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IM SCHOOSZ DER MORGENRÖTE

Ein evangelisch-pfingstliches Marienleben
Von Peter Torstein Schwanke


„Maria sprach: Siehe, von nun an werden Mich selig preisen alle Kinder und Kindeskinder!“
(Lukas-Evangelium)


(geschrieben 1998/9, überarbeitet 2008)




ERSTES KAPITEL

Aus dem Schoß der Morgenröte floß und ergoß sich, welches Gott gezeugt hat, das Licht: der Tau, Diamantgeglitzer, Diamantgefunkel und spektrale Schönheit, Emanation aus der rosichten Grotte, aus der goldenen Pforte sozusagen hervorgetreten, Perlen des Orients, niedergeglitten von den Pfingstrosenfingern der Morgenröte. Da die Sonne aufgeht, geht ihr voran ein Herold, welchen man nennt den Morgenstern, oder, wie die Heiden das Gefunkel nennen, Venus, der Morgenstern blinzelte köstlich glitzernd auf das Gebirge Hermon. Ja, auf den Hermon, auf den Hermon sank der Tau, der flüssige Demant-Tau des Morgensternes, auf den Hermon floß das flüssige Licht des Himmels nieder, da wo weidete mitten im Nebel, unter den sieben silbernen Schleiern des Morgennebels, schwebend auf dem wallenden Weiß des Bodennebels: Joachim. Joachim war Hirte, Lämmerhirte, wie eine Jungfrau von Nain ihn nannte. Ganz und gar naturhaft nun die Schafe, tretend mit hornigen Hufen auf den Heidefels, das Moosgestein, da sie verstreuten olivenförmige Hinterlassenschaften, nichtigen Kot der Zeit, und trotteten müßig mähend und schafsmäßig äugend, um nicht glotzend zu sagen, durch die Frühe, die um ihre feuchten Schnauzen witterte duftend, naturhaft herzig riechend. Aber was waren sie, die Schafsköpfe, so in ihres Hirten Aug und Sinn? Wollige Vliese, wie sie Gideon breitete sich zum Gottesorakel; Erben jener Weidenden von dem südlichen Lande Midian, die da verdrängt wurden von den gemeinen Hirtenburschen, rauhbeinigen Kerlen, aber der Befreier der sieben Jungfrauen kam zur Hilfe den Töchtern des Priesters von Midian, Priesters des Allerhöchsten, welcher thronte in Feuer und Stimme oben auf dem Sinai herrlich, heilig und majestätisch: Jahwe; der auch ein Aug hatte wohl auf den Wanderer, welcher zu freien ging und kam an ein Brunnenloch, darauf zuging die Hirtin, die Schöne, mit den schönen Augen, o den blitzfunkelnd-schimmernden Tiefen, jene, die nach einem Siebenjahr des Dienstes verheißen, aber erst kam die Ältere mit den blöden Augen, drauf aber die lebenslange Liebe der wahren Geliebten des Gesegneten, welcher da viele Lämmer hatte. Das zog nun so durch den Geist des Joachim, da er wandelte wallend durch den Schwall von schwellenden Nebelwellen und Fluten flüssiger Wolken, ja, wer sich den Lämmern zuwendet, der kommt auf liebe Gedanken, die da sind Liebesgedanken. Auch solcher pflegte Joachim sich zu erfreuen, aber davon baldig mehr, denn Größeres nennen zuerst wir, als da ist die ewige Liebe, ewiger noch als lebenslange Liebe, eine Ur-Liebe, Himmels-Liebe, Schöpfer-Liebe, eben Gott - die Liebe! Das war der Donnernde, das war der Schreckliche, das war der Eifernde, Eifersüchtige, der da zornig war, der da Finsternis zum Zelte hatte und auf den Stürmen einherflog, Blitze flogen von ihm aus wie Pfeile aus Feuer vom Bogen aus elektrischem Edelstahl - Jahwe, der Herrliche! Jahwe, der Souveräne! Jahwe, der Majestätische! Der war Liebe... O du höchst Unbegreiflicher, o du Unergründlicher, o du zutiefst Geheimnisvoller; o du tiefer als jeder Abgrund Seiender, o du höher als alle Himmel Seiender, o du länger als die Geschichte des Kosmos Seiender, o du breiter als der breite Euphrat Seiender - Gottheit! Groß, gewaltig und prachtvoll ist Gott! "Ich bin", so hast Du Dich offenbart deinem bebenden, sich die Augen verhüllenden, sich niederwerfendem Knecht, Du bist - lebendig, wahrhaftig und ewig! Unaussagbarer, Du! Elohim, Zebaoth, Adonai, El Elyon, El Shaddai, Eloah, Jahwe! Gott, Du, o! wie mit sieben Augen des Lammes!... Ja, Joachim glaubte, er war ein frommer Lämmerhirte, voller heiliger Scheu vor dem echten Gott, dem wirklichen Herrn seines Lebens, den er suchte morgens in seinem Sinn, die Quelle jeder Kraft seines Hirtenlebens, die Quelle jeder Freude seines Manneslebens, die Quelle jedes Segens seines Geisteslebens. Da begann Joachim zu beten, zu bitten, zu flehen, zu preisen, zu danken, zu loben, anzubeten, zu stammeln, zu seufzen, zu jubeln, zu reden in der Zunge der Engel. Und Gott der Allmächtige (Er allein weiß, zu welchem heilsamen Ausgang) sandte dem Hirtenmann eine Trübsal, die begann als kleine Traurigkeit, noch ganz kindlich unschuldig, die sich fragte, warum denn gerade sie da sei und nicht eine andere Stimmung, etwa eine Freude oder eine heitere Laune oder ein Vergnügen oder eine Ausgelassenheit oder ein Übermut zur Tollheit oder ein überschäumendes Glück, nein, nur Traurigkeit, die zu seufzen begann: Ach Herr, du kennst all mein Verlangen... und da dachte er doch an die Jungfrau von Nain, die liebliche... und seufzte. Und da ward Nachmittag, da war Joachim umflort von Hauchen wehmütiger Seufzer wie feuchter Lüfte, wie weinender Winde, die ihn umbliesen mit schnell dämmernder Wehmut, ja mit Hingegossenheit in die Dämmerung, Hingeneigtheit in das Dunkle, in die Tiefe der Seele, in den Abgrundsbrunnen des Gemütes, das da litt, und wem, wem sollt er es klagen? welchem Engel aus den Ordnungen denn? da doch Gott der Herr es bescherte aus den unerfindlichen Gründen, die nur Er alleine kennt, dem Joachim zu Ach und Weh-mir! So weine, weine, Joachim, das ist die Salbe des Engels, das ist Raphaels Balsam, der von seinen Schwingen traufft und träuffelt in heilsamen Tropfen, tröpfelnd, von bitterem Schluchzen zu immer getrosterem Stillesein und dann, ja, durch den Schleier silbernblühender Wehmut hindurch, zu einem Frieden, der eine Lindigkeit hat, eine wohlige Ruhe, ein Daheimsein in Gottes Mutterarmen, da zu trinken wie ein Baby von der süßen Milch des Trostes, gesogen aus den Brüsten der Weisheit Gottes! Gott schaut vom Himmel mit den Augensternen firmamentisch schimmernd, glorios und herrlich und seine Größe zeigend und Weite und Herrlichkeit, und dort, dort in der Ferne: das Tor aus dem Feuer der Liebe gebaut, hoch hineingestellt in den Himmel, das Tor zum goldenen Schloß (goldener als Gold), der Burg Gottes, mit den Zinnen und Elfenbeintürmen des Neuen Jerusalems, himmlisch, hochheilig, die Heimstatt aller trostdürstenden Seelen, die im Glauben schauen, reinen Herzens wie Kinder, selig hungernd nach der Liebe Abbas - oh Gott! Du, Du!... Am folgenden Morgen, wieder früh in der Frühe, da kam zu Joachim, der da schon ausgegangen war mit seiner Herde im schlummernden Vlies der Träume, die ihn noch umflorten mit tiefen seelischen Bildern, da kam zu ihm ein Wanderer, der kam aus Ai, der wanderte leise dahin durch die pastoralen Gefilde, stieg die steinernen Stufen der Schräge des Hermon hinan und grüßte Joachim mit einem Segen: "Der Herr segne dich von Zion her!" Und Joachim neigte sich bescheiden, demütig neigte er sich und dankte für den empfangenen Segen. Da tat sich im geistlichen Inneren seines Herzens eine Vision auf und er sah einen Menschen, welcher weinte und flehte im Staub und hatte vor sich stehen einen Kelch, und Joachim sah hinein in den Kelch, da war er voll mit Wein, getrübt von bitterer Hefe, und der Weinende nahm nach einem fragenden, flehenden Aufblick ergiebig jenen Kelch und leerte ihn; in jenem Augenblick ging ein Gefühl der Befreiung wie eine Siegesfanfare triumphierender Schofarhörner durch die Seele Joachim, so als wäre Gottes Zorn verflogen, Gottes inständiger Ingrimm über die Sünde der Welt, die Gottabgewandtheit, ja, das lag nun weit von ihm entfernt im tiefsten Meer. Siehe, dachte sich Joachim, dachte der Geist in seinem Herzen, so ist jener Mann (als wär es für mich getan) am bitteren Wasser Mara vorbeigegangen und hat es für mich getrunken, für mich, den so oft mit dem Herrn Hadernden, trank es und: ich, ja ich darf mich wiederfinden in Elim, bei den zwölf Wasserquellen, ihrem kristallenen Überströmen, ihrem quecksilbrig-lebendigen Wasserschwall aus der Fülle reiner Lebendigkeit, lieblich außerordentlich, und den siebzig Palmenbäumen, den gerechten Stämmen mit den Wedeln der Heiligen, welche da Hosianna! Hosianna! rufen, welche triumphieren im Land der Lebendigen, in der Versammlung der Väter, da darf ich hinkommen, wo unser Vater Abraham sitzt auf seinem Patriarchen-Ehrenstuhl, oh, und ich auf seinem Schoß wie ein närrisch-liebliches Kindlein? So dachte Joachim. Und der Wanderer - sage mir, o Muse vom Sion, war es ein Engel? - sprach mit warmer und sanfter Stimme neben Joachim, melodisch flüssig und voller Wohllaut: "Du, o Herr, stillest mir all meine Sehnsucht, du erfüllst mein Verlangen mir, all mein tief-inniges Seelenverlangen, all mein Begehren des Herzens bist du, o Herr, an dir allein hab ich höchste Lust, ja, ich hab Lust an dir und deinem Wort, nach deinen himmlischen Wohnungen, Gott, da hab ich Verlangen, meine Seele schmachtet nach dir wie eine weiße Hindin nach dem frischen Wasser, o nach dir dürst ich und nach deinem Messias, dem Heiligen Israels, dem Sohne des Lieblings der Lieder Israels, Aarons Messias, dem König der Juden... O mein Herr und mein Gott! Schau auf diesen Hirtenmann, sei ihm gnädig und gib ihm Frieden! Du bist der Erlöser ja seiner Seele! Dir sei Ruhm in Ewigkeit! Amen!" Und der Wanderer ging, er ging wie ein Nachtwandler, wie ein Tagträumer leise davon, silbrig gleitend wie der Vogelflug im Anflug der grau-leuchtenden Dämmerung, durchschossen schräg wie ein Linnengewebe mit goldenen Fäden, mit Fäden von roten Scharlach, auch das Band aus blauem Scharlach wehte eben zu dieser Stunde am Horizont, denn der Tag erwachte, der in seiner Jünglingshand den Schleier Eos' hielt, den rosichten, rosig wie Muschelschaum vom Großen Meer, goldblutend wie ein Frühlingsheros, auferstehend ging die Sonne herauf, der triumphierende König, er trat aus dem Zelt, da er nächtigte herrlich inmitten seiner Ritter, der Sterne, und trat hervor im glänzenden Brustpanzer, aber sein Auge lohte, funkensprühend vor himmlischer Lust, denn er schaute wie ein Bräutigam, Wonne im Herzen und ein sehnsüchtiges Herzensverlangen nach seiner geliebten Braut, der Jungfrau Israel! O, er wird noch sein Feuer ausgießen, den Geist seiner himmlischen Liebe ausgießen über der Jungfrau Israel, sie zu erfüllen mit seiner hingebungsvollen Liebe (einer Flamme Gottes!) und sie zu führen zu Gott, der da wartet auf ihre Umkehr, auf daß sie bei Ihm Ruhe fände in den Zelten Seiner Ewigkeit, oh, unaussprechlicher Liebe Verheißung jenseits erfüllet zu finden! - Mit wahnsinniger Müdigkeit schleppte sich träg Joachim durch die Zeit, zumindest bis zum Mittag, da er im Schatten unter einer hohen und breiten Kastanie Ruhe hielt und Schlummer sanft und milde beging, sehr edel und feierlich sich auf dem sattgrünen Moose bettend, umrollt von Kastanienfrüchten, glänzend braun poliert, die aus ihrem Dornenmantel herausgetreten waren, nackt wie Passionsfrüchte, bereit in die Tiefe der Erde einzugehen, wie kastanienbraune Blutstropfen dick perlend, welche vom Holze da niedersanken; so umgeben war der Hirte von sterbender Natur, daß es schien, als stürbe er den Tod der Natur in seinem Schlaf; aber er wachte auf, da war er frisch und jung und erneuert an seinem inneren Leben. "Hei, he, holla-ho! Tandaradei, Tiralala!" rief er die Schafe, die mähend zu ihm trotteten, wie trottende Wolken des Himmels, wie Kinder der zum Frieden gekommnen Natur. Joachim führte die Herde, an seinem Stabe gehend, langsam die Hermonhänge hinauf, denn er wollte zur Quelle, zur dreifachen Quelle, den drei Quellen des Jordan auf dem Hermon oben, daß sie da schlürften Wasser der Erquickung, Wasser des Lebens, die Schäflein, direkt an der Quelle oben. Da sah er sprudeln quecksilbrig und kristallen, frisch und lebendig, jung und silbrig, klar und schäumend, sprudelnd und spritzend die Quellen: "O ihr Drei! Ihr, die ihr in einer Emanation den Strom des Lebens ergießt, welcher von der Welt gesehen wird als Scheidefluß, scheidend zwischen dem Lande der Toten und dem Lande der Lebendigen; o ihr Drei! Gewiß, wer von eurem Wasser trinkt, der wird eingehn ins Land der Lebendigen, heraus aus diesem Reich des Todesschattens! Der wird eingehn ins Land, wo Honig des Wortes Gottes und Milch des Trostes Gottes überströmt in überreichen Maßen! wo Palmen für Überwinder stehn und wehn! wo der geheimnisvolle Mannabaum zwischen weißen Steintafeln steht! wo die Bergamotten-Orange wie der Bräutigam seines Volkes voller Frucht und blühend steht im vollen süßen Lichte der Liebe Gottes!" Und Joachim kniete nieder, Wasser mit der hohlen Hand zu schöpfen aus der Quelle, der mittleren jener drei Jordanquellen, die er (der Wissende wußte das wohl) nicht angebetet hatte als Naturgottheiten, welche da in Wahrheit dämonische Kräfte sind, die sich zwischen die geschöpfliche Sehnsucht des zum Religiösen geschaffenen Menschen und den wahrhaftigen Gott stellen wie scheidende Schatten, nein, nicht so, sondern in der Dreiheit hatte er (nur anläßlich der drei Jordanquellen) angebetet die drei-einige Gottheit (Elohim, der sich Wir nannte) – Jahwe, Memra, Ruach: "Ich bin"... Gott! Halleluja, Gott! Dir sei Lob meiner Lippen, du Heil meines Herzens, dir Sang meiner Seele, dir alle Gaben meines Geistes geopfert auf deinem Altar, dem Ariel-Altar Jerusalems der Höhe, Zions des Himmels, mitten in Eden droben, da wo Du wohnst, Allmächtiger du meiner Seele! Halleluja, Gott! – Da liefen von ferne am frühen Nachmittag Jungen und Mädchen vorüber, aus der Thora-Schule entlassen, tanzten sie über die moosenen Hermonhänge und sangen dem Höchsten heilige Lieder, sie sangen: "Groß bist du, o Herr, und groß ist deine Liebe, deine Liebe für uns ist groß und heilig, du bist Vater und Mutter trostreich, Sanftmut ist dein Wesen, deine Liebe ist so überströmend reich und überfließend gut, o Herr, dein Herz, das ist die Quelle aller Liebe, danke, du Liebling Israels, daß du uns liebst!" Und da Joachim diese Gesänge hörte und ihre jubelnden Melodien, hingebungsvoller Schwärmerei sich ans Herze Gottes singend, da ward sein Herz so unsagbar gerührt und weich und schmolz und zerfloß wie Wachs vorm Feuer der Liebe Gottes, und da weinte Joachim, herzerbarmendes Schluchzen erschütterte seine Seele, sein Gemüt zerfloß in lauter Weinen, sein moosenen Lager überschwemmte Joachim da mit fließenden Tränen, süß und bitter, weh und selig, verloren wie die Geister aus dem Totenreich und doch bereit zum himmlischen Trost - und siehe, der kam, wie ein Seufzer, wie ein Hauch, wie ein Gelispel aus den Auen des Lebens, wie des Hirten Sela: "Siehe, ich bin mit dir" und des Hirten Amen: "Ich wische dir wie eine Mutter alle Tränen von deinen Augen ab am Tag des Messias!" O Lob sei Gott! Mit einem erweichten und neu vom Schöpfer modellierten Herzen im Busen sah Joachim auf seine Herde und ward gütig mit den Kleinen, herzlich zu den Meckernden, ihr Mäh-Mäh verstand er als einen Anruf des Mutterschafs, da ward er ganz erbarmungsvoll über die ächzende, seufzende, auf Erlösung harrende arme Kreatur und schaute mit den weichen und warmen Augen, den ruhevollen und runden Augen eines Mutterschafs, wie man von den Augen Rahels sagte, die den Jakob so betörten mit ihrem ruhigen Schimmer, ihrem runden Hof des himmlischen Friedens, ihrem Blick in das Land der Träumenden, ihrem Abglanz von den Augenschimmern des Schöpfers, o so sanft, o so selig, o so süß - wie eine Rahel müßte die Eine ihm blicken, ja, wahrlich, sie tat es auch, jene Jungfrau von Nain, die da den Lobgesang der Mirjam sang zur Pauke mit honiggoldener Salbungsstimme im Chor der Jungfrauen zum Preis des Retters vom Himmel. Anna, so war ihr Name, die gnädige, gütige, gottbegeisterte Jungfrau von Nain, die war seines Herzens Minnestern, seiner Seele Sonne und Seligkeit (Gott vergebe ihm!) und seines Gemütes Mondschimmerbalsam, ja, sein Himmel, soweit auf der Erde Himmel sein kann, den suchte er in den Armen Annas, ganz Mensch, Mann, Kreatur, Liebeshunger, daß Gott sich erbarme!



ZWEITES KAPITEL


Am samtenblauen, dunkeldämmernden Horizont über der hebräischen Stadt Nain glühte zärtlich, rosa wie ein Lachs, die jugendliche Morgenröte, ein orangener Schleier, ein süßer Hauch von himmlischer Glut. Die Bäume, angerührt vom leichten Morgenwind, klatschten leise in die Hände und lobten, auch die Steine des Feldes raunten murmelnd Lobpreis in fremden Zungen, ebenso die Lerchen des Orients, die zur goldenen Pforte des Äthers aufschwirrten, um dort zu preisen das Licht, das den Kosmos erleuchtete, lobzusingen mit süßmelodischem Liebesgezwitscher, himmlischen Schmeichel-Oden und Ehren-Hymnen zum Jubel dem König, der da triumphierend antritt seine Herrschaft über den Tag, der von Gott gesalbte und eingesetzte Messias-König! Halleluja! Da tat ihr zartbewimpertes Auge auf die schlummernde Jungfrau von Nain, die liebliche Anna, die - aber das wollen wir zuerst sagen, wie hübsch ihr das verwirrte rötlichschwarze Haar stand, von Schlaf und Schlummer und süßem Traum zerzaust wie das Gefieder eines Jungvögeleins - die nun sich langsam erhob, vorsichtig und umsichtig, um nicht mit dem schwachen Blutkreislauf wieder umzusinken und etwa auf dem persischen Teppich in ihrer ländlichen Hütte auszurutschen, was hätte verletzende Folgen haben können; sie erhob sich gemessenen Tempos, eher langsam, und begab sich zum Waschbecken. Da benetzte sie ihr Antlitz mit dem Tau der Frische, dem Naß des Morgens, dem Wasser der Lebendigkeit, das da erfrischend wie Myrrhe und Narde salbte mit Schlichtheit und Erquickung das Antlitz, die schlaftrunknen Augen zuvörderst, aber auch die Wangen, sie mit süßer Röte bemalend, und die Lippen benetzend wie mit Küssen, elementaren Küssen, als ob der Gott des Morgensterns als ein himmlischer Bräutigam mit Lippen von Wasser des Lebens und Odem der Ewigkeit hinhaucht Küsse auf die geschöpflich-kusslichen Lippen der Jungfrau. Ach, Anna, wie schön warst du! wir wollen dich die Schönste von Nain nennen. Gewiß gabs die Tochter des Synagogenvorstehers, die war frömmer, die war belesener in den antiken Rollen der mosaischen Tora; aber du warst hübscher. Nun denn, mein Geist, was sagst du dazu? Gott, vergib mir, aber das Wort Salomos - Schönheit ist nichts - das ist mir fern und gar fremdartig; mir ist Schönheit viel, sie ist mir der Zucker der Schöpfung, das Salz der Erde, der Honig Edens, das Manna Jerusalems, der Morgenstern Gottes, schimmernd und funkelnd vor Verzückung und Wonne, Liebreiz und Ebenbildlichkeit, siehe, mir scheint: Gott ist schön! Ja, wenn schon die Schöpfung (vorzüglich Anna von Nain) so schön ist, um wieviel mehr ist schön dann der Schöpfer! Welch einen Sinn für Schönheit hat der Schöpfer, der Erfinder dieser Schönheit! O, Gott ist ein vollendeter Dichter, der ein vollkommnes Gedicht gedichtet: Anna, sie ist schön! Gott ist ein Poet, Anna von Nain, sie ist sein Poem in vollem orientalischem Prunk und reichem Zierrat, sie ist schön! Gott ist Lyriker, ja, ein Liebeslyriker, Anna aber ist sein hübschestes, sein sehr liebreizendes Stück Liebeslyrik, eine Liebeslyrik an die versammelte Mannheit Zions, eine Liebeslyrik an die Augen habende Menschheit, mit welchem lieblichem Reim er sagen wollte: Siehe, Ich bin wahre Schönheit des Herzens, und Ich legte Anna von Nain, der Jungfrau, diesen Reiz in die grünen Augenblitze, diesen Hauch von schamhaft-jungfräulicher Morgenröte auf die weichen Apfelwangen, diese melodische Linie von schwellenden Lippen aus tauichten Rosenblättern schuf Ich, um euch zu sagen: Kusslich ist Gott, Gott ist die Liebe! Halleluja! Gott ist Liebe! Amen! O Kinder, seht mir nach diesen Lobpreis weiblicher Schönheit, das seht ihr gerne nach einem Dichter des Orients, denn ihr wisst ja genau und präzis erkanntet ihr, wie schwärmerisch und lobhudelnd des Orients Poeten sind, und ich bin derer ein hypertrophisch-lobpreisender allen Liebreizes, den der Allerhöchste auf die Lippen und in die Augenblitze Anna gelegt hat, der Jungfrau von Nain. Aber wohin? O meine Lieben, seht sie euch an, wie sie schwellenden Busens einer erwachenden Mädchennatur aus dem Hause geht, sich in den inspirierenden Atem des Morgens, in den Anhauch des Himmels stellt, mitten ins glitzernde Liebesgefunkel des Morgensternes und ausschaut, ausschaut nach wem? Glücklicher! Anna schaut aus nach Joachim! Golden ist ihre Pforte, die Pforte eines bäurischen Hauses, golden nicht von den Bäumen des Lebens, den hebräischen Eichen, golden nicht von den Scharon-Rosen, eingepropft in den Mutterboden von Nain, golden aber vom Morgenstern! O Morgenstern! Wie darf ich dich preisen? Wisst ihr nicht, meine Lieben, daß der Morgenstern war der Abendstern? Ja, der Abendstern, angenagelt an das Kreuz des Himmels, sterbend in dem blutgetränkten Abend, der litt da schmerzlich, dem ward von Blut des Abends getränkt seines Sternes Vlies, seine Himmelhaftigkeit, recht kosmisch geworden, aus dem Reiche Gottes herab an den Horizont niedergestiegen, der gab sich hin und goß seine Lichtflut nieder auf die Erde zu den Menschen, die da offenen Herzens und guten Willens waren; starb, erstand; erstand als Morgenstern, Erstgeborner der Sterne, Erstgeborner aus dem Reiche der Nacht, Erstgeborner der Himmlischen, Licht des Kosmos, zur Erleuchtung der Herzen, der uns erwecken will vom Schlummer in die wahre Erkenntnis der herrlichen Majestät und Liebe Gottes - o du Morgenstern in meinem Herzen! Wie dank ich dir, daß du gnädig vergüldetest Annas Pforte, in der sie harrte auf ihren Bäutigam, den irdischen Freund Joachim. Der kam, heute ohne Herde, denn es war Ruhetag, da er seinen Wochenendstaat anzog, das blaue Linnen, arbeiterkleidsam und vornehm zugleich, zu empfangen zu einem Wandelgang seiner Herzenskönigin, seine Liebesgöttin, seine Astarte... Fromm sei und herzlich geliebt Anna, die schöne, die wahrlich schöne Tochter Gottes. Da stand sie, ganz vollendete Linie, wie ein Violinzeichen, wie ein paradiesischer Notenschlüssel, wie ein Wolkentraum, wie ein Schofar-Horn voller Neumondharmonie, wie ein Brauttanz nach der siebenten Rauschnacht vor der Hochzeitsnacht, wie eine Tempeltänzerin heiliger Sabbathfeiern - schwarz wie Mutter Nacht, wenn sie sich gekleidet in Sammet, bestickt von Ofirs Diamanten; diese funkelnden Lichter waren (beinah konkurrierend mit dem Morgenstern) Annas Augenblitze, schräg herauf in die sinnlich-berauschte Seele Joachims steigend, kitzelnd seines Mannesgemütes Urabgrund - wo die Kreatürlichkeit schläft wie ein Wildstier. Zart war Anna, ein Traum, eine Manna-Wolke, schlank wie eine Feuersäule, hingegossen wie Salböl von Myrrhe und Narde und Kassia und Aloe aus dem Salbhorn eines Propheten. Gott begnade mich, von den Dimensionen des Raumes hinüberzuschauen über den gekrümmten Rand in das Nichts, oder das Ichts - Himmel sagen wir, Himmel der Himmel, der da Gottes Thron ist, der da Sitz des Allmächtigen ist, dem sei Ruhm und Lob und Preis, Anbetung und Herrlichkeit, Majestät und meines Herzens Liebe! Halleluja! Gott ist Liebe! Amen! Joachim, der Hirte, in schlichter Schüchternheit, hob seine eiserne Stimme, knarrend wie eine Angel, ölte sie mit ein wenig schluckendem Speichel, schluckend vor banger Verlegenheit, nahm sich den Mut zusammen, ermannte sich, fasste ein Herz sich, voller Liebe zu Anna sprach er also diese Worte: "Geliebte mein, du, herzallerliebste Anna, meine süße Anna, ich bitte dich, heirate mich!" Da wars heraus. "Du, du", stotterte weiter Joachim, da sie nicht gleich Antwort gab, sondern staunte und starrte, sich wunderte, wartete, was da weiter käme, so sprach er, "du, ich bin nur ein einfacher Hirte, nicht mal gehört mir die Herde, ich hüte sie aber treu und gewissenhaft, aber wieviel mehr bist du als alle neunundneunzig Lämmer, du bist - eben du! Meine Liebe! Mein Ein-und-Alles! Mein Augapfel! Mein Herzblut! Mein Lebensodem! Anna!" Und da küsste sie ihn, umschlang seinen Hals mit ihren fraulichen Armen und schmiegte ihren bebenden Mädchenkörper schlank und graziös an seinen Hirtenleib, da warf sie die ganze zitternde Rose, den ganzen Pflaumenbaum Edens an den Felsen, wo Eden aufblühte, Liebe sproß und Lust der Seele, Küsse über Küsse... Selig waren Joachim und Anna, sie aber hauchte aus ihrer Seligkeit eins nur: "Ja..." - Wie war das Hochzeitsfest dieser Israeliten? Tirza feierte rauschend wie Juda, Ephraim freute sich minder nicht als Zion, denn ob im Norden oder Süden, von Jakob kamen sie, der gefreit hatte lange um Rahel, der gedient gar sieben Jahre um die mit den schönen Augen, und die Jakobiner des Orients nun, nicht gar sieben Jahre, aber sieben Tage, ein Freuden-Sechstagewerk tanzten und jauchzten sie, eingeladen vom Hirten Joachim, der seine Brautwahl verkündete all umher in den Dörfern und Städten. Und man blies das Schofar-Horn, man ließ klingen und zittern Zimbeln und Zithern, man tanzte zum Tamburin, man sang das heilige Hohelied Salomos zu der Hochzeits-Harfe. O ein Loben und Preisen der Liebe: wundersamer als Wein, süßer als Manna; hei! das war ein die-Liebe-Anbeten: Gott ist Liebe! Gott liebt Israel, wie ein Bräutigam seine Braut, die Jungfrau Israel schmückt sich der gütige Gott zur schöngeschmückten Braut, mit Ohrgehängen und Ringen, Nasenringen und Bauchnabelperlen, mit Armreifen, silbernen Fußkettchen, ja, mit dem Edelsteindiadem und dem Onyx der Brust, schön und gar lieblich wählte sich Gott die Jungfrau Juda, die Allerschönste aus den Nationen, er küsste sie und sagte sein Ja-Wort: Der Messias kommt von der Tochter Juda.! Und nach der Idee, die da bei Gott zu finden ist, Liebe und Hochzeit und süße Verschmelzung heilig-mystisch, nach dieser Idee nun feierten die Ebenbilder abbildmäßig das Hochzeitsfest, sieben Tage lang. Was tranken sie, sieben Tage lang? Ich meine, sie tranken Wein aus den Lederschläuchen, alten Wein von einer besonderen Rebsorte: Jener Weinstock war vom Herrn aus Ägypten geholt worden, war auf den Gipfel des Libanon gebracht worden, wo der Weinstock die stolzen Zedern noch überragte. Der Herr, er baute eine Mauer, stark wie Millo, um diesen Weinstock, aber jeder Vorübergehende pflückte sich Trauben, da blutete rot der Weinstock, wie geschlagen, und sein höchst edles Rebenblut benetzte die Erde, die wie trunken ihren Mund auftat - ja, wie? öffnete sich der Schlund des Totenreiches? Aber halt ein, o Volk, denn die Verzückung des Weines, das ist nicht immer Prophetenverzückung, wie sie Sauls war. Ja, so ging es auch Saul, er suchte nach Eselinnen und stieß auf den Seher und auf die Schar von Propheten in Verzückung. Joachim aber fand Anna und mehr noch, an ihrem Herzen empfing er den Segen Gottes, denn Jahwe hatte geredet, prophetischen Mund sich erwählend in Salomo: Eine rechte Frau ist vom Herrn, fromm und verständig und lieblich, ist sie dein, so berausche dich an ihren Brüsten, berausche dich an dem Weib deiner Jugendlichkeit (denn wenn du liebst, so bist du innerlich immer jung), ja trinke den Honigwein ihrer Küsse und werde trunken, trunken vor Liebe! Heißa! Eine Zeit, nicht zu beziffern, verfloß, die hier übergangen wird, da gebar die schöne Anna, Ehefrau des Hirten gebar, alles ging rechtlich und gesetzlich und natürlich zu, die menschliche Liebe hatte sich zur menschlichen Liebe getan, die beiden hatten sich aneinander geleimt und gelötet, waren verschmolzen, in die Tiefen der Erkenntnis vorgedrungen, hatten beiwohnend beieinander gewohnt mit Küssen, alles zart und zärtlich, liebkosend, warm und herzlich. Und die Frucht dieser Liebe war eine Tochter, die ganz zart lag auf dem Bauche der Mutter, so zart wie nicht sonst noch was andres, ganz feingliedrig waren die krummen Fingerchen, Wunderwerke der Schöpfung, himmlisch gebaute Mechanismen, die Augen, von innen verschleiert, schauten so seelenvoll unschuldig, denn noch war sie nicht Sünderin ihrer Sünde, noch nicht Täterin ihrer Taten, noch nicht Denkerin etwa verworfner Gedanken, noch ganz unschuldige Sünderin, ach! denn in Erbsünde ward sie gezeugt, in Erbsünde empfangen, ein menschliches Schicksal in den Grenzen der abgefallenen Welt hatte sie ereilt, und sie war in der Niederung, war im Tal des Todesschattens, faktisch, dennoch aber hatte Gott der himmlische Vater sie nicht verlassen, er hielt bereit zu ihrer Erlösung Seinen Messias - den Ewigen! Diese Tochter, nach einem Herzenstraum, nannte Joachim mit Namen Mitka, nach dem Ort, aus dem seine Großmutter stammte, die er geliebt hatte über alles Irdische, Mitka hieß die Tochter Annas, ihre Erstgeborene. Gott fand sie in Blut und Schleim geschlungen liegen, ja, als ob sie abtrennen wollte ihre Nabelschnur, da lag sie so hilflos und bang und ängstlich und weinend und zitternd innen und alles um sie so dunkel, ach, da lag sie und sah keinen Engel, keinen Schutzengel aus den Hierarchien Raphaels, sah nichts als nur Inneres, nicht alles erbaulich, aber sah sie auch nicht das Licht, das Licht des Kosmos segnete dennoch die da nur liegende Mitka, Gott sprach, der Geist Gottes: "Ich beschloß bei Mir: du sollst leben! Der Heilige Geist sprach: Es ist nicht die Zeit, zu sterben! Du sollst leben! Du sollst wachsen und schön werden wie eine Blütenzwiebel von Sharon!" Und Mitka wuchs nach diesem Gedanken des Allerhöchsten heran, denn Seine Gedanken werden unweigerlich Tat und Wirklichkeit, ja Sein Gedanke, spricht Er ihn aus, wird Wort, und Wort wird Fleisch. Mitka, sie ward schön, ihre Brüste wölbten sich wie bei siebzehnjährigen Mädchen, prall und rund, lieblich und aprikosenhaft, wie die Äpfel Evas, die erlaubten dem Adam, wie die Bergamotten-Orangen Sulamiths, die erlaubten dem Salomo, Mitkas Aprikosen waren noch dem Kosen keines Mannes zugewiesen durch das Gott untertänige Schicksal, sie war Jungfrau und unverständlicherweise unumworben? o dabei war sie so schön! Die Haare flossen in wallenden Locken schwarz an ihrer Schläfe entlang, verschleierten schräg das heimlich funkelnde glitzervolle Frauenauge, Liebreiz selbst, inkarnierte Idee der Schönheit, Zauber der Schöpfung, die Augen Tauben, welche ausschwärmen von den Felsritzen Zijons, schwärmenden Fluges überzusiedeln auf die Zinnen des Elfenbeinturms von Damaskus, eines jungen Mannes Aug und Herz, da nisteten ihre Blicke, wie Maienschwalben, süß zwitschernd, lachend wie Sperlinge Kanaans, fruchtbar und furchtbar schön! Oh, du junger Mann, wie begann deine Seele zu tanzen auf leichten Freiersfüßen, werberisch schmeichelnd mit dem tiefen Auge, das da durchschimmern lässt des Gemütes Glut, einer Glut der Leidenschaft, heiß wie die Hölle, unwiderstehlich wie dem Kummervollen das Totenreich, aber aus der Tiefe aufsteigend glühend wie Feuersäulen, wie Myrrheweihrauch aus der Wüste, wie Feuergeier der Leidenschaft! Mitka! du Schöne! du Schönste unter den Sängerinnen von Juda! In die Heimat Joachims war gezogen die junge Familie, denn Joachim, er war von Davids Stamm, er war von Salomos Stamm, und sein Geschlecht, das kannte den Eifer der Liebesleidenschaft hitzig und stürmisch, kannte sie, denn sie hatte Kunde vom allerhöchsten Kenner jeglicher guten Liebe selbst: dem Schöpfer der Liebe, dem Schöpfer jedes Gemütes, dem Schöpfer der Liebe, die da heißt eine Flamme Gottes! Halleluja! Die Liebe ist eine Flamme Gottes! Der Glutgeier kreiste und stieß nieder auf das Lämmlein, das Zicklein, das Rehlein, das Kitzlein, Judäas Gazelle: Mitka, die Schöne ward begehrt von Jimna, dem Zebaothjüngling, dem Dichterjünger aus den Hainen der Myrtenkränze, da die hebräischen Sängerseelen, Gottes Poeten sich mühten um den unsterblichen Myrtenkranz, einer derer war Jimna, welcher magischen Zaubers besessen ward von der Schönheit und Anmut Mitkas, der Schönen, der Davidstochter, von Bathsebas Geschlecht, welche selbst ausgesprochener Liebreiz gewesen war und ausgesprochen attraktiv auf den König wirkte, daß sich der Gesalbte herabbegab zur Sünde... O, die Liebe schien dem Dichter Jimna ein Fluch: er, der die schönsten Blüten des Geistes, die Verse der Weisheit, auswendig kannte, er ward jetzt vom Wahnsinn gekettet, sein Speichel lief ihm in den Bart, er schlug den Schädel an die grüne Wand seiner Zedernwohnung, er ward irre! O, die Liebe schien dem Poeten Jimna auch darum ein Fluch: Er, der sich sehnte nach der Versammlung der Väter, hinauf in das, was in Wahrheit Mose sah vom Berge Nebo, das Paradies Gottes, da er ruhen dürfe wie auf Abrahams Schoß; er, eben dieser, er ward nun heiß wie die Hölle, angezogen von dem Abgrund, hart wie das Schicksal der Bewohner Scheols, er ward geworfen in Gehenna, er verglühte, aber halt! die Religion der Leidenschaft mag das so betrachten, der offenbarte Glaube an den Gott Salomos, der ließ das kaum zu, denn Gott Selbst in Seiner unlöschbaren Liebe und Lust an Seiner Braut, Er schuf das Liebesvermögen Seiner Geschöpfe - ich meine, mit all dem Wahnsinn sinnlos-sinnreicher Verzückung. Gott vergebe mir die Sünde meiner Poesie!




DRITTES KAPITEL

Joachim, der Judäer, sah gern, wie seine Tochter Mitka umging mit dem Zebaothjüngling Jimna, dem Poeten, den er ins Herz geschlossen hatte, aber er sah betrübt, wie betrübt der Dichter war,   ja, nah am Wasser gebaut hatte dessen Seele, beständig flossen seine Augen über von Tränen, wie seine Lippen von Lobpreis, wie ein Erdbeben ward erschüttert ihm oft seine Seele, daß sie schmolz wie Wachs vor der verzehrenden Flamme, da sagte Jimna: "Ein verzehrendes Feuer ist unser Herr! Ach, ehrwürdiger Hirte, siehe, wäre ich wie der Dornbusch des Sinai, der da brannte und doch nicht verbrannte! Gott ist gütig, aber warum mir all diese Wehmut? Woher das Leid? Das fragen doch alle, die fromm sein wollen, die fragen Gott dies, die schreien zu ihm aus der Tiefe nach einer Antwort, aus den Wassern rufen sie gurgelnd und hilferufend, gequält an ihrer Kehle greifen sie nach einem Strohhalm, das mag Götzendienst sein, ob sie nun anbeten Wagen und Rosse Pharaos oder die Göttinnen Kanaans oder, wie ich vielleicht, anbeten die Erdharztusche und das Schreibrohr und die Blumenblätter der Papyrusstaude, das scheint töricht und ist es auch, das hilft auch nicht gegen Trübsal. Gott helfe mir! Er richte meine Seele auf! Er ziehe mich aus tiefen Wassern, aus großen Fluten ziehe Gott mich heraus und stell mich auf den Fels! Der Leviathan rührt die Urflut nicht so auf, Rahab nicht die Gewässer des Tohuwabohu, wie mein Kummer mir die Tiefen meiner Seele aufrührt, aufwühlt, daß die Fluten von den Wassern der Tiefe aufsteigen, wild und ungebärdig, und sich ausschütten durch die sperrangelweiten Tore meiner Augen. O weh! Siehe, meine Augen sind dunkle Grotten, von denen beständig tropft an den erzenen Wänden hinunter goldenes Wasser der Wehmut der Seele, kostbar in Gottes Augen! O mein Gott! sende einen deiner Engel, sei es vom Heereslager Mahanaim oder woher auch immer, sei es der Schutzengel Oberster Raphael mit den balsamtriefenden Trösterschwingen, ein Engel deiner liebevollen Heerschar pflücke mir küssend die Tränen von den schimmernden Wimpern und sammle sie emsig, wie Bienen im Sommer den Honig, sammle sie emsig in ein Krüglein, ach das reichte nicht, in einen Krug, ach gar in einen Schlauch und trage diesen tränenschwangeren Schlauch auf Engelhänden in das himmlische Heiligtum vor die Augen des Trösters! Seine sieben Augen, die Augen der sieben Geister Gottes, der da der Tröster ist, des Lammes Augen von silbernem Mitgefühle voll, sie schauen barmherzig auf den, der diese Flut von Tränen geweint! Erbarm, erbarm, o mein Gott, du mein Tröster, du meine Zuflucht, dahin meine Seele flieht und flüchtet, Herr du, laß mich geborgen sein unter dem Schatten deiner flaumigen Taubenschwingen, die wie Wolken von Manna barmherzig und trostreich meiner Seele Labsal und innere Herzensstärkung zukommen lassen, o mein Vater und meine Mutter!" Da kniete Jimna nieder zur Anbetung Gottes. Joachim kniete ihm zu Seiten und dankte dem Allerhöchsten, daß Er, der Tröster Israels, Erbarmen habe mit dem Poeten El Shaddais, der da der Freund und Geliebte Mitkas war und sein sollte nach dem Wunsch des sterblichen Vaters Joachim. Mitka aber, sie fühlte mit und blieb doch so, wie sie war, nämlich nicht untröstlich, sondern Empfangende herzlicher Gottesbarmherzigkeit, Freundin der Dichterseele, fest und freundlich, ihm eine Heiterung, ihm eine Hellung, ihm eine heilsame Hoffnung auf Güte, auf Freude gar. Ja, denn das kannte er auch, die Freude, das Lachen des Herzens, den freudigen Sang seiner Seele, das Rühmen des Mundes, die jubelnde Zunge, das heitre Gemüt, die Fröhlichkeit, überschäumende Wonne gar, gesteigert bis an den untersten Rand der ewigen, himmlischen Glückseligkeit, einen Sendboten, eine Freudenbotin aus Gottes Paradies der Gegenwart göttlicher Liebe! Mitka liebte ihn. Und Anna, was meinte sie, Mitkas Mutter? Sie sagte zu der Tochter Mitka: "Du, meine Tochter Judäas, du Zionitin, höre, was ich erkenne über die Seele dessen, der um dich freit: Er ist sensibel wie ein rohes Ei, man darf kein Wort der Ermahnung sagen, er versteht es falsch als ein Zorngericht Jehowahs, er legt jedes Wort auf die Goldwaage eines Salbenkrämers von Saba oder eines ofirischen Goldhändlers. Eine Mohnblüte im lenzenen Hauch, und die Mauer Millo stürzt ein; so ist jede ernste Ansprache an den empfindsamen Dichter, er stürzt in sich zusammen, dann klagt er, wie neulich vor den Ohren deines Vaters. Nun, Vater ist gut und geduldig und hört es sich gerne an, aber ich muß dich warnen aus Fürsorge um dein Seelchen, mein Täubchen, der Freund ist mir nicht mannhaft genug. Du bist auch schon so ein Psyche-Vögelchen, Seelchen-Falter, zart und zittrig, meinst du nicht, du bräuchtest einen ganzen Kerl, einen mit echten Manneshänden und kerniger Seele aus Kraft, voll der Kraft Gottes? Ich meins gut um dich, mein Engelchen, nimm dir einen Arbeiter, der da stark ist mit Erzengelkraft und fähig, das Schwert zu tragen in markiger Faust, einen Großen Israels. Aber ach, ich weiß es ja, wohin die Liebe fällt... Was man so Liebe nennt unter euch jungen Leuten, ein Feuer muß es sein, und sei es auch ein Strohfeuer, funkeln und glühen muß es und von lauter Schönheit alles ganz verzaubert sein, ach, und von Vernunft will dann keiner mehr was wissen, ja, fast fragtet ihr nicht nach dem Glauben, ob einer Pharisäer oder Sadduzäer oder gar einer dieser Essener sei, schlimmer, einige meinen auch noch (ich hoffe du nicht) er sei schon ein rechter Mann in Gottes Augen, wenn er nur zärtlich zu reden wüsste und ernsthaft arbeite in der Welt, da könnt er auch Kanaaniter sein, über alle Gräuel der Jebusiter oder Perisiter sieht so ein junges Ding, verliebt wie du, närrisch-flammend hinweg. Ich warne dich, mein Kindchen, aus guter fürsorglicher Liebe, sieh du ins Herz des Mannes, zuerst tu dies, und schau, ob Gottes Geist darinnen wohnt, die Einwohnung Gottes, ja ein rechter Kerl, der muß die Schechinah kennen und in sich haben." Da lachte Mitka: "Mama, was redest du da? Siehe, so einer ist mein Jimna nun eben ganz recht!" Da dachte Anna ein wenig nach und sagte: "Er mag wohl, zugestanden, herrlich aussehn wie ein Schalak-Wasservogel, der aber zählt nun eben zu den unreinen Tieren nach Drei-Mose, sieh selbst nach in der Tora, und was mein ich? Er ist wohl eine gute Partie für dein Gefühl in diesem Mai, aber er ist nicht fest und beständig genug. Siehe, einer der so auffliegt wie ein Kormoran zu den Höhen der Freude und Herzensbegeisterung, der könnte dir Freude geben, denkst du, aber ist er beständig? wo er doch im nächsten Augenblick abstürzt und in die Tiefe gurgelt wie ein tauchender Schwan, wenn er den Kopf ins Wasser steckt und nichts Lichtes mehr sehen will, sondern nur noch untertauchen in Unterwelt, eines solchen Mannes Liebesbegehren ist nach einer Leidenschaft, die unwiderstehlich ist wie das Totenreich. Hab acht, daß er nicht gar noch in lauter überzärtelter Depression ein Ende mit sich macht, und du dann dastehst mit siebzehn Jahren in praller Frauenschönheit als schwarzverhangene Witwe." Da turtelte zärtlich das Zionstäubchen Mitka zur Mama: "Ach, Mama, mein Mamachen, laß gut sein, ich mein, du erkennst ihn nicht, wie er ist und wohinaus es Gott mit ihm meint. Weißt, ich hab ihn einfach schrecklich, schrecklich lieb!" - Oholiba kam vorbei, die Freundin Mitkas, und sprach an: "Welche Scham befällt meine Seele, denk ich an mein Leben, das Sünde ist vorm Heiligen Israels, aber eines ist mir gewiß doch zugesagt durch das eherne Wort des Allweisen: Gerechtigkeit wird mir zugesprochen durch den Gesalbten des Höchsten, den Messias Jahwes, der da war (in ihm bin ich geschaffen) und der da ist (und er küsset mir herzlich meine Seele) und der da kommt (ach das begehr ich zu schauen und beuge meine Knie gewiß vor Ihm). Halleluja! Frei bin ich geworden und fest und gesund, ich nenn mich Magd, das ist die rechte Demut, zu der ich nicht genügend demütig bin, aber ich muß mich nicht häßlich verachten, schau, ich bin ein herrliches Gottesgeschöpf, über die Sterne erhaben, schöner geschaffen vom Schöpfer als die sieben angeklebten Plejaden, schau nur, meine liebe Mitka, mir sagte jüngst ein Hebräer, mein hebräischer Schleier vom Haupt mir hinten in den Nacken fallend, er sei lieblich und hübscher Schmuck und ziere mein braunes Haar ganz außerordentlich niedlich, aber ist das nicht mehr als die Nebelschleier der galaktischen Andromeda? Welche verlorenen Geister tummeln allda sich in Nebelspiralen und schwarzen Löchern, zuhause im Kosmos? Ich aber selbst ruhe lebenssatt und vollgeliebt am unmittelbaren Herzen Gottes! Halleluja! Gott ist mein Vater, ein starker Helfer, ein Herausführer aus der Not, vor Ihm will ich knien wie weiland Mirjam und Pauke schlagen mit pochendem Herzen und lobsingen dem Mächtigen, der da Retter ist seines Volkes und der zu Ihm Gehörenden, die er Geliebte und Kinder nennt, ich unter ihnen! Freude über Freude! Ich unter seinen Geliebten! So sagen die verzückten Propheten, welche Tamburin schlagen und tanzen vom Berge Sion herunter, singen: Oholiba auch unter den Gottesgeliebten? Halleluja, das ist die Gnade Gottes, daß mein Herz (hätte mein Herz einen Mund!) geküsst wird vom Honigmunde Jahwes, von den Zuckerlippen Zebaoths, des Gottjünglings Himmlischer Heerscharen, Halleluja, ich sage: der Messias ist meines Geistes Bräutigam!" Sie sprang von ihrem Hocker auf und klatschte froh und fröhlich in die Hände, überschäumend von Jubel und Jauchzen, als sähe sie, wie Mose vom Berge Nebo, das verheißene Land, mehr noch, als sähe sie, wie Elischa, den Vater inmitten vieltausender Wagen und Gespanne Israels, als flöge sie, wie Elijahu, auf feurigen Rossen hinauf an des Höchsten Herz, entrückt mit entzückender Herzensverzückung wie Henoch, als ginge sie gar von Angesicht zu Angesicht mit dem Herrn um, oder sie wallte im Garten zur Abenddämmrung wie Eva mit Ihm, Elohim, dem Unaussagbaren, Gott! Halleluja! Gott ist so gütig, so gnädig, so herzlich barmherzig, so liebevoll, Gott ist Liebe! Dann tanzte Oholiba davon. Aber vor all den Herzensangelegenheiten, Gott und die Männer betreffend oder die Sorge der Eltern um die schöne Mitka, da geschah doch (gedenke!) eines, was ein Fest war der Seele: Anna war schwanger. Kinder sind ein Segen des Herrn! ja, das ist sicher wahr und vollgültig richtig! jeder mit Seele kanns fühlen, welch Segen ein Kind! Und nun ein zweites Kind! Anna war glücklich, sie träumte, sie wäre so glücklich wie Mirjam, die ältere Schwester des Neugebornen, als sie am Ufer des gelben Lotusstroms, des Nils, des Vaters Ägyptens stand und schaute, wie eine Pharaonenprinzessin, mit köstlichem Kopfschmuck und Edelschlangen gekrönt, das Baby herauszog aus den Wassern: Moscheh hieß er darum, aus den Wassern herausgezogen. Da war Mirjam glücklich und eilte zu Jochebed, ihrer Mutter, und sagte: "Mama, ich bin glücklich! Ich danke Gott für mein Glück!" Das träumte Anna und dachte am Morgen: Mirjam solle die Tochter heißen oder moderner, wie im römischen Weltreich üblich: Maria. Die war also auf dem Weg, von Anfang an prophetisch-vorhergeträumt als Tochter auf dem Wege, Gottes Segen vorher, und so wuchs sie. Siehe, das Wort des Herrn sagt, er sah das Kind im Mutterleib. Weicht von mir, ihr Übeltäter, die ihr nennt das Ungeborne seelenlosen Fleischklumpen! Sicher, bereitet wards im Schoß der Materie, aber Gott hats geliebt! Liebt er Totes? Er ist nicht ein Gott des Toten, sondern des Lebendigen! Er hat schon eingehaucht den Atem des Lebens, den Geist vom Geiste! Ich seh nicht die Augen des Kleinsten, Gott sieht den seelenvollen Schimmer des Kindesauges, wohlgeborgen in Fruchtwasser, saugend am Mutterkuchen, heimelig in Mutters Schoß, ach fast wie in Abrahams Schoß, ach und ach! fast wie in Gottes Schoß! So wohl! Darum wollte auch der Prophet im Mutterschoße bleiben und wehklagte, da ihn wehes Leid befiel und schwarze finstere Trauer: Wär ich im Schoß meiner Mutter geblieben! Da muß zuhause sein das Menschenkind, ich kanns mir nicht denken, daß da schon das Treiben und Unruhigsein ist, es denkt ja nicht, es kennt ja die Feinde noch nicht, nein, Gott der himmlische Vater hält ganz gewiß seine schützende hütende Hand übers Ungeborne, daß der Feind der Menschheit und Gottes nicht angreift das Ungeborne, schon Gezeugt- und Empfangene. Kindlein, was träumst du von Gott? Wie schaust und ahnest du Abba? Oh du Seelchen, der Allmächtige, Er bewahre dich vorm Bösen, der die Frau zur Hexe schickt, zur Teufelin, die sich Seligmacherin nennt und mordet das Süßeste, was da der Schöpfer je sich erdachte: ein Kind! Oh! ihr, die ihr Kinder liebt, euch will ich Menschen nennen, euch will ich sagen: ihr habt ein Herz, das beten kann! Will nicht Gott ein Kind werden?... Bin ich nicht selbst ein Kind, und will ich nicht sein behütet im Schoße Gottes? in Gottes Schoß sein, oh unaussprechliche Wonne meiner zarten Glieder, meines zuckenden Herzens, meiner träumenden Seele, meines Gott erahnenden Geistes... Wachstum ist viel, ich meine, zum äußeren Wachstum gibt es auch inneren Wachstum, aber wer hat je von den Weisen diesen Reichtum ergründet? Komm, Kind, das Licht, das den Kosmos erleuchtet, es wartet so süß und selig auf dich, komm du ans Licht, sei nur frohgemut und hoffnungswonnig, komm und siehe, denn Er, Er wartet auf dich, daß du wiedergeboren wirst, ein Leben, das lebendig wird, ein Dasein, das Ewigkeit annimmt, aufnimmt in den Menschengeist, Kind, siehe, alle sollen nach Gottes Willen auf dich schauen und von dir lernen, keiner darf dir wehren, der Herr heißt dich herzlich willkommen! Halleluja! so freuen wir uns! Halleluja! Gott hat dich lieb, mein Kind! Da, da: das Kind ward geboren, nach der bestimmten Zeit mit Schreien und Blindheit trats ein in die Welt. Das Wie war ein wenig wunderbar. Anna hatte mit ihrer Freundin Noomi, der Alten des Dorfes, gebetet zu Jahwe Elohim Zebaoth, gebetet um Schutz und Fürsorge für das Kleine, da hatte sie am Herzen den Gedanken, einen Wunsch vielleicht, daß das Kind möge kommen zur Welt am Siebenten des Monats Marcheschwan. Und es verging die Zeit nach ordentlicher Reihe der Monde, da geschah es so, wie ihr Herzenswunsch und Traum ihrer Seele gewesen, Noomi betete: Heute geschiehts! Da ging die Anna zur Hebamme Salome, die ihr half mit heißgewaschenen Händen, aufpasste, daß wo möglich kein Riß entstand am Damm, und das war der Tag: der Siebente des Mondes Marcheschwan, an dem das Mädchen Maria kam, wie man so sagt, zur Welt, eigentlich aber in den Blick der Mutter, ins sichtbare Leben, nicht mehr verborgen, dennoch geborgen auf dem Bauch der Gütigen. Gott allein ist gütig, aber ein wenig hat er von seinem Wesen mitgeteilt der ebenbildlichen Frau, der Mutter, die da fürsorgt fürs Kleine, und gütig ist. Ja, wenn schon ihr, die ihr böse seid, Werke der Güte tun könnt, wieviel mehr dann Er, der gut ist, allein gut, Gott! Der bestimmte zur Mutter Marias eben jene Anna, die da im Kreise ihrer alten Freundinnen betete täglich für Maria, und Noomi betete an und betete fürbittend: "Herr, unser Gott, laß Du dies Kind Maria zum Segen werden deinem Stamm Juda, deinem Volk Israel, deiner ganzen Menschheit, allen deinen Geliebten! Ja, wir fassens kaum, segne sie, wir können kaum segnen, du aber, der Klang deines Namens ist Segen schon, o du Segen, Jahwe, o du Segen, Zebaoth, o du Segen, Elohim! segne Maria, segne dies Kind und alle Kinder dieser Erde, auf daß sie in dir sehen den, der du bist: Abba!" Anna hatte es gar nicht so schwer bei der Geburt gehabt, wie sie es sich gewünscht hatte, denn sie hatte gebetet: "Herr, laß es mir schwer werden, laß es mir schwer angehn bei der Geburt, und in Wehen laß es mir wehtun, damit ich in der Not und Qual eine große Gotteserfahrung mache, denn siehe, mein Gott, sind die Glücklichen dir so nah wie jene, die im Unglück liegen und schreien zu dir?" Gott hatte ihr Gebet so erhört, daß er ihr eine leichte Geburt sandte und sie ihm dankbar war für Hilfe und Gottessegen. Nun hatte sie das Kind an der prallen Brust, und es saugte und nuckelte, so süß, wie sie strahlte aus blauen Augen, als sei der lichte Himmel heilig verschleiert. Mama Anna wards schwer, die ständige Beanspruchung, dazu die Fragen Mitkas, die Sorgen um Jimna, die Diskussionen über den Levitikus mit Noomi, das Essen und Trinken mit Joachim, alles ward ihr schwer, und sie brannte aus, ausgebrannt wie soetwas: wie ein Lederschlauch, in dem der Nordwind verschlossen vom König der Winde, da nun der Nordwind herausgelassen ward auf dem Großen Meer, da fiel der Schlauch in sich zusammen und war leer: so eben fühlte sich Anna. Mitka sah es und besprach sich mit dem sorgenvollen Joachim, da beschlossen sie, ein Fest zu machen zur Freude der Mutter. Nun gut, die allein hatte Milch genug vom Himmel bekommen, das Kindlein zu nähren, alles weitere aber sollte in Händen der ersten Tochter und des Vaters liegen, natürlich unter Gottes Segen, so kams zum Fest. Da tanzte Mitka mit der Freundin Oholiba einen hebräischen Schleiertanz, da sie graziös und anmutig jene Arme hoben, die sonst die Ähren bündelten, hoben die Arme wie Prinzessinen Pharaos, ein wenig kuschitisch, ein wenig sidonitisch, ein wenig wie Damaskusrosen, ein wenig wie Sabäer Weihrauch, mit dem weißen Schleier schwingend wie wilde Tuteltauben von den Felsbergen Zijons, wunderschön und ein Kitzel den Männern Israels, den gottfrommen Mannen, die noch einmal Bewunderung zusprachen ihrem Schöpfer, dem Schöpfer der Frauen, dem Erfinder jeglicher Schönheit, der die Glieder so anmutig machte wie Lilien im Wind, wie Narzissen im Zephyr, der den Phönixtanz selbst sich ausgedacht zur Freude der ersten Schöpfung. O Dank dem Himmel für den Liebreiz Mitkas, für die freundliche Eleganz Oholibas! Schwestern beide des Retters Zijons, des Messias' Schwestern im Geiste, zwei tanzende Fackeln und Flammen, zwei Plejaden, verschleierte Galaxien, Milchstraßen, welche kreisen und wirbeln elliptisch zum Ruhm und Lob des Allerhöchsten, des Schöpfers! Man konnte vergessen, daß es Sünde gab. Heiliger Israels, daß war Dein Trost, deine Stärkung den Seelen und zagenden Herzen, den schwachen Gemütern und das war die Kraft Gottes: Der Harfentanz, der Schleierjubel Mitkas, der Tochter Juda, die da begrüßte den Bräutigam, wen? Den Kommenden, Gottes Messias! Aber an einem der Tage anderen, da der Lenz schon nahe vor der Tür schien zu stehen, anklopfend mit Lenzgepoche, da nahte auch Jimna wieder dem Hause Mitkas, das das Haus Joachims war, in welchem Joachims Zweite, die kleine Maria, in ihrer Wiege lag und döste wie ein Lämmlein auf der Aue des Lebens. Jimna fand sie so süß, der braune Flaum auf dem Haupt so traumvoll und hanfsanft, so zart und zärtlich wie Engelschwingen, ein Hauch von Haar, und er fand die Augen so goldig, so groß und naiv, in ihrer Tiefe und Ur-Unergründlichkeit, die zarten Fingerlein, ein wenig krumm und immer noch babyweich, die sie an die schwalbensüßen Lippen presste wie zum Ersatz für Mamas Busen, alles allerliebst und gar niedlich. Er nahm sie auf die Arme und schaukelte sie ein wenig, wie einst das Mosebaby geschaukelt ward zwischen Lotosblüten auf der Flut des Nil, und Jimna schaute mit Augen wie reine Lotosblüten staunend und voll Wunderns das Baby an, das ganz still war und voller innerer Ruhe und seligem Gottesfrieden zu genießen schien die angetane Freundlichkeit; und Maria verlangte nach Anna. Die aber war draußen bei den Zicklein, den dreien, die sie da für die Milch zum Käse hatten, und hörte nicht das Baby, das sie ja in Obhut des Zebaothjünglings wusste, des kinderliebenden Jimna, der mit einem ganz seltsamen Gebrabbel und Geplapper anfing vor dem Kinde zu beten - Abla zabla - und dankte Gott und pries den Heiland Israels, den Schöpfer dieser kleinen Maria, ihren himmlischen Vater pries er mit der Zunge der Engel, was kein Mensch hätte ohne Sonderbegabung verstanden, außer, es sei denn, es wäre ein Kleinkind, denn (das dachte sich Jimna so) alle Kinder, bis sie drei Jahr alt würden, verständen die Zunge der Engel außerordentlich, jedenfalls verständen sie, daß es eine gute Rede sei und ein Wohlgefallen und ein Liebes, so empfand in ihrem Kinderfrieden auch Baby Maria und lachte, oh ja, sie lachte so aus vollem Herzen und voller Freude über diesen zungenrednerischen Lobgesang, der da lautete: "Abba! Dir sei Lob und Ruhm und Preis und Dank und Anbetung, daß du schufest wunderbar im Schoß der Mutter dieses reine süße Baby so kunstreich! Dank dir, Abba, daß du bestimmtest ein Los diesem Baby, daß es groß werde und schön und dich kenne und dir diene als Magd! Dank dir, für alles, was du durch sie zum Segen wirken willst, segne sie, du Segen Israels, segne sie, du Gott, mit dem Segen Aarons, laß sie zum Segen werden, und muß sie auch leiden, laß sie mit einer Frucht ihres Leibes zum Segen werden deinen Geliebten, den Kindern Jakobs, aber auch den Heiden, die da in Finsternis und Todesschatten sitzen, laß sie mit goldenem Licht wie von sieben Schwertern erleuchtet werden! Oh! und Gott, du Retter Israels! sende bald, o sende gar bald deinen Messias in diese Welt, denn sie dürstet nach dir, wie ein Baby nach der Mutterbrust schreit, so dürstet die Jungfrau Israel nach Gottes Weisheit, dem Messias! Dir sei Lob und Preis, du Menschensohn auf türkisenem Thron, licht wie Kupfer und Feuer, angebetet von den vier Gottesgestalten auf den Rädern der Cherubim, du Messias, der du thronst inmitten deiner Gemeinde! Dir sei Lob und Preis, o Messias, und dir, JHWH!"




VIERTES KAPITEL


Mit einem Jahr trug die kleine Maria einen niedlichen Flaum auf dem Kopf, flaumige braune Haare, weich wie Taubendaunen. Ihr Gesicht war rund und voll Lachens. Sie war ein angenehmes Kind, zur Freude der Mutter, die sich zumeist mit Maria beschäftigte, sie lange gestillt hatte und ihr die ersten Worte beibrachte: "Abba, Abba!" Das vernahm Maria gern, und lachend stand sie in der Tür der Hütte, eben hatte sie Stehen gelernt, und da brabbelte sie lachend nach: "Abba, Abba!" Ja, wer weiß, was sie wußte? Anna dachte dabei an Jahwe, den Vater in den Himmeln, das war Marias erstes artikuliertes Wort in echtem gutem Aramäisch. Vorher hatte sie das gesprochen, was man Baby-Zungenrede nennen könnte, eine Feuersprache neugeborenen Geistes, ein Gelall und Gestammel von hohen Dingen, unmittelbar das Herz aussagend ohne die Mittlerfunktion eines geschulten Verstandes. Anna war die einzige, die die Gabe der Auslegung zu der Zungenrede Marias besaß, wenn diese "O so si qma" redete, so gab Anna das den Eindruck, es verherrliche Jahwe als die Sonne, herrlich im Mittag, majestätisch im Zenit, triumphierend über dem Land auf dem Thron, licht und voller Glanz und Pracht. Dies Kind, dachte sich Anna, hat einen Engel, der mit ihr redet in eben so einer Sprache, die den Normalsterblichen kaum zugänglich ist, ja, dies Kind sieht womöglich den Kinder-Engel täglich und freut sich mit ihm über Abba! Sie liebte es, den kleinen Pharaonenprinzessinnen, das heißt den ägyptischen Katzen nachzujagen. Ja, eine große Jägerin vor dem Herrn war klein Maria, auf ihren wackelnden Füßen, watschelnd, mit den Armen rudernd und paddelnd in der blauen Luft, schoß sie mit aller Energie und Lachens voll den Katzen nach, die sich überall versteckten vor dieser Jägerin, keusch und rein wie Diana von Ephesos, und manchmal sprang eine Katze auf Joachims Schoß, wenn er von der Weide kommend zur Ruhe saß auf seinem Lager. Es gab dazumal verschiedene Sekten unter den Religiösen in Juda, die einen meinten, Kinder seien böse wie alles Fleisch und kämen ins Totenreich, die andern aber schwärmten von der großen Güte Jehowahs, der die Kinder (so sie sterben) direkt von seinen Kinder-Engeln tragen läßt ins schöne Eden droben, wo sie spielen können in großer Harmonie und in ewigem Frieden mit dem Löwen von Juda. Sicher, man sollte zu letzterer Meinung neigen, sie stammt von Leuten, die in Gottes Herz geschaut haben. Maria starb aber nicht, sondern wuchs wie ein Pflänzchen im Garten Gottes, von dem Tau Annas und der Sonne Joachims gleichermaßen genährt, aber Gott gab das Wachstum, so kam alles zusammen und tat das notwendige, dass Maria ins dritte Lebensjahr ging. Sie liebte zu jener Zeit die Milch von der Kamelstute, warm und süß, und immer sagte ihr Anna: "Das ist Chalab", das heißt Milch, aber immer sagte Marie: "Gala" und Anna meinte, das sei wohl die berühmte Kindersprache, in Wahrheit war es aber ein Wort für Milch aus dem Griechischen, welches sie aufgeschnappt hatte von dem Onkel Minjamin von Mizpe, einem Freunde Joachims, der das eine oder andere Mal zu Besuch kam in die Hirtenhütte in Juda, da besprachen sie, Joachim und Minjamin, besondere Fragen aus den alten Schriftrollen. Maria bekam davon nichts mit, denn Minjamin folgte Joachim immer in die Einöde, wo sie geistlich und geistig redeten, männlich und erwachsen. Wir wissen aber, daß folgende Fragen auf der Tagesordnung standen bei dem Priestersohn und dem Hirten: Welche Rolle spielt der Vorhang vor dem Allerheiligsten im Zusammenhang mit der täglichen Taufe der Essener, voll des Geistes des Herrn reinigten sich die Essener, und Minjamin meinte, das sei wie ein Auftun jenes Vorhangs, auf daß man schauen könne die Bundeslade und den darauf Thronenden, was er Taufe des Geistes nannte. Auch fragten sie sich, ob nicht das Becken im Heiligsten ein Symbol sei für die tägliche Heiligung des Lebens oder aber für die Buße, wie bestimmte Sekten sie lehrten. Eine Prophezeiung auf eine messianische Geschichte, sei das etwa auch der Stab Aarons, der damals bekanntlich grünte? Sei denn etwa die Blüte an dem Stab des ersten Priesters der Hebräer der aaronitische Messias, welcher andererseits ja vielmehr der Messias nach der Ordnung Melchisedeks sei, wie die späteren Psalmen ihn priesen. Mehr noch als die Großsekten der Juden gingen in den kleinen Kreisen geisterfüllter Männer die Erwartungen auf den Messias um, den man dann bei Jesaja und Sacharja wiederfand als Geschundenen wie als Friedefürsten, was manchmal etwas schwer zusammenzudenken war. Aber diese Diskussionen liebte Minjamin, der auf seinem schwarzen, kurzen Haar immer ein wenig Wind wehen fühlte, als tanze eine Flamme des unsichtbaren Geistes des Herrn auf seinem Scheitel, der mit seinen kastanienbraunen Rundaugen schaute voll der Liebe, die ein oberstes Gebot war Jahwes. Und in diesen frommen Gesprächen fand auch Joachim den Geist der Liebe, der vom Himmel gekommen war, um zwischen den beiden Männern dieses göttliche Band zu knüpfen, das rührte Joachim an, so daß er lachend wieder zu Frau und Töchtern kehrte, und zu dieser Zeit war (er gestand es sich kaum ein) Maria sein absoluter Liebling. Hinreißend schön war Anna in ihrer kräftigen Gestalt und mit ihren mütterlichen Brüsten und dem vollen Mund und den warmen Kuhaugen, die Joachim manchmal schauern ließen; süß war auch Mitka, wie sie so lachte voller Übermut und Zuversicht, wenn sie an ihren Zebaothischen Dichter dachte, den töricht-weisen Jimna, wenn sie dann sprang und sang und lustig klang voll Freude, das war herzerfreuend dem Vater, der stolz war auf seine liebliche Tochter, deren hüpfende Aprikosenbrüste mehr als ein Jüngling bewunderte, aber mehr als beide zusammen war seine Gotteswonne (gleich nach dem Ewigen) Maria: Zu süß für einen Mann, dies Kind, wie sie lallte, als stammle sie Engelsgebete, zu rein und heilig diese Augen, die himmlischer schienen als Wetterhimmel, zu selig die Seele, wenn Maria lachte, mit dem Vater spielend, auf seinen Schultergebirgen kletternd wie ein Zicklein auf den Triften von Gilead, und der Vater träumte: So schön war nimmer Tamar in ihrer Kindheit, da sah man schon den leicht lüsternen Schleier vor dem reizenden Antlitz, welches in Juda Begier geweckt; so lieblich war nicht Rahab in ihrer Kindheit, da man schon sah ein wenig Frechheit und Koketterie, die dann später in ihrem so weit verbreiteten und doch so sündigen Beruf sich äußerte; so süß war auch Ruth wohl nicht in ihrer Kindheit, da sie ja nicht verklärt ward vom Worte des Herrn, sondern immer Lästerungen aufsog wie mit der Muttermilch und die Götzenbilder anschaute und umspielte; so kostbar-köstlich war auch die hinreißende Bathseba nicht in ihrer Kindheit, die sich zu sehr gehen ließ und ein wenig Untreue schon früh an sich hatte, welche sie später sich hingeben ließ dem Verführer; aber Maria (obwohl in dieser hebräisch-messianischen Linie, wie noch keiner wußte) war reiner, sie war, ja, wie soll man sagen, sie hatte das evamäßige nicht, dies Urweib der Sünde und Mannesverlockung. Tugend sah ihr aus dem Auge, Reinheit, keusche Schönheit, Engelsaugen, Jungfrauenglieder, so etwa dachte sich Joachim die kleinste Tochter in seinen müßigsten Träumen. Wie sah aber Gott dies Kind an? Er hatte Mitleid mit ihr, denn sie litt unter unbestimmten Ängsten. Manchmal ging ein großer Hund auf dem sandigen Weg, ein Hund, der größer war als Maria, ein Hund, den die Ägypter, das Volk von Mizraim, zum Gott der Totenwelt erklärten, Anubis, ein Hund mit der Aura von Hölle und Tod, Untergang und Gefahr für Leib und Leben, ein Hund, der aus dem Maul Gestank verströmte wie Schwefel und Kot und Pest, der die Zähne fletschte wie die Schwerter der Skythen scharf, welcher grausamer waren als die Hethiter, kurz, ein Kerberus, ein Götze der Hölle, ein Satan, ein Drache. Maria ward angegriffen von dem dunklen und kalten Geist der Angst, einem unheimlichen Dämon, der so gern die Kinder angriff, besonders die Dreijährigen, daß die Seelenheiler schon meinte, es sei natürlich, daß Dreijährige Angst hätten, aber die Priester erklärten, es sei eben jener Dämon, der da anhauche mit dem Frosthauch der Unterwelt jene zarten und zartbesaiteten Seelen der Kleinen, wie auch Maria, der er auch anderes vorgaukelte. Da gab es die kleinen Statuetten von Sphinx oder Astarte, wirkungsloser Stein oder totes Holz, ohne Macht und Kraft, aber diese Figuren, die bei einigen Israeliten in der Hütte standen, die umwehte der dämonische Geist, der als Geist der Angst mit klirrendem Winterhauch und brennenden Waffen angriff das junge, ungeschützte Herz Mariens, der verzärtelten Tochter Zion. Aber sie hatte Glauben, den lobesamen Kinderglauben, den wunderbaren Glauben an den Himmel, der so wunderbar ist, daß manche Priester ihn magisch nennen, aber er ist nicht magisch, sondern Gnade, und aus diesem Gnadenglauben an Jahwe, den Herrn, gebot Marie dem Schatten der Angst: "Jahwe-Rapha! Der Herr ist mein Arzt! Er heilt mit seinem Geist der Gnade mich von dem seelenkrankmachenden Angriff des Furchtdämons; seine Liebe ist mir beste Medizin." Anna merkte, wie das Kind ward versucht und gepeinigt, merkte wohl, welche Kämpfe da das junge Gemüt zu bestehen hatte, und darum betete die Mutter Mariens, betete mit dem Vater Mariens, Zeuger und Empfängerin flehten zu Jahwe-Rapha, dem Arzt in allem Geistlichen, beteten zu Adonai-Zedek, dem Herrn der Gerechtigkeit, flehten zu Jahwe-Hoschua, dem Retter, daß er mit Macht und Herrlichkeit komme, komm im messianischen Geist der Hilfe, komm als Heiland mit Heil und helfe und heile und rette Maria, die Ohnmächtige, welche allein aus Gnade Gottes nicht starb an dieser Angst. - Es ging vorüber. Und vom Freunde des Vaters Joachim, von Minjamin der Sohn, der hieß Joschua und war drei Jahre alt, die Familie wohnte nebenan, nachdem sie aus dem Norden zugezogen war, die Mutter hieß Merom. Joschua kam nun zum Spielen oftmals herüber zur Maria, ja es verging kaum ein Tag, daß sie sich nicht sahen und miteinander tollten und tobten, ihre Sehnsucht war schon so groß wie in einem Liebesroman, so wars: Maria rief: "Oh Joschua, ich komme!" Und Joschua wartete ganz geduldig auf sie, wie sie angerannt kam mit fliegenden Haaren (sie trug sie schulterlang) und ausgebreiteten Armen und dann stürzte in die Arme dem kleinen Joschua, der Maria liebte, und sie umschlang ihn, ihn, den sie liebte mit ganzem klopfendem Kinderherzen, und dann küsste sie ihn, dann küsste sie Joschua einen Kinderkuß, einen Mädchenkuß auf den kühlen Nacken, einen Kuß, der brannte wie die Sonne in der Wüste von Juda, einen Kuß, der kühlte wie eine Dattelpalmenfrucht in der Oase der Wüste. So begrüßt, begannen sie zu lachen und zu scherzen, indem sie nachmachten die Ziererei ihrer Eltern, die abgestandenen Redewendungen Minjamins und Meroms oder Joachims und Annas, was die Kinder nur so ablauschen konnten, und jene alltäglichen Handgriffe ihrer Mütter in den Hütten, die spielten sie ebenfalls nach, naives Theater war das, und buken Brot aus dem feinen Sand Judäas, statt Kamelmilch dazu ein wenig Wasser aus einer alten Zisterne nehmend, und dann zum Schein, nur so, den Sand teilend wie ein Hirtenfladenbrot, und es zum Himmel haltend, zum Vater, der von der Höhe segnete, was die Kinder dann, wie als ob, aßen (wirklich, sie waren aus dem Alter heraus, da sie noch Sand aßen, sie schoben ihn jetzt verschmitzt lächelnd heimlich am Mund vorbei und ließen ihn neben der Schulter wieder auf den Boden fallen, Sand zu Sand und Staub zu Staub). Dann ward Joschua kriegerisch und spielte Krieg, auch davon hatte er doch irgendetwas vernommen, war da nicht David, so hieß er doch? und hatte der nicht gegen die Pelischtäer gekämpft mit fliegenden Steinen und hauenden Schwertern, ja ihnen auch etwas für seine Geliebte vom Penis abgeschnitten, das wollte Joschua nun ebenfalls tun im Kampfe gegen seine imaginären Feinde, ausgedacht stehend als Front in der Luftspiegelung vor ihm, daß er draufschlug und dreinhaute mit wildem Arm, siegreich wie Mose zwischen Hur und Aaron, stark wie Simson, mächtig wie König David, ein echter Gottheld aus dem israelitischen Heereslager Mahanajim. Zebaoth, wenn er sie aufziehen wollte, so wollte er sie reif und dennoch kindersanft und urnaiv in Herzensdingen, groß und staunend sollte sein das Herz, empfangend und alles-erhoffend, trauend und glaubend und über alles liebend! Und plötzlich lachte Maria und rief: "Oho, Joschua, Joschua, ho! Friede, mein Geliebter!" Und da umschlangen sie sich, und nun auf zärtliche Art und Weise, und küssten einander so richtig vollgültig von Lippe zu Lippe, schmatzend und feucht von Genuß. Aber öfter war Maria jetzt auch allein im Spiel begriffen, da hatte sie entdeckt das Malen für sich. Später würde sie sehen ägyptische Wandmalerei, aber nun war ihre Kunst noch ganz naiv; noch war sie nicht gebildet und inspiriert durch die Meister der säkularen oder heidnischen Malerei aus dem Süden oder Osten, auch die griechischen Vasen oder Tonkrüge mit den Ornamenten oder mythologischen Bildern hatten sie noch nicht beeinflusst, aber die Tiere dafür, die Pflanzen und Sonne und Mond, das, was sie sah von Gottes Schöpfung. Sie hatte von Anna bekommen ein Schreibrohr und etwas Erdharztusche, sowie ägyptischen Papyrus, wenig später zum Fest des Passah als Geschenk ein wenig kostbaren Pergament aus Pergamon. Minjamin aber, etwas wohlhabender, schenkte der kleinen Künstlerin diesen allerfeinsten weißen Stoff aus dem Land der Serer, östlich vom Indus gelegen, da sie woben aus den Fäden des Seidenwurms, der mit Maulbeerblättern gefüttert worden, einen herrlichen Stoff, auf den man hennafarbene Bilder malen konnte, und sie hatte dazu eine schöne Begabung, und hatte auch schon schreiben gelernt, daß sie aus dem Schatz von Aleph bis Taw die Zeichen ordnete zu einigen Lieblingswörtern von Bibelhebräisch, was sie so aufschnappte, wenn sie dabei war, wo Joachim und Minjamin sich trafen zum Frühgebet, dann saß sie oftmals dem Vater auf dem Schoß und lauschte Worte ab Minjamin, der betete: "Herr, du sagtest: Jehi Or! am Anfang der Welt, da du schufest, nun lässest du Licht werden auch diesen Morgen, so erleuchte auch unsern Geist mit dem Licht und Feuer deines Geistes, ja segne uns mit deinem Geiste, salbe uns mit deinem Geiste, auf daß wir preisen können deine Gnade und Barmherzigkeit an diesem Tag, den du, Gott, werden lässt! Halleluja!" Da hatte Maria gehört das fremdartige und so schöne "Jehi Or", das klang noch feierlicher als das tagtägliche Aramäisch der normalen Menschen, das klang so göttlich-hohepriesterlich, so feierlich-ewig, so uranfänglich-heilig-geistvoll; das schrieb sie dann hin und malte eine strahlende Sonne dazu, die eben überm Horizont aufging, etwas kindlich gedacht, denn dies: Es werde Licht! das war ja gesagt, bevor selbst Sonne und Mond und die Sterne geschaffen worden waren, eine etwas rätselhafte Aussage, über die weder Minjamin noch Joachim eine ganz und gar befriedigende Auslegung von einem der religiösen Lehrer gehört hatten. Aber als das Licht da war, da war auch das Meer da, das malte Maria auch, mit einem echten mineralischen Blau, Kobalt, etwas zwischen Aquamarin, Saphir und Lapislazuli, und dann, wie geschrieben steht, kamen die Pflanzen, derer sie auch einige malte, Bäume und Gras, in Smaragdgrün von lebendiger Farbkraft, und Tiere kamen aus des Schöpfers Wortgewalt hervor, die Maria malte, Vögel am liebsten, die am Himmel flogen, die Möwen von Gat und Aschkelon, philistäische Lachmöwen, und die Tauben Zijons, die sanftmütig-ruhevollen, die Gurrus Judäas, die Ruckediguh der Töchter Israels, und sie malte versuchsweise eine Katze, nicht als ägyptische Göttin, als Isis-Götze und Tier Ägyptens, sondern als Kreatur, welche harrt auf die endgültige Stunde der vollkommnen Erlösung durch Gottes Messias, den kommenden König aller Schöpfung, den Wiederbringer Edens, den Letzten Adam, den Herrn! Und Menschen? Ja, Mütter und Väter und Kinder malte Maria in einfachen Strichen und Kreisen, naiv wie Höhlenmalerei der Urvölker, etwa der Iberer oder Kelten, in musischer Geistesverwandtschaft ohne kulturelle Bekanntschaft, einfach und doch stark aussagekräftig. Und da sie so malte, trat die schöne Mitka zu Maria, mit ihrem reizenden Lächeln und dem schillernden Silberblick junger Frauenschönheit sah sie zu dem naiven Kinde und sagte: "Du malst da so schöne Tiere, ja, weißt du denn auch, was der Prophet Mose darüber sagt? Was ist uns Hebräern gesagt über die Tiere? Da will ich dir ein wenig zu sagen. Der Klippdachs, der Schaphan, der Procavia syriaca, lebt gesellig in den Felsspalten, so gründe auch du dein Leben auf den Fels, der da ist unser Gott. Er gilt als Wiederkäuer, ebenso wie der Hase, der Arnäbät, der ist aber kein Wiederkäuer im genauen Sinn, sondern im anschaulich-so-scheinenden Sinn, denn er macht solche Kaubewegungen, sei es nun der syrische, der europäische oder der ägyptische Hase, die alle in unserm kanaanäischen Pelischtäa leben, man darf sie nicht essen, ebenso wie die Schweine, die ein Bild sind für Schmutz, Sünde und Abtrünnigkeit. Schweinefleisch opfern und essen ist Götzendienst. Und was kann tiefer stehen, als Schweinehirte zu sein? Nur oben im Gebiet der Zehn Städte, weiß ich, da gibt es eine Schweineherde. Sie ist nicht reiner als eine Behausung für Dämonen. Aber schön in den Lüften, wenn man sie auch nicht essen soll, sind der Adler, der eine apokalyptische Kreatur ist, der Geier, der sich sammelt, wo das Aas ist, die Raben, die Elijahu Nahrung brachten, die Eule, die in den Trümmern heult als ein Ruf zur Buße, der Schwan, der eigentlich ein Kormoran ist, die Fledermaus, von der die Serer sagen, daß sie Glück bringe, was ein abscheulicher Aberglaube ist, und die Schwalbe, die der himmlische Vater ernährt. Von dem, was vier Füße und Flügel hat, kann man essen den Arbe, den Solam, den Hargol und den Hagab. Unrein aber auf der Erde kriechen Wiesel, Kröte und Maus; ich meine mit der Maus, der Akebar, alle die Nagetiere, die der Feldmaus Microtus syriacus ähneln, außer den eigentlichen Mäusen eben auch die Wüstenspringmaus, auf daß wir sie nicht essen, während die götzendienerischen Araber gerne solche essen, die da Jaculus jaculus heißen. Und nun, Maria, sag ich dir, was nicht im Gesetz steht, aber was mir Naturrecht zu sein scheint: Unrein ist ebenso die Ratte, man sollte sie nicht essen, wenn auch ganz verkommene Subjekte im Süden des Landes der Serer sie essen, aber mir ist sie ein Tier, ein Viech, eine Plage, ein Ekel, eine Abscheu." Da verzog Maria das Gesicht: "Ich mag sie nicht, ebensowenig wie Spinnen und Schlangen. Wenn Mose den Teufel nicht eine Schlange genannt hätte, dann hätte er ihn genausogut eine Ratte nennen können." Da bedachte sich Mitka, wie unschön ihr Gespräch geworden war, da fing sie an zu dichten von schönem Wesen der Schöpfung: "Siehe die Schoschannim, wie sie blühen, schöner gewandet als selbst Salomos Töchter, wenn sie Männern gefallen wollten, ja Basemat und Tafat waren nie so schön wie Gottes Lieblingsblume, die Lilie im Tal, prächtiger selbst als der Fürst der Liebe gekleidet, denn Gott hat sie gekleidet! Und der lieblich zwitschernde Steinsperling, weißt du, Petronia petronia, ach für den sorgt doch der himmlische Vater, der fällt nicht vom Himmel, wenn Gott es nicht zuläßt, kein Isis-Tier fällt den süßen Petronia petronia an, denn Gott der Gerechte, Gott der Hort, Gott der Schild, Gott der Schirmer, Gott der Heilige, Gott die Liebe schützt das kleine Vögelchen, das Er Selbst Sich zu Seiner Freude geschaffen, denn Gottes Lieblingsvögelchen mittags im Maien ist der jugendlich-törichte Vogel der Liebe, Petronia petronia." Mitka schien närrisch, aber man muß wissen, daß Jimna, ihr Liebling, solch einen Vogel im Käfig zuhause hielt, und oftmals saßen sie zwitschernd Liebesworte sagend vor dem Vogel der Liebe.





FÜNFTES KAPITEL


Als Wanderarbeiter kam nach Judäa Josef, geboren in Bethlehem, der dort auch groß geworden war, dann nach Nazareth gezogen war, um dort eine Werkstatt aufzumachen, denn er war Zimmermann, und als solcher kam er nun von Nazareth hinunter nach Juda und machte auf in Bethlehem eine kleine Tischlerei, vorübergehend Arbeiten zu erledigen für die Leute von Juda. Er stand in dieser kleinen Zimmerei und sprach mit sich selbst, das tat er öfter, weil er allein war, er hatte noch keine Gefährtin und Gehilfin gefunden, wenn er sich auch immer wieder das Gotteswort aus der Genesis vorhielt: "Ich will dir eine Hilfe schaffen". Nichtsdestotrotz war der Junggeselle nicht verweichlicht und erbärmlich vor Einsamkeit, sondern ein kräftiger Mann mit guten Arbeiterhänden und männlichen Freunden. Einer seiner Freunde, ein Freund ihm von seiner bethlehemitischen Jugendzeit an, war Jorah, bei dem Josef wohnte in Bethlehem, vorübergehend. Josef war ein großer Mann mit braunen Locken und einem vliesigen braunen Bart, er hatte aber fast schwarze Augenbrauen, die ihn etwas finsterblickend-grüblerisch aussehen ließen, zwischen den beiden Brauen außerdem lagen zwei vertikale Falten, die ebenfalls denkerisch aussahen, obwohl er alles andere als ein hellenistischer Philosoph war, die Philosophie vielmehr rundweg für Torheit erklärte und echter Arbeiter (aber unterrichtet in der Tora). Sein Gesicht war markant, scharf geschnitten, aber nicht adlermäßig, sondern noch immer freundlich, seine gekerbte, geschnittene Männlichkeit war gottgewollt, aber nicht herrisch-grob und lieblos, sondern er war freundlich, gütig, hilfsbereit, offen für Gäste, immer bereit, Traurige aufzuheitern, am liebsten in dem er komisch schilderte, wie der Riese Goliath groß wie ein Weberbaum war und doch niedergeschmettert ward von einem kleinen Steinchen aus der Steinschleuder eines jugendlichen Schafhirten, das ließ noch so große Probleme auf einmal lösbar erscheinen. Das war so einfach seine Menschlichkeit, er brauchte nicht Seelsorger oder Priester zu sein oder Frau mit mütterlichem Herzen, er mußte nur menschlich sein und auf Gott horchen, der den Menschen wollte zu einem Helfer für seine Nächsten. Josef war fromm. Er hatte einige Kernsprüche aus dem Gesetz und den Propheten, die sich immer auf den kommenden König bezogen, die hielt er allen heuchlerischen Tempelgängern vor, er sagte dann etwas wie: "Aber des Weibes Sproß wird der Schlange den Nacken zertreten, und das wird der kommende König sein! Und eine Jungfrau wird gebären, den Messias wird die Jungfrau gebären, und sie werden ihn Immanuel nennen, das ist: Gott mitten unter uns!" Er war einer der überzeugtesten messianischen Juden, kein Gesetzeslehrer konnte ihn abbringen von dieser nahen Heilserwartung. Aber er dachte auch manchesmal an das Wort Salomos: "Sei nicht zu fromm, mein Sohn", und bemühte sich, nicht frömmelnd zu sein, nicht weltfremd zu werden, nicht Minze und Kümmel und Dill zu verzehnten und dabei einem Leidenden nicht zu helfen, alles Gesetzlichgeordnete und Vorgeschriebene der hebräischen Religion war ihm zu eng, er wollte vom Herzen her Gott verstehen, er wußte, daß Gott einen Neuen Bund schließen wolle mit der Menschheit, und er wollte sich verstehen als (in Hoffnung) ein Sohn des Neuen Bundes. Ebenso Jorah, wenn der auch anderes Temperament hatte. Das war nun ein eiliger Denker, scharfsinniger Schnellredner, dieser Gastgeber Josefs war ein Rascher, einer, der schneller reden kann, als sein sehr schnelles Denken dachte, auch sein Denken war so schnell, daß es nicht mitkam und er sich oft verwirrte und verirrte im Irrgarten scheinbarer Logik, denkbar scheinender Gedanken, die aber in Wahrheit undenkbar und unlogisch waren, aber im Gewande des geheiligten Rationalismus gesetzlicher Folgerichtigkeit daherkamen, so daß er sagte: „Viele jüdische Sekten gibt es, fromme Parteien, die einen in der einen Frage fromm, die andern in der andern, aber eine Wahrheit gibt es nur, so kann nur eine Partei die Wahrheit vertreten, die andern aber scheinen in scheinwahrhaftiger Lüge sich zu gefallen mit dem frommen Mäntelchen, bemäntelnd heuchlerisch den Irrsinn des Widerparts, Zerstreuers und Anklägers, des Ersten der Göttersöhne, der schon den armen Ijob so sehr geplagt, der eine Armee hat von Geistern, die sich als Geister des Lichts ausgeben, und dann neue Gesetze erfinden oder seltsam von der Auferstehung reden. Ach, ich weiß nicht, ich bin darob gar sehr verwirrt." Und da sah auch Josef nicht mehr durch, er berief sich dann auf die Einfalt frommer Gedanken: "Ich, der Herr, bin dein Gott!" Halleluja! mehr mußte Josef nicht wissen, und wer das mit ihm bekannte, der war sein Freund, ja sein Bruder, und Jorah, trotz aller Zerstreutheit, war ein solcher, denn er schaute auch auf den Tempel, in dem Gott sein Allerheiligstes hatte, das Herz Judas, da der Gott Israels seine Herrlichkeit wollte wohnen lassen und seinen heiligen Namen, der unaussprechlich war, aber in dem beschlossen lag ein heiliges: Gott rettet! Halleluja! Das war alles, was wir wissen müssen, sagte sich Josef, und verharrte in naiver und gottseliger Einfalt. Das schien dem Jorah ein wenig mädchenhaft und fraulich zu sein, so unreflektiert einfach zu glauben, er wollte die Fülle der Erkenntnis und heiligen Weisheit aufsaugen von dem Geiste des Herrn, und Josef sagte: "Der Anfang aller Weisheit ist Ehrfurcht vor dem heiligen Herrn der Herren, dem Gott unserer Väter Abraham, Isaak und Jakob." Und Josef ging aus dem Haus, ging von Bethlehem fort, durch die nächsten Dörfer, da er die Armen, Kranken, Geplagten, Besessenen, Rautesüchtigen, Weinsäufer, Hurer und Hunde sah. An den Ecken Prostituierte. Eine sah ihn an und rief ihm zu mit herber Stimme: "Komm zu deiner Eva, ich will dich Sünde schmecken lassen, süße, süße Sünde, eine Stunde süße Sünde, komm in diesen Unterschlupf, da ich dich tun lassen will nach der Menschen Weise an einem hingebungsvollen Weibe, ha, das hat noch keinem nicht gefallen, ganz Israel ist so eine Hure, wie ich eine bin, ja, ich bin eine Hure! Israel bin ich, und du sei mein Halbgott, mein Fruchtbarkeitsgott, mein junger Tammuz, mein regnender Baal, du, das laß ich mir lohnen mit einem Schoß voll Schekel." Josef wandt sich stillschweigend ab und sah an ihr vorbei, aber sie streifte als Erscheinung sein Auge rechts ein wenig aufdringlich: Lange schwarze Locken und ein bleiches Gesicht, den Mund aber dick geschminkt mit ägyptischer Röte, die Augen schwarz umrändert mit dem Zwielichtschatten Sodoms, an den Ohren Geklimper und Geklingel, wie Israel nie geschmückt war für den Ehebrecher Kemosch, den falschen Gatten der Jungfrau Gottes, sie trug das Silber Äthiopiens, das Gold von Ofir in vielen Ohrgehängen, welche Männer mit ihrer rasch zerstäubenden Lust ihr bezahlt, auf daß sie weiter locken und klingeln könne mit dem irritierenden Geläut zur Messe der Wollust in Sünde. Und das Haar fiel auf die Schultern, von denen herabhing ein Gewand aus schwarzem Schlangenleder, bis auf die Hüften, da sich ein Gürtel um die Lenden wand, der ebenfalls aus geflochtenem Schlangenleder war, ein kurzgeschürzter Rock im Stil der Ascherapriesterinnen im Lusthain, und Sandalen einer Römerin, denn man trieb zu jener Zeit Hurerei mit Rom, dem Romus, dem Sohn der Wölfin, Abstammung Venus, der Aschera von Kittim. O Schuld und Verbrechen und Schandtat in Gottes heiligen, reinen Augen, ein Schmerz seinem unbefleckten Herzen, eine Last und ein Weh seiner untadeligen Seele, ein Grund ihm zu Gotteszorn - Gotteszorn nicht über jene Hure, die so arm war, ärmer als sie selber wußte, ein Gotteszorn über den Geist der Hurerei, den Geist von Sodom und Gomorrha, Ägypten und Babylon, dem der Engelfürst Griechenlands und die Götter Roms untertan waren, die alte Schlange Satan - Dreimalverfluchter! Gott wird ihn werfen in den Scheol und mit dem Scheol tiefer als Sodom ins Feuer! Halleluja, Gott der Retter ist Sieger, der Allmächtige mächtiger noch in seiner tiefsten Niedrigkeit, als Satan auf dem Höhepunkt seiner Macht! Gott ist ewig, Satan schon vernichtet, er liegt nur noch in den letzten Zuckungen, Gott aber wird in ewiger Zeit der Zeiten feiern seiner Liebe und Allmacht Triumph! Nicht mehr lange, nur noch kurze Zeit, wenige Tage, dann ists vollbracht, und Not und Elend ist nicht mehr, bis dahin aber müßt ihr noch tragen euer Kreuz. Und Josef kehrte zurück nach Nazareth. (Auch Maria war mit ihrer Familie nach Nazareth gezogen, wie geschrieben steht in der Chronik der Mütter des Messias.) Und in seiner ersten Nacht in Nazareth wieder, in seiner eigenen Hütte, da hatte er einen Traum. Er sah ein Bild, ein Bild von Eva, der ersten Frau, der Mutter aller Lebenden. Fünf Kiefern standen in einer Gruppe, ihre Wipfel vereinigten sich, das waren die fünf Schöpfungstage, da der Mensch noch nicht geschaffen war, herrenlose Natur, wild und erst in Vorbereitung auf die Krone hin und seinen König, und dahinter eine weite Aussicht auf bewaldete Hügel und Senken, Täler und Berge, bebuscht und steinig und sandig, mit einem Streifen orangener Dämmerung am Horizont, nach oben hin zu milchigblau bewölktem Himmel übergehend, dessen schaumweiße Wolken an der tiefblauen Kuppel des Zenits sich wölbten über einem besonderen Baum. Heiden würden ihn Weltenbaum nennen, aber die Gottbegeisteten nannten ihn Baum der Erkenntnis. Nein, nicht einfach Baum der Erkenntnis, wer könnte etwas gegen Erkenntnis haben? Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen hieß er, aber: Wer kann etwas gegen diese Erkenntnis haben? Gott. Denn er wollte nicht, daß die Menschen Erkenntnis des Bösen hätten auch, sondern allein des Guten. Darum liegt die Betonung auf dem "und": Der Baum der Erkenntnis von gut "und" böse! Der war tabu dem ersten Menschenpaar, wovon nun Josef die Eva anschaute in seinem Traum. Sie stand in der Nähe dieses Baumes, der in der Mitte des Gartens in Eden stand, da floß ein kleines Bächlein vorüber mit grünkristallenem Wasser, ein wenig milchiges Blau hineingemischt, aber nur ganz zart, aber schöner noch von Farbe war das Gold da, welches? Das Gold eines Evafußes, schlank und sehr wohlgeformt, der in dem Wasser schimmerte, ein wenig gebrochen von der Lichtbrechung der Wasseroberfläche, ein wenig umkreist von den Wasserkreisen der Unruhe, aber immer noch ganz goldgedichtet wie von Bedolachharz oder dem Edelgold Schoham, aber bestimmt nicht nur ein vereinzelter Fuß, wie das am Leib des Herrn nicht üblich ist, sondern ein Bein dazu, ein Frauenbein, in schönster Unschuld ein kindlicher Knöchel, eine weibliche Wade, eine zarte Linie von Unterschenkel, ein frommes Knie, denn sie kniete oft vor Adonai Elohim zum Gebet, dem Jahwe Zebaoth, ihrem Herrn und Gott, und der Oberschenkel mächtiger als der Unterschenkel, passend zur fraulichen Hüfte mit der unverborgenen Scham, denn sie schämte sich nicht, da sie nicht erkannte, daß sie nackt war, und da war keine Schande, da war süßeste Unschuld, und drüber äugte der Nabel (eine Seltsamkeit, da Eva nie an der Nabelschnur einer Mutter hing, sondern gemacht worden war aus der Flanke Adams, des Mannes, dennoch hatte Gott ihr einen Bauchnabel gegeben, denn das gehört wohl zur kreatürlichen Schönheit dazu), umgürtet von einer schlanken Taille, kein Ring zuviel, Ebenmaß und Proportion, maßvoll wie das Bild eines Renaissancekünstlers, wohlgestaltet wie eine griechische Göttin, und ganz entzückend die Brüste, Glocken oder Magnolienblüten, Blütenkelche, hohle Hände, halbe Äpfel, indische Pagodenkuppeln, was man sich nur ersinnen kann, nichts gibt ein Bild von der weichen Festigkeit, runden Perfektion dieses Insigniums lieblicher Weiblichkeit, schön zu schauen und eine Köstlichkeit allen dürstenden Kindern, verschleiert beinah, aber immer noch bloß, von den goldenen Locken, gold vom Morgenlicht, sie hielt diese goldenen Locken mit der Linken hinter das weichgemuschelte Ohr zurück, um besser lauschen zu können (wem, das müssen wir leider gleich bekennen), und schaute mit mädchenhaftem, jungfräulichem, kindfraulichem, liebseligem, gottfrohem und doch halb auch schon eigensinnigem Blick halb in das klare Wasser des Lebens und halb zu, ja, jetzt müssen wir es sagen: zu jener Schlange, die sich da umschlang grüngold und schwarz schillernd in ihrer listigen Glätte um den Baum der Erkenntnis des Bösen und zischte über das Wässerchen hin (der Drache liebte das Element des Wassers), und da schäumte ein wenig das Wässerchen (wie Rahab Meeresgischt aufpeitscht und Leviathan Gischt zu Silber schlägt) und zischte und lispelte halb lockend halb listig: "Iß, mein kluges Mädchen, iß, du wirst eine Göttin sein, vollkommen und allwissend", sagte Satan, und Eva ward betört von dem listigsten aller Tiere, dem Tier an sich, dem Übel im Gewand schön schillernder Lüge, verkleidet als Licht und Erkenntnis, mit dem Angebot der Erkenntnis, der Gnosis, und des Gottwerdens: "Erkenne deine Gottnatur in dir und vervollkommne sie, und du wirst sein ein Gott", so lispelt Satan seitdem in viele Ohren hinein, und Evas Hand, die noch nicht geschilderte, die griff mit ihren Fingern, die eigentlich zu schön zum Sündigen waren, die griff nach der verbotenen Frucht. So kam die Sünde in die Welt. Auch Adam aß. Die Menschheit war verloren. Gott zürnte. Aber Gottes Gnade triumphiert über den Zorn, denn er wird senden Seinen Messias, durch eine Jungfrau, so, wie durch Eva die Sünde in die Welt kam, so wird durch eine Jungfrau Immanuel in die Welt kommen, dachte sich Josef und fragte sich, ob dieser Gedanke gottwohlgefällig sei, und mit dieser guten Frage erwachte er am Morgen frisch in Nazareth, ein wenig traurig, ein wenig hoffnungsfroh, und betete Gott an. Da gedachte Josef aber der seligen Vorzeit, da die Welt noch heil, da Welt noch nicht Welt war, da Welt noch Paradies hieß, die Gefühle noch stabil, tief und froh in einem, der Geist erleuchtet und Gott nah, der Körper unsterblich, oh, die Zeit! Da Adam geschaffen ward von der Hand Gottes, Jahwes Hand unmittelbar formte den ersten Menschen aus irdischer Materie und hauchte ihm den Geist ein, Odem vom Odem Gottes, es heißt, er hauchte ihn in die Nase ein, und Adam lebte im Paradies, da waren seine Freunde Monarch und Admiral, die Schmetterlinge, und Cygnus, der Schwan, der weiße und der schwarze, und die Tauben, Waldtauben, Turteltauben, Ringeltauben, und auch ebenso die Wildhunde, stürmisch und treu, herrlich wie Heroen aus den Augen schauend, aber da fehlte Adam etwas, das sagte er Gott, der wußte davon schon, und Gott hatte bei sich selbst eine glorreiche Idee, wir meinen, das war Gottes beste Idee: Er schuf die Frau! Er versetzte Adam in einen süßen Schlaf, da träumte Adam allerlei Liebliches von herrlicher Schönheit kostbar und köstlich, dieweil nahm Elohim aus des Mannes Flanke, und machte Bein von seinem Bein, Knochen vom Knochen, Mark vom Mark, und baute eine Gestalt und machte ihr Fleisch, kunstvoll geformt, Sehnen und Muskeln und Nerven, machte ihr schöne Augen, Sterne! und schöne Lippen, Rosen! und Haare, Kaskade! und Brüste, Orangen! und einen Schoß, eine geteilte Feige! und bettete diese lebendige Schönheit neben dem schlummernden Menschen ins Moos, da gebot der Herr den beiden: "Erwacht!" und sie sahen, o welche Seligkeit, einander Aug in Auge und küssten einander, o süßestes Glück, küssten einander Rosenlippe an Honiglippe und sagten: "Ewig in alle Ewigkeit werd ich dich lieben, o du meine Braut, alles will ich dir geben, mein Leben opfere ich dir auf!" und sie: "O Himmel mein, du Glück mein, du Bräutigam, ich liebe, ich liebe dich mit allen meinen Sinnen und meinem ganzen inneren Sinn, mein Alles geb ich dir hin, Geliebter! Sag ein Ja zu mir!" und er sagte: "Ja, du!" und sie: "Oh, ja!" und da gab Gott seinen Lächelsegen, seinen Lieblingssegen, und Adam und Eva (so hieß sie ja), sie wurden eins, sie wurden mit wachsendem Sturm und reifender Leidenschaft und anschwellender Hingabe in süßer Koserei und himmlischer Raserei ein Fleisch, Geist verschmolz in Geist, Seele floß in Seele über, Leib drang in Leib, und eins und nicht zwei war der Mensch, ein Ebenbild Gottes, der die Liebe ist. Josef schüttelte seinen Kopf, um wach zu werden, diesen Morgentraum zu verkraften, das war nicht so einfach. Er hielt seine tägliche Waschung ab und kleidete sich sauber in einfaches grobes Linnen dunkelblauer Färbung und trat nach einem Morgenmahl, bestehend aus Gerstenbrot und Honig sowie einem tönernen Becher voll warmer Ziegenmilch, auf die Straße, um zum Brunnen zu gehen, der wesentlichen Wasserquelle des Ortes Nazareth, oder En-Nazira, da blieb er in einiger Entfernung der wenigen Stufen stehen und staunte, denn er sah eine wunderschöne Erscheinung. War das nun die wiedergekommene Eva aus dem Paradiese vor dem Sündenfall? Am Fuße der Treppe stand ein Mädchen, in einen langen hellroten Rock gekleidet, der bis zu den bloßen Füßen herunterreichte, und was waren das für zierliche Füße, wie Tanz, wie Schweben; und über den roten Rock hing den Rücken hinunter von den Schultern herab ein heller, himmelblauer Umhang, dessen Ende auf den Fuß der steinernen Treppe fiel. Auf dem Haupt trug das Mädchen eine Macht, eine Art Schleier, der das Gesicht frei ließ, ein wenig ihres Haares schaute dunkel hervor, aber weich war das Gesicht, mit großen Augen, um die Lippen ein mildes Lächeln, so schaute sie zurück zu einem Paar von jungen Frauen, älter als sie, und nicht ganz so hübsch und liebreizend, aber immer noch angenehme Erscheinungen. Wer waren diese Frauen? „Mitka, kommst du?" rief das junge Mädchen. "Ja, Maria", rief Mitka zurück und kam mit der anderen jungen Frau, Arm in Arm untergehakt wie Schwestern, dabei sahen sie einander gar nicht ähnlich und waren eben auch nur gute Freundinnen, die junge Frau hieß Asuba und hatte ein braune Haare, vorne in der Stirne kurz, hinten im Nacken lang gehalten, ihre Augen waren wie rasche Augen eines Häschens, kindlich und hübsch, ihr Gesicht fein, man täusche sich aber nicht, Asuba war eine Denkerin, während Mitka Gefühlsmensch war. Mitka auf und ab in ihren Wallungen, Asuba geradeaus in ihren logischen Linien, ergaben sie zusammen eine hübsche Freundschaft. Sie mochten Maria gern und gingen gern mit ihr durch En-Nazira zum Brunnen, den sie Marias wegen schon Marienbrunnen nannten, Wasser zu holen für Annas Küche. Und nun schöpften sie Wasser. Josef trat näher. Er sah in Marias Augen (ein wenig forschend) und sah warme Mutteraugen, wie wohl Rahel sie gehabt haben muß, daß sie Jakob fesselte vierzehn Jahre bis zur Hochzeit, solche Augen tun gut, man fühlt sich wohl im Abglanz solchen Schimmers aus solchen schimmernden Edelsteinen, Spenderinnen himmelblauer Freude, dunklen Müttern aus ururalten Zeiten, ja, in ihrer jungräulichen Mädchenhaftigkeit lag doch schon ein mütterlicher Blick auf Josef aus diesen nachdenklich-besinnlichen Höhlen von heiligen Eremiten: den Sternen von Augäpfeln, voller Zauber und wie süße Äpfel gereift zur romantischen Liebe spielenden Blickwechsel. Josef war ganz hin und weg von diesem Blick, und sie blickte ihm ja auch direkt in die Augen, naiv und kindlich-offen. „Du heißt Maria?" fragte er. Sie wurde warm im Gesicht. "Ja, Maria, nach Miriam." Und er ermannte sich, weiterzufragen: "Und wer sind deine Eltern? Wo wohnst du, darf ich das fragen?" Und darauf gab sie die Antwort: "Ich bin die Tochter Joachims, des Sohnes Eli, des Hirten an den Füßen des Tabor und weiter in der Jesreel-Ebene, und Annas, der Frau des Joachim, und wir wohnen drüben am Südhang des Hügels." Da war es Joachim, als hätte in diesem Augenblick, mit dieser bereitwillig-ausführlichen Antwort, Gott ihm eine Pforte aufgetan, eine Pforte in das Eden der Engel und heiligen Vorfahren, da Eva lebte, die Mutter des Lebens, und Eva war ebenso auf Erden, die Mutter des Lebens, und schöner noch als er sie geträumt hatte, tausendmal schöner Maria als Eva, überwältigend, hinreißend, atemberaubend! O dies Lächeln! O dieser Honig im Blick, dieser Taubenflug von weißen Tauben Zijons aus diesen Lächelblicken! O dies Lächeln um die Lippen, zuckersüß, himmlisch! Josef sagte seinem älteren Vater Bescheid, dem Manne Jaakob, auf daß er rede und sich unterrede mit Joachim, dem Vater Mariens, betreffs einer Verlobung, woraufhin dieser sich zu jenem begab und redete von den Vorzügen seines fleißigen Sohnes, des arbeitstreuen und pflichtbewußten Josef. Dazu kam das Brautwerbegeschenk von mosaischem Ausmaß. Jaakob sagte: "Lege mir viel auf als Heiratsgeld und Brautgeschenk, ich will es zahlen (schließlich bin ich Kaufmann), aber ich will dies Mädchen haben für meinen lieben Sohn, denn er hat unwiderruflich sein Auge auf sie geworfen wohlwollend." Und Joachim willigte ein unter der Voraussetzung, daß Maria einverstanden sei. "Vater, er scheint mir ein gerechter Mann zu sein", sagte Maria schlicht, bescheiden und demütig und verheimlichte hier, daß sie schon von diesem Josef süß geträumt hatte. Da brachte Jaakob wie eine Kriegsbeute heim das Einverständnis, ließ Geld und Kamele da, die dann zur Aussteuer Mariens gerechnet wurden. Da ward sie sein, da ward Maria die Verlobte Josefs, da ward sie sein eigen, da ward er ihr Baal, ihr Herr und Ehemann, nun war sie verpflichtet zur Treue und er zur Fürsorge. Aber er nahm sie noch nicht gleich in sein Haus. Maria gewann den Josef lieb und hatte frohe Hoffnung, schon bald nach der Hochzeit ein Kind zu bekommen, denn sie war ganz närrisch, was Kinder betraf, ja, Maria war ganz närrisch kinderlieb... Da kniete sie hin des Morgens nach dem Tage der Verlobung und dankte Gott: "Eloy, Eloy (sprach sie aramäisch) ich will nicht bitten, Mutter des Messias zu werden, sondern laß mich nur sein die geringste Magd der Mutter des Messias! Amen.“





SECHSTES KAPITEL


Herr, wie wunderbar ist dein Tun, das sehen wir an deinem geliebten Mädchen Maria, der schönen Mirjam, die da in ihrem Zimmer alleine saß und sann und erkannte deine Barmherzigkeit. "Da fließen mir wie damaskenische Flüsse Tränen, wie Abana und Parpar Trauertränen aus den Augen, welche Quellen gleichen, und ihre Wasser sind Buße für die Menschen, ihre Ströme Reue und Bitte um Vergebung für die Menschen. O Gott, Du, du bist ja ein gnädiger Gott, ein barmherziger Gott, langmütig, langsam zum Zorn, rasch zum Vergeben, von Herzen sanftmütig bist du, Herr, also erbarm dich über deine Menschheit, und sieh, wir glauben, aber hilf unserm Kleinglauben." Da betete sie noch, allein mit dem Stöhnen ihres Herzens, dem Seufzen ihres Geistes, still und unaussprechlich flehte sie um Gnade für die Welt und ihre Tränen versiegten, denn Gott der Herr trocknete ihr die Tränen, küsste ihr die letzte Träne mit dem Munde seines Heiligen Geistes langsam von der schwarzseidigen Wimper, daß ihr Herz erschauerte, so ward sie getröstet. Oh Maria! Und in jener Abendstunde der Erbarmung trat in der Jungfrau Kammer, der Verlobten Zimmer ein überirdisches Wesen, das erkannte sie wohl, wenn auch der Engel ganz wie ein Mensch erschien, aber wie war er denn sonst hineingekommen in das verschlossene Zimmer, wenn nicht übernatürlich? Sicher, hereingeschwebt auf einer Flut von Licht und einer Woge von schimmernder Strahlung war er, der da ein sanft violettes langes Gewand trug, die Lenden weiß gegürtet, eine lange Anmut, gebogen und geschwungen wie Musik der graziöse Leib, weiß die Haut, wie nie dem Brand der judäischen Wüstensonne ausgesetzt, sondern wie von Milch, reingewaschen von Ysop, wie Schnee, pure Unschuld versinnbildlichend, aber ein Hauch von Lebensröte, von Blutschimmer auf die Wange gemalt, menschlich, lebendig, anmutig, lieblich, und umrahmt das alles von Locken, die aus Licht gewoben waren oder aus goldener Schafswolle gesponnen von Himmlischen, denn er war ja nicht geboren von einer Frau, sondern geschaffen vom Schöpfer, entsprungen Seinem kostbaren Wort und geformt vom Wink Seines Fingers, gemalt vom Creator, gedichtet vom Erzpoeten: Gott selbst! Und die Augen, grüngoldene Augen gewendet zum Himmel (wie Gebete durch die Zimmerdecke hindurchdringend hinauf zum Himmel der Himmel) und wie grüne Lilienblätter schwimmend auf einem Teich von Milch, das Weiß seiner Augen rein wie die Milch eines Mutterschafs, wenn sie ihre Milch aufspart für das hohepriesterliche Opferlamm, heilig und glänzend, schimmernd und fromm in seiner Innigkeit, und darüber schmal wie Weidenblätter und golden wie Weidengezweig die Brauen, jedes einzelne Haar ein Zeichen des Glücks, und darum aus himmlischem Gold gesponnen, fein und schlank gebogen wie eine Frage, mehr wie ein gläubiges Staunen vor der Erwählung des Herrn, denn die Engel, sie staunen nie aus, sie wundern sich stündlich über die Gnadenerwählung Elohims, die er seinen sündigen Menschen zuwendet, ja, so über alle Maßen, denn der Mensch, nicht der Engel ist Ebenbild Gottes, aber gefallen ist der Mensch, alle Menschen sind gefallen, nicht aber alle Engel, und die treuen Gottesboten sind nun Vorbilder, an denen die Menschen sich orientieren können: So gehorsam, so geradlinig auf Gott hin, so himmlisch in der Gesinnung, so anbetend und lobpreisend in allen Werken und Worten wie die Engel Gottes, so soll der Mensch werden, mehr noch: lauter Menschensöhne, dem einzigen Messias Gottes gleich, oh Größe und Erhabenheit der Erwählung durch Gott, Macht und Herrlichkeit Seiner Gnade! Halleluja! Das erfuhr Maria, die Jungfrau, das schöne Mädchen, die da schaute auf den Engel und ihre Augen nicht wenden konnte von seiner Herrlichkeit (Abglanz von Gottes Herrlichkeit) und schaute durch die Blume auf den Engel: denn er hielt eine weißblühende Lilie Scharons in seiner Hand und reichte sie Maria hin: "Braut Gottes, siehe, Gott hat dich auserwählt", sprach der Engel. "Oh, ich bin die Geringste seiner Dienerinnen, seine Sklavin bin ich, bereit mein Leben hinzugeben, mein unwürdiges, alles zu geben dem Allerhöchsten", stöhnte Maria. Und der Engel lächelte: "Gabriel bin ich geheißen und war mit dem Engel des Herrn und einem Mitknecht bei Abraham, als Sara lachte im Hain Mamre und konnt es nicht glauben, daß sie den Erben der Verheißung solle gebären. Wundere dich, staune, Maria, aber du bist tausendmal mehr gesegnet, denn du wirst gebären..." Maria sprach in heller Aufregung: "Ich bin mit keinem Mann einig nach der Weise der Erkenntnis, wie sollt ich da gebären?" Aber der Engel ließ sich nicht beirren: "Tochter Gottes, gesegnet bist du von Jahwe, dem Allerhöchsten, der durch dich zur Welt bringen will den Heiland, den Retter der Menschen, den verheißnen Messias Gottes!" Da schlug Maria die Augen nieder und senkte die bewimperten Lider über ihre Sterne in den Teichen, und Röte schoß ihr durch die weiße Wange: "Mir, mir soll das geschehen? Ich unbedeutendes Mädchen soll...?" Und der Engel sprach: "Damit Gottes Gnade ersichtlich ist, wirst du begnadet und erwählt durch die Barmherzigkeit und Erlösungsgesinnung des Ewigen!" Maria lehnte sich, einer verzückten Ohnmacht nahe, mit einem Schulterbein an die Wand, den Pfeiler der Wand, mit dem linken Schulterbein, übers rechte fiel ihr schöner Umhang, die Brust war umgürtet, über Bauch und Schoß und Knie fiel ihr ein nachtblaues Tuch, ihre Füße steckten in dunkelbraunen geschlossnen Sandalen, ihre Arme breitete sie betend aus, nicht direkt vorm Engel (das hätte der Erzengel gewiß sich verbeten), aber vorm Ewigen, dessen unsichtbare Gegenwart sie vermutete, sich gewiß war und spürte davon den Hauch, lenzlich-lieblich. Aber vom Mund des Allmächtigen ausging das Wort im Geist Gottes. Der Geist Gottes schwebte voller Liebe wie tanzend schwärmerisch in süßer Verzückung an der Gottgeliebten darnieder unsichtbar und doch gewiß wahrhaftig wie Gott wahrhaft lebt! Der Geist ist Gott! Halleluja, und Gott der Geist kam nahe Marias Zimmer, Er, der Heilige Geist, überschattete die Jungfrau und gebot, siehe, er sprach das Wort: Es werde! siehe, da zeugte Er, der Schöpfer, den Sohn, das Wort, den ewigen Sohn, in Ewigkeit gezeugt aus dem Geiste und Schoße des Vaters, Logos schuf der Geist in dem Schoß, der Sinn und Gedanke und Wille des Vaters nahm Gestalt an, das Wort Gottes nahm Fleisch an, denn der Heilige Geist hatte geschaffen den Menschensohn, Ihm, dem Gottessohn, an-erschaffen das Fleisch aus dem Fleisch Mariens, ihn gesät im Geiste in das Fleisch Mariens zur Erlösung, Heiliges unternahm der Heilige Geist, Gott unternahm die Menschwerdung, eine Gnadenschöpfung vollzog der Vater durch seinen Geist mit seinem Sohn, Wunder über Wunder, denn eine Jungfrau ward schwanger, Halleluja, Gott ist ein Gott der Wunder und der Gnadenerbarmungen! Die Jungfrau aber merkte nichts davon an ihrem Fleische, aber in ihrem Geist war eine heilige Frömmigkeit und ein herzensfrohes Dankgebet: "Aus dem Staube ruf ich zum Ewigen: Halleluja! Halleluja meinem Gott, dem Gott Israels, der mein Gebet erhört! Halleluja dem Allmächtigen, dem kein Wort meines Herzens verlorengeht, der jede Silbe zählt und aufbewahrt in seinen heiligen Herzenskammern, Halleluja dem Preisungswürdigen, meinem Vater! Dank sei dir, o mein Gott, für diese frohe Herzensregung, Gott, du Geliebter, Preis dir für meine Freude, für diese Sekunde heiliger Schönheit, Gerechter, Gnadengott, Vater im Himmel! Halleluja, Lob und Anbetung dir für deine Schöpfung, du wirst schaffen das Werk der Erlösung vollkommen, Gnade über mir, mein Gott, Gerechtigkeit mein, mein Gott, an den ich glaube, komm du selbst in deinem Messias zu deinem Volk, das dich anfleht, komm, ja Herr Jahwe, Gott Retter, komm bald! Amen! Amen!" Maria ward schwanger, ihre Linie wölbte sich vor, ganz lieblich offenbarte sich ihr Zustand, ihre Umstände machten sich hübsch deutlich, Josef hätte das geliebt von Anfang an, das Werden seines Sohnes, wär es sein Sohn gewesen, dann aber hätte er ja mit ihr sein müssen im Ehestand. Denn das ist sicher, das gabs nicht unter gesitteten Menschen, die Buhlerei zweier, die nicht Anvertraute sind, also wenn der Mann die Frau noch nicht heimgeholt in sein Haus, dann gabs da nichts von Liebesspielen zwischen Wolke und Regen, die Erkenntnis sparte man auf, das Beiwohnen geschah erst in gemeinsamer Ehewohnung, das Tun nach der Menschen Weise hatte einen Rahmen: den Bund zwischen Mann und Frau, wie ihn erstmals der Priester Gott gestiftet zwischen Adam und Eva, wie er nun gestiftet ward von den Priestern der Synagogen und besiegelt mit sieben Tagen rauschendem Feste vor allem Volke, offenbarend den Bund zwischen Bräutigam und Braut, den unauflöslichen Treuebund, den Gott so wert schätzte, daß er ihn zum Vorbild nahm für sein Verhältnis zu Israel: unauflöslicher Liebesbund der Erwählung zwischen Gott Bräutigam und seinem Volk, der Braut; und so wars ja noch nicht zwischen Josef und Maria, sie wohnte ja noch nicht bei ihm, die Segnung war da noch nicht, und dennoch - sie war schwanger! Ehebruch, Unzucht, Hurerei - was sollte das anders sein? O Scham und Schande! Diese süße Frau, dies hübsche Mädchen, "meine Verlobte, die liebe Maria, die soll nun, ganz und gar unlieb und völlig unhold die Ehe gebrochen haben? Todsünde, Grund zur Steinigung! O meine liebe Maria, nein, nein, das kann nicht wahr sein, das darf es nicht, unmöglich, ich wags nicht zu denken! Aber es ist doch so offensichtlich, da ist sie nun einmal unleugbar schwanger, sicher nicht nur von einem Traum, oder? Da war doch Einer und hat sich herangemacht an meine so sehr Liebliche, oh weh mir! Diese zarte Jungfrau - nein! nein! nun nicht mehr Jungfrau? Völlig dem Glauben zuwider hat sie sich zusammengetan mit einem, der nicht der Ihre war, sicher ein Römer, ein Gottloser! Diese Süße, ach, wie hat sie nicht gestern nachgemacht, wie eine Katze mit einer Schneeflocke spielt, welche Anmut lag da in ihren Jungfraungliedern - weh mir! Sie ist keine Jungfrau mehr? Wann begreif ich das Unbegreifliche? Schande liegt auf ihr, sie hat die Schande angezogen wie ein Brennesselhemd, sie hat sich in die Sünde wie in eine See von Feuer gebettet, unauslöschliches Feuer aus schwefligen Würmern, in Übel und Schande und Sünde hat sie sich ehebrecherisch gebettet? Nein, doch meine Reine, meine Eine, meine Feine nicht, die süße Maria, wie könnten denn da so leuchten die Äugelein der Hübschen, und wie glänzen wie Taubenmilch die Lächellippen, ja, wie könnte sie so kindfraulich lächeln, rein und holdselig? O ich liebe sie, o ja, was auch geschehen ist, ich, ich liebe Maria! Sie allein lieb ich nächst dem Höchsten! Aber Gott ist heilig, Maria aber eine abscheuliche Sünderin in des Heiligen Augen? Ich aber liebe sie! Die mich hintergangen und buhlte mit einem andern Fleisch, das ihr nicht verheißen war? Weh! Nun muß sie getötet werden, denn der Tod ist der Sünde Lohn! Meine Allerliebste - getötet werden! Keiner darf es wissen! Ich schick sie heimlich weg! Sie wird müssen allein leben mit der Schande und Buße und Reue und Scham bis zum Jüngsten Tage, ich muß sie sich selbst überlassen, nein, ich darf sie nicht mehr heiraten, ich würde ja selbst Unzucht begehen und Ehebruch. O Maria! Wie ich dich liebe! Du triffst mein Herz mit giftigen, brennenden Pfeilen, mitten ins Herz triffst du und schlägst eine unheilbare Wunde, unheilbare Wunde schlägst du mir mit deinen himmlischen Blicken, du Jungfrau, die keine Jungfrau mehr ist? O wie bitter wirst du mir, du Süßeste, wie weh tust du mir, Holdselige, wie mußt du mich hassen, daß tu so an mir tust, wie mußt du mich verachten, meine Geliebte! Allerliebste, Maria, weh mir, wehe, wehe!" Er zerriß seine Kleider, warf sich in den Staub und warf sich immer wieder "wehe" rufend Staub auf das Haupt, und erst zwei Tage später schlief er vor Übermüdung ein. Da träumte Josef. Vor ihm war ein Chaos von flutenden Wolken fetter Schwärze, da von oben ein Goldstrahl hineinfiel, der breiter und breiter ward und eine lichte Ebene ward, eine Landschaft ward sichtbar, wie als wenn einer nach der Blendung durch mittägliches Sonnenlicht die Landschaft erkennt, und mitten in der Landschaft stand ein Engel, seine Haare waren von feurigem Rot und sein Gewand von schneeigem Weiß, mit seinen beiden Händen hielt er ein himmelblaues Tuch von Linnen, das er ausbreitete, und da war auf dem himmelblauen Linnen ein Bild zu sehen, und da sprach der Engel: "Siehe, ich bin der Engel des Herrn und will dir zeigen, was kommen muß. Dieser, den du siehst, ist der Sohn Mariens, den sie nicht empfing als Sünderin einer Sünde, sondern jungfräulich, denn sie ward überschattet von den Schwingen der Taube des Heiligen Geistes, und der geschaffen ward in ihrem jungfräulichen Mutterschoß, der ist dieser -" und der Engel zeigte einen jungen Mann auf dem Tuch, einen nackten Mann, der im Gesicht sehr blaß und bleich war, die Augen nach innen gedreht, seine Haare hingen ihm verschwitzt auf die Schulter, an der Schläfe rann ihm ein Blutrinnsal hinunter, sein Mund war schmerzverzerrt! Es war nur ein Augenblick, in dem Josef ihn sah, da rollte der Engel das Tuch zusammen und barg es in seinen leuchtend weißen Schwingen und sagte: "Diesen sollst du Jesus nennen, denn er wird heißen Jahwe-ist-Retter, Je-Hoschua, weil er Heil und Rettung seines Volkes ist, der Seligmacher der Sünder. Ihn wird Maria gebären, und du sollst sie zu dir nehmen, denn sie betrog dich nicht, sondern Gott war ihr gnädig." Und der Engel verlosch mit langsam verlöschendem Schimmer in himmlischer Dämmerung, mild und lind der Seele des Träumenden, daß er mit sonderbarer Ruhe und lauterem Frieden erwachte und voll war der Liebe: "O mein Gott, du wunderbarer Rat! Gott, mein Retter und Seligmacher! Segne Maria in meinem Hause die Tage ihrer Schwangerschaft mit deinem mächtigen Segen vom Himmel der Himmel her! Segne und begnade auch deinen geringsten Diener, den törichten Zimmermann Josef, der dich braucht wie nichts sonst auf der Welt, der dich liebt von ganzem Herzen, o mein Gott!" Und da nahm Josef Maria zu sich. Er ging ihr, in Begleitung seiner lieben Mutter Jeruscha, mit einem Myrtenkranz geziert, in Begleitung von Jorah und seinen Freunden und den Zither- und Zimbelspielern, entgegen; Maria ward begleitet von Mitka und Asuba unter antwortendem Harfespiel; Anna und Joachim, Jaakob und viele Nachbarn aus Nazareths Gassen waren dabei am ersten Festabend, Fackeln und Lampione erleuchteten die Hochzeitsfreude, und ein Sänger sang den fünfundvierzigsten Psalm: "Schön geschmückt bist du, o Tochter, mit Gold von Ofir, schön vor allen Menschen ist dein Bräutigam, höre, o Tochter, liebe Braut, geh nun aus von deinem Vaterhaus und kehre in die Gemächer deines Bräutigams, der dein Herr und eures Hauses König sein soll", sang der Sänger, während unter Essen und Weintrinken und Lachen und Tanz die Gäste sich freuten auf dem Sechstagewerk von Fest, von Hochzeitswonne, man spielte Tanzspiele und riet Rätsel, wie Saba sie Salomo stellte oder die Prinzessin der Serer ihren Freiern. Maria ward verschleiert zu Josef geführt, Josef warf einen Zipfel seines Festgewandes über sie: "Komm, mit deinen vierzehn Jahren, komm in meine Zimmermannshütte, ich will für dich sorgen, dein Priester des Hauses sein, dein Herr, dessen Herr der Herr ist, Halleluja, Gott, der die Liebe ist, der dich zu mir geführt, der bestimmte: Der Herr soll ein Diener sein seiner Braut, oh, Maria, unaussprechlich verlangt mich nach dir, komm, o komm in meine Arme!" Und Maria küsste ihn mit unaussprechlich süßem Liebreiz. Und Nazareth freute sich, Mitka freute sich, Mitkas Katze freute sich, Asuba freute sich und legte zur Freude des Tages eine weiße Perlenkette um den Hals, Joachim freute sich und war so dankbar dem Herrn gegenüber, wie schon lange nicht mehr, und Anna freute sich mit Jeruscha, und die beiden Frauen schlossen einander gleich ins Herz, und Jaakob lachte mit Joachim vor kräftiger Freude beim Freudenwein des Abends; aber am meisten freute sich Maria mit Josef, am meisten freute sich Josef mit Maria, sie, daß sie nun schwanger aufgenommen worden, er, daß er alle Zweifel überwunden; und so hat Gott alles zum Guten und Besten geschickt, er, der Höchste, hat so seinen Plan begonnen zu verwirklichen, nämlich den Heilsplan seines Sohnes, des Gottessohnes, des Retters der Welt, Je-Hoschua, den man Jesus nennen wird. Wie dem es aber erging, das kann kein Menschengeist ersinnen, und keine Zunge kann es bezeugen, wie dem Herrn Jesus es erging in seiner lieben Mutter Maria Mutterschoß. Immerhin: Heilig, heilig, heilig war der Herr von Anfang an und wird es sein bis in die Zeiten der Zeiten ewiglich, Halleluja!




SIEBENTES KAPITEL


Josef zog mit der schwangeren Maria nach Bethlehem, denn sie mußten wegen einer Volkszählung in Davids Vaterstadt, die nun einmal Efrata war, jene kleinste Stadt in Juda, da Rahels Grab war, da eines Tages (er sei nah!) der Messias würde geboren werden, da schoß es mit einem Mal Maria durch den Sinn: "Heiliger Gott! Jetzt erst erkenn ich! Was hast du nicht meinem Anvertrauten, dem lieben Josef gesagt? Er, den ich gebäre, er wird der Retter heißen? Ja, dann ists der Messias gar? Der Heiland, der Menschensohn, den Daniel prophezeite, welcher kommt mit den Wolken? Der König von Davids Stamm? Oh, das kann nicht wahr sein, daß ich allergeringste Magd des Herrn den Messias gebäre! Aber andrerseits, da frag ich mich: Hat je einer etwas von Davids Mutter gehört? Sie war und blieb namenlos, unbedeutend in den Augen der inspirierten Chronisten, und dennoch brachte sie David zur Welt, den besten König, den größten Dichter Judäas (wenn nicht Salomo besser dichtete, das weiß ich jetzt nicht zu entscheiden), eine ungenannte Mutter, ein Nichts brachte den gesalbten König hervor, der ein Prophet war; und sollte sich das gar wiederholen in diesen Tagen? Was denk ich? Ich wag das nicht zu denken, nein, es wird ein kleiner Hebräer, ein Zimmermann nach seines Vaters Weise... seines Vaters? Ja, sag mir, Gott, wer ist denn sein Vater? Zu wunderbar, was mit mir geschah, viel zu wunderbar für einer Frau Vernunft, das erkennen vielleicht die Engel nur vollkommen, denn meine Schwangerschaft, gewiß, sie ist ja himmlisch (ich weiß von keinem Mann, und doch steh ich kurz vorm Gebären), mein Kind ist ein Wunderkind, ein himmlisches Zeichen, gewiß ein Prophet, vielleicht Jeremia, oder gar Elia kommt wieder? Dann ist der Tag des Herrn nah! O Gott! Gott! Laß mich nicht mehr denken über das, was ich nie verstehen werde, ich will einfach leben, ich will einfach Leben hervorbringen und gebären, was der Himmel in meinen Schoß pflanzte, das, was ich nicht verstehe, das werd ich tun, ich werde Gott gehorchen und gebären, was ich soll. Dir sei Lobpreis dargebracht mit meinem Leibe, o Herr!“ Und Josef klopfte an die Pforte des Jorah, ob sie dort unterkommen könnten für wenige Nächte, denn die Herbergen Bethlehems waren alle belegt, so viele Bethlehemiter kamen wegen der Volkszählung daher, aber Jorah hatte eine neue Frau sich genommen, die nichts wissen wollte von Jorahs Vergangenheit und seinen alten Freunden, da ließ Jorah dem Josef durch einen dreisten Knecht sagen: Nein, er solle woanders nächtigen, überhaupt, mit der Freundschaft wär es jetzt ganz aus. Da mußte Josef sich denken, warum, und fand den Grund nicht, da war Josef betrübt, aber als er die Wölbung des Marienschoßes sah, den Mutterbauch, da fühlte er sich wieder getröstet und himmlisch dankbar dem Allerhöchsten für das kommende Wunderkind, ihren kleinen Jesus. Sie klopften an die letzte Herbergstür, da der Wirt heraustrat, ein freundlicher dicker Mann mit roten Haaren bis auf die Schultern und einem wilden Bart, der sagte: "Ein Lager hab ich in der Herberge nicht mehr, wegen der Volkszählung des Augustus, wisst ihr, aber wenn ihr bescheiden sein wollt, dann dürft ihr euch in den Stall legen, das Stroh hält euch warm in dieser Winternacht, auch die Kühe geben euch wohlige Wärme, und die Esel tun euch bestimmt nichts, sind ja einfältige und harmlose Kreaturen, also, gilts?" Und Josef sagte zu. Was war das nun für eine Zuflucht vor der Winterkälte? Ein Stall, roh gezimmert, ein Stall, mit Stroh ausgelegt, Stall, Zuflucht eigentlich den Kühen des Dorfes. So empfing Gemuh die Wanderer, Gemuh den Zimmermann und die Hochschwangere. Sie ließen sich auf dem Dachboden nieder, sich bettend ins warme goldene Stroh, nein, nicht goldene Stroh, es war nämlich einfach gelbes Stroh, ein wenig angebräunt, aber weil es warm und geschützt war und weicher Grund zum Ruhen, darum schien es Maria goldenes Stroh zu sein. Sie legte sich nieder, denn sie wußte, es ist nun gleich soweit, da stieß sie zwischen ihren Zähnen hervor prophetisches Wort: "Josef, höre, der Herr sprach zu mir, der ewige Gott: Nimm dir Linnen, nimms zum Umschlag für ein Kind, schreib drauf die Worte, die ich dir sage: Für Maher-Schalal-Hasch-Bas. Siehe, eine Gottbegeisterte wurde schwanger, sie wird einen Sohn gebären, des Namen sollst du (spricht der Ewige) Maher-Schalal-Hasch-Bas nennen, das ist: Er wird bald zur Beute, rasch zum Raub. Und der Herr spricht: Ehe der Sohn Mama sagen lernt, wird man tragen Schatz der Serer und vom Indus und aus der Perser Land vor den König der Juden." So stöhnte Maria, selbst nicht alles ganz verstehend, was sie da lallte wie Zawlazaw und Kawlakaw, Gelall wie von trunknen Propheten. Und Josef ließ es sinken in seine Seele und bewahrte die Worte. Zu der Zeit aber in der Herberge saß die Tochter des Herbergsvaters, des rothaarigen Bartmenschen, an einem warmen Getränk und dachte an den Mann, den sie kennengelernt hatte und der mehr und mehr ihr Herz beschäftigte: "Er sagte zu mir: Atalja, was bist du freundlich, feinfühlig und hübsch im Gesicht, du dein Gesicht ist so hasenartig, weich und klug und niedlich, kindlich verspielt, du siehst so rein und einfältig-weise aus, zart fraulich, ach, was soll ich sagen? so sagte er zu mir und wandte sich ab, um keinen Ansturm zärtlicher Gefühle zuzulassen. Darüber sprachen wir doch, daß man Liebe nicht zu närrischer Verliebtheit werden lassen muß, das tun immer jene, die auf die Fabeln der Leidenschaft hören, von den Toren, der Jugend und den lüsternen Weibern dargebracht, welche sich Gassenlieder aus Tyrus anhören: O du Schöne, ich vergeh vor Sehnsucht! Solche Töne und Texte machen die Jugend närrisch. Ich aber bin (wie er sagt) ein kluges Mädchen und will lieben wie der weise Salomo seine Sulamith liebte, tief und gehaltvoll, dauerhaft und ernst, nüchtern, naiv und nötebestehend, fest und treu und nicht ohne Vernunft. So besprachen wir die Angelegenheit, damit war er einverstanden, ganz ruhig wollten wir uns kennenlernen und nach und nach die Tiefen der Seele mehr und mehr aufdecken, Freunde werden und die Liebe leben, die uns der Herr Zebaoth geboten, ja, der Herr Zebaoth..." – Ich bin", sprach eine Stimme da in ihr, sanft und leis säuselnd, dabei hatte sie das Bild einer fliegenden Taube, sie selbst im Schatten der Flügel stehend und aufschauend zu einem dämmernden Himmel. "Bist du es, Herr?" fragte Atalja ganz überrascht, denn noch nie hatte sie eine himmlische Stimme vernommen, sondern immer Gottes Willen ergründet nach den Heiligen Schriften, jetzt aber sprach eine Stimme, vom Himmel? in ihrem Herzen: "Ich bin's, Atalja. Atalja., ich sage dir, gehe hin in die Zuflucht, denn dort will ich dich brauchen. Gehe hin in Frieden." und die Stimme verlosch mit hallendem Echo in ihrem Innern auffliegend wie Taubenflug gen Himmel. Atalja wunderte sich, was das denn nun gewesen sei, ob sie denn nun irre sei und wie die Irren einst von Achisch angebunden werden müsse oder, ja, oder ob sie gar eines Engel Gebot vernommen, immerhin sei sie jetzt erfüllt von einem übernatürlichen Frieden, dessen Sanftmut und Stille himmlisch genannt werden könne, das spräche doch für den Himmel als Ratgeber; was hatte er geraten? "Gehe hin in die Zuflucht", damit meine man doch gewiß den Stall nebenan, der heute nacht einer Schwangeren Zuflucht geworden war dank des Vaters Güte. Also ging Atalja, die von ihrer verstorbenen Mutter gelernt hatte, Kinder zu entbinden, denn in diesem Sinne wollte der Himmel sie gebrauchen; Gottes Segen ruhte auf ihr, da sie ging. Atalja trat in den Stall, da ein gelassnes Gemuhe sie empfing. "Hallo?... He?" rief sie flüsternd in das Dunkel, das nur wenig erhellt wurde von ihrer Kerze. "Hier oben sind wir", hauchte Josef zurück, mit zitternder Stimme allerdings, denn Maria war schon nahe am Gebären. So ging Atalja die Leiter hinauf auf den strohbedeckten Dachboden, begrüßte die beiden so: "Wer mich gesandt, weiß ich nicht genau zu sagen, meine aber, daß übernatürliche Kraft von oben mich ausgesandt, beizustehen der Schwangeren in ihrer Geburt", worauf Josef leis und zart jubelte: "Halleluja, Gott hat mein Gebet erhört! Sei gegrüßt, junge Frau, und sage mir eins: Hast du schon mal gesehen, wie eine Frau niederkommt?" -  "Oh, ich bin recht geschickt darin, habs gelernt von meiner Mama, den Niederkommenden beizustehn und helfend sehr sanft zuzugreifen, wenns denn kommt, was da kommen soll. Mein Name ist Atalja. Wie, darf ich fragen, heißen denn du und deine Frau?" - "Ich will für sie antworten", sprach der frohe Josef, "ich heiße Josef, meine liebe und gottgeliebte Frau heißt Maria, das heißt die Beleibte, denn eben ist sie beleibt von Gott..." - "Oh, ich versteh nicht ganz, aber helfen will ich gern. Maria... Hörst du mich? Wir wollen nun das Kind zur Welt bringen, Maria, du und ich. Hörst du?" Und so half Atalja der heldenhaften Maria, gottgezeugte Kind zu gebären, und sie liebte ihren Sohn in die Welt, bis er kam, der kleine Sohn, das zerknitterte, feuchte Jesuskind. In den Himmeln knieten die Cherubim (die manche Juden auch Branddrachen nannten) und die Seraphim (von manchen Feuerschlangen geheißen), knieten die Gottesboten und heiligen Engel, himmlischen Scharen, Gotteslöwen und Morgensterne nieder, zu preisen mit den Erzengeln unter Gabriels Leitung Jahwe, den Herrn, der sich offenbart hat der Menschheit auf eigenartigste Weise: "Halleluja, Halleluja, Preis dem Herrn, dem Retter, Lob und Ruhm und Ehre dem Menschensohn, Anbetung dem Jahwe-rettet, der seine Glorie und seinen Ruhm und seine Herrlichkeit und Majestät nicht festgehalten hat wie ein Räuber seinen Raub, sondern hat ihn gelassen in den himmlischen Hainen, den Gottesstand, und ist geworden der Menschensohn, ja, in niedrigster Niedrigkeit er, der Herrlichste aller Herrlichen, kleiner als der geringste Knecht ist der König aller Könige, die Majestät über allen majestätischen Herrn, Gott der Herr ward ein hilfsbedürftiges Kindlein, liegend auf dem Bauch einer menschlichen Mutter, groß ist Gott, so groß, daß seine Gnade unermeßlich ist, die Gnadenzugewandtheit zur hilfsbedürftigen Menschheit, daß Er, der Herr, einer von ihnen ward, ein Kind wie die Menschenkinder, Preis dem Herrn, das Wort Gottes ward Fleisch durch eine Frau, angekommen auf Erden inmitten der Sünder ist der Sündelose, Halleluja, Gottes Sohn ist da! Kyrie Eleison! Gloria in excelsis Deo! Halleluja! Amen!" So riefen die Engel in himmlischen Chören Lobgesang in süßesten Verzückungsmelodien und warfen sich Palmenblätter schwingen dreimal nieder aufs Angesicht, Gott lobend mit ihren himmlischen Leibern. Gott der Vater aber in seiner Unergründlichkeit und Unsichtbarkeit im allerheiligsten Inneren seines Geheimnisses freute sich über seinen Gott Sohn, in dem Gott Vater sich offenbarte, den er gezeugt durch Gott Geist, alle Heiligkeit der dreieinigen Gottheit war vollkommen befriedigt über den himmlischen Ratschluß, daß da weinte das Baby Jesus auf dem Bauch seiner beleibten Mutter Maria, die das Unaussagbare ahnte und dennoch nicht ganz erfasste, aber erfüllt ward von dem Frieden Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft. Als der Morgen dämmerte, traten in den Stall drei Hirten, die ein Engel vom Felde herbeigeschickt hatte. Gott selbst war ja der Hirte, darum ehrte er das Hirtenamt, indem er Hirten sandte, den Hirten anzuschauen, solche, die es kaum begriffen, ja, die gar nichts begriffen hätten, wenn nicht der Engel gesagt hätte: "Der Heiland ist da!" und mehr noch, was er da lobte und pries, nämlich Gottes Ehre und den Frieden für viele Menschen durch den Retter, der da geboren ist in Bethlehem; also nahebei, so gingen die Hirten hin und fanden das Kindlein bei der Mutter. Die Hirten hießen Tahat, Nahat und Libni und grüßten die Mutter so (denn Josef war ausgegangen, Brot und Milch zu besorgen zum Frühstück): "Heilandsmutter, so wollen wir dich selig preisen, du seiest gegrüßt: Freude sei dir und ist dir, denn du hast geboren den Retter, den da erwartet ganz Judäas ganze Hirtenschar, da sie glauben dem Wort der Propheten vom kommenden Jungfraunsohn, der ists nun vor uns? ist das alles wirklich wahr?" Und die Mutter antwortete: "Ganz so, wie die Propheten angekündigt, ists gekommen, Er ist wahrlich der Sohn einer Jungfrau (ich kanns immer noch nicht erfassen, lieben Leute), nennt ihn aber mit Namen: Jehoschua, nennt ihn Jesus, den Retter." Und die Hirten riefen: "Jesus, Jesus, Halleluja, unser Retter!" und kriegten sich gar nicht wieder ein vor närrischer Freude, die ein Ausfluß war der Weisheit Gottes, welche Jesus war. Tatsächlich, dies Baby hier, das war Gottes ganze Weisheit. Die Mutter schlug die Lindenwickel zur Seite, sie kniete zur einen Seite des Babys, das gerade schlief (Gott, der nie schlummert, der schlief) und sah, Maria, sah sanft und schwärmerisch zwischen ihren säumenden Wimpern verliebt auf das ihre, ihr Gottesgeschenk, da war sie froh über Gottes Gnade und sagte: "Seht ihn euch an, ihr Hirten, ja, wie heißt ihr denn?" Und die Hirten sagten reihum: "Tahat, Nahat, Libni." Und da lächelte Maria: "Tahat und Nahat, das ist recht, daß ihr kniet vor dem Gottesliebling (o ja, so will ich ihn immer nennen in meinem Herzen, den Gottesliebling) und das ist auch so recht, Libni, daß du deinen Hut ziehst vor dem Kleinsten, der der Größte ist." Und Libni staunte und stöhnte vor Staunen: "Mama, so ein Prachtkind, ganz die Mutter...", worüber Maria lächelte, und sagte: „Es gibt keinen Vater für dies Kind, er ist ganz und gar ein Muttersohn, ein Mariensohn, eben der Menschensohn, sein Vater ist ein Geheimnis, vielleicht der Schatten einer Taube, vielleicht das Wort des Engels des Herrn, mysteriös über alle Maßen ist sein Vater, tief und unergründlich, aber er ist Liebe, sonst würde er nicht zeugen solch liebes Kind, das da verlangt, genannt zu werden: der Gottesliebling!" Tahat und Nahat aber fingen beinahe an zu tanzen, der eine fasste mit seinem roten Ärmel unter den grünen Ärmel des Bruders, der eine fasste mit der freien Hand in seinen braunen Bart, der andre mit der freien Hand hielt seinen gelben Strohhut, der Dritte aber, Freund der beiden Brüder, pfiff ganz leise ein Wiegenlied, ein gar niedliches, ganz entzückendes süßes Melodiechen vor Mariechen: "Lalalalala, dideldei, bumfiderei, fidel-hei!" Da freute sich Marias Herz über diese Freude, die da ausquoll vom Gottesliebling und ließ fließen die Freude in Strömen durch die Herzen einfacher Hirten, holdgewordener Männer, sanftgewordener Arbeiter,   die sonst die Gestirne betrachteten, nun aber ihn, der größer war als alle Summe der Gestirne, Unfaßbares bestaunten die Hirten, sahen ein Baby an, ein fremdes, und liebten es schon mehr als wär es ihr eigenes Baby, fanden es schöner als die Schönheit ihrer Frauen zuhaus, schön wie... so schön mußte Gott sein, denn... da! er tat die Augen auf, die Spiegel seiner Seele! Solche Blicke! himmlisch! einfach göttlich! dreimal heilig! Halleluja, oh Jesus! Solcher Bewunderung voll waren denn auch die Drei, die da kamen von Osten her, in Folge eines neuen Sternes, des Bethlehemsternes, der sie an Herodes vorüberführte direkt zum neuen König der Juden, Messias Jeschua, der da - ein Baby war. "Den suchten wir? Für dies Baby sind wir aufgebrochen aus Sererland, Indien, Persien? Einen König der Könige, heiliger als alle unsere heiligen Schriften, suchten wir, und finden - ein Baby?" staunte Arjuna aus Indienland, der Magier, und Chia I, der Magier aus dem Land der Serer, sagte: "Mutter, hast du geboren den ewigen Himmelssohn? Wie das, kam ein Einhorn zu dir? Wurdest du überschattet vom Phönixmännchen? Der mächtiger ist als alle Drachen, dieser Himmelssohn, der ist dies Baby hier, der ist doch der erstgeborene Sohn des Vaters?" Und Maria lächelte leis: "Ja, der erstgeborene Sohn des Vaters ist dieser Jesus." Und der Perser Kavi Usan, der dritte Magier, sagte: "Für ihn entstehen Sterne am Himmel, jener, der uns führte, der ward geschaffen von der höchsten Gottheit zum Lobe dieses Jungfraunsohnes. Ich frage mich, wenn ich das sagen darf im Angesicht dieses Königs aller Könige, ob er der Jungfrauensohn ist, den Zarathustra uns prophezeite? Wie dem auch sei, das lasen wir aus den enormen Revolutionen am Firmament, daß Außerordentliches geschah in diesem Winter, und der Stern, der führte uns hierher in dies kleine Beth-Lechem im Lande Juda, zwischen Wüste und Meer ein Hort des Lebens, da wir finden den Quell des Lebens, diesen noch so kleinen Großen, den noch so hilflosen König aller Könige, den bedürftigen Herrscher über alle Völker, den ohnmächtigen Allmächtigen, den menschgewordenen Gott!" Da begann das kleine Baby zu schreien, daß die Magier erschraken, in all ihrer Weisheit der Welt doch reine Toren, denn sie dachten, sie hätten etwas Falsches gesagt, daß der König der Könige weine, aber Maria wusste, das Muttermädchen, die jungfräuliche Gebärerin, und nahm das Baby an ihre jungen Brüste, die geschwollen waren von süßer Muttermilch, nahrhaft und lecker dem stillewerdenden Baby, und Jeschua nuckelte, die linke Brust Mariens mit einem seiner Patschehändchen haltend, beim Nuckeln schmatzend, mit einem Auge von seiner Bedürftigkeit wegschauend, gnadespendenden Blickes zu den drei Zauberern, die von seiner Anmut im Aug bezaubert waren, daß sie knieten und griffen in ihre Manteltaschen, ihre speziellen Geschenke für den Himmelssohn, den Königekönig, den Jungfrauensohn hervorzuholen. Chia I aus Sererland reichte Jade, Nephrit und Feingold, das sollte symbolisieren die Himmelsstadt, die man in Serien sich dachte aus diesen Materialien, und als Herrscher der Himmelsstadt galt dem Magier dies süßes Baby, der Himmelssohn. Arjuna von India schenkte Myrrhe und Narde und Aloe, Öle, mit denen in Indien sich salbt der Bräutigam, wenn er sich zuwenden will schönen Prinzessinnen, wenn sie schön wie Liebesgöttinnen kommen aus den Bädern der Reinheit, auf daß er mit Wohlgeruch der Liebe sie liebkose; das sollte symbolisieren, daß dieser niedlich-schöne König der Könige Bräutigam sei und ein Fürst der Liebe seinem Volke, seiner Braut. Und Kavi Usan aus Perserland reichte des Perserlandes Weihrauch mit den ruhespendenden Düften, welche ausdrückten, daß der Jungfraunsohn, der vorhergesagte, der Spender von Ruhe sei, daß er solchen Frieden gebe, daß man sagen könne: Wir werden sein wie die Träumenden, wenn wir vorm Jungfraunsohne stehn. Daraufhin vereinten sich die Weisen des Morgenlandes zu einem einstimmigen Anbetungsgebet, wobei sie in verschiedenen Zungen sprachen, serisch, persisch, indisch, aber zusammen stimmte das Loblied, die Preisung, der ewige Dank, der übersetzt in des Dichters Muttersprache lautete etwa: "Herr! Dir sei Lob und Preis, Anbetung dir mit unserm Leben, du bist rühmungswürdig, o König der Könige, allmächtiger Herrscher, Anbetung dir, o Messias Jeschua, Sohn des Himmlischen Vaters, erfüllt vom Geist der Weisheit bist du, rechtmäßiger Herr über alle Völker, alle Zungen der Nationen und Stämme sollen dich preisen und loben für deine Liebe, die du uns erwiesen dadurch, daß du von deinem ewigen Thron, dem Schoß des Vaters, gekommen bist in das kreatürliche Fleisch der Menschheit, uns zu begegnen. Lob ewig dir, o Herr!" Und Maria sang: "Amen, Amen." Da verneigten sich die Weisen und zogen wieder in ihre Heimatländer, dort zu erzählen wenigen Freunden von diesem auserlesenen Baby, das da ist Gottes Liebe zu den Menschen.



ACHTES KAPITEL

"Josef, Josef, höre! Der König will Mariens Sohn ermorden, viele, viele Kinder werden sterben; rette du dein Weib und ihren Sohn und fliehe aus Bethlehem, fliehe nach Mizraim und warte dort, bis ich meinen Sohn aus Ägypten rufe", hauchte sanft der Engel des Herrn in das innere Ohr der Seele des Ziehvaters Jesu, der erschrocken erwachte und sein geliebtes Mädchen an der Schulter rüttelte: "Maria, Maria, Liebe! Schüttle deinen Traum ab und werde wach, höre, was ich dir zu sagen habe, Geliebte, unser Kind ist in Gefahr! Ein Engel hat es mir offenbart, er muß sterben, wenn wir hier bleiben. Laß uns auf der Stelle fliehen!" Maria sah erschrocken drein, kein Wunder, und warf sich Josef an die Brust, der sie männlich barg in seinen Armen und tröstete: "Schatz, wenn schon ein Engel uns warnt, dann ist wohl Zebaoth, der Herr, auf unserer Seite und wird uns helfen, also, wirf alle Sorgen auf ihn, er wirds wohl richten." Und Maria schlug das bewimperte Lid auf und sah aus ihren warmen erschrockenen Augen auf zum Mannesangesicht Josefs und stöhnte: "Jo, mein Bester, ich habe Angst! Ach, ich will glauben, hat doch der Herr schon so großes Wunder an mir getan, wie sollt ich nicht alles glauben? Und doch: Ich hab Angst und bange um meinen liebsten Sohn. Oh Josef, wohin sollen wir? Und wie? Wann denn, jetzt gleich? Oh Josef, sag du!" Da stand er schon und packte die Taschen und rief: "Komm, nimm den Sohn, willst du ihn noch stillen? Ich werde den Esel packen, gleich ziehen wir los, ja, jetzt auf der Stelle, und zwar nach Mizraim, dahin hat uns Zebaoth beordert, da wird ein Ort für uns sein, wo es uns gut gehen wird, besser als hier, wo uns drohen die Schwerter des Königs." Da erschrak Maria ein drittes Mal: "Die Schwerter des Königs? Ja, wird denn Krieg sein?" Josef erwiderte: "Mädchen, sei tapfer! Herodes will unsern kleinen Jeschua töten, aber Gott will ihm sein Leben schützen, darum ziehen wir jetzt los. Frau, ich kann dir nicht mehr Mut machen, wende dich, wenns dir an Tapferkeit mangelt, direkt an den Herrn, der ist gut, der macht dir Mut." Maria gehorchte, weil sie einsah: "Herr! Du siehst, der Morgen geht herauf über Bethlehem, wir müssen fliehen, du hast es meinem Josef gesagt. Schütz uns auf der Flucht, vor allem schütz den lieben Jeschua. Oh Gott, ja, du wirst sein Leben bewahren, denn du hast ein Großes mit ihm vor, ja, darum werd ich jetzt ruhig. Auch Josef und mich wirst du schützen, auf daß wir weiter sorgen können für den kleinen Jeschua, ja, ich spüre deine allmächtige Hand über uns, ich fühle mich geborgen im Schatten deiner Flügel, Vater! Und fliehen wir auch ins ferne Mizraim, du bist da, allgegenwärtiger Herr und Gott, du bist da, bist bei uns auf dem Wege, wartest auf uns am Ziele, darum, Vater, bin ich getrost, ich danke dir, daß du mein Zufluchtsort bist, wenn mein Herz in Ängsten pocht, ich danke dir, daß du in Not unser Hort bist, eine Burg, ein Schild, ein fester Fels und Grund, ein Schirm und Schutz, o Gott, ich preise dich für deine Bewahrung! Halleluja, Amen!" Und die Drei brachen auf. Sie ritten zwischen den bräunlichen Büschen des Weges, die unterbrochen waren in ihrer buschigen Linie von einigen ragenden Bäumen, grünen Pinien, die im leichten Lüftchen des Morgens standen und schauten auf einen stillen Teich, welcher hellblau und silbrig glänzte, angehaucht von einem zarten Orange-Rosa, welches vom Horizont aus die Hügel überzog, welche wie sandfarbene Felsen in den kaum bewölkten Himmel ragten. Diese ganze Szenerie ward durchzogen von einem festgetretenen Wege, auf welchem die heilige Familie zog: Josef ging neben dem Esel, ihn am Zügel führend, Maria saß mit Jesus auf dem Reittier. Sie trug ihr gelbes Kleid und den meerblauen Umhang, mit dem sie auch das Haupt bedeckte und der in ihrem Schoß sich melodisch-gelassen zusammenfaltete; eben ordnete die Jesusmutter mit der rechten Hand die Kopfbedeckung, die ihr das Lüftchen durcheinander gebracht hatte, mit dem linken Arm aber hielt sie fest und sicher umschlungen den Gottessohn, welcher sich schlummernd an ihrer Mutterschulter lehnte, nah am Busen gebettet. Sie schaute so sanft und mild auf ihren Sohn und bot ihm mit dem blauen Tuch, von der Rechten gehalten, ein wenig Schatten dar. Josef aber ging stur des Weges, den Esel mit der Rechten führend, mit der linken den Sack über der linken Schulter haltend; ein anderer Sack lag noch hinter Maria über den Esel hin. Und da sie um die Kurve kamen, sahen sie schlummern am Wege zwei nackte Kinder, Simeon und Midda, etwa im Jesusalter, aneinander gekuschelt; diese beiden überlebten den Kindermord des grausam-gewaltigen Herodes von Bethlehem, der den König der Juden morden wollte, den Messias Israels, welcher aber in dieser friedlich-idyllischen Szene schlafend hinübergetragen wurde von der Fürsorge Gottes des Vaters. Dieser, der Herr, Zebaoth Jahwe, sorgte mit der sturen Wanderschaft Josefs und der sanften Mutterschaft Mariens für den heiligen Gottessohn; der aber, jüngst noch in Pracht und Macht, Herrschaft und Majestät prunkend thronend inmitten der Gotteslöwen und Erzengel-Adler, der Cherubim und gewaltigen Stiere, herrschend als Gott der Herr inmitten des Hofstaates droben im Himmel der Himmel, er, der Sohn, Gott gleich, er war jetzt ein bedürftiges Kindlein, ein hilfloser Säugling, der getragen ward von der Gnade Gottes, und doch war er so herrlich, Maria mußte ihn nur heimlich ansehn, und ihr Herz ging über: "Jeschua, Allerliebster! Bist mein Kind und doch mein König, o du Geliebter, von Gott und von Gottes Magd Geliebter, du, wie soll ich sagen? Ich will zu den Füßen dir fallen, fühl ich mein Herz überwallen, aber muß mich zusammennehmen und stark sein und dich halten, weil Gott der Herr seinen Sohn mir anvertraut, daß ich ihm eine rechte Mutter sei, welch ein Wundersegen! Gott machte seinen Sohn zu meinem Sohn, so bin ich Gottes Braut, von Ewigkeit für ihn auserwählt und ihm anvertraut, und dies alles allein durch die Mittlerschaft dies süßen Jeschua, dies unsres Babys, das so göttlich ist, wie ich sonst nichts je sah, oh dieser Einzigartige, der schlummert mir an meinem Mutterbusen, der voll ist süßer Milch für Ihn, ja, ja, ich darf den Sohn Gottes mit meiner Milch stillen! Heiligste Lippen küssen meine Brüste, solche Lust und Wonne erlebte keine sonst, das ist: Ich bin eine Begnadete, Gott hat mich gebenedeit über alle Maßen, er hat angesehn meine magdhafte Niedrigkeit und hat mich erwählt aus seiner Gnade heraus zu einem Segenswerk sondermaßen. Daß ich das erleben darf! Wunderbar! Wunderbar bist du, mein Jeschua, Jeschua du!" Schließlich kamen sie an in Mizraim, im Ägypterlande, dem Gruft- und Krypten- und Totenland, da selbst die Götter noch Tote im Mumienwickel waren, da selbst die Sonne täglich durch das Land der Toten reiste mit Gefahr fürs Leben, in diesem Lande voller Schönheit mit einer abscheulichen Religion siedelten Josef und Maria an, mit dem Kleinen, und zwar im mittelmeernahen Alexandria, da inmitten der Scharen Ägypter einige jüdische Essener wohnten. Sie hatten eine kleine einfache Hütte, und Josef suchte sich eine Arbeit als Zimmermann. Maria nahm Kontakt auf mit den beiden Nachbarn, dem Mann Mesetet und seiner Frau Mesetetef. Das war nun eine schöne Frau, mit weicher Haut und eleganten Lippen, breitem Munde und prachtvoll-weißen Zähnen, ihre Augen waren offen und braun, warm wie Augen von Mutterkühen, mit einem heimlichen, stillverborgenen Leuchten, Gott weiß woher. Diese Frau nun hatte einen geheimnisvollen Glauben, den keiner definieren konnte, denn er stimmte nicht zusammen mit irgendeinem offiziellen oder halboffiziellen Staatskult der großen Staats- und Todesgötter (Skorpione, Affen, Falken, Kühe, Katzen und so weiter, ja, Frösche und Nilpferde gaben die Köpfe her für diese abscheulich-greulichen Götzen und Götzinnen), Mesetetef aber hielt an dem Höchsten fest, der Licht war und über allen Göttern unsichtbar thronte. Voller Grauen sprach sie, heimlich, versteht sich, zu dieser Hebräerin, die da glaubte auch an einen unsichtbaren Schöpfer, dessen Namen die Jüdin immerhin kannte, aber nicht aussprach, insgeheim also sprach sie mit Widerwillen über die Totenreise des Staatsgottes, des Sonnengottes Re. Ihr Mann, der Bauer Mesetet war ein fleißiger und staatstreuer Götzendiener, allabendlich pries er die Höllenfahrt des Lichtgottes, daher kannte Mesetetef die Höllenbilder alle auswendig, und ihr graute davor, daß sie selbst eines Tages hinabmüsse zwischen die Pharaonenratten. Nun sprach sie zu Maria, der Lauscherin mit der Taubenseele, von der Höllenfahrt des Gottes des Lichts: „Unter dem Namen Fleisch trat der Gott seine Reise durch die Hölle an. Re setzte sich nieder in die schwarze Todesgondel, mit den zwölf Seeleuten, Todespiraten, seinen Höllengesellen und nachtschwarzen Dienern. Die Dame der Lust, Mizraims Göttin mit dem Gehörn der warmen Mutterkuh, sie spielte die hehre Dame der Barke, auf den Armen der Kindsgott, Horus der Anbeter, dem die Zwölf Anbetung und Lobpreis sangen zu Sistrum und Zimbel: Preis Ra, denn er ist schrecklich! Der Opferstier der Wahrheit stand am Steuer, die Affen aus Schwarzafrika öffneten uralte Pforten des Tempels der Unterwelt, kreischenden Gesanges des Re Eintritt begleitend inmitten zischend-züngelnder Schlangen, die mit ihren geilen Augen die Finsternis rotleuchtend noch mehr verdüsterten. Re sprach Recht (oder Unrecht) den Vegetationsgöttern zu, die im Korn dialektisch erstanden in alljährlichen Auferstehungen, sogenannten, primitiven Scheinauferstehungen, und säten ihren vergänglichen Samen in Mutter Erde in geiler Wollust wie Kanaans Baal. Dann befahl der Re dem Totenrichter Osiris aufzuwachen, indem er ihn anhauchte mit Wille, Gefühl und Intellekt, er gab ihm seine verfluchte und rachgierige Seele wieder, um ihn auf ewig auf einen Feuerthron in der Unterwelt zu setzen inmitten dämonischer Schöffen. Geflügelte Schlangen glitschten in einem weiteren Gang, der sich immer tiefer hinabwand in neun Windungen. Da war einer, der hieß: Der sich vom Hauch seines Mundes nährt; das war der Dichter der Hölle, inspiriert vom Todesgötzen und Höllenbeelzebul, eine Schande für seine Zunft. Da war ein weiterer, der hieß: Der von den Stimmen der Wächter der Wege lebt; das war ein Machtmensch, redegewandt in Formulierungen aus allerlei Unheil und Übel, Lüge, Verleumdung und geistigem Mord; ein typischer Mann seines Fachs aus der gefallenen Schöpfung, die da Oberwelt sich nennt und doch so verwandt ist mit der Unterwelt. Der Weg führte, zwischendurch scheinbar gefahrlos, in das Grab des Osiris, den Sitz des Gottes der Nekropolis, sein Name tut nichts zur Sache, er stinkt abscheulich nach Verwesung und immernagenden Wurmes Ausscheidungen. Die Sonnenbarke Res fährt auf den Katzenkopfhügel der toten Isis zu, dessen Inneres überwacht wird wie Todesgrenzen von feuerspeienden Drachenhäuptern; Re fährt hinein und sieht den Erdgott, der umhergeht wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann, ein personifiziertes Grab, da kommt der falkenköpfige Götze Sokar hervor, auf dem Rücken einer satanischen Schlange mit listig glotzendem Menschenkopf; über dessen Hügel, über dem Sokarhügel befindet sich ein mythischer Mistkäfer, Mistpillen drehend, der nach dem Zugseil der Todesgondel greift, der die Barke hinüberzieht durch glitschigen Mist der Sonnenfinsternis, hinüber zum Wüstengrab des Totenrichters, des Schattenfürsten der Unterwelt, dessen Grab bewacht wird von zwei Sperberweibchen, welche die Mythologen als Göttinnen ansehen; neben diesem Wüstengrab steigt aus dem Hügel mit dem Namen Nacht ein Skarabäus, ein Geist steigt aus der Unterwelt, ein Abaddon aus dem Abyssus. Die Barke aber in diesen Regionen kommt vor den Affengeist, den ein Theologe als den Affen Gottes bezeichnete, der Thot heißt, und der den Tod in Händen hält, er beabsichtigte eine Stadt für die Götter Ober- und Unterägyptens zu bauen, denn die Götter waren seine Freunde, besonders nahe stand ihm jener, den er Chepre nannte, der ein leichenförmiger Götze war, von einer fünfköpfigen Schlange umwunden. In diesen Räumen der Finsternis kam auf den Gott des Lichtes zugerannt eine katzenohrige Gestalt, Messer schwingend, welche Gestalten enthauptete bei dem schlangenumwundenen Fleisch des Osiris, während der Strafende (so hieß er) Rebellen fesselte und zerrte zur Apophisschlange des Chaos, deren Schwanz gehalten ward von der Skorpionengöttin und der Göttin Führerin-der-Klingen. Re aber zieht weiter in die Nischen, da die Pharaonenratten wimmeln mit abscheulich-greulichem Piepsen und flüsterndem Wispern in schriller Pfeiftonlage, eine Qual für schöne Ohren, und aus den schwarzen Gewässern tauchen Leviathane und Behemote, die aussehen wie Krokodile und Flußpferde, aber satanischen Charakters und Temperamentes sind; von ihnen getragen kommt die große Kobra hervor, die wie ein auf den Schwanz getretener Kater schreit; auf diesen Schrei hin erscheinen zwölf feuerspeiende Kobras, Wächterinnen des Schattenfürsten, die vom Blute der Toten leben, wie Lilim und die Vampire vom Roten Meer. Re ruft: Straft meine Feinde, die durch die Pforte der Finsternis kommen! Diese Gestalten werden in Feuergruben geworfen, in welche Göttinnen mit zänkischen Zungen Flammen speien, in anderen Gruben schmoren Verdammte mit den Köpfen nach unten, daneben Kopflose, Schatten, verdammte Seele in urewigem Schrei der unendlichen Todesqual. Über diesem Abgrund steht die Todesgöttin mit dem Kindsgötzen, welche hinhaucht: In die Feuergruben seid ihr gestürzt und werdet in Ewigkeit nimmermehr entfliehen, sondern die Göttin Führerin-der-Klingen wird euch in die Äone der Äone hinein immer wieder die Eingeweide aufschlitzen, euch zerstückeln und schlachten für Satan auf dem Opferaltar der Hölle! Re aber, die Strahlen schießende Sonne, erglänzt zwischen den Schenkeln Nuts, der Göttin der Nacht, und wühlt sich und fühlt sich hinein in die abgrundtiefe schweinische Wollust der Hölle, denn er war ein Engel des Todes, verkleidet als Engel des Lichts. Der wahre Gott aber, der Allerhöchste, thront in Herrlichkeit und warmem Licht droben im Himmel, siegreich über alle Götter. Was sollen wir ihm anderes opfern als allein die Liebe unserer Herzen!?" So sprach Mesetetef. Josef sah in die sinkende Sonne, sah bald in die linde Bläue der frühen Dämmerung, da der Abendstern in kristallener Klarheit funkelte, silbern und weiß schimmerte oben am Firmamente wie ein Diadem. Bald tauchte auch auf das Kreuz des Südens, wie feurige Diamanten am Busen der Nacht, ein Kreuzkettchen am Halse der Göttin der Nacht. Josef war schon ein wenig beeinflußt vom ägyptischen Götzendienst, leider, und Jahwe war eifersüchtig. Und dann dachte Josef an die Maria jener Zeit zurück, da sie das Jesusbaby hatte auf dem Schoße liegen, schöner tausendmal als das steinerne Idol der Mutter Isis mit dem abgöttischen Horusknaben auf den Knien: ein Totenbild, abscheulich. Nein, sie war keine Göttin, Maria, keine Magna Mater Asiens, keine Katze oder Kuh aus Mizraims Olymp, sondern eine echte leibhaftige Frau, das schönste Geschöpf Gottes, wenn sie lang lag und sich ausruhte; dann war ihr Gesicht so weich und weiblich, klar und kindlich, süß und zum Küssen. Wenn Maria ruhte, dann rollte sie sich zusammen und deckte sich zu mit violettem Leinen, und auf ihre Hüfte hingelümmelt ruhte Thyrza, die junge Katze, die so anhänglich war wie nicht der Sohn: der war nämlich brav und gehorsam, aber von eigenartiger Souveränität. Josef nun dachte mit schmelzendem Herz an Maria und überlegte sich, was er ihr Liebes wollte sagen: "Du, Mariechen, laß mal riechen, oh, Myrrhe duftet nicht so gut und Narde, wie du! Dein Atem duftet wie die Minzbeete aus Mizraims Lustgärten! Und deine Augen, Maria, deine Augen! Die Hasen, die Wiederkäuer zu sein scheinen, sie schauen nicht so sanft und lebendig-jung wie deine Augen. Mädchen, wenn du schmollst, nur so tust als ob, dann sind deine feinen Lippen wie aufgerollte Weinblätter, wenn der Morgentau auf ihnen schimmert im Glanz der Morgenröte. Wann seh ich dich wieder tanzen, Maria? Oh du, Miriam in Mizraim, du, wenn du Jahwes sanftes Wirken mir erklärst, sein heilendes Handeln an deinem Herzen, wie sanft melodisch malst du dann mit deinen feinen milchweichen Mädchenhänden die Innigkeit Gottes vor meine Augen! O du sensible Künstlerin! Und, Maria! Oh du, wenn du dir Gedanken machst, über die Vollkommenheit des Vaters, seine Güte und Liebe, über seinen Geist und die Freiheit, die er bringt, und dann sinnierst über den Bräutigam, den Messias! wenn du von ihm schwärmst und umarmst dann unsern über alles geliebten Jeschua - Jeschua liebt dich, Maria, und ich, der Josef, ich hab dich auch lieb, ich kanns nicht alles sagen, wie ichs meine, ich bin nur ein herber Zimmermann", so dachte Josef über sich, da sah er aber Jeschuas Augen im Geiste, wie liebevoll er den Arbeiter anblickte, da ward dem Josef ganz warm und weich und dankbar ums Herz. Maria kam mit Jesus, da stand Josef da und schnürte das Reisepäckchen. Josef hatte gescheiteltes Haar und einen reichen Bart, er trug ein weißes Hemd, die Ärmel aufgerollt, und eine knielange braunrote Hose. Seinen Fuß in der Sandale stellte er auf das Bündel und zog mit beiden kräftigen Armen den Gurt fest. Jeschua hatte braunes Haar, das ihm auf die Schultern fiel. Er war vielleicht fünf Jahre alt. Sein rosenrotes Obergewand fiel ihm bis auf die Lenden, darunter er eine rote Hose trug, die in braunen Stiefeletten steckte. Über die Schulter gehängt trug auch er sein Päckchen. Mit sensiblen Augen sah er liebevoll seinen Ziehvater an. Neben ihm ging Miriam, Josef fand, in einem heute sehr schönen Gewand, das Mesetetef ihr zum Abschied geschenkt hatte. Sie trug ein rosenrotes Oberkleid mit halblangen Ärmeln, darunter mit langen Ärmeln ein blauviolettes feines Hemd, das farblich mit ihrem Schleier harmonierte, der Macht auf dem Haar, der ihr frisches Gesundheitsgesicht freiließ. Umgeworfen trug sie einen braunen Umhang, der in langen Wellen und weichen Falten an ihrem prächtigen Körper hinunterfloß, ein Genuß für ihres Mannes Auge, der sich an ihrer weiblichen Figur berauschte. Es war soweit: die heilige Familie zog aus aus Ägypten, denn - Gott rief seinen Weinstock aus Mizraim, ihn einzupflanzen im Gelobten Lande, daß seine Wurzeln wurzeln auf dem Berge Zion, daß seine Reben wachsen von der Wüste im Süden zu den Zedernbergen im Norden, vom Meer bis zum großen Strom, daß die Gottlosen seinen Taumelwein bis zur bitteren Hefe leeren am letzten Tage der Erde, daß die Auserkorenen zur Freude ihrer Herzen sich berauschen an den Traubenbrüsten des Weines, den Gott ihnen einschenkt, der ihnen nicht nur das Wasser des irdischen Lebens einschenkt, sondern auch den Wonnewein der himmlischen Liebe; aber wehe ihm, dem Weinstock, denn seine Zweige werden zerrissen, seine Trauben zerquetscht, daß das Rebenblut zur Erde tropft, denn er ist bereitet als ein Trankopfer auf dem Berge Moria, zur Versöhnung und zur Erlösung.





NEUNTES KAPITEL


Maria sann und sprach mit Gott im Gebet und ergründete mit dem Geiste Gottes ihr Herz, ihre Seele mit ihrem Verstand und ihrem Gefühl und ihrem Willen, und betend bedachte sie sich selbst mit Gott also: "O Gott, laß mich verstehen, wer ich bin. Siehe, ich bin ein Geschöpf Gottes, ein einzigartiges Geschöpf Gottes. Keinen hast du gemacht wie mich. Wie hast du mich gemacht, mein Schöpfer? Du kennst mich, ob ich träume oder denke, du weißt es und siehst es alles, Herr, offenbare meinem Geiste durch deinen Geist, wie du mich siehst. Ich bin bei dir, Maria, sagst du, Herr, und ich liebe dich von Anfang an bis in alle Ewigkeit, Amen! Das sei Grund und Fundament meines Betrachtens, daß du mich liebst, Gott. Ich sah in den schönen Frühling hinaus, und mir schien, ich sah aus einem dunklen Zimmer, durch das Fenster meiner Augen, in den lichten Lenz von Gottes schöner Natur hinaus. Warum ists so düster in meiner Seele gewesen? Wie der schwarze Samt der Nacht, wie der schwarze Asphalt vom Toten Meer, so ist manche traurige Stunde mein Gemüt, und nur wenige goldene Sterne blinken drauf, das sind die Tränen, die zu weinen mir meine Tröstung ist. Gut, himmlischer Vater, daß du mir den lieben Josef gegeben hast, daß ich dann an seinen Busen mich schmiegen kann, daß ich den starken Zimmermann um mich wissen darf und in der Geborgenheit an meines Mannes Seite weinen, weinen darf und unter Schluchzen mein Herz ausschütten. Und da nahm er meinen Kopf in seine breiten und doch so sanften Händen und hob mein armes Köpfchen und küsste mir die salzige Träne von der Wimper. Und dann wards wieder helle in meinem Herzen. Ich hatte die Knoten meiner Gedanken und die Dunkelheiten meiner labyrinthischen Fragen mit den heißen Tränen hinausgeschwemmt, ja, meine Melancholie war wie ein Pharao in dem Roten Meere meiner Tränen ersoffen, aber der Trost meines Herzens ging hervor wie ein siegreicher Mose. So geht es auf und ab wie eine Kinderschaukel, die Josef dem kleinen Simon machte, drüben hinter der Hütte, Gott, du weißt, so ist meine Seele. Aber ich bin nicht nur dies melancholische Gefühl, ich bin dazu auch noch gedankenreich in meinem Temperament. Ich sehe den Katalog meiner Leidenschaften deutlich vor mir, ich sehe, wie du, Geist Gottes, an meinem Herzen modellierend gearbeitet hast, ja, Herr, ich sehe, wie meine Trauer den Ton meines Herzens feuchtet, daß deine Schöpferhände, deine Töpferhände, Vater, mich gestalten können. Ich sehe, wie ich als Kind immer einsam war, auch wenn ich mit meinem Kinderfreund spielte, bei allem Liebesspiel, im Herzen war ich einsam; und wenn meine liebe Schwester Mitka (danke, daß sie jetzt auch bei uns ist, Gott), wenn meine liebe Mitka mir beim Zeichnen zuschaute und von ihrem Steinsperling mir erzählte, ach, wie seltsam einsam war ich dann dabei, weil sie so süß zwitschernd vom Vögelein schwatzte, ich aber ernst sinnend mit zärtlicher Traurigkeit war; einsam war ich, Gott, und du bist gekommen in mein Herz in früher Jugend, und da hast du als ein Bräutigam diesen Mangel ausgefüllt, da hast du mehr und mehr mein Herz mit Jubel und Wonne geküsst. Gott, ich seh es, weil dein Geist mir die Augen geöffnet, weil es wie ein Schleier von meinen Augen schwindet und wird Licht und Licht umher durch deine Gnade, himmlischer Vater! Und dann hast du mir den Josef gegeben, Gott, diesen schlichten und gerechten Mann, der so reif und erwachsen ist, mit den Händen so geschickt, geschickt zu Hammer und Hobel, geschickt zu zierlicher Schnitzerei, geschickt zuzupacken und geschickt, zu streicheln mit sanfter Zärtlichkeit, wunderbar, Gott, ganz wunderbar hast du mir den lieben und allerliebsten Josef gemacht.   Er ist so einfach, von heiliger Einfalt, und ich bin in den verschlungenen Windungen meines Gemütes, Vater, da kann mich Josefs heiterer Spruch nicht befreien, da kann nur dein heiliger Geist mich in die Freiheit erlösen, und das ist er zu tun stets und immer wieder bereit, dafür hab Dank, allgütiger Gott. O ich preise dich, Jahwe Elohim, mein Adonai Zebaoth, du Gott des Messias, Vater des Messias Israels, Heiliger! Dich will ich preisen, weil du es so gut mit mir meinst, wie ich immer wieder dankbar erfahren darf. O Gott, ich preise dich, daß ich dich kennen darf, daß du aus deiner Gnade heraus dich mir offenbart hast, auf daß ich mich mit deinen Augen betrachten darf, Gott, denn so: Ob ich melancholisch bin, du hast mein Temperament geschaffen und sagst mir: Du bist tiefsinnig, du bist einfühlsam und sensibel, du bist gründlich in deinen Gedanken, du fühlst Meine Nähe, o Meine Tochter, und Ich, Ich hab dich je und je geliebt!" Da warf sich Miriam mit dem Angesicht ins grüne Mariengras, das duftende Honiggras des nazarethischen Frühlings und dankte Gott von ganzem, heißklopfendem Herzen. Maria schaute aus der Hütte und sah Jedida kommen, die Nachbarin. Hinter der Hütte in seiner Werkstatt hämmerte Josef, schaute eben aus der Hütte und sah ebenfalls Jedida kommen. Sicher war es ihm klar, dem Josef, daß er über alles Maria liebte, ihr Gemüt, ihren Geist, ihre Wange, aber da rührte ihn merkwürdig auch Jedida an, ob er es wollte oder nicht, er konnte sich nicht dagegen wehren, er konnte es sich auch nicht erklären, was es war, ob es das war, was man Agape nennen könnte, oder gar verborgener Eros? Verheiratet war ja Josef mit der guten Miriam, vermählt war ebenfalls Jedida mit dem gutherzigen Reuben, der ein Synagogenvorsteher werden wollte und in eine entsprechende Schule ging, auch wohl sehr gut mit Kindern umgehen konnte, denn er hatte ein reines kindliches Gemüt und leuchtende Augen von entwaffnender Offenheit, Josef mochte ihn, auch wenn sie wenig Kontakt miteinander hatten (der einzige Kontakt war der gewesen, daß Josef dem Reuben ein griechisches Lied vorgesungen hatte, das er irgendwo gehört und schön gefunden hatte, aber dem Reuben hatte es nicht gefallen, er mochte lieber das Paukenspiel der Töchter Galiläas). Jedida kam also. Herrlich! Und wie aufgeregt ward Josef! Das war ein Prachtweib! Ein andres Wort fand er nicht. Ja, besonders wenn er sie singen hörte, wenn er sie dabei beobachtete, da ging ihm sein Herz auf wie eine Magnolienblüte, da wurde es warm wie das klopfende Herz eines Hasenjungen. Er schaute dann auf ihre melodisch geschwungenen Linien von Prachtlippen, kindlich süß, wie zwei Spatzenschwingen geschwungen, von denen floß es Wohllaut und herrlichen Stimmenton, so goldig und kraftvoll, so rein und holdselig, das erfüllte dem Josef die Seele mit Freude. Und dann sah er auch noch ihre rotbraunen Locken, die so neckisch verspielt, ja vertobt an den kurzsichtigen braunen Augen sich vorbeikringelten, die Augen, die von einer Ecke in die andere spielerisch rollten, in Wahrheit aber während der Preislieder nach innen schauten in die Seele, die so weiblich und mütterlich war, so in sich ruhend und dynamisch zugleich, eine beeindruckende Erscheinung, und ihre Ausstrahlung, irritierend und ermutigend, da war Josef einmal so froh gewesen, als sie ihn ansprach. O diese Frau, die hätt er gern als Mutter gehabt, auch wenn sie sieben Jahre jünger war als er, diesem Weibsbild hätt er gern mal was Nettes gesagt, vielleicht sollt er ihrem gutherzigen Mann was Nettes über seine Frau sagen? Wohin mit seinen Gefühlen? Einmal wäre Josef gar bei den beiden vorbeigegangen und hätte geklopft und ein Glas Wein mit den beiden getrunken, aber bei dem planenden Gedanken war ihn so ein schweres und heftiges Klopfen des Herzens angegangen, daß er es denn doch hatte sein lassen. Wenn er aus Überschwang und Überfluß Maria irgendwelche Gefühle andeutete (denn er war eine offne Natur), dann bezog sie es gern auf sich und hielt es dem Lenz zugute. Der ehemalige Freund Jorah war weit weg, und hätt er es verstanden? Es war doch so ein feines Gefühl, so zwischen allen Worten, es war nicht Liebe und nicht Gleichgültigkeit, nicht einmal richtige Verliebtheit, ein wenig Bewunderung vielleicht und ehrfürchtige Scheu, aber nichts traf es so recht und echt, vielleicht kann er es nur dem Gott des Himmels, seinem Schöpfer, ganz und gar sagen, was er empfand für diese wunderbare Wonnefrau, diese prächtige Sängerin der guten Nachricht von Gott, die einmal mit jubilierendem Glanz in der Frauenstimme sang: "O glücklich der Tag, o glücklich der Tag, wenn Gott kommt und mir meine Sünde abnimmt!" Da war Jedida aus Josefs Blickwinkel verschwunden und zu Maria in die Hütte gegangen. Maria sah Jedida kommen und freute sich und sah noch eben über der schönen Frau schöne Schulter hinweg in den Garten (es war Frühling in Nazareth), da sah sie ihre Ziehkinder spielen, Jesu Vettern und Basen, nur Jesus nicht unter ihnen. Da spielten die beiden Basen Jesu, Para (die Kuh) und Milka (die Frau eines Königs), mit ihnen spielten Simon, Joses, Jakobus und Judas. Sie waren jüdisch erzogen und hebräisch gesinnt, aber im Spiel kann man ja einmal etwas anderes ausprobieren, oder? Denn sie hatten auch etwas mitbekommen von der hellenistischen Kultur, die mit den Römern nach Galiläa hineingekommen war. So spielten sie ein Spiel, das hieß: Hirten in Arkadien. Para war Daphne und Milka war Phyllis, Simon war Daphnis, Joses war Philemon, Judas Alexis und Jakobus Menelaos. Und so riefen sie einander fröhlich lachend die Worte zu: "Bei der goldenen Leier Apollons und den tiefgeschoßten Musen! Wer ist jener hübsche Hirte dort? - Das ist Daphnis, der aus Athena gekommen, wo er Philosophie getrieben, aber der hohlen Nüsse und leeren Sophistereien müd und überdrüssig aufs Land ging, wo er herzhaft wahre Natur erkunden wollte und wahre Prachtmädchen küssen, bis ihm die Eine begegnet, deren Blicke ihm Amors Pfeile, Cupidos Brandgeschosse, des Eros Fackeln in sein Herze werfen! - Und wer ist jene Schäferin da, die da an den Zitzen des buntscheckigen Zickleins hängt? Goldene Locken fließen ihr hin wie vom Zephyr gepflückte Ginsterblüten durch die Lenzlüfte fluten. - Das ist Daphne, die auch Phöbus Apollon begehrte, aber sie sparte sich auf als keusche Jungfrau, keusch wie eine Vestalin Romas, sparte sich auf jungfräulich für ihren Bräutigam, der ein wahrer Adonis müsse sein, ein Halbgott an Schönheit und mit einer Herzenseinfalt, wie nur Hirten sie haben. - Dann wird es Philemon sein, der sie kriegt. - Alexis hat ihr auch schon einen Kuß gestohlen. - Ich dachte, Alexis küsste gestern noch die süße Phyllis? Kann eine begehrenswerter sein als die liebreizende Phyllis? Ihre Mutter Amaryllis soll schön gewesen sein wie Helena, aber Phyllis ist schöner als selbst Aphrodite auf der Muschel. - Nur Menelaos ist traurig und allein. Früher liebte er Knaben, aber als er einsah, daß der Venus das gar nicht gefällt, da schwor er aller Liebe ab. - Wen denn liebte er in seiner Jugend? - Er nannte Alexis seine liebliche Silberzwiebel. Aber wir wollen solch einen platonischen Unsinn nicht weiter pflegen. Legen sich doch auch die Widder zu den Schafen, Lämmer zu zeugen, und keiner sah je Bock zum Bocke gehn. - Ich will Daphne Granatäpfel pflücken, daß der Saft ihre Lippen noch röter färbt. - Noch röter? Sind doch Daphnes Lippen schon so rot wie eine Rose im Maien. - Was gehen dich Daphnes Lippen an? Ich allein bin berufen, mein Prachtmädchen im Mondenscheine zu küssen. Und sie wird auch nur mich allein wiederküssen, wie Diana Endymion küsste, aber nie hörte man, daß Diana auch Hyperion küsste. - Aber Kinder, meine lieben Schäfchen, was machen wir mit Menelaos? Wo finden wir ein Hirtenmädchen, das den trauervollen Schäfer Menelaos küsst? Seht doch, er ist solch ein Träumer, wir müssen ihm eine Braut suchen. - Ich will ihn küsssen! - Du, Phyllis? - Seht doch, Daphnis und Daphne küssen sich!" – Jeschua ging einsam abseits und sann. Jesus sprach mit Gott in seinem Herzen: "Abba, ich fühl mich wie ein Spatz, auf den kleine Jungen mit Steinschleudern schießen. Vater, ich bin arglos, sie aber Sünder von Jugend an. Sie tragen die Mäntel aus Schafspelz, aber inwendig sind sie reißende Wölfe. Sie verkaufen Korallen und Perlen, aber ihre Seele ist so arm, ihr Geist so geizig, nichts wollen sie dir geben, Abba, alles wollen sie für sich selbst behalten. Sie sind wie Tongeschirr, das den Töpfer verleugnet. Sie sind wie Kerzen ohne Flamme und leuchten nicht. Zerstoße sie wie Mais mit dem Mörser deines Zornes in der Schale deines jüngsten Gerichtes. Abba, ich preise deine Kunstfertigkeit und deinen Phantasiereichtum, wenn ich den gelben und rosanen Flachs in den Feldern sehe, die feuerroten Mohnblüten, die Hügel mit Myrrhe und Erdbeerbäumen und Steineichen, du meinst es so gut mit den Menschen, daß du sie in eine so herrliche Schöpfung setztest, Abba, wenn es möglich ist, laß deinen Zorn nicht die Menschen treffen, laß dein Gericht an ihnen vorübergehen, nimm mich als Sündenbock, Abba. Du hast zu Adam in der linden Abenddämmerung gesprochen, wenn eine frische Brise durch die Lüfte säuselte und Adam die vom Tage noch warme Stirne küsste mit linder Frische, da war es dein heiliger Odem, Abba, und so redest du nun auch mit mir, mein Abba, als wär ich ein neuer Adam. Ich liebe den Wind auf den Gipfeln der Hügel so sehr, er ist mir Sinnbild für deine unsichtbare Lebendigkeit, Abba. O welchen Reichtum gabst du den Menschen mit Olivenhainen und Weingärten, schlanken Zypressen, Feigenbäumen und Maisfeldern, und doch wollen sie dirs nicht danken, Abba, und das ist ihre Sünde. Laß mich im Sommergetreide des Lebens die Zarzur-Grille sein, die Kündigung zirpt von deiner Schöpfungskraft und Gnade, Abba, Schaffender und Erhaltender und Vollendender. Siehe, du bist ewig, ewiger noch als der ewige Schnee auf den Gipfeln des Hermon, der auch im Sommer noch da ist. Unerschöpflich bist du, eine Quelle des Wassers des Lebens, unerschöpflich wie nicht die drei Jordanquellen auf dem Hermon, deren Wasser als der Jordanstrom ins Tote Meer fließen, aber deine Ströme lebendigen Wassers fließen ins ewige Leben. Seht doch, ihr Menschen, die Ebene von Esdrälon, die herrlicher ist als selbst das bunte Gewand des Träumers Josef; wenn diese Ebene schon so herrlich ist, wieviel herrlicher bist dann du, o Schöpfer, Abba. Du bist erhabener als die Eichen auf dem Tafelberg Tabor, du bist fruchtbarer als daselbst die Johannisbrotbäume, du bist schöner und herrlicher als daselbst die Iris in Purpur und Weiß. O mein lieber Abba, ich erlebe einen Moment der Freude, wie ihn wohl nur Kinder erleben können, du hast mir solch ein süßes Glück beschert, einfach, Abba, indem du die Nachtigall singen machtest. Die Nachtigall ist eine Prophetin, die künden muß von Gottes Herrlichkeit, denn wenn sie nicht kündete, so erstickte sie an ihrem übervollen Herzen, die Nachtigall ist eine Poetin hebräischer Poesie und Weisheitsliteratur, so süß, so sinnig, so selig, weil sie ein Herz hat, erfüllt von deinem Geiste, Abba. Und drüben im Westen das Karmelgebirge, Elijahus Tanzplatz, wie tanzen da die Mustangs, und schnauben und riechen gegen den Wind und halten schräg den Kopf, zu erforschen, was da kommt, wie lauschende Propheten, wenn sie Gottes Stimme nahen fühlen, und stürmen dann los wie Gideon, Josua und König Saul in die Schlacht, Stürme, unaufhaltsam wie der Zorn Gottes, und doch so rein und hold aus dem großen warmen Auge sind die Pferde schauend, wie die Liebe Gottes, barmherzig, warmherzig und groß. Wie erbärmlich scheint mir angesichts der Herrlichkeit deiner Schöpfung, o Schöpfer, das Gezänk der beiden Füchse, die ihre Rivalität in die Nacht hinausschreien, Sünder, die mir so unendlich leid tun, verlorene Geisterfüchse, die den Donner des Himmels fürchten, Lüstlinge, welche den Weinberg Sulamiths oftmals verwüstet, aber auch sie liebtest du, als du sie schufest, Abba, und nun, was wird mit ihnen? O ich fühle die Verlorenheit so elend und ewiglich-wehe, da ich eben den Ruf der Eule über den Trümmern höre, den Todeston, langgezogenes Heulen der Weheklage und Notsirene der drohenden Verdammnis. Abba, rette die Sünder, Abba, tu dein Werk, Abba, gieße den Wein deiner Gnade aus! Abba!" Aus der Hüttentür heraus sah Maria Jeschua wandeln und rief ihm zu: "Sohn! Wenn ich dich so sehe, so umflort von traurigschönem Einsamkeitszauber, da wallt mir mein Herze über, und ich denke, du bist ein ganz Besonderer, du bist ein Einzigartiger, du in deiner Seelenhoheit und Geistesreinheit, Sohn. Wie mir scheint, will Gott dich besonders gebrauchen, fast dünkt mich, du wüsstest auch, wofür. Warum denn wandelt dich diese schwarzseidige Schwermut an? Und bist doch gleichzeitig so ein Schwärmer von dem Schöpfer der Schöpfung? Hältst dich fern von den kleinen Heideneitelkeiten und Götzenpoesien deiner Vettern und Basen, aber keinen unter ihnen sah ich je so voller Liebe zu meinen Kindern. Keiner von ihnen ist so gehorsam seinem Vater, wie du dem deinen. Mir scheint, lieber Sohn, während Simon und Judas und Jakobus und Joses, Para und Milka spielten Hellenistisches, antik Römisches, da hast du was getan, mein Sohn? Ich meine, ja, mir scheint, du hast gebetet zu Gott, und darum seh ich solch ein Licht um dich schimmern, lieber Jeschua, weil Gottes heiliger Geist dich erfüllt, weil Gott seinen Geist ausgegossen hat wie flüssiges Licht von feurigem Züngelfeuer, wie Salbe, und sei es nur für den Augenblick einer Stunde, darum bist du so leuchtend, ja, du bist Licht, Jesus. Nun komm zu deiner Mutter, sie will dich herzen, herzlieber Jesus."



ZEHNTES KAPITEL:


"Ihr Lieben", sagte Asuba zu ihren Freundinnen, unter denen Mitka sich befand, Marias Schwester, "wisset, daß mein Freund ein Salbenzubereiter ist, und was er mir so erzählte über das Duftende, das ist mir höchst interessant gewesen." - "So sag uns was davon", bettelte Mitka, die gut gesalbte Männer schon immer gern riechen mochte. Asuba holte aus: "Gott lebt in der Stadt der Düfte, denn die Gebete der Heiligen steigen auf wie Weihrauch. Und weil der Herr es gern mag, wenns gut riecht, so sprach er von einem Wohlgeruch des Lebens zum Leben, im Gegensatz zum Stank des Todes zum Tode. Ein Duft des Lebens ist vor allem die heilige Salbe, mit der gesalbt ward der Priester und der König. Da sprach der Herr mit Mose und sagte: Nimm dir vom besten Parfümgrundstoff, edelste Myrrhe (die wie bitteres Lakritz riecht) und Zimt, davon halbsoviel, und Kalmus, das in den Sümpfen Ägyptens wächst und duftet süßer als Lotus, und Kassia, zimtig und süß duftend, davon soviel wie von der lakritzigen Myrrhe, nach dem Gewicht des Heiligtums fünfhundert Lot, und eine Kanne Olivenöl. - Wisst ihr, Kinder, wenn das Olivenöl mit Zimt und Kassia, Kalmus und Myrrhe in den Mantel des Propheten eingedrungen war, so hielt sich der Wohlgeruch des Lebens wochenlang. Kein Wunder, daß die Gemeinde vom Gesalbten des Herrn sprach. Auch Räucherwerk befahl der Herr dem Mose zu bereiten aus der harzigen Substanz Balsam, der süß-zimtigen Styrax Resin und dem duftig-grün-frisch nach Blättern riechenden Galbanum; ich sag euch, der Weihrauch riecht harzig-süßlich, ja, narkotisch. Marot, dein indischer Opiumduft, der kommt dem schon nah, der ist auch so süß-narkotisch. Ihr Frauen, nicht nur die Propheten und Priester und Könige wurden gesalbt, auch die Frauen. So badete Ruth und salbte sich für ihren Löser Boas, den sie ja bezirzen wollte im frischgemähten Kornfeld unterm hebräischen Vollmond, da sie zu seinen Füßen unter die Decke schlüpfte, nicht wahr? Und Esther erst, die badete ein Jahr lang in kostbaren Salben, um dem König Xerxes, dem launischen Obersten aller Perser und Meder, ein Wohlgeruch und Wohlgefallen zu sein. Sulamith, Salomos Geliebte, die ward vom Fürsten der Liebe verglichen mit einem Würzbeet im Lustgarten, einer Säule von Weihrauch verglichen und einem Bündel Myrrhe. Ja, der König nannte die Pharaostochter kostbare Narde. Und ich sag euch, die Narde ist so kostbar, das kann man nicht ermessen, nicht einmal mein Freund Rafa ist so reich, daß er daraus eine Salbe bereiten könne, die Narde kommt ja auch ganz vom Himalaya, fern am Indus dem Riesengebirge. Ich wollte wohl dem Geliebten die Füße salben mit einem ganzen Alabasterflakon voll herbfrisch-krautig duftender Narde, denn er, mein Geliebter, er ist bereit für mich zu sterben." So sprach Asuba, Mitkas Lieblingsfreundin. Es kam die Zeit, da Ziehvater Josef seinen Sohn Jeschua (und die Vettern Jesu gleich mit) unterrichtete über das Passah, wie geboten: "Söhne, als der Herr sein Volk Israel befreien wollte aus Ägypten, ließ er dem Pharao durch Mose sagen, daß er alle Erstgeburt Ägyptens töten werde, wenn der Pharao Israel nicht gehen lasse. Den Israeliten aber gebot der Herr, daß sie Lämmer schlachten sollten am 14. Abib zwischen den Abenden, zwischen Sonnenuntergang und Dämmerung, und das Lammesblut mit einem Büschel Ysop streichen sollten an Türpfosten und Oberschwelle, daraufhin die Häuser nicht verlassen sollten, die Lämmer braten, keinen Knochen durften sie brechen, und speisten dazu ungesäuerte Brote des Elends und der Eile des Aufbruchs und bittere Kräuter zum Gedenken an die bittere Sklaverei unter Ägypten. Israel blieb verschont, als der Todesengel durch Ägypten ging, um der Passalämmer willen, die für die Erstgeborenen gestorben waren. Am Sinai feierte Israel Passah, Israel feierte Passah, als es nach Kanaan einzog, nämlich in Gilgal, wo das Manna aufhörte. Die Könige Hiskia und Josia ließen Passah feiern, und nach der babylonischen Gefangenschaft beging man es im Anschluß an die Einweihung des Tempels. Auch dies Jahr wollen wir zum Passah nach Jerusalem, Söhne, denn wer es ohne zwingenden Grund nicht feiert, der ist des Todes, spricht das Gesetz." Jeschua freute sich mit seiner ganzen kindlichen Jugendlichkeit, ihm wars so licht und froh, so aufregend und abenteuerlich, er atmete ein den verwegenen Hauch von Freiheit und Reife, er sah das Licht der Freude schweben um sein jauchzendes Haupt, denn er durfte nun zu ihr, zur Stadt des Herrn, der Braut Gottes, der Tochter Jerusalem! Jerusalem, Jerusalem! so tanzte wie ein Gesang in seinem Sinn der Name: Stadt des Friedens, Davidsstadt, du Zion Gottes, des Tempels Umfriedung, liebe Jerusalem, liebe Braut Gottes, liebe Jerusalem, oh du Schöne, ich darf dich sehen, und darf deine Schwelle küssen, deinen Staub lecken, Königin! freute sich Jeschua, und er rief: "Mama, Mama! Josef sagt, ich darf mit nach Jerusalem!" Und Maria lachte: "O du mein Lieber, das ist schön, nicht wahr? Du bist nun bald ein Mann und mußt zum Opfer des Lammes, das stirbt für die Sünde des Volkes. Oh schön dich in der Freude zu sehn, deine reine Seele, Jesus, sie scheint mir Zionitin zu sein." Und so zog die Familie, was von ihr schon reif war, gen Jerusalem die staubigen Straßen durch die Welt, mit vielen Pilgern aus Nazareth und den anderen Dörfern und Örtern Galiläas. Schließlich sahen sie Jerusalem, so schön, so herrlich, daß da hüpfte dem Jeschua freudig sein Jungenherz. Zehntausende von Lämmern waren am 14. Nisan nachmittags geschlachtet worden im Tempel. Eine Wolke Lammesblutes deckte Jerusalem, Ströme Lammeslebens flossen durch Zion, der Stadt Gottes. Die Priester hatten das Blut in Schalen aufgefangen und diese Schalen weitergereicht zu einem besonderen Priester, der sie ausgoß, der das Lammesblut ausgoß am Fuße des Brandopferaltares. Halleluja, Halleluja! sangen die vielen Leviten, die Chöre sangen das Hallel, und die Pilgergemeinschaften nahmen das gebratene Lammfleisch zu sich und beteten Gott an: "Vergib uns unsere Schuld!" - In dem ganzen Gewirre, in den Gängen und Gassen der labyrinthischen Innenstadt, in dem Gedränge und Gewoge der Menschenmengen, unzähliger Pilger und Jerusalemeinwohner, da verloren Maria und Josef den jungen Jesus aus den Augen. Als Maria das bemerkte, da klopfte ihr Herz ihr heiß und heftig hoch bis zum Hals und sie rief immer wieder: "Jesus, Jesus, Liebling, wo bist du?" und dann fragte sie jeden Pilger, die geduldigen wie die ungeduldigen, ob sie einen zwölfjährigen Jungen gesehen hätten, welcher ein weißes Feiertagskleid angehabt hätte, dunkle und leicht lockige Haare und leuchtende Augen, unglaublich hell leuchtende Augen? Und die Pilger, die geduldigen wie die ungeduldigen, verneinten immer, bis ein alter Pilger riet: "Suchen Sie ihn doch beim Tempel, gnädige Frau, denn da ist doch die Hauptattraktion, die Staatsaktion, da wird seine jungenhafte Neugierde ihn wohl hingezogen haben, und wenns die nicht war, so war es der Strom der Pilgernden, welche doch alle ein Ziel haben: Alle Wege in Jerusalem führen zum Tempel." Plötzlich durchschoß es Maria wie Licht, wie Blitz und Feuer und Freude: Ja, das wars! Dahin mußte sie. "Josef, komm!" Und so eilten die beiden in gemeinsamer Sorge und gemeinsamer Hoffnung eilig (so eilig, wie es nur irgend ging im dichten Gedränge) Richtung Tempel. Da sahen sie Jesus, denn von weitem traf sein blitzfunkelndes Auge in Marias Sucherblick, daß sie getrost ward: "Ich hab ihn gefunden, Josef, ich hab Jesus gefunden! Halleluja, Lob sei Gott!" rief sie ihrem Manne zu, der sich mit ihr freute: "Gott der Herr paßt schon auf ihn auf, daß er nicht verloren geht, des sei gewiß, Maria." Sie kamen näher. Da hörten sie auch, was Jesus redete in dem Kreis der Priester, die ihn da umringten, wie Mädchen einen Brunnen umringen. Wie er da den Lehrer machte vor den Schriftgelehrten, den Priestern! "Wahrlich, in der heiligen Schrift steht vom Messias geschrieben, sage ich, an jener Stelle, als des Weibes Sproß wird angekündigt, daß er dem Satan den Schädel zertrete, der Schlange und ihren Nachkommen, welche die Engel des Teufels sind, des Weibes Sproß aber ist der Sieger über Tod und Teufel und ist kein anderer als der Messias. Ebenso ist der Messias in Boas, welcher Ruth ein Löser war. Wenn Samuel prophezeit ein Wort Gottes: Ich werde sein Vater sein, und er wird mein Sohn sein, wahrlich, so ist das auf den Messias bezogen. Wenn Jesaja prophezeit den Sohn einer Jungfrau, welcher da heißt Gott-ist-mit-uns, so ists der Messias, eben jener, welcher da der Gottesknecht ist, von allen verachtet, dessen Wunden heil machen das Volk der Sünder. Das ist gewißlich wahr." Und ein Priester warf ein: "Und vor dem Tage des Messias muß kommen der Geist Elias?" Und Jesus lächelte: "Das wird wohl so sein, denn Gottes Wort hat es vorausgesagt, und so ists schon vorbereitet. Mir Jungen, der ich anfing, das Hebräisch zu studieren, mir scheint das Wort Gottes Gottes Weisheit zu sein, eine Kraft Gottes ist Gottes Wort." Da hielt Maria nicht mehr an sich: "Sohn! Wieso bist du einfach fortgelaufen und hast deinen Vater und deine Mutter allein stehen gelassen im Gewoge der Leute? Stattdessen bist du hergekommen, zu belehren die Lehrer, zu predigen ehrwürdigen Priestern? O du, wohinaus soll das noch mit dir, auf was zu soll das führen, was du da unternimmst und im Schilde führst mit deiner frühreifen Frömmigkeit?" Jesus sah sie freundlich und ernst an, mit einem Blick, der so weit war, so weit weg, von so weit her, und sagte mit fester, weicher Stimme: "Mama, weißt du nicht, daß ich im Hause meines Abbas sein muß?" Was Maria nicht verstand, wie also und was? Aber sie dachte darüber nach. Immerhin hatte sie ihn wieder, und da trat er auch zu ihr, und sie umschloß ihn mit ihren fraulichen Armen und presste ihn an ihr warmpochendes Herz und weinte, weinte vor Freude: "Hab ich dich, Jesus, doch noch gefunden, und bin so selig darüber, mein Lieber!" Und Jesus schaute auf zu ihr und sah ihr ins mütterliche Auge, das da schimmerte von Freudentränen, und sagte: "Mutter, sei nur ohne Sorge und freu dich deines Lebens, denn du bist gesegnet unter den Frauen." Wieder soetwas, was zuviel war, als daß man es verstehen könne, wie sollte das Baby die Worte des Engels der Verkündigung kennen? Ach, es war ja einfach gut, ihn am Herzen zu haben, ihn ans pochende Herz zu pressen und ihn umschlungen zu halten, den Erstgeborenen, der... ja, er sollte doch der Messias sein? Nach all den Aufregungen, emotionalen Flut-und-Ebbe-Bewegungen, war Maria froh, einfach im Sonnenschein beim Brunnen zu stehn inmitten anderer holder Weiber und zu lauschen Mitkas Mann, dem Zebaothdichter Jimna, wie er eine Liebesgeschichte erzählte von Josef dem Träumer und Asenat, der Ägypterin: "In Heliopolis lebte Pentephres mit seiner liebreichen Tochter Asenat, welche schöner war als die ägyptische Rasse, welche schlank war wie Sara, blühend wie Rebekka, schön wie Rahel. Der Ruhm ihrer Schönheit ging durch alle Gauen Ägyptens, sie aber lehnte jeden Freier, auch des Pharaos Erstgeborenen ab. Sie saß in ihrem Purpurteppichzimmer, mit Edelsteinen ausgelegt, da goldene, silberne und steinerne Götzenbilder waren von Isis und Osiris, Hathor, Thot, Maat und Anubis und Nephtys, den Göttern und Göttinnen Mizraims. Silber und Gold und goldgewirkte Kleider, kostbare Edelsteine, feine Leinengewänder und herrlichster Jungfrauenschmuck befanden sich im Zimmer. Vor dem Fenster befand sich im Innenhofe ein Brunnen, in dem klares kristallenes Wasser war, und drumherum die fruchtreichsten Bäume. Herrlicher als das alles aber fand Asenat Josef, der der Höchste nach dem Pharao war. Der Gottheld kam mit zwölf Männern, den Priester von Heliopolis zu besuchen. Gepriesen sei der Gott Josefs! rief Pentephres, da eilte Asenat in ihr Zimmer und zog ein feines Linnenkleid an, mit Gold und Scharlach durchwirkt, legte einen goldenen Keuschheitsgürtel an, an die Arme Spangen, an die Beine goldene Binden, um den Hals edelsten Schmuck und seltene Steine, rein geschliffen, und Silber, in das eingraviert waren die Namen der Obersten Neunheit Unter- und Oberägyptens, der höchsten Götzen. Sie setzte sich einen Turban auf, band sich um die Schläfen ein Diadem und verhüllte ihr Haupt mit einem Schleier. Pentephres, als er seine schöne Tochter kommen sah, pries ihr den Gottheld Josef, indem er ihn als schön und klug, reich und mächtig und weise pries, über alle Maßen begehrenswert und rein und erhaben, in ihm sei der Geist des Gottes Josefs. Asenat aber fragte, ob Josef nicht einfach ein Fremdling sei, der Sohn eines kanaanitischen Viehzüchters? Zudem sei er ein Traumdeuter wie die alten Weiber Ägyptens? Zudem munkle man was von einer Liaison zwischen ihm und dem geilen Weibe Potiphars? Aber Josef zog ein auf einem Wagen, den vier schneeweiße Rosse zogen, auf einem Wagen aus purem Golde, blinkend und schimmernd wie die herrliche Sonne. Er trug einen seltenen Rock, sein Umhang war Purpur und golddurchwirktes Linnen. Auf dem Haupte trug er einen goldenen Kranz, zwölf auserlesene Steine um den Kranz und goldene Strahlen auf den Steinen. In seiner Rechten trug er einen Regierungsstab und einen Ölzweig mit vielen Oliven. Da mußte Asenat seufzen und sprach sich Weh mir Unseligen, sagte sie, was habe sie so schlimm von dem Herrlichen nur gesprochen? Er sei ja so licht des herrlichen Lichtes wegen, was in ihm sei, was hätte sie ihn einen Hirtensohn gescholten, da er doch herrlich sei wie die Himmelssonne? Wo auf Erden hätte es je solche Schönheit gegeben, welches Weibes Schoß hätte je solch ein Prachtkind geboren? Unselig und töricht hätte sie, Asenat, sich verhalten, nun wolle sie nichts, als Josef Sklavin zu sein und ihm die Füße zu salben mit Zimt und Stakte. Da sagte Pentephres, seine Tochter Asenat solle den Gotthelden Josef küssen, da spitzte die Tochter gehorsam wie begierig die Lippen, aber Josef, der Keusche, sagte: Er küsse unmöglich einen Mund, der Anbetung eitler Götzen wahnwitzig murmle, er küsse mit seinen gottgeweihten Lippen nicht einer Götzendienerin noch so süße Lippen, denn sie seien zwar honigsüß der Erscheinung nach, aber aufgrund des sündigen Frevels bitter wie Wermut. Er wolle nicht trinken vom Kelch des Truges und sich nicht salben lassen mit der Salbe des Verderbens. Er würde nur das Lager teilen mit einem Weibe, die den lebendigen Gott verherrliche, an ihren Brüsten würde er sich dann liebselig berauschen. Daraufhin legte Josef seine Rechte der beschämten Asenat aufs Haupt und betete Gott an, indem er Gott bat, Asenat zu segnen, diese Jungfrau, und sie zu befreien aus Wahn und Irrtum des Götzendienstes, und er bat den Allmächtigen, daß er sich dieser Tochter Mizraims wunderbar offenbare und ihr die Augen des Geistes erleuchte, damit sie den Herrn der Heerscharen sehe mit frommem Blick. Gott möge Asenat erneuern durch seinen heiligen Geist, sie das Manna der Engel genießen lassen und sie salben mit der Salbe der Auserwählung und sie trinken lassen aus dem Kelche der Segnung, Gott möge sie leben lassen ewiges Leben, Amen, sagte Josef. Das alles berührte Asenat ihr Herz, sie ward erschüttert durch den Segen des Gotthelden. Sie schwitzte Schweiß und sank kraftlos auf ihr Lager. Dann erhob sie sich matt und warf alle Götzenbilder und den Weihrauch des Frevels aus dem Fenster vor die Hunde. Schließlich bereute sie ihren Götzendienst an den Hunden des Todes, den Katzen des Frevels und den Affen und Nilpferden und Kühen der Lästerung und den Ratten der Hölle; allem dem schwor sie ab und bat den Gott Josefs, ihre Reue zu sehen und sie zu erneuern durch seinen Geist. Amen dazu, sagte Asenat nach dem Vorbilde Josefs. In jenem Augenblick ging nach siebentägigem Fasten und Sitzen in Asche und bußfertigem Gebete der Morgenstern auf, und am lichten Himmel tat sich eine noch lichtere Pforte auf, aus der der Engel des Herrn trat und grüßte Asenat: Asenat, Asenat, sagte er, ich bin der Engel des Herrn, du bist nun erneuert durch den heiligen Geist des Gottes Josefs, sagte er. Er war sehr, sehr schön, von himmlischer Anmut, sein Antlitz glich einem Blitz, seine Augen waren wie Sonnenglanz, sein Haupthaar wie Feuerfackelbrand, seine Hände und Füße wie glühendes Eisen, dieweil Funken von Händen und Füßen stoben. Fürchte dich nicht, sagte der Engel des Herrn, Asenat, ich will dich mit Josef vermählen. Sie solle ihr schwarzes Bußgewand aus Sacktuch ablegen und ein weißes, unberührtes Kleid anlegen, dazu den Jungfrauengürtel von reinem Golde, den doppelten, einen um die Hüfte, den anderen um den Busen. Sie wusch ihre Hände mit klarstem Wasser und nahm einen feinen, ausgesprochen schönen Schleier, ihr Haupt damit verhüllend. Der Engel hatte ihr gesagt, sie sei vom Herrn eingetragen in das Buch des Lebens und würde in Ewigkeit nicht mehr daraus getilgt, sie könne essen gesegnetes Brot der Engel und trinken den Becher der Unsterblichkeit, gesalbt würde sie mit unverweslichem Salböl der Ewigkeit, geweihter Narde des ewigen Lebens, schließlich solle der Gottheld ihr Bräutigam sein. Da reichte er ihr eine Honigwabe, weiß wie Schnee, und der Honig war wie Himmelstau. Diese Wabe sei der Geist des Lebens, gefertigt von des Wonneparadieses Bienen aus dem Tau der Lebensrosen des Wonneparadieses Gottes; es sei Brot des Lebens, wenn sie davon speise, vom Honig der Worte Gottes, dann sprieße ihr Fleisch unverwelkliche Lebensblume, genährt mit dem lebendigen Wasser aus dem Born des Höchsten, ihr Gebein werde ewig sein wie die mächtigen Zedern auf den heiligen Bergen in Gottes ewigem Freudenparadies des Himmels. Da tauchte der Engel seinen Finger in den Honig, da ward es Blut, und er sprach, dies sei das Blut des Messias Israels, gegeben zur Erlösung der Vielen, vergossen zur Erlösung der Braut des Gotthelden." Maria liebte solche romantischen Liebesgeschichten. Sie fühlte sich verherrlicht durch diesen Lobpreis der Herrlichkeit Gottes. Mit goldenen Honigbienen summend wie Sommer im Herzen ging sie zu Jeschua hin und küsste ihn.





ELFTES KAPITEL


Josef, Jesu Ziehvater, Marias Liebster, war still und friedlich heimgegangen zur Versammlung seiner Väter im Schatten, mit getreuer Hoffnung auf den kommenden Tag des Herrn. Maria hatte geweint und sich nicht halten können, und hatte gebetet und gefleht zum Allmächtigen, daß er Seinen Trost sende, denn die Welt, sie konnte nicht trösten, auch nicht mit frommen Sprüchen, denn sehr hatte Maria den Josef geliebt, und Liebe ist Wunsch nach Nähe, dann aber war Josef geschieden von ihr durch den geistlichen Jordan, indem er weilte auf der anderen Seite des Scheideflusses, und war kein Hinüberkommen für die Lebende, als daß sie schiede aus dem Stande der Lebenden, was zu forcieren ihr Glaube ihr verbat. Jesus betete frühmorgens zu Gott, er möge trösten seine liebe Tochter Maria, und schließlich erhörte der Vater das Gebet seines Sohnes und Maria ward getrost und wandte sich zu dem Erstgeborenen, seinen Vettern und Basen. Enger schloß sie sich mit der Zeit ihrer Cousine Elisabeth an, die auch schon Witwe war, denn der Priester Zacharias, ihr Mann, war auch schon heimgegangen zur Versammlung der Väter. Elisabeth und Maria wohnten nahe bei nahe. Am stärksten stärkte aber der Mann gewordene Jesus seiner Mutter die Seele, ein Wort von ihm tat ihrer Seele so gut, das war nicht ganz zu fassen, welche Seelsorge er an ihr betrieb von ganzem, lauterem, zärtlichen Herzen, denn Jesus liebte Maria. Was aber geschah mit Jesus? Er hatte in seiner Jugend mit Josef als Zimmermann gearbeitet, dann als Wanderarbeiter war er umhergezogen, schließlich aber hatte er das Werkzeug seines Ziehvaters liegengelassen und war an den Jordan gegangen, wo Johannes zur Umkehr taufte, auf daß sich der Sohn Gottes unter die Taufe zur Buße der Sünder stellte, sich zu solidarisieren mit den Sündern seines Volkes. Das war so (Maria war mit ihm gegangen, nachdem er ihr gesagt hatte, was geschehen solle, und sie wollte sehen, wie sich Jesus taufen ließ von dem berühmten Prediger, dem Sohn ihrer Base Elisabeth): Jesus kam an den Jordan, wo Johannes in der goldenen Morgenröte schon wartete mit drei anderen seiner Jünger. Johannes war nicht der Prophet, den Mose angekündigt hatte, er war nicht der Christus, den die Propheten angekündigt hatten, er war die Stimme eines Predigers in der Wüste, die da ruft, man solle die Wege ebnen für den Kommenden, für den Herrn. Der kam, da sah ihn Johannes, da sah er nicht den Sohn der Base seiner Mutter, da sah er: das Lamm Gottes, das da trägt die Sünde der Welt, unschuldig und rein, perfekt geeignet zum alles versöhnenden Opfer auf dem Altar vor Gott, makellos, tadellos, fehlerlos. "Ich soll dich taufen, Herr? Wie mir? Wie das? Ich bins nicht wert! Ich bin ein armer Sünder! In Wahrheit müsstest du mich taufen, denn du bist doch der Ewige, der da lange vor mir schon war, du, der nach mir gekommen ist, du, der du in Ewigkeit warst vor Abraham schon bei Gott, du Sohn Gottes, du, der du nach mir kamest von der Base meiner Mutter, der Jungfrau Maria, Menschensohn! Und dich soll ich nun taufen?" Worauf der Herr Jesus lächelte und verdeutlichte, daß er sich unter die Sünder stelle, die da zur Umkehr von der Sünde sich taufen ließen (obwohl der Herr Jesus ohne jede Sünde war in Herz und Gedanke und Tat), allein, damit er offenbar werde Gottes Volk, in den Landen umher, denn Gott wollte Großes tun. Da trat der Herr Jesus ins Wasser, Johannes stand schon bis zum Bauchnabel darin, die frühe Sonne wärmte es schon ein wenig, aber am meisten wärmte das innere Feuer der Begeisterung, denn Jesus war voller Freude, das nun die Zeit seines Wirkens beginne, das nun sich offenbaren werde vor Israel, wer er sei, er, der gekommen ist, die Menschheit zu erlösen, er, der sich begab in die Hände eines Menschen, Johannes' Hände, der ihn untertauchte unter die Flut des Jordan bei Änon bei Salim, wo viel Wasser war, und hob ihn wieder auf, da pustete Jesus das Wasser aus der Nase und schüttelte sein schulterlanges Haar, da floß der Jordan zu Seiten Jesu hinab, aber Größeres floß von oben: nämlich das Feuer des Heiligen Geistes, denn Gott goß seinen Geist aus, er goß seine Liebe aus, sanftmütig floß es vom Herzen des Vaters, sanftmütig flog es, da flogen die Schwingen des Vaters, unter dessen Schatten aus lindem Feuer Jesus stand und schaute gen Himmel, denn da kam der Geist Gottes in Gestalt wie eine Taube Zions, eine reine, friedliche, sanfte, keusche, zarte Taube, der Heilige Geist, so sanft, so weich, so lind, so lieb, der Geist Gottes kam auf Jesus, den Sohn Gottes, und Gott bezeugte, der Vater: "Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe!" Halleluja! Da knieten am Ufer der Johannesjünger Johannes, der Johannesjünger Andreas und der Johannesjünger, den Jesus schon liebte, sie knieten und beteten Gott den Himmlischen Vater an, der liebte seinen Sohn, den Messias, das Lamm! Und der Täufer Johannes hob seine Hände auf zum Himmel, zum Vater im Himmel und lobpries den Herrn! Halleluja! Und oben, im Galiläischen Lande, an dem See von Tiberias, dem Galiläischen Meere Genezareth, da sah der Herr Jesus jenen einen Jünger Johannes', den Jünger Andreas wieder, welcher da bei Jesu Taufe hatte gekniet wie ein leibhaftiges Gebet, voll Inbrunst und Innigkeit, nun aber anders, bei alltäglicher Arbeit, Netze flickend, im Fischeramt, mit seinem Bruder, dem begeisterungsfähigen Simon, den Jesus liebte, denn er war Kraft und Treue, ein echter Mann und doch kindlichrein in der Seele; und neben Andreas und Petrus im Boot der andere Johannesjünger, Johannes, der Sohn des Zebedäus, und sein Bruder Jakobus. Da sah Jesus auf das silberne Zittern des Wassers, da die Fische schlüpften und hüpften in keuscher Kühle, und sah zu den Männern, die da fingen die Geschöpfe Gottes, und er rief: "Kommt her zu mir! Laßt alles stehen und liegen, steigt aus den Booten, geht nicht zuerst zu euren Frauen, Simon und Jakobus, kommt in meine Nähe und werdet neu, werdet Jünger, werdet Menschenfischer! Lernt von mir, schaut auf mich, laßt euch küssen von mir! Du, Simon, du sollst ein neuer Mensch werden! Ich will dir ein neues Herz geben, daß du kein steinernes Herz mehr hast, sondern ein lebendiges, von zuckendem Blut des Lebens erfülltes, fleischernes Herz! Ich will dich zu einer neuen Kreatur machen, siehe, ich rufe dich bei deinem neuen Namen: Kephas, der Fels! Und du, Johannes, was soll ich zu dir sagen? Ich weiß, du magst die frommen Lieder, du liebst die heiligen Schriften, sie sind dir das Wort Gottes, ich weiß, du kannst denken, bist sehr gründlich im Denken und fromm im Denken, du bist anständig in diesen römischen Zeiten geblieben, laß dir deine beredsamen Lippen küssen, laß dir deine Rührungsträne vom knabenhaften Milchgesichte wischen, du Bartloser, laß mich meine heilenden Hände auf deine kurzsichtigen Augen legen, komm mit mir, ich will dir süßen Wein aus Elischa geben: mein Wort!" Und weitere Jünger berief sich der Herr Jesus, und einer von ihnen war Nathanael von Kana, der das Mädchen Chawa heiraten wollte. Maria ward eingeladen zur Hochzeitsfeier, und mit ihr kam Jesus und mit ihr kamen die Vettern und Basen Jesu, Jakobus und Judas und Joses und Simon und Para und Milka, und alle freuten sich auf ein schönes Fest, einen Tanz, eine Freude, einen Umtrunk, ein Gelächter, eine Augenweide, einen traumhaften Abend, und mit Maria kam ihre Schwester Mitka und deren Mann, der Dichter Judäas in Galilee, der immer noch in Mitka verliebte Jimna, der ein Hochzeitslied gedichtet, ein Prosagedicht, angelehnt an die Verskunst Salomos, eine biblische Liebeschronik, die er zum Besten geben durfte, denn Nathanael wusste, daß Chawa Poesie, romantische Schwärmerei, hebräischen Sturm und Drang über alles liebte, nur Nathanael stellte sie darüber und selbstverständlich den Herrn. Jimna also rezitierte: "Mein lieber Nathanael, wer ist schön wie Chawa? Siehe, der König Israels, der Gottgeliebte, der Hirte David, er bekam versprochen die Prinzessin Michal. Die war ihm lieber als Merab, und Michal war schöner, oh ja, sie war viel schöner und liebreizender. Nett war auch Merab, wenn sie auch zur Lüge neigte, aber sonst war sie ja recht freundlich, aber Michal, die war sanft und still in ihrem Herzen, eine echte geistliche Prinzessin. Aber was David einfach überwältigte, das waren ihre Haare, die ein Gesamtkunstwerk waren an Aussehn, Gefühl und Geruch. O, ein Turm, wie er in Damaskus steht, errichtet ganz aus Ebenholz von Kusch, schwarz und duftend nach Elefantenküssen, und dieser Turm umflochten von blühenden Rosenranken, in diesen Rosenranken-Ebenholzturm gebohrt wie goldene Dolche aus Damaskus eine Spange, die Spange von Gold aus Ofir, mit zwei Knöpfen wie goldenen Taubenaugen im schwarzroten Gehölz. David dachte: Läg ich gefangen in diesen Schlangenlocken, gefesselt in diesem Haar, in diesem schwarzen Verließ, gebettet in den nächtlichen Rosengarten, atmete ein den Duft von Äthiopien, den Geruch der Nacht über Elefantensavannen, den Geschmack des Morgentaus, wenn er hervorquillt aus den jungfräulichen Rosenknospen. Ein himmlisches Eden duftet mir lieblich aus diesem Frauenhaar, Michal, Geliebte! Und David schlachtete zweihundert Gottesfeinde hin für diese Braut, nahm deren Vorhäute ab für König Saul, zu erkaufen mit sexuellem Brautpreis die Schönste unter den Jungfrauen Israels. O mein lieber Nathanael, sag, ist sie nicht schön wie deine geliebte Chawa, ist sie nicht begehrenswert, wie sie? Und ist nicht begehrenswert mit aller Lust eines Mannes, wie Chawa, die schöne Witwe Nabals, die prachtvolle Abigail? Nabal, von dem gibts nicht viel Gutes zu sagen. Er war ein Pilzekauer, unterkühlt, gedankenarm, aber reich an schnödem Silber. Ein Frevler vor Gott war er und starb drum auch frühen Todes. Abigail aber warf sich David zu Füßen. David hob sie auf und hielt sie da in seinen Armen. Welch eine Wonne für den Gottesgeliebten! Ja, das war ihm wie ein Geschenk von Gott, das er klopfen fühlen durfte an seinem Herzen ihr pochendes Nachtigallherz, warm und blutend vor stöhnender Liebe und fraulicher Hingabe, dieser Busen in ihrem Busen, diese Seele aus Aufopferung und liebevollem Dienst! Abigail, dein Temperament, es formte deinen hingabevollen Leib, der zerfloß wie weibliche Linie und Hirschkuhform, wenn sie atmet mit schwerer Brust, mit fliegendem Stöhnen, mit einem Werfen der Brust an den heißflutenden Wind, der sie küsst. Aber was sinn ich Ungeheures? Was sinn ich, zu sagen, wie ihr Busen war? Glocken aus mütterlichem Mehl, Brüste aus weißem Brot, milchige Rosen, Paradiesäpfel, Schneebälle, Hindinneneuter, Zuckerstücke, und gekrönt mit Weinbeeren, Blutstropfen, aufgerollten Rosenblättern, Morgensternen, Frauenlippen, gespitzt zum Kusse; Abigail! Und die Hüfte, begehrenswert! Davids Arm zog es, wie ein Schiff auf den Meeresgrund, um diese Hüfte, er wollte sie umfassen und tragen zum Tanz, er wollt sie ziehen an seine Seite, zu wandeln mit ihr über die frühlingsduftenden Grastriften am Karmelhang, zu ruhen mit ihr im Gras, zwischen den muhenden Lämmern, zu betten sich mit dem Haupt auf eines Mutterschafs hingelagertes Fell, und dann zu haben die ganze gegossne Gestalt von Abigail, die er gefreit hat, die Witwe, zu seiner rechtmäßigen Frau, daß er sich freuen durfte an ihr, und sie sich freute an ihm, am Geliebten, an Gottes Geliebtem, daß sie spielten Kampf und Versöhnung, Rückzug und Eroberung, Hingabe und Aufgabe, Ruhe und Fest, Wahnsinn und zärtliches Lied, Kuß und Erkenntnis, da er aufdeckte ihre Scham, daß der Beschnittene beiwohnte der rechtmäßigen Ehegattin. O Nathanel, frag ich dich, ist sie nicht so begehrenswert wie Chawa? Deine Chawa? Und ist Begierde nicht ein reizendes Gottesgeschenk? Wir wollen den Schöpfer loben, den heiligen Gott, für diese große und wunderbare Gnade der Sinnenfreude! O Nathanael, siehe, ist nicht lieblich anzusehen, wie Chawa, Gottesliebling Davids Frau, die Frau Batseba? O wie ein Mond, wie eine Sichel von Mond in milchigem Schimmer glänzte der Frau Gesicht herüber, da sie aus dem Bade kam, und der Tau der Reinheit an ihr herniederperlte, wie himmlischer Gesang an der Himmelsleiter herniederträufelt zu den schlummernden Hirten auf den Triften. Und der Hirte, der da David hieß, der sah diesen Mond von Antlitz, und Gefühl quoll in ihm auf, Gefühl von Verzückung und schöner Sympathie, und da, da sah er sie lächeln. Ha! wie war der Mundwinkel schräg hinaufgezogen, das fand David allerliebst, lässig und reizend. Und die Zähne, weiß! Frischgewaschene Schafe sind nicht so weiß wie Batsebas Zähne, Soldatenreihen sind nicht so geradlinig, wie Batsebas Zähne, nur Gottes Wort ist vollkommen, aber fast wären es auch Batsebas Zähne, mit einem Schmelz von Schnee und Lammesmilch, und die Zunge küsste die Lippe rasch, die Lippen zu befeuchten. Und die Augen: Weibliche Wasser des Mondes und der Fruchtbarkeit, in denen Liliensterne und himmlische Regenbögen sich baden, Augen, sanft wie Engel, wenn sie zur Harfe zupfen Lieder der Stille, Pupillen wie Kamelmilch, Irisse wie die blauen Blumen aus dem verlorenen Garten Eden. Und Wangen, Bäckchen, so allerliebst, braun und weiß und rot, kußliche Bäckchen. Und das Ohr, das sagte: Oh, du David! als er ihr Liebkosung sagte, denn sie hörte wohl den Liebreiz seiner Stimme und das Begehren seines Tones und die Herzlichkeit seiner Stimme, denn ein feines Ohr eines feinen Weibes, das waren die beiden schaumbraunen Muscheln der schönen Batseba. O Nathanael, ist nicht Batseba schön wie Chawa? Siehe, schön ist deine Chawa, Nathanael, darum willst du sie freien, siehe, sie ist eine Gottgeliebte, die auch liebt den heiligen Gott, Israels Gott! Darum freie sie, küsse sie, berausche dich an den Brüsten deiner jugendlichen Frau und lobe dafür jeden Morgen heiß und innig Gott, den Schöpfer Chawas!" Also verstieg sich Jimna, ein wenig über die Grenzen des Anstandes dringend, da Maria ihn ansah. Jimna war, wenn er nicht poetische Ergüsse von sich gab, schüchtern und wich dem Blicke der keuschen Maria aus. Er akzeptierte die natürliche und sanfte Autorität Jeschuas, aber er traute sich in diesem Augenblick nicht ganz, Jeschua in die Augen zu schauen, denn ihm ging es heiß die Seele durch mit Schamfeuers Hitze, daß er in Abigails Lob zu offen vom sexuellen Reiz der Frauen gesungen, und er wußte nicht, was der heilige Rabbi Jeschua, jener reine Meister, dazu wohl sagen würde. Jimna war schon im Rausch der Poesie, ein wenig ernüchtert durch die bittere Hefe der Scham, aber die ganze Hochzeitsgesellschaft war im Rausch des Weines, noch recht sittsam, da ging der Gesellschaft der Wein aus. Es hatte süßen Wein aus Chios gegeben, gelbgolden wie Bienenhonig, nun aber sah Maria, die einen Kelch probiert hatte (Maria nippte nur manchmal am Kelche), daß der Freudenwein, der Rauschetrunk, der Jubelkelch und Gnadenbecher leer war, und das auf einem rauschenden Fest der Liebe, einem Hochzeitsmahl, einem hebräischen Symposium! "Jeschua, siehst du, sie haben keinen Wein mehr. Du, da kannst du doch sicher etwas tun, oder? Wenn du nicht, wer dann? Tu doch bitte was, Jesus, sie dauern mich." Und Jesus sah still in sich hinein, wie als wenn er spräche mit Gott, was zu tun sei, und sagte: "Frau, was bittest du von mir?" Jesus liebte Maria, Jesus liebte die Hochzeitsgesellschaft, seinen Schüler Nathanael und die reizende Chawa liebte er auch, drum tat er, was er den gütigen Gott der Gnade, den großen Schenkenden, tun sah, er machte Wein aus den vierzig Litern Wasser, und das war besserer Wein als der gelbgoldne Honigwein aus Chios, das war kein griechischer Wein, das war fruchtreicher, gaumenliebkosender, schmeichelnder, spielender Wein aus Galiläa, Judenwein, Wein wie aus hebräischen Beeren, mehr noch: Wein aus dem Geist des Wunderrats, Wein aus dem Willen des Ewigvaters, Wein der Gnade! Nathanael sah, was Jesus getan hatte, da sah er Jesus so überaus dankbar und liebevoll an: "Jesus, ich will dir danken mit meinem ganzen Leben für deine Gnade! Du, sieh doch, Meister, sieh doch die schöne Chawa an, willst du nicht tanzen einen Tanz mit Chawa, mein Meister? Zeige dich ihr als der du bist, Jesus!" Und Jesus freute sich an jenem Tage.




ZWÖLFTES KAPITEL


Als Maria mit Jesus und der Sippe von Nazareth nach Kapernaum gezogen war, ihm nach, der der Führer der Familie ward, der Familienrat, der mit einer ganz besonderen Autorität, die der Himmel ihm verliehen, sagte, wo es lang ging, und er führte die marianische Familie an den See Genezareth. Eine seiner Basen liebte seine Nähe, sie fing immer an zu singen, wenn er vom Himmelreich redete. Sie spielte sehr schön die sechssaitige Gittit, einige ihrer Freunde und Freundinnen mochten sie ab und an begleiten auf Tamburinen und Pauken und anderen Saitenspielen und Flöten, sie musizierten wie galiläische Synagogenspatzen, wie Nachtigallen in den Kapernbüschen am See von Tiberius. Para leitete ihre kleine Gruppe, sie gab die Lieder vor, sagte den Kehrreim an und bestimmte das Tempo, in welchem mit treibendem oder ruhigem Rhythmus der Psalm zur Ehre des Ewigen sollte gesungen und gepfiffen und gestrichen und getrommelt werden. Sie sah Jesus an und sagte: "Vetter, wie du den Gott des Himmels mir wieder einmal nahe gebracht! Daß ich Gott vertrauen kann, daß das besser ist als alles Selbstvertrauen! Ich forsche in der Heiligen Schrift, ob es sich so verhält, wie du sagt, und ja, wirklich, ich finde das Psalmwort: Ich sage, du bist mein Gott und dir vertraue ich! Darum will ich lobpreisen, und im Lobpreis anschaun den Ewigen, den Gewaltigen, den Herrlichen, den so sehr Großartigen, Vielfältigen, den schönen Gott des Himmels, den du Abba nennst, den lieben Vater. Also, meine Lieben, ich streiche den ersten Vers vor auf meiner Gittit, ist sie gestimmt? ja, gut, dann streich ich die Saiten einmal vor, so habt ihr den Rhythmus und findet den Einstieg", sagte sie und schlug die Saiten und hob an zu singen: "Wer zu Gott, dem Allmächtigen, sagt: Du bist mein Gott! der findet bei ihm Zuflucht und Ruhe, dem ist Gott ein Fels und eine sichere Burg!" Sie sang es mit einer so jubilierenden, glanzvollen Stimme, einer solchen kraftgeladenen und seelenvollen Stimme, daß der Blaufärber To'i ein süßes Kitzeln am Zwerchfell fühlte, ein lenznes Jubeln in den Eingeweiden, als wenn die Nachtigallen aus den Kapernbüschen geflogen wären in To'i seine Seele und stimmten den Lobreis an und hymnisches Jauchzen zu Gottes des Schöpfers Ehre: Gott, Schöpfer! Gott, der Schöpfer, hatte geschaffen diese stimmgewaltige Seele Paras, daß sie lobpreisen konnte mit aller geschenkten Schönheit melodischen Atmens Gott, den Schöpfer, dessen Geist inspiriert hatte Psalm und Psalmlied, mit dem die Kreatur den Kreativen pries, es war eine Musikerliebe, ein melodischer Kuß, ja, Noten rollten in ihren Augen, silberne Saiten waren ihre Blicke, ein Instrument ihr Leib, ihre Stimme wie die Cherubharfe, ihr Lobpreis die Posaune des Jüngsten Tages, der Leben verkündet, Leben in Schönheit und Herrlichkeit und ewiger Lust des Genusses am Gott der Liebe! Halleluja! Und Jesus freute sich an diesem Lobpreis seiner Base, er freute sich, daß ihre melodiöse Seele in aller Frömmigkeit die Kraft des Glaubens transportierte in die einfache Blaufärberseele des Mannes To'i, daß er fühlte in seiner ganzen Seele, bis in den Leib hinein, die Schönheit und Pracht und Stärke Gottes, des Schöpfers, dessen Geist lebendig wirkte in der Base Jesu, wenn Jesus neben ihr stand. Dieser nun ging, Jesus, der Herr, sich seine Apostel zu berufen. "Wer ist in Wahrheit meine Mutter? Meine Mutter und meine Brüder, das sind jene da:" und damit wies Jesus auf Jakobus Zebedäus, der ebenfalls die Lieder Israels liebhatte, und den Liebling der Lieder Israels liebte er der Liebeslieder an Gott wegen. Jakobus war ein nüchterner Mensch, der genau war, wenn er las in der Heiligen Schrift, er studierte die heiligen Silben andachtsvoll, das Gesetz war ihm Gesetz, ein Gebot war ihm auch Gebot, die Propheten erforschte er nach Prophetien auf den Messias hin, für welchen er Jeschua hielt, den Rabbi; er war nüchtern, aber er konnte ins Schwärmen kommen; er kam ins Schwärmen, wie To'i, wenn Para ihre Psalmen intonierte, dann lobte er ihre goldene Stimme, rein wie himmlischer Honig, aber er lehrte auch die Base Jesu, daß Gott sie liebe, weil er sie geschaffen habe zur Geliebten, und nicht etwa, weil sie so singe; und schwärmen konnte Jakobus auch von seiner eignen Begeisterung, dann war er ein wenig selbstgefällig, denn wenn er gut geschwärmt hatte von der Inspiration, die Jesus ihm weitergegeben hatte, dann konnte er sich noch entzünden an dieser Liebe Jesu, die durch ihn, Jakobus, zum galiläischen Volk weitergeströmt war, und war in Verzückung. Das war wie der Honig zu seinem sonst nüchternen Leben, einfachem Brote, das aber kräftig und nährreich war, so daß To'i sich freute, als Jakobus der Fischer den Blaufärber einmal zum Purpurrebensaft am Abend einlud. Da war auch Johannes, der Zebedäussohn, der in der Jesusstadt Kapernaum seine Hütte hatte, nicht weit vom Ufer der Fischer am See Genezareth. Johannes war ein Jüngling noch, sein Gesicht schien wie reine Milch und glatt wie der See in einer linden Mondnacht des Sommers, seine Augen waren grau wie das Wasser des Meeres Galiläas, und sie blickten einem Gegenüber frisch und offen in Antlitz. Er war ein tiefsinniger Denker, in früher Jugend schon gesinnt wie ein hebräischer Philosoph, der mit tiefen Einblicken in das Wesen des Himmlischen Vaters und seines Messias gesegnet und begnadet war: "Schöpfer ist Gott", sagte Johannes, "der Schöpfer des Anfangs ist Gott für mich, geschaffen ist es alles durch den Herrn, den Messias, geschaffen für den Messias, der es alles übergeben wird dem Schöpfer, Gott, der durch seinen Heiligen Geist den König David singen ließ: Der Herr sagte zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten; König David, der sang, inspiriert durch den Heiligen Geist Gottes: Darum hat dich, o Gott, dein Gott gesalbt mit Freudenöl und Öl des Jubels! Halleluja! Gott der Herr ist der Herrliche, Gottes Messias, der König Israels, der ist die Ausstrahlung dieser Herrlichkeit! Licht und Überfluß und Überfülle an strahlendem Licht und Glanz und Schimmer und Funkelglut und Feuerflamme und glühender Zungen Tanz! Gottes Geist ist der Geist des Messias, der da der Erbe ist, Erbe aller geschaffenen Dinge, die Gott ihm zugeeignet und vermacht hat in seinem Testament, das da alle Macht und Ehre und Herrlichkeit zuspricht dem Messias, du, Christus", sprach Johannes, "bist der Sohn Gottes, das Wort Gottes, was bei Gott war und Gott ist! Halleluja! Gott, ich liebe dich, Herr, ich liebe dich! Amen!" Das hörte gerne Vater Zebedäus, dessen Augen grau waren wie das Grau in seinem Barte, mit einem lichten Schimmer wie der Spiegel seiner kopfigen Kahlheit glänzte, und drinnen ward es helle, da er gesehen hatte und gehört, wie der Herr Jesus seine beiden Söhne gerufen hatte zu Jüngern, und die hatten ihm vom Himmelreich erzählt, daß er fand, es sei ein gar freudig Geschrei über Gott da im Gange in den neuen Zeiten mit dem neuen Meister, von Liebe sei da die Rede und vom Vater Zebaoth. Vater Zebedäus sah sich diesen Jesus einmal näher an, er fand, der Mann ginge gar liebevoll um mit seinem Kleinen, dem Johannes, wenn der Johannes auch seine Eigenarten hatte, seine Überklugheit, seine selbstgefälligen Eitelkeiten nicht minder als der Große, der Jakob doch auch, und sich beide manchmal nicht schlecht was einbildeten auf ihr Unterrichtetsein in den Heiligen Schriften, und das nicht als Leviten, sondern als einfache Fischer. Ja, auch er war ein einfacher Fischer, der Vater Zebedäus, der mit anpacken konnte, und das gefiel ihm an dem neuen Meister, der konnte auch mit anpacken, mit seinen Zimmermannsarmen, wenn Not am Mann war, aber was der Jesus noch besser konnte, das war Gottes Wort predigen. Ja, das vom Geiste, das verstand Vater Zebedäus nicht so ganz, aber daß der Herr Jesus, ja, so wollte er ihn nennen, daß der Herr Jesus die Schriften so herrlich prophetisch und vollmächtig auslegen konnte! "Das ist heute erfüllt", so drückte sich der Meister oftmals aus, wenn er wieder eine prophetische Rede auslegte und auf sich bezog. Vater Zebedäus war ein Mensch, der sich gern ans Geschriebene hielt, wenns um Fragen der Religion ging, darum mochte er auch nicht so sehr die Pharisäer mit ihren Sondergesetzen, Sondergeboten, Sonderregeln und Sondervorschriften, denn allein die Heilige Schrift, Gesetz und Propheten, galt dem Vater Zebedäus als heilig geschriebenes Wort Gottes, ja, er war streng schriftgläubig, denn er meinte, getrieben vom Geiste hätte die Propheten geweissagt, und das alles sei bis auf diese Zeit überliefert worden, um nun von dem herrlichen Rabbi Jeschua so großmächtig, vollmächtig und allmächtig ausgelegt zu werden: "Ich bin, der ich bin, das Leben und der Weg und die Wahrheit", so hatte Jesus sich geoffenbart als der, der im Dornbusch brannte mit dem Feuer des Heiligen Geistes, der, der zu Gottes Volk geredet: "Ich werde sein", und nun ist er da, Halleluja, und so liebenswert, ein echtes und rechtes Abbild seines Vaters, Zebaoths, Abdruck seines Wesens, zu dem der Meister immer wieder hinwies: "Gott nenn ich Abba, lieber Vater! Er ist die Liebe, eine aufopfernde, blutende Liebe, der sich selbstlos hingibt! Er will euch verändern, daß ihr ähnlich werdet dem Sohne, durch den ihr versöhnt werdet mit dem Vater, Abba, der das Ziel des Glaubens ist, denn das ist das Ziel des Glaubens: das Leben mit dem himmlischen Vater in innigster und intimster Liebesgemeinschaft für alle ewigen Ewigkeiten des ewigen Lebens in nie sterbender Liebe!" Ach, so ganz begreifen konnte Vater Zebedäus den Vater Zebaoth nicht, denn er stellte sich immer seinen Vater Zebedäus vor, und schon allein diese Wortähnlichkeit... Vielleicht sollte Vater Zebedäus den Gott des Himmels Abba Elohim nennen, um zu begreifen, daß Gott vollkommen ist, zehntausendmal vollkommener und liebevoller als jeder irdische Vater, der ein sündig gewordenes Ebenbild Gottes ist, aber das Urbild, wie das nun ist, das müsste Zebedäus den Herrn Jesus noch einmal genauer fragen, daß er ihm den Vater offenbare, und daß der Vater Zebedäus dann eine Liebe zu Gott bekäme, wie Gottes Sohn, der lebendige Herr, dieser Meister Jesus seinen Vater liebte, über alle Maßen! Und wie war der dritte Jünger aus dem engeren Kreis der Jüngerschaft, dieser Simon, den Jesus Kefa nannte, Petrus? Er hatte schon eine Frau, eine schöne Frau, die fromm war, und einen kleinen Sohn von zwei Jahren, mit dem er durch den Garten um seine Hütte spazieren ging. Auch ihn zählte Jesus zu denen, von denen er sagte, sie seien seine Mutter und seine Brüder. Petrus war ein liebevoller Vater, der seinem Sohne gut zuredete: "Jonatan, mein Liebster, weißt du nicht, wie lieb ich dich hab? Ich bin doch dein Vater. Ich will dir sagen, was mein Herz bewegt: Ich rase vor Liebe, ich habe ein klopfendes und beklommenes Herz vor Eifersucht, daß du jemand anders mehr schätzen könntest denn mich, deinen Papa. Siehe, ich bin dir gut, und das für ewig, für alle Zeiten bist du mein, mein Kleiner, ich hab dich rasend und schrecklich gern, ich bin eifersüchtig, daß du zu Göttern greifen könntest, statt den himmlischen Vater lieb zu haben, der allein dein Schöpfer ist. Und sieh doch diese Blumen. Sind sie nicht lieblich und gar allerliebst und zierlich? Diese kleinen hellblauen Vergißmeinnicht, so schön wie meiner lieben Timna Augen, schimmernd und blühend und strahlend, und da, die kleinen grünen Blätter der Süßkartoffeln. Ich will da einen breiten Streifen Buschwerk um den kleinen Gemüsegarten anlegen, mit einem kleinen Pfad dazwischen, einem einzigen Weg dahin, so wie Jesus der einzige Weg zu Gott dem himmlischen Vater ist. Du, was denk ich da, wo ich eben die liebe Mama seh? Meine Schwester ist ein verschlossener Lustgarten, sagt Salomo über seine Geliebte, das hat Timna nicht verstanden, nicht wahr Timna, was ich da meinte. Du, Timna, du mußt dein Herz auch noch auftun, daß der Gärtner hineinkommt, der liebe Rabbi Jeschua, daß er deinen Garten zum blühen bringt, daß er ein Lobpreis ist für den Schöpfer, zu Gottes Freude da. Siehe, Jonatan, der himmlische Vater, der die Süßkartoffeln und die Kapern gemacht und dich auch, der lebt droben über den Wolken in einer himmlischen Stadt, wo David, der Geliebte, und Salomo, der Fürst der Liebe, und die heiligen Königinnen, und die Patriarchen all mit ihren Frauen leben in wonnesamer Ruh und ewigem Frieden, und küssen einander wie Friede und Gerechtigkeit, weil sie Gottes Liebe in sich haben, der mit ihnen lebt inmitten der Versammlung der Väter und thront über den Lobgesängen der Lieblinge Gottes, als der Ewig-Vollkommene-Vater, er ist unsre Sonne, er ist unser Leben, er ist unsre Freude, er ist unsres Herzens innerstes Herz, er, Gott, ist mein Gott!" Oh, wie war in Galilee am See die Nacht vorübergegangen für den liebreichen Herrn Jesus in andachtsreicher Stille. Nun hatte sich der Mond an den äußersten Rand verzogen, bereit unterzugehen oder weiterzuwandern zu den Menschen, die nun schlafen gingen. Nun waren die goldenen und silbernen Sternentropfen dahin. Die schwarze Nacht wurde aufgehellt von einer von ferne nahenden Sonne. Ein aufgeschäumtes, lindtrunkenes Blau, romantischen Fernwehs schwanger, wölbte sich bleich-samten über den Zenit von Horizont zu Horizont. In dieser linden Dunkelbläue, von einem milchigen Schaum anschwellenden Tages sanft durchschossen, begannen Gesänge aufzuperlen in hymnischen Reihen, wie silbrige Friedensflöten, Triller und süßmelodische Lobeslieder, Liebeslieder der himmlischen Sänger, der Gefiederten, der Sängerfreunde des Himmels, Gottes erwachender Poeten. Es fand unter den Vögeln eine schöne Erweckung statt, die Meisen und Amseln und Spatzen und Sperlinge und die Lerchen fingen an, miteinander in geistiger Einheit zu lobpreisen. Die dumpfen und müden Frösche nannten es Lobhudelei, die schwarzen trägen Katzen nannten es überschäumende Gefühlswallung oder Sektiererei, denn die Vögel sonderten sich ab und schwärmten in die linde Dämmerbläue hinein, in den rauschfarbenen Himmel, ihre Entzückungen auszusingen und hinüberzujubeln in die himmlischen Höhen der goldenen Frühe, die sich von weit, sehr weit sehr zart andeutete, wie ein kommender Heiland klein und zart komme, um zu triumphieren als Sonne, welche stirbt in blutrotem Untergang, bis Gott sie wieder heraufholt in rosigen Auferstehungen, in lindem Goldschimmer wandelt die Frühe dann über den dämmrig-grünen Garten Galiläas, mit silbrigem Schritt und Tritt in zarten Füßen, wie einer Jungfrau Tanz, wie das Schweben eines Engels, wie die Gegenwart Gottes in sieben Schleiern von Morgendunst, herrlich, lieblich, unaussagbar schön! O diese Wonne, die Jesus empfand, als er spürte den lindmilden Hauch der Frühe, als der Friede von Gott, Sein atmendes Schweigen, sein geruhiger Anhauch, sein tiefer Friede und seine innere Ruhe den betenden Sohn erreichten: Durch Ruhe werdet ihr gerettet, in Stille ist eure Stärke, wendet euch Gott zu und vertraut eurem lieben himmlischen Vater, er wird für euch sorgen, wie er auch für die Spatzen und Sperlinge sorgt, seht doch, denn keines fällt zu Boden ohne den Willen Gottes, und alle versorgt er, die Mühelosen, die Müßiggänger, die Tagträumer, Gottes goldene Dichter des Himmels, Gottes gefiederte Lieblingspoeten, und die verliebte Nachtigall im Kapernbusch am See von Galilee, sie begab sich in ihr Nest zur Ruhe, da Jesus leis wie ein heiliger Himmel vorüberwandelte. Friede sei mit dir! hauchte sein ganzes liebeatmendes Wesen aus. Am Tage ging er wieder in den grünen Hainen am See von Galilee, da empfand er die Vielfalt des Schöpfers, der die Weiden so zart und jungfräulich und schleierhaft gestaltet, wie sie sich hold anmutig neigen in fließenden Zweigen über den silbernen Spiegel des Galiläischen Meeres, da einzelne Blätter treiben, getrieben vom Wind, der streicht, wie eines Psalmisten Hand über die Harfe, über die leichten Wellen, welche spielen bis an die Wurzel der Weide. Lindgrün ist der Hain, da in den Buchen der Sonnenschein, der goldene, spielt wie goldene Putti im grünen Arkadien lächeln zwischen den Nymphen in den hellblau ätherischen Schleiern, denn der Himmel ist so strahlend, so heiter, so jugendlich, so frisch, so lebendig, so neu, so klar, so rein, und der Hain ist eine lebendige Antwort, ein Empfangendes, ein Entgegenblühendes, ein Hinanstrebendes. Und die Sonne - unser Gott ist uns unsere Sonne - sie ist ein goldener Schild, sie ist ein Auge wie glühende Kohle, sie ist ein Feuerball, sie regiert königlich wie eine Kaiserin im gelben Mantel, sie wandelt herrschaftlich durch ihr Reich, den grünen Hain des galiläischen Arkadien, der Sonnenjüngling mit goldenem Pfeil und Bogen und goldblonden Locken reitet auf seinem Roß aus Feuer durch den grünen Garten, ein bewehrter Friedensfürst, ein Schöner, ein Herrlicher, herrlicher ist aber der Herr, Jesus, das Licht dieser Welt, die Sanftmut selbst, sanfter als Trauerweidenzweige, sanfter als säuselnde Lenzlüfte in linden Bewegungen, sanfter als das goldne Malen der Sonnenwellen, sanfter als das silberne Gleiten der Schleiergewänder des Meeres, sanfter als die sensiblen Gräser, die sich neigen dem Lüftchen, sanfter als alles in der Schöpfung ist der, durch den alles geschaffen worden: Logos, inkarniert in Sanftmut. Dieser, der liebreiche Jesus, ging aus dem Hain zum Wege, da er einen blinden Bettler sitzen sah, Bartimäus, der seine Hand ausstreckte. Jesus warf seinen Schatten auf den Bettler, der spürte, daß da einer vor ihm stand, und er merkte, welche gewaltige Strömung von Ausstrahlung, machtvoll und warm, von Jesus ausging, der zu Bartimäus sagte: "Du, siehst du das Vöglein da?" Worauf der Blinde entgegnete: "Herr, willst du meiner spotten? Das Vöglein seh ich nicht, allein dich erkenn ich an der Stimme, der Heiland bist du. Kannst mich sehend machen, ich wills glauben, drum will ich dich bitten, von Herzen, Herr, auf Knien, Herr, mach den armen Bartimäus sehend, auf daß er einmal dir in deine Augen sehen kann, Jesus, dir in deine herrlichen Heilandsaugen sehen kann!" Und Jesus nahm ein wenig von dem guten Mutterboden, den Gott geschaffen hatte, nahm ein wenig Speichel, den er spie in seine hohle Hand, und mengte eine Salbe daraus, die er Bartimäus auf die Augen legte und sprach: "Sei sehend!" Da sah Bartimäus, zuerst sah er das Vöglein, nach dem Jesus ihn gefragt hatte. Es saß auf einem Weidenzweig, der leichte Lenzwind spielte plusternd in seinem graubraunen Gefieder, das Vöglein schüttelte neckisch den kleinen Kopf, wie um einen unschönen Traum oder sündigen Gedanken herauszuschütteln, und neigte seinen Schnabel auf seine rubinrote Kehle, seinen Purpurbusen, den er vorstreckte, tief Luft holte, und ausholte zu goldnem Jubilieren, echtem Sopran, mit dem er Arien sang wie ein verzärtelter Ziervogel, allein, weil er sich freute an seinem Leben und dieser Freude Ausdruck verleihen wollte, ein unaussprechliches Danken dem Schöpfer, ein unbewußter Lobpreis der erlösungsharrenden Kreatur, steigend und steigend zu den neunstimmigen Chören der neun Engelshierarchien, die alle lobpriesen den Heiland: "Halleluja, Jesus, du tust den Blinden die Augen auf, daß sie sehen die Taten und Werke des Schöpfers, des Vaters, der bis auf den heutigen Tag noch wirkt mit segensreichen Wirkungen!" klang der Engelsgesang; und Bartimäus, angerührt von einer geistvollen Emotion, er sah dem Messias in die Augen - seine Augen wie eine Feuerflamme, voll Liebe!





DREIZEHNTES KAPITEL


Jesus ward gekreuzigt! - Da schauten zu mit Mitleiden, Staunen und Lieben Maria, die Mutter Jesu, Maria, die auch Magdalena genannt ward, da sie aus Magdala stammte, und der Jünger, den Jesus liebhatte. – Magdalena, die Jüngerin, welche Jesus liebhatte, die Jesus liebte, die Jüngerin, aus der er sieben Dämonen ausgetrieben, gebietend im Namen Gottes, des Lebendigen, die Jüngerin, die ihm gefolgt war aus Magdala in Galiläa, aus dem Blaufärberweg, durch ganz Galiläa und Samaria und durch Judäa, all seine staubigen Wege mitgemacht, die sah jetzt den, der da Wunder getan und wunderbar gelehrt, den Sohn Gottes, den Christus Gottes, den Verheißenen, den Herrlichen, den Retter, den sah sie nun leiden, leiden, leiden am Kreuz, am Fluchholz, am Marterpfahl der Römer, verraten von Judas Ischkariot, überliefert von den Hohen Räten der Juden, angeschlagen von den römischen Soldaten, begafft vom gottlosen Pöbel, verzweifelt angestarrt von den Jüngern Jesu. Maria Magdalena, sie kniete, da sie Jesus schreien hörte, mit beiden Knien auf dem staubigen Fels, dem Schädelfelsen Golgota, und rang die Hände, rang sie verzweifelt. Ihr langes hellrotes Kleid floß auf den kargen Felsen, die Flut ihrer goldenen Locken floß ihr über Schulter und Rücken, zum Beten hatte sie einen hellblauen Schleier auf dem Haupthaar, die Arme streckte sie zum Himmel und faltete die Hände, händeringend wollte sie ihr Leid aus ihrem Leib pressen, wollte sie den Schrei zurückhalten, um Jesus nicht zu belasten in seinem Leid, und betete leise, betete Jesus an: "Bräutigam! Mein Liebster, mein Geliebter, mein lieber, lieber Herr Jesus! Dich bet ich an, seh ich dich auch in deinem Leiden, dir will ich mich zuwenden mit aller Liebe, die ich gelernt hab in meinem sündigen Leben, mit aller Bußliebe, die mich dein heiliger Geist gelehrt hat, mit aller Gottesliebe, die dein Geist in mein Herz gegossen hat, mit allem Feuer und aller Leidenschaft will ich mich zu deinen blutenden Füßen niederwerfen, o mein Heiland, o mein Erlöser, o mein Retter und Herr! Nimm mich an in deiner letzten Stunde als deine Braut, als deine von dir Gerettete, als die von dir Erlöste, die für dich Erlöste, die zur Gemeinschaft mit dir Erlöste, die nichts will als deine Füße zu küssen mit einem Kuß meiner Liebe, aber ach! meine Küsse sind wie Nesseln und Dornen und Gift für deine Wunden, denn mein Mund küsste schon andere Männer, die nicht meine Männer waren, und ich hob mich nicht auf für den Einen, den Meinen, der da kommen sollte, darum lieb ich nun nicht mit reiner heiliger Liebe, sondern mit reuiger Bußliebe, darum küss ich nicht deine aufgeplatzten Lippen mit einem erfrischenden Kuß einer reinen Jungfrau, sondern winde mich zu deinen durchbohrten Füßen, denn du lehrtest mich Demut! Herr! Ja, du lehrtest mich, mich klein anzusehen und dennoch in deinen Augen geliebt, in Gottes Augen groß, gar ein Ebenbild des Allmächtigen und Dreimalheiligen Vaters! Ich bin eine Sünderin, und meinethalben mußt du dies Blut vergießen, das du mit Schmerzen ausschüttest aus deinem so holden, so liebenswerten schönen Mannesleib, o Jesus, mein Geliebter! Ach dürft ich dich einmal halten, wie eine Frau einen Mann hält, der der Einzige, der Ihre ist, aber du hast dich enthoben einer sündigen Frauenliebe, und mit vollkommener Liebe hast du alle geliebt, auch Susanna und Johanna und Maria Kleopas, und ich, weh mir! ich bin eifersüchtig, daß du mit gleicher Liebe liebst die andern Frauen, die deine Jüngerinnen auch waren, aber die nie dies Feuer und diese Leidenschaft für dich zeigten, Jesus, sag mir jetzt in der Stunde deines Wehes, ist denn deine Liebe gleichgültig und allgemein? Gilt sie denn nicht mir ganz persönlich und mir zuerst und an vorderster Stelle? Oh mein Messias! Wie ich dich liebe, wie ich deine Liebe begehre und wie ich... Jesus! dein Blick wandt sich mir zu, dein Auge drang durch das halbgesenkte lebensmüde Lid und blitzte herüber mit einem Gnadenfeuer Liebeserleuchtung in meine Seele, und oh! Messias Jesus, mein geliebter Adonai Jeschua, Jeschua du, du liebst mich!  nun bin ichs gewiß und weiß mir sicher, du liebst mich, als wenn ich die Einzige wäre auf Erden, wenn es nie andere Evastöchter gegeben, wenn Magdalena wäre allein auf der Welt, so wärest du gekommen von des Vaters Schoß und hättest deinen Thron nicht festgehalten, sondern wärest gebeugt gegangen unter der Kreuzlast und hättest dich geißeln lassen, mich zu erlösen mit deinen Striemen, mich zu liebkosen mit deinen Wunden, mich zu herzen mit deinem Blutvergießen, mich zu küssen mit deinem Kreuzestod! Jesus! Ich kanns nicht fassen, dich darf ich lieben? Vor dir darf ich knien und sehen wie du leidest, sehen dein Sterben, dein, der du heiliger Sohn Gottes bist? Und alle Propheten und Mirjam und Rahel und Abigajil, sie begehrten den Messias zu sehen und sahn ihn nicht, und ich, ich darf dich sehen, den lebendigen Christus, den gerechten Gesalbten, den Eiferer für die Seinen, den Göttlichen, den Rechtsprecher, den Befreier und Erlöser, den Einzigen, den Liebenswerten, den Liebling Gottes, den Kuß des Geistes! Ja, das bist du mir, der Kuß des Geistes Gottes, den er küsst auf meinen Sünderinnenmund in diesem Augenblick, und die Umarmung des Vaters, in diesem Augenblick, da du deine Arme ausbreitest voller Schmerz und Wehe, Wehe, am Kreuz in deinen Leiden, o Vater, da umarmst du mich, o Jesus, und presst mich an dein Herz, mit letztem Schlage Leben, Leben in mich hinüberzubluten, hinüberzuatmen, mit letzter Liebe mich zu erlösen für die Ewigkeit, Gott! Allmächtiger du nun in deiner Ohnmacht! Unbegreiflicher! Gott der Liebe, dem Haß ausgeliefert! Segen Gottes, in Fluch ausgegossen! Gehasste Liebe, verfluchter Segen, du Menschensohn und Gottessohn, du Logos in Fleischgestalt, dich will ich lieben über deinen Tod hinaus, dich will ich lieben in Ewigkeit! Ja, Jesus, wenn du nicht wärst in Ewigkeit, wär mir die Ewigkeit Kot und Nichts, aber da du, ich glaubs, in Ewigkeit bist beim Vater und Geiste der Liebe, darum lieb ich dich in Ewigkeit, und das, das dich küssen, Jesus, das ist das wahre Paradies, das dich herzen ist Eden, das mit dir kosen ist Himmel, das mit dir turteln in Ewigkeit, das ist Erlösung, Freude ist dein Angesicht ewig zu sehen, Glück ist dich immer wieder zu küssen auf Stirn und Wangen und Lippen, ja! Jetzt darf ich nur mit heißer Bußliebe deine blutenden Füße umfangen, dann aber, wenns vollbracht ist, Herr Jesus, dann darf ich deine gottgeküssten Lippen küssen mit heiliger und erlöster Schwesterliebe, mit heiliger engelhafter Frauenliebe dich, den Bräutigam meiner Seele, mit der ganzen gerechtfertigten Leidenschaft meiner erlösten Seele in Ewigkeit dich umfangen und nie, nie mehr lassen, meine Taube! Jetzt will ich mit dir sterben und mit dir ins Paradies, Jesus, jetzt, in diesem Tod am Kreuz stirbst du meinen Tod, und in dir ist mein Tod ein Liebestod, Jesus, Jesus!" So schrie sie und ward nicht stille, bis sie in eine Ohnmacht fiel. Und der Jünger, den Jesus liebhatte, der vernahm des Meisters Gebot, er solle die Mutter Jesu an Mutter statt annehmen, dafür sei die Mutter Jesu dann beschenkt mit einem neuen Sohn, der solle Stellvertreter Jesu sein, so gab der Messias Johannes und Mirjam zusammen zu einem Paar, und so standen sie da auch: Johannes in seinem blutroten Mantel, mit dem dunkelblond-braunen Haaren, der offenen Stirn, dem spitzen Gesicht, ein wenig wie Mädchengesicht, ein wenig wie Milch, dem kurzsichtigen Blinzeln in den klugen und hellen Augen, und schloß die Lider, um das Leid nicht sehen zu müssen, und stützte mit seinen Armen die Mutter Jesu. Innerlich aber betete Jochanaan: "Meister und Herr, wie leidest du in dieser Stunde Leiden der Sünde und Strafe des Todes, des Lohns der Sünde, für alle Welt, die gesamte Menschheit, für alle leidest du Sündenstrafe, Pein und Tod, auf daß jeder Sünder frei werden kann von seiner Sünde und von der daraufliegenden Strafe, denn du, Herr, trugest sie an seiner statt, deine Striemen hätten des Sünders Striemen sein müssen, deine Wunden sind eigentlich des Sünders Wunden, und du stirbst des Sünders Tod, und nicht eines einzigen Sünders Tod stirbst du, Jesus, sondern aller Sünder Tod stirbst du, myriadenfachen Tod, oh! Unfaßbar sind deine Leiden, Herr, obwohl ich auch wohl Leiden kenne, Traurigkeit und Depression und Todessehnsucht und die schwärzesten Augenblicke, da es mir ging wie Elijahu unterm Ginsterstrauch, aber du, Herr, leidest schwereres Leiden, ein Leiden leidest du, wie kein Mensch je tragen mußte auf Erden, denn von Anbeginn der Zeiten und vom ersten Schöpfungstage an trug Gott den Plan mit sich, dies Leiden aller Welt und Menschheit auf seinen ewigen Sohn, den Gottsohn zu legen, auf daß seiner Gerechtigkeit Genüge getan werde und der Sünde Lohn ausbezahlt werde, der Tod gezahlt werde als Strafe und Preis der grausamen Gottlosigkeit seiner ganzen Menschheit, aber gezahlt werde nicht an die Menschheit, sondern an den Sohn, der muß den ganzen Lohn haben, und ist todesreich mit bitterem Blutgeld und Peinzoll, auf daß frei werden kann vom Tod und aller ewigen Strafe derjenige, der sich zu dir begibt, o Jesus, denn du bist sein Schirm vor dem Regen des Zornes Gottes, denn bei dir ist Schutz und Schirm, und du bist der Blitzableiter, daß der Blitz nicht den Frevler treffe, der Blitz des gerechten Zornes Gottes über tausend Freveltaten, sondern treffe tötend den Heiligen Sohn Gottes, den einzig Sündelosen, dich, o Jesus, in dieser Stunde! Dieser Plan ist so schwer zu fassen mit des Menschen kleinem Verstand, wie schwer zu fassen ist, daß allein Blutvergießen kann die Gerechtigkeit Gottes befriedigen, und daß Gott nicht vergeben kann, ohne seine Rache niederzulassen auf ein Opfer, schwer zu begreifen ist dies, und doch ists so einfach: Ich, ich darf leben, weil Jesus meinen Tod starb! Weil die Strafe für meine Sünde ergangen ist (an den gekreuzigten Christus), darum kann mir Gott meine tägliche Sünde täglich von Herzen vergeben, und ist kein Gedenken meiner Sünde mehr bei dem gerechten Gott! Seh ich da des Vaters Liebe? Daß er meiner Seele ein ruhsam Gewissen will schenken? Daß er gar meinen Tod nicht will, obwohl er den Tod des Sünders fordert, aber will den Tod des Sünders dulden lassen den Sündlosen, seinen eigenen, heiß und innigst geliebten Sohn der Ewigkeit, Jesus Christus, auf daß ich leben darf, leben in Ewigkeit mit Gott versöhnt! Das ist des Vaters Liebe! Daß er das Liebste, seinen ewigen Sohn, seinen liebsten Herzensgedanken, den Logos zum Opferlamm machte, auf daß ich nicht geopfert werden muß auf dem Altar der Gerechtigkeit, ja, Gottes Herz gab Gott dahin, um mich zu erlösen vom Tod, sein Liebstes, seinen Liebling riß er sich vom Munde und gab seinen eigenen Geist dahin ans Kreuz, daß sein Geist starb, sein Geist des Lebens den Tod erlitt, auf daß ich leben, leben, leben darf! So sehr liebt mich Gott, der Vater, der kein Vater wie andere Väter ist, sondern der Ewig-Vater, der Erzvater, der Vater aller Vaterschaft, der kein geiziger oder ungerechter oder böser Vater ist, sondern ein hingebungsvoll liebender und ein reich beschenkender und ein heiliger und gerechter und ein vollkommen guter Vater ist, der Vater im Himmel, der alles unternahm, was getan werden mußte, um mich mit ihm zu versöhnen, um mich in das Land der Lebendigen, in die Gemeinschaft mit Ihm zu berufen! Der Vater ging in den Tod für mich, in Gestalt des Christus Jesus, den Er durch Seinen Heiligen Geist von den Toten auferwecken wird und ihn machen wird zum Erstgeborenen aus dem Schoß des Todes! Halleluja! Vater, Vater, laß mich ganz und gar ergriffen sein von dieser Liebe und alle Tage meines Lebens leben für diese Liebe und dieser Liebe würdig, Vater! Amen." Und Maria lehnte sich, einer Ohnmacht nah, zurück in den sie umschlingenden rechten Arm des Johannes, lehnte den Kopf in den Nacken, das weiße bleiche Gesicht aufhebend zum erhöhten Christus, die Augen schließend, die Hände händeringend ebenfalls aufhebend zum erhöhten Christus, die Arme von der linken Hand des Johannes gestützt, der Mund, die Lippen fast blau, der Schleier tief in die Stirn gezogen, die ganze Gestalt eingemummt in ein weißes Gewand aus reinem Linnen, stand sie, schwebte sie fast hinter der in sich zusammengesunknen Magdalena, und war stumm, brachte kaum ein unhörbares Gebet hervor, denn der, zu dem sie beten wollte, Gott, der hatte Seinen Sohn ja verlassen, denn Sein Sohn, der schrie ja: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich aufgegeben?" Und da war sie allein mit den Schmerzen ihres Sohnes, des gepeinigten Menschensohnes, der dem Tode nah war, und da schienen ihr alle großen Hoffnungen zugrunde zu gehen: Er der Retter Israels, der Messias aus Juda, der König der Hebräer? Nun so gottverlassen und todesnah am Kreuze verreckt durch die Streckung hängend: "Wehe, Wehe! Wie soll eine Mutter diese Schmerzen tragen, wie soll eine Magd Jahweh's diese Peinigung ertragen, da der Allerhöchste sich verbirgt hinter schwarzen Wolken und macht Finsternisse zu seinem Zelt, und blitzt herab die verheißenen sieben Schwerter in meine Seele! Ein Schwert, das ist ein Wehe, ein Schwert, das ist ein Mitleiden, ein Schwert, das ist ein Verzweifeln, ein Schwert, das ist ein Ohnmächtigwerden, ein Schwert, das ist Nichtmehrbetenkönnen, ein Schwert, das ist den Tod schmecken in all seiner Bitterkeit, ein Schwert, das ist letzte Hoffnungslosigkeit und Einatmen der Finsternis! Diese durchbohren nicht einzeln meine Seele, daß sie sich vorbereiten und wehren könnte, sondern alle gemeinsam fressen sich in mich herein wie ein gefräßiger Drache und fressen meine Eingeweide auf, zerfetzen mir Herz und Nieren, Verstand und Gefühl werden durchbohrt von diesen sieben Peinigungen, die Gott mir zugemessen hat! Warum, Gott, warum hast du dies einer Mutter zugemessen? Warum läßt du sie erst erfahren Mutterglück und Mutterstolz und Freude am Menschensohn, um sie dann zu berauben ihres Liebsten, ihres ganzen Stolzes, ihrer höchsten Freude? Gott, du nahmst mir den Mann, da hatte ich ja noch den Erstgeborenen, nun nimmst du mir Ihn, der da ein Wunder des Himmels ist, Ihn, den du so wunderbar in mir geschaffen durch das Wort des Engels des Herrn, durch die Überschattung vom Geiste des Allerhöchsten, da waren wir, die Mutter und der göttliche Sohn, geborgen unter den Schwingen des Vaters, da warst du sanft und hold, o Vater, aber nun? O Vater! Vater! Wo bist du nun? Du sagtest, wir sollten uns aufmachen, ob wir dich finden und fühlen könnten; ich finde dich nicht in dieser Stunde, da du meinen Sohn verlassen hast, den Deinen, Gott! Und ich fühle dich nicht mehr, Gott, ich fühle nicht mehr deine verkündete Liebe, ich fühle nur noch Gottverlassenheit, Ohnmacht, Nacht und Schmerz! Solltest du dich zurückgezogen haben? Solltest du deine Magd in der Finsternis zurücklassen, nachdem du sie in ihrer Demut angesehn und gebenedeit mit wunderbarem Segen, die Magd mit auserlesener Segnung geküsst hast, o Geist? Aber nun, wehe! Mein Sohn schreit, ihm platzen die Lippen, er verschmäht den Myrrhenwein, er wird gepeinigt mit Essig, er spürt noch die Geißelstriemen, die Dornen der neunschwänzigen Peitsche, noch dringt die Galle ihres Spottes durch sein zartes Gemüt, ihm bohren sich Dornen in seine Stirn, da rinnt das Rinnsal Blutes herab, ihm zerreißen sich schier die gestreckten Arme, ihm schreien die Wunden, da sie Nägel durch seine Hände geschlagen, und Nägel durch seine Füße geschlagen, Gott! Wie soll Er das tragen, wie soll er den Schmerz ertragen, da er ja die Sünde der ganzen Welt zu tragen scheint, wie soll er, der geschaffen ist für die Herrlichkeit Gottes, er, dessen Seele fähig ist und rein genug, in Gottes Gemeinschaft paradiesisch zu leben, herrlich und ewig, wie soll er die Schmerzen tragen, die ihm der Haß der gesamten Menschheit zuträgt, wenn, Vater, wenn Du ihm nicht beistehst, Gott, wenn du dich nun auch noch abwendest! Er in seiner Menschheit, er hat seinen Gottesstand bei dir gelassen, und du, du läßt ihn nun und hilfst ihm nicht durch deinen Heiligen Geist mit Trost und Kraft aus der Höhe, sondern lässt ihn im Blut und in Marter verrecken an dem gesammelten Haß der Sünder? Wieso, Gott, wieso mißt du ihm diesen Rachebecher, diesen Taumelkelch des Zornes zu, wo er doch Sündeloser war und ist und sein wird? Warum, Gott!?..." Da sank sie zusammen und ward ohnmächtig, Johannes ließ sie gleiten auf den Schädelfels, hob das Haupt und sah Mitka kommen. Diese trug ihr dunkelblondes Haar bis auf die Schulter, da es sich in Wellen legte, und weiterfloß, ihre Augen waren dunkelblau und von einem sonderbaren Blitzen erleuchtet, ihre Lippen waren fein und schmal und etwas schimmernd von feuchter Röte. Sie hatte einen zierlichen Körperbau und trug sich nun etwas bedrückt zu der Familie der Freunde. Ja, sie war auch eine Jüngerin Jesu, die unten durch das Gedränge nicht eher gekommen war, und nun sah sie Maria und Magdalena in Ohnmacht liegen und wandte sich ernst an Johannes, die Brauen etwas bewölkend über den schönen Augen zusammenziehend, sagte sie: "Mir nahte der Erzbösewicht, der Feind Gottes und der Menschen, Christi Versucher, die alte Schlange, der dreimalverfluchte Satan mit Pestgestank und in einem Schillern, Libellen am Abend ähnlich, und flüsterte albernes Zeug über die Kreuzigung. Ich verstand nicht recht, was der Böse damit sagen wollte, er wollte wohl nur spotten, aber der Spott gelang ihm nicht, denn vielleicht wußte er, daß der Heiland in seiner größten Schwäche noch mächtiger ist als der gefallene Engelfürst auf der Höhe seiner Macht, denn er ist geschaffen, aber Gottes Wort ist Schöpfer! Darum zitterte Satan und wußte wohl, ihm bleibt nur mehr wenig Zeit. Aber da er nicht rastet und ruht, weil er nur ein Ziel kennt, die Seelen von Gott abzubringen, darum trieb ihn unselige Unrast zu mir. Mir ging es gar nicht gut, denn ich hatte an all meiner Verzweiflung nicht weniger zu tragen als an Kefas Verzweiflung auch, der mir seine Leugnung bitter beklagte, und auch Jimna wußte nicht im geringsten zu trösten und zu erklären, warum der Herr ans Kreuz gekommen? Diese Verzweiflung und dies Unwissen sah der Böse und nutzte es aus, wollte es jedenfalls, und nahte mir, indem er sich lustig machen wollte über den heiligen Schmerz des dreimalheiligen Herrn! Weiche von mir, Spötter, rief ich, und flehte den verborgenen Gott des Himmels um Beistand an, und sagte, wie Michael, der Erzengel sagte: Der Herr schelte dich, Satan, der Herr strafe dich und werfe dich ins ewige Feuer des schrecklichen Verderbens! Ich merkte nicht, daß Satan wich, sondern er versuchte, mich zu irritieren, indem er seine Lästerungen aussehn ließ wie meine Gedanken, aber da kam mir der Heilige Geist zu Hilfe und sagte: Satan, deine Stunde ist gekommen, heute, da Jesus Christus am Kreuze stirbt, da wird dein Todesurteil unterschrieben, nun hinweg im Namen Gottes! Und Satan wich, und ich lachte ihm hinterher: Du Affe Gottes und Erznarr, gottloses Biest, deine Bemühungen sind umsonst, denn wer in Gottes Hand ist, den kann niemand aus des Herrn Hand reißen!" Johannes stimmte grimmig zu, sah dann zum Kreuz. Jesus sah zu den Seinen herüber, sah zum Himmel, und schrie: "Abba, Abba! Meinen Geist in Deine Hände!" und verschied. Die Bestürzung bei den Heiligen war sehr groß.




VIERZEHNTES KAPITEL


Und sie nahmen Ihn ab vom Kreuz, denn dazu hatte Josef von Arimathia die Erlaubnis bekommen vom Gouverneur Pilatus. Josef hatte rotbraune Haare und ein bartloses Gesicht, bleich und mit einer langen flachen Nase, er trug einen scharlachfarbenen Mantel und hielt in seinen Armen den bloßen Christus, der verwundet war am ganzen Körper: Ihm war das Blut von der Dornenkrone her auf den ganzen Leib gelaufen, seine Hände waren wund und seine Füße, und seine Seite hatte ein römischer Hauptmann aufgestochen. Er war nackt bis auf einen Lendenschurz, sein Gesicht sah schwer und ernst und tiefsinnig aus, da er in Leiden und doch im Bewußtsein Gottes gestorben war, da war nicht nur Lächelfriede, da war ernste Ruhe, von Leiden gezeichnetes Antlitz, ein entseelter Leib, kein Hauch entwich der Nase mehr, kein Zucken zierte mehr Nasenflügel und Augenlider, seine Lippen waren blaß und kalt - er war tot! Er, der gesagt hat: Ich bin das Leben! Er war nun tot! Maria kniete zu seinen Füßen, der Schleier tief über die Augen gezogen, unter den Augen schwarze Schatten und Spuren von Tränen, mit einem stummen Pressen ihres Mundes, verbittert durch das schwere Schicksal, ergeben in das von Gott ihr zugeteilte Los, saß sie und sah sie Josef zu, wie er mit dreien seiner Diener den Leichnam Jesu trug auf einer Bahre zu dem nahgelegenen Grabhöhlenplatz, da er, Josef von Arimathia, sich eine eigene Grabhöhle schon gekauft hatte, die noch nie benutzt worden, die er nun zur Verfügung stellte dem Heiland der Welt in seinem toten Leib. Er war ja nicht mehr darinnen, sein Geist war ja wandern gegangen in die unteren Regionen, die tiefen Örter der Finsternis, anzuklopfen an uralte Pforten, eherne Tore der Unterwelt, anzuherrschen den Hades, daß er freigebe Adam und die Propheten. Und Josef von Arimathia und Maria, die Mutter von Joses und Jakobus, und Maria, die aus Magdale, sie beteten vor der Grabhöhle, da sie Jesus im Linnengewand des Todes, mit dem Schweißtuch der Stirn, hineingelegt hatten, beteten nun den unverstandenen Gott an: "Herr! Deine Wege sind uns unverständlich, dein Schicksal, daß du über den Menschensohn Jeschua beschlossen hast, können wir nicht ergründen. Du hast ihn uns doch zum Retter gegeben, das haben wir doch geglaubt, als er das von sich bezeugte, und du ihn zu bestätigen schienst mit Zeichen und Wundern und einer Donnerstimme vom Himmel her: Das ist mein geliebter Sohn, an ihn sollt ihr glauben! - Und nun, wo ist er hin? Wem predigt er noch, wie könnt er uns lehren, wie kann der Tote uns heilen? Wir haben Sehnsucht nach seiner Sanftheit, seiner heilsamen Rede, seinen liebreichen Blicken, seinem guten Gemüt, seiner feinen Seele, seiner Schönheit der lichten Augen, seiner tiefsinnigen Stirn, seinem geduldigen Zuhören, seinem Verständnis, seinem Einfühlungsvermögen, seinem guten Zureden, seinem Raten, seinem Gebieten, seinem Weisen, seinen Visionen und Eindrücken vom Heiligen Geist; sein Wissen von dir, o Vater, seine Offenbarungen deines Wesens vermissen wir, und ohne ihn, deinen Sohn, wissen wir dich nicht mehr zu verstehen, Gott!" – „Siehe, der Menschensohn war wie ein Baum, an den fließenden Bächen gegründet, der seine Bergamotten-Orangen uns zur Labsal gab, als es an der Zeit war, die der Herr für ihn bestimmt hatte, seine Blätter waren heilsam wie die Blätter vom Baum des Lebens, sie boten Schatten vor der judäischen Sommersonne und rauschten, wenn der Odem des Himmels ihn anrührte, rauschten und zitterten. Alles, was er tat, ob es Heilungen waren oder Lehrpredigt, Wunderwirkungen des Heiligen Geistes oder prophetisch des Vaters Wort uns sagen, ermutigen Niedergedrückte oder ermahnen Sünder, alles, was er tat, gelang ihm; und nun, nun soll sein Lebensentwurf ihm mißlungen sein, sein Lebensstil soll zum Tode geführt haben? Er ist doch nicht nur ein dürrer Baum! Hat denn Gott unsere Hoffnung zerspalten, wie der Blitz Jehowahs einen Baum zerspaltet? Siehe, für einen Baum gibts noch Hoffnung, wenn er abgehauen wird, so treibts Gezweig aus seinem Rumpf, seine Wurzel mag altern, so treibt sie doch noch Grünlinge neu hervor, vom Duft des Wassers lebt die Wurzel auf und treibt neue Zweige wie frische grüne Pflanzen; aber da der Menschensohn gestorben ist, da soll er hingestreckt bleiben? Da er verschieden ist, der Menschensohn, sag mir, wo ist er? Der Tod achtet Eisenmänner für Stroh und Erzmenschen für wurmstichiges Holz! Der Mensch ist gleich einem Splitter auf der Fläche des Wassers. Aber wenn die Terebinthe Baschans und die Eiche vom Eichgrund gefällt werden, ihr Stumpf wird ein heiliger Same sein, und solls nicht so auch sein mit dem Überrest des Messias? Er war doch auserlesen wie die Zedern des Libanon, er war eine Zeder inmitten von Stechdornen, er war der Gerechte! Denn so sprach der Herr Jahwe: Er würde nehmen vom hohen Wipfel der Zeder und wirds einsetzen auf einem erhabenen Berge Israels, er soll Zweige treiben und Frucht bringen und zu einer prachtvollen Zeder werden, daß unter ihr alle Töchter des Gesanges treiben und singen mit Stimmen, dünn wie müde Mühlräder am Abend, im Schatten der Zedernzweige werden sie wohnen und preisen ihren Schöpfer! sagt das Wort Gottes, und nun, wohin ist diese Zeder? All unsre Hoffnungen in ihm, wohin? Nimmermehr, nimmermehr? Diese Zeder auf dem Libanon, diese Prachtzeder, sie ward nicht verdunkelt von andern Bäumen im Garten Gottes, Zypressen glichen ihr nicht mit ihren traurigen Zweigen, Platanen kamen ihr nicht gleich mit ihrem breiten Geäst, kein Baum im Garten Gottes glich ihr an Schönheit. Schön hat der Herr Jahwe sie gemacht in der Fülle ihrer Zweige, es beneideten sie alle Bäume Edens, die im Garten Gottes wuchsen. Aber sie ward dem Tode preisgegeben inmitten der Menschenkinder. Darum spricht der Herr Jahwe: An dem Tage, da sie hinunterstieg in die Unterwelt, da verursachte ich Trauer, ließ fließen die Fluten trauriger Wasser; in Schwarz hüllte sich ihretwegen der Libanon, alle Bäume des Feldes verschmachteten ihretwegen. Aber wie herrlich wird Israel sein, wie eine herrliche Zeder, gepflanzt am Wasser, wie Cardamomen, die Jahwe gepflanzt hat, denn der Gerechte ist ein grünender Ölbaum im Hause Gottes, prangend mit stattlicher Frucht, und viele Völker werden abklopfen die reichlichen Beeren aus seinen Wipfeln und Gezweigen und sich nähren mit seinen Beeren, gleich dem Weinstock, von dessen Beeren sie Freude trinken werden. Ausgegossenes Öl ist sein Name, trunken wie Wein macht seine Liebe. Ja, er wird sprossen wie eine Palme, der Gerechte, der wie eine Bergamotten-Orange inmitten von Judasbäumen ist, und goldene Bergamotten-Orangen auf silbernen Schalen, so sind seine Worte, und das Wort aus seinem Munde duftet wie der Duft von süßen Äpfeln, sein Mund gleicht einer Frucht vom Baum des Lebens, denn er, er ist der Baum des Lebens, und seine Worte sind Worte des Lebens." Und da stand ein Engel vor dem offenen Grab, das... leer war! Und da stand der Engel, weiß wie ein Blitz und ebenso leuchtend (so ein Weiß sah man damals nirgendswo, ja nicht einmal der Schnee auf dem Hermon war so weiß, erst recht kein Linnen gabs von solcher Reinheit), und der Engel rauschte mit seiner Stimme, die wie Meeresrauschen klang: "Jubelt, o Himmel, denn vollführt hat es Jahwe! Jauchze, o leeres Felsengrab! Brecht in Jubel aus, Morijah und Zion, Hermon und Baschan! Du Wald des Libanon und du Palme Jerusalems, jubelt und jauchzt! Freuen soll sich der Himmel, freuen soll sich die Erde, es brause das Mittelmeer und das Rote Meer, es jauchze das Milch- und Honig-Land von Kanaan, jauchzen sollen alle Cardamom-Bäume Palästinas, denn Jahwe hat es vollbracht! Rühmet, ihr Himmlischen, rühmet, ihr Heiligen, Jahwe in den Himmeln, Jahwe in der Höhe! Rühmen sollen ihn Plejaden und Orion, die astrale Jungfrau und der Mond! Die Sonne und die Gewässer an den Himmelsgestaden sollen loben den Höchsten, der droben wohnt im Himmel der Himmel: Jahwe! Er, er hat es vollbracht! Weit wie die Himmel reicht seine Gnade, weit wie die Wolken seine Treue, ja, hoch über die Himmel hinaus ist seine Gnade und dauerhafter als Wolken seine Treue! Denn Jahwes Same wird ewig währen, sein Thron scheint mir gleich der Sonne zu sein, so unermeßlich von Bestand, und länger während, und länger bestehend als der Mond, der schon dauert in die Zeiten der Zeiten, aber ewig, ewig dauert die Herrschaft des Sohnes Gottes! Schön wie der Mond, schön wie die Sonne sein Antlitz! Blicket, ihr Heiligen, blicket gen Himmel und zählt die Myriaden Sterne, zählt ihr sie zuende? So zahlreich sollen Jahwes Kinder sein, die er alle gegeben Adonai Jeschua! Dem gegeben sind die Auserwählten, ihr seine Erstgeborenen, die Erstgeborener seiner... Auferstehung! Die Geschwister Jesu werden leuchten wie die Himmelsbläue, die Auserwählten werden schimmern wie die schönen Sterne droben! Wie bist du aus der Nacht wieder auferstanden, o du leuchtender Morgenstern?! Ja, du bist der Stern, der hervortrat aus Jakob! Wo wohntest du, Licht, die vergangene Nacht? Wo ist der Ort der Finsternis, daß du ihre Grenze durchbrachest, kanntest die Pfade zu ihren schwarzen Hütten und kamest aus den Toren des Feuerpalastes drunten hervor mit siegreichem Morgensternglanz, o du Herrlicher! Dein Glanz ist gleich dem Lichte Gottes, und ein Strahlen wird zu deiner Seite sein, als da ist das Strahlen und Schimmern deiner Geschwister im Geiste! Da du über die Menschen herrscht in Gerechtigkeit und der heiligen Ehrfurcht vor Gott dem Herrn, da bist du wie das Licht des Morgens, wenn die Sonne aufstrahlt, am Morgen wolkenlos, wenn vom Morgenglanze nach dem dunklen Regen junges Grün aus der Erde sproßt. Ja, du bist das siebenfache Licht der Sonne, du machst den Heiligen ihre Dunkelheit zu einem strahlenden Mittag, ihre Lebenszeit wird durch dich und das von dir gespendete Glück heller als die Mittagszeit, und mag es melancholisch-dunkel sein, so wird es immer noch wie ein zarter Morgen sein. Laßt uns erkennen, o ihr Heiligen all, laßt uns erkennen Jahwe in Jeschua, denn gleich der Morgenröte wird er hervortreten! Wer ist er, der blicket wie die Morgenröte, mit Wimpern der Morgenröte? Der Herr Zebaoth ist es, der Herr der Himmlischen Scharen, der allmächtige Gott, der euch begegnet in Jeschua. Was sucht ihr ihn bei den Toten, den so Herrlichen? Er ist... auferstanden! Auferstanden! Feiert Jesus, denn er ist auferstanden! Halleluja!" rief der Engel mit einer Stimme wie Meeresrauschen, einer Stimme, die Zedern spalten kann und Hirschkühe kalben machen, und schwand in die unsichtbare Welt Gottes. Die beiden Marien standen still und starr und staunten. Und Magdalena ging in dem Garten bei den Felsengräbern, zwischen den Cardamomen, den Zedern und Zypressen, den Eichen und Buchen, den Öl- und Feigenbäumen, den Wacholder- und Ginstersträuchern, den Narzissen und Lilien, Anemonen und Pfingstrosen, den Alraunen und Liebesäpfeln, zwischen den Gräsern ging sie mit bloßen Füßen in goldnen Sandalen. Sie trug ein helles rotes langes Gewand, das gut ihre langen goldenen Locken hervorhob. Sie schritt hin und her, in seliger Unruh, holder Verwirrtheit, denn die Worte des Engels machten sie in einer langen Reihe von Fragen staunen: War Er nicht zuende und für immer fort und tot? Inwiefern war er auferstanden? Wie sieht so eine Auferstehung aus? Haben die Pharisäer doch recht gehabt und die Sadduzäer unrecht? Ist Jesus jetzt ein Engel, ist er im Himmel, ist er unsichtbar, wo ist er? Wie geht es ihm jetzt? Erinnert er sich noch an seine geliebte Magdalena? Denkt er noch an seine Freundin Maria Magdalee? Oder hat er alles vergessen, was irdisch ist? Ist er jetzt ein Herr der Sterne? Ruht er jetzt in Abrahams Schoß? Hat er noch einen Leib? Und was der Fragen mehr noch waren. Da ging in dem Augenblick ein Mensch vorüber: "Guten Tag, Herr Gärtner dieses Gartens! Haben Sie den Leichnam meines Herrn aus diesem Felsengrab herausgenommen? Wie haben Sie den Felsenblock davor wegbekommen? Wo haben Sie den Herrn meiner Seele hingelegt, daß ich ihn salben kann? Oder haben Sie ihn auferstehen sehen und gen Himmel fahren?" Der Gärtner trug ein weißes Gewand, und sagte zu ihr: "Maria..." und wie er es sagte, da, da fühlte sie in ihrem Innern: Gott ists! Ja, der Herr ists, der sie bei ihrem Namen ruft, denn sie ist Seine Freundin! Das war doch die Stimme Jesu, die Stimme, die Berge beben macht und Meere anschwellen, die Stimme, die die Einhornweibchen erregt, die Stimme, die Donner erzeugt und den Sirjon hüpfen läßt wie einen Farren! Diese Stimme, die so sanft war wie Sommermondnacht, so sanft wie Nachtigallenschluchzen, so weich wie Meeressand, so rauschend wie Rauschen in Muscheln, so rieselnd wie klare Bergquellen, so süß wie Engeltrost, so fein wie Morgengold, so rein wie Schöpfungslicht: Jesus säuselte: "Maria... Maria..." Und sie kniete hin, vorm leeren Felsengrab, ihm zugewandt und streckte die Hand aus, seine Hand zu fassen. Jeschua wandte sich ein wenig zur Seite, er schulterte die Axt des Gärtners, und wandte sich, zu gehen, und sagte:"Bald begeb ich mich zu meinem lieben himmlischen Vater, an seine Ehrenseite mich zu setzen. Du, sag du meinen Jüngern, daß ich nicht mehr tot bin, daß stattdessen der liebe himmlische Vater mich auferweckt hat von den Toten, daß erfüllt worden ist, was geschrieben steht: Am dritten Tage werde ich auferstehen; und siehe, ich bins! Nun laß mich, denn ich gehe, dir eine Wohnung zu bereiten im Reich meines lieben himmlischen Vaters, denn ich gehe, zu kehren heim zu meinem Thron, dem Schoß meines lieben himmlischen Vaters, o Magdalee, meine liebe Freundin, von wo ich wiederkehren werde, der Menschensohn mit seinen heiligen Engeln auf den Wolken, am Tage der Auferstehung aller, am Tage des Jüngsten Gerichts, am Tage meiner Wiederkunft wirst du mich anrühren dürfen mit deinen verklärten Händen und kosen deinen Heiland, denn ich weiß, daß du mich liebst, o Magdalee, aber dich lieb ich mehr noch, denn ich liebe dich mit der Liebe deines Schöpfers, mit der Liebe Gottes, meines lieben himmlischen Vaters und deines lieben himmlischen Vaters!" Und damit schwand Jesus aus dieser lichten Morgenszene und hinterließ einen Wohlgeruch, das war der Odem des Heiligen Geistes, ein spirituelles Aroma, ein Weihrauch göttlicher Gnade, ein Wohlgeruch wie Öl von Rosen, denn Gottes Geist umsäuselte, von Jesus ausgehend, zu ihrem Troste Magdalee, denn sie war ein wenig traurig, daß Er gegangen war, aber durch die Segensarbeit des Heiligen Geistes ging ihr durch eine Erleuchtung die Wahrheit auf: Freude über die Auferstehung Jesu! Und so ging Magdalee mit einem Schweben wie Morgen, wie Lerchentanz auf Wonnegezweig, wie Tanz von goldenen Stäubchen im Mittagslicht, wie Beben von Lindenblättern, wenn Bienen ihre süßen Blüten umwerben, erfüllt mit dem innerlichen Kuß des Geistes Jesu, zu Maria, der Mutter des Geliebten, die da am Rande des Gartens schon ungeduldig wartete auf die jüngere Freundin, die ihren Sohn so sehr geliebt, ja, wie Maria geliebt den Herrn, so hat Maria geliebt den Sohn, ihren Herrn, die eine mit Frauen-, die andere mit Mutterliebe, aber beide mit gläubiger Liebe, denn sie sahen beide in Jesus, dem Freund, dem Sohn, den wahrhaftigen Sohn des lebendigen Gottes, den Messias, ihren Herrn und Gott! Mirjam, die Mutter, sie bettete sich mit einiger Aufregung und bat, um Ruhe zum Schlaf zu finden, den Vater: "Vater, du weißt, was Magdalee heut erlebt hat, daß sie den Sohn gesehen, auferstanden, und ich, was soll ich sagen? Ob es das Wirken deines Geistes war? Ich bin sehr erschöpft, Vater, ich bitte dich, daß du mir deinen Geist der Wahrheit sendest, daß er mich leite in die Wahrheit über Jesus, auferstanden, aber wie? Vater, und nun möchte ich meine Gedanken in deine lieben und guten und sanften Vaterhände legen und will dich bitten, daß du mir einen inneren Frieden gibst, wie die Welt ihn nicht geben kann. Amen." Und Maria legte sich auf den Rücken und verschränkte die Arme hinter ihrem Nacken, um einfach auf den Schlaf der Nacht zu warten. Bald bemächtigte sich der holde Schlaf ihrer Glieder, der gliederlösende, und sie wandte sich auf die Seite und zog die Kniee an, da sank sie von Schlafphase tiefer in Schlafphase, bis sie in der Traumschlafphase mit den rasant sich bewegenden Augen ankam, da sie träumte: Herrlich! Sie sah eine Nacht, da wenige Sterne funkelten, die plötzlich wie zu erlöschen schienen vor einem großen herrlichen Offenbarungslicht: denn sie sah Jesus! Aber anders irgendwie, als sie ihn kannte, denn er war fast mehr aus Licht als aus Fleisch, aber dennoch nicht wie ein Engel des Himmels Schimmer, sondern Mensch, aber ein Mensch im Geistleib, irgendwie nicht recht zu fassen und doch konkret, zu seltsam für ihren Sinn! Er schien aus einem Fels zu schweben, in die Höhe zu schweben, und zu seinen Füßen lagen ganz und gar irdische römische Soldaten, lagen umgeworfen und zerstreut auf dem Boden, zwischen Steinplatten, die umgeworfen worden waren, und drüber schwebte triumphierend der Herr! Er schien bloß zu sein unter seinem herrlichen Mantelumwurf, der war rot, aber mehr rot als Purpur oder Scharlach, rot wie Feuer und Glut und Rose und Morgen und Liebe! Ein herrliches Feuerrot umfloß ihn, an den Säumen zu einer goldenen Glut zerfließend, in seinem Rücken aber zu einem Violett, das sich bis ins Bleiche, ja bis ins Lichte, ins strahlend Lichte umfärbte und niederfloß. Jesu Haare waren von einem himmlischen Gold, von einem strahlenden Licht, denn es war die Glorie, die seine Gestalt und sein Haupt umgab, die zurückstrahlte auf sein Haupthaar, und diese Glorie war eine große Feuersonne, nicht die natürliche Sonne, sondern Jesus war Sonne und Gottes Schild aus goldenem Feuer! Und der Herr sah sehr mild und ruhig aus, voll inneres Friedens, und hob seine Hände, an denen Wunden zu sehen waren, echte Wunden an seinen verklärten Händen. Und Maria schauerte, und ihre Glieder zuckten, und in ihrem Traumbewußtsein hörte sie den Propheten reden: "Ich bin es" und dieser Satz hallte in ihrem frommen Innern wieder, so daß es klang wie "Ich bin, der ich bin", und er war tatsächlich, ja er ist, er ist lebendig und da, und er wird sein in alle Ewigkeit, er, der Ich-Bin! Und am nächsten Tage, da saßen Mutter Mirjam und zehn Apostel zusammen, zehn Apostel, denn der Sohn des Verderbens hatte sich erhängt, und Thomas war außer Hauses, darum waren da Simon mit dem Beinamen Petrus, und Jakobus, der des Zebedäus einer war, und Johannes, Jakobi Bruder, der mit der hohen Stirn und dem milchigen Mausgesicht, der liebe, der den Beinamen Boanerges trug, ein Jünger, den Jesus liebhatte, und Andreas und Philippus und Bartholomäus und Matthäus der Zöllner und Jakobus, der des Alphäus, und Thaddäus und Simon, der Zelot und Kanaanäer; und diese saßen einmütig beieinander und beteten: "Kyrie eleison! Wir sind so arm dran in diesen Stunden, denn wir wissens nicht, was uns geschehen oder nicht geschehen. Denn der Herr sei, sagte Magdalee, ihr erschienen im Garten zwischen Cardamom-Bäumen, nahe des Felsengrabes, da Petrus und Johannes hinliefen, ja rannten, und kamen außer Atem und schwitzen vom Lauf, und sahen aber nichts im Grab, es war leer! Wo, sag es uns, o Geist Gottes, ist der Herr? Sollen wir nun hoffen oder verzweifeln? Wir wissen gar nicht mehr zu beten, Vater, uns fehlen die Worte, denn wir wissen nicht, was recht ist und wie es recht ist dich zu lobpreisen? Bist du nun der Vater der Auferstehung? Oder war alles mit dem Sohn Illusion und du allein bist Gott, der Herrgott? Herr Herr, gib Antwort unserm fragenden Sinn, was ist mit dem Kyrios Jesous?" Und im selben Augenblick stand Er da, im Raum (obwohl Türen und Fenster richtig verschlossen waren) und nicht in eines Engels, sondern in eines Menschen Gestalt. Und einige erkannten ihn und einige nicht, aber die ihn erkannten, sagten: "Der Herr ists!" Und die andern glaubten, denn da erkannten sie ihn auch, und sie glaubten, da sie sahen und riefen: "Der Herr lebt! Jesus, der Herr, ist lebendig!" und andere: "Christus ist erstanden!" und wieder andere: "Er ist wahrlich auferstanden!" Und Maria: "Herr, mein Gott, ich preise dich, denn du bist nicht ein Gott der Toten, sondern der Gott und Vater meines lieben Jeschua! Jeschua, du bist lebendig, du bist nicht bei den Toten geblieben, bist wahrlich Gottes Sohn, Gott gleich an Lebendigkeit, Gott gleich an Ewigkeit, Gott gleich an Herrlichkeit und - Liebe zu mir, ich fühls, mein Herr und mein Gott!" Und Jesus, der Auferstandene, er zeigte sich noch dem Thomas, und weiterhin den Seinen am See Kinneret, und stieg dann in der Hülle einer Wolke in die unsichtbare Welt Gottes, an die Ehrenseite des Vaters, der ihm gab Macht und Herrschaft, ihm, der seinen Jüngern gesagt: "Macht zu Jüngern die Völker und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage mit meiner Liebe bis an das Ende aller Äone!"



FÜNFZEHNTES KAPITEL


Preist den Geliebten, denn seine Gnade - ewig! Preist den Gott aller Schönheit, denn seine Gnade - ewig! Preist den Gott, den Geist, denn seine Gnade - ewig! Preist den Kommenden, denn seine Gnade - ewig! Preist den Gott aller Wahrheit, denn seine Gnade - ewig! Preist den Trost der Seinen, den Tröster, denn seine Gnade - ewig! Preist den Balsam auf alle Wunden unsrer Herzen, denn seine Gnade - ewig! Preist das Öl und die Salbe Gottes, denn Gottes Gnade - ewig! Preist den Gesalbten und den Geist der Salbung, denn seine Gnade - ewig! Preist die Liebe, die eine Flamme ist Jahwes, denn seine Gnade - ewig! Preist das Feuer Gottes, das die Liebe ist, die er in unsre Herzen gießen will, denn seine Gnade - ewig! Preist den Gekreuzigten, Auferstanden, denn seine Gnade - ewig! Preist den Herrn, Halleluja, preist den Herrn, denn seine Gnade - ewig! Amen. Amen. Und in Jerusalem saßen sie beieinander, die gekommen waren vom Ölberg der Himmelfahrt, durch das Kidrontal den Weg in die Stadt hinein, sich dort zu versammeln im oberen Raum eines Hauses, das einem Jünger gehörte, der es zur Verfügung stellte der Apostelversammlung, da sich nun die Apostel, einige Jünger und einige Frauen, die Jesus gefolgt waren, um die Mutter Jesu versammelten. Und sie saßen da betend, in lauter Einmut und innerer Geschlossenheit, in hervorragender Atmosphäre, frommer Stimmung. Da stand Johanna, die aus Mizpe gekommen mit ihrer Schwester Susanna in die Gefolgschaft des Meisters. Johanna (Jahwe ist gnädig) war die Frau des Herodesverwalters Chuza, der ihren Glauben tolerierte, ja, der so großzügig war, daß er es zuließ, daß Johanna viel zum Lebensunterhalt des Meisters und seiner Wanderjünger beitrug, bis sich Chuza selbst bekehrte, der Schwager Susannas, der Lilie, die Jesus geheilt hatte. Johanna war eine etwas füllige Frau mit braunen Locken auf ihre Schultern fallend. Sie hatte normalerweise ein heiteres Temperament und lachte viel und gern. Ihr Lieblingsvers war der, daß Gott ihr den Mund voll Jubels machen wolle und ihre Zunge lachen. Sie trank keinen Wein, und dennoch war ihr Herz ein Fest, und mit wem sie ging, den heiterte sie auf mit ihrem freien herzhaften Lachen. Sie lachte nicht über die Schwächen der Menschen, sie war keine Spötterin, sie konnte aber herzhaft lachen, wenn sie eine Ente watscheln sah oder wenn sie ein schönes Wortspiel hörte, wie das von Schem und Schemen, dem Namen und der Salbe, denn der Name des Bräutigams war ihr der Name des Gesalbten und ein Odem und Wohlgeruch des Heiligen Geistes. Da freute sie sich am Hohenliede Salomoni, denn sie bezog es geistlich auf den Heiland; das hatte sie gelernt von ihrer Schwester Susanna. Diese hatte eine geistliche Leidenschaft für Jesus, die ans Liebhaben einer Frau zum Manne grenzte, und nannte Jesus immer ihre Hennablüte und Zypertraube und sagte, seine Worte seien lieblicher als der Wein der Freude, denn es seien Worte des Heiligen Geistes, und so weiter, was man so schwärmerisch nur so in lauter Entzückung sagen und dichten kann. Susanna hatte hellblaue Augen, etwas vorstehend, hellblau wie hellblaue Lilien, passend zum Namen, und helle Haare. Sie war zweiundzwanzig Jahre jung gewesen, als Jesus sie in Mizpe getroffen, da kam er gerade von Maria und Martha und Lazarus, und er sah sie an, und sie fühlte seine Ausstrahlung als eine Ausstrahlung reiner Liebe und war angetan und fühlte sich geliebt: Sie hatte solch einen Liebeshunger und dachte, bei Jesus, da könnte der Liebeshunger gestillt werden. Und nun taten sich Johanna und Susanna zusammen zum Gebet, und Martha und Magdalena, Philippus und Nathanael sagten Amen dazu, und schließlich betete die Frau des Kleopas und dann die Jüngerin Salome, und Johannes und Thomas sagten Amen dazu, sie beteten alle in Einmütigkeit und geistlichem Zusammenhalt, und ihre Gebete lauteten: "Herr! Lehre uns, o Vater, durch deinen guten Heiligen Geist, dich zu loben und preisen und anzubeten! Herr Jesus, der du jetzt beim Vater bist im unsichtbaren Reich, sende du uns, wie du uns verheißen, deinen Geist der Wahrheit, den Parakleten und göttlichen Propheten, der uns lehrt, in deinem Namen, Jesus, Gott den Vater anzubeten: Schöpfer, Gott Israels, Vater Jesu Christi! Dich wollen wir lieben wie Kinder, in Herzensreinheit dich schauen, o Gott, und die Kraftwirkungen deines Heiligen Geistes sehen, und küssen, küssen den Sohn! Halleluja, Amen!" Und am Tage des Wochenfestes, des Festes der Ernte oder der Erstlinge, sieben Wochen nach der Darbringung der Erstlingsgarbe am Fest des Ungesäuerten Brote, dem Passah, da versammelten sich wieder die Jünger an Einem Ort. Und Nathanael, welcher schön singen konnte, sang ein Stück jüdische Poesie: "O wie schön und lieblich ists, wenn Brüder in Eintracht beisammen sind, 's ist wie's Salböl im Barte Aharons, welches fließet darnieder an den Saum seins Gewandes, und wie Öl vom Hermon und Tau. Siehe, die Einmut ists, die uns getragen zum Feste Gottes dahin, siehe die Bruderliebe ists, die uns Erweis, daß wir liebhaben Zevaot, den Gott vom Berge Tsyon, oh Ihn, Preis sei oh Ihm!" Und die Zuständigen brachten ein Speiseopfer vom neuen Korn, zwei Schwingopfer von Feinmehl, und Brandopfer (zwei Farren, einen Widder und sieben einjährige Schafe), einen Bock als Sündopfer und zwei einjährige Schafe als Dankopfer. Außer diesem Pflichtteil sollte Israel noch eine freiwillige Gabe darbringen, ein jeder Israelit nach dem Maß seines Gedeihens, so viel er entbehren konnte, als Ausdruck seiner Liebe für Jahweh, und sollte fröhlich sein vorm Herrn mit Mägden und Sklaven in Freiheit. Und während aber an ihrem Ort die Jünger beisammen waren, Matthias unter ihnen, der neue Zwölfte, da kams wie Feuerrauschen und Morgenröte und lauter Rosenzungen, wie goldener Regen, wie Sprachen vom Himmel, lauter Begeisterungsflammen, lauter Wohllaut und seltsame Rede, lauter Ablazabla und Zawlazaw und Kawlakaw, Gelall wie von Trunkenen, als seien sie voll des süßen Weines aus der Smyrnatraube oder zyprischen Nektars, aber waren nicht trunken, da sie so ungebärdig sich verhielten, nämlich sprachen eine neue Sprache, welche keiner bisher gehört, und sprachen mit Begeisterung in dieser Wunderzunge und Geheimnissprache von den großen Taten Gottes allen Juden, die, Wunder über Wunder, verstanden, die einen verstanden und priesen den Gott der Wundertaten, die andern verstanden nicht und blieben verstockt und meinten, das sei ein menschliches Phänomen, nicht wunderbar, sondern ekstatische Trunkenheit von Smyrnatrauben. Aber die es verstanden, die aus Kappadokien und Asien, Phrygien und Ägypten und auch die Kreter, dicke Bäuche, aber gottesfürchtige Juden, die verstanden, was da wie Feuergesang und Zungenfall, Gelispel und Geraune war vom großen Wirken Gottes, welcher prophetische Rede hielt durch den Geist und Mund von Simon Kephas, dem Apostel der Juden, dem einfachen Fischer, dem, der vordem ein verzagter Leugner war gewesen und nun, nach dieser großartigen Taufe mit dem und in den Heiligen Geist und nach dieser Taufe mit Feuer zur Läuterung und Heiligung, da war dieser Petrus ein Menschenfischer, ein tapferer Leu, welcher brüllte: Kommet und sehet die Wundertaten Gottes und glaubt! Und redete geisterfüllt, denn nicht sein Verstand lehrte ihn also zu reden, sondern Gottes Geist unterwies ihn, Parakletos sprach zu Petrus und Petrus zu den gottesfürchtigen Männern Israels: "Brüder! Heute ist etwas geschehen, was nicht eine Trunkenheit ist von süßem Wein und sinnloses Lallen und Wanken, unkontrolliertes Lachen und seltsames Reden, das alles ist ein Wirken des Heiligen Geistes, der der Geist Gottes ist. In alten Zeiten kam der Geist Gottes auf einzelne Männer Gottes zeitweilig herab, so auf David bei der Salbung, auf diesen David, der sagte: Gott, nimm nicht deinen Heiligen Geist von mir! Aber nun hat Gott die Weissagung Joels erfüllt, durch den er sagt: Ich werde meinen Geist ausgießen auf alles Fleisch; denn heute hat Gott seinen Geist ausgegossen auf alles Fleisch dieser heiligen Männer, welche Sünder sind wie ihr, aber gottesfürchtige Männer und glauben an den Herrn Jesus, auf ihr Fleisch hat Gott den Geist ausgegossen, und hat ihn nicht nur ausgegossen auf des Menschen Geist, auch nicht allein auf des Menschen Verstand, sondern auf alles Fleisch, daß da durchgeistet ist der Wille, das Denken und das Fühlen, der Glaube und der ganze Leib, daß der Geist Gottes nicht allein auf dem Menschen ruht und mit ihm ist wie zu der Väter Zeiten, sondern ist in den Herzen ausgegossen, denn Gott hat seinen Geist der Liebe ausgegossen in die Herzen seiner Auserwählten, daß der Geist ihnen in ihrem Herzen Zeugnis gibt, daß sie Gottes Kinder sind. Ich selbst bin unter ihnen und hab erfahren die große Gnade Gottes, der mich mit seinem Heiligen Geist versiegelt hat und hat damit den Freibrief seiner Erlösung für vollgültig erklärt. Ja, der uns erlöst hat, der Herr Jesus Christus, ist aufgestiegen zum Vater, dem Gott Israels und Schöpfer des Weltalls, und hat von seinem Vater empfangen den Heiligen Geist, den er gesandt hat auf die Erde, den er ausgegossen hat, der er uns getauft hat am heutigen Tage mit dem Heiligen Geist und uns erfüllt mit demselben, der uns lehrt, Christi Zeugen zu sein in Jerusalem, dann auch in Samaria und später bis an die Enden der Erde, sei es das Land der Serer oder das Land der Germanen, sei es in Mohrenland oder jenseits des Meeres, wir werden mutige Zeugen sein, denn der Herr wird uns begleiten, der Heilige Geist, mit Kraftwirkungen und Prophetien, als da sind Gesichte und Träume, Visionen und Eindrücke und das deutliche Reden und Handeln Gottes durch seine geisterfüllten Kinder. Was aber wird der Heilige Geist zu allen Zeiten dieser letzten Tage bezeugen? Er wird bezeugen, daß dieser Jesus von Nazareth der Messias Gottes ist, Gottes Sohn von Ewigkeit, in menschlicher Gestalt ist er mit uns gegangen, wir haben ihn betastet und mit Augen gesehen, und dann habt ihr ihn ausgeliefert an die Römer, die ihn gekreuzigt haben. Er aber ist auferweckt worden von Gott, und ist somit der Erstgeborene von den Toten, und garantiert, daß alle, die ihm nachfolgen, auch vom Tode zum Leben hinübertreten werden und werden nicht schmecken den zweiten Tod, sondern ewig leben, in ewiger Glückseligkeit, in Gemeinschaft mit Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Das bezeugt der Heilige Geist, daß Jesus als das Lamm Gottes gestorben ist zur Sühne für der Menschen Sünden, auf daß, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden haben und Versöhnung mit Gott, auf daß sie rein und gerecht und heilig vor dem heiligen Gott stehen und Gemeinschaft mit ihm haben in Ewigkeit, in ewiger Glückseligkeit, welche in Wahrheit die Liebesgemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geiste ist, denn das ist das Paradies, daß Gott mit uns wandelt durch die von ihm für uns geschaffene Welt, und kein Tod mehr ist, denn in Jesus (und wir sind in ihm) ist lauter Leben, das bezeugt der Heilige Geist den Kindern Gottes." Und an jenem Tage gingen mit Mirjam, der Mutter Jesu, einige Frauen im Kidrontal spazieren und fragten sie, ob sie wüsste, was der heutige Tage zu bedeuten habe mit seinen Feuererscheinungen und Sprachwundern, den Sprech- und Hörwundern? Und Maria besann sich und betete: "Herr! Lehre mich verstehen, was am heutigen Tage geschehen ist, Amen. Ihr lieben Schwestern, das ist vorausgesagt, daß die Propheten wie Trunkene erscheinen werden und Zawlazaw und Kawlakaw lallen werden, und einige werden denken, es heiße Breikind an Breikind und Speikind an Speikind... Hat aber nicht Jesus, unser Herr, zahlreiche Wunder getan, zu denen Gott ihm den Auftrag gegeben hat? Und sollte er nicht heute das Wunder getan haben, daß er den Heiligen Geist ausgegossen hat, den Parakleten, den Tröster und Beistand und Geist der Wahrheit, der uns leiten wird und lehren wird und der es alles von Jesus nehmen wird, was er uns sagen wird, er, der da ist Gottes Geist, er, der für unsere Erlösung hingegeben worden ist, der blutende Geist, der Geist der Auferstehung, der Geist der Auferstehungskraft und der Geist der Heiligung des Lebens, der uns umgestalten wird in eine heilige Christusähnlichkeit? Ja, der ists, von dem David meinte, er begehre seine Gegenwart so sehr und brauche so sehr die Salbung Gottes, daß er sagte: Nimm deinen Geist nicht von mir! Und dieser Geist ist, der der Geist aller wahren Prophetien ist, deren Echtheit und Gottesinspiriertheit sich in diesen Tagen erwiesen hat, denn David hat gesagt: Der Heilige wird die Grube nicht sehen und nicht verwesen, und ebenso ist Christus nicht in der Grabhöhle geblieben und ist nicht verwest, sondern Gott hat ihn auferweckt und zu sich heimgeholt, was David vorhersah (der Geist gab ihm die Vision und Rede ein): Der HERR sprach zu meinem HErrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel für deine Füße gemacht hab! So wird Gott die Feinde Jesu unterwerfen, und Jesus wird die unterworfene Welt dem Herrn, unserm Gotte, zurückgeben, alle die, die Er Ihm gegeben hat, damit am Ende aller Äone Gott alles in allem sei, und jedes Knie sich beuge vor Gott und dem Lamm! Gott hat diesen Christus mit Freude erfüllt vor seinem Angesicht, wie der Geist David prophezeite, und sagte: Du hast den Herrn, o Gott, gesalbt mit Freudenöl! Denn das ist Gottes und des Herrn Freude, daß der Geist neu geboren hat heilige Kinder Gottes, welche durch das Opfer Jesu versöhnt sind mit dem Vater und mit dem Blut Christi reingewaschen von aller Sünde und sind so ein lauteres Wohlgefallen unserm allerheiligsten Gotte! Ja, Jahwe jubelt! Zebaoth jauchzt! Adonai Elohim jubiliert über die Erretteten, über die Auserwählten, durch Christus Geheiligten, vom Geiste Neugeborenen, denn es ist eine Freude im Himmel bei den Himmlischen Heerscharen über die bekehrten Sünder, und mit den Himmelsscharen freut sich der Herr der Heerscharen, Zebaoth, unser Gott, der Vater Jesu Christi! Ja, das weiß ich, ihr lieben Frauen, daß an dem Tage, da ich erkannte, daß Jeschua nicht nur mein Sohn ist (das war der Menschensohn auch), sondern Gottes Sohn und als solcher mein Herr! Halleluja, da freuten sich die tausend mal tausend Scharen himmlischer Engel und jauchzten und brachen das Manna und tranken vom Gewächs des Weinstocks, wie Engel trinken, und riefen meinen Namen aus, denn ich war im Reich des Lichts, in Gottes Reich durch die Herrschaft meines Sohnes Jesus!" Und diese Begeisterung drückte sich in der Taufe aus, in den Taufen von fast dreitausend Männern und Frauen, welche sich für Jesus entschieden hatten. "Ihr Lieben! Ihr wisst, daß durch seine große Gnade Gott mich ausersehen hat, seinen eingeborenen Sohn Jesus, unsern Heiland, zur Welt zu bringen. Dieser großen Gnade kann ich mich anders nicht würdig erweisen, als nur, in dem ich mein Leben in Gottes Hände lege und meinen Geist in den Dienst Jesu und Ihm nachfolge, der mein Herr ist. Ihr wisst es vielleicht nicht, aber es gab eine Zeit, da hab ich zwar im Herzen getragen die Worte der Verkündigung, daß Jeschua der Heiland sei, aber verstanden hab ichs nicht, was es zu bedeuten habe. Aber vollends berührte mich sein Geist bei der Kreuzigung Jesu. Als ich sein Blut fließen sah, da war mir so unendlich weh und zugleich so unendlich liebend zumute, das war eine Erfahrung, die ich in meinem sterblichen Dasein nie werd in Worte fassen können, es war einfach viel zu überirdisch, obwohl seine Schmerzen und sein Tod so überaus irdisch waren. Aber ich hab es verstanden, daß Jesus das Lamm ist, für der Welt Sünde geopfert. Nun aber, zu Pfingsten, ward auch ich, wie Simon Bar Jona, angetan von der Kraft aus der Höhe und getauft mit dem Heiligen Geist, daß Jesus jetzt in mir lebt durch den Heiligen Geist, und so daß ich nun seine Zeugin sein kann vor euch dreitausend Jüngern, Zeugin seiner Herrlichkeit, einer Herrlichkeit als des ewigen Sohnes Gottes, der in mir wohnt durch den Heiligen Geist, welcher zur Rechten Gottes ist und fürbittet, bis er wiederkommt in Herrlichkeit mit den Scharen seiner Himmlischen, uns zu sich zu nehmen ins Paradies!"






SECHZEHNTES KAPITEL


Mittag. Zur Versammlung jerusalemitischer Gottesgeliebter (unter ihnen Maria) trat Mitka, Mariens Schwester. Sie lächelte ihr bezauberndes Lächeln, ließ blitzen ihre schneeig-schimmernden Zähne (wobei zwischen Eckzahn und Schneidezahn ein Kümmelkrümel saß) und ließ funkeln ihre dunkelblauen Augen unter den feinen Brauen und sagte mit ihrer sanften Flüsterstimme: "Maria, ich geh nach Damaskus. Schon hat Jimna ein schönes Haus für uns gefunden, mit einem kleinen Balsambeet und schönem Südblick. Jimna wurde gefragt von syrischen Schriftgelehrten, ob er helfen könne, einen syrischen Kommentar zum aramäischen Hohenlied zu verfassen, der die Poesie Salomons betrachtet. Da Jimna die syrische Zunge gut beherrscht, hat er zugesagt. Siehst du, hier ist eine uralte Liebhaberausgabe des Liedes der Lieder in aramäischer Übersetzung, eine sehr liebliche Übersetzung, die dem Original in keiner Hinsicht nachsteht, sondern ihr in jeder Hinsicht das lyrische Wasser reichen kann (das Wasser vom kastalischen Quell der Griechen). In einem halben Mond reise ich mit Jimna nach Damaskus. Vielleicht kann mir jemand aus dem diakonischen Umfeld vom Mittagstisch der Gemeinde helfen, meinen Haushalt aufzulösen?" Der Blaufärber, welcher Jesu Base Para so gerne singen hörte, der sah Mitkas Augenblitze gerne blitzen, und er hatte ein Herz für ihre zarte Seele, der erklärte sich nun bereit, ihr zu helfen. Die Gemeinde half sich gegenseitig auch in praktischen Dingen. Und in der Gemeinde veranstaltete Jimna, der nach Syrien gehen wollte, einen Abschiedsabend, auf dem er eine Poesie vortrug, eine Poesie zum Lobe Jerusalems: "Salem, du Friedliche! Tochter Jeruschalajim, du schöne Frau Gottes! Hierosolyma, du Mutter der Völker! Wie schön liegst du auf der Höhe des Gebirges Juda und glänzest! Wie senkst du dich ins Tal der Käsemacher zu dem Volke Gottes und erhebst dich zum Tempelberg, Gott nah zu sein! Die Berge bringt dir das Hinnomtal nahe, du Näheliebende, die heilige Ölbergkette trägst du um den Hals des Kidrontales, denn der Herr hat dich so geschmückt, denn der Herr, er hat dich erwählt: Mein Name soll in dir wohnen! Urusalimmu! Quelle lebendigen Wassers ist in dir der Gihon im Kidrontal, ich will ihn heut der schönen Mutter zuliebe Marienquell nennen. Sie fließt ins schöne Jebus durch den Tunnel Hiskias, bis in den Teich Siloah. Urusalimmu, auch in den Zisternen sammelst du stilles Wasser, das des Winterregens, der am Ölberg niedergeht mit silbrigem Dunst. Und von unten quillt herauf der Drachenbrunnen, den wir Bir Eijub nennen wollen, den Hiobsbrunnen, denn es quillt die Klage herauf wie fließende Wasser, wie Tränen aus den Augen der Mutter Erde, wie aus den Teichen Salomos die Quelle sprießt lebendigen Wassers bei Bethlehem, fließend bis zum Tempel Gottes. An der Gihonsquelle ruht die Stadt Davids, die holde Tochter Zion, die Salomo erweiterte gottgewollt um den Tempel- und Palastbezirk. Schließlich wurde die Mörserstadt der Neuzeit im Äon der Könige schön errichtet in deinem Gefilde, Ierousaläm! Nebukadnezar, der Wahnsinnige, er nahm dich zweimal ein, du Frau Gottes, und zerstörte dich. Wehe! Jerusalem! Wehe! Aber Nehemia reihte Stein auf Stein nach dem Wiederaufbau zu schützenden Mauern. Da kanntest du dennoch Offenheit, denn du solltest Mutter der Völker werden, Urusalimmu, darum kanntest du Schaftor mit Mea und Hananel, den Türmen, Fischtor und Jesanator, Ephraimtor und Ofenturm, Tal-, Scherben- und Quelltor mit dem Teich im Kidrontal, Roß- und Wassertor und weitere Innentore als Wachtore vor dem Tempel Gottes. Alexander nannte dich, Jeruschalajim, von seiner persischen Zeit an Ierousaläm, die griechische Tochter des Gottes der Völker. Pompejus aber machte dich römisch, und Herodes machte dich groß, der er baute Burg Antonia und den Palast, da Pilatus richtete, und er sprach auf Gabbata: Jesus solle ans Kreuz! O Jeruschalajim, gabest du den Deinen, deinen Herrn und Gott, ans Kreuz der Römer? Er kam in seine Stadt, und sie, sie lieferte ihn an die Heiden, an den Tod aus? Wehe, Jerusalem, du sollst zerstreut werden in viele Länder, auf deinen Trümmern soll Jupiter thronen, der Abgott, und dein Volk darf deine Tore nicht mehr betreten, statt dessen kommen die wilden Völker Kedars hinein, die sie leugnen, daß Isa, wie sie Jesus nennen, Gottes Sohn ist. Aber Gott wird sein Volk heimholen nach Zion, Gott wird Jerusalem bauen, Gott wird den Tempel bauen, Gott wird wiederkehren, denn Jesus hat uns verheißen, daß er wiederkommt, in Zion zu herrschen als der Messias über die Völker wohl tausend Jahre im Reiche des Friedens, da Lamm und Löwe liegen beinander in seliger Eintracht und Einmütigkeit, denn Israel wird gerettet, hundertvierundvierzigtausend messianische Juden! O Jerusalem, o Jeruschalajim, dann wirst du, die himmlische, dich zu uns senken, und wir werden in dir wohnen, schöner als Eva in Eden war! Halleluja!" Ungefähr zu jener Zeit war es, daß Philippus vom Heiligen Geiste geleitet ward, so daß er auf den Finanzminister der Königin Kandake traf, der in einer Jesajarolle las: "Wer kein Geld hat, der kommt und schafft an, kauft euch Korn ohne Geld und ohne Zahlung Wein; das les ich zwar, mir jedoch fehlt jedes Verständnis, obzwar ich selbst mit Geld viel zu tun hab. Was hat das zu sagen?" fragte der Kämmerer, und Philippus sagte: "Zuerst das Kernige aus Jesaja 53: Ein Mann der Schmerzen, von uns verachtet, der unsere Krankheit trug, der unsre Schmerzen gelitten. Er ward durchbohrt ob unserer Frevel, zermalmt um unsere Sünden. Die Strafe für unser Wohl lag auf ihm, durch seine Striemen ward uns Heil. Der Ewige sandte ihm, ihm unser aller Schuld. Das sagt Jesaja prophetisch über Jesus Christus", sprach Philippus. "Wie kann ich das verstehen? Ich bin kein Mann, der große Kenntnis von religiösen Dingen hat, ich komme aus Äthiopien und weiß nicht, was euer Gott unter Sünde versteht, und warum diese Striemen uns heil machen sollen. Ich kenn mich nur mit einer Sache aus, und das ist das Geld, das ich erwirtschafte über die Steuern und Zölle für meine liebreiche Königin Kandake." Da half der Heilige Geist dem Evangelisten: "Siehe, der Tod ist der Lohn für die Sünde, die Sünde, ohne Gott zu leben und unrein in seinen heiligen Augen zu sein, diese Sünde wird bezahlt mit dem Tod, wie ein Arbeiter seinen Lohn bekommt. Der Tod ist ein Geist, der durch unsere Sünde ein Anrecht auf uns hat, in der geistigen Welt hat er einen Vertrag, wir sind die Leibeigenen des Todes. Stell dir vor, du seiest ein Sklave, und du bist es auch, nämlich ein Sklave des Todes. Was ist dein Leben wert, wenn man dich freikaufen wollte? Kämmerer, dein Leben ist mit Schekel nicht zu bezahlen, Silber und Gold können dein Leben nicht aufwägen. An den Tod müsste ein Leben gezahlt werden, um dich freizukaufen; und das hat Jesu getan: Er hat sein Blut vergossen, um dich mit dem Preis seines kostbaren Blutes (dem Blut des Sohnes Gottes!) freizukaufen aus der Leibeigenschaft des Todes, auf daß du, wenn du dich von Jesus erwerben lassen willst, leben kannst für immer. Du mußt nur zu Jesus sagen: Ja, Herr, du hast mich freigekauft, dir gehöre ich, denn du hast den Preis für mich bezahlt. Und wenn ich dir gehöre, bin ich wirklich frei, denn ich bin frei von Frevel und Tod, freigekauft zu Leben und Glückseligkeit, daher will ich dir gerne gehören, Herr Jesus!" Da staunte der Kämmerer nicht wenig und sagte: "Jetzt, wo du das in einer Sprache erklärst, die ich verstehen kann, da möcht ich das annehmen, und spreche eben jenes Gebet. Und nun? Ja, in das Wasser da will ich gleich steigen und mich taufen lassen, was soll ichs lang aufheben! Zum Glauben gekommen und taufen lassen, das ists, was jetzt mehr wert ist als der ganze Staatssäckel der Königin Kandake." Und Philippus taufte den Kämmerer, tauchte ihn unter und hob ihn herauf und tat dies im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Daraufhin sprach der Kämmerer noch mit Philippus ein wenig über die Königin Kandake, und er erzählte: "Weißt du, sie ist eine sehr hübsche Frau. Ihre Haut ist so braun wie eine Kaffeebohne aus Kusch, das bringt ihre Pupillen wie ihre Elfenbeinzähne sehr gut zur Wirkung. Ihre Nase hat breite Nasenflügel, die manchmal recht anmutig zittern, wie auch ihre Lippen so niedlich zittern, wenn sie singt (und sie singt gerne). Sie sang neulich ein altes äthiopisches Lied, das mir nun ganz neu aufgeht (wo ich nun geistgetauft bin): Wenn am letzten Tage der Welt die Gottheit mich fragt, was ich mit meinem Leben getan, dann will ich sagen: Geist, ich verbrachte mein Leben mit dir! sang sie, und dann die dritte Strophe lautete: Und wenn ich in der Wüste übernachten müsste, und könnte unter dem Schatten deiner Schwingen ruhen, o Geist, so wär ich zufrieden! Das sang sie mit ihrem hübschen Lippenzittern zur Trommel. Sie hat ja einige schwarze Trommler in ihrer Hofkapelle, die den Rhythmus im Blut haben." Und der Kämmerer reiste weiter nach Äthiopien, nachdem Philippus ihm die ganze Thorarolle, die er dabei hatte, zum Lesen mitgab, denn auf die Dauer sollte der Finanzminister nicht nur die evangelischen Jesajakapitel lesen, sondern das gesamte Alte Testament studieren auf Gottes Wesen und Willen hin. Und am christlichen Mittagstisch zu Jerusalem trafen sich nicht nur die Diakone und Jüngerinnen, manchmal auch die Apostel, Johannes, und die Mutter Jesu, sondern auch interessierte Juden, unter ihnen Armoni, ein Sandalen- und Stiefelmacher, welcher einwandt: "Sagt mir nur eins: Wieso dieser Jeschua? Lange Zeit sprach Israel mit dem Ewigen - gelobt sei sein Name - auch ohne diesen Jeschua, und nun sollen plötzlich alle an ihn glauben? Ich bete zum Ewigen - gepriesen sei sein Name - auch ohne diesen Jeschua. Ich kenne den Ewigen - verherrlicht werde sein Name - als den Schöpfer, wenn ich die schöne Herbstnatur anschau, den silbernen Regen, die rotbraunen und goldnen Blätter, die duftenden Pilze, die Rehe in den schweigenden Wäldern, die Spätblumen und den ersten, noch gärenden Wein, wenn ich all das betrachte, erkenn ich den Schöpfer, was brauch ich dazu einen Jeschua? Und wenn ich halte das Gesetz, das der Ewige - gesegnet sei sein Name - unserm Volk gab, wenn ich halte, sag ich, das Gesetz Mosis, so werd ich, wie geschrieben steht, leben, was brauch ich dann das ewige Leben im Jeschua? Viele Wege gibt es zu Gott, mag sein, der Weg des Jeschua, der Weg des Glaubens, sei ein Weg, aber das Halten des Gesetzes ist auch ein Weg, und das Reinhalten des Gewissens ist auch ein Weg, und was mit den Römern und Griechen und Pelischtäern ist, wer weiß das? Und mit den Engelanbetern, wer weiß das? Wir haben alle Hoffnung auf etwas, was wir Gott nennen, wie wir ihn verstehen, und erst drüben wird man sehen, wer Recht gehabt hat, dann wird sich herausstellen, was Wahrheit ist, denn was ist Wahrheit? Ich für meinen Fall glaube an den Ewigen - ewig währe sein Name - ohne euren Jeschua." Johannes sagte heute nichts, denn er wollte zuerst die Beziehung pflegen zu dem Mann, aber am nächsten Tag, als Armoni im Grunde das selbe wieder sagte, da sagte Johannes nur eins: "Aber Jeschua ist der Messias, von Gott gesandt, uns die Wahrheit über Gott zu sagen." Armoni stutzte über dieses Kurz und Knapp der Aussage, dies Unbeirrbare des Glaubenden, und wußte nichts zu entgegnen, dachte aber auch immerhin darüber nach, was der Apostel ihm gesagt. Und daraufhin sagte er am dritten Tage: "Wir Juden glauben aber, daß erst Elia wiederkommt, bevor der Messias kommt. Und wieso, wenn Jeschua der Messias ist (was ich nicht glaube), wieso muß dann das Volk Israel noch leiden unter der Herrschaft der Römer? Wieso ist das Messianische Friedensreich noch nicht errichtet? Wo ist denn der König der Juden, warum hat er uns denn verlassen? Und wieso sollte Jeschua Gottes Sohn sein, wenn er doch am Kreuz gestorben ist!" Worauf Maria sagte: "Ach mein lieber Armoni, siehe doch, Jesus ist auferstanden, ich hab ihn selbst gesehen! Er hat sich mir gezeigt, und in meinem Herzen weiß ich, er regiert als ein König nun an Gottes rechter Seite, denn der Herr hat meinem Herrn alle Herrschaft übergeben, das weiß ich, gewiß bin ich mir dessen, und zwar durch den Heiligen Geist in meinem Herzen. Ach mein lieber Armoni, wenn du doch auch nur dich entschließen würdest, dem Messias Jeschua zu vertrauen, dem Herrn Jesus zu glauben, denn alle, die an ihn glauben, haben das ewige Leben! Und wärs nicht schön, wenn wir zwei im ewigen Leben Psalmen singen könnten?" Maria übte sich gerade darin, die ewige Herrlichkeit zu rühmen, sich ihrer Hoffnung auf dieselbe zu rühmen, und vom Himmel zu reden, vom Paradies zu sprechen, zu dem ihr Herr sie bringen wird. Immerhin, auch wenn Armoni sich nicht bekehrte (wie man das nannte), so blieb er doch zu eifrigen Diskussionen am Mittagstisch (heute gab es, von Susanna bereitet, eine herrliche Olivenpaste zum salzigen Weißbrot als Nachtisch). Und da Maria, die schöne Mirjam, in ihrem Bett lag und schlief, da träumte sie Traum, denn sie war eine von denen, von denen Joel geweissagt, der Herr werde seinen Geist auf ihr Fleisch ausgießen und sie werde Träume und Visionen haben, eine Magd Gottes von Anfang an, begabt nun mit der geistlichen Gabe, nach der wir zumeist eifern sollen, nämlich der Gabe der Weissagung oder der Prophetie. Sie vernahm Gottes Stimme, und schon einmal hatte der Herr zu ihr gesagt: "Wahrlich, ich sage dir...", und des Tages hatte sie Visionen und Eindrücke, und des Nachts hatte sie auf dem Lager ihres Hauptes desselben Gesichte, und einmal hatte der Herr ihr gesagt: "Nimm Pergament und Menschengriffel, und schreibe auf, was ich, der Herr, dir sage, nämlich dies..." Aber in dieser Nacht kam ihr ein Nachtgesicht, und das kam solcherart zu ihr: Sie sah sich aufgehoben von ihrem Lager und schwebend, und es winkte ihr vom Mittelmeere her eine weiße Hand, die über dem Meere schwebte, als wäre sie aus Gischt des Mittelmeeres. Aber es war nicht die sündig-lockende Hand der Liebesgöttin Aphrodite, welche (wie die Griechen sagten) aus dem Schaum des Mittelmeeres geboren worden, sondern es war ein Wink des Heiligen Geistes, Gottes selbst, der ihr winkte und sie lockte zu Wundertaten, und sie folgte, wie eine Eisenspäne dem Magneten folgt, und sie flog über das Mittelmeer wie eine Morgenwolke und sah die Insel Zypern, sah Salamis und sah Paphos, und sie schwebte nach Griechenland, und kam an den Berg Athos, da Gott ihr hieß, den Fuß auf den Fels zu setzen. Da huschten Hindinnen vondannen, da sprangen Katzenmütter zur Seite, da flohen Nachtigallenweibchen und schwiegen Lerchenweibchen, als sie in der Morgenröte spazieren ging am Berge Athos. Wahrlich, dachte sie noch im Traume, ein seltsamer und merkwürdiger Traum, denn daselbst war sie noch nie gewesen. Aber nun war es ganz real, und sie ging zu einigen Eremiten, die in Höhlen hausten, und vor ihnen begann sie, Zeugnis abzulegen von der Hoffnung auf die Herrlichkeit, die in ihr lebendig war durch den Geist, den Gott ihr gegeben hatte. Und einige dieser Männer bekehrten sich auf ihr Zeugnis hin und priesen den Herrn: Kyrios, Kyrios, Kyrios eleison! riefen sie immer wieder und warfen sich auf den Boden, legten sich ganz flach hin und beteten an: Theos, Theos, Theos eleison! riefen sie immer wieder und hoben die Arme aus dem Staube auf zum Himmel. Und Maria fühlte sich hinweggenommen und sah ganz Griechenland unter sich liegen, und der Geist nannte ihr die Namen der Stätte: Beröa, wo sie forschen werden in der Heiligen Schrift, und Thessaloniki, und sie sah Korinth, wo sie die Geistesgaben praktizieren werden und von der Liebe lernen werden, in Liebe zu leben, und sie sah Asia, sah die Stadt Ephesos, und da schlug ihr das Herz bis in den Hals heiß und laut: Ephesos, du Schöne, wie lieb ich dich, wie traurig bin ich über den Götzendienst in deinen Mauern, wie heiß und innig lieb ich die Jungfrauen, Frauen und Männer in deinen Mauern, und wie sehr begehr ich, das Evangelium weiterzusagen in deinen Auen und Hainen, auf deinen Hügeln und Höhen, das Evangelium vom Sohne Gottes, Jesus Christus! Da sah sie Johannes wandeln in Ephesos, am Fuße des Nachtigallenberges, und sie wußte, er würde mit ihr nach Ephesos gehen, zur Evangelisation der Heiden, und Gott, der Vater, er hatte schon vorbereitet ihren Aufenthalt auf dem Nachtigallenberge, und dann würde sie heimgehen.



SIEBZEHNTES KAPITEL


Maria lernte in Ephesos eine Heidin kennen, welche Pirena hieß und mit ihr ins Gespräch über den Glauben kam. Zuerst, um den Ansatz zu finden und Pirena Wertschätzung auszudrücken, fragte Mirjam die Freundin nach ihrem Glauben, und Pirena fing an, in einem langen Atem zu erzählen vom Anfang der Dinge nach ihrer Weltanschauung: "Am Anfang ward Uranus geschaffen, der Himmel, und Gäa, die Erde. Gäa ward umgeben von Okeanos, dem Gürtel des Meeres um die Hüfte der Mutter Erde. Uranus zeugte die Liebe, denn himmlische Liebe war zuerst, aber er zeugte auch Geistwesen, welche man melische Nymphen nannte, und süße Engel. Aber die Titanen rebellierten, und im Kampfe gegen den Vater der Götter, Zeus, wurden die Titanen hinabgeschleudert. Zeus versammelte sich inmitten seiner Götter auf dem Berg der Götterversammlung und hielt Ratschluß, denn er gedachte, den Sproß der Götter zu senden, welcher ein sterbender und erstehender Halbgott in Syrien sein werde. Über die Fluten des Okeanos herrschte die Nacht, da blies der Wind, der große Wind, und flog wie ein Vogel, der befruchtete das Ei der Welt. Manche sagen, es legte sich gleich eine Schlange um das Ei der Welt, eine Schlange, die ihren Schwanz ins Maul nahm, und so zum Geist der Welt wurde, zum Gott des Kosmos, aber andere sagen auch, es wäre der Pythondrache gewesen, der aus der nächtlichen Flut des Okeanos aufgetaucht sei. Zeus aber gebot, daß Arkadien werde die Heimat des Hirtengottes, Pan (neulich rief man: O Pan ist tot, o Pan ist tot!), der dort mit der schönen Nymphe Echo lebte. Aus jener Zeit begründet sich auch der Mythos, daß der Prinz Paris der Frau Weisheit und der Himmelskönigin und der Frau Liebe begegnete, und begehrte, die Frau Liebe zu haben, da tauschten sie einen Apfel, der ein Zankapfel wurde. Homer verlegte diese Geschichte in neuere Zeiten, in Wahrheit ist sie ein uralter Mythos. Zu der Zeit war es auch, daß der Halbgott Prometheus den Göttern das Feuer stehlen wollte, wofür die Erde gestraft ward mit einem Fluch, nämlich der Büchse der Pandora, aus der alle Sünden der Welt stiegen, und an den guten Dingen war nur die Hoffnung da, denn die Menschen jener Zeit lebten allein aus Hoffnung, aus Hoffnung auf den Sproß der Götter. Auf diesen hoffte auch Prometheus, denn Zeus kettete ihn an den Gipfel des Kaukasus und ließ einen Geier ihm die Leber täglich zerreißen, und sein Leid werde erst ein Ende haben, verhieß das Orakel, wenn ein Halbgott käme und an Stelle des Prometheus seine Leiden leide. Die Gemeinschaft der Himmlischen mit den Menschen, die auf Atlantis existierte, ward unterbrochen, denn Zeus zürnte, der Vater der Götter, und gebot eine Überflutung des Kontinents, die ganze riesige Insel ging in den Fluten unter. Anfangs hatte dort eine ideale Harmonie existiert, aber im Laufe der Zeit waren die Menschen hochmütig geworden und wollten selbst Götter sein. Überlebende dieser Flut waren nur Deukalion und Pyrrha, die in einem kastenförmigen Boot bis an die Sterne fuhren und dann landeten auf einem hohen Berg, wo sie ein neues Menschengeschlecht begründeten, indem ein göttliches Wesen sich aus Steinen Menschen erweckte. Die Menschheit breitete sich in ganz Griechenland aus, von Tyrus und Sidon über Zypern bis zum jawanischen Archipel und Athen, ja bis nach Mazedonien und Thrakien, wo Orpheus zur Harfe Hymnen dem Höchsten sang, dem König der Götter. Zu jener Zeit war Theseus König von Athen und herrschte eine gerechte Herrschaft, er reinigte das Land von den Feinden der Götter und Griechenlands. Zu jener Zeit entstand auch der Mythos von der Liebesgeschichte zwischen einem göttlichen Bräutigam und einer menschlichen Braut, nämlich Vater Bacchus liebte die verlassene Ariadne. Da sang Ariade: Komm, und küsse meinen Mund mit deinen Feuerküssen, und Dionysos sagte zu Ariadne: Dein Lieben ist toller als der süßeste Rauschwein! Und Ariadne sang: Du bist eine Weintraube unter Epheupflanzen! Und Dionysos sang: Fliehe mit mir auf den Olymp zu den Nektar- und Ambrosia-Beeten! Zu jener Zeiten wanderten Weise durch Hellas, die vom Volk für Wahnsinnige gehalten wurden, denn sie prophezeiten das Kommen eines neuen Gottes, den sie Adonis nannten und sagten: Seine Mutter Myrrha wird eine Jungfrau sein, er wird sterben und erstehen wie der Frühling. Er wird der Wollustgöttin der Phönizier eine Absage erteilen, die Frauen Griechenlands werden ihn verehren, denn er, er ist der verheißene Sproß der Götter, der Arkadien wieder herstellen wird, der Atlantis aus der Meerestiefe heraufholen wird und den Pythondrachen in den Hades auf ewig sperren! Wer ihn liebt, den Adon, der wird in Elysium leben wie auf Inseln der Glückseligkeit, der wird ihn preisen mit sapphischen Oden und pindarischen Hymnen, der wird vom Gewächs des Weinstocks mit ihm trinken, der wird sokratische Weisheit schmecken wie eine Veilchenblüte, Evoe, oh Adon!" rief Pirena ekstatisch und schüttelte wild ihre braunen Locken. Mirjam, soeben überlegte sie, wie sie reagieren solle auf diesen heidnischen Hymnus. Sie schüttelte ihre Haare aus der Stirn und überlegte: Lehnt sie nun alles ab als Dämonenblendwerk und Entstellung der Wahrheit, als Verfinsterung des Verstandes und Geistes der Pirena, als Wahnsinn und Lüge aus dem Geiste des Vaters der Lüge? Oder suche sie nach Anknüpfungspunkten, nach letzten Resten von göttlicher Ur-Offenbarung, nach Vorschattungen und Ahnungen göttlicher Wahrheit, nach echten Sehnsüchten des religiösen Menschen? Und für letzteres entschied sie sich, die immer schöne Mirjam, die Pirena herzlich lieb hatte und sie nicht verfluchen wollte, sondern sanft zur Wahrheit führen, und sagte: „Eben jener Adon, das heißt: Herr! den deine heidnischen Propheten verkünden als den Sproß der Götter, welcher im Nahen Osten zur Welt kommen solle, sterben und auferstehen, daß ist der Christos, der in Bethlehem zur Welt gekommen ist. Und ich, ich rühme mich der Gnade Gottes, daß ich den Christos, den Retter, zur Welt bringen durfte und ihn meinen Herrn nennen. Er, er starb am Kreuz der Römer, nach der Auslieferung durch die Juden, und erstand, denn Gott erweckte ihn durch seinen Geist vom Tode und holte ihn heim in seine göttliche Welt, wo Jesous nun herrscht an Gottes des Vaters Seite. Dieser Herr der Herren, dieser, der da ist der Sohn des lebendigen Gottes, welcher ist Gott der Götter, dieser Sohn Gottes ist der Herr, und er will, Pirena, auch dein Herr sein, daß du ihn liebst von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit aller Kraft und Leidenschaft, Pirena, denn er ist der, den Sokrates ersehnt hat, der Logos, der Sinn der Weltgeschichte, der die Gemeinschaft Gottes mit den Menschen wieder herstellt, das Wort der Liebe, das Gott zu uns gesprochen hat." Pirena rollte mit den Augen vor Erstaunen und meinte, das wäre dann jener, von dem sie in einem anderen, weniger bekannten Mythos vernommen, den ihr ihre Großmutter Eusebia erzählt (jene lebe übrigens noch und wolle gewiß ebenfalls von dem Eu-Angelion hören). Und Pirena erzählte: "Um die schöne Helena, welche die Venus dem Paris zugeführt, ward in Troja Krieg geführt mit den Griechen, welchen Krieg die Griechen durch des Odysseus List mit dem berühmten Trojanischen Pferd gewannen. Bei der Verteilung der Beute unter Agamemnons Leuten erhielt Eurypylus ein Kästchen. Dieser Eurypylus war ein Sohn des Mannes Euämon und der schönen Griechin Ops, er führte in vierzig Schiffen die Streiter um die Ehre Griechenlands aus Ormenium in Thessalien gegen Troja und kämpfte tapfer, ja, er erbot sich zum Kampfe gegen den schrecklicher Trojer Hektor, den gewaltigen Prinzen und Haudegen, der auf dem Schlachtfelde und Walplatze blieb im Blute seines Lebens schwimmend. Nun, jenes Kästchen, welches Eurypylus bekam bei der Verteilung der Kriegsbeute, des trojanischen Schatzes, war ein Kästchen mit einem vom Vulcan gearbeiteten Bilde. Vulcan war ja der Gatte der Venus, was seltsam ist, denn obwohl sie die Göttin der Schönheit und lüsternen Liebe ist, ist er ein hinkender Schmied, der immer an der rauchigen Feueresse steht. Aber er ist der Schmied der Götter, der den unsterblichen Göttern ihre siegstrahlenden Waffen schmiedet, so dem Zeus den Donnerkeil und dem Apollon den Sonnenbogen und die Sonnenpfeile, mit denen Apollon den Pythondrachen erledigte (aber ich schweife ab). Vulcan also hatte das Bild geschmiedet, und was stellte es dar? Ein Bild des Vater Bacchus und eines unbekannten Gottes. Vater Bacchus war ja der Gott, der aus dem Orient gekommen war mit Friedenshymnen und Opfergesängen, welches die ekstatischen Menschen sangen: Heil dir, du Opferbock! und aßen Brot und tranken Wein in den Mysterienkulten dem Geopferten, welcher starb und wiederkehrte; aber wer war der unbekannte Gott, der da neben Vater Bacchus abgebildet war? Eurypylus kannte ihn nicht, aber als der die beiden neben einander sah, ward er wahnsinnig. Woran lag das nun? Dies Kästchen gehörte vorher dem Trojer Dardanus, dem es Jupiter einst geschenkt, und die trojanische Prinzessin Cassandra, die eine Seherin war, hatte dies Kästchen aus dem Schatz des Dardanus hervorgekramt und mit einem Fluch belegt (einem Fluch, wie ihn die Hexen fluchten in Eurypylus seiner thessalischen Heimat), einem Fluch, daß derjenige Grieche, dem dies Kästchen in die Hände fallen sollte, wahnsinnig werden müsse. Eurypylus reiste nun in seiner wahnsinnigen Umnachtung nach Delphi, wo er die Priesterin im Tempel des Göttersohnes um Rat und Weisung fragte, was zu tun sei mit und gegen seinen Wahnsinn. Und die Weissagung lautete, er würde seinen Wahnsinn verlieren, wenn er an einen neuen Ort käme, wo man gräulichen Kulte vollzöge. Er solle diese greulichen Kulte abschaffen und einen reinen Dienst dem neuen, unbekannten Gott (von dem Bildnis jenes Kästleins) einführen. Als er nun bei Aroe in Achaja ans Land ging, sah er, wie eine Jungfrau im halbdurchsichtigen Gewand einen Knaben zum Altar führte, um ihn auf dem Opferaltar der Mondgöttin zu opfern, der Fruchtbarkeitsgöttin, welche sie daselbst Diana Triclaria nannten. Er fühlte Schauer des Grauens vor dem Gräuel und sah, hier war das Ziel seines Elends, denn jenen Gräuelkult solle er abschaffen und reinen Gottesdienst einführen. Er fing an zu reden von den abscheulichen Gräueln, welche dem Vater der Götter nicht gefallen könnten, und da erfuhr er, daß den Bewohnern von Aroe ein Spruch der Weissagung bekannt war, nach dem ein fremder König kommen und einen unbekannten neuen Gott verkündigen werde. So ließen sie sich seine Anordnungen ohne Widerspruch gefallen, wandten sich ab von den Menschenopfern und der Diana Triclaris und wandten sich zu dem reinen Gottesdienst für den unbekannten Gott, welcher in uralten Gesängen bestand, dunklen Orakelsprüchen und Weisheitslehren und dem Mahl von Gerstenbrot und blutrotem Wein, ohne daß man ganz den Sinn desselben Kultes zu ergründen wusste." Soweit erzählte Pirena den Mythos von Eurypylus und fuhr dann fort: "Und du meinst, daß du diesen unbekannten Gott kennst?" Und Maria ließ die Worte ihrer suchenden Freundin tief in Seele und Geist sinken und sann und bewegte die Worte des Sohnes Gottes im Herzen, alle, die sie vernommen hatte und alle, die die Apostel ihr weitergesagt hatten, und hörte auf die leise innere Stimme des Heiligen Geistes, und dann sagte sie: "Ja, der unbekannte Gott, der ist mir bekannt, denn als er auf der Erde wandelte, war er mein eigen Fleisch und Blut, und war doch gleichzeitig Sohn Gottes und Gott selbst (in einem, was den Menschenverstand fürwahr übersteigt). Oh, Pirena, ich liebe ihn von ganzem Herzen, meinen lieben Herrn Jesus, und das ist der reinste Gottesdienst, den man tun kann, denn vor allem ist ihm an unseren Herzen gelegen, vor allem schaut er auf unseres Herzens Haltung, ob wir ihm zugewandt sind, uns voller Vertrauen ihm in die Arme werfen, ihm trauen (das heißt, an ihn glauben), denn so verspricht er uns, daß wir ewig leben werden in ewiger Glückseligkeit, wie das schon Platon ersehnt hat, jenseits ewig zu leben in Gemeinschaft mit ihm, unsterblich an Seele, aber auch unsterblich an einem neuen Leib, denn, höre nur gut zu: denn wir werden alle vom Tode auferstehen und vor ihn treten, wo er uns richten wird nach dem Maß der Liebe, denn die Gott liebten, die werden in Ewigkeit mit ihm zusammen sein, die aber Gott hassten, werden in der Gottesferne werden sie sein, im Hades, im Feuersee, und Wehe rufen, Wehe, hätten wir doch Gott geliebt! rufen sie in Ewigkeit. Aber nun, Pirena, laß deine leeren Götzenbilder hinter dir und wirf dich dem einzigen wahren lebendigen Gott in die Arme, unserm Herrn Jesus!" Und Pirena kniete nieder und sagte: "Jesous Christos, wenn du der bist, den die Alten ersehnten, der unbekannte Sohn des Allerhöchsten, wenn du der bist und ich dich kennen lernen kann, dann wag ichs jetzt, zu dir zu reden. Ich hoffe, du lebst und hörst mich, und in Hoffnung darauf rede ich, ja, ich hoffe, darum rede ich. Ich habe gegen alle Ideale wahrer Tugend und himmlischer Liebe gefehlt und kann vor dir, wenn du der einzig wahre Gott bist, sicher nicht bestehen, weil du schrecklich und heilig sein mußt. Wie kann ich aber vor dir bestehen? Maria sagte gestern, für alle meine Übertretungen hättest du die Strafe selbst bezahlt, und deshalb würdest du mir vergeben und mich rein und frei sprechen, daß ich dir nahen dürfe, heiliger Gott, ja, Jesus, ich will dich anbeten, denn du scheinst mir wahrlich ein Prophet Gottes zu sein, darum kann ich den Gott anbeten, den du geoffenbart hast, den Vater im Himmel, der ein liebender Vater ist und mich, ja mich liebt, denn er ist der Gott der Liebe, er ist der Gott, der da Licht ist, er ist ein weiser und ein guter Gott, du, Gott, bist ein heiliger und gerechter Gott, ein guter und allmächtiger Gott bist du, ein Gott der Liebe, und in der Person Jesous begegnest du mir, ja... Jesous... ja, Kyrios!" Und sie warf sich mit dem Angesicht auf den Boden von Ephesos und zitterte an allen Gliedern, denn Jesus taufte sie just mit dem Heiligen Geiste und erfüllte sie mit demselben und versiegelte sie und goß die Liebe Gottes in ihrem Herzen aus, und der Heilige Geist bezeugte ihr, daß sie jetzt ein Kind Gottes war. Da lief sie und holte ihre Großmutter Eusebia, welche neben ihrem Elternhaus wohnte, wo Aurophite, ihre Mutter, lebte mit dem Sohne Cygnus, welcher Pirenas Bruder war. Aber Aurophite und Cygnus waren bei der Arbeit, immerhin kam Eusebia mit Pirena zu Maria und war bereit, diesen wundersamen Mythos, wie sie es nannte, dieses Euangelion (Pirenas Wort) zu hören von dieser herbeigewanderten Jüdin Maria. Von seinen Evangelisations-Streifzügen war aber inzwischen Johannes wiedergekommen, der mit Maria wohnte wie Mutter und Sohn in ihrem Haus auf dem Nachtigallenberg, er war den Ziegentrampelpfad hinaufgestiegen und saß vor der Hütte bei einem Becher abendlichen Rotweins (er genoß täglich einen kleinen Becher voll, denn ein Arzt hatte ihm das für sein Herz empfohlen, so könne er alt werden und die Tage seines Lebens zahlreich machen). Da erschien Eusebia, und Johannes fragte sie: "Was denkst du über das Göttliche, ehrwürdige Alte?" Und sie holte tief Atem, froh, jetzt einmal wieder ihren Lieblingsmythos erzählen zu können von ihrem Lieblingsgotte und sagte: "Liebe ist der mächtigste der Götter, der oberste, der Schöpfer aller Götter und Menschen. Liebe hat gesagt: Ihr seid Götter! Liebe will der Herrscher aller Menschen sein, wie schon Sophokles sagte. Einst kam Liebe zur Welt aus dem Schoße seiner schönen Mutter, da war er wahrlich der Schönste aller Götter. Ich nenne ihn den Lösenden, der allen Menschen den Sinn und Verstand überwältigen kann. Letztendlich ist Liebe der die Götter und Menschen alle Besiegende. Den Menschen war er Hymen, der Bundesstifter. Den willigen Menschen sandte er ins Herz Himeros, der die Sehnsucht an Liebe wachhielt im Menschenherzen. Sappho pries ihn, denn sie war seine Psyche, seine Braut, denn Liebe hat sich eine Braut erwählt. In seinem Reiche dienen viele geflügelte Genien, welche die Menschen Amoretten nennen, sie sind dienstbare Geister, welche in reiner Liebe der Liebe und den liebenden Menschen dienen. Liebe ist der uralte Gott, Liebe ist der schöpferische Gott, der älter als der Himmel ist. Und was weiß du über ihn, junger Mann?" Da stand dem guten Johannes ganz klar der Herr Jesus Christus vor Augen, und er wußte, daß wichtiger als Mythologie von Liebe, wichtiger als Reste von Uroffenbarung die Verkündigung des Namens Jesu war, denn nicht mit Resten der Uroffenbarung konnte Eusebia gerettet werden vor Tod und Hades, sondern nur durch das Heils- und Erlösungswerk Christi, darum verkündigte er ihr die Person Jesu: "Gott ist die Liebe, das ist wahr, er ist der Schöpfer, das ist wahr, aber er ist auch heilig und duldet keine Sünde. Und wahrlich, ihr Heiden habt gesündigt mit euren erotischen Götzendiensten, euren Tempelhuren und Lustknaben, und Eusebia, Sünde ist auch jede Lüge, jedes Götzenopfer, jede Männerliebe, jeder Diebstahl, jeder Ehebruch (auch in Gedanken nur vollzogen), Eusebia, keiner ist heilig und rein in Gottes Augen, auch du bist eine Sünderin in seinen heiligen Augen. Und Gott ist ein Gott, dessen Gesetz heißt: Der Tod ist der Lohn für die Sünde. Und jeder Sünder hat den Tod, den ewigen Tod verdient. Du erschrickst vorm Fangarm des Thanatos und den ewigen Finsternissen des Hades mit seinen Schlangen und Hunden? Siehe, Gott will dich davor retten, darum sandte er sein Liebstes, seinen geliebten Sohn, daß er die Todesstrafe erleide an deiner Statt, an der Stelle aller Menschen erlitt er die Strafe für die Sünde, und starb am Kreuz; aber Gott erweckte ihn von den Toten und machte ihn zum Herrscher im Himmel über alle Geister und Menschen. Wer an ihn glaubt, den Sohn Gottes, der muß nicht mehr den Tod sterben, sondern kann ewig leben, vereint mit dem Gott der Liebe in Ewigkeit. Glaube nur an den Sohn Gottes, er ist der Christus Jesus! Er will dein Herr und Retter sein!" Und Eusebia begann zu weinen vor seliger Rührung und sagte unter süßem Schluchzen: "Jetzt erkenn ich erst, was Liebe heißt! Es ist kein unpersönlicher Gott, den es einmal am Anfang gab und der dann nicht mehr auftrat, es ist auch nicht einer, der sich erschöpft in den Lüsten der Menschen, sondern es ist der Heilige, der sich mir hingab in eben dem vergangenen Augenblick und küsste mich, küsste mich (zwar unsichtbar) so lebensecht, daß ich den feuchten Kuß noch auf meiner Lippe spüre... Und plötzlich weht in meinem Herzen ein Fackelbrand, plötzlich wallt und wogt mein Herz zum Himmel hin, und in meiner Seele jubelt lauter Lobpreis und heilige Verehrung und etwas ist das Süßeste in meinem inwendigen Menschen, das ist der süße Name Jesus!" In dem Augenblick kam Cygnus mit einem Arbeitskollegen, denn Cygnus suchte seine Schwester und fand sie vor dem Hause Mirjams, und er fand auch seine Großmutter, fand sie auf einer Bank mit Johannes, und hörte die letzten Worte. Cygnus war ein Suchender, sein Freund dagegen war einer, der meinte gefunden zu haben, und zwar in der Philosophie. Und als Johannes ihm, dem Gamelius, beweisen wollte, daß Jesus der Logos sei, das Wort Gottes, und daß Theos (Gott) von Anfang an beschlossen hatte, den Logos (Jesus) in die Welt zu senden, daß er ins Fleisch komme, und daß er sterbe zur Erlösung von Sünde und Tod, und daß er herrsche durch die Auferstehung von den Toten, da lachte Gamelius nur und meinte: "Logos ein Mensch? Logos ist Sinn und Gedanke und Idee und Wort und Ideal und Vernunft, aber kein Mensch von Fleisch und Blut, keine gefangene Seele im Gefängnis des Leibes wie wir. Logos ist Weisheit, und Erkenntnis der Weisheit befreit aus der Sklaverei des Materiellen, denn Erkenntnis heißt Vergeistigung in himmlischen Stufen hinauf in die unsichtbare Welt, die höheren Welten befreiter Geister und unsterblicher Seelen. Aber euer Kinderglaube an einen Menschen, der von sich behauptet, ein Gott zu sein, daß ist nicht klüger als die ganzen Ammenmärchen der Mythologie. Nein, bleibt mir mit dem Glauben vom Halse, denn ich will - wissen!" Aber Maria gab nicht auf und betete für ihn. Sie betete auch für Cygnus, dem sie eine Mutter im Glauben werden sollte. Für diesen ersten Erntetag dankte Maria Gott.



ACHTZEHNTES KAPITEL


Johannes kam immer so in die Gemeinde: "Kinder, liebet einander" sagend, und so evangelisierte er auch, indem er den Asiaten und Griechen in Ephesos und römischen Soldaten sagte: "Gott ist die Liebe" und das erläuterte mit dem Opfer, das Gott mit seinem Liebling Jesus brachte: "Weil die Menschen den Weg gegen Gottes Willen gingen und frevelten, traf sie die Strafe des Todes nach dem Gesetz der Gerechtigkeit. Aber Gottes Sohn selbst erlitt diesen Tod, damit ich nicht mehr sterben muß und ewiges Leben habe, weil ich an seinen Kreuzestod glaube, an den Namen Jesu. Tu du dies auch, vertraue dem Herrn, der auch dein Erlöser heißen will, Soldat!" Da entgegnete der ältere Soldat: "Wie kann ich an die Liebe Gottes glauben, wenn meine Tochter Drusina gestorben ist, die im blühender Alter und voller Schönheit vom Tode hinweggerafft ward?" Es war die Zeit der Geschichte der Apostel, da Gott durch die Wunder und Zeichen des Heiligen Geistes Glauben wirken wollte und tat, da trat der Apostel Johannes, geführt vom Heiligen Geist, an die Bahre der schönen Drusina (noch in ihrem Tode von einer Schönheit) und sagte in der Vollmacht des Heiligen Geistes: "Jungfrau Drusina, in Jesu Namen sage ich dir: Steh auf!" Und da zitterten die weißen Lider der Jungfrau, ihre Nasenflügel bebten, Odem strömte aus der Nase, sie öffnete ihren Mund mit fliegenden Lippen, Odem strömte heraus und herein, und mit einem Lächeln um die Lippen und großen tiefleuchtenden Augen schaute Drusina Johannes an und sagte: "Mein Herr, ich danke dem Sohn Gottes, der mich ins Leben zurückgerufen hat, für seine Gnade und bekenne, ich glaube an seine Heilstat am Kreuz bei Jerusalem, denn ich erkenne seine Macht über Leben und Tod an und weiß, er ist der Richter über die Lebenden und Toten, und ich weiß auch, man kann Gott nur durch den Glauben an den Logos gefallen, den inkarnierten und aufgefahrenen Logos, der da heißet..." - "Jesus!" sagte Johannes, und sein Herze klopfte. "Du hast für mich gebetet im Glauben an meine Erweckung?" fragte Drusina und schaute ihn an mit tiefdunklen blauen Augen, hervorblitzend aus tiefen Höhlen in einem blassen Gesicht, umrahmt von braunen Locken, ein leichtes Lächeln der Liebe im ernsten und reifen Gesicht, und sagte: "Ich danke dir und hoffe, deinen Glauben von dir zu erfahren bis in die letzten und tiefsten Geheimnisse der Dinge hinein." Und Johannes mit Begeisterung seiner sprühenden Gedanken, begeistert von der Ernsthaftigkeit und würdigen Schönheit Drusinas: "Du, wir haben eine Heilige Schrift, wir können sie auf griechisch lesen, wir sagen Septuaginta dazu, es sind die Worte der Propheten über Gott und seinen Christos, und wenn du die Septuaginta kennengelernt hast, dann will ich mit dir jedes Jota der hebräischen Bibel studieren, denn wir wollen so dicht wie möglich an den Lippen Gottes hängen", sagte Johannes, und eben da durchzuckte ihn der Gedanke, er möge auch an den schmalen Lippen Drusinas hängen und Küsse trinken, denn er fühlte Liebe für sie. Maria zu jener Zeit wandelte im Tal der Mandelbäume, zwischen den duftend rosigen Blüten, setzte ihre Füße, nackt in den Ledersandalen, auf das taufeuchte Gras und ließ die Sonne spielen auf ihren weichen Armen. In der Hand hielt sie einen Brief, den sie von Jimna bekommen hatte, dem Mann ihrer Schwester Mitka. Sie sah Jimna vor Augen: Ein großer blonder Mann mit einem lockigen blonden Bart, muskulös und gerade gebaut, ein freundliches helles Gesicht, männlich aber weich, und dann sah sie Mitka vor Augen: die Wangen wie Schnee und Rosen, wie Milch und Morgenröte, sanft und golden, die Lippen wie Blut und Tautropfen, weich geschwollen, die Augen glänzend wie von feuchtem Schimmer der Herbstwelle, funkelnd wie Diamantensterne, die Brauen fein und weiblich-zierlich, die Haare dunkelblond und fließend. Und dann las sie den Brief: "Jimna, der Dichter Gottes in Syrien, an seine Schwägerin Mirjam, Mutter und Jüngerin unsres gemeinsamen Herrn Jesus. Die Gnade Gottes und des Lammes sei mit dir! Viel Grüße zuvor, liebe Mirjam, aber ich habe dir eine Hiobsbotschaft zu bringen! Ich bete zu Gott, daß er dir in diesem schweren Augenblick beisteht, denn ich muß dir sagen, daß Mitka nicht mehr auf Erden ist! Gestern ist sie gegangen, sie ist gegangen nach einem Jahr währender Krankheit, da wir einsam waren, nur wenige Christen zu uns standen, eigentlich nur unsere kleine Hauskirche, und Mitka immer schwächer wurde. Sie nahm Tag für Tag ab und wurde immer schlanker. Du, erst gefiel mir das ganz gut, aber bald machte ich mir Sorgen. Schließlich verlor sie ihre Lebenskräfte und lag von Morgen bis Abend auf ihrem Lager, auf den Schaffellen. Schließlich starb sie vor Schwäche. Nun bin ich gewiß, daß sie aus der irdischen Stadt (Damaskus) in eine weitaus herrlichere Stadt gezogen ist, wo sie ihr Bräutigam erwartet, unser Herr! Ja, Mitka ist gegangen in die ewige Stadt, dort ihre Heimat einzunehmen, dort in die bereitete Wohnung einzuziehen, wo sie in der Gemeinschaft der Heiligen lobpreisen wird mit erhobenen Händen vor dem Angesicht dessen, des Name unaussprechlich ist! Gott segne sie, Gott segne aber auch uns Hinterbliebene, die wir auch wünschen, schon beim Herrn zu sein, aber hier noch eine Aufgabe haben. So soll ich eine syrische Poetik schreiben, die sich an biblischer Ästhetik orientiert, ich arbeite gerade über Bezalel Bar Hur, den Künstler der Stiftshütte, den Gott berufen und mit Einsicht, Weisheit und Geist begabt hat zur Vollführung ästhetischer Aufgaben, welches prophetische Aufgaben waren, christologische Typen künstlerisch zu fertigen. Maria, Gott segne auch dich und deinen Sohn Johannes in der Mission zu Ephesos. Ich hoffe, von dir (und auch von deinem Sohn Johannes) zu hören, was eure Ernte macht und welche Machttaten der Geist Gottes unter euch schon gewirkt hat. Ich bin nun allein auf der Welt, aber da ist ja noch meine kleine Hauskirche, und wir werden mehr hier in Damaskus, und da ist ja der Stellvertreter Jesu auf Erden, der Paraklete Heiliger Geist, der mich tröstet in diesen schweren Tagen, da ich meine so, so süße Mitka entbehren muß, denn sie ist fortgezogen in die Stadt der Städte vor Gottes Antlitz. Halleluja, sag ich und danke Gott für sein Erbarmen über Mitka, danke Gott für jede Stunde, da ich Mitka in die Augen sehen durfte, und danke dem Erlöser, daß er ihr ewiges Leben schenkte. Ich würde dir noch mehr schreiben, aber der Schmerz läßt mich verstummen. Segne dich Gott, liebe Mirjam!" Mirjam weinte, sie weinte, weil Mitka nun so weit fort war, daß das große Wasser der Scheidung zwischen ihnen floß, der Jordan, die Lethe, das Meer des Todes, denn Mitka war eingegangen in das Meer des Todes, darum weinte Maria Todestränen, aber (Erleuchtung durch den Heiligen Geist) das Meer des Todes war ja durch Jesu Wunder ein Meer des ewigen Lebens, und Mitka war eingegangen in das Meer des ewigen Lebens, aufgelöst in ewige Glückseligkeit; was kann man einer lieben Schwester Schöneres wünschen? Darum tröstete sich Mirjam, denn der Heilige Geist, er hatte sie so getröstet mit dem Troste des ewigen Lebens ihrer Schwester, das war Gottes Trost, und Jesus wischte Maria ihre Tränen ab. Cygnus traf sich mit den Christen gerne zur Mittagstafel, er war interessiert an der neuen Religion und diskutierte gerne mit seiner Mutter Aurophite und seinem spöttischen Freund Gamelius über das Christentum. Illisiades, der Mann der Aurophite, und dieselbe, sie saßen mit ihrer nun Christin gewordenen Tochter Pirena zusammen. Aurophite war eine Anhängerin Sapphos, sie sang deren Oden sehr gerne zur Laute, auch die Oden des Alkäus sang sie gerne, und an Feiertagen besonders gern die erhabenen Hymnen Pindars. Sie kannte daher die Mythen Griechenlands, sie dachte, Apollon wäre der Gottessohn, weil er der Sohn des Königs der Götter, Jovis, sei. Illisiades dagegen, ein Kämmerer am Hofe des Statthalters von Ephesos, er war ein Anhänger der materialistischen Philosophie. Er lehnte die Unsterblichkeit der Seele ab, die Idee einer schöpferischen Gottheit ebenso. Seine Lebensmaxime war die, höchstmögliches Vergnügen aus dem irdischen Dasein herauszusaugen, um sein eigenes Wohl besorgt zu sein, den Tag zu pflücken und dann als Staub im Nichts zu verwehen. Seine Tochter Pirena fragte nun der Vater Illisiades, was das für eine Gemeinschaft sei, der sie nun angehöre, die da einen Halbgott aus Palästina verehrten? Und Pirena gab Antwort, es sei kein Halbgott, sondern Jesus Christus, der da sei wahr Mensch und wahr Gott, Gott von Ewigkeit und Mensch geworden (im übrigen durch eben jene Maria, die da auf dem Nachtigallenberge lebte, was die Glaubwürdigkeit der ganzen Geschichte erheblich erhöhe). Er sei also, sie meine Jesus, er sei also der schöpferische Gott, der Logos (der Sinn Gottes, um es einmal so zu sagen), der ins Fleisch gekommen sei und auferstanden von den Toten. Ha, rief Illisiades, was seine Tochter ihm da erzähle! Er sei schon immer Zweifler gewesen, wenn er solcherlei Mythen gehört, auch seine Mutter Marpe hätte ihm immer von dem vorderorientalischen Halbgott Adon erzählt, welcher jeden Lenz erstehe, aber er sei Zweifler genug und Denker nüchterner Gedanken, als daß er das (beim besten Willen nicht) glauben könne. Im übrigen sei er dagegen, Dinge nur zu glauben, sondern er wolle sie mit der rationalen Wissenschaft diesseitiger Philosophie wissen und verstehen. Aber was Pirena ihm da verkaufen wolle, das sei ihm zu billig, und woher denn käme das Leid, wenn da ein guter und vollkommener Gott sei? Warum denn seine Mutter Marpe gestorben, als er, Illisiades, erst vierzehn Jahre alt war, da sein Vater schon längst tot, und so weiter, was doch wirklich ein Elend und eine göttliche Ungerechtigkeit sei. Aber Pirena sagte etwas vom Sündenfall und vom Tode, der in die Welt gekommen, sagte etwas vom Weizen und Unkraut und der Geduld Gottes, und sagte dann noch etwas sehr persönliches vom Troste (denn sie kannte Traurigkeit und Melancholie), und vom Troste des Trösters besonders, welcher ein heiliger Trost und heiliger Tröster und Heiliger Geist sei, der da Gott ist, der Geist eben jenes Jesu. Da lauschte ihre Mutter auf, die Aurophite, und sagte: "Mein Kind, wenn du uns so die Religion deiner Gemeinschaft in Worten erklärst, die auch wir verstehen können, dann möchte man fast annehmen, daß dein Jesus auferstanden sei von den Toten und lebe, und daß, wer an ihn glaubt, das ewige Leben erhält. Aber was ist denn sonst mit uns? Ist es nichts mit Hades und Schattenreich jenseits der Lethe und den Gefilden Acherusiens und dem Elysium der Glückseligen Inseln, wo Helena und Menelaos beim Hochzeitsmahl reinen, geläuterten und uralten Rotwein aus Syrien trinken?" Und Pirena wollte auch hier die Hoffnung nicht verschweigen und der Mahnung nicht stumm sein, als sie sagte: "Wer glaubt, der lebt in Ewigkeit, wer nicht glaubt, der wird sterben den ewigen Tod - o Qual, fern zu sein vom Gott der Liebe ewiglich! Aber komm doch mit zu unsern Versammlungen und höre die Zeugnisse Mirjams und die Lehre von der Liebe, die Jochanaan austeilt mit lieblichen Worten, Mutter, komm und höre, und fasse Mut und glaube, wirf dein Vertrauen auf den Gottmenschen, den Christos Jesous!" Aber Aurophite zögerte noch, da auch ihr Mann ablehnend dem Glauben gegenüberstand, er hatte weiterhin nichts übrig für Religionen, und seine Frau war ihm zu sehr untertan, als daß sie allein solch eine weitreichende Entscheidung getroffen hätte. Cygnus, den Mirjam liebgewonnen hatte, ging mit der mütterlichen Freundin Seite an Seite durch den blühenden Mandelwald beim Nachtigallenberg, den Ziegenpfad hinunter an der Quelle des Bächleins vorbei, und Cygnus hob zu sagen an: "Mütterliche Freundin, Mirjam, mir träumte heute Nacht ein merkwürdiger, aber lieblicher Traum. Ich sah ein Zimmer, dessen Wände von Myrten bewachsen waren, der Raum war voller Licht, voller Duft, voller leiser und zarter Musik, voller Schönheit und Seltsamkeit. Auf einem seidenen Bett in rosiger Pracht lag eine junge Schöne in lauterster Reinheit. Ihre Schönheit war vollkommener, als Seufzer je bestöhnen können, und von einer Vollendung, die keine Zufriedenheit je sich erträumen könnte. Ihre Überdecke floß in tausend Falten, golden wie der Flaum eines Pfirsichs, an ihr herab, verdeckte aber nicht die apollonische Locke aus Gold auf Nacken und Schulter. Ihr Gesicht ruhte auf einem weißen Arm, zart und ungeschlossen atmete ein schlummernder Mund, just wie Morgensüdwind eine taulippige Rose teilt. In ihrem Haar waren viele Lilien wie Kronen, um sie herum war wildes Grün jeder Art und Wein und Efeu und äthiopische Beeren, ineinander geschlungen. Nahebei standen ernste Eroten, leisend wachend. Einer kniete auf einem Knie vor einer Lyra und rührte die Seiten, mit seinen Flügeln ein tödliches Pathos erregend und immer wieder zur schönen Jugend schauend. Ein anderer Erote nahm einen Weidenzweig, duftenden Tau destillierend und ihn auf ihr goldenes Haar schüttelnd. Ein dritter flog herein durch den Vorhang aus feinem gezwirntem Byssus, und flatternderweise regneten Veilchenblüten ihr auf die schlummernden Lider. Sie erwachte und schlug die Augen auf... und da erwachte ich." Maria lächelte und schwieg.



NEUNZEHNTES KAPITEL


"Höre, Volk der Provinz Asien und Volk von Hellas und Volk der Römer, was ich durch meinen honigstimmigen Mund künde mit Wahrheit weissagend, nicht eines Lügengottes Hellseherin, sondern Magd des großen Gottes, den Hände nicht gebildet von Menschen, sondern der von Ewigkeit Geist ist. Sein Haus ist auch kein Marmortempel mit korinthischen und dorischen Säulen, sondern sein Haus ist unsichtbar im Himmel droben, und ich hab es noch nicht messen können. Er ist der, der alle sieht und doch von keinem gesehen werden kann, denn Gott wohnt in einem unzugänglichen Lichte. Ihm gehören die schöne Nacht und der milde Mond, die wimmelnde Flut der Sterne und das fischereiche Meer, die Mündungen immer rinnender Quellen, die Weinstöcke und die Olivenbäume und die ganze korntragende Erde. Glückselig werden alle jene sein auf der neuen Erde, die den großen Gott loben und preisen, sie werden sehen die große Herrlichkeit des großen Gottes. Alle die sich von Befleckung frei hielten, alle die nicht lästerten, alle die nicht hurten ihren Göttinnen nach, alle die nicht opferten Sterngeistern ihre Kinder, alle die sich rein hielten an Leib und Seele und Geist, werden, wenn sie glauben an den Sohn Gottes, bestehen im Gericht, welches der große Herr selbst veranstalten wird. Dann werden die Gottlosen ihre Gottlosigkeit, die Sünder ihre Sünde, die Frevler ihre Freveltaten erkennen; die Frommen aber werden bleiben, denn Gott gibt ihnen Gnade und Leben. Merder und Perser, die vom Euphrat, die vom Hellespont, die von Phrygien und die Asiaten, die am Ähren-nährenden Nil, Hellenen, die am Fuße des Ätna, Sizilianer, Makedonier, Karier, die von Tyrus, die von Theben, die von Samos, die von Delos, Babylonier, die von Baktra und Susa, die von Sybaris und Kyzikos, Rhodier, Italiener, Volk von Karthago, Laodikeia, Korinth, Myra in Lykien, Patars Getümmel, Armeniens Knechte, Römer, Syrer, die aus dem Tempel von Solyma, Salamis und Paphos und Kypros... ach ihr Sterblichen, ändert euer Leben und erzürnt nicht den großen, heiligen Gott, sondern lasset fallen Männermord und Sündenfrevel; badet den Leib in den immerfließenden Flüssen des Wassers des Lebens und im Blut des Lammes eure Seelen, sühnt euer Leben mit Leiden, mit Opfer eure Gottlosigkeit, ja, wendet euch dem Herrn zu. So wird Gott sich erbarmen und wird euch nicht verderben, denn die Strafe trug der Gottessohn, dem zuliebe ihr nun Frömmigkeit und Preisung tragen mögt in euren Gliedern und in eurem Geiste. Wenn dann alles zu Asche geworden sein wird nach dem Feuer, das die Elemente zum Schmelzen bringt, und Gott das unsägliche Feuer stillt, er, der es angezündet in seinem Zorn, des Lammes Zorn, dann wird Gottes Geist wiederum aus dem Staub heraufrufen die Gebeine der Sterblichen, und sie werden vor Gott stehen. Die Gottlosen wird man finden im Tartaros, in den Tiefen der stygischen Gehenna und des acherusischen Scheol; aber glückselig der Mensch, der mit Gottes Sohn gelebt die Tage seines Daseins und nun schauen wird die Glückseligkeit. Und siehe, ich sah, und was ich sah, war eine große Erwartung des Hirten! Er wird euch eure Ruhe geben, denn er ist nahe (Ja, komm, Herr Jesus!) und wird am Ende der Welt kommen, uns aus der Ewigkeit euch entgegen. Seid bereit für die Löhnungen seines Reiches, welches da sind die Kronen des Lebens und der Gerechtigkeit und der Herrlichkeit, sie sind aus dem immerwährenden Licht gemacht, welches euch für immer leuchten wird, dem Licht des Lammes. Fliehet die Finsternisse dieser Welt und kommt zum Lichte Gottes und des Lammes, und empfangt die Freude der Herrlichkeit. Ja, ich bezeuge euch offen meinen Heiland, der da heißet Jesus Christus. Was er euch anbietet, nämlich das ewige Leben in ewiger Glückseligkeit, das nehmt doch an mit Dankbarkeit und Lobpreis, dem dankend, der euch zum himmlischen Reich, dem Reich Gottes berufen. Siehe, die Versiegelten beim Hochzeitsmahl des Lammes! Das sind die, die sich vom Schatten der Welt abgewandt haben und haben glänzende Gewänder vom Herrn empfangen. Zion empfängt seine vollkommene Zahl, seine Mauern aus Jaspis umschließen die Weißgewandeten, die lebten nach den Geboten Jesu, so ihre Liebe beweisend dem, der sie aus Gnade errettet. Zion, die Zahl deiner Kinder, du Mutter der Völker, ist vollkommen, denn es ist gekommen das Reich der Himmel mit dem geheiligten Volk, welches berufen war von Anfang an. Ich sah auf dem Berge Zion eine Schar von Heiligen Jesu, die ich nicht zählen konnte, und alle lobten Christus, das Lamm, mit Lobgesängen. Und in der Mitte stand der Sohn Gottes, und das Lamm setzte jedem einzelnen Heiligen eine Krone auf, jedem seine, und alle diese legten ihre Kronen wieder dem Herrn zu anbetungswürdigen Füßen. Das waren jene, die das Sterbliche ausgezogen und das Unverwesliche angezogen und den Namen Gottes und des Lammes bekannt haben: ICH BIN... JESUS! Und sie trugen ihre Kronen und ihre Palmen in den Händen, und gingen mit dem Lamm in den Garten Gottes, und ich stand und pries und pries den Herrn. Und eines Engels Stimme erklang zu mir und sagte: Siehe, er wird seinen Erwählten geben das Heil und sie taufen mit ewigem Leben und leben lassen im Gefilde Aneslasleja (Elysium). Mit Blumen geschmückt werden die Gerechten, und er geht, ihnen ihre Wohnungen zu bereiten, und er geht, sich mit ihnen ewig zu erfreuen im Reich des himmlischen Vaters. Gehe also in die Stadt bei den Weinbergen, und laß uns auf den heiligen Weinberg Gottes gehen. Und wir beteten, indem wir Gott und das Lamm priesen mit einem neuen Lied. Und der Engel zeigte mir einen geöffneten Garten, der voll war schöner Bäume und reifer Früchte, voll von Duft und Wohlgerüchen, wie Räucherwerk aus Saba und heiliger Weihrauch der Stiftshütte. Der Duft war schön, und war schöner als Ambrosia, und sein Duft reichte zu uns. Und der Engel sagte: Hast du gesehen die Scharen der Heiligen aus den Nationen? Wie ihre Ruhe ist, so ist die Ehre der Märtyrer, und wer um des Namens Jesu willen verachtet wird, der wird sein gesegnet mit der Krone des Lebens! Und ich ward froh und glaubte, was geschrieben steht in den Pergamenten Gottes. Und der Himmel öffnete sich, und Menschen in Geistleibern gingen dem Herrn entgegen, ihn begrüßend mit einem neuen Lied des Lammes, das Mose mit ihnen sang. Und die Engel scharten sich zusammen und öffneten die Tore. Und der Herr erschien mir wie eine Feuerflamme und sagte: Siehe, ich komme bald! Und es schloß sich der Himmel, und ich fiel auf mein Angesicht und betete an den allmächtigen Gott und den Herrn Jesus." Das erzählte Maria nach einem Traum, da sie ging mit ihrem jungen Freunde Cygnus, der nun wie ihr einziger Sohn war, da Johannes verbannt worden nach Patmos. Er hatte zu eifrig und offen bekannt, daß allein der Sohn Gottes, Jesus Christus, Anbetung verdiene und der himmlische Vater; aber keineswegs der römische Kaiser, der sich einen Gott und einen Herrn nennen ließ in großer Sünde und zur Verleitung und Aufforderung zum Götzendienst. Nun diente man nicht mehr der Schlange des Asklepios, nicht mehr dem Phallus des Dionysos, nicht mehr der Hurengöttin Aphrodite, nun diente man einem Menschen, der sich für Gott ausgab, dem antichristlichen Kaiser, und das Volk betete ihn an und seine Statuen; aber Johannes hatte dagegen geeifert wie ein alttestamentlicher Prophet; darum war er verbannt worden aus dem schönen Mandelgarten am Nachtigallenberg fort auf die steinige Gefängnisinsel Patmos in die Kargheit der Einsamkeit. Maria dachte an Jakobus, der der Vetter Jesu gewesen war, vor allem aber sein Diener, nachdem er zu Lebzeiten Jesu ein großer Zweifler an Christi Sendung gewesen war, nach seiner Auferstehung aber bekehrte sich Jakobus und wurde "der" Jakobus (obwohl jeder dritte Hebräer Jakobus hieß), und man nannte ihn: Jakobus der Gerechte, denn er vertrat die Auffassung, daß ein bekehrter Christ ein anderes Leben leben müsse als die Kinder der Welt, gerechter, reiner, mehr der Heiligung hingegeben; und Jakobus vertrat dies theoretische Auffassung, seine Theologie, mit seinem ganzen Leben, ja, er lebte, was er sagte. Schließlich wurden die Oberen der Hebräer zornig auf Jakobus, die Polizei führte den Gerechten auf die Zinne des Tempels, zwanzig, dreißig Meter hoch und ließ ihn in den Abgrund schauen und sagte: "Widerrufe, daß Jesus der Messias und Gottes Sohn ist, dann lassen wir dich gehen! Hältst du aber daran fest, daß dieser Jesus Gott gleich ist, dann kommt jetzt dein Ende, denn wir werden dich in die Tiefe stürzen!" Jakobus war nicht schwindelfrei, er bekam in eben jenem Augenblick große Angst, da betete er zum Herrn Jesus: "Herr, du siehst, wie mir bangt vor dem Tode, du siehst, wie meine Seele sich windet und möchte leugnen, und will es doch nicht, denn meine Ewigkeit will ich nicht leugnen, und dich, den Herrn meiner Ewigkeit, die Quelle meines ewigen Lebens, will ich nicht leugnen, sondern bekennen, Herr, aber gib du mir den Mut, den Todesmut, den Glauben an das ewige Leben in dir!" Und in eben jenem Augenblick erfüllte der Heilige Geist Jakobus mit einem solchen übernatürlichen Frieden, daß er keine Angst mehr hatte, weder vor den Schmerzen noch vor dem Tod, und er sagte mit fester Stimme: "Ich glaube an den Herrn, den Herrn Jesus!" Und im selben Augenblick stürzte die Polizei den Gerechten hinunter, er flog in die Tiefe und fiel mit voller Stärke auf den steinigen Boden, war aber noch nicht tot, sondern atmete noch schwer und scheinbar unter Schmerzen (in Wirklichkeit aber wars ihm schmerzlich-süß im Innern) und zuckte ein wenig. Um ihn standen aufgebrachte Juden, die sich schon immer von Jakobus und seiner Heiligkeit hatten provoziert gefühlt, und besonders voll Zorn war ein Schmied, ein kräftiger Bulle, der von Jakobus auf seinen Ehebruch hingewiesen worden war, und er hob einen schweren Holzblock und schmetterte ihn dem Jakobus auf den Kopf, und zerschmetterte ihm den Kopf und das Leben. Aber Jakobus ging ein in die Herrlichkeit Gottes! Maria dachte das, da flog um sie ein zarter Falter, seine Flügel zart bestrichen mit orangenem Schnee, Purpur-Puder und schwarzem Samtstaub und bedeckt mit rund geschnittenen Blättchen aus weißem Schaum. Er flog zu einem Schmetterlingsbaum, dessen violette Blütenstangen schwer und voller Süße dufteten. Maria ward verzaubert, wie von einem Märchen aus uralten Tagen. In eben jenem Augenblick ward Johannes auf Patmos angerührt, aber mit der Inspiration des Heiligen Geistes. Johannes saß zu der Zeit im kargen Felsensand und betete, da ward es um ihn wie lebendig quillender Garten Eden: Bäume schossen neben ihm in die Höhe, Palmen bewegten sich im süßen Winde, Datteln und Kokosnüsse wogten zwischen den fruchtbar-grünen Blättern. Vögel mit hellblauem Gefieder und purpurnem Busen und goldenen Stimmen sangen hüpfend himmlische Arien in den Zweigen, Papageien plapperten Pompöses, ein schwarzer Adler saß neben Johannes und schaute zu ihm auf, als ob er ihn anreden wollte. Schöne Kröten mit verzauberten Augen sprangen quakend um ihn, und eine unschuldige Schlange ohne Gift wand sich zu seinen Füßen. Eine hellrote Muschel rollte im goldenen Sande, bestreut der Sand mit schneeweißen Kieselsteinen. Der Himmel war von einem strahlenden Hellblau, aber plötzlich tauchte aus dem Himmel, dem sichtbaren Himmel, eine Erscheinung von großem Lichte auf: Das war der, der da kommt, der Sohn der Dreieinigkeit, der Friede bringt und Ruhe, die es den Verfolgten, den bekennenden Christen ermöglicht, Verfolgung zu tragen, der Verheißende, der das ewige Leben und die Kronen der Gerechtigkeit und des Lebens verheißt den Duldern, den Treuen, den Bekennern, denen, die ihn erwarten, der da A und O ist, Alpha und Omega, Anfang und Ende: Friede! sein Gruß, die Zeit des Endes ist nahe, denn bald kommt er, der da ist der Wahrhaftige, der auf dem Thron ist, der Kommende, der da ist und war vor Grundsteinlegung der Welt, denn in ihm ist alles geschaffen: Jesus Christus! Halleluja! Das Lamm Gottes, herrlich und gekrönt! Der Zeuge Gottes, der Erstgeborene von den Toten, auferstanden und in Ehre und Herrlichkeit droben, er ist der Fürst des Lebens, der König der Könige und Herr der Herren, der Heiland, der uns liebt! Er hat uns schon geliebt, denn er hat uns von Schuld und Sünde reingewaschen durch sein Lammesblut, er liebt uns, denn er bereitet uns die heiligen Wohnungen in der Stadt Zion droben, er liebt uns, denn er wird kommen bald, uns zu entrücken in die Gegenwart Gottes! Halleluja! Wir wollen ihm bringen unser Leben, unser Sein und Haben, unser Leiden und Dienen als Opfer dar, dem Herrn! Anbetung dem Allmächtigen! Siehe, und vernimm, was der Geist Gottes den Gemeinden in der Drangsal zu sagen hat, denn er ist bei euch, der da zwischen den Leuchtern der Gemeinde steht, der da Herr ist über die Engel der Gemeinde, er, von dem ausgehen die sieben Geister Gottes! Sein Gewand eine lange Richterrobe, der Gürtel um seine Brust ist Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit seines Richterspruches. Sein Haupt und seine Haare waren weiß wie Wolle, denn er hatte das Alter des Alten der Tage, denn er war ewig, uralt in seiner Weisheit, und rein sind seine Richtersprüche. Seine Augen wie Feuerflammen schmelzen alles auf den Kern der Wahrheit zusammen, sein Licht aus glühenden Augen durchdringt die Menschen bis ins Innerste ihrer Herzen, da die Wahrheit zu finden über ihren inwendigen Menschen. O diese tiefe Einsicht, o diese unbestechliche Genauigkeit! Die Füße des Herrn glänzten wie Erz im Ofen, das Erz des Gerichtes. Seine Stimme brausend wie ein Wasserfall in den Bergen, o majestätisch den Kindern Gottes! o furchteinflößend den Ungerechten! Aus seinem Munde kam das Wort Gottes, scharf wie ein zweischneidiges Schwert, und sein Wort war ein heiliges Urteil über die sieben Gemeinden. Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne zur Mittagszeit und zeigte den wunderbarsten Glanz und die Herrlichkeit seiner vollenden Gottheit! Als Johannes Ihn sah, den Herrlichen, brach er wie tot zu seinen Füßen zusammen.



ZWANZIGSTES KAPITEL


Maria war, da sie schon an die siebzig Jahre zählte, nach Jerusalem zurückgereist, denn sie hatte Heimweh nach Israel. Ihre Gemeinde, die Paulus gegründet hatte und groß geworden war und Vorbild in der ganzen Provinz Asia, ließ sie zurück und machte sich auf, die Stätten zu sehen, an denen ihr Sohn gewirkt hatte. Sie machte das, was man eine Wallfahrt, eine Pilgerreise nennt. Damals war es zum Tempel gegangen. Nun war der Tempel zerstört. Aber Galiläa war noch Galiläa, Nazareth noch Nazareth, Kapernaum noch Kapernaum und der See Genezareth noch immer das Meer von Tiberias. Und sie dachte in der Jesreel-Ebene an Jesus. Und sie dachte in Samarien an den barmherzigen Samariter, den Herrn Jesus. Und sie dachte an den Propheten Jesus, der der Samariterin geweissagt, daß sie in vorehelicher Unreinheit mit mehreren Männern gelebt hatte, der er aber dennoch das Wasser des Lebens anbot, ja gerade weil sie in Sünde lebte, brauchte sie den Trank des Messias dringend. Und sie ging an den Jordan, wo Johannes der Täufer, ihrer Cousine Elisabeth einziger Sohn, den Herrn Jesus getauft hatte. Und sie reiste nach Bethanien, wo sie mit den Jüngerinnen des Herrn, Maria und Martha, gespeist hatte einmal zum Feste des einjährigen Wiederkehrens des Tages, da der Herr den Lazarus aus den Toten gerufen. Und: Sie reiste nach Bethlehem, und da klopfte ihr Herz besonders, ja ihr Puls pochte in der Schläfe, und ihr wurde schwindelig, wenn sie nur daran dachte, daß sie, die Magd Jahwes, dort ihn, den Herrn, den Allmächtigen, den Heiland und Retter der Menschheit, Jesus geboren hatte im warmen Stroh, im Stalle zwischen Ochs und Esel. Und wie hatten die Chöre in ihrer Seele gejubelt: Er ist Freude dir und Jubel dir! dachte sich Maria.  Und sie reiste nach Jerusalem, wo sie bei ihren Freunden und Freundinnen, mit denen sie immer in brieflichem Kontakt gestanden hatte, Aufnahme fand. Und dort begrüßten sie die vier jüdisch-christlichen Ehepaare, die Haus an Haus wie in einer kleinen Kommune zusammen wohnten: Miklot mit seiner Frau Haikal, Elaza mit seiner Frau Kelimat, Asmawet mit seiner Frau Lebuda, und Bächer mit seiner Frau Ballha. Miklot war ein charismatischer Gnadenverkündiger, welcher gut mit Kindern spielen und sprechen konnte und jede Versammlung zu einer großen Feier des Gotteslobes machte. Wenn er predigte, kam er so in Fahrt, daß er ein eigenartiges Zucken um die Oberlippe sichtbar werden ließ. Seine Frau Haikal war eine mütterliche, runde Frau, deren Augen klar wie blaues Wasser waren, ihr Gesicht hell und eine liebe Freundlichkeit ausstrahlend. Elaza war ein Freund der Musik, er hörte gerne das Harfenspiel der hebräischen Musiker, die alten Töne, außerdem forschte er sehr gewissenhaft in den heiligen Schriften der Thora und in den Briefen, die man in Abschriften von paulinischen Briefen hatte. Seine Frau Kelimat war eine begeisterte Sängerin vor dem Herrn, mit täglichem Lobpreis pries und lobte sie den Allmächtigen ihrer Seele, ansonsten war sie ein wenig reizbar und zum Nervösen neigend, was sie zu disziplinieren suchte. Asmawet war ein Lehrer der kleinen Kommune, einer der sehr klar Verbindungen sah zwischen der Thora und den paulinischen und johanneischen Briefen und dem Evangelium nach Johannes Markus. Ansonsten bewegte er sich auch gerne und lief täglich morgens durchs Kidrontal, um seinen Leib (den Tempel des Heiligen Geistes) zu pflegen. Seine Frau Lebuda war eine zierliche Frau, ein wenig melancholisch, ohne sehr schwermütig zu sein, einfach sensibel und mit großen fraulich-träumerischen Augen. Sie diente der Hauskirche mit ihren praktischen Gaben. Bächer war ein sehr großer Mann, der ebenfalls sehr darauf achtete, daß keine Lehre entwickelt wurde, die dem Wort Gottes und der apostolischen Lehre widersprach. Er unterrichtete die Jugendlichen in den Geboten Gottes und im Wort vom Kreuz Christi, um sie zum Messias Yeschua zu führen. Seine Frau Ballha war eine Phönizerin mit langen schwarzen Haaren und einer langen krummen Nase. Sie versuchte, Anbetungstänze zu entwickeln, denn sie wollte den alten davidischen Reigentanz nicht untergehen lassen. Eines Tages nun entbrannte seltsam und wundersam zärtlich das Herz der Mutter Jesu, glühte heftig in Sehnsucht und Verlangen nach ihrem Herrn, dem Christus Jesus. Ihr Geist geriet in Ekstase, angerührt vom Heiligen Geiste, und sie mußte weinen und weinen, ohne aufhören zu können. Da der Herr nicht mehr auf Erden war, wollte sie zu ihm in den Himmel. Wie hatte doch Paulus einmal geschrieben? Auch er hatte großes Verlangen, schon beim Herrn zu sein; aber er hatte auch eine evangelistische und missionarische Aufgabe in der Welt. Maria aber dachte, sie hätte ihre Aufgabe erfüllt, und nun sei es Zeit, daß Jesus ihren Wunsch erfüllen könne, denn ihr Wünschen war es, heimzugehen. Da sie so träumte und ein wenig Zawlazaw-Gebete lispelte, erschien ihr der Engel des Herrn, in einem großen übernatürlichen Licht, und er zeigte ihr einen Palmenzweig des Paradieses und sagte: "Dein Herr erwartet dich, o Maria!" Und Maria begann zu beten mit dem Verstande zu Gott dem Herrn und sagte: "Herr, eines bitt ich dich inständig: Halte alles Böse ferne von meiner Todesstunde, verweise jeglichen Dämon und laß mich geleitet werden von deinen heiligen Engeln in das Reich deines Sohnes, meines Herrn Jesus Christus!" Da sagte der Engel, der wie ein Prophet die Rede führen konnte und sagte ihr zu ein Wort des Herrn: "Fürchte dich nicht, Maria, denn der Herr mit seinen heiligen Engeln ist bei dir, dir wird kein Dämon nahen in der Stunde deines Todes. Sei gewiß: Messias, er wird mit dir sein in der Stunde deines Heimgangs. Du bist ja die Begnadete, und der Herr ist mit dir! Du bist die, die dem Wort Gottes geglaubt hat! Du bist die, die Glauben und die Taufe der Gläubigen hat! Du bist ein Kind Gottes! Du bist Mutter und Schwester und Tochter des Herrn! Du bist ein Gefäß des Heiligen Geistes! Du bist gerettet durch den Kreuzestod Jesu, an den du glaubst, und an seine Auferstehung! Halleluja, Magd Gottes!" sprach der Engel und fuhr in großem Lichte wieder in den Himmel hinüber, den Palmzweig des Paradieses in seinen Händen, der leuchtete wie der Morgenstern. Da sagte Bächer zu den andern Brüdern und Schwestern in Christus: "Geschwister, seht zu, daß keiner von euch große Klage schreit, wenn Maria stirbt, denn die Juden sollen nicht denken, daß wir, die wir die Auferstehung von den Toten und das ewige Leben verkünden, uns nicht mit Maria freuen könnten, wenn sie eintritt in das Paradies unseres Gottes!" Maria setzte sich auf ihrem Lager auf, inmitten von Öllampen und Kerzen, inmitten ihrer Freunde, der kleinen Hauskirche, da sagte die Phönizerin Ballha: "Maria, du seiest hochgelobt, wenn du nun in den Himmel aufgenommen wirst, dann werd ich dich meine Himmelskönigin nennen und die Mutter meines Gottes. Wenn ich dann sterbe, dann sei du in der Stunde meines Todes bei mir und bete für mich zum Herrn." Maria wurde müde. In der Nacht aber wachte sie aus ihrem Schlaf auf, tat die Augen auf, voller Wundern und Staunen, denn sie sah Jesus... herrlich! inmitten von jubilierenden Engelchören, Patriarchen und Bekennern, Märtyrern und klugen Jungfrauen, und sie hörte ununterbrochen zu süße und zu liebliche Gesänge und Harfen mit Zimbeln, überirdisch schön. Und sie hörte Jesus zu ihr sprechen mit der Stimme des Heiligen Geistes und in der Vollmacht des Vaters: "Meine Tochter, meine Mutter, meine Braut! O Maria, komm her zu mir, ich will dich auf deinen Thron inmitten der Throne der Erlösten setzen. Komm, o meine Liebe, denn ich will dich krönen mit der Krone des ewigen Lebens! Komm, o meine Braut (veni electa mea), Geliebte des Heiligen Geistes, denn Gott begehrt nach deiner Schönheit!"   Und Maria seufzte vor lauter Seligkeit: "Herr! O Herr! Mein Gott! Mein Herz ist bereit!" Und die Engel sangen: "Herr, durch deine Gnade wird sie die Frucht vom Baum des Lebens, zur Erquickung erlöster Seelen, erlangen aus deiner Hand!" Und Maria stöhnte auf ihrem Lager noch einmal die Worte ihres Magnificates: "Selig werden mich preisen die Kinder und Kindeskinder, denn Großes hat an mir getan der Herr, der Herr! Ja, er ist mächtig, und heilig ist sein Namen, Amen!" Und der Engel sang: "Komm, o Braut Christi, vom Berge Libanon und empfange die Krone der Gerechtigkeit, einer rechten Liebe zu Gott!" Und Maria sang mit zitternder Stimme: "In dir, o Gott, ist mein Heil, in dir, o Jesus, jubilieret meine Seele und frohlockt! Hallelujah!" Und die Seele der Magd Gottes flog dem Herrn in die Arme, und Maria gab ihren Geist in Gottes Hände. Und Christus nahm sie aus reiner Gnade mit verwandeltem Leib und heiliger Seele in den Himmel der Himmel auf. Und in jener Nacht träumte die schöne Lebuda, ihre zitternden schneeweißen Lider zuckend auf den tiefen fraulichen Augen, und sie sah einen großen Berg, der inmitten einer großen Kette von Bergen stand, welche sich schlossen zu einem Ring von blauen Felsenbergen. Und in dem Tal, umgeben von mächtigen Gottesbergen, lebte ein Tal von auserlesener Schönheit: Palmen und Datteln und Feigen, Zypressen und ewige Zedern lebten in diesem Tal, und Früchte hingen in den Palmen von süßer Reife und prachtvoller Pracht! Und inmitten des Tales entsproß eine Quelle, und der Bach ward ein Fluß, und der Fluß teilte sich in vier Ströme, die in die vier Himmelsrichtungen flossen. Und an den Ufern dieser Ströme standen die herrlichsten Pfirsichbäume. Und vor ihr erhob sich ein sanfter und verträumter Hügel, bedeckt mit dem frischesten Gras, auf dessen sich wiegenden Halmen Tautropfen funkelten, daß es aussah wie Diamanten oder durchsichtiges Gold. Und auf dem Hügel stand eine Burg, und die Burg war breit wie lang, und sie hatte vier Türme, die rund waren, und zwölf Tore, über denen sich Torbögen wölbten, die oben jeweils von einem Eckstein zusammen gehalten wurden. Und oben auf dem Rundgang wehte eine Fahne, und die Fahne war blau, und auf der Fahne war zu sehen die Jungfrau im weißen Kleid. Und die Fahne wehte im Winde, der lebendig war, denn es war der Geist Gottes. Und Gott wohnte in Seiner Burg.


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