[Inhalt]

NACHDICHTUNGEN

Deutsch von Peter Torstein Schwanke


AUS DER HEILIGEN SCHRIFT

HIOBS GEBURTSTAG
(Hiob 3,1-16)

Später öffnete Ijob den Mund
Und erklärte seinen Tag.
Und Ijob sang und kommunizierte:
Der Tag verschwinde, da ich geboren,
Die Nacht, die da gesprochen:
Ein Menschenwesen ist empfangen!
Der Tag soll finster sein
Und die einige Gottheit in der Höhe
Soll ihn nicht verklären,
Kein Tageslicht scheine dem Tag!
Finsternis und Schatten des Todes
Sollen ihn erlösen –
Die Wolke soll über ihm weilen,
Eine Eclipse der Sonne mache ihn schrecklich!
Die Nacht soll im Obskuren gehen,
Unter den Tagen des Jahres soll sie nicht jubeln
Und nicht in die Summe der Monde kommen!
Die Nacht sei Einsamkeit!
Kein Gesang gehe um in der Nacht!
Es sollen die Nacht durchstechen die Hexen,
Die da erwecken werden den Drachen!
Ihr Stern soll verdämmern im Schwarzen!
Sie erwarte das Morgenleuchten,
Aber es komme nicht!
Sie wird nicht erschauen die Dämmerung,
Die Wimpernstrahlen der Morgenröte!
Ah! weil nicht verschlossen die Pforte des Schoßes
Und nicht meinen Augen das Unglück verborgen!
Warum bin ich nicht gestorben im Mutterschoß?
Warum hab ich nicht ausgehaucht den Geist,
Gleich als ich aus dem Schoße kam?
Warum ward ich auf die Schenkel geworfen?
Warum ward ich von Brüsten gesäugt?
Läge ich doch und erholte mich
Und entschliefe in der ewigen Ruhe!
Ich wär mit den Königen und den Räten der Erde,
Die da die Wüste bebauten,
Und Meistern, des Goldes reich, deren Häuser voll Silber!
Ah! wär ich wie ein Abort im Verborgnen,
So als sei ich nicht gewesen,
Wie ein Embryo, der das Licht nicht erblickt!

HIOBS WEISHEIT
(Hiob 28,1-28)

Wohlan denn!
Es existiert das Silber in Adern
Und das Gold im Reinigungsort.
Eisen gewinnt man aus dem Erdreich
Und aus Gesteinen schmilzt man Kupfer.
Man bringt die Dunkelheit bis ans Ende
Und sucht letztendlich die Steine
Im obskuren Schatten des Todes.
Man gräbt einen Schacht
Abseits des Weges
Für die Vergessenen,
Von den Füßen getreten
Vagabundierender Sterblinge.
Man wendet die Erde um mit Feuer,
Aus der das Brotkorn hervortreibt.
Saphir-Edelsteine an Orten
Und Gründe des Goldes –
Den Pfad dahin kennt kein Falke
Und hat kein Milan-Auge erforscht.
Die stolzen Jungen schreiten nicht darauf
Und die furchtbaren Löwen laufen nicht darauf.
Man legt die Hand an den Felsen
Und gräbt die Bergestiefen um
Und bricht Kanäle in die Kliffe.
Kostbares sieht das Auge.
Man reguliert den überflutenden Strom
Und bringt das Geheimnis an die Erleuchtung.
Wo existiert die Weisheit?
Wo ist die Heimat der Vernunft?
Kein Sterbling kennt ihre Ordnung,
Sie erscheint nicht im Land der Lebendigen.
Der Abgrund spricht: In mir nicht!
Die See spricht: Nicht in mir!
Man kann nicht Gold geben, Silber nicht spenden,
Sie zu erwerben,
Es wiegt nicht so sehr das Gold von Ophyr
Oder köstlicher Onyx und Saphir.
Goldenschimmerndes und Kristallenes
Ist nicht von gleicher Ordnung,
Pure goldene Kleinode sind nicht zu tauschen,
Korallen und Perlen bemerkt man gar nicht,
Die Weisheit ist edler als Kristall,
Topas aus Äthiopia
Ist nicht von gleicher Ordnung des Wertes
Und nicht das allerlauterste Gold.
Wo wandelt die Weisheit?
Wo ist der Ort der Vernunft?
Sie ist verborgen
Dem Auge der Lebendigen
Und versteckt vor des Äthers Gefiederten.
Siehe, das Totenreich und der Tod, sie sprechen:
Unser Ohr hat eine Kunde vernommen...
Die Gottheit kennt ihren Lebensweg
Und weiß von ihrer Heimat.
Sie betrachtet die Enden der Erde
Und schaut den Äther an,
Gib dem Winde Gewicht
Und mißt das Maß des Meeres,
Gibt dem Regen sein Gesetz
Und dem Blitzstrahl und Gebrüll die Weise.
Sie schaut und kommuniziert
Und erhebt und ergründet
Und spricht zur Menschheit:
Siehe, das Staunen vor dem Geliebten ist Weisheit
Und die Abkehr vom Bösen ist Vernunft.


LOB DER MÄCHTIGEN FRAU
(Sprüche 31,10-31)


Wer findet die mächtige Frau?
Sie ist von edlerem Wert als Perlen!
Ihres Gatten Herz ist geborgen,
Nicht mangelt ihm ein Schatz.
Freigebig tut sie Gutes
Und wirkt kein Unglück
Alle Tage ihres Lebens.
Sie sucht Wolle und Leinen
Und wirkt freudig mit den Händen.
Sie gleicht dem Handelsschiff,
Das Brot aus der Ferne bringt.
Sie erhebt sich zur Nacht
Und gibt Speise ihrer Hausgemeinschaft
Und Gebote den Mädchen.
Sie plant den Acker zu erwerben
Und legt einen Weinberg an
Von den Früchten ihrer Hände.
Sie gürtet ihre Lenden mit Kraft
Und stärkt ihre Arme.
Sie schmeckt das Gute ihres Handels.
Ihre Lampe erlöscht nicht in der Nacht.
Sie streckt die Hand aus nach dem Spinnrad,
Ihre Finger halten die Spindel fest.
Sie breitet ihre Hände aus zu den Bedrückten
Und reicht die offene Hand den Bedürftigen.
Für die Hausgemeinschaft fürchtet sie nicht den Schnee,
Denn die Hausgemeinschaft trägt scharlachne Kleider.
Sie wirkt Decken.
Aus weißem Leinen und Purpurstoffen sind ihre Röcke.
Ihr Gatte ist bekannt in den öffentlichen Toren,
Er sitzt bei den Alten des Staates.
Sie macht Hemden und verkauft sie,
Die Gürtel gibt sie dem Händler.
Majestät und Glorienschönheit sind ihre Gewänder,
Sie freut sich der kommenden Tage.
Sie tut den Mund auf, Weisheit zu hauchen,
Ihre Zunge gibt gnadenvolle Weisung.
Sie achtet auf die Gefährten der Hausgemeinschaft
Und ißt ihr Brot nicht faul.
Ihre Söhne erheben sich und preisen sie selig,
Ihr Gatte verklärt sie.
Viele Töchter tun Gewaltiges –
Sie aber übertrifft sie alle.
Anmut und Liebreiz sind unwesentliche Nichtigkeit –
Eine Frau, die Jahwe ehrt, ist glorreich!
Sie gibt und bringt dar von den Früchten ihrer Hände,
Ihre Werke verklären sie in den öffentlichen Toren.


SOPHIA
(1.Korinther 1,18-2,16)

Denn der Logos vom Kreuze
Ist eine Torheit aber den Verdorbnen,
Uns entgegen, den Gesunden,
Ists der Gottheit Dynamik.
Denn geschrieben steht:
Zunichte mach Ich die Sophia der Philosophen
Und die Klugheit der Klugen mach Ich zunichte.-
Wo die Philosophen?
Wo die Schriftgelehrten?
Wo die Sophisten dieses Äons?
Machte denn nicht die Gottheit
Die Sophia dieses Kosmos töricht?
Denn nachdem der Kosmos durch seine Sophia
Nicht erkannte die Gottheit in Ihrer Sophia,
Wollte die Gottheit durch törichte Verkündigung
Gesund machen die, die vertrauen.
Und nachdem die Juden Wunderzeichen erbitten
Und die Hellenen suchen Sophia,
Rufen wir aber aus
Den Gekreuzigten, den Gesalbten;
Den Juden zwar ein Skandal,
Den Hellenen aber eine Torheit;
Aber denen, die berufen sind,
Juden und Hellenen, der Gesalbte:
Der Gottheit Dynamik und
Die göttliche Sophia!
Weil nämlich die törichte Gottheit
Ist weiser als das Menschliche
Und der Gottheit Schwäche
Ist stärker als das Menschliche.
Nämlich, schaut, Geschwister, auf eure Berufung:
Nicht viele fleischliche Philosophen,
Nicht viele Mächtige,
Nicht viele Hochgeborene,
Sondern die Toren des Kosmos
Hat die Gottheit erwählt,
Damit entwürdigt würden die Philosophen;
Die Schwachen des Kosmos
Hat die Gottheit erwählt,
Damit entwürdigt würden die Starken;
Und das Niedriggeborne des Kosmos
Und das Nichtige hat die Gottheit erwählt
Und was da Nichts ist,
Damit Sie Selbst zunichte mache, was da etwas ist,
Auf daß kein Fleisch vor Ihr prahle!
Aus Ihr Selbst aber seid ihr
In dem Gesalbten, Jesus,
Welcher nämlich ward geboren für uns
Von der Gottheit zur Sophia:
Gerechtigkeit und Heiligung und Befreiung.
Damit, wie geschrieben steht:
Wer sich rühme, rühme sich im Kyrios!
Ich aber, o Geschwister, zu euch gekommen, kam nicht,
Zum Zweck erhabenen Logos oder Sophia
Euch zu verkündigen das göttliche Zeugnis.
Nämlich mein Urteil war,
Daß ich nicht Eines erkennte bei euch
Außer Jesus, den Gesalbten,
Nämlich den Gekreuzigten!
Und ich war bei euch in Schwachheit
Und in Furcht und vielem Zittern.
Und meine Rede und meine Verkündigung war
Nicht im überredenden Logos menschlicher Sophia,
Sondern in Erweis der Geistperson
Und der Dynamik, damit euer Vertrauen
Nicht bestehe durch die menschliche Sophia,
Sondern mittels der Dynamik der Gottheit.
Wovon wir reden aber,
Das ist Sophia den Eingeweihten –
Aber nicht die Sophia dieses Äons,
Auch nicht der Ersten dieses Äons,
Das ein Ende nimmt.
Wohlan denn, wir sprechen in Mysterien
Der geheimen Sophia der Gottheit,
Welche die Gottheit vorherbestimmt
Vor diesem Äon
Zu unserer Glorienwürde,
Welche auch nicht Einer der Ersten dieses Äons erkannte,
Nämlich wenn sie Sie erkannt hätten,
So hätten sie nicht den Kyrios dieser Glorienwürde
Gekreuzigt!
Sondern, wie geschrieben steht:
Was nimmer ein Auge erkannt
Und nimmer ein Ohr vernommen
Und was in keines Menschen Herz hinaufstieg,
Das hat die Gottheit vorbereitet
Denen, die Sie lieben!
Uns aber enthüllte die Gottheit Sich
Mittels Ihrer eignen Geistperson.
Nämlich die Geistperson ergründet alles,
Auch die Tiefe der Gottheit.
Nämlich, welcher Mensch weiß das Menschliche,
Wenn nicht die Geistperson, die im Selbst ist?
Ebenso auch weiß niemand das Göttliche
Außer der Geistperson der Gottheit.
Wir aber haben empfangen
Nicht den Hauch des Kosmos,
Sondern den Hauch aus der Gottheit,
Damit wir wissen,
Was gnädig uns geschenkt ward von der Gottheit.
Davon reden wir auch,
Nicht mittels des Logos menschlicher Sophia,
Sondern mittels der heiligen Geistperson unterwiesen,
Deuten wir Spirituelles spirituell.
Der psychische Mensch aber empfängt nicht
Die Geistperson der Gottheit,
Denn seinem Ich ist es Torheit
Und er vermag es nicht zu erkennen,
Nämlich es muß erkundet werden spirituell.
Der spirituelle Mensch aber erkundet zwar,
Wird aber von niemand erkundet.
Nämlich, wer hat den Sinn des Kyrios erkannt,
Daß er ihn unterweisen könnte?
Wir aber haben des Gesalbten Sinn.


DIE DAME UND DER DRACHE
(Apokalypse 12,1-17)

Und es erschien ein mächtiges Zeichen im Himmel:
Die Dame,
Die Sonne umgewunden
Und Mond unter ihren Füßen
Und auf ihrem Haupt ein Kranz von zwölf Sternen.
Und sie war schwanger
Und schrie in Wehen und Qual des Gebärens.
Und es erschien ein andres Zeichen im Himmel, siehe,
Ein gewaltiger feuerroter Drache,
Der hatte sieben Köpfe, zehn Hörner
Und auf seinen Köpfen sieben Diademe.
Und sein Schweif, der schleifte
Ein Drittel der Himmelssterne
Und warf sie zur Erde.
Und der Drache stellte sich auf
Vor dem Angesicht der Dame,
Die im Begriff stand zu gebären,
Damit, wenn sie geboren hätte,
Er das Kind verschlinge.
Und sie gebar den Sohn, den männlichen,
Welcher alle Völker sich anschickte, sie zu weiden
Mit eisernen Hirtenstab.
Und ihr Kind ward entrückt
Zur Gottheit und ihrem Thron.
Und die Dame floh in die Einsamkeit,
Wo ihr ein Ort gehört,
Bereitet von der Gottheit,
Damit sie genährt dort würde
Tausendzweihundertsechzig Tage.
Und es entstand ein Krieg im Himmel:
Michael und seine Boten
Kämpften gegen den Drachen
Und der Drache kämpfte und seine Boten
Und siegten nicht,
Gefunden ward ihre Stätte auch nicht mehr im Himmel
Und hinausgeworfen ward
Der gewaltige Drache, die archaische Schlange,
Genannt der Verleumder und Satan,
Der den ganzen Weltkreis irreführt,
Und ward niedergeschleudert zur Erde
Und seine Boten wurden auch niedergeworfen.
Und ich hörte eine mächtige Stimme,
Die erklärte im Himmel:
Jetzt wird das Heil und die Kraft und das Königreich
Unserer Gottheit
Und das freie Schalten ihres Gesalbten,
Da der Ankläger unsrer Geschwister unterworfen ist,
Der Ankläger war am Tag und in der Nacht.
Und sie besiegen ihn
Durch des Lämmleins Blut
Und das Wort ihrer Zeugenschaft
Und haben ihr Leben nicht geliebt
Bis an den Tod.
Drum freue dich, Himmelswelt,
Und die in dir wohnen!
Wehe der Erde Bewohnern und des Meeres!
Denn der Verleumder steigt zu euch herab
Und hat gewaltige Leidenschaften
Und weiß, er hat nur geringe Chance.
Und da der Drache weiß, daß er niedergeworfen ist auf die Erde,
Verfolgt er die Dame,
Die geboren den Männlichen.
Und gegeben wurden der Dame
Zwei Schwingen des mächtigen Adlers,
Damit zu fliegen
In die Einsamkeit
An ihren Ort,
Wo sie ernährt wird
Eine Zeit und zwei Zeiten und die Hälfte einer Zeit,
Getrennt vom Angesicht der Schlange.
Und die Schlange warf
Der Dame hinterher
Aus ihrem Schlunde Wasser wie eine Flut,
Arbeitend, so sie zu ertränken.
Und die Erde half der Dame
Und öffnete ihren Mund
Und verschluckte die Fluten,
Welche der Drache aus seinem Schlunde geschleudert.
Und der Drache war gereizt zum Zorne gegen die Dame
Und ging hin, um Krieg zu wirken
Gegen die Übrigen ihres Keimes,
Die der Gottheit Vorschrift bewahren
Und halten fest an der Zeugenschaft
Von Jesus Christus.



HYMNUS AN SANCTA MARIA
(Aus dem Mittelhochdeutschen)

Du auf der Erde
Warest Aarons Gerte,
Die gebar eine Mandel,
Hilfreich unserm Wandel.
Süße brachtest du in der Tat,
Mutter ohne Mannesrat,
      Sancta Maria!

Du warest der Dornbusch, da
Mosis das Feuer geschah,
Das Holz nicht verbrannte,
Er die Flamme erkannte,
Die leuchtete weit und breit:
Deine Jungfräulichkeit,
      Sancta Maria!

Gideon, Richter in Israel,
Breitete Lammes Fell,
Da Himmelstau das Vließ
Gott betauen ließ:
Also die Jungfrau von Art
Im Geiste fruchtbar ward,
      Sancta Maria!

Meerstern und Morgenrot, Dame,
Acker, fruchtbar ohne Same,
Darin erscheint die Blume blau,
Du also schöne Frau,
Erkorne unter Verlornen,
Lilie unter Dornen,
      Sancta Maria!

Faden gewoben ist,
Da du geboren bist,
Unbefleckte Jungfrauschaft
Einzig aus Geisteskraft,
Der Tod mit allen Sorgen
Blieb vor dir verborgen,
      Sancta Maria!

Jesaja prophezeit
Dich Mutter und Maid,
Von Jesses Wurzel sagt er weis,
Von der Blume und dem Reis,
Von dem Sproß und dem Schoß,
Von dem Stamm und der Ros,
      Sancta Maria!

Daß geeinigt werde
Der Himmel der Erde,
Freuen sich Esel und Rind,
Mutter, vor deinem Kind,
Fürstin von Davids Stamm,
Da in der Krippe das Lamm,
      Sancta Maria!

Du gebarest das göttliche Kind,
Daß erlöst wir alle sind
In seinem heiligen Blut
Von aller schlimmen Höllenglut.
Des soll er immer gepriesen sein!
Auch wollen wir genießen dein,
      Sancta Maria!

Du bist ein Hag und ein Hort,
In dir wohnet Gottes Wort,
Wabe, der Sonne gleich,
Blume so farbenreich,
Du bist ohne Galle
Wie Taube und Nachtigalle,
      Sancta Maria!

Du versiegelter Bronnen,
Verschlossener Garten der Wonnen,
Der in Balsamen schwimmt,
Aloe, Narde und Zimt,
Zedernbaum, Davidsturm,
Vor dir fliehet der Wurm,
      Sancta Maria!

Libanons Zeder, auch
Jerichos Rosenstrauch,
Erwählte Myrrhe wunderbar,
Du gut und schön und wahr
Über die Engel all,
Versöhntest Evas Fall,
      Sancta Maria!

Eva brachte die Sündennot
Und als Sündenlohn Tod,
Du bist das neue Weib,
Das brachte uns Christi Leib!
Der Teufel begehrt den Mord,
Doch Gabriel kündet dir Gottes Wort,
      Sancta Maria!

Ein Kind gebarest du, Maid,
Von aller Welt gebenedeit!
Du bist schön wie die Sonnen,
Jungfrau von Nazareths Bronnen,
Mutter von Bethlehem,
Himmlische Jerusalem,
      Sancta Maria!

Himmelskönigin, dir sei Preis,
Du Perlenpforte ins Paradeis,
Erwählte Gottes, so heißt es,
Heiligtum Heiligen Geistes,
Deinen Sohn uns spende
Nun und am Weltenende,
      Sancta Maria!




BEN JONSON - ELEGIE UM MEINE MUSE

(Der wahrhaft geehrten Dame Venetia Digby,
die, lebend, mir die Erlaubnis gab, Sie meine Muse zu nennen.
Ihre Apotheose oder Eingliederung zu den Seligen.)

Es wäre Zeit, daß ich auch stürb, da Sie nun tot ist,
Die meine Muse war, die Seele meines Singens,
Der Geist, mit dem ich schrieb, der Geist, den ich erahnte.
Was gut war oder groß in mir, erregte Sie
Und machte’s stark. Der Rest war feines Spinngewebe,
Gesponnen in dem Namen einiger der Neune.
Ein Fenster zu verhängen, Räume zu verdunkeln,
Bis es verstreicht, mit einem Besen fortgewischt...
Nichts, das noch bleiben könnte oder rühren könnte
Ein Leid in mir, gezwungen nun, auf Sie zu warten!
O, ich hab Sie gesehn, den Leichnam aufgebahrt,
Beim Tod, auf Erden, Reue wollt ich kundtun, weinen
Um Sie, der Seele der Natur: Wer ließ Sie liegen
Und schaute zu, wie diese ihre Teile sterben?
Natur, bedenkenlose: Konntest du dich trennen
Von solcher Rarität, von auserlesnem Wesen,
Mit ihren Gnaden, Sie zu wahren vor dem Griff
Des Geiers Tod und seiner gnadenlosen Klauen?
Den Phönix hättest du verloren, so die Art,
Die ward ihr zugetraut, nicht für sich selbst bestimmt.
Sieh deine Trägheit, gib dir selber Ungeschehn,
Daß du so mit mir warst, da Sie nun fortgegangen!
Mein wundes Herz hält diesem schweren Schlag nicht stand,
Es wütet, rast, fliegt, staart und wollte provozieren
Die Welt gleich mit in den Ruin - in Ihrem Fall
Fass ich in eins den eignen Sturz und wünsch es allen!
Du hast nun, Schicksal, keinen Atem mehr zu schicken:
Was wäre ein Poet, wenn seine Muse ging!?
Gewiß, ich bin schon tot und weiß es nicht. Ich fühle
Nicht, was ich tu. Doch ähnlich einem schweren Rad,
Ich bin bewegt von einer andern Kraft; mein Leiden
Wühlt tief mich auf, ich schrei, doch in der Frömmigkeit.
Ich murre, ach! daß Gott genommen ihre Seele,
Gesegnete, und brachte dieses Tales Fahne
Aus Tränen vor und dies Verließ aus Katastrophe!
Ach, neidisch bin ich auf die Freundschaften der Engel,
Das Glück der Heiligen, die lebensvolle Krone,
Die Glorie, die Ruhestatt, wo Sie nun thront!
Wag ich uneingeweiht irreligiös zu sein,
Zu weinen über ihren also sanften Tod?
So süß gekommen zu dem Hof der Seligkeit
Ist Sie, als Geister ihren Geist im Kusse raubten
Aus ihrem Kissen, sie vom Bett entführende;
Und ließen unbesonnen tot den schönen Leib!
Indes Sie ist nicht tot! Sie ist gelegt zum Schlaf,
Ins Erdreich, bis Trompetenschall erweckt die Lämmer
Und Böcke auch, wohin ein jedes kommen wird,
Zu hören das Gericht und ewgen Urteilsspruch,
Und zu empfangen immerwährende Vergeltung,
Erwartet, mit der Wiedergabe ihrer Körper.
Die drei Naturen sind, so wie die Lehrer sagen:
Die eine körperlich, die andere der Geist,
Geschieden, doch ist noch ein Drittes, das gemischt
Aus Körper und aus Geist, inmitten beider weilt.
Sie werden kommen zur Bestrafung oder Krönung,
Je ob sie schuldig oder schuldlos sind befunden.
Sie kommen, zu empfangen ein Gesetz im Sinn
Des großen Zeugnisses, des sprechenden Gewissens!
Wer wird dort sein, auf diese Stunde vorbereitet,
Sich zu entsühnen, oder alles zu verlassen?
O Tag der Seligkeit! Gerechtem Richter Bürgschaft!
Die große Ruhe, eine ewigliche Nacht,
Für Leib und Seele! Dort, wo allen Gast die Liebe,
Die ganze Runde vor dem Angesichte Gottes!
Voll Freude ist der Kreis, da alle einig sind,
In Sinnen streifen wir die Freuden alle.
Das Hoffen findt sein Ziel, Vertrauen findet Dank!
Wenn dies so ist, was sollte dann noch meine Zunge
Vermeinen, diese Fülle sei noch überbietbar,
Wenn nichts mehr zieren kann als jener Sesselthron,
Darin Sie Platz nimmt, ewiglich vollkommener!
Sei, Zunge, besser sprachlos als so abergläubisch!
Denn wer entweiht die Gottheit, der ist gar vergiftet,
Der würde ehren gegen die Natur. Doch Er
Will sein geehrt in aller Einfalt eines Kindes!
Die Taten sind bewundert worden, angeschaut
Mit Stille und mit Staunen, nicht mit grobem Sinn,
Schwach, trägen Geistes, lästerlich, mit blinden Augen,
Geschäftig auf der Suche im Mysterium!
Wer weiß, welch Werk es ist, zu rufen diesen Gast,
Aus ihrem Leibe, hin zu solcher Feier:
Der gibt den Platz ihr, angemessen ihrem Blut,
Mit Ihresgleichen, Fürsten alles wahrhaft Guten!
Märytrer, Heilige, Propheten, Hierarchien,
Erzengel, Engel, Fürstentümer der Archai,
Die Herrlichkeiten und die Mächte und die Throne,
Die Cherubin, Seraphen in dem Garten Eden,
Die, hoch erhoben in dem Kreis, dem Lamme singen,
Ein neues Lied als Lobpreis Ewigem ICH BIN!
Sie weiß, hervorgekommen aus dem Todesschatten,
Wie’s ist, sich zu erfreun am Hauch der Ewigkeit!
Zu haben wundersamen Geist, befreit vom Stoffe,
Um ihre reine Unschuld eine frische Hülle,
Sie weiß, wie dies ist aufzunehmen: in der Hand
Die Palme, steht Sie, die gekrönte Überwindung!
Und würdest du denn, Sohn der Würde, Herr, dies wissend,
Schwarz tragen, traurig sein, und sagen, du vermissest
Die Frau, die Freundin, edle Dame, die Geliebte,
Die ihr Erlöser himmlisch ehrte höher als
Die Brüder alle mit dem Öl der Seligkeit, dem Lichtglanz
In hohen Strahlensphären, mit dem Kleid aus Licht?
Dorthin hoffst du zu kommen, schließlich dort zu finden
Das Herz, das einst du liebtest, kurzer Zeitraum trennt
Eich, mit der weiten Ewigkeit verglichen, die
Euch wieder wird vereinen! War Sie je so wert,
Wie als Sie ging? Du wirst Sie wiedertreffen dort,
Begehrenswerter noch und schöner als zuvor,
Bei all dem Wiohl von Segnungen und all der Fülle,
Die über sie ward ausgeschüttet, bei dem Herrn
Des Lichtes und des Lebens, Gottes Sohn, dem Wort!
Dort, Seelen in der Seligkeit, die je gewesen,
Sie werden sehen sich mit Freude im Theater,
Ein jeder kennt das Antlitz dort der Anderen,
Dort bei der seligmachenden, des Himmels Tugend.
Dort soll der Bruder mit geliebter Schwester wandeln,
Die Söhne und die Töchter mit den Eltern sprechen
Von Gott, sie sollen allezeit zu reden haben
Von Ihm, der Alles ist in Allem und ihr Thema,
An jenem glücklichen, dem Tag, der nie die Nacht sieht!
Wo Gott ist, dort wird sein die Schönheit dem Gesichte,
Wird Wein und werden Früchte köstlich sein dem Gaumen,
Dem Ohr Musik sehr lieblich, immerwährende,
Der Nase Weihrauch oder süßer Balsamdüfte,
Dem Fühlen sanft wie einer Palme Fächer Blümchen.
Er wird die Rühmung sein und die Vollkommenheit:
Gott in der Einigkeit und der Dreifaltigkeit!
Das wundervolle heilige Mysterium
Wird dort sein offenbar in schöner Majestät!
Bei der Erweckung und der Anmut ihrer Seele
Den Heiland schaun von Angesicht zu Angesicht
In seiner Menschlichkeit! zu hören seine Predigt
Von unserer Erlösung Preis und seine Worte,
Mit seiner Vollmacht immanentem Recht, im Tode
Vom Schutz der Seelen, wird der Geist hinaufgesendet!
Welch Fülle an Glückseligpreisungen ist dort!
Welch Liebe mit Barmherzigkeit gemischt erscheint!
Wo von Natur aus Feinde sind, geworden Freunde!
O Gnade, nimm uns Erben an, die wir von jenen,
Die wir verloren unser Selbst und reich gespendet
Das angeborne Teil, Unsterblichkeit der Seele;
Noch sind die Zweifel alle uns vergeben worden:
Wir haben angemessnes Recht auf unser Erbteil
In seinem ewgen Königreiche, wo wir sitzen
Den Engeln gleich, Miterben seiner Herrlichkeit!
Nicht wagen wir, mit Lästerungen auszudenken
Ihn, der uns treuer Richter sein soll, und wir lassen
Ihn allezeit in Kenntnis der ihm Auserkornen,
Der kennt jedwedes Herz und kann erkennen auch
Die kleinste Fiber unsres Fleisches, und er kann
Erkennen die geheimsten Buchten, Winkel, folgt
Jedwedem Zug, als wär es offenbar im Antlitz.
Er kannte ihren heiligmäßigen Charakter,
Denn Er selbst war der Formenden und gab ihn Ihr.
Zu solcher Form zwei solche Bahnen Bluts zu spenden,
Als könnte die Natur nicht mehren ihre Flut
Von Ehren, in Ihr. Vornhemheit von hohem Adel
Besaß Sie und es kam Ihr zu! Denn Sie war fähig,
Nicht zu empfinden bitterlichen Neid im Leiden!
Sie hatte ein Gemüt so stille wie Sie schön war,
Nie war im Widerspruche Sie zur lichten Liebe.
Seht dort ein schönes Tor, seht einen schlanken Baum
Im Winde wehend, solcherlei war ihre Anmut.
Ehrfruchtgebietend war die Führung Ihrer Augen,
So leitete Sie die Berufung der Familie.
Zu einem sagte Sie. Tu dies, er tat es; so
Zum andern: Rege dich, er regte sich; zum dritten:
Geh, und er ging. Und alle mühten sich mit Sorgfalt,
Zu folgen Ihr, zu dienen Ihrem sanften Wink.
Sie einte in sich auch verschiedne Lebensweisen,
Die Güte einer Mutter, Schönheit einer Gattin,
In feierlichem Sinn Geliebte, treue Freundin;
Mildtätig gnadenreich, zum religiösen Ziel,
In ihren kleinsten Taten, innig hingegeben
War nun Ihr ganzes Sein geworden Eine Note
Von frommer Ehrfurcht und privater Heiligkeit!
Sie spendete mehr Zeit, in Tränen sich zu kleiden,
Hingebungsvoll, als jenen kläglichen Versuchen
Der Notdurft, Pomp der aufgeschminkten Jubeltage.
Sie kan zum Vorschein stets verklärt, mit dem Geschenk
Der himmlischen Erquickung, wenn Sie sprach mit Gott!
Nie fehlte Ihren Seufzern der bestimmte Sinn,
Beredsamkeit will nimmer das getroffne Herz:
Inbitte ist am meisten angenehmer Weihrauch
Auf den Altären, wenn ein wenigstes erlaubt,
Und Ihrer war Bescheidenheit! Sie klopfte an
Das Tor der Huld und fand den hohen Gnadenstuhl,
Im regelmäßig treuen Singen schöner Psalmen
Hat Sie den Feiertag verbracht, Almosen spendend,
Auch andre Taten tat Sie noch aus Nächstenliebe,
Die Nackten einzukleiden, Hungrige zu speisen.
Säß Sie in einem Krankenzimmer, ganze Tage
Sie sähe auf die Pläne, Wege aufzufinden
Zur Ruhe immerwährned, wo Sie nun den Thron hat,
In sichrer Wahl und der vorherbestimmten Schönheit.
Sie sah schon den Erlöser, in der Morgenröte,
Verkörpert in der Krippe, Lichtglanz scheinend auf
Die ganze Welt! Sie sah ihn an dem Holz des Kreuzes,
Ihn leiden, sterben, unsre Schuld von uns zu nehmen!
Aufsteigen sah Sie Ihn gen Himmel, Triumphator
Über den Tod, als Richter und im Hauch belebend!
Sie sah Ihn strahlend mit der Glorie erscheinen
Zu seinem auserwählten Werk, vollkommnem Ende,
Erhebend, richtend und vergeltend alle Art
Von Menschlichkeit, auf wen Sein Los gefallen ist.
All dies im Glauben sah Sie, redete ein Wort
Zu Ihm, der sollte sein Ihr Richter, Gott und Mensch,
Zum einzigen Messias sprach Sie, Jesus Christus,
Der Er Erlöser ist und auch Erneuerer
Verfallener Natur, der weiß, was ist zu tun
Im großen Akt des Richtens, welches Ihm von Gott
Gegeben, ihm, dem Gottessohn (dies war er eher
Als Sohn des Menschen), zu erweisen seine Kraft
Und Seine Weisheit und sein Recht, in jener Stunde,
Der letzten aller Stunden, schließlichen Eröffnung:
Wo Seine ganze Kraft erscheinen wird, mit Namen
Derjenigen, die leben aus dem Tod! Die Weisheit
Zeigt sich, wie jegliches Gewissen sie erkennt.
Wer dieses liest, der wird verzeihen meine Klugheit,
Die so gewagt hat diesen Sang auf wahren Saiten,
Zu künden eine Selige! Denn meine Muse ging.



JOHN DONNE – HEILIGE SONETTE

DU SCHUFEST MICH...

Du schufest mich. Und sollte Dein Werk vergehen?
Stelle mich wieder her! mein Ende eilt herbei,
Ich eile zum Tode, der Tod trifft mich balde,
All meine Vergnügungen, ach, sind Vergangenheit.
Nicht wag ichs, meine matten Augen zu bewegen,
Verzweiflung hinter mir und vor mir der Tod, sie werfen
Schrecken auf mich herab! mein schwaches Fleisch ist verwüstet
Von der Sünde, die‘s zur Hölle treibt.
Nur Du bist erhaben! und wenn auf Dich zu
Durch Huld ich schauen darf, erheb ich mich wieder.
Aber unser alter subtiler Feind versucht mich so,
Daß ich mich nicht eine Stunde selbst erhalten kann.
Deine Gnade beflügle mich, vorzubeugen seiner Kunst.
Du schreibest wie mit Diamantengriffel auf mein Erz-Herz.


ICH BIN...

Ich bin eine kleine Welt, geschickt geschaffen
Aus Elementen, und bin ein Engel-gleicher Geist.
Aber schwarze Sünde verleitete mich zu endloser Nacht,
Meiner Welt zween Teile müssen sterben!
Du, der du jenseits des höchsten Himmels
Neue Sphären fandest, von neuem Lande schreiben konntest,
Schaffe neue Meere in meine Augen, daß
Ich im Ernstt ertränken kann meine Welt mit Tränen,
Oder sie waschen, muß ich sie nicht ertränken.
Aber oh! sie muß brennen! Ach, aber das Feuer
Von Lust und Neid verbrannte sie vorher
Und machte sie wüste; deren Flammen lösche,
O Herr, und brenne mich, Herr, mit feurigem Eifer
Für Dich und Dein Haus, im Verzehren heilend.


GEBURT

Großartig! Kreuzgänge wandelnd in deinem lieben Schoß,
Verläßt Er nun Sein geliebtes Gefängnis, wo Er
Sich Selbst erschuf für Seine Absicht,
Schwach genug, in unsere Welt zu kommen.
Aber oh! für dich und Ihn war in der Herberge Raum nicht?
Aber leg du Ihn in diesen Stall, vom Orient werden
Sterne und Weise kommen, vorzubeugen der Wirkung
Des allgemeinen Gerichts des Tetrarchen Herodes.
Siehst du, meine Seele, mit Glaubensaugen, wie Er
(Der allen Raum füllt, den kein Raum umfaßt) da liegt?
War nicht Sein Mitleid mit dir so wunderbar groß,
So groß, daß Er gar benötigen wollte Mitleid von dir?
Küsse Ihn, o küsse den Sohn! mit Ihm nach Ägypten geh
Und mit Seiner Mutter, die teilhat an deinem Weh.-


VERKÜNDIGUNG

Erlösung Allen, die guten Willens sind! Das Alles,
Das überall und immer Alles ist, ist Ein-und-Alles,
Das nicht sündigen kann und alle Sünden tragen muß,
Nicht sterben kann und keine andere Wahl als den Tod hat -
O fromme Jungfrau! Er, Er begab sich
In Gefangenschaft, in deinen Schoß! Und obwohl Er dort
Nicht Sünde annehmen konnte, wollt Er von dir doch
Fleisch annehmen, welches der Tod versuchen wird!
Ehe die Zeit durch die Sphären geschaffen, warst du
In Seinem Geist, der nun dein Sohn, dein Bruder,
Den du empfangen, empfangen. Ja, du bist nun
Deines Schöpfers Schöpferin!... deines Vaters Mutter!...
Du hast Licht im Dunkeln, du schließt in einen kleinen Raum
Die Großartigkeit ein in deinem lieben Schoß.


O MÖCHTEN DOCH JENE SEUFZER...

O möchten jene Seufzer und Tränen doch wiederkehren
Mir in Busen und Augen, die ich von mir gesandt,
Und könnt ich in dieser heiligen Unzufriedenheit
Fruchtbar klagen, wie ich vergeblich klagte!
Welche Regenschauer vergossen in meiner Idolatrie
Meine Augen? welche Schmerzen hat mein Herz verschwendet?
Diese Leiden waren meine Sünde, die ich nun bereue;
Weil ich litt, drum muß ich nun Schmerzen leiden.
Doppeltsehender Trinker, nachtdurchschweifender Dieb,
Brennender Lüstling, selbst sich kitzelnder Stolzer:
Sie erinnern vergangener Freuden sich, zur Erleichterung
Kommender Übel. Mir, mir Armen, ist nicht erlaubt
Ein Leichtes. Vehementer Gram war
Wirkung und Grund, die Peinigung und die Sünde.


AN DER RUNDEN ERDE...

An der runden Erde imaginierten Ecken, blaset
Eure Trompeten, ihr Engel, und erhebt, erhebt euch
Vom Tode, zahllose Unendlichkeiten von Seelen,
Zu euren zerstreuten Körpern wandelt, Seelen,
Zu den von Fluten und Feuern überschauerten Körpern,
Die Krieg und Alter und Krankheit und Tyrannei,
Verzweiflung, Gesetz und Zufall zerschlagen.
Eure Augen sollen Gott schaun! nimmer schmecken des Todes Weh!
Aber laß sie ruhen, Herr, und laß mich klagen eine Weile,
Denn, über ihre hinaus, sind meine Sünden zahlreich.
Es ist zu spät, zu erbitten deiner Gnade Fülle,
Wenn wir dort sind; hier auf dem niedrigen Grunde
Lehr mich, sie zu bereuen; denn das ist so gut, als ob
Du mich mit Vergebung versiegeltest, ja mit Deinem Blut!


MEINES SCHAUSPIELS LETZTE SZENE....

Meines Schauspiels letzte Szene ist diese: der Himmel
Beruft meiner Pilgerschaft letzte Meile; meine Jagd,
Zwar müßig, aber eilig, unternimmt den letzten Ausritt;
Meiner Spanne letzter Inch, der Minuten letzter Punkt;
Sofort will der gefräßige Tod mir trennen
Körper und Seele, ich soll eine Weile schlafen,
Doch mein immerwährender Teil soll das Antlitz schaun,
Wovor mich große Furcht bereits erschüttert! Denn,
Da meine Seele (zum Himmel als ihrem Sitze) aufschwebt,
Der erdgeborene Körper in der Erde wohnen soll,
So fallen meine Sünden, die alle ihre Rechte haben,
Mir ein und wollen mich höllenwärts reißen!
Schreibe mir Gerechtigkeit zu, vom Bösen Reinigung-
Also laß ich Welt und Fleisch und Satan, geh zu Gott.


WARUM WERDEN WIR...

Warum werden wir versorgt durch alle Kreaturen?
Warum liefern die verschwenderischen Elemente
Leben und Nahrung mir, sind sie doch reiner,
Einfacher, weiter entfernt von jeglicher Korruption?
Warum verweigerst du, das ignorante Roß, die Unterwerfung?
Was terrorisierst du mich? Was trägst du
Heuchelnd Schwäche und stirbst durch eines Mannes Schläge,
Dessen ganze Art du eigentlich nähren möchtest?
Schwächer bin ich, weh mir, und schlimmer als du!
Du sündigtest nicht, du brauchst nicht ängstlich zu sein,
Doch wundere dich über großes Wunder: denn für uns
Unterwirft die geschaffne Natur diese Dinge;
Aber ihr Schöpfer (den weder Sünde bindet noch Natur) -
Für uns, für seine Kreaturen und seine Feinde, ist Er gestorben!


WIE, WENN DIESE GEGENWART...

Wie, wenn diese Gegenwart die letzte Nacht der Welt wär?
Merke du in meinem Herzen, o Seele, wo du wohnest,
Dir das Bild des gekreuzigten Christus! und sag,
Ob Sein Gesicht dich etwa erschrecken kann:
Die Tränen in Seinen Augen löschen das erstaunte Licht,
Das Blut tränkt seine Haare, die vom durchbohrten Haupte fallen.
Kann jene Zunge dich zur Hölle verdammen, die
Vergebung erbat für Seiner Feinde wilde Geister?
Nein, nein! Aber wie in meiner Idolatrie
Ich zu allen meinen profanen Herrinnen sagte:
Schönheit kommt von Mitleid; Abscheulichkeit aber
Ist ein Zeichen der Strenge: so sag ich zu Dir.
Dämonen ist eingezeichnet ein schreckliches Aussehn,
Diese schöne Form bezeichnet einen mitleidigen Geist.


SCHLAGE MEIN HERZ...

Schlage mein Herz, dreifaltige Gottheit! Nämlich, Du,
Ich atme und poche und scheine und such mich zu bessern,
Erheb mich und stehe, überwinde mich und binde
Deine Kräfte, blase und brenne und erneuere mich!
Schau, ich, wie eine eingenommene Stadt,
Ich weihe Dir meine Arbeit, aber oh! ohn‘ Ende ists.
Vernunft, Dein Sieg in mir, der sollte mich verteidigen,
Aber sie ist gefangengenommen, erweist sich als schwach.
Aber herzlich lieb ich Dich! und wollte herzlich geliebt sein!
Aber ich bin verraten an Deinen Feind, den Bösen,
Scheide von ihm mich oder zerschlage den Knoten wieder,
Nimm mich zu Dir, sperr Du mich ein, denn ich
(Es sei denn Du entfesseltest mich) werd niemals frei sein,
Noch jemals keusch sein, es sei denn Du entzücktest mich!


SEIT SIE, DIE ICH LIEBTE...

Seit sie, die ich liebte, ihre letzten Zweifel bezahlte
Der Natur, seit meine Gute dahingeschieden ist,
Ihre Seele früh sich in die Himmel trug,
Ist gänzlich auf himmlische Dinge gerichtet mein Geist!
Hier ist verehrend, wird mein Geist angetrieben,
Dich zu suchen, o mein Gott! (So zeigen Ströme ihr Haupt.)
Obwohl ich Dich gefunden und Du meinen Durst mir stillest,
Ein heilig-dürstender Tropfen schmilzt mich jetzt noch immer.
Doch warum soll ich um mehr Liebe betteln, wenn Du
Mir für ihre Seele Deine, Deine Seele bietest?
Und fürchtest nicht allein, ich erlaubte mir eine Liebe
Zu den Heiligen und den Engeln und göttlichen Dingen,
Sondern in Deiner zärtlichen Eifersucht bangst Du,
Daß Welt und Fleisch und Teufel schließlich Dich vertreiben.


ZEIGE MIR, LIEBER CHRISTUS...

Zeige mir, lieber Christus, Deine Braut, ganz rein und weiß,
Wie? ist sie es, die am anderen Ufer wandelt,
So reich gemalt? oder die zerrissen und beraubt
Lamentiert und weheklagt in Deutschland und England?
Schläft tausend Jahre? schaut dann nur Ein Jahr auf?
Ist selbst Wahrheit und Irrtum? neu und abgetragen?
Erschien sie, erscheint sie, wird sie immer erscheinen
Auf einem Hügel, auf sieben Hügeln oder auf keinem?
Wohnt sie bei uns? oder reisen wir wie Ritter
Auf Abenteuern, erst Liebe suchend, dann Liebe machend?
Offenbare, o Bräutigam, Deine Braut unsern Augen!
Laß meine verliebte Seele hofieren die milde Taube -
Zutiefst wahrhaftig ist sie, Dir wohlgefällig, dann,
Wenn sie umarmt ist und offen den vielen Seelen.


TOD, SEI NICHT STOLZ...

Tod, sei nicht stolz, wenn auch manche dich hießen
Mächtig und schrecklich, denn du bist nicht so.
Jene, die du zu überwinden meinst, die sterben nicht,
Du armer Tod, noch kannst du mich töten!
Von Ruhe und Schlaf, die deine Bilder sind,
Wird viel Freude, mehr als aus dir, entfließen.
Bald gehen unsre besten Menschen mit dir,
Sie ruhn von den Knochen aus, liefern die Seele aus.
Du bist Sklave des Schicksals, Sklave des Zufalls,
Wohnst mit Gift und Krieg und Krankheit zusammen.
Puppen oder Zauberei lassen uns auch gut schlafen
Und besser als du. Was blähst du dich also auf?
Ein kurzer Schlaf vergeht, wir erwachen ewiglich!
Tod wird nicht mehr sein! Tod, du wirst sterben!


AUFERSTEHUNG

Schlafe, alte Sonne, du kannst nicht ein Mahl abhalten,
Wie jetzt, die Wunde, die du letzten Freitag empfingst.
Schlaf also und ruhe. Die Welt mag dein Stocken ertragen,
Eine bessere Himmelssonne steht heut vor dir auf,
Die, nicht damit zufrieden, alle zu erleuchten, die
Auf der Erde wohnen, wie du, sondern die auch erleuchtet
Die Hölle, läßt auflodern finstere Feuer in jenem Tal,
......................................................
Dessen Körper auf Erden wandelte und nun eilend
Zum Himmelreich wünschte, daß Er
Sich selbser allen Stationen gewährte und alles erfüllte,
Dessen drei Tage werden kristallen.
Er war ganz aus Gold, er lag darnieder, aber erhob sich
Ganz aus Tinktur und ordnete an nicht allein einen
Eisernen Willen zum Guten, sondern ist voller Macht,
Selbst sündiges Fleisch dem Seinem gleich zu machen.
Ist hier einer von jenen, deren leichtgläubiges Mitleid
Dachte, daß man eine Seele sehen und erkennen könne
Vom Körper scheidend, wäre dieser an der Gruft gewesen,
Hätt er, aus dem Grabtuch hervorkommend Seinen Körper gesehen,
Er hätte Seinen Körper geradezu für eine Seele gehalten,
Wenn nicht für die Seele eines Menschen, dann aber
Für die Seele des Ein-und-Alles.



LORD BYRON - DON JUAN UND HAIDEE

in freier Nachdichtung

Der Atemlose in den Sand sich krallte
Mit seinen Nägeln, daß ihn nicht die Welle,
Die tosend wiederkehrte, brüllend wallte,
Zurückriß in sein Grab und in die Hölle;
Da lag er langgestreckt im letzten Spülen
Des Meers vor einer Grotte, matten Lebens,
Gerad genug, des Lebens Pein zu fühlen,
Gerettet zwar, jedoch vielleicht vergebens.

Langsam und taumelnd hat er sich erhoben,
Dann sank er wieder in die Kniee ein,
Er schaute aus ins wüste Wellentoben
Nach den Gefährten, doch er war allein.
Nicht einer beistand seinem Weh und Wunden,
Nur eine Leiche in dem Wasserbette,
Des Tags zuvor gestorben, nun gefunden
Am öden Strande seines Grabes Stätte.

Er starrte, und es kreiste sein Verstand,
Er sank, und als er sank, da schwamm der Sand
Um ihn, der letzte seiner Sinne schwand,
Er fiel auf seine Seite, seine Hand
Aufs Ruder hing, das sie gebraucht als Mast.
Wie eine Lilie lag er auf dem Land,
So schlank gebaut, sein Aussehn ganz erblaßt,
Der Lieblichste, der je im Staub sich wand.

Juan in seiner Trance, ganz nah am Meer,
Die Erde war vergangen und die Flut,
Es war nicht Mond und war nicht Sonne mehr
Für seinen matten Sinn, sein schwarzes Blut.
Die Ohnmacht (warens Tage, warens Wochen?)
Verging, des Leibes Glieder schmerzten so,
In seinen Venen und im Puls ein Pochen,
Der kämpferische Tod besiegt entfloh.

Er tat die Augen auf, er schloß sie wieder
Und alles schwindelte ihm im Verstand:
War er noch auf dem Meer? So matt die Lider,
Da ward er von Verzweiflung übermannt.
Er wünschte sich in tiefen Schlaf zurück;
Gefühle ihm zurückgekommen waren,
Da sah sein feuchten Auge, sah sein Blick
Ein Mädchenangesicht von siebzehn Jahren.

Sie bog sich über ihn, die Lippenrosen
Ihm nahten Atem spendend lebensrot,
Die sanfte warme Hand mit zartem Kosen
Rief seinen jungen Geist zurück vom Tod.
Die Schöne suchte sanfte zu erregen
Den Puls Juans, berührend sanft ihn, ach,
Bis Seufzer, ihren Busen zu bewegen,
Sein Seufzer ihrer Sorge Antwort sprach.

Sie flößte ihm Likör ein und sie schwang
Ein Tuch um ihn, der schöne Frauenarm
Hob ihm das Haupt, ihm überm Haupte hang
Die weiße Mädchenwange pur und warm.
Dann wrang sie seine feuchten Locken zag,
Durchnässt von Meeressturm und Wetterwüten,
Begierlich sah sie seines Pulses Schlag
Und Seufzer ihm und ihr im Busen glühten.

Und in die Grotte trug die junge Fraue
Juan mit ihrer Magd, die älter war,
Robusterer Figur, mit dichter Braue,
Da zündeten ein Feuer sie sogar,
Und als die neuen Flammen goldnen Schimmer
Den Felsen gaben, die nie sahn die Sonne,
Erschien die Jungfrau (oder was auch immer
Sie war) in ihrer Schönheit süßten Wonne.

Goldmünzen über ihre Brauen hangen
Und wie Kastanien ihre Haare braun,
In Flechten ihre Locken, ihre langen,
In ihrer ganzen Länge anzuschaun,
Die Locken hingen zu der Hüfte gar.
Und Herrlichkeit erschien in ihrer Aura,
Die sie wie eine Edeldame war
(Doch nicht so distanziert wie Donna Laura).

Die Augen waren schwarz wie Nacht mit matten
Tödlichen Glanz, die Wimpernflut sich bog,
Lag Attraktion in ihren Seidenschatten,
Der jedes Jünglings Blicke auf sich zog.
Von dieser Rabenschwinge floh der Glanz
Wie Amors Honigpfeil, der immer trifft,
Wie eine Schlange, die sich beißt den Schwanz
Und dann vorschnellt und schleudert Todesgift!

Die Brauen gold, die Wanges pures Sterben
Wie rosenrot der Sonnenuntergang.
Die süßte Feigenlippe läßt mit herben
Wehvollen Seufzern seufzen uns so bang.
Sie eignete sich als Modell zur Venus!
Was mich betrifft und meinen Dichtergenius:
Ich schaute eine Frau, reif und real,
Die schöner als ein Marmor-Ideal!

Vielfarbig war ihr Kleid und feingesponnen,
Die Locken um das Antlitz negligente
Mit Gemmensteinen und mit goldnen Sonnen,
Der Gürtel Aphroditens um die Lende,
Am Schleier Spitze fein wie Blütenflocken
Und Ringe an den Händen jener Nymphe,
Ihr schlanker Schneefuß aber, ihn zu schocken,
Trug goldene Sandalen - ohne Strümpfe.

Das Kleid der andern Frau war fast so gleich,
Doch waren ihre Stoffe nicht so fein
Und nicht an Ornament und Zier so reich,
In ihrem Haare war kein Edelstein,
Ihr Schleier war von gröberem Gestick,
Die Aura dieser Frau ein wenig derber,
Das Haar um etwas kürzer, etwas dick,
Die Augen nicht so süß, die Blicke herber.

Die beiden zarten Fraun Juan empfingen
Mit Speise und mit delikater Mühe,
Aufmerksamkeiten, die nur Fraun gelingen,
Zehntausend Köstlichkeiten in der Frühe.
Sie inszenierten beste Morgenmessen,
So etwas singen selten Dichterminner,
Doch selbst Homer hat nicht so gut gegessen,
Als ihn geladen Helena zum Dinner.

Die beiden schienen zwar, bei meiner Ehre,
Prinzessinnen aus höchsten Adelskreisen
(Ich hass die nebelhafte Atmosphäre,
Wie heut sie die modernen Dichter preisen),
Ich sag dir, wer sie waren, es ist wahr,
So treten sie vor deine Augen her:
Als Magd, als Herrin, welche Tochter war
Von einem Mann, der lebte auf dem Meer.

Des Seemanns Tochter nannte sich Haidée,
Die Erbin aller Inseln Griechenlands,
Die schöner als im Tanze Salome,
Ihr ganzer Reichtum: ihres Lächelns Glanz,
Ein Granatapfel sie mit goldnen Kernen,
Aufwuchs sie wie ein Baum in Edens Garten,
Wies manchen Mann zurück, nur um zu lernen,
Auf einen bessern Bräutigam zu warten.

Das beste schien der Jungfrau allerwegen
(Als Beistand mußte ihr die Zofe taugen)
Juan in jener Grotte hinzulegen.
Und öffnete er seine schwarzen Augen,
Dann wüchse für den Gast die Caritas,
Durch ihr Erbarmen wird die Liebe größer,
Es öffnete die Himmelspforte das,
Sankt Paul sagt: Caritas ist der Erlöser!

Sie ließen ihn in stiller Ruhe leis,
Juan den Schlaf so wie ein Toter schlief,
Der schläft vielleicht - doch Jesus Christus weiß -
Nur einen kurzen Augenblick? Und tief
In seinem Haupte keine Träume waren
Von Leiden, sondern Träume in den Venen
Ihm Zauber zeigten von verliebten Jahren;
Dann taten sich die Augen auf, voll Tränen.

Die Maid ließ in der Höhle ihn zurück,
Strich noch sein Kissen glatt und ließ die Höhle,
Sie sah sich um, stand einen Augenblick,
Ihr war als murmelte im Schlaf die Seele
(Flüssig der Feder Tinte und die Zunge),
Ihr war als ob er ihren Namen nannte,
Dabei vergaß die wunderschöne Junge,
Daß er ja ihren Namen gar nicht kannte.

Sie ging zu ihres Vaters Hause sachte,
Mit Zoe das Geheimnis wahrend, die
Verstanden, was Haidée im Herzen dachte,
Zwei Jahre weiser war sie ja als sie.
Nutzt man die Zeit, sind wenig nicht zwei Jahre,
Und Zoe nutzte ihre Zeit, wie Frauen
Oft tun, daß ihnen Weisheit offenbare
Natur, die weiß so vieles zu vertrauen.

Haidée sah nun Auroras Angesicht,
Ihr eignes frisch; ein leichtes Fieber kam
Mit heißem Blut auf ihre Wangen licht,
Vom Herz zur Wange eine Purpurscham.
So kann am Bergeshang der Wildbach speisen
Alpine Ströme, sammelnd sich im See
(Wie Goethe dichtete) in stillen Kreisen,
Spiegelnd das Bergeshaupt gekränzt mit Schnee.

An Klippen ging die Inseljungfrau da,
Zur Grotte schwebte leichten Schritts die Frau.
Der Morgenstern mit Lächeln zu ihr sah,
Aurora küsste ihren Mund mit Tau.
Aurora hielt Haidée für eine Schwester,
Schön war Haidée wie rosiger Morgenschein,
Wie Judith schön war und wie schön war Esther.
Ihr Vorteil war es, nicht aus Luft zu sein!

Und als Haidée in jene Grotte trat,
So schüchtern und so rasch, sah ausgestreckt
Juan sie hingelagert lang und grad,
Da stand sie still, ganz still, als wie erschreckt.
Dann schlich sie, ihre Wangen schamesrot,
Und hüllt ihn ein, daß nicht die rauhe Luft
Ihn kühle, neigte über ihn wie Tod
Den Mund, der auftrank seines Atems Duft.

So wie bei David Schunems Abischag,
So lehnte sie sich über ihn. Tranquill
Im Schlummer jener holde Jüngling lag,
Darüber säuselten die Lüfte still.
Die Magd briet in der Zwischenzeit die Eier,
Frühstücken mußte ja das junge Paar,
Die gute Zoe kochte auf dem Feuer
Den teufelsschwarzen Mekka-Mokka gar.

Auf seiner transparenten Wange Spiegel
Der Purpur lag von eines Tages Sterben
Wie auf verschneitem Gipfel ferner Hügel,
Auf seiner Stirn der Strich von Leiden, herben,
Wo matt im Schatten lagen blaue Venen.
Die Locken feucht vom Tau der Meeresluft,
Salzig und naß wie eines Dichters Tränen,
Gemischt mit kühlem Dunst der Felsengruft.

Sie hat sich an den Jüngling angeschmiegt,
Er lag als Säugling an der Mutterbrust,
Wie Ozeane in der Ruh gewiegt,
Ein Weidenzweig, besprengt mit Morgendust.
Schön wie die Rose in dem Rosenkranz,
Schön wie in Ledas Nest ein weißer Schwan!
Ein schöner Jüngling, wie der Morgenglanz,
Wenn auch die Wangen etwas krank aussahn.

Er würde wieder eingeschlafen sein,
Doch ihre schöne Augen dies verbaten,
Wenn auch die Schwäche und der Glieder Pein
Um wahre Wonne tiefen Schlafes baten.
Juan war nie ein Fraungesicht umsonst
Geschaffen; auch in seinem Beten nie
Hat angefleht er der Asketen Gunst,
Sah immer an die Selige Marie!

Sie lehte ihn die Sprache, die sie spricht,
Er wollte ihre Worte wiederholen;
Gefühle kamen, kosmisch wie das Licht,
Die hielt er nicht in seiner Brust verstohlen
Wie in dem tiefen Busen einer Nonne:
Er liebte! aber ach! so ging es allen,
Bei solcher Lehrerin wie seiner Wonne,
Die ihm mit Seele und mit Leib gefallen!

Und jeden Morgen - in Auroras Schoß
Juan gebettet seine Glieder läßt -
Haisée kam zu der Grotte, aber bloß
Den Vogel ruhn zu sehn in seinem Nest.
Sie wollte sanft ihm seine Locken kräuseln,
Sie hauchte seinen Mund an holder Hast,
Wie übers Rosenbett des Südwinds Säuseln
Sie atmete um den schlafnen Gast.

Juans Gesicht ward frisch und frischer bald,
Die Liebe aufhalf seiner Konvaleszenz.
Gesundheit ist der menschlichen Gestalt
Zum Vorteil, wahrer Liebeslust Essenz,
Und Muße für der Leidenschaften Flammen
Schwarzpulver sind und Öl. Auch assistieren
Dionysos und Demeter zusammen,
Sonst würd so lang nicht Venus attackieren.

O kühle Stunde, wenn die Sonne glänzt,
Rot hinter blauen Hügeln niedersteigend,
Als ob die ganze Erde sie umgrenzt,
Umkreisend alle Schöpfung still und schweigend,
Umrundend hochgetürmtes Berggewimmel,
Das Wasser ruhig, träumend alle Inseln
Und steigend an den roten Rosenhimmel
Die Venus mit der blauen Boicke Blinzeln...

Die Beiden gingen schweigend Hand in Hand
An schöner Muschel lang und weißem Kiesel,
Sie glitten durch den sanften Küstensand
Zur Felsenkluft mit leisem Bachgeriesel.
In sturmgebauten wilden Felsenhöhlen
Als wie in Klosterzellen Arm in Arm
Sie ruhten, auszutauschen ihre Seelen,
Geweiht dem purpurroten Zwielichts-Charme.

Sie sahn zum Himmel, dessen Glanzes Fließen
Ausbreitete ein Rosenmeer aus Licht.
Sie sahen auf das Meer zu ihren Füßen,
Den Kreis des blütenweißen Monds in Sicht,
Sie hörten Wellen plätschern, Wind so leise,
Sie sahn der tiefen Augen Feuerkreise;
Da kam, was von der Liebe kommen muß:
Und Mund und Mund vereinten sich zum Kuß!

Ein langer Kuß von Jugend und von Liebe
Und Schönheit - Schönheit nimmer auszusagen! -
Ein Blitz, entzündet von der höchsten Liebe,
Ein Kuß, wie angemessen jungen Tagen,
Wo Herz, Gemüt und Sinne Eines Gusses
Und Blutes Lava pulsen unermessen,
Ein Herzschlag-Kuß! Die Stärke solches Kusses
Muß man an seiner Hitzelänge messen.

Einsame beide, aber nicht wie der,
Der wollte sich als Eremit einschließen!
O stille Bucht am sternverklärten Meer!
Die Gluten einen Augenblick nachließen.
Die Grottenfelsen, die von Tau benässten,
Um sie, die da sich aneinander pressten,
Als sei kein Glühen an dem Horizonte,
Nur ihres, welches nimmer sterben konnte!

An diesem stillen Strande keine Zeugen.
Die Nacht umhüllte mütterlich ihr Eden.
Ihr Seufzen und ihr Küssen und ihr Schweigen
Und Stammeln war der Liebe süßes Reden.
In Leidenschaft die Feuerzungen beten,
Im Seufzer fanden sie den Interpreten
Der ersten Liebe Seherspruch. Dies alles
Das Erbe des evitischen Sündenfalles...

Sie ward geliebt und liebte. Ihr ward Ehre,
Sie huldigte. In beider Leiber Ton
In eins gegossen Seelenfeuermeere:
O Liebestod verzehrender Passion!!!
Errichtet ward die Herrlichkeit der Sinne
Zu Einer Überwältigung gemeinsam!
An seinem Herzen ruhend, war in Minne
Haisée, als schlüg das Herz ihr nie mehr einsam!

Sie waren jung und schön, vor Liebe toll,
Einsam gemeinsam in dem Sternen-Nachtmeer,
In der verliebte Herzen immer voll,
In der man über sich hat keine Macht mehr,
In der man lebt in Ewigkeiten schwebend
Und fühlt auf Erden schon Äone beben
Vor Wonneseligkeit, in Liebe gebend
Die eigne Seele einem lieben Leben.

Er und die reizende Haidée! Sie war
Bereit zu sterben in den Liebesflammen!
Adam und Eva wagten einst, das Paar,
Um einen Apfel ewiges Verdammen!
Haidée, die in Verehrung vor ihm saß,
Vernahm wohl von der Lethe Wogenrollen,
Inferno, Purgatorium - vergaß
Gerad, was sie nicht hätt vergessen sollen!

Einander ihre Blicke Küsse gaben
Im Mondschein. Ihre Arme ihn umschlangen
Und lässig lag sein linker Arm begraben
In hennarroten, braunen Lockenschlangen...
Sie saß auf seinem Schoß, trank seinen Blick,
Sie endeten im Schmachten heiß, begierlich,
Verseufzend; ein Gebilde ganz antik,
Halb nackt, erotisch, griechisch und natürlich!

Braut der Natur war sie und wußt es nicht,
Braut der Passion, aus Flammen Glut zu saugen,
Geborn, wo niederglüht das Sonnenlicht
Und glüht in weiblichen Gazellenaugen.
Zur Liebe hatte eine Frau empfangen
Haidée, die sehr sich an Juan ergötzt.
Was sollte sie vor Jenseitswelten bangen?
O Liebe! Hoffnungen! Ihr Herz schlug - jetzt!

Es war vollbracht. Sie waren nun vermählt.
Ein Stern als Fackel von dem Hochzeitsgotte
Mit Schönheit die zwei Schönen schön beseelt;
Der Ozean ihr Zeuge vor der Grotte;
Vom eigenen Gefühl geweiht dem Glücke;
Der Priester war die Einsamkeit. Und dies
War ihre Seligkeit. Für ihre Blicke
War dies Gefild ihr Eden-Paradies.

Ave Maria! Preis der nahen Nacht
Und wo ich oft geruht hab, dem Gefild,
Da fühlte ich Momente voller Macht
Herniedertauen auf die Erde mild,
Da schwang im fernen Turme eine Glocke,
Da leis die Hymne zur Madonna fleht,
Kein Hauch hinschwebt und keine Blütenflocke,
Doch jeder Baum dort bebte vor Gebet.

Ave Maria! Es ist Zeit zu beten!
Ave Maria! Stunden Deiner Nähe!
Ave Maria! da die Seelen flehten
Zu Dir und Deinem Sohne in der Höhe!
Ave Maria! Dein Gesicht so mild,
So schön, so voller Demut vor der Taube
Des Ewigen! - Es ist zwar nur ein Bild,
Doch himmlische Idee, an die ich glaube.



THERESE VON LISIEUX

WARUM ICH DICH LIEBE, MARIA
(Auszug)

Ich möchte singen, Mutter, warum ich dich liebe,
Warum dein süßer Name Jubel weiß zu schenken,
Warum in meiner Seele keine Schrecknis bliebe,
An deine Hoheit und Erhabenheit zu denken.

Würd ich in deiner Gloria dich nur betrachten,
Wie du den Glanz der Sel’gen überschreitest, denken,
Könnt ich mich nicht im Glauben als dein Kind erachten
Und müßt vor dir, Maria, meine Augen senken.

Damit ein Kind die Mutter lieben kann, vereint
Muß weinen sie mit ihm und seine Schmerzen teilen.
Du Königin des Herzens, wie hast du geweint
Im fremden Land, um mich an dich zu ziehn derweilen!

Seh ich dein Leben in dem Evangelium stehen,
Wag ich’s, dich anzuschaun, zu nahn mich deiner Seite,
Dann fällts nicht schwer mir, mich als dein zu sehen,
Dein Kind, weil ich dich leidend sehe wie ich leide.

Als dir des Himmels Engel angeboten hatte,
Mutter des Herrn zu sein, des Ew’gen - ungelogen
Seh ich (o welch Mysterium) daß du voll Gnade
Geheimnisvollen Schatz der Jungfrau vorgezogen.

Ich sehe, unbefleckte Maid, daß deine Seele
Dem König lieber noch als seine Einkehr ist,
Ich seh, daß deine demutvolle sanfte Seele
Den Ozean der Liebe fasst, Herrn Jesu Christ!

Ich liebe dich! Ich nenne dich die kleine Magd
Des Herrn, den du entzückt durch Demut, reine Maid;
Durch diese große Tugend, die dich mächtig macht,
Ziehst du ins Herz die Heiligste Dreifaltigkeit!

Der Geist der Liebe überschattet deinen Schoß,
Der Sohn, dem Vater gleich, hat Fleisch von dir genommen.
Weil seiner sündigen Geschwister Zahl so groß,
Den Erstgebornen nennen Jesus alle Frommen.

O Josef, o Maria! Dann in Bethlehem
Seh ich von den Bewohnern euch zurückgestoßen,
Daß niemand solche armen Fremden zu sich nehm,
Sind Wohnungen in dieser Welt nur für die Großen.

Den Großen ist der Raum. Madonna ungeehrt
Gebären muß in einem Stall des Vaters Wort.
O Mutter des Erlösers, o wie liebenswert,
Wie find ich dich so groß an solchem armen Ort!

Seh ich den Ewigen in Windeln gar bescheiden
Und hör das schwache Schrei’n des ew’gen Wortes, Mutter,
Soll ich in dem Moment die Engel denn beneiden?
Anbetungswerter Herr ward mein geliebter Bruder!

Wie ich dich liebe, die du diese Gottesblume
An unsern Ufern zur Entfaltung kommen ließest
Und Weise auch und Hirten hörst im Heiligtume
Und jedes Wort in deinem Herzen still verschließest!

Ich liebe dich, weil mit den Fraun du dich begeben
Auf einen Weg, der zu dem Tempel führt, ich weiß,
Wie du den Retter unsrer Seelen, unsrer Leben,
Den Sohn gelegt in seinen Arm dem frommen Greis.

Erst hör ich freudig seinen Lobpreis, geistgehaucht,
Dann muß ich weinen, vielgeliebte Maid,
Weil Simeon, den Blick ins Kommende getaucht,
Der Seele dein das Schwert der Schmerzen prophezeit!

O Königin der Marterzeugen, dieses Schwert
Wird bis zum Lebensabend dir das Herz durchbohren!
Schon mußt du fliehen, Mutter mit dem Sohn geehrt,
Vor einem König, der der Eifersucht verschworen.

Gott schlummert unter deinem Schleier, alles schweigt,
Doch Josef bittet dich, in Eile aufzubrechen.
In diesem Augenblick sich dein Gehorsam zeigt,
Und du brichst auf in Eile, ohne Widersprechen.

Im Land Ägypten scheint es mir, Maria, und
In dem Exil, blieb deine Seele arm und froh:
Ist denn nicht Jesus allerschönster Heimatgrund?
Du hegst den Himmel! Was ist denn Verbannung so?

Doch in Jerusalem dich flutet Bitterkeit,
Dein Herz ist voll der Traurigkeiten wie ein Meer:
Drei Tage birgt sich Jesus deiner Zärtlichkeit -
Das ist Verbannung nun in aller Härte schwer!

Dann sahst du ihn, denn Liebe trug dich hin,
Du sprachst zum Sohn, der Schriftgelehrten Freude jenen:
Warum behandelst du uns so? dies frugst du ihn;
Dein Vater, sieh, und ich, wir suchten dich mit Tränen!

Sagt Gottes Sohn - geheimnisvoll - der Mutter an,
Die er so liebt, und breitet seine Arme, spricht:
Was habt ihr mich gesucht? An meines Vaters Plan
Muß ich schon heute denken, wusstet ihr das nicht?

(.......)


ENTBLÄTTERTE ROSE

Wenn ich dich sehe, von der Mutter Arm,
Die dich getragen, Jesus, ihn verlassend
Mit zagem Fuß, des Erdengrundes Harm
Mit eines kleinen Kindes Fuß erfassend -
Möcht ich entblättern Rosen, die erglühten,
Die Rosen voller Frische vor dir streuen,
Auf daß du sänftlich schreitest auf den Blüten
Des Weges, den ich nimmer will bereuen.

O göttlich Kind, die Ros, die ich entblätter,
Dem Herzen Spiegel der Wahrhaftigkeit,
Des Herzens Bild, das opfert sich dem Retter
Ganz ungeteilt, für heut und alle Zeit.
Herr, auf dem Altar in des Tempels Raum
Aufleuchten Rosen in der Blütenpracht,
Dir schön sich schenkend - schöner ist mein Traum:
Entblättern will ich mich in Lieb und Nacht.

Das Blühende verklärt dein Fest der Freude,
Doch das Entblätterte, du liebes Kind,
Vergessen wird, und wenn man es verstreute
In seinem Liebestod, trägt es der Wind.
Die Ros, die sich entblättert voller Beben,
Nicht mehr zu sein, das ist ihr Wunsch allein.
O göttlich Kind, mich dir ganz hinzugeben
Begehr ich und die Freud, in dir zu sein!

Auf Rosenblättern, hingestreut im Dunst,
Man achtlos geht und ohn Bedauern geht.
Ich hab verstanden diese schlichte Kunst:
Die Liebe, die für dich als Zier verweht!
Vergeudet hab ich Leben, Geist, Gemüt
Und alles Kommende aus Lieb zu dir!
O Herr, verwelkt die Ros, die kaum erblüht,
Stirbt sie dahin, so sagen Weise mir.

Dir sterb ich, Schönheitssonne ohnegleichen,
Entblätter dir mich, dies mein Weg ins Glück,
Mein Zeugnis dies und meiner Liebe Zeichen,
Die sich der Liebe völlig schenkt zurück.
Geheimnis ist: verborgen allerwegen
Zu deinem Fuß, der an die Erde greift,
Küss ich den Fuß dir auf den Leidenswegen,
Dein letzter Schritt erlösend sanft mich streift.


AUS LIEBE LEBEN

Am Lieb-vollendenden, am Abend dort,
Wollt Jesus das Geheimnis offenbaren:
Will einer minnen, möge er mein Wort
Vertrauensvoll im Herzen sich bewahren.
Gott wird das Herz als Wohnung sich erwählen,
Dem Himmel gleich, des wahren Lebens inne.
Ich wünsch und geb den Frieden solchen Seelen.
Du bleib in meiner Minne!

Aus Liebe leben dich bewahren ist,
Du ungeschaffnes Wort von Zebaoth!
Du weißt, daß ich dich liebe, Jesu Christ!
Um mich der Liebe Geistes-Flamme loht!
Dich liebend, ich den Ewigen gewinne!
Mein nichtig Herz hält dich so innig nu,
Dreifaltiger, Gefangner mein bist du,
Gefangner meiner Minne!

Aus Liebe leben: in dir atmen Odem,
Du Wonne der Erwählten, König mein!
Du lebest und verbirgst dich mir in Broten,
Mein Du, für dich will ich verborgen sein!
Die Minner suchen des Alleinsseins Schleier,
Der Herzenseinigungen immer inne.
Mein Glück erglänzt in deines Blickes Feuer,
So leb ich nur aus Minne!

Aus Liebe leben - wollt ich daß ich bliebe
Im Licht des Tabor auf der Erde da?
O nein! Mit dir zu gehn nach Golgatha,
Im Kreuz das Glück zu ahnen, nenn ich Liebe!
Im Himmel werden wir an Wonnen weiden
Die Seelen, Zeit der Prüfungen verrinne -
Auf Erden aber, hier in meinen Leiden,
Ich reife in der Minne!

Aus Liebe leben - schenken heißt es Seelen,
Nicht Trost erbetteln im Hienieden schon.
Ich möchte schenken immer, nimmer zählen,
Die wahre Liebe rechnet nicht mit Lohn.
Dem Jesusherzen, das so zärtlich brennt,
Geb alles hin und Leichtigkeit gewinne,
Mein Herz nun keinen andern Reichtum kennt,
Als leben nur in Minne!

Aus Liebe lebt, wer bannt sein Herzensbangen,
Dem das Gedächtnis an die Schuld vergangen,
Dem von der Sünde nimmer Wunden blieben,
Die Jesus löschte mit der Glut aus Lieben.
Du Heilungsmeer aus zarter Flammen Schimmer,
O Geist, in dich versenk ich mich auf immer!
Lobpreisend singe ich in meinem Sinne
Dies Leben, Gott, in Minne!

Aus Liebe leben heißt zu tragen gern
Unsterblichkeit in sterblichschwachem Becher.
Die Liebe du - ich Schwachheit schwach und schwächer,
Dem Morgensterne noch unendlich fern!
Und doch, und fall ich Stund um Stunde bebend,
Umarmungen ich stets von dir gewinne,
Erhebend mich und gnadenvoll vergebend -
Und weiter leb ich Minne!

Wer lebt aus Liebe, ohne Säumnis schenkt
Nur Glück und Frieden, wer zum Himmel glüht,
Den vielen Herzen, weil ihn Liebe drängt.
Das Bildnis des Piloten, den er sieht
In Brüderseelen, führt als Licht und Lieben
Und Stern auf gradem Weg. So steht es inne
Dem Banner meines Herzens eingeschrieben:
Mich führt allein die Minne!

Aus Liebe lebt - schläft Jesus in der Ecke
Im Boot im Seesturm - wer da hegt den Frieden.
Befürchte nicht, o Herr, daß ich dich wecke!
Vertrauend ruh ich, schaue aus hienieden
Zur ew’gen Bucht, wo bald mein Leben bleibt.
Ein kurzer Tag nur ists in meinem Sinne,
An dem mein Schifflein durch die Zeiten treibt
Im Fluten deiner Minne!

Aus Liebe leben - Meister, allzumal
Ich bitt, entzünde deine Glut in ihm,
Der Priester ist durch Weihe und durch Wahl,
Daß feuriger er glüht als Seraphim!
Beschirm die heilige Ecclesia,
Beschwör ich täglich dich in kindlichem Sinne:
Mein Leben gebe ich der Mutter ja
Und leb in ihr aus Minne!

Aus Liebe leben, trocknen heißt es Tränen
Von deinem Antlitz, Herr von allem Lieben,
Verzeihn erflehn den Sünderseelen, jenen,
Heimkehrend sie als Lob der Gnade blieben.
Wie hallen Übel mir im Herzen wider,
Die auszulöschen, sprech ich vor dir innen:
O heilig Herz, anbetend fall ich nieder,
Will stellvertretend minnen!

Wer liebt, wird gleich der Gläubigkeit Marias
Mit Reuetränen, Perlen frommer Wehmut,
Dir deine Füße küssen, o Messias,
Und in sein Haar sie hüllen voller Demut;
Sich dann erhebend, hohen Mutes inne,
Dein Antlitz salben, das war ihre Spende.
Der Balsam aber, den ich dir verschwende,
Ist einig meine Minne!

Aus Liebe leben - „Wahnsinn (ruft mir lang
Die Welt schon zu), laß diesen Lobgesang!
Vergeude sinnlos nicht den Duft des Lebens,
Genieße heute, lebe nicht vergebens!“
Gern laß ich alles, wenn ich dich gewinne,
Du fruchtbare Entsagung! Ich bin dein!
Die Welt verlassend, wird mein Singen sein:
Ich sterb, ich sterb aus Minne!

Aus Liebe sterben heißt, zuletzt erwerben
Das Martertum, das möchte ich erleiden.
O Engelchöre, schlagt die Harfensaiten,
Wenn der Verbannung Ende naht im Sterben!
Du Liebesfeuerpfeil! nicht länger säume,
Mein Herz verwunde, rufe es vonhinnen!
O Jesus, Freund, erfülle meine Träume,
Laß sterbend dich mich minnen!

Aus Liebe sterben, darin liegt mein Hoffen,
Seh ich die Fesseln dieser Erde fallen,
Mein Gott, mein Erbe du, mein Himmel offen,
Kann keine andre Wonne mir gefallen!
Ich bitte, deiner Liebe heut schon inne:
O Jesus, komm! umarme mich, mein Glück!
Das ist mein Paradies und mein Geschick:
Allewigliche Minne!


ALEXANDER BLOK

AN DIE SCHÖNE DAME I

Der Himmel - unbegreiflich dem Verstand,
Verborgen ist der azurblaue Raum.
Nur manchmal kommen Engel in das Land
Zu den Erkorenen mit einem Traum.

Und da erschien mir Rußlands Venus - fein
In eine dichte Tunika gehüllt.
Maßlose Leiden. Leidenschaftslos rein.
Ein stiller Traum in Ihrem Antlitz mild.

Sie kam zur Erde nicht zum ersten Mal.
Doch andre Helden reihten sich zum Kranz
Um sie, als jene Ritter ganz in Stahl.
Und Zauber war der tiefen Augen Glanz...


AN DIE SCHÖNE DAME II

Ich gehe in die dunklen Dome,
Verrichte arme Zeremonien.
Dort wart ich auf die Schöne Dame,
Wo matt die roten Kerzen glühn.

Im Schatten einer hohen Säule
Zittr ich vorm Knarren jeder Tür.
Doch schau ich nur - erhellt vom Heile -
Das Heiligenbild, den Traum von Ihr.

O die geschmückten Heiligenbilder
Des Ewigen Weibes in dem Raum!
Und in die Höhe eilen wilder
Das Märchen und der schöne Traum.

Wie lieb die Kerzen mir am Orte,
Wie süß, du Heilige, deine Ruh.
Ich höre Seufzer nicht noch Worte,
Doch glaub ich: Liebe - das bist Du.



CHARLES PEGUY - PEIN
(Aus den Quartains - Litanei vom Herzen)

1

Pein, einzig treu und nah,
      Gefährtin mein,
Gewärtig, immer da,
      Du schön allein!

O Pein im langen Haar,
      Das wallt im Bett,
Ob sie den Mann schon gar
      Begraben hätt!

O Pein im langen Haar,
      So volle Pracht,
Um deinen Liebsten gar
      Im Bett der Nacht!


2

Pein, Mutter du allein,
      Frau, die ich wähle,
Du Bittere, du Pein,
      Du liebe Seele!

Du Magd mit großem Herzen,
      Du Dienerin,
Du Frau mit großem Herzen,
      Begleiterin!

Am Tag und in der Nacht
      Verlangen mild,
Von Blüt und Frucht die Pracht,
      Begierde wild!

Pein in der zarten Blässe
      Gewärtig blieb,
Pein, einzige Mätresse,
      Geliebte lieb!


[Inhalt]

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