[Inhalt]

MARIANISCHE MYSTERIENSPIELE

Von Peter Torstein Schwanke



MARIAS STELLVERTRETENDER TOD


DIE EWIGE VORSEHUNG
(Gottheit in schwarzem Gewand und Schleier, mit einer Spindel in der Hand, allein auf der Szene)
Dem Manne Dodo ist es nun bestimmt,
Daß ihn in seiner Lebensmitte nimmt
Der Tod und Hades mit den Schreckenshänden,
Vor seiner Zeit soll ihm das Leben enden.
Er soll den Seelen sich im Tode gatten,
Als Schatte wallen unter Seelenschatten,
Daß er den Körper von der Seele streife
Und scheide jung, noch vor der Lebensreife,
Steig jugendlich hinab in Todes Schlund.
Er schloß ja mit dem Hades einen Bund,
Seit Schatten aus den Toten bei ihm wohnen
Als englisch-schöne tödliche Dämonen.
Zum Tode wenden sich des Mannes Schritte,
Vorbei das Leben in der Lebensmitte,
Er leidet nun die letzte Lebensnot,
Das Schwert in Händen naht ihm schon der Tod!
Schon ist er in des Hades Schoß gebettet,
Wenn ihn nicht noch ein Wort von Christus rettet!

CHRISTUS
(Lange wallende Locken, dichter Bart, mildes Antlitz, fließendes weißes Gewand, von seinem Herzen gehen rote und weiße Lichtströme aus)
Der Tod, der schon um Dodos Seele wirbt,
Wird schwinden, wenn ein Mensch für Dodo stirbt.
Der Hades hungert sehr nach Seelenfutter.
Ob Dodos Vater oder Dodos Mutter
Für Dodo sterben wollen, daß er lebe,
Daß ihm die Vorsicht neu sein Leben gebe?
Wer immer für ihn abtritt von der Bühne
Des Lebens und dem Tod sich gibt zur Sühne,
Wird retten Dodos Leben aus des Trübe
Des frühen Todes. Retten wird nur Liebe!
Denn wen der Herr des Himmels retten will,
Den rettet er durch Liebe. Aber still,
Ich sehe alle nach dem Eitlen hasten,
Will keiner beten, beten, beten, fasten,
Will keiner als ein Sühneopfer sterben,
Für Dodo neues Leben zu erwerben.
Nur seine mystiische Gemahlin will
Als Stellvertreterin im Tode still
Für Dodos vielgeliebte Seele sterben,
Das Leben dem Gemahle zu erwerben.

DER CHOR DER ALTEN WEIBER
Zu steigen in das Totenreich
Für andere, ist Christus-gleich.
Wer ist so ähnlich dem Messias?
Die schöne Liebe nur Marias
Als Stellvertreterin im Tod,
Als letzter Hoffnung Morgenrot
Die Seele rettet, die sie liebt,
Der sie das neue Leben gibt.
Wie Jesus Christus hing am Kreuz,
Maria, voll der Liebe Reiz,
Freiwillig opfert sich dem Tod,
Im Herzen Tränen blutig rot,
Im Herz die Schärfe eines Schwerts,
Der Tod durchbohrt ihr Mutterherz!
Wer ihrem Herzen ist geweiht,
Der wird von seinem Tod befreit
Und durch das Herz Marias schön
Voll schöner Liebe auferstehn!

DODO:
Beschlossen ist es durch der Vorsicht Spruch,
Geschrieben stehts in meinem Lebensbuch,
Am Lebensmittag glüht schon Abendrot,
Und jung muß ich hinunter in den Tod,
Hinunter zu den Seelenschatten still,
Wenn nicht ein andrer für mich sterben will.
Ich fragte meinen Zeuger, meinen Vater,
Er sprach: Was für ein tragisches Theater!
Soll ich verschwinden aus der Welt des Lichts,
Wie eine Fledermaus zur Nacht des Nichts
Und nicht mehr leben in dem Sonnenschein
Des Glücks und tot sein, nichtig, nicht mehr sein,
Nicht füllen mehr mit Leckerei den Bauch,
Im Nichts zerflattern nichtig wie ein Hauch?
Ists daß, was ich für meinen Sohn tun sollt
Nach meines Sohnes Willen? Schön wie Gold
Das Glück mir unter dieser Sonne lacht,
Freiwillig geh ich nicht in Todes Nacht.
So sprach mein Vater. So sprach meine Mutter:
Ich werde nicht des Hades Seelenfutter
Und geb mich nicht dem Tod als Opferbrot,
Soll seinen Hunger stillen doch der Tod,
Doch nicht an mir, ich will im Sonnenglanz
Mit meinen Schwestern tanzen Reigentanz
Und schmücken mich mit Schmuck und Blumenkränzen
Und meinen Mann erfreun mit meinen Tänzen,
Dem Ehegatten will ich Glück erwerben
Und nicht das Sterben meines Sohnes sterben!
So sagte meine Mutter. Aber schau:
Die mystische Gemahlin, meine Frau,
Maria sprach zu mir bei Wein und Brot:
Ich sterb dein Sterben, töte deinen Tod!
Ich will dem Tode mich als Opfer geben,
Durch meine Ganzhingabe sollst du leben!

MARIA
(Langes schwarzes Gewand, das Antlitz vom schwarzen Schleier verhüllt. Mit ihr kommen weinend Dodos Kinder, die Söhne seiner Seele.)
Nun geh ich fort von dir, geliebter Mann,
Gezeichnet schon auf mir des Todes Bann,
Die Schlange, die sich beißt in ihren Schwanz,
Des Todes Schlange schon umkreist mich ganz.
Doch weil ich mich dem Tode übergeben,
Sollst du nicht sterben, Dodo, sondern leben.
Durchbohrt von sieben Schwertern ist mein Herz,
Geöffnet ist mein Mutterherz vom Schmerz,
Und tret ich in des Todes Nacht und Winter,
In meinem Herzen leben deine Kinder,
Dem Hades werde ich zum Seelenfutter
Und bleib doch deiner Seelensöhne Mutter!

DODO
O mystische Gemahlin, Herz Marias,
Mir Mutter, Schwester, Braut und mein Messias,
Der Kaufmann, der mein Leben einst gezeugt,
Im Angesichte meines Schicksals schweigt,
Er opfert sich nicht auf als wahrer Held,
Zu sehr liebt er die Eitelkeit, das Geld,
Zu sehr liebt er das Glück im Glanz des Lichts
Und fürchtet allzusehr des Todes Nichts.
Und die mich einst getragen hat im Schoß,
Sie wendet sich von mir erbarmungslos,
Sie küsst den Hades nicht mit Mutterkuß,
Sie liebt zu sehr den irdischen Genuß,
Genießt zu sehr die Eitelkeit der Welt,
Ihr Gott der Bauch ist und des Mannes Geld.
Maria, du allein willst für mich sterben,
Du leerst für mich des Todes Kelch, den herben,
Du leerst ihn bis zum Grund, des Todes Grimm.
Für immer alle meine Liebe nimm,
Sei, starke Frau, im Himmel mir mein Vater,
Mir Gottheld in dem tragischen Theater,
Sei meine Mutter der Barmherzigkeit,
Der ich als ihr geliebter Sohn geweiht,
Und sei als Vater und als Mutter mir
Mein Gottesspiegel in der Schönheit Zier
Und sei als Gottesspiegel angeschaut
Als bis zum Tod und ewig meine Braut!

DODOS MUTTER
(Sie erscheint in vornehmen bunten Kleidern und geschmückt mit Gold, sie trägt Frühlingsblumen in den Locken und hält eine Gitarre in den Händen)
Wer sagt mir, daß ich für dich sterben muß?
Ich hab im Schoße keinen Uterus
Als Wohnsitz mütterlichem Allerbarmen
Und ruhen sollst du nicht in meinen Armen,
Mein ungewolltes Kind schon früh vermisste
An mir, der Amazone, Mutterbrüste,
Weil ich die Mutterbrüste abgeschnitten.
Ein Narr nur wäre in den Tod geschritten,
Wenn ihm der Ehe und des Reichtums Glück
Im Leben lacht! Wer kommt vom Tod zurück,
Wer einmal sich dem Tode übergeben?
Ich aber immer will ein Jugendleben
Und schon auf Erden die Unsterblichkeit.
Doch du erwarte nicht Barmherzigkeit,
Erwarte nicht Barmherzigkeit, nur Gold.
Ich habe eigentlich kein Kind gewollt.

DODO
Du Frau, Maria ist die wahre Mutter,
Die opfert sich dem Tod als Seelenfutter.
Geborgen in Marias Uterus
Voll mütterlichen Allerbarmens muß
Ich lieben jene Mutter, die mich liebt,
Die mir bedingungslose Liebe gibt,
Die für mich stirbt, freiwillig stirbt,
Mich freikauft aus dem Tod und mir erwirbt
Mein Leben neu. Ihr Sterben ist mein Leben,
Das ihre Ganzhingabe mir gegeben.
Doch wenn ich von Maria Abschied nehme
Und Tränen weinend mich als Mann nicht schäme
Und wenn ich hier von Tränenschauern schaure
Und dunkle Nacht in meiner Seele traure,
Weil sie hinabgeht zu des Todes Drachen,
Will ich nicht hören, Frau, dein eitles Lachen,
Geh du zu deinem Ehemann zurück
Und zu dem kinderlosen Eheglück,
Du bist nicht Mutter mir, ich nicht dein Sohn,
Unliebe hat auch Undank nur zum Lohn.

DODOS MUTTER
Du Narr! Wer liebte je wie ich das Leben?
Dich sah ich immer um den Hades schweben,
Dich immer abgeschiednen Seelenschatten
In dem Mysterium des Dunkels gatten,
Doch ich verachte diesen Hauch des Nichts,
Mir lacht das schöne Lebensglück des Lichts!
Du und Maria mögt im Dunkel schweben
Des Todes, ich kehr heim in Licht und Leben,
Ich werd mich nicht dem Tod zum Opfer bringen,
Werd meinem Gatten Liebeslieder singen
Und kinderlose Ehegattin sein,
Mein Liebeslied soll nämlich heiter sein!
(Dodos Mutter ab. Maria bleibt allein bei Dodo zurück. Sie trägt sieben Schwerter im Herzen. Ihr Antlitz ist schwarz verschleiert. Sie flüstert nur noch.)

MARIA
Zur Nacht versunken ist das Abendrot,
Ich wandle jetzt als Schatten in den Tod,
Ich fühle schon den Hades nach mir greifen,
Schon meine Seele aus dem Blute pfeifen,
Schon fühle ich die Lebenskraft ermatten,
Mein Geist schon fleucht als schattenloser Schatten,
Die sieben Schwerter bohren sich mit Schmerzen
Ins Herz mir! Immer trag ich dich im Herzen,
Für immer thronst in meinem Herzensthron
Der Gattin Gatte du, der Mutter Sohn,
Der Freund der Freundin und der Schwester Bruder.
Du trag im Herzen immer deine Mutter
Maria, deine Freundin, dir vertraut
Als liebende Genossin dir und Braut.
Ich will dich ewig in mein Herz versenken
Und will dir nur mein Herz für immer schenken!
Und du, geliebter Mann, mein Todesschmerz,
Geliebter, schenk auch du mir nur dein Herz!
(Sie stirbt mit sieben Schwertern im Herzen.)

CHOR DER ALTEN WEIBER
O wehe, wehe, wehe, weh!
Maria ich im Tode seh,
Durchbohrt mit Schärfe eines Schwerts
Das schmerzensreiche Mutterherz!
Sie gab sich selbst als Opfer hin,
Bedingungsloser Liebe Sinn
Vergoß wie Wein sich, brach wie Brot,
O wehe, weh, Maria tot,
O tot Maria! Doch im Sohn
Maria lebt im Herzensthron,
Im Sohn der Schmerz des Todes wacht,
Maria weilt nun in der Nacht,
Maria in des Todes Schlund,
Im Abgrund, in dem tiefsten Grund,
In Todes Finsternis trat ein,
Das Leben ihrem Sohn zu sein,
Zu lösen auf des Todes Bann
Für ihren vielgeliebten Mann!
So große Liebe niemand hatte:
Maria tot – so lebt der Gatte!

DODO
Wie leer ists mir in meinem innern Busen,
Nun Minne fort und fort der Kuß der Musen
Und fern der reinen Jungfrau Herrlichkeit!
Nichts bleibt als Eitelkeit, Alltäglichkeit,
Als Torenstumpfsinn und der Geist der Erde,
Verführend die so leicht verführte Herde.
Doch mehr noch als die Leere dieses Nichts
Der Schmerz ist in der Brust, mein Herz, mir brichts,
Da nun entleert des Herzens Heiligtum,
Des Herzens Mund verstummt und sprachlos stumm,
Versunken in der Stille alle Rede
Der Liebe, nichts bleibt nur als hohle Öde,
Das Leben wie ein starrer Petrefakt,
Die Knochen klappern in der Ödnis nackt,
Nur Zorn und Haß mit ihren krummen Säbeln
Dämonisch kämpfen mit den nackten Nebeln,
Zu Stein geworden ist des Lebens Brot,
Das Leben, dieses Leben ist der Tod,
Lebendig bin ich schon den Toten nah.
Da kommt ein ferner Gast. Sprich, wer ist da?

JESUS
Ich komme aus Bethaniens Gefilde,
Wo ich bei Martha und Maria milde
Zu Gast gewesen bin und sagen muß,
Ich rief zurück ins Leben Lazarus,
Den Armen staunte an der Reiche groß,
Wie er gebettet war in Abrams Schoß.
Nun aber will ich ruhen ohne Hast
In deiner Wohnung als dein Seelengast.
Empfange du den Hirten und den Herrn
Und habe ihn zum Freund und Bruder gern.
Ich will mit dir im nächtlichen Verein
Zusammen Zecher sein von dunklem Wein,
Und wenn wir von des Weines Seelenfunken
Als Liebende unsterblich sind betrunken,
Dann wollen wir mit unserm trunknen Triebe
Den Frauen Lieder singen voller Liebe,
Mit Musen tanzen in den Reigentänzen,
Mit Lorbeer unsre Seherstirnen kränzen.

DODO
Die Seele liegt mir so im müden Schlummer
Und Blei lähmt meine Flügel, Blei von Kummer,
Und selbst wenn ich den schweren Wein getrunken,
Bin kummervoll ich in den Schlaf gesunken.

JESUS
Vertreibe deines Trübsinns Traurigkeit!
Warum vertrauern deine Lebenszeit?
Schau, Blumen blühen, draußen naht der Lenz,
Der schönen Mädchen Flor wie Transparenz
Ist wie ein Schleier nur aus Licht der Sonne,
Denn Ostern kommt, der Liebe Zeit und Wonne!

DODO
Was ist mir Liebe aber, süße Minne
Und aller Liebreiz für die Körpersinne
Und aller Augen Glanz und Lippen Rot,
Ist meine Liebe Frau Maria tot!

JESUS
Maria tot? Das Leben ist erstorben!
Das Dasein ist am Todesgift verdorben!

DODO
Ein Sterben über Sterben ist das Leben!

JESUS
Dem Tode ist die Herrschaft übergeben!

DODO
Selbst Gott ist tot, ist tot das Herz Marias...

JESUS
Ich bin die Auferstehung, der Messias!

DODO
Laß mich allein in meinen Tränenschauern!
Blutstränen wein ich, ewiglich zu trauern!
(Jesus geht am Ende der Nacht heimlich fort.)

CHOR DER ALTEN WEIBER
Wer der Verzweiflung Herrschaft kennt,
Schon in der Hölle Feuer brennt,
Lebt nicht das liebevolle Weib
Und schenkt die Liebe mit dem Leib,
Du lebend in der Hölle glühst
Und Hades in die Augen siehst!
Wenn aber in dem Höllenschlund
Der Glaube lebt im Seelengrund
Und Hoffnung strebend sich bemüht,
Unsterblich deine Liebe glüht,
Dann Christus bricht die Höllentür
Und schenkt die Auferstehung dir!
Denn Christus lodert weiß und rot,
Die Liebe, stärker als der Tod!
(In der Morgenröte erscheint Christus im weißen Gewand. An seiner Seite ein Mädchen in weißer Seide, in welche Blumenflor eingestickt. Ihr Antlitz ist verschleiert.)

JESUS
Heil Dodo dir! Ich bringe dir ein Mädchen,
Du nimm es auf bei dir in deinem Städtchen,
Du hüt es wie ein Hirte tut dem Lamm,
Die lieb es wie die Braut der Bräutigam,
Sei treu wie Turteltauben in den Nestern,
Sei freundlich wie die Brüder sind den Schwestern,
Sei dankbar wie die Kinder Müttern sind,
Sei liebend wie ein Vater ist dem Kind,
Du liebe sie wie deine eigne Seele,
Nimm auf bei dir die Jungfrau ohne Fehle!

DODO
Gruß, Jesus, Gruß dir, Friede sei mit dir!
Doch warum bringst du diese Frau zu mir,
Wo du doch weißt, daß ich noch immer weine
Und um Maria traure, weil die meine
Gestorben ist und ich nun einsam bin?
Kein andres Mädchen wird mir zum Gewinn,
Auch diese Jungfrau nicht im Morgenrot,
Maria schwor ich Liebe bis zum Tod
Und über ihren Tod hinaus die Treue.
Das sei mir fern, daß mich die Andre freue.

JESUS
Doch weil ich heute von dir fortgehn muß,
Nimm heute du von mir als Abschiedskuß
Dies Mädchen an, des Lebens Augenweide,
Des Lebens Wonne in dem Flor der Seide.
Du sollst nun länger nicht mehr einsam trauern,
Getröstet sollst du sein, vor Wonne schauern!

DODO:
Nein, lieber bin ich traurig, aber treu,
Als daß ich mich an anderm Weibe freu.

JESUS
Du bist so treu wie Tauben in den Nestern,
Doch diese wählte ich aus allen Schwestern,
Die Seele deiner Seele dir zu sein,
Die Seelenschwester und die Freundin dein.
Du nimm sie auf, weil ich gebracht sie habe,
Nimm du sie an als deines Heilands Gabe!

DODO
Allein, weil du es willst, o Herr und Meister,
Mein Schöpfer, Ewigvater aller Geister,
Nimm ich nun auf bei mir die junge Frau.

JESUS
Ihr Angesicht nun unverschleiert schau!
(Die Jungfrau hebt ihren Schleier. Es ist Maria.)

MARIA
Nimm du mich auf bei dir, intim vertraut
Bin ich in Ewigkeiten deine Braut,
Die Gattin, die dein Schöpfer dir gesandt,
Maria, die vom Tode auferstand!

DODO
Dein Antlitz leuchtet wie die Morgensonne,
Du bist die Herrlichkeit des Herrn, Madonna,
Der Glanz vom Glanze Gottes, Licht vom Licht,
Bist Gottes feminines Angesicht!
(Jesus wandert in der Morgenröte weiter. Maria führt Dodo an der Hand ins Haus.)

CHOR DER ALTEN WEIBER
Maria also lebt hienieden
Mit Dodo in der Ehe Frieden,
Befriedigt Dodos tiefste Triebe,
Maria schenkt ihm Gottes Liebe!



THEOPHIL


Erste Szene

(Wohnung Theophils. Theophil, ein Mann im mittleren Alter, allein)

THEOPHIL
Ich bin ein Christ, wenn mehr auch als Messias
Ich liebe die Jungfräulichkeit Marias,
Ich bete an der Jungfrau Schönheit, sie
Ist meine Göttin, ich in Hyperdulie
Bin ganz ihr Sklave, Sklave ihrer Minne,
Steht göttlich sie vor meinem innern Sinne!
Ich habe auch den Vater und den Sohn
Verehrt und beider Geist im gleichen Thron –
Und schätzte damals Unsre Frau gering.
Der ich die Frauenschönheit immer sing,
Ich schaute da in dunkelgrünen Wäldern
Und frühlinglich beblümten Wiesenfeldern
Die junge Lilith an, so süß mir nah,
In der ich strahlen die Madonna sah!
Als Lilith, meiner Seele Sulamith,
Madonna sang ein süßes Minnelied,
Kam Gottes Amor angerauscht geschwind,
War wieder Weihnacht, war ich wieder Kind,
Sah ich in Gottes Tempel wieder sie,
Die reizende entzückende Marie,
Die erste Minne mein im Heimatstädtchen,
Madonna, meine Minne, Gottes Mädchen!
Nun bin ich ganz der Ihre. Mein Gefallen
Ist Lilith noch, doch scheint sie abgefallen
Von Unsrer Lieben Frau, nicht mehr katholisch,
Urmuttergöttinnen sucht melancholisch
Nun Lilith, goldner Zeiten Bienenstaat,
Der alten Magna Mater Matriarchat.
Da kommt sie, noch ein schönes Paradies
Ihr Mädchentum, das Lächeln hold und süß.

LILITH
(Tritt in die Wohnung, ein junges Mädchen)
Gegrüßet seist du, Bruder Theophil!
Nun höre, wie ich aus der Kirche fiel.
Der Pfaff verdient nur meinen bittern Spott.
Ist nirgendwo als in der Kirche Gott?
Gottlose schimpfte mich der alte Pfaffe!
Doch ist ein Gott, der schuf und immer schaffe,
Ist nichts in dieser Schöpfung gottlos je!
Doch Gott ich nicht mehr in der Seele seh!
Ich schenkte dem Geliebten hin mein Hymen,
Jungfräulichkeit so sehr die Pfaffen rühmen,
Ich gab mein Hymen hin, es war nicht schwer,
Jungfräulichkeit ist hin und ist nicht mehr,
Der, dem mein Hymen ich gewidmet hatte,
Er ist mein ehebrecherischer Gatte,
Ist Gatte auch noch einer andern Frau.
Da ist kein Gott auf dieser Erde! Schau,
Da saß ich in der Nacht, die Eiche steht
Stumm neben mir, es kam mir kein Gebet,
Nicht wie die Alten mit dem Zähneklappern
Nur immer lallen Rosenkranzes Plappern,
Von Sünde reden und vom lieben Gott.
Nein, Gott der Vater ist mir nichts als Spott!

THEOPHIL
Und hast mir doch Maria offenbart
Und warst ihr Ebenbild und Spiegel zart!

LILITH
Ich ging wie du vom Worte aus, der Bibel.
Hör heut ich Jeremia, wird mir übel!
Die Pfaffen sprachen stets vom puren Wort,
Von Gottes Offenbarung fort und fort,
Von Gott dem Vater und dem Gottessohn
Und beider Geist im gleichen Gottesthron –
Ich aber liebte mehr die goldne Wolke
Der Herrlichkeit Mariens in dem Volke,
Maria uns wie eine Göttin rette
Durch Quellen und geweihte Amulette,
Maria war im Geist des Volkes milder,
Es weinten auch der großen Mutter Bilder,
Man trug die Bilder, auf die Mutter stolz,
Man reichte Unsre Liebe Frau aus Holz
Von Haus zu Haus, gebenedeite Maid,
Ja, Unsre Liebe Frau voll Lieblichkeit
Die Ähren segnete im Ährenkleid,
Sie spendete des Weinbergs Fruchtbarkeit,
Das Volk sprach von dem Weibe, so als wär es
Die Mutter Erde, große Göttin Ceres!
Demeter fand ich da, die Mutter Erde,
Ich schaute sie mit trauriger Gebärde
Um Kore weinen, um die Mädchengöttin,
Persephone, des Hades Ehegattin,
Da tauchte vor mir die Dreifaltigkeit
Der alten Göttin auf, im schwarzen Kleid
Voll Kunst, Magie und alter Weisheit seh
Erhaben in dem Geist ich Hekate.
Der Mutter göttlichen Dreifaltigkeit
Bin als der Göttin Tochter ich geweiht
Und feministisch meine Seele preist
Diana, also meine Göttin heißt!

THEOPHIL
So tief ich auch in meine Seele schaue,
Ich sehe immer Unsre Liebe Fraue
Maria, nur die Mutter des Messias
Ist meine Herrin, nur das Herz Marias
In meinem Herzen lebt und meine Gattin
Maria ist, aus Gnade meine Göttin!
Ich suchte auch in meiner Jugend Venus,
Doch offenbarte Jesus Nazarenus
In einer Schauung mystisch ohne Spott
Mir Gott, den einzig-einen wahren Gott!
Doch leide auch ich an dem Wort der Pfaffen,
Die plappern leere Formeln, Gottes Affen,
Die übergießen mich mit Hohn des Spottes,
Wenn ich die Herrlichkeit der Muttergottes
Verherrliche als meine Seelengattin
Und Herrin, meine Diva, meine Göttin!
Doch Göttin scheint den Pfaffen wert des Spottes:
Ein Mensch, nicht Göttin ist die Muttergottes!
Sie treiben mir ins Antlitz Schamesröte,
Ich weiß es besser, hat der alte Goethe
Geschaut und ausgesagt im Testament,
Prophetisch in dem dritten Faust bekennt
Maria eine Göttin er, der alte
Prophet die Oden auch von Jakob Balde
Geschätzt hat, da der Seher-Sänger Viva
Maria zusang, Domina und Diva!


Zweite Szene

(Aus einer Waldlichtung. Vollmondnacht. Um ein Lagerfeuer tanzen halbnackte Frauen. Theophil trinkt Wein. Lilith leichtbekleidet neben ihm plaudernd.)

LILITH
Was schweigst du, Theophil, in dich gekehrt?
Du hast die Frauen doch auch sonst verehrt,
So schau die Frauen, die und die und jene,
Ist jede eine kaumverhüllte Schöne.
Laß du dich auf das Lippenplaudern ein,
Und geht es nicht, so hilft dir doch der Wein.

THEOPHIL
Du Mädchen da bist schön, bei meiner Seel,
Holdselig wie der Engel Gabriel,
Als er holdselig Sankt Maria grüßte.

FRAU 1
Das ist das Allerschönste, Allersüßte,
Was jemals ich von einem Mann gehört.

THEOPHIL
Du Weib, dein voller Busen mich bekehrt,
Der Schönheit Spiegel du in runder Klarheit!

FRAU 2
Das ist zwar schön, doch gibt es keine Wahrheit,
Du schaust ja nur der Maya Schleier an.

THEOPHIL
Du alte Freundin, wie ein Zauberwahn
Bist du und wie ein Irrsinn der Magie,
Du bist die Seele meiner Seele, Sie!

FRAU 3
Die Seele deiner Seele bin ich nicht,
Geheimnis ist mein eignes Angesicht.

LILITH
Es ist nun Mitternacht, der Vollmond scheint,
Mit der Magie des Mondes, wie man meint,
Bewegt das Meer sich und der Weiber Blut.
Ich will nun fiedeln in entzückter Wut,
Und daß mein Fiedelspiel sei ohne Fehle,
Ich übereigne Luzifer die Seele!
(Sie spielt wie besessen. Alle tanzen in Wut und Raserei. Theophil in der Raserei des Rausches von Wein und Wollust.)

THEOPHIL
Diana, Luna, Hekate, ihr Drei,
Mondgöttin, löse meine Seele frei,
Mondgöttin, die du wandelst in der Nacht
In Reinheit, Schönheit und Magie der Macht,
Ganz reines Mädchen auf dem Sichelmond,
Ganz schöne Liebesgöttin, lustgewohnt,
Uralte Greisengöttin, schwarze Hexe,
Gieß Tau und Blut auf alle die Gewächse,
Laß auch mit deinen Diamantbalsamen
In Fruchtbarkeit erglühen meinen Samen,
Mich Lilith nehmen, heiß erglüht vom Tanz,
Daß ihren Schoß erfülle tief mein Schwanz!

LILITH
(Errötet vor Begierde)
Mondgöttin, höre Theophils Gebet,
Der schon im Reich der großen Göttin steht
Und Sklave ist der Religion des Eros,
Erkenne er der großen Göttin Heros,
Den alten Gott, der Dämon ist der Herr,
Dianas Gatte, Heros Luzifer!

THEOPHIL
Der alte Dämon ist doch ohne Zweifel
Der alte Satanas, der böse Teufel!

LILITH
Die Kirchenväter aus dem Patriarchat
Der Göttin Heros aus dem Matriarchat
Verteufelten, der Heros ward zum Teufel,
Ist doch der Göttin Heros ohne Zweifel.

THEOPHIL
O Mütter, Mütter, Mütter! Euer eigen
Ich bin, will als Bekenner euch nicht schweigen,
Ich widersag dem Vater und dem Sohn
Und widersag dem Papst im Petrusthron
Und widersag dem Kirchenheiligtum
Und sage los mich von dem Christentum!
Ich glaube nur ans goldene Äon
Der Mutter-Göttin mit dem Heros-Sohn!

LUZIFER
Nimm hin den Wahnsinn und den Suizid! –

THEOPHIL
(Schreit)
Ich sehe Ratten wimmeln im Gewirre
Der Nacht, tollwütig werde ich und irre!

LUZIFER
Am heißen Gift der Hölle dich besaufe!

SERAPHINA, THEOPHILS SCHUTZENGEL
O Theophil, gedenk an deine Taufe!

THEOPHIL
Ich schneide mir die Adern auf! Gefunden
Werd leider ich und leider auch verbunden...

LUZIFER
Geschrieben in der Bibel (sozusagen)
Für dich steht: Heute werde ich dich schlagen
Mit einem Schwert und niemand wird dich finden,
Ja, niemand wird dich finden und verbinden...

THEOPHIL
(Verblutend, er stirbt)
Maria - - -


Dritte Szene

(Schwarze Wolken, Donner und Blitze. Die Stimme des Zornes spricht im Gericht.)

DIE STIMME DES ZORNES
Glückseligkeit, wer stirbt in Christi Namen,
Wem Jesus Christus ist sein Ja und Amen.
Die Christen sind dem Vater angenehm,
Doch in das himmlische Jerusalem
Und Garten Eden in des Himmels Grunde
Gelangen Götzendiener nicht und Hunde
Und Hurer nicht und Magier, die trügen,
Und keiner der Verworfenen, die lügen.
Den Götzendienern ist mit Beelzebul
Bereitet im Abyss der Feuerpfuhl,
Doch werden sie in Schwefelflammen rot
Für ewig brennen in dem zweiten Tod!

(Ein Wagen, von einem Drachen gezogen, erscheint. Theophils Seele steigt ein. Der Drachenwagen fährt hinab in die Hölle. Dort wimmelt es von Ratten und Giftschlangen. Am Himmel weinen die Engel. Theophils Schutzengel Seraphina betet weinend.)

SERAPHINA
O Feuer allerhöchster Gottesliebe!
Ist eine Seele in des Todes Trübe
Hinabgewandelt, in des Hades Schatten,
Zu kalten Weiberschlangen, Männerratten,
O Gottesliebe, brennt in deinem Herzen
Das heiße Feuer weher Liebesschmerzen
Um alle Seelen, die sich selbst verdammen
Hinab zum Feuerpfuhl der Schwefelflammen!
Darf Seraphina ihre Stirne kräuseln
Und von der Süßigkeit der Liebe säuseln?
Die reine Heiligkeit der Gottesliebe
Ist nicht wie Menschenlust der Sündertriebe,
Die Gottesliebe kündet das Orakel,
Die Gottesliebe ohne Fehl und Makel
Kann keine Flecken dulden, keine Schatten,
Sie kann sich nicht mit Satanssöhnen gatten!
Die makellose, unbefleckte Liebe
Kann sich nicht einen mit des Teufels Trübe!
Der Gottesliebe reines Licht in Klarheit
Ist Heiligkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit,
Der Gottesliebe Wahrheit spricht in Flammen,
Daß Satans Söhne selber sich verdammen!
Ach Gottesliebe! Seraphina weint,
Sich ohne ihren Anvertrauten eint
Der Gottheit! Wehe, wie die Rotte Dathan
Verschlang auch Theophil der Schlund des Satan!
Nicht können meine Tränen ihn erlösen
Aus seinem selbstgewählten Bann des Bösen,
Drum Seraphina wühlt im Engelsherzen
Unglücklicher Begierde Liebesschmerzen
Und weinend werf ich mich aufs Angesicht,
Doch heilig, heilig, heilig bist du, Licht
Der Gottesliebe! Theophil verlorn!
Ah, Seraphina bebt vor Gottes Zorn!

DIE STIMME DES ZORNES
(Aus dem Gewitter donnernd)
Kehr, lichter Engel, heim in Gottes Licht!
Der Satanssohn verdammt sich im Gericht!

(Der Abgrund ist aufgedeckt. Aus der Hölle dringen schreckliche Schreie herauf. Theophil jammert entsetzlich und erbarmungswürdig.)

THEOPHIL
Maria! Ah Maria! mit mir Armen!
Maria! Oh Maria! hab Erbarmen!

(Die Madonna erscheint. Das dunkle Wetter schwindet vor ihr. An einem saphirblauen Himmel erscheint der weiße Thron Christi. Madonna tritt zu Christus und entblößt ihre makellosen Brüste.)

MARIA
Mein vielgeliebter Herr, mein Liebling Christe,
Schau meine bloßen, makellosen Brüste,
An denen du als Liebling lagst gebettet!
Ich fleh für Theophil, daß er gerettet
Aus der Verdammnis werde in der Hölle,
Ich will ihn führen zu der Lebensquelle,
Daß siege über die Gerechtigkeit
Die mütterliche Allbarmherzigkeit,
Daß sich erbarme über diesen Armen
Der Liebe universelles Allerbarmen!

CHRISTUS
(Mit sanfter Stimme)
O Liebe Frau, bei deinen bloßen Brüsten,
Dich soll nach Theophil umsonst nicht lüsten,
Triumph sei deinem makellosen Herzen!
Erlöse Theophil aus Höllenschmerzen,
Laß ihn die Milch aus deinen Brüsten trinken,
Vor deinem Reiz wird Satans Macht versinken,
Du brauchst nur einen Tropfen einzuflößen
Aus deiner Brust, so flieht die Macht des Bösen
Und Theophils verlorner Seelenfunken
Wird von der Liebe der Geliebten trunken
Erstehen aus dem Feuerpfuhl der Hölle
Und trinken aus der Liebe Lebensquelle!

MARIA
Fürwahr, bei meinen bloßen Mutterbrüsten,
Die deine Lippen, mein Erlöser, küssten,
Nach deinem und nach meinem Liebeswillen
Will ich den elenden Verdammten stillen
Und wandle darum in des Hades Rachen,
Als Jungfrau überwinde ich den Drachen
Und mache Theophil zu einem Christen
Und werde betten ihn an meinen Brüsten
Und ihn an meinen bloßen Brüsten betten
Und seine Seele durch die Liebe retten!


Vierte Szene

(Maria schwebt hernieder vom Himmel, durch das Reinigungsfeuer, zur Pforte der Hölle, in goldenen Lichtglanz gehüllt wie in die Aura der Sonne.)

MARIA
Die Königin des Himmels zweifelsohne
Ich bin, doch ließ im Himmel ich die Krone,
Der Armen Seelen Herrin ohne Wandel,
Ich ließ im Purgatorium den Mantel,
Nun tret ich in des Lichtes reinem Leib
Zur Höllenpforte als das Sonnenweib,
Die ich in Licht der Sonne eingehüllt,
Mein Lichtglanz blendet, meiner Schönheit Bild
Erschauen Seelen nicht, die sich verdammen,
Den lichten Leib, umlodert von den Flammen!
O Hades, öffne deine alten Tore,
Hier kommt vom Himmel hoch die wahre Kore,
Dir zu gebieten, Satanas der Toten,
Gib Theophil heraus, weil ichs geboten!

LUZIFER
Hier Theophil ist ewiglich gefangen,
Umwunden der Verdammte von den Schlangen,
Die nehmen in das Maul den Schlangenschwanz,
So Theophil gebannt bleibt völlig, ganz
Gebannt in dem Uroberos der Hölle!
Ob seine Qual zur Lebensquelle quölle,
Er bleibt doch ewig in dem zweiten Tod!

MARIA
Schau meinen bloßen Fuß, die Rose rot
Auf meinem Fuß, die Mystische von Eden,
Mit meinen Füßen will ich dich zertreten,
Der mit dem Giftzahn meinen Sohn gepackt,
Denn ich zertret dich mit den Füßen nackt!

(Maria zertritt mit den bloßen Füßen das Haupt der alten Schlange. Sie schleudert die alte Schlange Luzifer in das ewige Feuer.)

THEOPHIL
Ich fühle lösen sich von mir die Bande,
Ich atme auf im untern Schattenlande,
Ich fühle lösen sich von mir die Fesseln,
Ich ziehe aus des Fluches Hemd von Nesseln,
Ich wandle in dem Totenreiche nackt,
Gelöst ist nun mit Luzifer der Pakt!
Gekommen ist vom Himmelsthron die Göttin,
Verdammter Seele Retterin und Gattin!
Ich werde auferstehen, leben! Viva!
Mein Dank gilt der Madonna, meiner Diva!

MARIA
Ich bin gekommen, Sohn, dich zu erlösen!

THEOPHIL
Geschwunden ist bereits die Macht des Bösen!

MARIA
Die Milch aus meinen Brüsten wird dich stillen!

THEOPHIL
Ich bin dir ganz zu eigen, ganz zu willen!

MARIA
Fort aus dem Labyrinthe, dem konfusen!

THEOPHIL
Hinan an deinen benedeiten Busen!

MARIA
Wir Myrrhe bette dich an meinen Brüsten!

THEOPHIL
Ich schwebe selig zu den Wonneküsten!

MARIA
Verwirrt in meiner schwarzen Haare Schleier...

THEOPHIL
Ich bin im siebten Kreis im Fegefeuer!

MARIA
Du loderst in der Sinnenglut der Sünder!

THEOPHIL
Schon seh ich Blumen streuen schöne Kinder!

MARIA
Das sind die Putti, meine Himmelsknaben!

THEOPHIL
Sie kommen mich mit edlem Wein zu laben!

MARIA
Berausche dich an Minne, Minnezecher!

THEOPHIL
O Liebe Frau, dein Becken ist mein Becher!

MARIA
Nun schwebe du in trunkener Ekstase,
Versinke in der L i e b e Hypostase!

(Maria öffnet die Perlenpforte des Paradieses... Theophil gleitet selig über die Schwelle der engen Perlenpforte in die Aue der Wonne und Glückseligkeit...)

DIE EWIGE LIEBE
Nun gehe du erlöste Kreatur
Ein in den Schoß der Göttlichen Natur...




DON JUAN


1

(Mondfinsternis. Don Juan auf einem Balkon, klimpert auf einer Gitarre.)

DON JUAN
Als ich im Schoße meiner Mutter lag,
Als ich empfangen war am Unheilstag,
Da wollte meine Mutter mich nicht haben,
Sie wollte mich im Mutterschoß begraben.
Und als sie mich gebar, des Sternes Flamme
Mich zeichnete, da gab sie mich der Amme.
Da ward ich meiner ersten Liebe inne,
Denn sie war mir die Amme schöner Minne.
Drei Jahre war ich alt und schaut weich
Versonnen an der schwarzen Schwäne Teich
Marina stehen im karierten Rock,
Umflossen von dem goldenen Gelock.
Da liebte ich sie sehr, ganz rein und kindlich,
Da küsste ich das süße Mädchen mündlich.
Doch sie ging fort, doch sie hat mich verlassen.
Um meine Trauer irgendwie zu fassen
Ich wandte mich zu Hedwig, daß ich diene
Als Minner meiner kusslichen Cousine.
Ich wollt sie küssen, wollt sie kosend necken,
Ich bat, sie solle mich mit Küssen wecken,
Sie aber, das Cousinchen ohne Brüste,
Mich scheidend einmal nur zum Abschied küsste.
Das Nachbarmädchen, eine Bona Dea,
Sie sollte trösten mich. Und Dorothea
Begann mit mädchenhaften Zartgefühlen
Mit mir an ihrem Puppenhaus zu spielen.
Wir girrten wie die Tauben in den Nestern,
So lesbisch zärtlich waren wir wie Schwestern,
Wie eine Schwester sanft hat sie genossen
Mein Küssen keusch auf ihre Sommersprossen.
Da aber zog sie fort. Ich war allein
Und sah Susanna in dem Sonnenschein
Mit süßen Früchten in des Rockes Taschen.
Zusammen wir nach Schmetterlingen haschen,
Die Schmetterlinge sangen Minnelieder
Und taumelten so töricht um den Flieder,
Die wir die Schmetterlinge haschten, griffen,
Die Farbe von den Falterflügeln striffen,
Die Schmetterlinge starben da im Glas.
Und als ich bei Susanna zärtlich saß
Und sah erblühen ihre Mädchenbrust,
Mich rührte zart zum ersten Mal die Lust.
Da Eros kam mit heimlich süßem Schauer,
War ich allein mit meiner süßen Trauer.
Dann liebte ich zwei Frauen, Caroline
Und ihre Zwillingsschwester auch, Christine,
Doch unerreichbar blieb mir die Charlotte.
Verwundet war ich von dem bösen Spotte
Der hohen Frauen, da ich ward zum Manne.
Holdselig aber, huldvoll Marianne
Mich weihte ein mit ihren Zungenküssen,
Da unterm Dach wir tobten in den Kissen.
Dieweil ich aber küsste Marianna,
Ich dachte heimlich an die junge Anna,
Die Frauen liebte. Und bei Anna sah
Ich unberührt und frisch noch Ursula,
Die mich geliebt. Ich aber liebte Anna,
Bis ich gesehn die mächtige Johanna,
Ein Vollweib, ihre Brüste waren Glocken,
Die mich gefesselt mit den goldnen Locken,
Bis sie sich aber wandte zum Rivalen.
Rivalen immer mir die Frauen stahlen.
Ich aber raubte dem Rivalen da
Die junge zügellose Monica.
Ich schmachtete vor ihrer Brüste Paar,
Der Muschel in des Busches rotem Haar,
Und dachte an Johannas volle Euter.
Die junge Hexe gab mir Zauberkräuter,
Da ich im Wahn Maria von dem Mond
Herwandeln sah am nahen Horizont,
Mir nahe, und als ich Maria sah,
Da sagte sie: Ich bin Lysistrata,
Verwehre mich dem Männervolk hienieden,
Auf daß die Frau der Erde bringt den Frieden.
So sprach Maria ihr Prophetenwort
Und wallte himmlisch nach Venedig fort,
Maria, meiner Minne Madonnina.
Da sank ich an die Brust der Katharina,
Wie Aphrodites Busen ihre Brust,
Und ich vergaß Maria in der Lust
Und in der Wollust Herrlichkeit der Wonne
Mit meiner Aphrodite in der Sonne.
Ich schenkte Katharina Liebe flüssig
Und ward zugleich der Liebe überdrüssig.
Da aber fing mich Lilith, ohne Zweifel,
Dämonin war Frau Lilith, ein Sie-Teufel.
Ich träumte von Maria Madonnina
Und von der Liebeslust mit Katharina,
Bis wieder mich verzauberte Eirene.
Doch mich betrachtete die Frau nicht. Jene
Mich führte ein in Kreise ihrer Schwestern,
Da lauter Turteltauben in den Nestern,
Da ich um Mitka lange keusch geworben,
Bis Mitka in der Jugend Reiz gestorben,
Da mich getröstet freundlich Miriam,
Die Nonne, die verlobt war mit dem Lamm,
Bis ich getroffen hab die Frau der Frauen,
Frau Eva, Gottheit in ihr anzuschauen!


CHORUS MYSTICUS

Weiß er nicht, Don Juan,
Daß er nur Eine liebt, die Anima?
Er steht in ihrem Bann,
Die innre Frau im Mann
War immer die Geliebte, die er sah.

Von Mutterleibe an
Ist sie Genossin seiner Frauenminne.
Die innre Frau im Mann,
Die suchte Don Juan,
Daß er der Liebe werde selig inne.

Sie war zutiefst in ihm,
Doch er erkannte sie nicht in dem Innen-
Raum seiner Braut intim,
Sie schwebte hoch sublim
Geheim voran ihm in dem ganzen Minnen.

Gesichtswerk ist getan,
Die vielen Frauen sind dir nun errungen,
Tu Herzwerk, Don Juan,
Die innre Frau im Mann
Zu bilden innerlich ist dir gelungen.

Du wirfst das innre Bild
Der innerlich vertrauten Seelenfrau
Auf alle Mädchen mild,
Auf alle Weiber wild,
Wann schaust du Anima in innrer Schau?

Die Anima allein
War die begehrte Minne, ohne Spott,
Du sollst ihr Freier sein,
Die sie ist Schein von Schein
Und Seelenführerin zu deinem Gott!


2

(Frühling. Ein lichter blühender Garten. Don Juan und Eva auf einer Gartenbank.)

EVA
Hier pflanzte ich die Rose Neuer Morgen,
Hier hab ich in der Erde sie verborgen.
Maria heißt die andre Rosenart,
Die auch sehr schön war, weiß und rot und zart,
Ich aber nahm des Neuen Morgens Rose,
Wie Morgenröte glüht die makellose.

DON JUAN
Einst liebte ich ein Mädchen mit dem Namen
Maria. Sie, die Traumfrau aus den Damen,
War mir ein Ideal. Ob du das kennst?
Ein Seelenschatten war sie, ein Gespenst,
Ein Hauch, der fließend wie ein Schleier wallt,
War Seele ohne Leib, war Lichtgestalt,
War ein Idol, getaucht aus schönem Schaum,
Geboren aus der Seele in dem Traum.

EVA
Und liebst du die Maria immer noch?

DON JUAN
Als Nichts versank sie wie im schwarzen Loch
Des Nichts, im Lande der Vergessenheit
Sie flattert nun, ein Nichts in Hauches Kleid.
Mein Herz beschäftigt nun ein wahres Weib,
Vollkommne Seele im vollkommnen Leib,
Die Seele heilig, makellos und keusch,
Liebreizend und begehrenswert das Fleisch,
Ein Engel ihre Seele, goldne Blüte,
Ihr Leib die schaumgeborne Aphrodite,
Den Leib des Weibes muß ich heiß begehren,
Die Seele muß ich minnen und verehren.
Hier, Eva, kniee ich, dich anzubeten,
Dich Liebesgöttin dem Garten Eden!

EVA
So redet zu mir leider nicht mein Mann,
Wie liebesheiß mir lodert Don Juan!
Ach, hätte mir mein Mann so süß geschmeichelt!

DON JUAN
Mein Lob, Glorwürdige, ist nicht geheuchelt!
Der Ehemann ist Narr der Ehegattin,
Der Minner aber betet an die Göttin!
Hier kniee ich vor dir und bete hier
Die Liebesgöttin an, ihr Cavalier
Servente und ihr Hausfreund und Galan.
Zu deinen Füßen windet Don Juan
Im Erdenstaube sich wie eine Schlange.
Anbetung deines Cavaliers empfange!

EVA
Nur leider liebt mich nicht mein Ehemann,
Wie leidenschaftlich liebt mich Don Juan.

DON JUAN
Ich seufze, stammle, fehlen mir die Worte,
Ich bete deinen Schoß an als die Pforte
Des Himmels, als die Perlenpforte süß
Und eng, den Eingang in das Paradies!
Des Weltalls Zentrum seh ich makellos,
Des Weltalls Zentrum seh ich, deinen Schoß!
Ein Kelch dein Schoß, ein Becher ist dein Becken,
O Liebesgöttin, Tote aufzuwecken!
Schon schwebe ich, dich selig anzubeten
Mit Seraphim um dich im Garten Eden,
Und alle Göttinnen und Huris rufen
Und Seraphim auf Himmelstreppenstufen
Zu dir, o Liebesgöttin in dem Licht,
Du Gottes feminines Angesicht!
Im Paradiese darf ich trunken feiern,
Die Liebesgöttin seh ich sich entschleiern,
O große Göttin voll Potenz und Akt,
Im Paradiese wir! Ich nackt, du nackt!

(Don Juan leert einen Becher schweren Weines. Er glüht. Eva steigt die Schamröte ins Gesicht.)

EVA
Ich muß nun gehn und meinen Mann empfangen.
Ach Don Juan, sieh glühen meine Wangen.
Die ehelichte Treue ist mir Pflicht,
Dich aber lieb ich nicht, dich lieb ich nicht,
Ich kann dich nimmer lieben, nimmer lieben,
Ich lieb dich nicht! (Das soll dich nicht betrüben.)

(Eva geht ins Haus. Dämmerung. Don Juan allein unterm einsamen Abendstern, verzweifelt.)

DON JUAN
Im Paradiese meine Liebe lohte –
Nun stehe ich im Schattenreich, der Tote!
Geträumt nur war die Liebeslust gemeinsam –
Vernichtet steh ich hier, unendlich einsam!
Und all der Frauen heilige Gemeinde
Ein Heer ist, eine Heerschar böser Feinde!
Hier stehe ich, von bitterm Schmerz umnachtet!
Von der Geliebtesten verhöhnt, verachtet,
Geschmäht, verschmäht, verlassen und verspottet
Vom Dämon, den als Göttin ich vergottet,
Die ich geschaut als Göttin in dem Lichte,
Sie-Teufelin, sie macht mich ganz zunichte!
Die ich anbetete in meinem Herzen,
Zerschlug mein Herz in tausend wehe Schmerzen!
Mir strömen Tränen nur wie Blut so rot!
Nun komm, mein liebster Freund, mein Heiland Tod!

(Die Nacht ist hereingebrochen. Don Juan wirft sich auf die Erde und weint.)

CHORUS MYSTICUS

Als Eva Jungfrau war,
Da lauschte leider sie dem Wort der Schlange,
Verschleiert nur vom Haar
Der nackten Brüste Paar,
Die Schlange biß in ihres Apfels Wange.

Verboten war der Baum
Der eitlen Wissenschaft von Gut und Böse.
Doch Eva, schön wie Traum,
Nur Sonnenlicht ihr Saum,
Begehrte für sich selber Gottes Größe.

Sie sprach zu Gott ihr Nein,
Ihr Nein sprach sie zum göttlichen Gebot.
Der liebende Verein
In Edens Freudenhain
Verwandelte sich nun in bittern Tod.

Wie glücklich diese Sünde,
Der eine solche Rettung ward gebracht!
Auf Evas Nein begründe
Mariens Ja, so künde,
Maria sprach ihr Ja in dunkler Nacht.

Maria sprach ihr Ja
Zu Gott dem Herrn voll schöner Minne süß.
Die Menschheit wieder sah
Den Garten Eden nah,
Maria tat uns auf das Paradies.

Die Neue Eva ist
Maria, voll der schönen Minne süß.
Maria folge, Christ,
Daß du glückselig bist,
Maria ist ja Gottes Paradies!

Der Eva du verehrt,
Getrost sei, sie wird auch gerettet, schau,
Wie Eva sich bekehrt,
Ist Eva heimgekehrt
Zum Garten Eden Unsrer Lieben Frau.

Maria liebe du,
Bist in Maria Gottes Liebe nah,
Du findest Seelenruh
Und Liebe immerzu.
Sprich du dein Ja – Maria spricht ihr Ja!


3

(Ein alter Mönch mit kahlem Kopf und langem weißem Bart, mit Don Juan in einem Rosenhag vor den Mauern eines Klosters.)

MÖNCH
Die Sehnsucht nach den Frauen wird dir bleiben,
Du solltest dich der Lieben Frau verschreiben.
Die Liebe Frau ist deine Anima,
Die stets Juan in vielen Mädchen sah,
Sie ist die Frau der Frauen, ist die Frau.
Ich seh in deiner Seele tief, genau
Seh ich Maria als dein Ideal.
Sei du Marias mystischer Gemahl.
Wenn du sie findest als intime Braut,
Die sich in Leidenschaft dir anvertraut,
So kannst du Seelenfrieden finden, Ruhe.
Der Ort ist heilig, zieh du aus die Schuhe,
Ein Barfußkarmeliter Unsrer Frau
Du die Erlösung deiner Seele schau!

DON JUAN
Auf meiner Seele lastet schwer ein Fluch,
Ein Unheil steht in meines Lebens Buch,
Auf meiner Stirne unsichtbar geschrieben,
Daß mich geliebte Frauen nimmer lieben.
Die Liebe und der Tod von gleicher Macht
Mein Herz mit Unglück haben umgebracht,
Nun steh ich in der dunklen Nacht der Seele.
Du redest von der Jungfrau ohne Fehle,
Als Mutter nicht, vielmehr als Jugendliebe,
Als Jungfrau, die erlöst mich aus der Trübe
Des Schicksals meiner todgeweihten Schwermut.
Ich trank den Wein schon von dem Sternbild Wermut,
Wird mich die Jungfrau von dem Schmerz erlösen,
Den Rauschtrank ihrer Liebe mir einflößen?

MÖNCH
Wer ist von solcher Schwermut heimgesucht,
Der meint sich bitterlich von Gott verflucht.
Jedoch die Trösterin der Heimgesuchten
Der Segen ist von Gott für die Verfluchten.
Wenn du sie findest in dem innern Herzen
Als Mutter aller deiner Seelenschmerzen,
Ihr Lichtglanz sinkt in deiner Trauer Trübe,
In Gottes Licht führt dich der Jungfrau Liebe.

DON JUAN
Ich sah vor kurzem voll der Trauer Trübe
Im Dom ein Bild der Mutter schöner Liebe.
Sie war so blaß, von Schwermut blaß und bleich,
Ihr Antlitz war der blassen Mondin gleich,
Die schwarzen Augen voll geheimem Feuer,
Von Trauer schwarz der Mantel und der Schleier,
Da sah ich in der Jungfrau ohne Fehle
Die schwarze Jungfrau meiner eignen Seele.

MÖNCH
Die Jungfrau, süß wie Honig, weiß wie Butter,
Sie will dir sein der schönen Liebe Mutter.
Du suchst von ganzem Herzen eine Braut,
Die sich in Leidenschaft dir anvertraut,
Du suchst der Seele innre Seelengattin,
Doch suchst du auch die unbedingte Göttin.
Die wahre Göttin aber ist dir, Christ,
Die Gottheit, die dir eine Mutter ist!

DON JUAN
Ach, Mutter, das ist mir ein bittres Wort,
Ist mir wie eines Ungebornen Mord.
Doch sehne ich mit meines Herzens Flamme
Mich nach der Mutterliebe meiner Amme.
Die Mutterliebe meiner Kinderfrau,
Die Mutterliebe Unsrer Lieben Frau
Und Gottes Mutterliebe in Person –
Da bin ich der fürwahr geliebte Sohn!

MÖNCH
So Gott geworden deine Liebesgöttin,
Ist Unsre Liebe Fraue deine Gattin.
So findest Ruhe du und Seelenfrieden.
Die Frauen aber voller Reiz hienieden,
Sie werden bleiben deiner Seele Sehnen.
Doch im Kristall der trauervollen Tränen
Wirst du im Grund der Schmerzen selig schauen
Maria, Unsre Liebe Frau der Frauen.

DON JUAN
Maria sei mir Frau auf allen Wegen.

MÖNCH
So geh mit Unsrer Frau und Gottes Segen!

(Don Juan verläßt den Mönch und den Rosenhag vor den Klostermauern nachdenklich.)

CHORUS MYSTICUS

Was einst in Isis sah
Und in Urania und in Maria
Die Menschheit, das ist nah,
Die Gottheit Ich-bin-da,
Die Mutter Jahwe: Hagia Sophia!

Was meine Seele preist
In Sankt Maria, Unsrer Lieben Frau,
Ist Gottheit Heilig Geist,
Die uns die Wege weist
Zu mütterlichen Angesichtes Schau.

Die Mutter Heilig Geist,
Sie prägt in Unsre Liebe Frau den Stempel,
So daß Maria heißt
Die Mutter, die uns speist,
Die Lebensquelle und des Geistes Tempel.

Der Geist ist Fleisch geworden
In Sankt Maria, Unsrer Lieben Frau,
So in Marias Orden
Mit süßer Minne Worten
Wir schauen Gott die Mutter trunkner Schau.

Die Gottheit Ich-bin-da
Will, daß du bist allein Marien Sklave,
Die Sapientia
Will deiner Minne Ja,
Und Heilig Geist die Mutter ist in Jahwe.


4

(Morgengrauen. Weißer Mond am dunkelblauen Himmel über einem ländlichen Friedhof. Auf dem Friedhofsgarten ein lebensgroßes Kruzifix. Don Juan allein.)

DON JUAN
Hier sah ich gestern die Madonna wallen
Im Frühlingsmondschein, wie die Nachtigallen
Von Minne schluchzten traurige Gesänge.
Hier ist der Welt Getriebe und Gedränge
Verscheucht von einem guten Genius,
Ein holder Engel gibt mir seinen Kuß,
Verheißt, ich darf in diesem Kirchhofgarten
Wie Morgenröte Unsre Frau erwarten.
Nun wart ich also auf die Morgenröte.
Die Lerchen blasen ihre Jubelflöte
In dieser Matutin vorm Himmelsthron
Zum Lob der Makellosen Konzeption.
Der Frühlingsblumen keuscher bunter Flor
Und in dem Morgenrot der Engel Chor,
Sie machen zum Empfang mich tief bereit,
Zu dem Empfang der makellosen Maid.
Ich ahne in der Schwermut meiner Seele,
Daß Unsre Liebe Fraue ohne Fehle
In ihrer Makellosen Konzeption
Mich einführt ins Geheimnis der Passion.
Zu tief hat mich die makellose Maid
Getaucht in ihrer Minne Pein und Leid,
Daß ich bereitet von der Schwermut-Wehmut
Die Allerheiligste in tiefer Demut
Empfangen darf in diesem Friedhofsgarten.
In dieser Herrlichkeit des Herrn, der zarten
Verklärung Gottes in dem Morgenrot,
Gedenk Marias ich und Christi Tod.

(Maria erscheint, im schwarzen Schleier ums lange schwarze Haar, im schwarzen Mantel, das Antlitz wie ein Mond, die schwarzen Augen voll Traurigkeit und Liebesglut.)

MARIA
Hier findest du mich stehen unterm Kreuz
In Schwermutsminne und geheimem Reiz,
Hier schaue meiner schwarzen Augen Glut,
Wo Jesus Christus, überströmt von Blut,
Ans Kreuz geschlagen ward im Dornenkranz,
Die Sonne trist verhüllte ihren Glanz,
Wo Jesus an das Kreuz genagelt worden,
Verblutend stiftete der Minne Orden!
Hier unterm Kreuz war ich dem Sohne nah,
Empfing im Schoß den Toten, Pieta,
Wo ich in der verschlossnen Höhle habe
Gebettet meinen Sohn in seinem Grabe,
Wo hoffend gegen alle Hoffnung ich
Gewandelt zu der Menschheit Mutter mich,
Wo auferstand des Todes Überwinder
Und gab der Mutter alle Menschenkinder!

JUAN
Ich liebe dich mit tausend Liebesschmerzen!

MARIA
Ich liebe dich zutiefst, von ganzem Herzen!

JUAN
Ich liebe dich mit meiner Trauer Trübe!

MARIA
Du liebe mich! Ich schenk dir meine Liebe!

JUAN
Begnade mich, indem du Segen hauchst.

MARIA
Ich weiß, daß du vor allem Liebe brauchst.

JUAN
Die Frauenliebe ist nur wert des Spottes...

MARIA
Ich aber lieb dich mit der Liebe Gottes!

JUAN
Du meiner Seele höchstes Ideal!

MARIA
Ich lieb dich absolut, perfekt, total!

JUAN
Du liebe mich als meine Liebe Frau!

MARIA
Nun zu dem Kreuzesleiden Christi schau!
Ich werde dich zur Nacht in meiner Kammer
Empfangen, du vergißt dort allen Jammer,
Ich will im Lager dort in meinem Zimmer
Dich anschaun mit der Augen feuchtem Schimmer.
Du hast mir nicht umsonst dein Herz vertraut,
In Ewigkeiten bin ich deine Braut!

(Maria wandelt vonhinnen.)

JUAN
O Jesus Christus an dem Kreuzesholz,
Mein Gott, ich nahe dir in Demut stolz,
Schau du herab, o Herr, von deinem Kreuz,
Madonna liebe ich, die Frau voll Reiz,
Du segne meiner Ganzhingabe Minne,
Laß werden mich Mariens Minne inne!
Du, angenagelt mit der Sünde Hammer,
Komm, Christus, heute Nacht in meine Kammer,
Du Schmerzensmann der Schmerzensfrau, zu schauen,
Wie ich vereine mich der Frau der Frauen...

(Christus am Kreuz nickt ihm gnädig zu.)

O Herr, vor dir erschauert tief der Fromme!

CHRISTUS
Ich komm in deine dunkle Nacht, ich komme - - -

CHORUS MYSTICUS

Wie Jesus an dem Kreuz
Sich hingegeben in der Ganzhingabe,
Wie seiner Liebe Reiz
Gesühnt den Liebesgeiz,
Ein Minner von der Krippe bis zum Grabe,

Maria die Passion
Des Sohnes auch als Frau der Schmerzen litt,
Sie litt mit ihrem Sohn,
Dem Herrn im Kreuzesthron,
Litt mit dem Herrn als Frau der Schmerzen mit!

Von Blut Mariens Tränen
Geweint im innerlichen Mutterherzen,
Mariens reine Venen
Von Glut erfüllt und Sehnen,
Sie liebte Gott mit ihren Liebesschmerzen!

Gebunden an das Kreuz
Mit unserm Herrn war Unsre Liebe Frau,
Die Schmerzensfrau voll Reiz,
Ganz ohne Liebesgeiz!
Die Frau der Schmerzen an dem Kreuze schau!...

Mit Schärfe eines Schwerts
Die Rosa Mystica im Dornenkranze
Durchbohrt am Mutterherz,
Die Frau voll Liebesschmerz,
Als Christus ward durchbohrt von einer Lanze!

Das Mutterherz steht offen,
Geöffnet von des Todes Überwinder,
Von Blut die Tränen troffen!
Nun auf die Mutter hoffen,
Auf die Erlöserin die Menschenkinder!


5

(San Juan in einer dunklen Eremitenhöhle in der Einöde. Vor der Morgenröte sitzt er im Eingang seiner Höhle und betet gen Himmel. Während seines Gebetes tanzt der Morgenstern. Unsere Liebe Frau erscheint auf dem Morgenstern.)

SAN JUAN
Ich eine mich mit allen frommen Seelen
Und will mein Heil der Jungfrau anbefehlen
Und singen Lob der makellosen Maid.
Erscheine, reine Maid, ich bin bereit!
Du schütze mich vor feindlichen Dämonen
Durch deinen reinen Lichtglanz in Äonen!
Gelobt sei Allmacht – Weisheit – Liebesglut –
Gelobt die Gottheit, die mein Höchstes Gut!
Maria sei erkannt von allen Sündern,
Gelobt, geliebt von allen Menschenkindern!
Ich preise und verehre dich, Madonne,
Du erstgeborne Tochter Gottes, Wonne
Und Leben, Hoffnung mir und Süßigkeit,
Du Himmelskönigiin, ganz reine Maid!
Ich preise dich, o Mutter meines Herrn,
Ich preise dich, brillianter Morgenstern!
Geliebte Gottes du in Ewigkeit,
Du Grazie Gottes allgebenedeit,
Du Meisterwerk der Allmacht, du Idee
Der Schönheit, die ich rein im Geiste seh,
Du reinstes Herz, du Heiligtum der Tugend,
Idee der Schönheit in dem Reiz der Jugend,
Du Wohnung Gottes, Offenbarungszelt
Des Geistes, Gottes Frau vor aller Welt!
Es preisen Seraphim und Cherubim
Der Engel Königin sublim, intim
Vertrauen sich die Heiligen dir an,
Ganz reine Braut bist du dem Gottesmann!
Der Schöpfer überhäufte dich mit Ruhm,
Du ewigweibliches Mysterium,
Du Seligste in der Glückseligkeit,
Der Liebe Herrin in der Ewigkeit!
Die Völkerstämme und die Kontinente
Und die Atome und die Elemente
Und Seraphim und Cherubim im Chor
Und alle Vögel, aller Blumen Flor,
Die preisen deiner Schönheit reine Liebe!
Barmherzig schau in unsre tiefsten Triebe,
Gib deinen Kindern deiner Liebe Zeichen,
Du gnadenvolle Mutter ohnegleichen,
Du reiche Spenderin der Gottesgnade,
Ganz reine Schönheit, reiner noch als Jade!
Die Unerschöpflichkeit der Mutterliebe
Lobpreisen deiner Kinder Liebestriebe
Und alle Zungen singen deine Größe!
Die makellose Brust vor mir entblöße
Und flöße mir den Trank der Weisheit ein,
Weil deine Minne besser ist als Wein!
Dein Herz ist Gottes Lustort, Gottes Ruhe,
So nah ich barfuß dir und ohne Schuhe,
Ich nahe zaghaft mich der Himmlischzarten,
Des Geistes Paradies und Wonnegarten,
Dem Lustort Gottes, Gottes Paradies!
Geheimnisvolle Rose bist du, süß
Und ohne Dornen, duftend wie die Öle,
Maria, Liebeswonne meiner Seele!
Ah, meine Seele Freudentränen weint,
Da Unsre Liebe Frau sich mir vereint!

(Am Himmel bildet sich aus Licht ein Kreuz, an dem Christus erscheint als Lichtgestalt mit Wundmalen.)

CHRISTUS:
Ich komme, wie ich sprach, und offenbar
Dir nun das mystische Erlöserpaar...

(Das Kreuz aus Licht am Himmel bleibt, da die Lichtgestalt Christus unsichtbar wird, nun erscheint die FRAU vor dem Kreuz, von ihren Händen fließen Liebesstrahlen. Sie ist umflossen von langen schwarzen Haaren und fließender weißer Seide. So tritt sie zu San Juan in die Eremitenhöhle und lächelt ihn an von Angesicht und Angesicht.)

MARIA
Dich zu vereinen mit der Himmelsmaid,
Bereit sei zur totalen Einsamkeit...

SAN JUAN
Ah! Oh!
Ich bin bereit für meinen Liebestod!

(San Juan sinkt in seinem Liebestod in den Schoß der Lieben Frau. Sie trägt in der Verzückung sein Unsterbliches in das Paradies!)

CHORUS MYSTICUS

Geladen in den Arm
Der Jungfrau, in die Beuge ihrer Arme,
Zu ruhn am Herzen warm,
Am Busen voller Charme,
Ist meine Sehnsucht. Herrin, dich erbarme!

Gebettet in den Schoß
Der Jungfraumutter, selig schon im Leben
Im Schoße makellos
Die Seele löst sich los,
Vom Schoße in das Paradies zu schweben!

Marias süßer Schoß
Ist Gottes Lustort, Gottes Paradies!
Im Schoße makellos
Die Seele leidenslos
Erwacht, vergöttlicht in dem Schoße süß!

Marias süßer Schoß
Und all der Reichtum ihrer reinen Brüste
Vereint sich makellos
Dem Seelengatten groß,
Dem Christus! Kyrie eleison, Christe!


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