Auf meine Seele senkte, daß ich spürte
Den Frieden Christi über den Verstand,
Den Frieden, welcher von dem Himmel kommt
Im graden Strahl des Lichts, dem Zepter Christi.
Da sah ich aus dem Himmel über mir
Die Hand des Herrn erscheinen, mich zu segnen.


10

Vom Frieden holder Himmelsherrlichkeit
Berührt, ging ich in das Gymnasion,
Da Schüler eine Feier feierten.
Mir wurde das Gymnasion zum Tempel,
Antike Säulen standen aufrecht da,
Ich wandelte in stiller Wandelhalle
In innrer Seelenruhe, innerm Frieden.
Im Nebel der Erinnerung erscheinen
Mir alle Jungfraun des Gymnasion
Als weißgewandete Geweihte Gottes,
Als Heilige in reinem weißen Linnen.
Die Priesterin antiker Jungfraun war
Madonna Marion erschienen in
Dem Geist als Seele des Gymnasion,
Als Jungfrau aller Jungfraun, als die Seele
Des Heiligtums, die Friedenskönigin,
Die innere Geliebte meiner Seele.


11

Einst war ich mit Madonna Marion
Bei einem Festival der Kommunisten.
Da lag sie oben in dem hohen Bett,
Und Harlekin und Colombine waren
Als Marionetten angebracht am Bett.
Ich las die Verse an die Schöne Dame
Und wachte in der Nacht, dieweil sie schlief.
Die reine Venus, ohne Leidenschaft,
Die Schöne Dame war sie, die Ikone,
Vor der ich meine Kerze zündete.
Es wachten in der Nacht die Märchenträume.
Sie, Engel von dem Stern der Phantasie,
Sie wohnte in dem goldnen Wolkenschloß,
Das himmlisch das Mysterium beschirmt,
Die Pforte des Mysteriums aus Glut
Zum Himmelsschloß, aus Gottes Licht gebaut.


12

Am Morgen in der frischen Morgenröte
Bin ich getreten in die Burg von Aurach
Und pflückte Rosen von den Rosenstöcken.
Die roten Rosenblütenblätter streute
Ich liebend vor Madonna Marion,
Die still erwachte in dem Himmelsbett.
Sie nahm die roten Rosenblütenblätter,
Die sie verstreute in dem ganzen Raum,
Als wollt sie ihre Liebe allen schenken,
Und legte rote Rosenblütenblätter in
Das Lyrikbuch, vom weißen Schwan gekrönt.
In jenem traumgekrönten Schwanensang
Des überirdischen Poeten Rainer
Maria Rilke lag ein Rosenblatt
Und weihte den Gesang der reinen Mädchen
An die Madonna, Rose aller Rosen.
Da schaute ich Madonna Marion
Am Fenster stehen, schauen aus der Burg.
Die Rosenblüten lagen auf der Brüstung.
Die Brüste bebten ihr vor süßer Sehnsucht,
Die Brüste bebten ihr zur fernen Heimat,
Die Sehnsucht schmolz zur Heimat in dem Himmel.


13

Ich sah Madonna Marion im Bad,
Ich schaute ihre makellosen Brüste,
Die Brüste siebzehnjähriger Madonna,
Die weißen Äpfel reiner Perfektion,
Die himmlischen Insignien der Göttin,
Die sie in der jungfräulich reinen Scham
Verschleierte mit einem Purpurschleier.
Verschleiert von dem purpurroten Schleier
Sah ich Madonna an, die Mädchengöttin,
Die makellose, unbefleckte Jungfrau
Diana, wie Tiresias, der Seher,
Der, weil er sah die Mädchengöttin nackt,
Erblindete und wurde ein Prophet.


14

Ich kehrte einsam nach Ostfriesland wieder
Und saß auf einer Weide unter Pferden,
Die friedlich grasten auf der grünen Wiese.
Dort saß ich traurig angedenkend beim
Gebüsch und blätterte in einem Buch,
Da sprach Maria Rainer Rilke von
Der Liebe, von der idealen Liebe.
Der Liebende begehrte von der Liebsten
Nur eins, daß sie die Freiheit ihm bewahre.
Er sprach zu der Geliebten in der Ferne:
Du lichte Frau, du Schleier der Madonna,
Sei du mir wie ein Turm von Elfenbein
Und sei mir Wächter meiner Einsamkeit.
Da sang ich für Madonna Marion
Sonette marionischer Romanze
Und wollte, da die Muse mir begegnet,
Poet der Muse sein, der Muse Priester,
Mein Leben weihend ganz dem Dienst der Muse,
Der Frau in der Geheimen Offenbarung.


15

Es kam der goldne Herbst. In meiner Wohnung,
Dem Turm von Elfenbein der Einsamkeit,
Studierte ich die Weisheit der Poeten,
Als eines Tages trat in meine Wohnung
Madonna Marion im goldnem Kleid,
Gehüllt in eine Aura ganz wie Himmel
Und Lichtglanz Gottes, daß ich niederkniete
Vor Sankt Madonna Marion, sie bittend
Um ihrer Handauflegung Segensspende.
Da legte mir die himmelgleiche Herrin
Die Hand aufs Haupt und sprach den Friedenssegen.
Und ich erhob gesegnet mich von ihr
Und schaute sie gehüllt in Glut der Schönheit,
Die Frau im Schleier ganz aus Glut der Schönheit,
Daß ich wie sprachlos stand vor ihrer Hoheit.
Sie aber war vom Geiste inspiriert
Und sprach in flammender Begeisterung:
Ich schaute eine göttliche Vision,
Will die Vision nun künstlerisch gestalten.


16

O Diotima, Priesterin der Liebe,
Du Himmlische, du heilig holde Frau,
Du idealische Idee der Schönheit,
Wie wandelst du holdselig durch die Zeit
Als Seele und Geheimnis der Natur!
Wie eine Charis aus den Tagen Platons,
Mit anonymem Christentum bereichert,
So wandelst du als Inbegriff der Tugend
Durch alle grause Barbarei der Welt.
Du bist die holde Schönheit Griechenlands,
Als trunkne Seherin die Muse Christi,
Die weissagt, wie der Sohn des Höchsten kommt,
Er kommen wird zur großen Friedensfeier.
Du schöne, herrliche Natur, o Frau,
Du bist dem Gottesmann die Führerin
Als reiner Spiegel der Urania!


17

Suleika, du Geliebte meiner Jugend,
Wie lieblich war mir die Jungfräulichkeit
Des Reizes erster heiliger Begegnung!
Da war ich einsam auf dem Weg zur Schenke,
Wo wahrlich mir der Knabe eingeschenkt
Den Philosophenwein der Knabenminne!
Da sah ich dich, Suleika, Gottes Spiegel!
Vergänglich zwar sind deine Jugendreize,
Die braunen Locken deines Angesichts,
Doch ewig steht vor dem Prophetengeist
Bei seinem Angedenken trunken liebend
Dein Jugendreiz als Ebenbild Allahs!
Gott lieben, das ist allerschönste Weisheit,
Gott lieb ich nämlich in dem Gottesbild
Der Allgeliebten diesen Augenblick!


18

O Fanny, die ich liebte liebender
Als Liebende geliebt in diesen Zeiten!
Du warst die Muse meiner Religion
Und meiner Auferstehung schönste Hoffnung,
Wenn Salem dann, der Himmlische der Liebe,
Uns zueinander führt im Paradies!
Wie weh war mir doch, daß ich dich geliebt,
Daß du nicht liebtest, wie ich dich geliebt!
Doch wurde das Mysterium der Liebe
Von dir mir offenbart, so daß ich selig
Durch dich mit dem seraphischen Gesang
Jehowahs schönsten Zug verklärt, die Liebe!


19

Sophie, du warest die geheime Blüte,
Allsehnsucht nach der Gottvereinigung!
Du warst die reine Jungfrau meiner Seele,
Die Himmelsmuse meines Minnesanges,
Frau Weisheit im geheimnisvollen Schleier,
Den hob ich auf und sank dir in die Arme,
Verlobte meiner Seele bis zum Tode,
Geheimnisvolle Ehefrau im Jenseits!
Weltseele warest du dem Philosophen,
Die göttliche Einwohnung in der Schöpfung!
Du warst mein Herz und meine Gottesliebe!
(Sophie ist Christus, Christus ist Sophie.)


ANIMA MEA

1

Ich stieg im Traume eine Wendeltreppe
Hinan und kam zu einer kleinen Öffnung,
Durch die ich kroch in einen großen Raum.
Es hingen in dem Raume viele Tücher,
Viel bunte Tücher, seidenfeine Schleier,
Es war ein Labyrinth aus Seidenschleiern.
Ich irrte durch das Schleierlabyrinth
Und suchte einen Ausgang, Tür und Fenster.
Doch alles, was ich sah, war ein Symbol
Am Boden, das aus Schwarz und Weiß bestand.
Da trat ich auf die weiße Fläche, um
Die schwarze Fläche aufzutun als Ausweg,
Vielleicht auch umgekehrt. Die Dialektik
Bewegte nichts. Da sah ich in dem Grunde
Ein Loch, das führte endlos in die Tiefe.
Ich schlüpfte durch das Loch und schlüpfte so
In einen Tunnel, der aus Stoffen war,
Der führte dann in einen weitern Tunnel,
Und so vom Tunnel zu dem nächsten Tunnel
Ich rutschte immer weiter in die Tiefe,
Bis ich in einer Schaukel landete.
Die Schaukel hing an einem grünen Baum,
Der stand in einem lichten grünen Garten.
Ich schaukelte so selig hin und her,
Da trat zu mir im weißen Seidenkleid
Und goldnen Locken eine schöne Frau,
Antike Priesterin und Jungfrau-Muse.
Sie war aus Lichtglanz und Holdseligkeit,
Ganz reine Seele, holde Frauenschönheit.
Sie hielt in ihren Händen eine Rolle
Von Pergament und las daraus mir vor,
Sie las harmonisch schöne Worte vor,
Die klangen wie die Weltenharmonie.
Und ich sang ihre Worte leise nach,
Das Lied verklang in der Unendlichkeit.


2

Ich ging des Nachts allein an der Ardeche,
Dem Seitenarm der Rhone in der Provence.
Da floß der Strom so still und silberklar
Vor einem hohen Felsgestein vorüber.
Da sah ich mit den Augen meiner Seele
Ein grünes Licht das Felsgestein beziehen,
Wie Magnetismus oder eine Aura,
Lichtgrüne Herrlichkeit in dunkler Nacht,
Unsichtbar, aber sichtbar meiner Seele,
Verschleiern jene dunkle Felsenwand.
Da sah ich mit den Augen meiner Seele
Auf jenem Felsgesteine eine Hütte,
Wie eines Eremiten stille Hütte.
In jener Hütte wohnte eine Frau.
Mir schien, sie war die Nymphe Echo, denn
Unsichtbar war sie, sichtbar nur der Seele,
Ein reiner Geist, ein Wesen ganz aus Licht.
Sie war die weiße Dame meiner Seele
Und eine edle Hohepriesterin
Der mystischen Mysterien der Seele.
Ich sah sie legen Schicksalslose, sah
Sie eingeweiht in die Arkana Gottes.
Da sprach ich nur in meinem Geist zu ihr:
O weiße Dame, meine Freundin sagt,
Es gäbe keine Götter, keine Gottheit.
Da hörte ich der weißen Dame Stimme
Wie meiner eignen Seele Stimme flüstern
Und wehen wie der Wind durch meine Seele:
Fürwahr, das Göttliche ist in dir innen!
Als sie verkündet diesen Weisheitsspruch,
Schwand die Erscheinung, und die Nacht war dunkel.


3

Es war Sylvesternacht zum Neujahrsmorgen.
Ich dachte an die heimliche Geliebte,
Die unerreichbar ideale Traumfrau,
Und las von ihr in mystischen Gedichten.
Da war sie Psyche, jene Zauberin,
War Donna Anna oder Colombine.
Zerrissen von dem Lärm der Wirklichkeit
Ich eilte zu dem einzigen Asyl,
Dem Friedhofshain der Oldenburger Juden
Im Alten Osternburg bei Heilig Geist,
Der großen schwanenweißen Mutterkirche.
Dort saß ich in der dunklen Mitternacht,
Der Wind durchrauschte schauerlich die Eichen,
An die sich klammerte der treue Efeu.
Anhänglich liebend war und treu der Efeu
Und doch erstickte er die stolze Eiche.
Hier standen Gräbersteine, Monumente,
Hebräische Erinnerung der Namen.
Hier war der Frost, die Nacht ein Eiskristall,
Ein klarer klingender Kristall das All.
Wie eine Mutter stand dort die Kapelle,
Schneeweißer Tempel wie ein Mutterschoß.
Und dort erschien mir in der Mitternacht
Madonna, die Madonna Israels,
Das Haupt bedeckt mit einem langen Schleier,
Ihr Mantel dunkelblau wie Mutter Nacht,
Ihr Rock wie eine Rose purpurrot.
Ihr Antlitz war von stiller sanfter Demut,
Ihr Auge schaute tief in meine Seele.
Ein leises Lächeln, fast wie Traurigkeit,
Ein wissendes um die Geheimnisse
Der heimlichen Geliebten meiner Seele,
War mir ein wundersüßer Muttertrost.
Zwar konnte ich nicht beten zu der Frau,
Auch wußte ich zu beten nicht zu Gott,
Doch lieben konnte ich die reine Jungfrau,
Doch dankbar schweigen vor der holden Dame
Und von der Heiligen mich lieben lassen
Mit allverzeihender Mutterliebe Gottes.


4

Ich war mit meiner lieben treuen Freundin
In einem kleinen Dorf im Baskenland,
Das lag am Fuß der Pyrenäen Frankreichs,
Omize hieß das Dorf, dort lebten Bauern
Und Hirten, welche weideten die Schafe.
Wir gingen einmal auf den Friedhof, dort
Begraben lag die Schwester ihrer Mutter.
Die Freundin stand am Grabe ihrer Tante
Und weinte um die Tote heiße Tränen,
Sie weinte um sich selbst und um die Mutter,
Sie weinte um die Welt und um den Tod.
Die Seele ihrer Tante aber war
Schon wie ein Engel in dem Himmelreich,
Bemüht, die Seelen ihrer Hinterlassnen
Durch Traumvisionen zu dem Herrn zu führen.
Ich sah die kleine Freundin voller Trauer
Und wurde selber überschwemmt von Mitleid.
Es war an dem Kalendertage der
Schutzengel aller Menschen, von der Kirche
Gefeiert als die himmlischen Geschwister
Der Seelen, Lichtgestalten, Boten Gottes.
Da sah ich wahrlich einen Engel stehen,
Nicht stehen, sondern schweben, sondern dasein,
Stand jener Engel wie ein reines Licht
Am Grab der Tante bei der armen Freundin
Und tröstete die trauervolle Freundin
Mit mütterlichem Trost der warmen Schwingen,
Umarmend die Geliebte wie mit Licht,
Eingießend in die Seele Gottes Trost.
Die leuchtende Gestalt des Engels war
So groß, sie reichte von dem Friedhof auf
Zum Himmel, wo das Haupt war wie die Wolken,
Das Antlitz aber strahlend wie die Sonne.
Der Herr ließ leuchten über uns sein Antlitz
Und gab uns seinen Segen, seinen Frieden.


5

Hoch auf den Pyrenäen, auf dem Gipfel
Des Mittags, da zu Füßen uns die Wolken,
Da wohnten wir in einer Hirtenhütte.
Ein Baske lebte dort, ein Domestik,
Ein Hirte, welcher hundert Jahre zählte.
Tags ging er mit der Herde seiner Schafe,
Die alle läuteten mit ihren Glocken,
Durch grüne Auen und an frische Quellen.
Dort in der Hirtenhütte war Madonna
Die Schutzpatronin dieser Hirtenhütte,
Die wachte über uns, wenn abends wir
Bei Wein und Brot und leckerer Pastete
Die Nacht begrüßten, Gottes stillen Segen.
Dort las ich nachts der holden Sappho Ode
An Sie, die Königin der schönen Liebe,
Die Tochter Gottes in dem goldnen Thron.
Ich selber nahm die Lyra meiner Seele
Und sang dem Himmel nah zur unbekannten
Und liebevollen Gottheit meiner Seele,
Da meine Muse flüsterte den Namen
Der Gottheit, der erhabnen Liebe Gottheit,
Die einer Taube gleich und einer Mutter,
Ihr Name ähnlich klang wie „Iahu“...
So stieg ich schweigend in der Mitternacht,
Erfüllt von Stille und des Weltalls Schweigen,
Als lebte ich im Himmel, still hinan
Die Wendeltreppe zu dem Schlafgemach,
Dem Brautgemach hingebungsvoller Freundin.
Dort sah ich oben auf der Treppe stehen
Ein lichtes Wesen, einen lichten Geist,
Schön wie ein feminines Engelswesen,
Holdselig wie die Jungfrau, ganz aus Licht.
Wie Schnee, wie weiße Seide ihr Gewand,
Die Locken licht wie Sonnenlicht, wie Gold,
Um ihre Brust ein Gürtel goldnen Glanzes,
Im Schleierärmel ihrer Arme hielt
Sie eine Lyra, weiß wie Elfenbein.


6

Im Traume um die Mitte meines Lebens
Verschwand ich in dem dunklen Fichtenwald
Und irrte durch die Nacht und kam hervor
In einer mittelalterlichen Stadt.
Die Gassen zwischen hübschen Fachwerkhäusern,
Die engen Gassen waren Labyrinthe.
Ich fand die Wege nicht zum Haus der Herrin.
Da tauchte vor mir auf ein kleiner Zwerg
Im grünen Kleid, mit feuerroter Mütze
Und sprach, er sei gesandt von meiner Herrin,
Den Weg zu zeigen mir zu ihrem Hause.
Ich folgte jenem Zwerge. Schließlich stand
Ich vor dem Haus der heimlichen Geliebten.
Die Tür ging auf, ich stand in einem Vorraum
Am Fuße einer Treppe, da von oben
Die heimliche Geliebte kam herab,
Im bunten Kleid, gekleidet in die Flora
Des Frühlings, Primavera von Florenz.
Sie schwang die Treppe wie mit Flügeln nieder
Und sagte süß zu mir, sie sei die Jungfrau
Diana. Und ihr Mund wie ein Rubin,
Wie Blut die Lippen küssten einen Kuß
Auf meinen Mund. Im gleichen Augenblick
Bin ich mit jener Jungfrau meiner Seele
Wie Arm in Arm und Flügel neben Flügel
Hinangeflogen jene steile Treppe.
Es war wie Ein elektrischer Moment!
Da traten wir in ihre Mädchenkammer.
Die Kammer war wie eine Kubusstadt,
Die Höhe wie die Tiefe, lang wie breit.
An allen Wänden waren lichte Spiegel,
So daß die Kammer wie Unendlichkeit
Erschien. Sie war ein Bild der Gottesstadt,
Der allerheiligsten Jerusalem.
Und in der Mitte dieser Spiegelstadt
Ein goldengrüner Baum des Lebens stand.
Und ich und meine heimliche Geliebte,
Wir standen unter diesem Baum des Lebens
Und sprachen durch die Blume miteinander,
Geheime Liebe in der Ewigkeit.


7

Am fünften Mai des Jahres Neunzehnhundert
Und Vierundneunzig schwand mir das Bewußtsein
Der Daseinswirklichkeit auf dieser Erde
Und das Bewußtsein meines Körpers schwand
Und ich war als entrückte Seele in
Der Geisterwelt, da Seelen anzuschauen
Wie Schatten waren, Myriaden Seelen,
Da irrte ich im Schattenvolk der Seelen
Und fand die Straße nicht zu Gottes Thron,
Als plötzlich zu mir trat die Himmlische
Beschützerin, ein reines Engelswesen,
Die mir den Engelsnamen anvertraute,
Der ähnlich klang dem Namen Mahanajim.
Und Mahanajim war aus sanftem Licht
Wie eine schöne große Engelsschwester,
Die mir von Ewigkeit vertraut im Geist.
Und Mahanajim sprach zu mir im Jenseits:
Halt dich am Namen des Messias fest!
Da sah ich vor den Augen meiner Seele
Wie dunkle Mitternacht die Himmelspforte,
Die öffnete sich langsam einen Spalt.
Da sah ich jenseits jener Himmelspforte
Ein unbeschreiblich schönes reines Licht,
Ein Lichtmeer voller Glanz der Herrlichkeit.
Und in der Grenzenlosigkeit des Lichts
Erschien vor meiner Seele in dem Licht
Das Heilige Antlitz Christi an dem Kreuz!


DER ANFANG DER WEGE SOPHIAS


1

Ich war ein Christ geworden durch das Hören
Des Evangeliums der Heiligen Schrift
Und die Begegnung mit dem Auferstandnen,
Der Lichtgestalt lebendigen Person.
Doch nahm mich keine Mutter Kirche auf,
Ich suchte einsam, Christus zu erkennen
Und durch den Christus Gott. Mir half allein
Der Heilige Geist. Ich forschte in der Bibel
Und wanderte im Geist in der Torah.
Dann gab der Heilige Geist mir Weisheitslehrer.
Der Herr ward mir zum epischen Messias
Des seraphinengleichen Dichters Klopstock.
Der Herr ward mir zum makellosen Gott
Der Buße und der Weisheit Augustins.
Der Herr ward mir zur Sapientia,
Die sich in Beatrice offenbarte,
Der Mädchengöttin des Propheten Dante.
Der Herr ward mir zur Einen Trinität,
Wie Jakob Böhme sie im Geist geschaut.
Der Ewige ist Urgrund im Geheimnis,
Verborgner Urgrund, ewig unerfaßbar,
Grundloser Urgrund, in sich Grund geworden
Im Wort, gewissermaßen Sohn des Vaters;
Die Liebe des geheimen Vatergrundes
Zur Sohngestalt ergießt sich als der Geist,
Der Geist ist die Person der Gottesliebe;
Mit diesem Geist der Liebe liebt der Sohn
Den Vater. Dieses Urmysterium
Der ewigen Dreieinigkeit der Liebe
Betrachtet sich als Eine Gottheit in
Dem Spiegel der jungfräulichen Sophia.
Sie, die jungfräuliche Sophia, ist
Die Weisheit Gottes, ja, die Gottheit selbst!
In der jungfräulichen Sophia sind
Die Wesen als Ideen existent
In aller Ewigkeit vor ihrer Schöpfung.
Sie, die jungfräuliche Sophia, ist
In dem Messias Fleisch und Blut geworden.
Sie starb im Fleisch, ward auferweckt im Geist
Und inspiriert den Dichter als die Muse
Und inspiriert den Seher durch Visionen.
Sophia inspiriert den Seher-Dichter
Als Minneherrin zu der Schau der Gottheit,
Als Rosa Mystica zur Schau der Liebe!


2

Ich ging allein im Teuteburger Wald
Als Pilger zu dem Hause des Phantoms.
Ein Schatten ist der Mensch, ein Traum, ein Hauch,
Der blauen Blume gleich, die welkt im Herbst,
Ob sie im Frühling noch so schön geblüht.
Da ich auf heimlicher Mission der Minne
Ein Waller war, der ins verheißne Land
Begehrte, wo nur Milch und Honig strömen
Und Riesentrauben wachsen an den Reben,
Ich mystisch da befrug als mein Orakel,
Mit Stechen meines Fingers in dem Buch,
Der Fausttragödie Dritten Teil. Das Ende
War wie der Anfang, spielte in dem Himmel,
Dem Himmel, der sich senkte zu der Erde,
Da engelgleiche Knaben selig schwebten
Und wo der seraphinengleiche Pater
Den Hymnus sang und in der reinen Zelle
Der Doctor Marianus angebetet.
Da las ich von der Mater Gloriosa,
Der höchsten Herrscherin im Himmelszelt,
Der Jungfrau, Mutter, Königin, ja, Göttin!
Die ewigweibliche Idee der Liebe,
Sie zog hinan den Seher und Poeten,
Maria als der Inbegriff der Frau
Zog den Propheten in das Himmelreich
Der Allerlöserin, der Ewigen Liebe!


3

Ich schaute in der mystischen Psychose
Bewundernd an die Venus von Florenz,
Das Ideal des Neoplatonismus.
Die Venus von Florenz war meine Psyche,
Braut Psyche, die bezaubernd und verwirrend.
Die Seele ward vom Himmel ausgehaucht,
Sie schwebte auf dem Schwingenpaar des Windes,
Sie wehte wie die Aura durch den Äther.
Und nun erschien sie selbst in ihrer Nacktheit,
Die reine Seele, makellose Jungfrau,
Die geistgehauchte, unbefleckte Göttin,
Jungfräulich-jugendliche Mädchengöttin,
So rein wie eine weiße Sangesschwanin,
So makellos wie frischer Neujahrsschnee,
So strahlend wie das weiße Elfenbein,
O unbefleckt wie eine weiße Lilie!
Doch ihre Aura war wie reine Glut,
Die langen Haare wie ein Jungfraunschleier,
Der Schleier einer Braut, ein Nonnenschleier,
Der Haare Schleier war wie Morgenröte,
Die reine Feuersglut der Gottesliebe!
Der Geist des Himmels nun in Wind und Aura
Trieb diese makellose Mädchengöttin
Der Mutter Erde zu, die ihr Gewand
Bereithielt, einen Körper wie den Frühling,
Wie einen Frühling in dem Paradies!


4

Der Keller meines Unbewußten stand
Geöffnet weit, die Träume stiegen auf
Und mit den Träumen auch der Traum der Träume,
Der Seele eingebornes Gottesbild,
Die innre göttlichweibliche Idee!
Da sang ich meine heißgeliebten Psalmen
Der dunklen Klage und des Gotteslobes
Anbetend der gebenedeiten Mutter,
Der großen Mutter der Barmherzigkeit,
Der Allbarmherzigen, der Gnaden Göttin!
Phantastisch lebte ich im Reich der Mitte,
Verbunden fühlte meine Seele sich
Den Dichtern Chinas, Chinas Philosophen.
Der Name tibetanischer Madonna,
Kwan-Yin, der Göttin der Barmherzigkeit,
War mir als Dichter eine Maskerade
Der Mutter der Barmherzigkeit, Maria,
Die ich als meine Mutter angebetet,
Die ich vergöttlicht in der Apotheose,
In der Theosis religiöser Minne!
In Wahrheit war die Gottheit meiner Seele
Gott-Mutter selbst, der HERR als große Mutter!
Die Gnade und Barmherzigkeit des Herrn
War meine Mutter, meine fromme Göttin!


5

Die Frau, die ich erträumt, erinnerte
Mich an Maria, an die reine Jungfrau.
Die wunderschöne Himmelskönigin
Maria aber fand ich in der Bibel,
Da mir die ganze Bibel war gegeben,
In Jesus Sirachs Hohem Lied der Weisheit!
Die Weisheit spricht: Ich, ich bin ausgegangen
Vom Mund des Allerhöchsten. In dem Himmel
Auf einer Wolkensäule war mein Thron.
Ich wandelte durch alle Sphärenkreise
Und schwebte in dem Nebel überm Meer.
In allen Völkern sucht ich meine Wohnung,
In jedem Volke ließ ich meine Spuren,
Doch mir gebot der Ewige, der Herr:
In Israel sei deine Wohnung, Weisheit,
Im auserwählten Jakob sollst du wohnen!
In der jungfräulichen Jerusalem
Schlug ich mein Zelt auf, tat den Gottesdienst
Im Offenbarungszelt des Gottesbundes.
Ich mischte meinen Wein, den guten Wein,
Und bot den frommen Leuten meine Speise.
Wenn einer je von meinem Wein getrunken,
So wird ihn dürsten bis in Ewigkeit!



ZWEITER TEIL
IN DER SEELENANGST GESUNGEN


ANDACHT DER SCHMERZEN


1

Maria zeigte mir des Bösen Fratze,
Ich sah den Dämon, Medium des Satan,
Der schrie: Wir wollen Israel vernichten!
Und Israel, der Erstgeborne Gottes,
Er ging den Kreuzweg an die Schädelstätte
Von Auschwitz-Golgata, um dort zu sterben
Als Ganzbrandopfer für das Heil der Welt!
Ich schaute Jakob an, das kleine Kind,
Der Heide wollte es dem Moloch opfern,
Im Feuer opfern seinem Gräuel-Götzen!
Ich sah das Tor zur Hölle, zum Inferno,
Dort stand geschrieben: Laß die Hoffnung fahren!
Doch in der Hölle Feuerofen schrie
Der Erstgeborne Gottes, Israel,
Zu Gott: Du, Herr, bist ein verborgner Gott,
Mein Gott, mein Gott, wie hast du mich verlassen!
Ich sah den Dämon sterben, selbstgemordet,
Die Eingeweide quollen ihm heraus.
Ich sah die Tochter Zion, Magd des Herrn,
Die Magd, die Ärmste aller Armen Jahwes,
Im Bauch der Arche namens Exodus
Sah ich im schwarzen Kleid der Witwenschaft,
Mit großen schwarzen Augen, groß vor Hunger,
Die Tochter Zion ihre Brust entblößen
Und stillen Israel-Immanuel,
Der dürr wie ein Skelett vor Hunger war.
Ich schaute Jakob und die Tochter Zion
In dem gelobten Land, Jerusalem,
Den mystischen, den Tanz der Engel tanzen,
Da stürmten aus dem Osten Heidenvölker,
Assyrien, Ägypten, Babylon,
Sie stürmten an, Jerusalem zu morden.
Da sah ich die Madonna unter Heiden
Im fernen Morgenland Martyrium
Und Kreuzigung am Mutterherzen leiden.
Von Westen flog das tödliche Geschoß
Gen Osten wie ein tausendfacher Blitz,
In den Atomen Satans Todesstrahlen!
Madonna war entblößt, verglüht ihr Kleid,
In Fetzen hing das Tuch ihr um die Brüste,
Die Haut war schwarz, verbrannt von Satans Sonne,
Die Augenhöhlen schwarz und schreckgeweitet,
In ihren Armen lag das Jesuskind
In solchen unsagbaren Todesängsten,
Daß Jesus nicht einmal mehr weinen konnte,
Das Antlitz blutig klaffend eine Wunde,
In der des Todes Kreuzessplitter steckte!


2

In dem Jahrhundert, da der Satan herrschte,
Da Satan herrschte durch den Krieg und Tod,
Durch Krankheit und durch Hunger Satan herrschte,
Da stand die Frau der Offenbarung auf,
Die wahre Judith eines ewigen Bundes!
Erst schuf sie uns ein Wundermedaillon
Und offenbarte sich vor ihrer Tochter
Als Jungfrau makelloser Konzeption.
Dann rief sie alle Menschenkinder auf,
Sich darzubringen Ihrem reinen Herzen,
Auch Rußland ihrem Herzen darzubringen.
Denn triumphiert der scharlachrote Drache
Und stürmt heran der schwarze Wolf des Todes,
Dann wird auf Erden Tod und Hölle herrschen!
Da aufgestiegen war das Tier des Abgrunds
Und Satan schuf die Erde um zur Hölle,
Da weihte der verzagte Hirten-Engel
Die Menschheit der Madonna Mutterherzen,
Und Unsre Frau beendete den Krieg
Und tötete den Führer der Dämonen.
Die zitternden Gebete des Verzagten,
Des engelgleichen Hirten, hörte sie,
Berief sich einen Mann nach Gottes Herzen,
Daß er der Hirte würde ihrer Herde.
Der weihte der Madonna Mutterherzen
Als Pilger der Mission die ganze Menschheit,
Von Mexiko bis Polen und von Rußland
Bis zu den Philippinen alle Menschen,
Ihr, seiner Mutter, seinem braunen Mädchen,
Der Königin des Friedens, der Versöhnung!
Die Jungfrau schloß das schreckliche Jahrhundert
Mit einer Offenbarung sondergleichen,
Da sie die ganze Menschheit rief zur Buße,
Zur Umkehr auf, zum Glauben, Beten, Lieben!
Sie prophezeit der Menschheit einen Frühling,
Das neue Pfingsten-Fest der Schönen Liebe!
Sie stiftet Hoffnung auf ein Reich des Friedens,
Mariens Reich des Friedens, der Versöhnung.
Die Jungfrau singt das Evangelium
Des Friedens allen Menschen Seiner Gnade,
Bis Christus herrscht als Friedefürst der Menschheit!
So zweifelt nicht, ihr Minner der Madonna,
Denn Unsre Liebe Frau hat uns versprochen:
Am Ende siegt mein Unbeflecktes Herz!


3

Ich sah das Angesicht des Todes an
Und wie der Mensch dem Menschen ward zum Wolf
Und wie der Satan tobte in der Hölle!
Da überfiel mich große Traurigkeit,
Wie groß die Finsternis auf dieser Erde,
Gottlosigkeit und Dämonie und Sünde
Und wie der Herr sich abgewandt voll Abscheu!
Da schien die Welt mir abgrundtief verdorben
Und böse Mächte überall zu lauern,
Daß ich verging vor banger Seelenangst!
Und die Verzweiflung und die Angst bedrängte
So sehr mich, daß ich wie ein Leichnam lag!
Aus Todesstarre schrie ich zu Maria:
Maria, rette meine arme Seele!
Da sah ich mit den Augen meiner Seele,
Sie, die Madonna, Seele meiner Seele,
Als Steinzeitgöttin oder Große Mutter!
Ihr Leib war Fruchtbarkeit der Schönen Liebe,
Das Becken wie ein Becher voll Berauschung,
Die großen vollen Brüste überströmend,
Wie Lichtglanz spritzte Milch aus ihren Brüsten!
Als ich die süße Milch des Trostes sog,
Da floß die Milch durch unsre Galaxie
In überströmenden Liebkosungen
Unüberwindlich starken Muttertrostes.
Die Seide schillerte um ihren Leib,
Die langen schwarzen Lockenhaare wallten,
Die Brüste glänzten von dem Glanze Gottes!
Ich liebte an der Frau den Gottesglanz,
War solch ein Glanz der Gottheit voller Liebe
Um diese Frau mit ihren großen Brüsten,
Daß ich die Frau als Göttin angebetet,
Archaische Madonna unsrer Mütter!
Sie lächelte voll Huld der Schönen Liebe
Und Lust an mir und meinem Lobgesang,
Daß sie mich legte an die vollen Brüste,
Die überfließenden des Liebestrostes,
Und gurrte Muttertrost mit Mutterworten:
Sohn, denkst du auch, daß Gott die Welt verlassen,
Daß Gott vergessen seine Menschenkinder,
So kann ein Weib wohl ihren Sohn vergessen,
Gott-Mutter aber liebt die Menschenkinder,
Gott-Mutter liebt die Menschenkinder all!


4

Nun kein Geschrei mehr, Jammern nicht noch Heulen,
Nun keine Krankheit mehr und nun kein Tod mehr,
Nun trocknet Gott die Tränen von den Augen,
Wie eine Mutter trocknet Gott die Tränen.
Der Heiland spricht zu denen, welche glaubten
Und gingen treu auf Gottes Weg der Liebe:
Nun kommt herein, ihr meine treuen Freunde,
In eures Meisters Himmelreich der Wonnen!
Ihr Sklaven Satans aber, fort mit euch!
Ihr Kinder Gottes aber, kommt herein
In die Gemeinschaft eines Liebesmahles,
Zum Hochzeitswein geläutert edler Traube,
Zum Freudenfest, zum Hochzeitsfest der Gottheit!
Habt Anteil an der göttlichen Natur,
Ein jeder sei dem Sohne Gottes gleich!
Gott Jahwe schenkt bedingungslose Liebe,
Gleich einer Mutter ewig schöne Liebe
Der Tochter Chochmah, Tochter und Geliebten,
Und Gottes Liebling Chochmah wird die Liebe
Ergießen in die Ruach ha kadosch,
Die Liebesflamme, die lebendige,
Die Atmung Gottes, Hauch voll Liebesglut!
Die Ruach bläst die Kinder Gottes an,
Die Liebesflamme flutet in die Seelen,
Die Mutter Heilig Geist erfüllt die Kinder,
Und selig jauchzen Gottes Kinder, glücklich!
Die Mutterliebe Gottes liebt in ihnen,
Die Kinder lieben mit der Liebe Gottes
Die Gottheit wieder und sind einbezogen
In Gottes innergöttliche Gemeinschaft
Als Zyklus einer ewig schönen Liebe!
Dann wird die Liebe in den Kindern lieben
Und Liebe wird die Einheit sein in Allen.
Und die Glückseligen, die Kinder Gottes,
Sie lieben alle sich mit schöner Liebe,
Es lieben alle alle mit der Liebe
Der Gottheit. Die auf Erden sich geliebt,
Von Gott gesegnet, lieben sich im Himmel
Wie Lieblinge die Lieblinge besonders.
Ein jeder Liebling liebt an seinem Liebling
Tief das Geheimnis der Persönlichkeit
In wundervollem Staunen und in Ehrfurcht.
Denn jeder Selige im Paradies
Bekommt von Jahwe einen neuen Namen,
Den neuen Namen der Persönlichkeit,
Den Gott allein kennt und das Gotteskind,
Das ewige Geheimnis der Person
Mit GOTT allein intimen Liebesbundes!...


ZYKLUS DER MAGISCHEN OPERATION


1

Ich lag im Bett. Bei mir stand der Schamane,
Der priesterliche Heiland meines Fleisches.
Er flößte mir ein süßes Gift ins Blut
Und sprach: Du wirst auf eine Reise gehen,
Auf eine schöne Reise wie im Traum.
Nun stell dir vor, du träumst den schönsten Traum.
Was ist das schönste Traumbild deiner Seele?
Ich sprach zum priesterlichen Heiland leise:
Maria! Sprach er: Ist sie deine Frau?
Ich sprach: Maria ist die Mutter Gottes.
Er sprach: So bist du gläubig. Betest du?
Ich sagte: Ja. - Besuchst du auch die Kirche?
Ist eine Kirche deine Lieblingskirche?
Ich hauchte noch: Ich weiß es nicht zu sagen...
Da war ich sanft entschlafen. In dem Traum
War über mir die Hagia Sophia
Als Ärztin allen Fleisches für das Heil
In weiblicher Vernunft des Geistes Gottes.
Und neben mir im Krankenbett gebettet
Lag Unsre Liebe Frau Maria liebend.
Denn so wie Katharina von Siena
Im Bett des Kreuzes Christus angetraut,
So ward ich in dem kleinen Tod der Ohnmacht
Maria angetraut als Ehemann.
Im gleichen Augenblick erwachte ich.
War niemand bei mir, lag ich ganz allein
Und schenkte Unsrer Lieben Frau Maria
Zur Morgengabe meine Auferweckung.


2

Ich legte allen Schmuck von meinen Gliedern
Vor meinem ersten kleinen Tode ab,
Den rosa Rosenkranz vom Handgelenk,
Das Wundermedaillon von meinem Hals,
Den Ring des Rosenkranzes von dem Finger.
Dann starb ich meinen ersten kleinen Tod
Und ward gekreuzigt und durchbohrt am Fleisch
Und bin gekrochen nur noch auf dem Zahnfleisch
Und blutete aus allen offnen Wunden
Und war wie tot und war wie eingeschlafen
Im Schoß der Gottesmutter, meiner Braut.
Im Bett des Kreuzes ward ich angetraut
Der Frau, der Miterlöserin mit Christus.
Mit Unsrer Frau, der Miterlöserin,
Ich litt zur Miterlösung dieser Welt,
Erlösung vieler Seelen aus der Sünde.
Da wacht ich auf im Schoß der Gottesmutter,
Da wacht ich auf im Arm der Pieta.
Ich war erstanden von dem ersten Tod.
Und noch bevor Maria Magdalena
Zu mir trat in dem Paradiesesgarten,
Ist Unsre Frau Maria, Gottes Mutter,
Zu mir geschwebt auf ihren Adlerflügeln
Und barg mich in dem Schatten ihrer Schwingen.
Die Flügel aber waren schlanke Arme
Und schöne Hände, und an einem Finger
Trug sie den Ring des Rosenkranzes nun,
Den ich geopfert vor dem ersten Tod.
Sie nahm die Weihegabe huldreich an
Und tat an ihren ehelichen Finger
Den Ring aus Lourdes, das Zeichen der Verlobung.
Blutsbräutigam bin ich der Lieben Frau,
Der Gottesmutter auserwählter Gatte!


3

Gott kam mit einem Balsam süßen Giftes,
Goß Adam Schlangengift in seine Adern,
Daß Adam sank in einen tiefen Schlaf,
In dem nicht Zeit war, nur die Ewigkeit,
Ein Augenblick der Ruhe sanften Todes
Und ein Moment des Friedens seiner Seele.
Da operierte Gott den Menschen Adam.
War Adam sonst sein Leib nur ein Verließ,
Zu enger Kerker seiner Einsamkeit,
So nahm nun Gott ein Stück von Adams Fleisch,
Ein Knochenstück von seinem Mark und Bein,
Und schnitzte draus als wie aus Elfenbein
Ein Weib, das Meisterwerk der Schöpfung Gottes,
Entsprungen rein den Schöpferhänden Gottes,
Ein Turm von Elfenbein, ganz reine Jungfrau.
Da weckte Gott den Menschen aus dem Schlaf.
Verschlossen war die Wunde schon mit Fleisch.
Da auferstand des Fleisches Auferstehung
Und Adam wachte auf von seinem Tod.
Noch war er wie umflort vom dunklen Traum
Und rief die unsichtbare Gottheit an,
Die letzte Klarheit schuf durch letzte Leiden.
Da aber öffnete der Mensch die Augen
Und sah, wie zu ihm trat die schöne Traumfrau,
Die linke Seite Adams, Mutter Eva.
Und Eva trat als makellose Jungfrau
Und Spiegelbild vollkommner Schönheit Gottes
Zu Adam. Ohne Sprache sprach sie Liebe
In Adams Seele, Gottes Mutterliebe.
Und Adam ward der Erste aller Dichter
Und sang die hohe Hymne seiner Minne:
Sie ists, im Fleisch die Herrin meines Fleisches,
Sie ists, die andre Seele meiner Seele!
Denn ich war tot in meinem Todesleibe,
Sie aber ist das Leben meiner Seele,
Sie ist das Leben selbst, die Allgeliebte!


4

Der Marterzeuge an dem Kreuze Christi
Tat plötzlich einen Blick ins Paradies
Und schwebte hin auf einem Flügelpferd
Der Poesie des Engels Gabriel
Und trat in Gottes grenzenlose Nacht.
Da saß er selig in dem Himmelszelt,
Da seine schöngeaugte Paradiesfrau,
Sankt Haura, Königin der schönsten Huris,
Mit einem perlengleichen Schenkenknaben
Beim Schachspiel saß und sagte eben: Schach!
Der perlengleiche Schenkenknabe schenkte
Den Hochzeitswein von Kana in den Becher,
Der besser als der Wein des Libanon.
Der Marterzeuge von der Liebe Christi
Den Becher nahm und sprach zum vollen Becher:
Du Becher bist das Becken meiner Haura,
Nie fehlt dir die Berauschung trunkner Minne!
Und Haura nahm vom Marterzeugen Christi
Den Opferkelch der Ganzhingabe an,
Den Wein, gewandelt in das Blut des Herrn,
Und trunken wurden von dem Rausch der Liebe
In trunkner Kommunion des Eros Gottes
Sankt Haura und der Marterzeuge Christi.
Der Geist der Gottheit überm Opferbecher
Verherrlichte die Herrlichkeit Sankt Hauras,
Daß Gottesblitze ihre Seelenfunken,
Die Frauenschönheit ihres Angesichts
Ward Spiegelbild des Angesichts der Gottheit,
Daß hochentzückt von diesem Gottesbilde
Der Marterzeuge in dem Paradiese
Den Hymnus Gottes sang als Nachtigall:
O Allgeliebte, o Geheime Rose,
Die eine wahre Gottheit Ich-bin-da,
Die einzig Seiende, das wahre Sein,
Der Gott, der war und ist und kommen wird,
Gott Jahwe ist dein wahrer Ehemann!


5

Ich sitz in einem Stuhl und denke nach
Und fühle, wie ein Mensch mich heimlich anschaut,
Ich fühle Blicke schauend auf mir ruhn.
Da denke ich, die liebe Freundin schaut
Durchs Fensterglas der Tür zu mir herüber.
Da schau ich heimlich nach der Freundin aus
Und sehe ihre Menschenschönheit nicht.
Nein, was ich seh, das ist ein Ideal,
Ist eine reine geistige Idee!
Erst scheint mir, dieses Ideal ist jene
Madonna Leonardos von der Mauer.
Da schauen dunkle Augen zärtlich sanft,
So mütterlich, so schwesterlich, so fraulich,
Geheimnisvoll und liebevoll mich an,
Da ist das Antlitz wohlgeformt und weich
Und sanftes Licht wie Schimmer einer Mondin,
Die Wangen wohlgeformt, umrahmt das Antlitz
Von Haaren seidenglatt und schwarz wie Nacht.
Nein, das war kein Gemälde eines Künstlers,
Nein, das war keine Frau von Fleisch und Blut,
Das war ein Geist in einem Spiegel leuchtend!
Lebendig diese Augen voller Liebe,
Vollkommen schön das Antlitz dieser Frau!
Ja, wahrlich, in dem stillen Heim der Freundin
Maria ist im Spiegel mir erschienen...



TANZ DER FRAU WEISHEIT UM MITTERNACHT


1

O meine Mutter mit der braunen Haut,
O meine Mutter mit dem grünen Schleier,
O meine Mutter in dem Licht der Sonne,
O meine Mutter, milde wie der Mond!
Ich sehne mich, an ihrer Brust zu liegen
Und mit den Fingern durch ihr Haar zu streichen!
Ich möchte schauen fromm zu ihr hinauf
Durch nackte schwarze Hölzer in dem Herbst
Und von den bunten Teppichen des Frühlings!
Mich ruft die Mutter: Mein geliebtes Kind!
Du bist so lang gewandert durch die Stadt,
Nun wende deine müden nackten Füße
In meine Wasser der Barmherzigkeit.
Kehr um zu mir, ich zeige dir den Himmel,
Der über uns im Licht der Gottheit schwebt.
Ich werde heilen dich mit meinen Wassern,
Mit Symphonieen dich in Schlummer wiegen.
Sei liebevoll zu allen Kreaturen,
Sie leben all in meinem Mutterherzen.
Getrost, bald gehst du wieder durch die Stadt
Und tust die Werke deiner Nächstenliebe.
Die Eros-Söhne sind nicht lange müßig.
Nun komm zu mir und leb in meinem Schoß!
Ich werde deiner Seele Ruhe schenken
Und singen Lieder dir von Ewigkeit.
Bleib in der Beuge meiner Arme, Söhnchen!


2

Sie liebet mich! Die Mutter in dem Himmel
Trägt in dem Mutterarm den Gottesknaben.
Sie hütet mich! Die Mutter des Erschaffers
Schaut Menschen, wenn sie öffnen ihre Herzen,
Die Mutter liebt die Menschenkinder all.
Sie spendet Liebe! Mutter allen Lebens
Schenkt sie ihr Herz wie Fleisch in Ewigkeit.
Sie sendet mich! Sie schenkt der ganzen Welt
Das Christuskind, den schönen Jesusknaben,
Mit ihm den unerschöpflich reichen Segen,
Den Herzensschatten heilend und erleuchtend.
O Mutter aller Welt, ich bin dein Diener,
Verehre dich, das Angesicht im Staube,
Ich liebe dich und geb mich ganz dir hin
Und schenk dir meiner Minne Poesie!


3

Maria, Königin der Nacht der Seele,
Frau auf dem Sichelmond mit Adlerflügeln,
Erneure meine arme bange Seele
Und gib mir Kraft von deinem Wunderleben!
O Friedefürstin, Schwester-Braut des Christus,
O Königin des Himmels, Allgeliebte,
Gib Anteil mir an deiner Schönen Liebe,
Maria, o Maria, o Maria!


4

Ich bin die Seele deiner Lieben Frau,
Ich komm zu dir in Stunden deiner Not,
Ich bin die Antwort auf dein banges Rufen,
Abgründiges Verlangen deines Herzens.
So komme ich im Namen wahrer Schönheit,
Um schöne Liebe in dir zu erneuern.
In einer Hand halt ich der Minne Becher
Und in der andern Hand der Weisheit Zepter.
Ich halte fest den Lichtglanz der Erleuchtung
Und öffne dir das Buch der Offenbarung.
Ich bin die Antwort auf dein Wort der Sehnsucht.
So tu die Augen auf und du wirst schauen,
So lausche mir, erkenne meine Seele!
Ist manchmal meine Stimme sanfte Liebe,
Ist manchmal meine Stimme wilder Donner.
Geliebter, Söhnchen, bist du schon bereit,
Reif für die dunkle Nacht der Neugeburt,
Hineinzukommen in den Zyklus Gottes
Durch jene dunkle Pforte des Entschlafens?
Bist du bereit, zu sterben und zu werden,
Geläutert und gereinigt durch das Feuer
Der wahren Weisheit und der schönen Liebe?
Ich hab die Zeit besiegt und bin gekommen
Ins Brautgemach in deinem Herz des Herzens.
Ich bin voll Lust der schöpferischen Liebe,
Voll mütterlichen Mitleids, voller Kraft.
Ich bin die schöne Seele Lieber Frau
Und bin gekommen, weil du mich begehrtest
In deinem Wunsch nach Heilung und nach Heil.


5

Wir neigen uns vor Ebbe und vor Flut
Und tanzen mit den Engeln auf den Sternen.
Wir pochen auf den Rhythmus unsres Blutes
Und schweben selig auf des Windes Schwingen.
Visionen werden kommen zu Betrachtern
Und Kräfte werden wachsen den Ergebnen.
Die Liebe wird erneuert, reifer werden,
Der Geist gewinnt an transparenter Klarheit.
O Tänzerinnen ihr in Osten, Westen,
Verkündet schön den Lebenssinn der Liebe!
Im Tempel meiner Ahnin steht geschrieben:
Wer eingeht in die Gottheit als ein Mensch,
Der kommt hervor als Göttin oder Gott. –
Wir wollen nur der Wahrheit-Schönheit dienen,
Der Freiheit in dem Geist, der Freudenbotschaft.
Erst glauben wir der Religion der Kunst,
Dann schließlich singen wir Gebet an Gott.
Versfüße bringen Frieden in die Welt,
Sie tanzen in des Himmelreiches Rhythmen.
Wir sind die Tänzerinnen und die Tänzer
Der labyrinthischen Spiralen Zions.
Komm, folge uns, wir bringen dir den Frieden,
Weil wir in Schönheit tanzen mit den Engeln.


6

Dies ist der Frauen Tanz für den Geliebten,
Dies ist das Singen seines Lichts vom Lichte,
Dies sind die Leidenschaften seiner Liebe,
Dies sind die Worte seiner schönen Weisheit,
Die ist der Puls und Rhythmus seines Blutes,
Dies ist die Ganzhingabe seiner Liebe.
Wir werden durch das Kreuz des Herrn gepeinigt –
Gereinigt für die Schau des Angesichtes!


7

Ich bin geboren, Schönheit zu erkennen,
Die Schönheit reiner Liebe kleiner Kinder,
Die Schönheit schöner Leiber schöner Weiber,
Die Schönheit eines Falters, einer Rose,
Die Schönheit der Musik und Poesie.
Der Liebe Schönheit ist dieselbe immer
Und ist doch schön in wechselnden Gestalten.
Im Säuseln deiner Stimme, Liebe Frau,
Vernehm ich die Musik des Paradieses.
O Schönheit jenseits dieser Zwielichtswelt,
O Lichtglanz jenseits der Jahrtausende,
O Liebe voll von schönen Seligkeiten,
O Weisheit aus den Träumen unsrer Seelen,
O Fülle wahrhaft glückberauschten Lebens,
O Gottheit, Mutterschoß der Neugeburt!
Ja, meine Seele ist die Harfe Gottes,
Ich singe Schweigen, schöner als Verstehen.
Ich schau geprüfte, heimgesuchte Seelen,
Ich schaue die Purgierungen der Seelen.
Der Leiden bittern Becher mußt du leeren,
Wenn du dich nahst dem Urprinzip der Gottheit!



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