[Inhalt]

Peter Torstein Schwanke
 
SONETTE AN MADONNA MARIA
ZWEITES BUCH
 
 
„...dann sing ich dir, o Morgenstern, mein Lied,
als Vorgeschmack der ewigen Hochzeitsfeier!“
(Hl. Therese von Lisieux)
 
 
1
 
Geheimnisvolle und verborgne Mutter,
Umhülle meinen Schmerz mit deinem Mantel!
Gott gibt den Nachtigallen zwar ihr Futter
Und ist der Herr auch über allem Handel,
 
Doch vor der Rose ist des Sängers Wandel
Vergeblich! wehe mir! so ganz vergebens!
Maria, laß mich nur der Weisheit Mandel
Begehren mit dem Feuer meines Lebens!
 
Ich sing, die Steine zu dem Tore Thebens
Errichten sich für dich, o Himmelspforte,
Du Inhalt meines Wallens, meines Webens,
Der Weisheit Herrin, Mutter du dem Worte.
 
Gott gibt den armen Nachtigallen Futter,
Sei mystische Rose ihnen, Gottesmutter!
 
 
2
 
O Stern des Meeres,, strahlend immerzu,
Jungfrau der See, gib meinem Meere Stille,
Bring meine Leidenschaften all zur Ruh
Und laß mich Spiegel sein der reinen Fülle
 
Der Liebe Gottes! Quill, o Liebe, quille,
Du Bronen meiner Freude, schaff im Leeren
Der Liebe Lager, Seele ohne Hülle
Sucht dich, o Bräutigam, du ihr Begehren!
 
Komm, Mittlerin, den Leidenschaften wehren,
Komm, aus dem Herzen Liebe mir zu schöpfen!
Bewahre mich, ich will mich nicht verzehren
Abgöttischer Vergötterung Geschöpfen.-
 
Ich fürcht ein Liebesunglück, Frau, ein schweres,
O herrsch in mir, o Herrin, Stern des Meeres!
 
 
3
 
Als Gott mich schuf zur Stunde der Empfängnis,
Da hat er mich in deinem Schoß verborgen.
Die Seele in dem fleischlichen Gefängnis
Muß Leben von dem Leben Gottes borgen,
 
Gott gibt, da scheint das Licht am Lebensmorgen,
Da lächeltest du mütterlich und lieb.
Ich lernte gehn und ging durch Glück und Sorgen,
Doch deine Huld, o Mutter, bei mir blieb.
 
Fort ging ich, meine Seele sich verschrieb
Den Huren, nährte sich von Schweinefutter,
Verhängt der Himmel nebelig und trüb,
Du aber wachtest über mich, o Mutter.
 
Als meine Oma heimging, lieb und weich,
Hast du mich heimgeholt ins Himmelreich!
 
 
4
 
Wird mir das Glück, vom Tränental zu scheiden,
Maria, heg ich heimliches Verlangen:
Komm, meine Hirtin, komm dein Lamm zu weiden,
Du mögest mich am Himmelstor empfangen,
 
Ja, über meinem Sterbebette hangen,
O Jungfrau, wie bei David Abischag,
Mit rosenkranzgeschmücktem Arm umfangen
Den Sterbenden an seiner Hoffnung Tag,
 
Der weinend oft vor deinem Bilde lag,
Will dich nun sehn und will mit dir allein
Als Bräutigam und Braut im Rosenhag
Des Paradieses sein! Ich bin ganz dein,
 
Nur du, nur du, ich bitt dich, Herz Marias...
Dann führ mich zu dem Herzen des Messias.
 
 
5
 
Und tret ich ins persönliche Gericht,
Fragt Gott, ob ich geliebt in meinem Leben.
Ich weih dir, Herrin, meines Lebens Licht
Und will dir alle meine Lieben geben,
 
Die Liebliche, mein Zittern und mein Beben,
Das liebe Kind mit seinem Engelslachen,
Die Schwester mögest du zum Himmel heben,
Die kleinen Kinder schützen vor dem Drachen.
 
Ich möchte all mein Träumen, all mein Machen
Der unerforschlich tiefen Liebe weihen.
Du, Mutter schöner Liebe, mögest wachen
Und meine Armit, Freundin, mir verzeihen.
 
Gib Anteil mir an deiner Liebe, Herz,
Führ alle meine Lieben himmelwärts!
 
 
6
 
Du Braut des Ewigen, mit der er schuf
Die neue Schöpfung, die Vereinigung
Des Wortes und des Fleisches, Gottes Ruf
Hast du erwidert sanft und süß und jung,
 
Du Braut des Sohnes in der Peinigung,
Mitleidende erlöserischer Leiden,
Vermählt mit Jesus durch des Schwertes Schwung,
Da Schmerz zum Heil vereinigte euch beiden,
 
Du Braut des Geistes, da die Flammen breiten
Über der Erde aus die Liebesglut,
Da du empfangen rein und schneeweißseiden
Die Fülle, aller Gaben Gnadenflut,
 
Mir, der ich der Dreifaltigkeit vertraut,
Mir bist du Schöne wunderschöne Braut.
 
 
7
 
In meinem Herzen sei dein Thron bereitet,
Du junge Mutter, Gattin sonder Fehle!
Du bist der Stern, der meine Schritte leitet,
Wie eine Wolke hüllst du meine Seele.
 
Kein offnes Grab sei deines Sängers Kehle,
Preist er dich doch als Mutter alles Lebens,
O Jungfrau, Sterne krönen wie Juwele
Und Sonnenschein umgibt dich nicht vergebens.
 
Laß du mit aller Inbrunst heißen Strebens
Eingehen in dein inneres Gemach
Den Sklaven mit der Süßigkeit des Schwebens,
Weil Gott in dir mir Brot der Weisheit brach.
 
Nur deine Reinheit kann mich reinigen
Und mich der Weisheit ewig einigen.
 
 
8
 
Willst du mir eine Frau zuführen, Liebe,
Wie Rahel und wie Lea sie erfinde,
Beschaulich, und auch fruchtbar meinem Triebe,
Sie sei die Tätige, sie sei die Linde,
 
Daß ich sie auch am Krankenlager finde,
Daß sie Rosinenkuchen mir bereite,
Daß sie mit einem Myrtenkranzgebinde
Zu mir am Tage meiner Freude schreite,
 
Daß sie Prophetin sei, den Weg mich leite
Zu dir hinan, o Mutter wahrer Freiheit,
Daß sie mir zeige eine neue Seite
Im weisen Lebensbuch der einigen Dreiheit!
 
Doch willst du mich bewahren, dir zur Nähe,
Führ mich den Weg hinan zur Gottesehe.
 
 
9
 
Sieh meine kleine Schwester, die mich lieb
Wie eine Hirtin nach dem Glauben hat,
Bestätige das Wort, daß sie mir schrieb:
Du denkest immer nur an mich... - Das Blatt
 
Des Briefes leg ich in den Schatz der Stadt
Des Herrn. Wir weihen uns dem Jesusherzen
Und werden Tag für Tag vom Worte satt
Und bergen uns mit allen unsern Schmerzen
 
In deinem Mantel. Leuchten sieh die Kerzen
Für meine Schwester auch als Stoßgebet
Und hebe du aus unsrer Leiden Erzen
Das Gold der Liebe, welche nie vergeht.
 
Die Schwester hat mich lieb wie sonst nicht wer.
Du laß uns Perlen sein in deinem Meer.
 
 
10
 
Du kamest in der Mitternacht, o Schwester,
Sahst mich mit sanften Augen an, o Taube.
Die Sterne in dem Weltenbaum wie Nester
Verließest du und kamst in meine Laube.
 
Du fromme Seele, ich bin Staub vom Staube,
Du hör den Staub der Mutter Erde beten,
Belebt ist mir mein Staub vom Blut der Traube
Und von den Worten, die im Geiste wehten.
 
Gurr, Gurr, o Turteltaube du von Eden
Und bringe meiner Freundin deinen Frieden,
O Taube Salomos, die Exegeten
Verschweigen dich, du Königin hienieden,
 
Ich aber liebe dich! Ich werd nicht murren,
Und muß ich leiden, trau ich deinem Gurren!
 
 
11
 
Blutbräutigam, Madonna, nenn ich mich,
Denn in der Nacht geflossen ist mein Blut,
Als mir das Unheil nahte widerlich
Und gegen mich erhob sich Satans Wut,
 
Da sprudelte mit Brausen rote Flut,
Doch an dem andern Ufer du, o Frau,
Als Zeichen meiner Hoffnung, treu und gut,
Erschienst mit rotem Rock und Mantel blau,
 
Das Kind im Arm, in dieser dunklen Schau
War mir dein lieber Sohn des Jenseits Sonne,
Der tauchte auferstehend aus dem Tau
Und sandte dich, o himmlische Madonne,
 
Und wies mir Gärten auf dem Morgenstern,
Dem, der da lebt der Mutter seines Herrn.
 
 
12
 
Und wenn ich Moschus nähm und Rosenöle
Und wüsch mit Rosenwasser meinen Mund,
Wird doch nicht reinlich die befleckte Seele,
Die sich in Haderwasser suhlt und Sund.
 
Wie soll ich dich empfangen in der Stunde,
Da wühlt mich auf das wogende Begehren,
Da ich anbetend sinke auf den Grund
Vor sündigem Geschöpf, Schaum auf den Meeren!?
 
Wer hilft mir, meiner selbst mich zu entleeren,
Wer deckt mit Liebe allen meinen Makel,
Wer kann Anfechtung und Versuchung wehren
Wenn nicht Maria, Jesu Tabernakel?
 
Ich bins nicht wert, zu schauen deine Reinheit,
Doch spendest du die Gnade tiefer Einheit.
 
 
13
 
Du königliche Löwenmutter, lehre
Mit Stärke deinen jungen Löwen du,
Auf Raub zu gehn! Ich brülle und begehre,
Führ du mich durch die Wüste in die Ruh!
 
Als Weinstock, Mutter, seh ich immerzu
Frucht bringen deine purpurrote Traube
Aus deiner Lebenskraft. O ström im Nu
Und mache mich zum Weinberg, Rebenlaube.
 
Jerusalem, Jerusalem, ich glaube
An deinen Trost mit kindlichem Vertrauen,
Ich lieb dich, Freundin, sanfte Friedenstaube,
Ich segne dich im Kreis der lieben Frauen.
 
Dornbusch und Schmerzensmutter, einen Bund
Schließ ich mit dir, Marie, von Mund zu Mund!
 
 
14
 
O Herzenskönigin, ein böser Traum
Läßt mich am dunklen Tage bang verzagen.
Madonna, breite deines Mantels Saum,
Den netzen dir die Tränen meiner Klagen.
 
Wie viele Feinde hab in diesen Tagen
Ich doch, wieviele sinds, die mich verschmähen!
Da mußt du, Frau, mir deine Liebe sagen,
Da laß die Lüfte deiner Liebe wehen,
 
Laß mich die Weisheit an dem Werke sehen,
Dieweil ich tief in dir verborgen bin.
Laß andere sich streiten in den Ehen,
Gott lieben, Frau, ist meines Lebens Sinn,
 
Gott lieben, Liebe Frau, und deine Huld,
Die du mir gibst in Trübsal die Geduld.
 
 
15
 
Madonna, du erwähltest deinen Dichter,
Du schufest dir zum Lob die Nachtigall.
Die Rose, wie verklären deine Lichter
Die Rose, die blüht hinterm Mauerwall,
 
Die unerreichbare, der Schoß des All,
Abgöttisch Angebetete, die rote,
Die Lebensquelle für den Tränenschwall,
Das Leid im Leben, Himmelslust im Tode!
 
Du sendest mich, Maria, schau, dein Bote
Will gern den Dorn sich in den Busen bohren,
Um zu erregen jene schöne Note,
Die Gott erklingen läßt in Menschenohren!
 
Die schöne Rose, die dein Sänger sah,
Ist Gleichnis dein, o rosa mystica!
 
 
16
 
O Jungfrau, siehe deinen Trauerschwan,
Wie schwimmt er traurig in dem Schattenreich,
Wie zieht er majestätisch seine Bahn
In Einsamkeit auf spiegelklarem Teich,
 
Wie schluchzen seine Lieder weiblich-weich,
Wie dringt ein weher Schrei aus seiner Kehle,
Wie ist er schon den Abgeschiednen gleich
Und taucht in dunkle Seligkeit der Seele!
 
Sei seinem Angedenken keine Stele
Errichtet, denn er flog zur Seligkeit,
Dort naht im Glanz siderischer Juwele
Im weißen Schwanenschwingenkleid die Maid!
 
Gott ließ die Königin der Schwäne nahn
In der Glückseligkeit dem Trauerschwan!
 
 
17
 
Wird, Liebste, Gottes Liebe nicht verschmäht
Von Satans Söhnen, Närrinnen und Toren?
Hat Gott sein Liebeswort umsonst gesät
Und ging ihm der Erlösung Wort verloren?
 
Wie stehst du, Herrin, vor den Herzenstoren
Und klopfest an, doch bleiben sie verschlossen!
Sie stopfen lauter Welt sich in die Ohren
Und bleiben eitler Nichtigkeit Genossen!
 
Darum sind meine Tränen mir geflossen,
Was Herr und Herrin leiden, leid ich auch!
Doch aus dem Tau der Tränen sind gesprossen
Die Blumen, die mit des Gebetes Hauch
 
Zum Himmel duften, Liebe zu bekunden,
Zu Jesus und Marie, mit mir verbunden!
 
 
18
 
Ich möchte Kosenamen dir erfinden
Von einer unaussagbarn Zärtlichkeit,
Dich Honigbiene nennen in den Linden,
Dich Himmelsjungfrau in dem Ätherkleid,
 
Ewige Eva aus der Ewigkeit
Und wunderwunderschöne Schullammyth,
Meine Glückseligkeit, mein Liebesleid,
Dich Stern des Nordens, Sonne mein und Süd!
 
Ich hülle mich in deinen Mantel müd,
Du möchtest, Mädchen, meine Tränen küssen,
Die Tränen küssen mir von meinem Lid,
Denn küssen, Maid, ist alles was wir müssen!
 
Ich küss dich mit Gebet, Gebet ist Lieben!
Heil mir, ich bin im Tod dir treu geblieben!
 
 
19
 
Ich hab doch deinen kleinen Jesus lieb,
So lieb, den Engel Gottes, meinen Hirten!
Maria, alles was ich je dir schrieb,
All deine Worte mich zu Jesus führten,
 
Die Liebe Gottes mit viel Liebe zierten,
Die ich in deinen Armen find so süß!
Der Engel geht im Tale unter Myrten,
Da seh ich auch des Lammes feuchtes Vlies,
 
Da ich die Pforte in die Himmel grüß,
Den Fels, Erlöser, Gottes Lieblingskind!
In dir, Maria, du mein Paradies
Die Zärtlichkeit des kleinen Jesus find
 
Ich heute Nacht, da ich mich lieben lasse,
Du mich umfängst und ich dein Kind umfasse...
 
 
20
 
Ob Gott gelesen heute in der Bibel
Und sich entschlossen hat zum Grimm und Wut,
Mir zuzumessen Bitterkeit und Übel,
Weil ich dem Abgott widmete die Glut?
 
Maria, aber du, du bist mir gut,
Du willst mir heilige Erkenntnis geben:
Gott, Gott, das ist das Blut in deinem Blut,
Das ist das Lebende in deinem Leben,
 
Des Hauches Hauch, dein Wallen und dein Weben
Ist all in Gott und Gott ist all in dir,
Dein Anbeginn und Ziel und alles Streben
Geht dir von Gott zu Gott, gehörst du mir,
 
Gehör ich dir. Die Menschen sind nur Diebe,
Gott aber schenkt dir seine ewige Liebe!
 
 
21
 
O Mutter Mirjam, sing mich in den Schlaf
Und wieg mich ein mit himmlischer Musik.
Heut, da mich schwer ein Schwert der Schmerzen traf,
Will ich mich flüchten in die Träume. Flieg
 
Herbei, gekränzt mit ewiger Liebe Sieg,
Und steige in mein innerstes Gemach,
In das ich, alles lassend, leise stieg,
Da sehn ich mich nach dir, Maria, ach,
 
In jeder Nacht ist meine Seele wach,
Wann seh ich einmal wieder dich im Traum?
Dank dir, wie schön mir deine Liebe sprach,
Du goldne Sonne in dem Lebensbaum,
 
Als Mondin schimmere in meiner Nacht
Und sing in meiner Seele sanft und sacht.
 
 
22
 
Ich sagte dir mein trauriges Gefühl,
Daß einer Freundin fehlt die Herzlichkeit,
Daß sie entfremdet mir, im Herzen kühl,
Da wärmtest du mich in der Sonne Kleid,
 
Du lächeltest in dieser Herbsteszeit,
Als ob mich schon die goldne Sonne kröne
Mit Gottes herzlicher Barmherzigkeit,
Dem ich mich durch das Kreuzesleid versöhne.
 
Da sandtest du zum Trost mir die Kamöne,
Die manchen Lobpreis schon in mir geboren,
Da lächelte so lieb und sanft die Schöne,
Die - Ehre mir! - zum Freunde mich erkoren.
 
Sie ließ in meinem Zimmer ihre Aura,
Die meine Laura, meines Himmels Haura...
 
 
23
 
Die Nacht ist kalt, Maria, schau, ich weine,
Ach, deinen Mantel netzen meine Tränen.
Ich sah die Freundin heut, die holde meine,
Die meine Liebe, meines Herzens Sehnen.
 
Maria, brennen denn nicht meine Venen
Und sink ich vor der Frau nicht in die Knie?
Umarmen will ich sie, an sie mich lehnen,
Erkennen will ich in der Liebe sie.
 
Maria, wird mir Glück der Liebe nie?
Verschmäht bin ich zu jeder Nacht im Traum.
Zu dir, o Liebe Frau, zu dir ich flieh,
Die Tränen trockne mit des Schleiers Saum!
 
Nimm mich an deine unverborgnen Brüste,
Die ich in tödlichem Verschmachten küsste!
 
 
24
 
Ich liebe dich mit solcher Zärtlichkeit,
Daß mir das Herz verstummt vor Liebe gar!
Du Inbegriff der Schönheit, Maid, o Maid,
Ich schenk dir meine Seele immerdar!
 
Schau, ich bin trüb vor Trübsal, du bist klar
Vor Liebe, und du leidest doch mein Leid.
Dein Name bleibt geheim vor aller Schar,
Den deine Zunge, Himmlische, mir weiht,
 
Mit dem dich meine Zunge benedeit,
Mutter im Mantel, Frau an Gottes Thron!
Ich schenk mich dir für Zeit und Ewigkeit,
Schenk mir die Liebe, die dein kleiner Sohn
 
Dir schenkt allstündlich! Jeder Herzschlag sei
Zu dir und deinem Sohn ein Liebesschrei!
 
 
25
 
Mein kleiner Jesus, nicht der Häresie,
Mein lieber Gott, du weißt, ich bet dich an!
Geb ich Maria meine Liebe, sie
Gibt meine Liebe dir, o Jesus, dann
 
Gibst Liebe du, wie ich empfangen kann,
Gibst deine Liebe durch Marien Hände.
Vollstreck an aller Kälte deinen Bann,
O Feuerherz Mariens, Liebe wende
 
Mir täglich, stündlich zu, mir Liebe spende
Auf viele Weisen, o Marienherz,
Gib mir dein Herz, o Liebe Frau, und sende
Mich aus, und gib mir Schmerz von deinem Schmerz,
 
Ist mein Leid doch auch dein Leid! Laß mich erben
Das Herz des Herrn und mich aus Liebe sterben!
 
 
26
 
Maria, stehend an des Kreuzes Fuß,
Ich weihe deinem Herzen meine Leiden,
Die Leidenschaft, Verlangen nach dem Kuß
Der schönen Kreatur in feinen Seiden,
 
Du, Hirtin, mögest meine Seele weiden,
Ich weih die Tränen dir, die muß ich weinen,
In dir will tragen ich das Leid bescheiden,
Du mögst mich dem Gekreuzigten vereinen.
 
Muß ich den Becher in Olivenhainen
Nach Gottes Vaterwillen gänzlich leeren,
Dann sieh mich zagend liegen auf den Steinen,
Entsagend unter Tränen dem Begehren.
 
Siehst du mich sündig mein Verlangen stillen,
Du weißt, ich will doch nichts als Gottes Willen.
 
 
27
 
O Jungfrau, Jungfrau, süße Sulamith,
Ich bin ein Jüngling, Liebe, ich will tanzen!
O deine braunen Wimpern an dem Lid
Durchbohren deinen Ritter so wie Lanzen!
 
Ich werf dir zu die Fülle meines ganzen
Geweihten Herzen: ‘s ist dein Eigentum!
Ich schenk dir Pflanzen, schenk dir Pomeranzen,
Du mein Gesang, mein Herzensheiligtum,
 
Du meine Rose, meine Blaue Blum,
Will dich mit tausend Liebesliedern schmücken,
Mit Lorbeer kränzen dich, mit meinem Ruhm,
Wer in mein Herze sieht, soll dich erblicken!
 
Bind mich mit deiner Schönheit Zauberkette,
Laß küssen dich vom Sänger der Sonette!
 
 
28
 
O Liebe Frau Marie, ich wars nicht wert,
Die Frau zu haben, die ich so begehrte,
Die ich als wie dein Ebenbild begehrt
Und als das schönste Gleichnis Gottes ehrte!
 
Der Wille Gottes meinem Willen wehrte
Und doch voll Sehnsucht sind mir die Gefühle,
Ich sehne mich nach Blöße und nach Zärte,
Geborgenheit und sanftem Liebesspiele.
 
O Frau, erbarm dich in der Morgenkühle,
Da mir vor Schmachten aufplatzt meine Lippe!
Die Liebe Gottes durch das Fleisch mir spüle!
Schneid Jesus eine Frau aus seiner Rippe
 
Und send die neue Eva, Sulamithin,
Maria, eine schöne Schunemitin!
 
 
29
 
Gib mir die Macht, das liebe Herz zu retten,
Marienherz, durch deiner Liebe Flamme,
Ich will der kleinen Freundin Seele betten
Im roten Vlies von unserm lieben Lamme,
 
Ich will sie finden an dem Kreuzesstamme,
Daß du sie dort vereinigst Jesu Leiden,
Sei Mutter ihr, sei Schwester ihr und Amme,
Sei Hirtin ihr, das kleine Schaf zu weiden.
 
Sie ist so sanft, demütig und bescheiden
Und hat ein offnes Ohr der Freudenkunde.
Lös ab sie von dem Götzendienst der Heiden
Und lehr du selber sie mit deinem Munde.
 
All meine Liebe nimm als Flehn und Beten,
Maria, führ sie in den Garten Eden!
 
 
30
 
Wie fremd sind alle in der Kirche, du,
Wie ist die Predigt nicht für mich bestimmt,
Wie flehe ich um Freiheit, Frieden, Ruh,
Wie ist der Liebe dunkle Nacht ergrimmt,
 
Da mir mein Herz in stummen Tränen schwimmt!
Doch lieblich ist die Weisheit, unsichtbar,
Doch schön, weil alles an der Weisheit stimmt
Mit Gottes Liebe überein. Sogar
 
Den Stummen wählt sie aus der lauten Schar,
Im Fleische seinem Fleische beizuwohnen.
O wohnen laß mich in dir immerdar,
Mögst heute mich vor Bitterkeit verschonen,
 
Bist du doch Trösterin, so sanft und süß,
Du liebste Freundin mein im Paradies!
 
 
31
 
O Liebe Frau, dein Bild an meiner Wand,
Jungfrau Amerikas, so lebenswahr,
Gewährt mir einen Blick ins Himmelsland,
Wo deine Schönheit leuchtet immerdar,
 
O Liebe Frau, am goldnen Mittag war
Dein Bild von Blätterschatten, Zweiggezitter
Umspielt und leuchtete so himmelsklar:
Wie war verzückt dein junger Liebesritter,
 
Wie ward ihm all der Leidenschaft Gewitter
Zum Himmelsfrieden und sein Meer zur Stille,
Und honigsüß ward ihm, was lang war bitter.
So lieblich überaus ist Gottes Wille,
 
Der offenbarte seine Zärtlichkeit
An deinem Bild und Herzen, holde Maid.
 
 
32
 
Wenn Liebste, Freundin, Schwester mich verschmähen,
Als würde Jesus wiederum verschmäht,
Will ich zu dir, o Allerliebste, sehen
Und halt dir all mein Weh hin als Gebet.
 
Mein goldnes Haus allein im Dunkel steht
Und ist doch deine heilige Kapelle.
Du kommst, wenn draußen herb der Herbstwind geht,
Ein Hauch, umsäuselnd meines Lebens Welle.
 
Soll Nacht sein, sei es Nacht! Die Nacht ist helle
In deiner goldnen Lieblichkeit, Geliebte.
Du mehr als Traum, du Himmel meiner Zelle,
Mein Schicksal mich zu meinem Heil betrübte,
 
Denn traurig fand ich deine Zärtlichkeit,
Mein Paradies und meine Ewigkeit!
 
 
33
 
Und wenn du redest: Beten, beten, beten!
Ist mein Gebet allein mein offnes Herz,
Geöffnet ist es dir, du neues Eden,
Gleich deinem Herzen offen von dem Schmerz.
 
Ich opfere auf dem Altar aus Schmerz
Dir meine Liebe, meiner Liebe Leiden,
Bring du mein Herz dar, bringe du mein Herz
Dem Heiland Israels, dem Heil der Heiden.
 
Als Schmerzensmutter mögest du mich weiden.
Und wenn ich auch der Erde Glück begehr,
Sinnliche Sommer, süß und sanft und seiden,
Ist doch mein Herz ein uferloses Meer
 
Und jede Welle will in deinem Hafen,
O Stern der See der Seligkeiten, schlafen!
 
 
34
 
Die Welt ist kalt. Die früher mich geliebt,
Die Freundin quält mich mit Gleichgültigkeit.
Da wend ich mich zu dir: Ich bin betrübt,
Du bist die Trösterin in allem Leid.
 
Wie lang noch, Herrin, in des Staubes Kleid
Muß einsam ich durchs Tal der Tränen wallen?
Ach, mich hat niemand lieb in dieser Zeit
Und fremd ist dein Vertrauter, Liebe, allen!
 
Du hast an mir, o Frau, dein Wohlgefallen,
Du zeigest meinem Auge, meiner Träne,
Die Schöne, die in Schwermut tief gefallen,
Die schöne, schöne, schöne Magdalene,
 
Wie sie die Weisheit salbte mit den Narden.
O meine Sehnsucht! komm in meinen Garten!
 
 
35
 
Wo ist dein Friede, Frau, und deine Freude,
Mag ich mich nicht von meiner Unruh scheiden,
Ist aufgegangen im Gebet mir heute,
Ich such zu meiner Seligkeit die Leiden!
 
Mit Leidenschaft zu hingehauchten Seiden
Seufz ich gleich einem ruhelosen Hunde,
Mich an den Liebesschmerzen schwül zu weiden
Und Lob zu singen mit gesprungnem Munde
 
Und mich zu einen Jesu Herzenswunde,
Da brennendes Verlangen mich durchbohrt
Und ich von Liebeskrankheit nicht gesunde
Und mir mein Fleisch verschmachtet wie von Mord!
 
Wo ist da Friede, Freude wo, o Frau?
Doch tief im Leid ich deine Ruhe schau!
 
 
36
 
Du wandelst Blei, o Heilige, in Gold;
Verwandle Bitternis in Gotteslust,
Mach Leiden mir und Einsamkeit mir hold
Und heilige den Dorn in meiner Brust!
 
 
Ich steh im Tränental, in Staubes Dust,
Das Büchlein meines Lebens schmeckt mir bitter,
Ich speis der Liebe Gift - mir unbewußt
Machst Honig du daraus für deinen Ritter!
 
Kommt Gott in Nacht und Blitzen und Gewitter?
Du hauch mit Geist mich an, mit sanftem Säuseln!
Beruhige du des innern Meers Gezitter,
Laß leicht sich nur des Schicksals Wellen kräuseln!
 
Noch tiefer wohnst du als Gefühl von Leid,
Im Grund mein Herz sich deines Friedens freut.
 
 
37
 
Maria, soll es mein Martyrium
Der Minne sein, daß mich verschmähn die Frauen?
Daß sie, die meines Herzens Heiligtum,
Ihr Allerheiligstes nicht lassen schauen?
 
Auf den verworfnen Stein den Tempel bauen
Des Lebens, heißts nicht, selbst verworfen sein?
Der Herzenswunde meines Herrn vertrauen,
Heißt das nicht, selber leiden Herzenspein?
 
Ihr, schlag mir in mein Fleisch die Nägel ein,
Mein Weinen soll den Himmel euch erbitten!
Trinkt meiner Tränen Trank, des Blutes Wein!
Geb Gott, ich hab vergebens nicht gelitten!
 
O Paradies-Madonna! all mein Sehnen
Ist, sie zu heiligen mit meinen Tränen!
 
 
38
 
Du bist ja wie das klar kristallne Glas,
Durch welches schimmert Jesu Sonnenschein.
In meinem Innern blüht des Gartens Gras,
Da Rose ist und Pusteblume dein,
 
Da deine Schönheit, Himmlisch-Schöne, mein,
Wo ich betört von deiner Anmut Schimmer.
Strahlende Jungfrau, trete lächelnd ein
Und füll mit deiner Huld mein innres Zimmer.
 
Abwenden soll mich niemand von dir, nimmer,
Ich will mit dir zur Heiligkeit die Pfade
Der Liebe gehen, Liebe, leite immer
Mein armes Herz durch deine reiche Gnade,
 
Holdselige, und lächele in Leisheit
Und schenke mir die Zärtlichkeit der Weisheit!
 
 
39
 
Verzeih mir, o Maria, und auch ich
Will dir verzeihen, soll es anders gehen,
Als ich es will, Maria, sicherlich
Willst du mir immer an der Seite stehen.
 
Ich möchte dich so gerne einmal sehen,
Dich lieben, Liebe, und sonst niemand mehr!
Du weißt, wie glühend die Gefühle wehen
Zum Huldgeschöpf, das liebe ich so sehr.
 
Soll Jesus ich alleine lieben? Er
Ist Bräutigam, ich seine Magdalene:
Bin eine Göttin aus dem Schaum vom Meer!
Ach nein! ich bin nur eine arme Träne!
 
Versöhne dich mit mir, Marie, versöhne
Und laß mich sterben nicht an Hauras Schöne!
 
 
40
 
Mein Herz begehrt - dein Herz ist lauter Liebe,
Maria, gib mir Herz von deinem Herzen,
Verwandle leidenschaftlich heiße Triebe
In zarte Liebe, treu in allen Schmerzen.
 
Sieh in den Nächten der Gebete Kerzen
Und alle des Verzichtes Tränenregen,
Schaff Liebesgold aus meiner Leiden Erzen
Und wandle meine Leidenschaft in Segen.
 
Ich will die Schöne in den Arm dir legen,
Daß du sie hüllst mit deinem sanften Mantel.
Fürbitten will ich für sie allerwegen
Und Freude sein durch meiner Liebe Wandel.
 
Und du, Maria, hilf mir zu verzichten
Und deine Liebe allezeit zu sichten!
 
 
41
 
Nun bist du fort, Maria, du bist fort,
Du fehlst mir! Wo ist denn dein süßer Glanz,
Wo deiner süßen Stimme sanftes Wort?
Ich bleib dir treu, gehör ich dir doch ganz!
 
O Königin mit deinem Rosenkranz,
Komm wieder zu mir, Leben, Hoffnung, Wonne!
Laß vor der Bundeslade mich den Tanz
Dir tanzen, allerheiligste Madonne!
 
Hüll mich in deines Mantels goldne Sonne
Und nähre mich mit deiner weißen Brust
Und laß mich trinken deinen Tau, o Bronne,
In meiner Einsamkeit die Himmelslust!
 
Wie soll mir ohne dich das Frommsein frommen?
Geliebte Jungfrau, du mußt wiederkommen!
 
 
42
 
Ich fühlte dich und sah dich oftmals innen,
Schöne Madonna mein mit Turteltaube,
Die nun entzieht sich meinen Seelensinnen,
Nun willst du, daß ich ohne Schau dir glaube!
 
Du bist der Weinstock, Mutter, ich die Traube,
Du bist die Löwin, die ihr Junges lehrt,
Bist, Herrin, meiner Hoffnung Helm und Haube,
Glückseligkeit, die immer ich begehrt!
 
Die Schöne, die mein Herz so innig ehrt,
Das Kind, die Selige will ich dir weihen,
Maria, meines Herzens Feuerherd,
Das Brautgemach, da will ich Weisheit freien,-
 
Denn meines Herzens Kammern all sind dein
Und du, unsichtbar Schöne, du bist mein!
 
 
43
 
Als in der Nacht Sankt Apollonia
Mein König Christus trat in meine Kammer,
Erlaubte er mir die Verehrung, ja,
Der Mutter meines Herrn! In Glück und Jammer

Versetzte mich der Geist, der Herzentflammer!
Die Liebe Frau barg mich in ihrem Mantel
Und barg mich vor der Pharisäer Hammer
Und vor der Schriftgelehrten Wortehandel;
 
Verzückte mich! Ich folgte ihrem Wandel
Und hörte den Gesang der Seraphim!
Die Liebe Frau gab mir der Weisheit Mandel
Und ward herzinniglich mit mir intim,
 
Nahm mich in ihren Arm im Mantel blau,
Da träumte ich von ihr - O Liebe Frau!
 
 
44
 
Hatte studiert die Mariologie,
Da kam Maria selbst zu mir im Maien,
So schön wie Haura war sie, schöner sie,
Ich wollte sie, die Allerschönste, freien!
 
Sie kam, mich mit den Haaren zu verschleien
Und mich zu küssen mit dem Munde rot!
Wir waren einig und vereint, als seien
In Gott versenkt wir in senkrechtem Lot!
 
Ich trank im Weine, speiste in dem Brot,
Die Jesus sie gegeben, ihre Sinne -
Ich weihte mich für Lebenszeit und Tod
Maria in der geistgewirkten Minne!
 
Und da verzückte mich im Mai die Maid
In grüne Gärten der Glückseligkeit!
 
 
45
 
Ich ward verschlungen von zu großer Trauer,
Zu mächtig wurden meinem Herz die Leiden,
Der Wein vermischte sich mit Tränenschauer,
Ich wollte selbst mir meinen Tod bereiten!
 
Nach Eden und zu Evas süßen Seiden
Entrücktest du mich da aus meiner Not!
Will mich die liebe Mutter Gottes weiden,
O Paradies, was ist dann da der Tod?
 
Ich betete den Kranz der Rosen rot,
Da war ich auf der Erde ganz allein,
Auch ohne Tränenkelch und Aschenbrot,
Verheiratet allein mit Jesu Pein - -
 
Allein, allein! - Doch, Mutter, du warst da,
Warst, Schmerzensmutter, meinen Schmerzen nah!
 
 
46
 
Sixtinische Madonna in der Nacht,
Du tratest keusch zurück mit deinem Charme,
Auf daß ich seh des Himmels dunkle Macht,
Gottvater und Messias Arm in Arm! -
 
„Ich bin dem gnädig, des ich mich erbarm,
Und niemand raubt dich mir aus meiner Hand!
Ich trage deine Freude, deinen Harm,
Ich trag dein Leben in des Lebens Land!“
 
Ich warf mich auf das Antlitz in den Sand
Und weint vor Liebe und vor Dankbarkeit,
Daß ich den Vater treu in Liebe fand
In meinem Traume von der Ewigkeit.
 
Sixtinische Madonna in der Nacht,
Sei dir der Traum der Vaterhuld vermacht.
 
 
47
 
Wie in erneuter Jugend heißen Flammen
Verbrachte ich die Mittnacht in Begehren
Und war mit meiner Einsamkeit zusammen,
In Leidenschaft so glüh mich zu verzehren!
 
Du wandeltest auf hohen Himmelsmeeren
Und schautest zu mir liebevoll und zart.
Du weißt, ich will dich übers Maß verehren,
Drum widmest du mir deine Gegenwart.
 
O rote Rose aus dem Rosengart,
Ich bohre einen Dorn mir in die Brust,
Den Dorn des Dornenkranzes, Gott von Art,
Der Fleisch geworden, ging in Staubes Dust,
 
Mariensohn, vergöttlich meine Sinne -
Und sterb ich auch Martyrium der Minne!
 
 
48
 
Weil ich mich früh am Morgen dir geweiht
Und weil mein ganzes Herz nur dir gehört,
Drum liebest du mich, anmutreiche Maid,
Und segnest mich mit Segen unerhört,
 
Der dich verlassen, ach! der heut dich ehrt,
Den hegst am Herzen du, in deinem Arm,
Und du bist mein, der dir die Treue schwört,
Allein mein Glück bist du im herben Harm,
 
Ich bin bezaubert so von deinem Charme,
Der Liebe Schöne Mutter, Liebe Frau,
An deiner Brust geborgen wird mir warm,
Auf deinem Schoße unterm Mantel blau.
 
All was ich habe, hab ich, weil du gibst,
Ich liebe, Liebe Frau, weil du mich liebst!
 
 
49
 
Ich weih dir meine heißgeliebte Haura,
Die Sanfteste der sanften Turteltauben,
Die schöne Frau mit der Madonnen-Aura,
Die rote Rose in den grünen Lauben,
 
Ich weih dir ihren senfkorngleichen Glauben
Und ihre Stille und Bescheidenheit,
Der Taufe Siegel kann ihr niemand rauben,
Es wohnet in ihr die Dreifaltigkeit,-
 
Ich weih dir ihre Armut, all ihr Leid,
Ich weih dir ihre Schönheit, ihre Demut,
Zum Sohn die Liebe, ihren Leib im Kleid,
Weih ihre Wonne dir und ihre Wehmut.
 
Was mich betrifft, ich kann sie nur dir weihen.
Ich liebe sie. Gott selber mög sie freien!
 
 
50
 
Maria, Liebe Frau, ich bin geschaffen
Zur Minne und Verehrung holder Frauen,
Doch kann ich keine Liebe an mich raffen,
Nur unerwidert-liebend Schönheit schauen;
 
Will aber eine sich mir ganz vertrauen,
Maria, schau, so weis ich sie zurück;
Ich zittre vor der Schönen Augenbrauen,
Ob zürne mir der Zartgeliebten Blick.
 
Maria, meinen Strohhalm nicht zerknick,
Der mir als einzige Hoffnung ist geblieben:
Sei meine Liebe Frau, mein Liebesglück,
Nur du weißt mich auf rechte Art zu lieben!
 
Ich liebe dich mit meiner ganzen Seele!
Du liebst mich auch! Erneut dich mir vermähle!
 
 
51
 
Maria, was ist Glück? Mein Paradies
Blüht in der Sehnsucht mir so gartengrün,
O Taues Tropfen in des Lammes Vlies,
Da alle meine blauen Blumen blühn!
 
Mein wahres Paradiesesmädchen du,
Schau funkelnd du durch deine Wimpern seiden!
Maria, was ist mir die Seelenruh,
Mir scheint, ich muß zu meinem Glücke leiden!
 
Die Weisheit mit der Schärfe ihres Schwerts
Durchbohrt mir täglich schmerzensreich mein Herz,
Das soll mir wirken Freude ohne Ende!
 
O Frau, ich gürte des Gemütes Lende
Und weihe dir mein Fleisch und Herzensblut.
O mache mich zur Glut von deiner Glut!
 
 
52
 
Anbetung nennen wir Poeten diese
Gefühle, da wir sinken in die Knie
Vor dir, o Liebe Frau der Paradiese,
Geweiht sei dir die ganze Hyperdulie!
 
Ich brenne, Liebe Frau, mir fehlt das Wort,
Zu sagen, wie ich mich nach dir verzehre!
Es stürmt das Meer, o führ mich in den Port,
Durch alle Brandung, o du Stern der Meere!
 
Maria, meines Gottes Paradies,
Laß du mich durch die Himmelspforte ein!
Du bist die Anmut, bist so sanft und süß!
 
Du bist ja mein, ich bin, Geliebte, dein!
O lehre mich zu leiden und zu sterben,
Im Tod will ich um deine Liebe werben!
 
 
53
 
„Soll ich dein Paradiesesmädchen sein?“
Maria, ja! sei du mein Paradies!
Mit dir will wandeln ich in Edens Hain,
Bezaubernde, du bist so sanft und süß!
 
(Ich Erdenkind, ich denk an Haura auch,
Die glüht wie roter Wein, ist weiß wie Butter,
Vereine unsrer Seelen ewigen Hauch
Und sei im Garten Eden unsre Mutter.)
 
Maria, unaussprechliche Gefühle
Erglühn in mir der grenzenlosen Minne!
O sei Gespielin mir der Liebesspiele,
 
Des ganzen Gottesparadieses inne!
Im Garten laß uns ruhn an Edens Flüssen
Und, Minnige, uns küssen! küssen! küssen!
 
 
54
 
Als ich im Sommer lag in einer Wiese
Saftgrünem Grase in dem bunten Park,
Da kam Maria aus dem Paradiese,
Die mich an ihrem lieben Herzen barg.
 
Sie sagte mir die Botschaft von dem Frieden
Und sah zu mir mit wunderliebem Blick,
Da fühlte ich im Herzen schon hienieden
Das wundervolle schöne Himmelsglück!
 
Die Sonne lachte in dem Buchenwipfel,
Maria lächelte im Kleid der Sonne,
Als sie mir sagte: Beten, beten, beten!
 
Ich weih dir all mein Liebesleid, Madonne,
In meinem Schmerz erfährt mein Seelengipfel
In deines Leibes Frucht die Frucht von Eden!
 
 
55
 
Schon denk ich manchmal, Herrin, ich bin alt,
Zur Leidenschaft auch nicht mehr zu gebrauchen,
Schleich seufzend durch einsiedlerischen Wald
Und lasse mich von Geist und Wind umhauchen.
 
Bewahrt hab ich mir aber eine Jugend,
Die brennt in mir mit Leidenschaftenfeuer,
Ein Narre will ich sein, was schert mich Tugend?
Wann wird mir denn ein Liebesabenteuer?
 
Ach nein, ach nein, die Jugend ist vorbei,
Den Sonderling begehrt kein schönes Weib,
Der nur den einsamen Gedanken lebt.
 
Du aber, Minneherrin, bist mein Mai,
Die Frucht des Paradieses reicht dein Leib,
Dein Haar mich noch in süße Liebe webt!
 
 
56
 
Marie, du schenktest deinem Freunde ein
Den rosenroten Trost, den Rebentrank.
Nun bin ich müde, Mutter, von dem Wein,
Nun bin ich müd vom Leid, für das ich dank.
 
Hab Dank, Maria, für den Tröster Schlummer,
Gib Schlaf mir, ohne Träume voll Verlangen,
In deine Hände leg ich meinen Kummer,
Erwachen will ich dann, von dir umfangen.
 
Nun aber laß den Trost der tiefen Nacht
Auf meine rotgeweinten Lider tauen
Und spende Mohnmilch mir und Mondbalsamen.
 
Ich weihe den im Traum vergossnen Samen
Vor meines Edenmädchens nackter Pracht
Dir, du von Gott vergöttlichte Frau der Frauen!
 
 
57
 
Nun zeigst du mir das Grabtuch von Turin,
Jungfrau von Guadelupe, an deiner Seite.
Durch dich komm ich zu Ihm und finde Ihn
Mit unaussagbarm Friesden in dem Leide.
 
Wie nenne ich den lieben Mann der Schmerzen?
Ist Freund und Bruder mir nicht warm genug?
Sein Antlitz leuchten laß in meinem Herzen,
Denn Gott zu lieben, das ist wahrlich klug.
 
Nun siehe aber da, ich seh Ihn blicken
Und einen Strahl aus seinen Augen lassen
Und folg ich seinem Blick, so find ich dich!
 
Jungfrau von Guadelupe, ich seh dich nicken
So voller holder Huld, nicht zu erfassen,
Holdselige, ich lieb dich inniglich!
 
 
58
 
Den heißesten der Wünsche will ich dir
Aufopfern, dir mit seinem Brennen:
Den heißen Wunsch, ich möchte Hauras Zier
Im Schoße nach des Menschen Art erkennen!
 
Aufopfern will ichs dir und möchte werden
Brandopfer auf entsagendem Altar,
Da bringe ich dir diesen Traum der Erden
Als meiner Liebe in dem Himmel dar.
 
Nicht daß ich frei bin von Begehr und Wollen,
Doch daß des Fleisches Glut zur Herzensflamme
Durch deine Liebe in mir wird gewandelt.
 
Dann will ich sie, die hold an mir gehandelt,
In deinem Herzen, deinem gnadenvollen,
Durch den Verzicht vermählen Gottes Lamme.
 
 
59
 
Den Namen aller Namen mach mir lieb,
Der deines Leibes benedeite Frucht,
In seinem Namen mir ein Wohnrecht gib,
Zu ruhen in der ewigen Wonnen Bucht!
 
Irrlehre machte diesen Namen kalt,
Wie ihn die Männer sprachen mit Verstand,
Wie wird er Heimat mir und Aufenthalt
Im Paradies und Garten-Eden-Land?
 
So wie der Minnesänger Unsrer Frau
Mir sollen süß sein göttliche Balsamen,
Die strömen aus dem wahren Gottesnamen.
 
O Jesus! taufe mit der Liebe Tau
Aufs Neue mir den Namen aller Namen,
Du Bräutigam der Dame aller Damen!
 
 
60
 
Wie kommt das nur, daß ich so glücklich bin?
Du leuchtest so in mir, du goldne Sonne,
Aus lauter lichter Liebe ist mein Sinn
Und all mein Herz ist lauter liebe Wonne!
 
O schau dir nur mein Herz, o Liebe, an,
Geliebte Seelen findest du darinnen,
Die Frau, das Kind, und auch den frommen Mann,
Will ich in dir, Herz meines Herzens, minnen.
 
O lächelnde Madonna voller Gnade,
Nimm die in deines Herzens mystische Rose,
Die mir wie Sakramente Gottes sind.
 
Der ich im Lichte deiner Liebe bade,
Ich weih mich deinem Herzen, deinem Schoße,
Als reich mit Glück beschenktes Gotteskind!
 
 
61
 
Was klag ich denn, daß niemand bei mir ist
Und niemand hier mit mir die Freude teilt?
Freut sich an meiner Freude Jesus Christ,
In meiner Wohnung die Madonna weilt!
 
Und lieg ich in der Wanne warmen Welle,
Hört sie sich alle meine Sehnsucht an.
Sie macht den Raum zur heiligen Kapelle
Und segnet die, die weilt hier dann und wann.
 
Ich seh dich lächeln, seh dich mit mir weinen,
Ich höre deiner Stimme sanften Hauch,
Ja, ich bin dein, und du bist mein, o Braut!
 
Und ist auch Nacht, bald wird der Himmel scheinen,
Weil meine Seele meinen Heiland schaut
Und meines Herzens Ehegattin auch!
 
 
62
 
Ich hab es schon versucht mit Partnerschaft
Und habs versucht mit Eremitentum,
Doch bleibt nur unerwiderte Leidenschaft
Und sehnsuchtsvoller Sang und eitler Ruhm.
 
Nun bist du mir die ferne Blume blau,
Zu gleicher Zeit wie eine Ehefrau.
Dein mütterlicher Mantel der ist blau
Und dein Liebfrauenschleier ist wie Tau.
 
Krank ist die Seele mir, ich brauch den Reiz
Der Liebespein, um freudevoll zu sein.
In deinem Herzen nehm ich an das Kreuz,
 
Pfahl in der Brust und Dornenkranz ums Herz!
Sei den Geliebten Freudeborn mein Schmerz,
Werd mir in Gott zur Wonne alle Pein!
 
 
63
 
Bei meiner Mutter Mutter lernte ich,
Was Kinderheimat und Geborgenheit,
Der grüne Garten war so mütterlich,
Die Welt wie meiner Oma Schürze weit.
 
Als junger Mann war ich ein armer Waise,
Kalt war und ohne Heimat war das All,
Und rief ich traurig nach der Mutter leise,
War nur Verlorenheit der Echohall.
 
In einem Wallfahrtsort im fremden Land
Ich eine einsame Kapelle fand,
Da sprach ich mit Maria vor den Kerzen.
 
Da ging mir alle die Verlorenheit
In dir auf, heilige Geborgenheit,
Maria, Mutterheimat mir im Herzen.
 
 
64
 
Jesus, ich wär so gern im Paradies,
Ich wollt dort mit Maria gehn und spielen,
Du lächeltest vom Himmel lieb und süß,
Doch ich muß Weh im Tal der Tränen fühlen!
 
Da gab die Liebe Frau mir ihre Brust
(Die Brust, die Hauras hübschen Brüsten glich)
Und säugte meine Sehnsucht nach der Lust
Des Paradieses. Gott, ich liebe dich!
 
Jerusalem, ich darf auf deinem Schoße
Und nah an deinem warmen Herzen ruhn,
Verschleiert schön von deinem braunen Haar!
 
Ich schenk dir meines Herzens rote Rose
Und will dir allezeit viel Liebes tun.
Ich lieb, drum sing ich, Fraue wunderbar!
 
 
65
 
Ich bin ein armer kleiner Schmerzensmann,
Die Schmerzensmutter, o Maria, du,
Wie käm an mich ein Fluch mit seinem Bann,
Wo du mir gibst im Leiden meine Ruh!
 
Meer der Barmherzigkeit, du blaues Meer,
Birg mich in deinem Mantel an dem Herzen!
Komm, Trösterin der Trauer, zu mir her
Und heil mein Herz mit seinen wehen Schmerzen!
 
In Sternenschrift steht mir dein Name, Frau,
Geschrieben an dem Himmel meiner Seele.
Dein Schleier trockne meiner Tränen Tau,
 
Sei gnädig, Mutter, allem meinem Fehle
Und führe mich aus diesem wehen Leid
In Gottes ewige Glückseligkeit!
 
 
66
 
Ich weihe dir, Maria, meine Schmerzen,
Ich weihe dir, Maria, all mein Weh,
Ich weihe deinem unbefleckten Herzen
Mein Golgatha und mein Gethsemane!
 
Geliebte Königin, ich wähle dich
Im Angesicht der Heiligen als meine
Geliebte Frau, so lieb und mütterlich,
Als Schwester, Taube, einzig meine Eine!
 
Von deinen Brüsten werd ich Trostmilch saugen,
In deinem blauen Mantel werd ich ruhn.
Schau du zu mir mit liebevollen Augen
 
Und wirk, daß ich kann Liebeswerke tun.
Geliebteste, mit allem meinem Tort
Flieh ich in deines lieben Herzens Hort!
 
 
67
 
Maria, mach mein armes Herz zu Nichts,
Der ich vergeblich nach den Dünsten hasche,
Brenn durch die Glut des göttlichen Feuerlichts
Welt, Fleisch und Sinnlichkeit in mir zu Asche.
 
Dein Herz soll leben dann in meinem Herzen,
Ich möchte glühn von himmlischem Begehren,
In Liebe leben, lieben alle Schmerzen,
Mög Gottes Liebe völlig mich verzehren!
 
Sei du die Einzige, die ich begehre,
Mit Jesus bist du meine einzige Wonne,
Du Führerin in Gottes Paradies,
 
Du schöne Königin kristallner Meere,
Du Liebe Fraue in dem Kleid der Sonne,
Gemahlin, deine Liebe ist so süß!
 
 
68
 
Novembernebel in der Dunkelheit
Gibt Kunde von dem schattenhaften Tod.
Ich, ausgeliefert meiner Einsamkeit,
Ergeben leide ich die Seelennot.
 
So lehren mich die Heiligen und Geister,
Ich soll geduldig Dorn und Rose tragen,
Die mystischen Gelehrten und die Meister,
Sie lehren Selbstverleugnung und Entsagen.
 
Im Jenseits hab ich Freundinnen und Freunde,
Bin Glied in einer himmlischen Gemeinde,
Getauft auf Erden mit der Tränen Tau
 
Im Tränental, verbanntes Evaskind.
Maria kommt, ihr Zeichen ist der Wind,
Nach Hause bringt mich meine Liebe Frau.
 
 
69
 
Theresa, führ mich durch die innern Räume,
Johannes, lehre mich der Liebe singen,
Therese, führ zu Jesus meine Träume,
Und Edith, laß mich vor zum Kreuze dringen.
 
Zu Allerheiligen, o Königin,
Erscheinst du mir als Liebe Frau vom Karmel.
Ich gebe mich in deinem Herzen hin,
Reich Gott mein Herz als einen kleinen Marmel.
 
Ich bin so arm an Tugenden und schwach,
Gehorsam, Armut, Keuschheit, strenge Zucht
Sind fern wie Heiligkeit mir Sünder, ach,
 
Doch sehn ich mich nach deines Leibes Frucht
Und nach der Gnade göttlicher Erwählung
In dem Geheimnis liebender Vermählung!
 
 
70
 
Maria singt: Gott, sieh auf meine Demut,
Ich bin zunicht geworden, bin ganz klein,
Mit meinen Seufzern und mit meiner Wehmut
Verlier ich mich in deines Sohnes Pein.
 
Du überlichtes Licht, will ich dich schauen,
Dann muß ich in das tiefe Dunkel gehen.
Ich trage in mir Meere von Vertrauen
Und muß ich leiden auch die Mutterwehen,
 
Um deine Seelen alle dir zu bringen,
Die deine Kinder sind, sind meine Kleinen.
Ein Schwert im Herzen, will ich Jubel singen
 
Und mich mit deiner Göttlichkeit vereinen!
Die süße Milch von meinen Brüsten trinken,
Werden am Jüngsten Tag in Gott versinken!
 
 
71
 
O makelloses Mutterherz Marien,
Ich selber fühle schon wie du, o Mutter,
Erbarmte auch mich, wenn die Kinder schrieen,
Gab Apfelsaft und strich aufs Brot die Butter.
 
Ja auch der Kinder Mütter werden schon
Zu meinen Kindern mir, ich werd ihr Vater,
Erbarmen will ich mich, der ich dein Sohn,
Will sein ein Beistand, Tröster, Helfer, Rater.
 
O, darf ich nicht die Ungetauften taufen?
Sind denn nicht alle Kinder Gottes Erben?
Mein Leiden soll sie all vom Tod loskaufen,
 
Gib ihnen Paradiese, laß mich sterben,
Maria, ja, ich will am Kreuz mich betten,
Könnt ich durch meinen Tod die Seelen retten!
 
 
72
 
Du allerzärtlichste der jungen Mütter,
Von Traum und Dasein hab ich eine Wunde,
Das Herz ist schwer, die Seele fühlt sich bitter,
O küß mich mit dem Kuß von deinem Munde!
 
O heile mich, ich bin ein kleines Kind,
Fall tief, doch fall in deinen Mutterschoß,
Du trägst mich wie auf Flügeln von dem Wind
Und löst mir selig meine Seele los,
 
Umarmst barmherzig mich mit deinen Armen,
Ich schmiege mich an deine weiche Wange,
Du weißt mit Anmuthuld mich zu becharmen!
 
Ich schau dich an, o Schönheit, schaue lange,
Weil Hauras Schönheit eingeschrieben steht
In deiner Schönheit, Minne-Majestät!
 
 
73
 
Hat Josef auch beim Zimmern oft geträumt
Und weihnachtlichen Wundern nachgesonnen?
Du aber hast im Alltag nicht gesäumt,
Lebendige Madonna der Madonnen,
 
Bist ausgegangen, Sauerteig zu kaufen,
Und gingest hin, die Steuern zu bezahlen?
Du mußtest oft dich auch zusammenraufen,
Doch Welt und Alltag nicht den Geist dir stahlen!
 
Du warest allezeit mit Gott verbunden,
Und schlug der Alltag dir auch schwere Wunden,
Dir wurde alles Opfer und Gebet.
 
Heut, da mein Liebling gläubig zu mir fleht,
Ich opfre meditierende Betrachtung
Und biete meinen Geist zur Opferschlachtung!
 
 
74
 
Ich brauche meine dichterische Muße
Und brauch als Eremit Gebet und Stille,
Dich lieb zu küssen mit ddem frommen Gruße,
Drum sage ich: Geschehe Gottes Wille!
 
Ich sehne sehr mich auch nach Zärtlichkeit,
Mit Haura eins zu sein in trauter Ehe...
Verzichten muß ich, tragen dieses Leid,
Muß sagen: Gottes Wille nur geschehe!
 
Zwei Seelen hab ich, ach, in meiner Brust,
Die eine sehnt sich nach der Vielgeliebten,
Die andere will Eremit nur sein.
 
O gib mir allen Schmerz und alle Lust,
Geliebte Trösterin der Tiefbetrübten,
Werd ich nicht Hauras sein, bin ich doch dein!
 
 
75
 
Wär ich in meiner Mutter Schoß geblieben
Und wär geborgen in dem dunklen Nichtsein!
Ich fand auf Erden niemand, mich zu lieben,
Und muß ein traurig liebendes Gedicht sein!
 
Doch meine kalte Mutter stieß mich aus
Und legte mich in einen Korb aus Binsen.
Ich wuchs heran in einem reichen Haus
Und sah dort nur die armen Herzen grinsen.
 
Ich falle tief, ich falle tief hinunter!
Der reizenden Prinzessin blaues Wunder
Läßt, da ich suchte ihre Hand, mich los,
 
Ich falle tief, bin nicht von Frauenarmen
Gehalten, haltlos fall ich ins Erbarmen
Und sinke in Marien Mutterschoß.-
 
 
76
 
Hör, Mutter des Erbarmens, meine Trauer,
Hör leise beten alle meine Tränen,
Dir Rosenkränze zählen Tränenschauer,
Ich muß mich immerfort so sehnlich sehnen,
 
Sehn mich nach eines Herzens Ruhehafen,
Ein Licht soll mir in einem Herzen brennen,
Ich will im Arm der Vielgeliebten schlafen
Und ihre Engelseele tief erkennen.
 
Ich weine, immer, ach, muß ich verzichten,
Vergeblich immer brennt mir mein Begehren,
Die Vielgeliebte will mir immer wehren,
 
Ertrinken sieh du mich in Traurigkeit!
Wann kommt der Tod, das Dasein zu vernichten,
O meine Liebe Frau in  Ewigkeit!?
 
 
77
 
In meiner Muttergottes-Kemenate
Nimmt meine Engelin mich in die Arme.
Ich kannte in der Kindheit eine Gnade,
Großmütterchen, die gute herzenswarme.
 
Die Vielgeliebte sagt: Ich hab dich lieb,
Wir haben auch dich lieb, ich und mein Sohn.
Die Schwester tröstet meine Tränen trüb,
Ein Kind thront gern auf meines Schoßes Thron.
 
In meiner Muttergottes-Kemenate
Bin ich mit der Madonna ganz allein,
Der ich die weinenden Gebet wein,
 
Die oft schon meiner armen Seele nahte
Und nahm den Auserwählten voller Harm
In ihren liebenden Liebfrauenarm!
 
 
78
 
Du bist so schön, bist du denn auch so kalt,
Wie meine Angebeteten so stolz?
Ist deine liebe heilige Gestalt
Auch unantastbar? Sags, beim Kreuzesholz!
 
„Was denkst du denn von mir? Ich bin dir nah,
Wie keine Frau dir jemals nah gewesen!
Ich wohne doch in deinem Herzen, ja,
Ich ganz allein weiß dir im Geist zu lesen!“
 
In meinen Tränen schwimmst du, Stern der Meere,
In meiner Seele unglücklichen Glut
Bist du die gottentflammte Flammensäule,
 
Du bist mein Odem, wenn ich seufz und heule,
Du bist die Rose rot, die ich begehre,
Bist meines Fleisches Fleisch und Blutes Blut!
 
 
79
 
Ich lernte kennen tiefes Weh der Erde,
War Don Quichote auf Minneabenteuer,
Ich glaube, daß ich selig sterben werde,
Das Leben war mir schon ein Fegefeuer,
 
Ich habe angebetet und geweint,
Ich habe in der Liebe Glut gebrannt,
Ich war mir selbst zur Last, mein eigner Feind,
War nichts als Sehnsucht nach dem Heimatland;
 
Maria weiß ich drüben auf mich warten!
Sie wird mit Blättern von dem Baum des Lebens
Balsamisch heilen alle meine Wunden.
 
Die Liebesleiden waren nicht vergebens,
Was unzugänglich wird den bösen Hunden,
Wird mir zuteil: der Paradiesesgarten!
 
 
80
 
Ach Mutter Gottes, ach ich bin so klein,
In blauer Trauer welk ich matt und müd,
Ich bin so einsam, ach, und so allein,
Die Süßeste ist nicht für mich so süd,
 
Vergeblich alle Glut der Seele glüht,
Ich gehe doch nicht in die Ruhe ein,
Nur blaue Tropfen tropfen mir vom Lid,
Sind Tropfen meiner leisen Liebespein.
 
Ich möchte mich in blaues Dunkel hüllen,
In deinen Mantel, und die Welt vergessen,
Die draußen so geschäftig und so kalt.
 
Du komm mein leeres Herz mit Liebe füllen,
Du laß mich Liebe trinken, Liebe essen,
Nur Liebe sucht die traurige Gestalt.
 
 
81
 
Ich soll den Freundinnen die Kreuze tragen
Und selbstlos ihnen meine Liebe schenken.
Ein Opfer soll ich sein zu ihren Tagen
Und im Gebet barmherzig an sie denken.
 
Ich bin doch nur ein Kind, so klein und schwach,
Ich bin doch nur ein Kind, so schwach und klein,
Nur fallen kann ich, immer tiefer, ach,
Im Schoß Mariens tief verborgen sein.
 
Von Gottes Weisheit und von Gottes Kraft
Teil mir Maria Liebe mit und Schmerz!
Verzichten muß ich auf die Leidenschaft,
Von Fleisch zu Fleisch den Bund, von Herz zu Herz.
 
Die Sehnsucht nach der Sinnlichkeit, dem Reiz
Der Liebe, ist vergeblich, ist mein Kreuz.
 
 
82
 
Die Seher sangen dir: Du bist so schön!
Ob man dich küssen dürfe? Ja, man darf!
O höre mein sehnsüchtiges Getön,
Der ich dir meine Liebessehnsucht harf!
 
Ich sahe deinen scharlachroten Mund
Und sah die Blicke durch die Wimpern blitzen,
Den Rosenkranz am Arme nackt und rund,
Und durfte küssen deine Fingerspitzen!
 
Laß meine Nase deine Nase rühren
Und küsse mich hebräisch auf die Stirn,
Umarm mich in der Wolke goldnen Glanz!
 
Du mögest mich zum Hochzeitstanze führen,
Himmlische Braut, mögst meine Seele führn,
Daß sie mit Heiligem Geiste tanz den Tanz!
 
 
83
 
Gelang ich an den Strand der ewigen Wonne,
Empfängt mich dort im weißen Hochzeitsschleier
Allein die allerlieblichste Madonne
Im Paradiese, führt mich zu der Feier
 
Der mystischen Vermählung mit dem Lamm
In Zions Stadt und Garten Edens Land,
Dann werde ich der Seele Bräutigam
Erkennen, wie ich jetzt von ihm erkannt.
 
Ludwig-Maria und Therese werden
Und deutsche Dichterin und deutscher Dichter
Und meine Engelin mich dort begrüßen!
 
Mein Lieblingskind sei auf den neuen Erden,
Die Schwester zeige mir die Sternenlichter,
Und Haura will ich in Jerusalem küssen!
 
 
84
 
O süße Jungfrau von der Kommunion,
Der Kirche Mutter, öffne weit dein Herz,
Dein über alles vielgeliebter Sohn
Kommt mir als Heiland in den Seelenschmerz!
 
Ich bete Ave, Jungfrau ohne Makel,
Der ich allein nach Jesu Segen heisch,
Du Tempel Salomos, du Tabernakel,
Du spendest mir den Gott in seinem Fleisch!
 
Wie du will ich ihn in dem Herzen hegen,
Will, Herzenskönigin, die Hostie legen
In deine sanftesten Liebfrauenhände!
 
Ich lege alle, die mir anvertraut,
In Jesu Herz und deines, liebe Braut,
Mit Gott mich zu zu meinen Lieben sende!
 
 
85
 
Ich, mit der Armut, arm im armen Herzen,
Ich, mit der Seele voll von heißem Sehnen,
Ich, mit der Einsamkeit und allen Schmerzen,
Ich, mit der dunklen Nacht und allen Tränen,
 
Ich, mit dem Herzen voll von Lob und Dank,
Ich, mit dem eingebornen frommen Triebe,
Ich, mit dem Preisgebet und Lobgesang,
Ich, mit viel Hoffnung, Glauben, tiefer Liebe,
 
Ich schenk mich dir, Maria, deinem Herzen!
Da nahst du mir, mich zärtlich zart zu herzen,
Von Angesicht zu Angesicht zu kosen,
 
Zu küssen mich mit deinen Lippenrosen
Auf Stirn und Nase und Poetenmund.
Wir lieben uns, o Frau, aus Herzensgrund!
 
 
86
 
Wie schön ist Haura, wie so süß betörend,
Ein anmutvolles Mädchen in der Jugend,
In Gottesschönheit! doch mich nicht erhörend,
Will ich ihr schenken meiner Liebe Tugend.
 
Was steht so schwarz in meines Lebens Buch
Von meines Schicksals Hand so klar geschrieben:
Auf meinem Leben lastets wie ein Fluch,
Die, die ich liebe, mögen mich nicht lieben!
 
Und muß doch immer von der Liebe dichten
Und auf die Liebe doch zugleich verzichten
Und alles tut so weh und schmerzt so sehr!
 
Was sagst denn du, o Rose ohne Dornen?
Ich höre dich zu tieferm Leid anspornen:
„Die andern beten mehr und leiden mehr!“
 
 
87
 
Bin ich denn, o Maria, Don Juan
Und immer auf der Suche nach der Frau,
Bin ich so sehr der Frau geweiht als Mann,
Daß ich in Frauen Gottes Schönheit schau?
 
Kann ich bei einer Frau je Ruhe finden?
Oder muß stets ich ohne Ruhe weinen?
Werd ich mich jemals einer Frau verbinden,
Werd ich mich jemals einer Frau vereinen?
 
Trifft mich der Dorn aus ruhelosem Triebe
Im Herzen, wenn das Schicksal nach mir fasst
Und mir vorm Fluche meines Lebens graut,
 
Dann flieh ich, Liebe Frau, zu deiner Liebe
Und such in deiner schönen Liebe Rast,
Da wird mir meine Gottheit meine Braut!
 
 
88
 
O Haura, willst du meine Gattin werden?
Mein Leben lang will ich dich lieben, ehren!
Sei du mein Himmelreich auf dieser Erden
Und ich will deine Gottesliebe mehren!
 
O komm mit mir nach Medjugorje, dort
Den Bund zu schließen vor der Königin!
Psalm fünfundvierzig sei das Segenswort,
Geb ich mich dir wie Jesus Christus hin!
 
Maria, o Maria, Berge muß
Ich schlucken, bittre Berge des Verzichtes,
Ist Gottes Wille nicht der Bund der Ehe
 
Mit Haura, wird mir nicht der bräutliche Kuß,
Wird mir stattdessen Rute des Gerichtes,
Erschein mir du in liebevoller Nähe!
 
 
89
 
Da wir einander öffneten die Herzen
Und unsre Herzen waren wie Monstranzen,
Verflogen aller Liebesleiden Schmerzen,
Ich durfte in dem Himmelreiche tanzen!
 
Dann konnte meine Seele nicht mehr tragen
Der Liebe bodenlose Einsamkeit,
Weh mir, ich wurde an das Kreuz geschlagen
Und leerte Becher voll von bitterm Leid!
 
O Nacht der Seele! Alle meine Tränen
Verwandle Gott durch eine mystische Gnade
Für Sie in immerwährendes Gebet,
 
Sie, die da meiner Seele ganzes Sehnen,
Die da in Seide mit dem Leib von Jade
Als Braut an Jesu Hand im Himmel steht...
 
 
90
 
Der Schöpfung Krone, Tochter meines Herrn,
Du kannst nicht trösten, wenn der Herr mich schlägt,
Du darfst nicht trösten, wenn der Vater legt
Auf mich die Bitterkeit vom Wermutstern!
 
Mit Gottes Engel habe ich gerungen
Und weiß auch nicht, ob ich gewonnen habe,
Ich habe Davids Klagepsalm gesungen
Und ging im dunklen Tal am Hirtenstabe.
 
Wo warst du da? Soll ich denn ohne dich
Ertragen, daß mir ward das Herz gebrochen?
Hast du im Himmel für mich fürgesprochen,
 
Daß mir der Schmerz, das Weh so bitterlich,
Durch deines Vaters gnädige Gebärde
Mir gar zu einem Mehr an Liebe werde?
 
 
91
 
Ich sehe an den Schatten von dem Rauch,
Wie er sich auf dem Tisch bewegt, und denk:
Ist alles Hauch, ist alles Hauch, nur Hauch!
In flüchtige Vergänglichkeit versenk
 
Ich meinen Geist in träumerischem Schlummer.
Das Leben dauert nicht wie Erzgestein,
Doch immer heg ich Tausend-Jahre-Kummer:
Ich liebe sehr und bin so sehr allein!
 
Und muß ich durch das dunkle Tal der Leiden,
Ich denk, es ist doch eine Gnade, daß ich leid,
Mein Leid das Liebesleiden Jesu ist!
 
Und du wirst deinen blauen Träumer weiden,
Der spürt in Schmerzen seiner Sterblichkeit,
Daß du in Ewigkeit die Mutter bist!
 
 
92
 
Ach, immer muß ich so alleine schlafen,
Nie ruht die Liebliche an meiner Seite,
Schlaf immer auf dem Meer und nie im Hafen,
Allein in sehnsuchtsvolle Träume gleite,
 
Nie deck ich mich mit braunem Frauenhaar,
Nie schlaf ich ein in liebevollen Armen,
Nie ruh ich zwischen süßer Äpfel Paar
Und nie an einem Herzen, einem warmen.
 
O Liebe Frau in deinem Wunderbild,
Schau liebevoll auf meinen Liebestraum
Und küss mich mit dem Munde, Pieta,
 
Und hüll mich in den Hochzeitsschleier mild,
Der leicht wie Hauch und schwanenweiß wie Schaum,
Und sei mit deiner Zärtlichkeit mir nah.
 
 
93
 
O mütterliche Freundin, komm und heile
Mein wundes Herz mit deiner lieben Wärme,
Zerrissen bin ich in zehntausend Teile,
In jedem Teil ich mich mit Tränen härme,
 
Zerrissen bin ich, auseinander weit
Gespannt von Pol zu Pol und so zerreckt,
Und alles was mich einhüllt ist das Leid,
Von tausend Schmerzen bin ich ganz bedeckt!
 
Du unzerreißbare Versöhnerin
Der innerliche Zerrissenen, Balsame
Des Heiligen Geistes auf das Herz mir gieß!
 
O liebe mich, o liebe mich! Ich bin
Betrübt bis an den Tod! Ist Schmerz mein Name,
Sind Jesu Wunden denn mein Paradies?
 
 
94
 
O Frau, darf ich denn nichts für mich begehren,
Auch Haura nicht als meine Ehefrau?
Will Gott mir jeglichen Genusses wehren,
Daß ich gelange zu der Gottesschau?
 
Nur einen Wunsch hab ich für diese Erde,
Ein Wünschen nur, die Herrliche zu freien,
Doch soll ich wünschen nicht, Maria, werde
Ich meinen einzigen Erdenwunsch dir weihen!
 
Nimm du mein ganzes unglaubliches Sehnen
Nach Haura, bräutlicher Vereinigung
Mit deiner Stellvertreterin, an dich!
 
Beruhig die schwarze Glut in meinen Venen
Und heb mich wieder auf von Hiobs Dung
Und sei mein Alles - denn ein Nichts bin ich!
 
 
95
 
Maria spricht: Mein Liebstes mußt ich lassen,
Aufopfern mußte ich mein Liebstes ganz,
Auch ich vermocht den Schmerz nicht mehr zu fassen,
Da war nur Nacht und war kein süßer Glanz,
 
Mir ging das Opfer mitten durch das Herz,
Denn meines Liebsten musste ich entsagen,
Da war ich Schmerz von Jesu Christi Schmerz
Und waren Wehen meine Weheklagen
 
Und ward geboren mütterliche Liebe
Und wollte meine kleinen Kinder herzen
Und wollt, mein Schmerz werd meinen Lieben Segen.
 
Im Tränental auf einsamlichen Wegen
Sah ich die lieben kleinen Blumentriebe,
Und Sonne lächelte in meinem Herzen.
 
 
96
 
Messias spricht: Ich bin der gute Hirte
Und ging zum Eichgrund und zu den Blutbuchen
Mit einem Hochzeitskranze grüner Myrte,
Dir hochzeitsliche Hirtin mir zu suchen.
 
Die Hirtin schenkte mir nicht ihre Seele
Und sagte nie mir ein: Ich liebe dich!
In ihrer Lampe brannten keine Öle,
Da trat zu ihr ins tiefe Dunkel ich.
 
Gleichgültig wandte sie sich von mir ab,
Die all mein gottgebornes Liebessehnen,
Um die ich gar mit blutgeschwitzten Tränen
 
Und Dornenkrone auf dem Herzen warb,
Um deretwillen ich am Holze starb
Und lieb sie noch von jenseits von dem Grab!
 
 
97
 
Herrin der Weisheit, laß der Weisheit Schöne
In ihren Liebesschmerzen mich erschauen,
Daß ich, die dorngekränzt, mit Myrte kröne
Und deinem braunen Haar, o Frau der Frauen.
 
Wie melancholisch schaut und voller Schwermut
Die schöne Weisheit in dem Ölbaumgarten.
Ihr wachsen Beifuß, Schierlingskraut und Wermut,
Dort seh ich sie aufs Blühn der Rosen warten.
 
Der schönen Weisheit sei ein Haus bereitet
Im Menschenherzen, doch ich hör sie klagen:
Ich habe nichts, das Haupt wo hinzulegen!
 
Wie wehe tut mir, daß die Weisheit leidet,
Ich hör auch Frauen weinen an den Wegen,
Die ihre Kinder an den Brüsten tragen...
 
 
98
 
Geduldig sehe ich die Weisheit leiden
Und still in sich verschließen ihre Klagen,
Die schöne Weisheit will die Jünger weiden,
Doch die sind nicht bereit, ihr Weh zu tragen.
 
In ihrem Schmerz seh ich sie sich erbarmen
Wie eine Mutter über Sions Kinder,
Sie will sie all umarmen mit den Armen!
(Ach weh euch, müßt ihr fliehen in dem Winter!...)
 
Vor Schwäche seh ich sie zusammenbrechen,
Die Bärin brummt und ruhlos gurrt die Taube,
Da liegt sie mit dem Munde in dem Staube
 
Und leidet alles mit dem schönsten Schweigen,
Bis sich die Engel gnädig zu ihr neigen
Und tröstend ihr vom Gott der Liebe sprechen.
 
 
99
 
O Engel, preiset mir die Liebesschmerzen
Der schönen Weisheit in der Leiden Wald,
Wie sehnt sie sich nach liebevollem Herzen,
Doch bleibt das Menschenherz wie Teufel kalt.
 
Wie ward die schöne Weisheit doch verachtet,
Doch hör ich sie so voller Demut reden:
O Mensch, Mitleidender, von Schmerz umnachtet,
Ich will dich bringen in den Garten Eden!
 
Ich will wie eine Mutter mich erbarmen
Und laß dich nicht als Waisen in der Welt
Und habe deine Seligkeit vollbracht!
 
Die schöne Weisheit starb. Der Tag war Nacht,
Vorm Allerheiligsten der Schleier fällt,
Maria herzt die Leiche in den Armen.
 
 
100
 
Ich seh dein Herz, o schöne Weisheit, offen,
Ich seh dein offnes Herz vor Liebe bluten!
Ich schenke dir mein unendliches Hoffen
Und meines Herzens lohe Liebesgluten!
 
Schmerz will ich sein allein von deinen Schmerzen,
Ich will für dich all deine Leiden leiden,
Vereinigen mein Herz mit deinem Herzen
Und dir dein Reich in meinem Herz bereiten!
 
Ich will dich lieben bis zur Todesstunde
Und in der Todesstunde nimm das wunde
Geschöpf in deinen hochzeitlichen Schoß!
 
Ich will dir Leid und alle Freuden weihen,
Will dich für alle Ewigkeiten freien,
Im Paradies steht meine Seele vor dir bloß!
[Inhalt]


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