[Inhalt]

DIE MUSE

Von Peter Torstein Schwanke


I

Was wäre das, wie ein Poet zu leben,
Nicht Kunst zu schaffen - selber Kunstwerk sein?
In Schönheit leben, nicht in schönem Schein,
Zur heiligen Vollkommenheit zu streben!

Weltbürger, die ihr lebt in Alltagssorgen
Und opfert eurem Mammon eure Farren,
Hier seht ihr einen jugendlichen Narren,
Der aufbricht in ein morgenrotes Morgen.

Arbeiter, die ihr nur die Not gekannt,
Den Tag wie eine Mühe zu verbringen,
Leichtsinnig hört ihr einen Narren singen,
Seht einen Narren malen an die Wand.

Studenten, die ihr dem Verstand gedient,
Dem reinen Geiste im Gymnasium,
Das Unbewußte ist dem Mann nicht stumm,
Der sich mit seinem Eros ausgesöhnt.

Wie Kinder lallen wir von Dada nur,
Uns ist wie ein Musikgerät die Liebe.
Im Unbewußten spiegelt Licht und Trübe
Und Ratten haben seelische Natur.

Geht in die Werkstatt, macht euch krumm, ihr Andern,
Wir wollen nur in den Laboren scherzen,
Arbeiterinnen in den Armen herzen
Und dann zu unbekannten Ufern wandern!

Ihr habt den Frieden und die Liebe nicht,
Wir sehen euch auf die Raketen bauen.
Wann weigern sich euch friedensfertige Frauen
Wie einst im alten komischen Gedicht?

Der Frauen Weigerung erwirkt den Frieden,
So sagte unter Lächeln uns der Weise.
Da sah ich deine weißen Augen, leise,
Sanft einen Weg zum Frieden mir zu bieten.

Die Augen, die ich sah, die waren Mondschein
In einer Welt aus lauter Dunkelheit,
Als ob die Gnade Gottes niederschneit
Aus einer Braut, aus einer Stadt aus Mondstein.

Der Mann war ich dir mit dem Tamburin,
Du aber warst sein fernes Wolkenschloß,
Sein Wolkenkuckucksheim, das hoch und groß
Erhaben überragte seinen Sinn.

Des Nachts warst du der Friede sanfter Pferde,
Zu mir mit ihres Hauptes Neigen sprechend.
Du warst der Traum der Nacht, so vielversprechend,
Der Mondschein über einer stillen Herde.

Der kommenden Gestade fester Felsen
Warst du, das siebte Siegel dieser Stätte.
Du warst die Göttin, ich die Marionette,
Ich pilgerte zu dir auf hohen Stelzen.

Nun komm, geliebtes Täubchen Colombine,
Komm mit mit deinem traurigen Gefährten.
Die Komödiantenwagen an den Pferden
Sind voll, es schaun nach dir die Harlekine.

Und schau, ich bin dein trauriger Pierrot,
Der Flötenspieler, bin der Rattenfänger,
Zurück ließ ich den schlimmen Doppelgänger,
Bin nun allein mit dir des Lebens froh.

Im Tingeltangel-Morgen zog ich los
Mit Colombine, meiner lieben Fraun,
Zurück blieb der Trompeter, blieb der Clown,
Mein Mädchen, großes Zeichen den Pierrots!

Wer bin ich denn? Ich bin der Taugenichts,
Der mit der Geige spielt der Unbekannten
In einer Welt der Monster und Mutanten,
Erglüht von Glut des atomaren Lichts!

Und wer bist du? Kassandra bist du mir,
Der Unheilskünder, trojische Prophet,
Daß diese Welt im Feuer untergeht
Und aufersteht in einer Frau voll Zier!

Du bist die Nacht der Halluzinationen
Und Wächterin an meinem leeren Bette,
Schutzengel mir, Idol und Marionette.
Wir wollen in den Morgenröte wohnen!

Am Morgen will ich in den Burghof treten
Und dir die roten Rosenknospen sammeln
Und dir Gesang von kleinen Schwänen stammeln,
Die alte böhmische Gebete beten.

Ich bin der Lasten aller Nächte ledig,
Du bist der Morgenröte goldner Glanz.
Du bist der königliche Rosenkranz
Und schwarze Trauerschwanin von Venedig.

Die schöne Dame du, von allen Musen
Die Reinste, eine strahlende Ikone.
Die Rosen streu ich dir zum Minnelohne,
Voll Sehnsucht glüht ins ferne Reich dein Busen.

O du, der Sehnsucht heilige Gestalt,
Du blaue Blume in dem Land der Franken,
Du siehst mein Zittern, Zagen, Schweben, Schwanken
Und gingst alleine in den dunklen Wald.

Wie will der Taugenichts mit dir doch wandern
Und geige spielen in dem Morgenrot,
Wo du doch dachtest an das Abendbrot,
Gereicht von herben Händen eines Andern?

Wie flogen da die Schwalben durch mich durch
Und schrieen meinen Schrei gejagte Pferde,
Ich war ein hohler Stein, verbrannte Erde,
Verlassen in der Liebe innern Burg!

Dann kamest du noch einmal in mein Haus
Wie eine Frau mit großen goldnen Flügeln,
Erhabne Herrlichkeit von sieben Hügeln
Im Schwebeschritt durch sanften Windes Saus.

Ich sah nach Kreta zu den hohen Frauen
Und zu des Lilienprinzen schöner Jugend,
Als du erschienest, Ideal der Tugend,
Mit einem Blick mein Inneres zu schauen!

Und angefüllt mit himmlischen Visionen
Du wolltest rasch dich wieder fortbewegen,
Nur mir den Segen auf die Stirne legen,
Durch deine Hand der hohen Liebe Kronen!

Da kniete ich vor dir, du edle Frau
In deinem samtengoldenen Gewand,
Da hobest du zum Segen deine Hand,
Entzückt von deiner künstlerischen Schau.

Dann sah ich einmal dich noch in der Schenke,
Da war ich trunken von der Blume blau,
Geheimnissen des Dichters und der Frau,
Du Quelle der poetischen Geschenke.

Ein Feuerwerk am trunkenen Silvester
Vermisste dich und neuen Jahres Tag,
Da floh ich aus der Einsamkeit nach Prag,
In Blumen dich zu suchen, schöne Schwester.

Durch dich ward mir der Hoffnung Lied gegeben
Als Lied der Auferstehung Jesu, die
Mir schien als wie das Reich der Utopie
Und wie der schönen Liebe ewiges Leben!

Durch dich ward mir der Sang aus Orient,
Da die Geliebte Gottes Gleichnis ist,
Des, den verehren Moslem oder Christ
In der Geliebten, die er Herrin nennt.

Durch dich ward mir das dichterische Sehnen
Nach einer kommenden Geliebten, welche
Besungen ward beim Klang der Dichterkelche,
Wenn sie Jehowah preisen unter Tränen!...

Durch dich ward mir die römische Antike
Als Lobgesang des christlichen Advent,
Wenn auch die alte Mutter Roma brennt
Und Nike auch der Flügel abbrach, Nike.

Durch dich ward mir, du gnadenreiche Frau,
Des alten China Weisheit in der Jugend,
Wie sich im Lächeln einer sanften Tugend
Verwirklicht ewige Weisheit oder Tao!

Durch dich ward mir Weissagung des Propheten,
Daß durch den Geist die Knochen auferstehn!
Wie werd ich dich in schönen Himmeln sehn,
Geliebte, wo wir wieder Liebe reden?


II

Du warst der Lebenssommer, der mir blühte
Und der mir fruchtete mit süßer Frucht,
Des irdischen Gestades Wonnenbucht
Hat dich ans Land gespült, o Aphrodite!

Du bist die Königin der Sinnlichkeit,
Geschaffner Schönheit königliches Weib,
Aus Marmor deine Brust, aus Schaum dein Leib,
Aus rotem Purpurstoff dein leichtes Kleid.

O Frau, die Arme weiß und rund und bloß,
Und schwarz, Geliebte, deine Pracht von Haar.
Aus Milch und Honig war dein Apfelpaar
Und wie die Bucht von Paphos war dein Schoß.

Ich stand vor deiner marmorweißen Büste
Und sang voll Jubel deinen süßen Namen.
La France empfangen hatte Gottes Samen,
Auftauchst du nackend an der Seine Küste.

Du tratest in der Nacht wie Mondschein ein,
Da ich mich bettete im schwülen Bett,
Du lächeltest so herzlich und so nett
Und überfossest mich mit Mondenschein.

Es braucht ein Mann ein Weib! so sang ich da,
Als du dich wonnevoll zu mir gebettet,
Mit Rosenfesseln Eros uns gekettet!
O Frauenschönheit der Urania!

Du locktest mich zur Sonne in den Süden,
O vielgeliebtes Weib! Da warst du wer?
Frau von Les-Saintes-Maries-de-la-Mer!
Warst in der süßen Liebe tiefer Frieden.

Du warst die Krone auf dem Mittelmeer,
Du warst der gischtumspülte Petrefakt,
Du warest weißes Weib, so naß und nackt,
Die Sonne hüllte dich in Schleier hehr.

O Nacht erotischer Vereinigung,
Da Venus und Adonis sich vereinen!
Schildkröten wälzen sich in Kieselsteinen.
Nackt Eva ist in Eden, Adam jung!

Ich sandte Dankgebete zum Orion,
Da wir im Weinbergtal des Nachts gelandet.
Mein trunknes Schiff in deiner Bucht gestrandet,
Gerettet mit der Leier war Arion.

Du warst die reife Schwangerschaft der Reben
Und Land von Milch und Honig, voll der Gnade,
Ich aber war das Zirpen der Zikade
Und war bacchantischer Poet von Theben.

Der Dichter aus der Briten Renaissance,
Der deutsche Götter-Seher war mein Meister.
Auch Echo sprach zu mir im Tal der Geister.
Preis dir, o Frau, du fleischgewordne France!

Wohl ist zuerst des Fleisches Leidenschaft
Ein Glück, erotische Vereinigung,
Wir waren gottlos, waren Toren, jung,
Doch Gott gab uns der Liebe Bruderschaft.

Da waren wir wie Waisen, kleine Kinder,
Die sich umarmen, wenn sie sich vereinen,
Einander ihre kleinen Klagen weinen,
Die trösten sich, umarmend sich im Winter.

Wie schön du warst in deinem lichten Lachen!
Wie aber liebte ich dich unter Tränen!
Wie liebte ich dein kleinen An-mich-Lehnen,
Wie deinen Schlaf und wie dein Auferwachen!

Was schlich sich doch der alte Dämon ein
Und ließ mich Unerreichbares ersehnen!
Geliebte, alle deine Trauertränen
Und Liebesleiden mußt du mir verzeihn!

Schon war ich ja zerrissen und gespalten
Und sehnte mich und legte die Orakel
Und hielt nur meinen Traum für ohne Makel
Und sann der jungen Liebe nach, der alten.

Wie schmerzlich doch, an einen Namen denken
Und einer andern in den Schoß zu gleiten,
Der einen rote Feuerpferde reiten,
Der andern aber seine Seele schenken!

Noch einmal Frieden, o mein Gott, mir schenke,
Noch einmal mir ein Leben wie im Traum!
Ich suche dich, du weißt, ich kenn dich kaum,
Du mögest meine Schritte zu dir lenken!

Zu einer Schlucht hat mich die Frau geleitet,
Die Brücke einen Abgrund überhing.
Vom Himmel Gottes lichte Hand mich fing,
Als sich der Abgrund vor mir ausgebreitet.

Noch einmal pastorale Auen laß
Mich schaun, dahin uns unsre Engel führten,
Zu Katholiken, Bäuerinnen, Hirten,
Zur Gottessuche ohne Unterlaß.

Laß mich noch einmal meinen Engel grüßen
Und einmal noch den Engel der Geliebten,
Den lichten Tröster der zu Tod Betrübten,
Dem Engel einmal staunen noch zu Füßen.

Noch einmal hör mich jubeln: Iahu!
Du Taube Gottes aus dem Orient,
Du Schleier Gottes, der die Herzen kennt,
Wann aber offenbarst dich selber du?

Noch einmal laß mich in dem Abenddämmer
Die jungen Frauen preisen unter Masken,
Noch einmal grüßen hundertjährigen Basken,
Den Hirten seiner glockenläutenden Lämmer.

Und kehren wir in deutsche Lande heim
Und hocken enge Kammer neben Kammer,
Zerreißt mich still ein innerlicher Jammer,
Ich halt vor dir mein Leiden streng geheim.

Du trugest deine Brüste in den Garten
Und in der Sonne badeten die Tauben
Und an den Lippen schwollen reife Trauben,
Ich wollte die geheime Fee erwarten.

Wie Rumpelstilzchen tanzte ich am Feuer,
Wie gut daß niemand diesen Namen kennt,
Der als geheime Liebe in mir brennt,
Dieweil ich hier erleb mein Abenteuer.

Und wenn wir in den Winternächten träumen
Und hören Windsbraut durch die Wipfel blasen,
So seh ich in verzückenden Ekstasen
Als Lakschmi dich in currygodnen Säumen.

Ich treibe träumend auf der Maya Meer,
Da alles Trug nur ist und Illusion.
Lebt nicht auch schon im Himmel unser Sohn?
Wann kommt er denn auf diese Erde her?

Geliebte, lies du meine Liebeslieder,
Du kannst den Durst nach Göttern nicht verstehn.
Doch du bist selbst wie eine Göttin schön,
Wenn deine Brüste hüpfen aus dem Mieder.

Zwei Seelen trage ich in meinem Busen
Und trag die innere Zerrissenheit
Zu Einer, die zum Sterben schon bereit,
Ich sehe links und rechts zwei schöne Musen.

Ich sehe Venus und Maria, sehe
Cythere hier und drüben Magdalene,
Der Liebe Lachen und des Todes Träne,
Der Buße Ideal, der Wollust Wehe!

Ich sehe eine Greisin, die mich ruft!
Im Wald beim Mond mit klagendem Geheule
Als tödliche Prophetin Schleiereule
Mich lockt mit gottesfrommen Todes Duft!

Dieweil ich weilte auf der Insel Zypern
Mit dir, der bloßen Göttin aus dem Meere,
Rief mich bereits im Rücken der Cythere
Die Dame, Überwinderin der Vipern!

Fünf Frauen hatte ich, sie alle waren
Nicht meine Frauen, auch die Heutige
War nicht die meine. Das mitleidige
Wort Jesu griff als Geist mich an den Haaren.-

Die Liebe meiner Kindheit ist gestorben!
Nun ist auf Erden keine Mutter mehr!
Da ward mir Gott zur Mutter, Gott der Herr,
Der meine Wenigkeit zum Sohn erworben! - -


III

Und wenn sonst so der Sinnlichkeit ergeben,
So suchte jetzt ich nichts als reinen Geist.
Sei Tugend, Keuschheit, Reinheit lobgepreist
Und stilles zu-dem-Himmelreiche-streben.

Um deinetwillen, o geliebter Traum,
Hab ich das Werk der Sinnlichkeit vernichtet,
Die Poesie im Feuer aufgescfhichtet,
Ließ auch das Lied der Gottessuche kaum.

Zertrümmert wurden alle süßen Stanzen,
Die ich vom jungen Don Juan gelernt,
Der Blankvers aus der Poesie entfernt,
In dem die sinnlichen Poeten tanzen.

Ein Minnesang nur aus dem Mittelalter
Soll die Erinnerung an dich besingen,
Wie Engel singen, wollte ich mich schwingen
Um deinen Flieder als ein weißer Falter.

Ich wollte nichts als fromme Briefe schreiben,
Epistel-Konfessionen meiner Buß’ -
Mit einem christusfrommen Minnegruß
Ein Sklave meines Ideales bleiben.

Du warst ja schon nicht mehr die Jugendliebe,
Du warst das reine Wesen aus den Träumen,
Ein Engel in der weißen Seide Säumen
Und fern von allem fleischgebornen Triebe.

Ich liebte mich nur selbst in diesem Bilde,
Nicht Wirklichkeit, nur innere Idee,
Nicht eine Frau, nur was ich innen seh.
Ich eilte ins teutonische Gefilde,

Ich eilte dich in Wirklichkeit zu schauen,
Du aller meiner frommen Hoffnung Tugend,
Du Himmelreich, du Buße meiner Jugend,
Mein Schicksal, Sternbild unsrer lieben Frauen.

Und so bin ich durch Hermanns Wald gesaust
Als wie zu der Fontana Amorosa,
Als wie dereinst zur Mater Gloriosa
Von Helena hinangestiegen Faust.

Du nahtest in der Nacht im weißen Schleier
Und sahst mich an mit mondenem Erbarmen
Und ließest ruhen mich in deinen Armen
Als wie in Sapphos Armen Sapphos Leier.

Ich schlief im Schatten des Arminius,
Er schaute zu Thusnelda durch die Föhren.
Am Morgen weckte mich des Rehbocks Röhren
Und Rehe brachten mir den Morgengruß.

Du führtest mich zum Denkmal der Passion,
Wo mich dein Mund geküsst so minnerot.
O Liebe, Liebe, stärker als der Tod!
O Jesus! Schmerzensmann und Gottessohn!

Nur Einen Tag, Geliebte, Einen Kuß,
Umarmung flüchtig und - ein festes Nein!
Du würdest mir nicht die Geliebte sein.
Nimm meine Liebe mit als Abschiedsgruß,

So sagtest du, das nahm ich mit nach Hause
Und schrieb für dich Komödien und Poeme
Und Minnelieder, zärtlich angenehme,
Ein Dichter in der Eremitenklause.

Ich schrieb dir Briefe, schrieb dir hundert Briefe:
Wann sehen wir uns wieder, wie versprochen?
Die Briefe aber, Siegel ungebrochen,
Verloren sich in echoloser Tiefe.

Verzweifelt griff ich gar zum Telephon,
Du ließest dich von deinem Freund verleugnen.
Was muß sich noch an hartem Nein ereignen?
Ich aber war unsterblicher Hoffnung Sohn.

Ich suchte deiner Kindheit Heimat und
Die Kirche deiner Taufe auf, o Deus,
Geschunden in der Glut wie Bartholomäus
Und an der Haut und an der Seele wund!

Da schriebst du mir, ich denk daran in Wehmut,
Da schriebst du mir, du könntest mich nicht riechen:
Was soll dein Schleichen, Schmeicheln, Kratzen, Kriechen,
Laß mich in Ruh mit deiner Hundedemut!

Ich aber war der Blinde und der Taube,
Der nicht vernahm der Liebe Weigerung,
Der sah nur seines Traumes Überschwung
Und in dem Traum die reine weiße Taube.

Du warst mir die italische Madonne,
Die in Venedig flüchtig küsste, eilig
Entfloh, in Rom erschien sie hold und heilig
Und in Neapel als Vulkan der Sonne.

Du warst mein Lukas-Evangelium,
Du warst das Mädchen und du warst Marie
Und ich dein Knecht in Minnesympathie,
Du warest mir wie Gottes Heiligtum.

Du warest Miriam, des Aaron Schwester,
Die Führerin durch Hölle, Fegefeuer
Und Paradies als Minneabenteuer,
Die Ostersterne waren unsre Nester.

Du warst der saphirblaue Ätherdom
Und Paradies von blühenden Maronen,
Ich war der Sänger deiner schönen Kronen,
Erfüllt von dir im innersten Atom.

Du warest Gottes Offenbarungszelt
Und ich dein Hoherpriester, ich dein Mose,
Du warest die Madonna, rote Rose,
Der Garten Eden, Gottes neue Welt!

Idee und Liebe! Liebe und Idee!
Wohin entschwandest du, o Frau, wohin,
Du meines Lebens, meiner Liebe Sinn,
Daß ich nur noch den Tod vor Augen seh?

Schon kommen Engel aus dem Himmelreich
Den Einsamen in Einsamkeit besuchen,
Dämonen treten auch hinzu, mich zu verfluchen,
Mein Herz zerfließt wie Wahchs im Feuer weich.

Schon steige ich ins grenzenlose All,
Um an die Himmelspforte anzuklopfen,
Wo reuig meiner Buße Tränen tropfen,
Klingt meines Lobgesanges Reimeschwall.

Gott aber hat zur Erde mich verwiesen
Und zeigte mir aus der Vergangenheit
Die Schöne in des Kleids Abwesenheit
Und Schaumgestalt aus Südenparadiesen!

O Trunkenheit! noch einmal Leben kosten
Von prunkenden Granaten, prallen Früchten,
Um dann gestärkt in reinen Geist zu flüchten
Und in der Weisheit Morgenrot von Osten.

Ja, Weisheit, sende mir dein Morgenrot,
Ich preise meine Selbstvergessenheit!
Und bin ich auch zum Sterben schon bereit,
Bei Gott! ich überlebe meinen Tod.......

Zehn Jahre lief ich deinem Schatten nach,
Wie Menelas im trjischen Gefild
Gekämpft um seiner Vielgeliebten Bild,
Es war nicht Helena in Wahrheit, ach!

Doch warum nicht? ‘s ist Liebe und Idee!
Ist keine Frau doch wie das Inbild schön,
Hab keine in der Erdenwelt gesehn,
Soviel ich auch die schönen Frauen seh.

Ist nicht ein Auge, ist vielmehr ein Mond,
Ist mehr ein Engel als ein ridisch Weib,
Ist mehr wie Pneuma als aus Lehm ein Leib,
Ihr Bett das baut sich überm Horizont!

Ich pilgerte zu deinem Gnadenthrone
Und baute ihn aus Gold in meinem Herzen
Und zündete in meiner Kirche Kerzen
Vor deiner, Herrin, heiligen Ikone.

Du warest ja die Seele meiner Seele
Und meines Herzens eingeborner Stern.
Was kümmert es den Dichter, daß du fern
Und daß du in der Wirklichkeit voll Fehle?

Dann aber nahm ich Abschied auch von dir,
Du konntest mir nicht mehr zum Bilde taugen,
Zu mächtig ward die Schönheit vor den Augen,
Die Schönheit, schöner als des Traumes Zier.


IV

Ja, wenn ich zum Gebete und zur Bibel
Mit Freunden mich versammle und zum Singen,
Sitzt eine Jungfrau da mit Engelsschwingen
Und schaut so süß mit lieblichem Geliebel.

Daß ich gemeint, ich lönnte dich belehren,
Mußt du Gotthingegebene verzeihen.
Du wusstest Jesus ja als Braut zu freien
Und Gott als deinen Vater zu verehren.

Allein nicht daß ich schuldig an dir ward
In dieser Hoffart meiner Geistlichkeit,
Auch du warst zur Vergebung gleich bereit
In selbstanschuldigender Demut Art.

So hast du mir sogleich das Herz geraubt,
O Schwester Braut, mit einem deiner Blicke,
Du Jungfrau von der Regenbogenbrücke,
Weil du der Liebe ja zuerst geglaubt.

Du warst so sanft wie deine sanften Pferde
Und schmeichelsanft wie deine schwarze Katze,
Schneeflocken haschend mit der Tatze.
Sanftmütige ererben ja die Erde.

Du warst so rein in deinem weißen Kleid,
Anmutige, in deiner reinen Bluse,
Du Lobpreissängerin, du fromme Muse,
Holdselige, dem Meister milde Maid.

Und werde ich getauft von Gottes Geist,
O Jungfrau - Sankt Maria deine Ahnin -
So wirst du auf chinesisch lobgepreist
Als meine Liebe, Jungfrau, weiße Schwanin.

Und reise ich ins Schwalbenland der Schwaben,
Erwandere die Burg der Hohenstauffen,
Will ich die Muse mit dem Neckar taufen
Und übergießen mit den Geistesgaben.

Und bin ich fern von dir, muß ich mich sehnen,
Und trag dich in mir, Inbild meiner Seele.
Die Flamme lodert aus dem Glutgeschwele
Und Feuer brennt in meinen blauen Venen.

Nun sag ich dir von einem kleinen Jungen,
Wie er Maria pries, die reine Ros’,
Er dachte soch, sie wär ein Pegasos,
Ward doch gesungen: ‘s ist ein Roß entsprungen...

So flog ich gleich auf meinem Flügelpferde
Zu dir, den alten Vater Rhein entlang,
Zu hören charismatischen Gesang
Der Jungfrau, einem Himmel auf der Erde.

Wie aber meine Leidenschaft mir tobte,
Wie ich den bittern Becher nahm mit Zittern,
Als dir in Gottes heiligen Gewittern
Zum Mann gegeben wurde der Verlobte!

Du fragst, Geliebte, fragst in frommem Zweifel,
Wer kann den armen Jünger so verwunden
Mit Liebesleid, wenn nicht ein Geist von unten,
Ob denn nicht meine Leidenschaft vom Teufel?

Dann aber gabst du selbst die Antwort mir:
Wenn ich dir zärtlich meine Liebe sagte,
An dir die Freude, da ich dir nicht klagte,
So war es Jesus Liebe ja zu dir.

Wohl mir, Holdselige, die Jesus kennt,
Sie nahm mein Minnen als ein frommes Zeichen,
Mein Lieben Jesu Lieben zu vergleichen,
Nahm meine Leidenschaft als Sakrament.

Tief hast du ja in Jesu Herz geschaut
Und warest Seherin in deinem Traum,
Sahst Gottes Taube in dem Lebensbaum
Liebäugeln dir, erwählte Gottesbraut!

Das war dein geistgewirkter Abschiedssegen,
Als ich aus deinem frommen Kreise schied,
Da sangest au mir ein erwähltes Lied,
Bonhoeffer sang es Gott auf dunklen Wegen.

Ich aber in der Liebe Weihrauchqualm
Des Betens zu dem Herrn um deinetwillen,
Schrieb dir in einer Stunde, einer stillen,
Schrieb dir den hunderteinundfünfzigsten Psalm.

Dann ging ich in des Herbstes Einsamkeit
Und betete zu meinem Trost in Zungen,
Hab aus dem Tränental mich aufgeschwungen
Ins Paradies, das schön wie eine Maid.

Hör meines Herzens blutiges Gestöhne,
O Herr, von deinen Wunden meine Wunden,
Umgeben von den Büffeln und den Hunden
Seufz ich zu dir, zu meines Retters Schöne!

Und ist mir diese Jungfrau nicht gegeben,
Wen seh ich denn in meiner Seele Innern?
An jenes schöne Bild mich zu erinnern
Ist fromm, die Frau war schön wie ewiges Leben!

Doch nicht so ganz muß ich auf dich verzichten,
Du reist mit mir zu einem Seminar,
Da Gottes Offenbarung Thema war
Und Jesu apokalyptische Geschichten.

Ich saß mit dir bei einem Glase Wein
Und sah den Rotwein im Kristalle funkeln,
O Feuertaube, Strahlende im Dunkeln
In deinem gottdurchstrahlten Gnadenschein!

Und sprach der Prediger prophetisch da
Von Gottes Braut der Letzten Tage, bin
Ich überzeugt, du bist die Königin,
Die siebte Königin Ecclesia!

Die aber leidet das Martyrium,
Um Gottes wahren Glauben zu verbreiten.
Ich aber war wie Hiob jener Zeiten
Und vlieb vor dir als meinem Trost nicht stumm.

Da ich gelitten hab an meinen Schwächen,
Die alle aus der Liebe Unglück waren,
Schriebst du, Geliebte, mir zu offenbaren,
Der Herr wird nicht den glimmenden Docht zerbrechen.

Denn Jesus weiß von unsrer Schwachheit ja,
Sucht nur das Herz, und ist es nicht aus Jade,
Ich trau wie du allein auf Gottes Gnade,
Die war an jedem deiner Tage da.

Du warest ja so krank und auch so schwach,
Doch desto größer war des Höchsten Kraft,
Die Kraft, die in den Schwachen mächtig schafft,
Der Jubel Gottes in des Menschen Ach!

Ich aber, daß ich dir allein nicht klag
Und nicht als Jammer im Gedächtnis bliebe,
Schrieb dir von Gottes grenzenloser Liebe
Zu deinem gottgeschenkten Hochzeitstag.

Was ist der Mann? Er ist ein Bild des Herrn
Und will der Braut vom Haar bis zu den Lenden
Die grenzenlose Liebe Gottes spenden,
Die sie die Liebe liebt. Ich hab dich gern!

So schrieb ich, als du dich dem Mann vertraut,
Du, deren kein Mann jemals würdig war.
Dein Bräutigam erschien dir offenbar,
Ich meine Gott, im Traume seiner Braut.

Du sahest Gott, den Herrn und Bräutigam
Erscheinen dir im nächtlichen Gesicht:
Gott ruft mich zu sich, ruft mich in das Licht!
Zur Hochzeit lädt dich Jesus ein, das Lamm!

Das ist ein Bräutigam, der deiner wert,
Du Heilige der reformierten Richtung,
Er ist dein Dichter, du bist seine Dichtung,
Gott ist der Bräutigam, der dich begehrt!

Verliert dein Heimgang sich in dunkler Nacht,
So hast du doch, du Jungfrau des Messias,
Mir im Martyrium geschenkt Marias
Verehrung: Gott hat dich ihr gleich gemacht!

Du bist die Jungfrau, Schwester aller Christen,
Die liebe Frau, dem Heiligen Geist vertraut,
Die Jesusjüngerin, des Höchsten Braut,
Ein großes Zeichen in den letzten Fristen!

So scheid ich nun von dir, an dich zu denken,
Wenn ich bedenke meine Konversion.
Schau Gottes Antlitz an im Menschensohn
Und bitte Gott, mir seligen Tod zu schenken!


V

Geliebte Herrin, Inbild der Natur,
In dir nahm mich die Erde an den Busen,
Du Allerschönste meiner schönen Musen,
Die Zicklein weide ich auf deiner Spur!

Dein Mund so scharlachrot, ein Pilz im Herbst,
Du Giftigste von allen süßen Fraun,
Wie Laub des Herbstes deine Haare braun,
Die du die Haare dir mit Henna färbst.

Dieweil wir mitten in dem Walde wippen
Und uns im Baum auf einer Schaukel schwingen,
Erschrocken, Weib, siehst du mich vor dich springen,
Mit heißen Liebesseufzern auf den Lippen.

Geliebte, nicht Geliebte willst du sein,
Willst Freundin sein platonischer Distanz.
O Kerzenflamme einem Faltertanz!
Ich muß dich meiden, meine Liebespein!

Je mehr ich aber die Geliebte meide
Und leide schrecklich gleich dem Opferlamme,
Je heißer glüht mir deiner Schönheit Flamme,
An der ich mich in meiner Seele weide.

Des schönen Gottes Flamme, Stern von Eden,
Du stürztest mich in große Qual und Not,
Die Liebe brannte meine Seele tot,
Die konnte nur noch stammelnd zungenreden!

Ich liebe dich, o meine Einsamkeit,
Geliebte, meiner Schwermut schwarze Rose,
Du herber Rotwein meiner Traurigkeit,
Geliebte, meine blühende Neurose!

Ich liebe du, dein bitteres Aroma
Und deiner Brüste Honigseim und Butter.
Du liebst mich nicht, o sei du meine Mutter,
Ich liebe dich, o sei du meine Oma!

O Kerzenflamme meinem Faltertanz,
O Venus du in deiner Seidenbluse,
O unerreichbare Idee der Muse,
Bin Schlange dir, die beißt sich in den Schwanz!

Sei du mein Paradies, mein Hain von Ur,
Mit reichem Schwall liebkos ich dich als Phrat,
Du Taube an dem Brunnen meiner Stadt,
Du Mosaik der biblischen Natur!

Dein Näschen ist ein Rosenquarzflakon
Ägyptischer Prinzessinnen von Sais,
Du Byzantinerin, Hetäre Thais,
Du Herrin auf dem marmornen Balkon!

Ich sing ein Carmen dir und einen Cantus
Wie nicht der Helena dereinst Homeros,
Du bist die Venus, aber ich bin Eros,
Ich meißel deinen Popo im Akanthus!

Geliebte, ich, dein Freier Don Juan,
Gemäß dem Drang erotischer Natur
Erdolch ich deinen Gatten, den Komtur,
Er ist ein Hundsfott und kein Edelmann!

Ich werbe dich, o herrliche Elvire,
Gleichgültig auch was meine Narren spotten.
Ich werde mich in deinem Schoß vergotten
Und sterben in dem Zierrat deiner Ziere!

Sieh an, wie es in meinem Geiste saust,
Ich weiß nicht, wer sich bei mir niederläßt,
Ists Mephi-Boschet, Mephistopheles?
Und bin ich David oder bin ich Faust?

Ja, Faust bin ich und steige zu den Müttern,
Wo ich bei Hekate den Dreifuß sah.
O Mondin, gib mir los die Helena
Und zeige ihre Schönheit allen Rittern!

Ja, David bin ich, wehe mir, o weh!
Uria schick ich an die schärfste Front,
Weil seine Gattin sich im Salböl sonnt,
Die bloße Schaumgestalt der Bathsebee!

Ja, David bin ich! aber du Bath-Scheva?
Warst nicht bereit, dem Freier zu willfahren!
O keusch in deinen losen Lockenhaaren,
Maria mehr als unsre Mutter Eva!

O gib mir Urlaub, meine schöne Herrin,
Denn sonst verbrenne ich an der Erotik!
Ich wend mich zur romantischen Poetik
Und preis der Jugendliebe bunte Närrin.

Die ist wie eine Blume, wie ein Hauch,
Die ist so rein und ist so kühl wie Schnee,
Kein Fleisch ich an gehauchter Mondin seh,
Entschweben seh ich sie wie Weihrauchs Rauch.

Ja, sie ist die romantische Idee
Der blauen Blume, blühend an der Quelle,
Genährt von Lethes weltvergessner Welle,
Weil längst vergessen alles Liebesweh.

Sie ist ja nur noch Isis in dem Schleier,
Wie eine Märchennymphe namens Röschen.
Nicht transparente Seide, süßes Höschen;
Ein kalter Stern am Himmel meiner Leier.

Die steinerne Gestalt der Mutter oder
Die Fee im Bergwerk ist die Jugendliebe,
Nur Hauch, ermangelnd aller Lebenstriebe,
Fern jeglichem erotischen Geloder.

Idol aus Marmor, aber Göttin nicht,
Idee, doch keine Frau aus Fleisch und Blut.
O Sonne, warum sendest du die Glut,
Darf ich mich in dem Meere kühlen nicht!?

Entführ mich auf die Insel der Cythere
Aus meiner Trauertränen schwarzer Mordsee,
Zum Heiligtum der Freyja in der Nordsee,
Zur Insel Baltrum in dem blauen Meere!

Da werden alle Kinder uns zu Putten
Und alle Frauen uns zu Makellosen.
Geliebte, Blüte du der Heckenrosen,
Die Frucht, Geliebte, du der Hagebutten!

Dornröschen in der südlichen Nordsee, schlaf,
Dieweil mit Goethe redet Eckermann,
Der sein Genie doch nicht erfassen kann,
Weil er ihn nicht im Reich der Minne traf.

O schlaf, Geliebte, du mein Rosenkranz,
Versuchung du dem Sankt Antonius,
Ägyptische Maria, schau, ich muß
Ein Ave beten, denk ich deinen Glanz.

Du selber bist die selige Maria,
Sankt Josef war ja nur ein alter Greis,
O Herrin, aber ich bin jung und heiß
Als wie ein Hengst aus Feuer dem Elia!

Du aber bist der blutige Rubin,
Mit welchem Gott geschmückt den weißen Thron!
Und seh ich dich, seh ich die Gottheit schon!
So große Schönheit ist nur dir verliehn.

Da sing ich dir die Rhytmen meiner Jamben
Und preise dich die Rosigste der Rosen
In meinen Poeiseen, meinen Prosen,
In meinen jesustrunknen Dithyramben.

Der Dichter seiner Muse singen muß
Und darf dabei die Frömmler nicht verschonen,
Die Muse muß den Dichter auch belohnen,
Weißt du das nicht? mit einem Musenkuß!

Ich hab dir ewiglichen Ruhm errungen,
Du bist berühmt wie Beatrice, Laura,
Wie Mahoms paradiesische Gattin Haura,
Doch ich hab mir nicht Einen Kuß ersungen?

O Eitelkeit von Frauenlobes Ruhm,
Wenn sich die Muse des Gesanges schämt
Und kuscht sich in die Kissen keusch verschämt,
Zerschmettert ist des Sängers Heiligtum!

O Eitelkeit von Liebeslust im Fleische,
Ein Luftgespinst erotisches Begehren,
Ein Windhauch dieses Werben, dieses Wehren,
Ist Haschen nach dem Wind nur, was ich heische!

O Eitelkeit der Eitelkeiten! Hauch
Und Haschen nach dem Wind ist das Gedicht,
Lobt deine Herrin deine Lieder nicht,
Verbrenn dein Werk und weihe als Weihrauch Rauch!


VI

Geliebte, du alleine wirst es lesen,
Zu Sankt Johannis oder zu Silvester
Bist du mir meine anvertraute Schwester,
Mein Zwilling. - O wie sag ich dir dein Wesen?

Ich wollte sagen: O wie sag ichs aus?
Doch auszusagen, daß ich es ergründe,
Unmöglich ists! - Gedenke du der Linde
Und an das Ruth geweihte fromme Haus.

Ich denk daran ja gar zu gern zurück,
Wie du gebetet Ave, Paternoster,
Mit deinem Herzen, Schwester, schon im Kloster,
Warst du zugleich mein süßes Liebesglück.

Ich war der Pilgram, die Novizin du,
Ich las die Bibel, du Gebet der Horen.
Weil du so sanft warst, hab ich dich erkoren,
Sehr lieb mir wegen deiner innern Ruh.

Was ist mir, die nicht glaubte, Donna Laura,
Seh ich dich an in deinem frommen Sinn
Und hör dich singen: Himmelskönigin!
Und lächelst du in leiser lichter Aura.

O frischer Quell von ewigen Gefühlen!
Da wir studiert die Himmelswolken weiß
Und speisten brüderlich Vanille-Eis
Und gingen dann im Garten Ping-Pong spielen.

Ich seh dich noch in blonden Haaren so
Verschämt beschaun die Szene in dem Bette,
Da bloßer Brüste liebte Juliette
Den Dichter Shakespeare oder Romeo.

Und wie wir alten Steigen aufwärts bogen
Und sahen in die Augen uns, und ferne
Auffunkelten im Weltenall die Sterne
Und ferne lichte Aeroplane flogen.

Was auch die Frömmler sagen: Liebe ist
Im Welttheater nur für Eheleute -
Wir spielen die Romanze aber heute
Verliebt, weil du so lieb, Geliebte, bist!

Und wenn du scheidest, singen alle Luder,
Nun Heilige, ein frommes Abschieds-Carmen.
Du aber bettest, Braut, in deinen Armen,
In deinen Armen, Schwester, deinen Bruder.

Wie, solch ein Mädchen will ins Nonnenkloster
Und will sich nicht der Liebeswelt beimischen!
Ich sitze einsam weinend bei den Büschen
Als traurig Trinkender, dem Mond Zuproster!

Ja, geht nur aus, ihr heiligen Laternen,
Der Liebende ist gern in tiefer Nacht,
Weil an dem Himmel seine Liebe wacht,
Die Jungfrau, schönster Stern von allen Sternen!

Nein, diese Liebe bricht die Kirche nicht,
Die Kirche hat im Liebe uns bestärkt!
Wenn weder Pfaff noch Nonne es bemerkt,
Der Christus lebt in unerem Gedicht!

Es ist ja das Gedicht Gethsemane,
Es ist das alte Epos Golgatha!
In welchen Leiden waren wir uns nah,
Wie waren nah wir uns in welchem Weh!

Der Staub, der einer Muschel Fleisch verletzt,
Der wird zu einer reinen weißen Perle...
Und haben dich verwundet böse Kerle,
Wie warst du am Poeten so ergötzt?

Wir starben ja den selben Martertod
In Feuer, Schwert und Messern, Kerker, Rost!
Einander waren unsre Leiden Trost,
Den Leidenden in ihrer Seelennot!

Und sing ich in der Marter das Poem
Vom Tode, welcher aufsperrt schon sein Maul,
Mein eigner David und mein eigner Saul,
Wem sing ich es zuliebe, Liebe, wem?

Du hast das Lied Studenten vorgelesen,
Die alle weinen mussten, weil du weintest,
Doch du allein dich meinem Leid vereintest,
Maria mir, du schwertdurchbohrtes Wesen!

Wer hat denn die Tragödie geschrieben
Als Gott, der Erzpoet von unserm Drama,
Als wir geschrieen: Eli, Eli, lama
Savthani!? O wir wollten Gott nur lieben!

Wir litten beiden ja für Gott die Schmerzen,
Du littest mit dem Bruder all sein Weh
Und seinen Tod, o du Antigone
Mit gottgetreuem, schwesterlichem Herzen!

Und wenn ich sterbe, willst du mich begraben
Und deckst den Leichnam noch mit deinem Schleier,
Du Einzige, die weint auf meiner Feier,
Geladen sind sonst Geier nur und Raben!

Ich aber steige in das Totenreich
Und trete zu Persephone im Schleier
Und zwinge Hades selbst mit meiner Leier,
Da gibt er mir die Vielgeliebte gleich.

Ich führ dich aus dem Hades an das Licht.
Gebietet Gott, daß ich zurück nicht sehe,
Dann seh ich doch zurück, denn weh mir, wehe!
Am Lichte brauch ich die Geliebte nicht!

Soll ich mich sorgen ehelich ums Brot?
Nein, meine Schwester ist Antigone,
Sie heißt auch meine Braut Eurydice,
In ihr vermähl ich mich dem Heiland Tod!

In ihr vermähl ich mich dem Gott des Drüben,
Sie ist in Rom der Jungfrau Heiligtum,
Die Lilie oder grünen Grases Blum,
Ich weiß nur eins: Ich will dich immer lieben!

Und atmen meine Briefe auch Distanz,
Dann läßt du unsre Liebe nicht versterben,
Für Gott um meiner Seele Heil zu werben,
Begegnest du dem Derwisch in dem Tanz.

Und wenn ich als ein Minnesänger freie
Die Weisheit und die liebe Frau Marie,
Vikarin bist du gleich, o Maid, für sie
Und rufst mich zu des Herzens großer Weihe.

Du kommst herbei aus deinen Niederlanden,
Herbei ins ammerländische Germanien,
Mit Lieder alter Mystiker aus Spanien,
In denen wir wie Mann und Frau entbrannten.

Brieftaube du in lichter Sommerhelle
Und sanftes, rein akustisches Getuschel
Und ohrenschmausendes Gespräch der Muschel...
Und Lockerin an eine Gnadenquelle!

Wenn meine Schwester mir die Sterne zeigte,
Die Schimmerlicht in ihren Augen waren,
Floh ich von ihrem Arm mit blonden Haaren
Und Schwanenflaum in meine Lebensbeichte.-

Da mag ich nun so gar kein Ende finden,
Weil ich vor einem letzten Schlußwort scheue.
Was angefangen unter Liebeslinden,
Soll dauern fort in immer neuer Treue!

Und waren wir in Sankt Marien Schoß
Ein Bruder einst und Zwilling seine Schwester,
So ruhn wir einst im Reich der Sternennester
In Gott, den Gottes Liebe, die ist groß!

Wir Gläubigen (wir sind nicht einmal fromm)
Wir glauben an die Nacht und an den Wind,
Du Seelenvogel und du Körperkind,
Mit mir zum Meere meiner Minne komm!

Ich komme mit der Venus von Urbino
Und mit der lieben Frau von Botticelli,
Du kommst, im Arme die geliebten Celli,
Und tanzest Derwischtanz von Theben, Tino!

So wandeln wir zum Meere unsrer Minne,
Zu löschen all das heiße Liebesdürsten!
O Fürstentum von unserm Friedensfürsten,
Des Gottes, aller Menschenliebe inne!

Eintauchen in die Wogen seiner Kraft,
Auftauchen an den Ufern seines Lichts!
Dir allen Jubel trunkenen Gedichts,
Geliebteste, und meine Bruderschaft!


VII

Wer bist du, o geliebte Madonnina,
Bist nicht die Iselbel von Sankt Elia,
Du bist die liebebrennende Maria
Und Mutter der Barmherzigkeit von China!

Daß ich dich kenne, o geliebte Frau,
Hast du zu schaun ein Gleichnis mir gegeben,
In ihre braunen Haare mich zu weben
Und sie zu singen als die Blume blau.

Sie ist das Liebeslied von Li Tai-Po
Und ist die Aphrodite von Siena
Und ist mir wie Maria Magdalena
Und ich bin wie ihr trunkner Salomo.

Sie ist der Liebessang von San Juan
Und alle Glut der sommerlichen Minne,
Ist meiner Seele Jubel, meiner Sinne
Haidée und ich ihr Dichter Don Juan.

Sie ist die hohe Königin Bathsheva
Und Abischag von Schunem auch zugleich,
Ist Magdalena in dem Himmelreich
Und in dem Paradiesesgarten Eva.

Sie ist ein Engel, rein wie Jade, keusch,
Sie ist zugleich die schwellende Granate.
Von ihrer Schönheit trunken und der Gnade
Erkenn ich sie in Jesu Blut und Fleisch!...

Nein, alle schönen Frauen der Franzosen
Erreichen nicht die Frau aus Oldenburg,
Die Gott geschaffen und der Demiurg
Als die Idee der Paradiesesrosen.

Sie ist die Lilie so weiß und hell
Und wie des Baches goldengrüne Welle,
Die Brüste wie die hüpfende Gazelle,
So hüpft in Lourdes sie an dem Gnadenquell.

Den Kreuzweg leidenschaftlicher Passion
Bin ihretwegen ich auf Knien gekrochen.
Verehrung ihren schönen Wangenknochen
Und Herzensgarten mit dem roten Mohn!

In ihrem Garten in dem Paradies
Sah ich die weiße, rotem gelbe Rose,
Sie ist das Offenbarungszelt, ich Mose,
Sie ist das Wachtelfleisch, das Manna süß.

Ich weihe ihr das süße Räucherwerk,
Dem Spiegel mein vor meines Stiftes Hütte,
Laszive Göttin in der Tugend Sitte,
Dein Leib ist wie Jehowahs Feuerberg!

Du bist der Dornbusch, aber ich das Feuer,
Ich bin die Flamme, aber du die Rose,
Ich bin der Sünder, du die Makellose,
Ich Minnesänger, du mein Abenteuer!

Ich bin die Liebe, ich bin dir sympathisch,
Du weihtest dich dem Einfluß unsrer Sterne,
Du riefest sehnsuchtsvoll aus weiter Ferne
Und ich vernahm dein Rufen telepathisch.

Du löstest Aphrodites Gürtel eben,
Um mich zu rufen in dein Gartenhaus.
Aus meinem Paradies im Windgebraus
Bin ich zu dir geflogen, du mein Leben.

Du meine Huri in dem Morgenrot,
Geliebte Gattin an dem Jüngsten Tage!
O du mein Jubel, o du meine Klage,
O du mein Leben, Liebe, du mein Tod!

Ich bin der Trinker und ich bin der Schenke,
Du bist mein Becher, Weib, du bist mein Wein,
Ich trinke deine Herrlichkeit allein,
Wenn ich beim Trinken an die Liebe denke.

Du meine Schwester, Gnade deinem Bruder,
Wenn er berauscht von dir Gesichte schaut,
Du blaue Blume, in dem Kosmos Braut,
Umduftet von dem Mariehuana-Puder!

Im Universum meine liebe Frau,
Im Tanze zu den Zimbeln der Plejaden,
Orions Harfe mögest du begnaden,
Zu singen deiner Schönheit Gottesschau!

Und löst du dich, Geliebte, von dem Gatten,
Erscheine ich in allem meinem Brennen.
Denn mehr als anzubeten ist erkennen -
Und Eros ist der Mystik Erdenschatten.

Wie lange muß ich huldigen der Hohen
Als Ebenbild der Gottheit auf dem Thron?
Vereinigung ist meine Weisheit schon,
All meiner leidenschaftlichen Liebe Lohen!

Um eins zu werden mit dem einigen Ein
In aller Geistigkeit und allem Triebe,
Erwähl ich dich zur Mittlerin, o Liebe,
Du aber sagst: Ich lieb dich nicht! Nein! Nein! -

Da wend ich mich zu einem süßen Knaben,
Den meine Traurigkeit der Liebe kost,
Der meine Freude ist und all mein Trost,
An ihm, Geliebte, darf ich mich erlaben.

Hat je denn unsre liebe Frau verneint
Die Liebe, die geliebt das Jesuskind?
Mein kleiner Herr liebkoste mich im Wind,
Sein Angesicht wie eine Sonne scheint.

Er will nur immer lauter Liebe saugen
Im Überquell von ewigen Gefühlen,
Er will, o Weisheit! mit dem Vater spielen
Und strahlt ein Himmelreich aus seinen Augen!

Madonna selber hat mich da gerettet
Und von dem Himmel lieb zu mir gesprochen.
O Liebe Frau mit schönen Wangenknochen,
In deiner Liebe bin ich gut gebettet!

Du bist die Weisheit aus dem Garten Eden,
Die Mittlerin von Licht und Schönheit du,
Mein Friede du, du meine Seelenruh,
Des Allerhöchsten Weisheit in Gebeten!

Dir Ave, o Maria! Paternoster,
O Gott, sei deinem Licht und deinem Frieden!
Ich höre die Madonna schon hienieden
Als Beter in dem innern Karmelkloster.

Die Weisheit hast du mir, o Gott, erfunden,
Mich zu vereinen der Madonna Herzen,
Der schwertdurchbohrten Seele Liebesschmerzen
Und meines Jesus Christus Liebeswunden!

Du siehst den edelsten der Lebenstriebe
Als Zeichen deiner Liebe an, o Gott,
Vergeltung für die Erde voller Spott,
Ist eines Gottergebnen Nächstenliebe!

Die Friedensbotin redet auf dem Berg
Als Trösterin auf alle Liebesklagen:
Den Lieben hilf, zu Jesus Ja zu sagen,
Durch dein Gebet und deiner Liebe Werk!

O nein, sie ist es ja nicht selber, sie,
Die ich mir will zu meiner Gattin freien,
Ich will sie nur, Maria, betend weihen
In deinem Herzen Jesu Sympathie.

Und wenn ich auch um Abigajil bat,
Als Nabal war, der große Narr, gestorben,
Ich hab doch um die Weisheit selbst geworben
Durch Sankt Marien mütterliche Gnad!

Und wenn ich auch errungen hab ein Nein
Und schmolz dahin wie in der Seele Butter,
Ein Engel war die Mutter meiner Mutter
Und Trösterin Maria meiner Pein.

So will ich nun der Liebe Lebensbeichte
Verschließen dir, o Mutter aller Kinder,
Maria, ich dein Freund, ein armer Sünder,
Der dir in Liebe all sein Lieben zeigte.

Wie lange muß ich suchen bei den Frauen,
Was ich bei ihnen niemals finden werde?
Wie lange such ich Liebe dieser Erde,
Wann werd ich deinem Paradies vertrauen?

So sage ich, Maria, dir zum Schluß:
Ich lieb dich bis die Erde untergeht,
Dein Minne-Narr, Geliebte, dein Poet,
Der dankbar ist für deinen Musenkuß - ...


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