[Inhalt]

Peter Torstein Schwanke
 
MARIA MAGDALENA
 
 
ERSTER TEIL
 
"Dies Wort kommt uns recht zupaß mit dem Lob der großen Minnerin Christi, Sankt Mariae Magdalenae ... So hat doch vor allem die übergroße und heiße Liebe zu Christus so unaussprechlich in ihr gebrannt ... "
(Meister Eckhart)
 
 
ERSTER GESANG
 
Jetzt will ich Danke singen für die Frucht
Der Liebe von der lieben Jüngerin
Maria Magdalena, die besucht
In ihrer festen Burg das Wort-im-Sinn,
Das hatte nach der Hörerin gesucht,
Die wunderschön war. Jesus sprach: "Ich bin
Mit dir im Paradies!" Vom Fels Gischala
Erschien Messias an dem See Magdala.
 
Doch auf dem Meere meiner Träume wandel
Ich auf der schönsten weißen Muschel hin
Zum Saum von Tyrus, Stadt dem Purpurhandel.
Die blauen Winde wehn mir in den Sinn,
Und in mir, Magdalena, reift die Mandel.
O Tochter Zion, mehr als angenehm
Wird dir und wonnesam Jerusalem!
 
Wir werden wie die Träumerinnen sein.
Doch was heißt das? Ist es nicht vielmal lieber
Im Traum und alles im Verklärungsschein,
Im allerliebsten Traum alleine über
Das Liebste? Doch wer fasst den Wonnewein
In welcher Art von Kelch? Denn nicht ein trüber
Wein wird es sein, sondern ein Trank der Freude:
Mit Gott verliebt im himmlischen Gebäude!
 
Jetzt will ich an den See Genezareth,
Ich flieh dahin wie eine Wildgazelle,
Wo Magdalenas Fürstenstätte steht
Und an den Saum von Steinen spült die Welle,
Da wo der Gärtner Rosen setzt und sät
Senfkörner, an der heißgeliebten Stelle
Magdala steht die wunderschöne Burg.
Vollbracht! Dann ruhte aus der Demiurg.
 
"Hefata! Tu dich auf! du schönes Tor!"
Da steht der Löw von weißem Marmorstein,
Und schmale Wege sind im Maienflor
Mit goldnen Blümelein im Morgenschein.
Die Winde flöteten auf goldnem Rohr,
Wenn Magdalena hob zu singen an. Nah
Erklang um sie ein Engels-Hosianna.
 
Der roten und der weißen Steine Wall
Ist da, im Sonnenglanz die Messingzinne.
Einst kommt die Liebe Gottes zu dem Fall
Und Auferstehn für viele. Neue Sinne
Sind unvergänglich um den Himmelsschall
Gebildet. Magdalena in der Minne
War schon so schön: ein Turm von Elfenbein,
Seitlich berankt von roter Ranken Wein.
 
Gewandet war sie in ein weißes Leinen,
Darüber langer goldner Haare Flut.
So ging sie träumerisch bei Ölbaumhainen:
"Es komme auf mein Haupt Messias' Blut,
Wie Öl, wie Salbe. Meine Augen weinen
Aus Sehnsucht nach dem schönen Himmelstor,
Das tönte einst: Licht werde, Jhehi Or!"
 
Die Fürstin Magdalena ging im Hofe,
Gegürtet rein an des Gemütes Lenden,
In ihrem Herzen war sie Gottes Zofe.
Sie hielt in ihren reingewaschnen Händen
Das Saitenspiel und sang so manche Strophe
Nach Davids Melodien. Dasein wird enden,
Ewiges Leben überm Blut der Vene,
O Kraft von Eli, hoffte Magdalene!
 
Mit ihren feuchten süßen Augen sah
Die Liebliche allein das Heiligtum.
Ihr schwante schon, was alles einst geschah,
Vernahm das ganze Evangelium;
Wie über sie geschrieen ward: "Da, da!"
Die Auferstehungen: "Talita kum!
Erheb dich, Mädchen!" sprach der Mund Messias',
Vernommen hatte es das Ohr Marias.
 
Sie betete zum Himmel einmal: "Vater
Im Himmelreich, vergib mir all mein Fehle!"
Sie hatte einst getanzt in dem Theater
Mit Passionen in der wehen Seele,
Wo in Kleinasien die Magna Mater
Geehrt als Ashtarot in einer Stele.
Doch jetzt rief sie: "O komme, Maranata!
Mein Herr! du Kind von Bethlehem-Efrata!"
 
Die Burg hat eine Halle, Stühle, Tische,
Gen Morgen einen schönen Fensterblick
Hinüber zu dem grünen See der Fische.
Und sie empfand die Tröstung und das Glück
Zu Passa-Tages Zeiten in der Frische
Und sehnte sich zum Paradies zurück.
Im Schnee erhob sich das Gebirg Baschan.
Sie dachte an die Opfertat: "Korban".
 
Sie sang das Lob wie einst die Mutter Hanna
Beim Mandelblütenleuchter mit dem Öle
Im Heiligtume, und sie speiste Manna.
Maria Magdalena mit der lieben Seele
War lauter Sehnsucht nach dem jungen Mann, ah,
Dem Menschenkinde mit dem guten Namen,
Wobei ihr warme Liebesträume kamen.
 
Das Himmelreich ist nah herbeigekommen!
Durchs Fenster lächelte herein die Sonne.
Wie schön sie war! Die Haare schwommen,
Als sie sich wusch bei jener Wassertonne.
"Messias komm zu mir, komm zu der Frommen,
Gewähre mir der Seligkeiten Wonne.
Komm du mich wie ein liebes Kind zu herzen,
Und sei ein Heiland meinen wehen Schmerzen."
 
Das Allerheiligste: ist das verboten?
Da hing ein Vorhang rot von Purpurtuch,
Vom blauen Leinen und vom scharlachroten;
Im Raum war Räucherwerk und Wohlgeruch.
Gott ist der Lebenden und nicht der Toten
Gott, wie sie wußte aus dem Juden-Buch.
Sie ließ sich einst im grünen Jordan taufen,
Das dachte sie bei Teppichen und Schlaufen.
 
Und Magdalena trank ein wenig Wein,
Doch nicht von stark berauschendem Getränk.
Die Lagerstätte war von Elfenbein,
Des Jungfraunspiegels war sie eingedenk.
Sie wurde sich bewußt dem Kreuz, dem Bein,
Vom Haupt zur Zehe jeglichem Gelenk,
Dem Nerv, dem Muskel und des Fleisches Sehne;
Darinnen ging die Seele Magdalene.
 
Sie ging auf einem teppichweichen Gange,
Kristalle an den Wänden und Juwele.
Plötzliches Rot auf ihrer weißen Wange:
"Vergib mir, Liebe Gottes, all mein Fehle!
Die Liebe will ich loben im Gesange
Und mit dem Reigentanze meiner Seele.
Mach mich zu der Verkörperung von Psalmen
Und meine schlanken Hände mir zu Palmen!"
 
Wenn Marta von Bethanien zu Fuß
Heraufkommt oder auf dem Eselsfüllen
In diese Burg und Bruder Lazarus:
Maria Magdalena nach der Buß
Wird Jesus mit dem Himmelreiche stillen.
Sie aber möchte selbst, die Wundersüße,
Mit Tränentau benetzen Jesu Füße
 
Und wieder trocknen mit den langen Haaren.
Die Seele hoffte, daß ihr Gott vergibt
Den losen Wandel in den ganzen Jahren.
O, Magdalena hatte sehr geliebt
Mit allen Kräften, allen offenbaren,
Mit ganzem Herz und Seele und Gemüte.
Sie sprach: "Die Liebe Gottes mir gebiete!"
 
Die schöne Jüngerin von Galiläa
Ging jetzt am grünen See Genezareth
Im weißen Kleid, mit Gold aus Idumäa
Geschmückt. Wie gut ihr doch das Linnen steht,
Doch innen ist sie Sehnsucht nach Judäa.
Das Haar am Sternendiademe weht,
Sie trägt den Morgenstern am Diadem
Und träumt vom Ölberg in Jerusalem.
 
Sie nahm sich das orangne Schultertuch
Und einen weißen Umhang, ging allein
Bei Granatapfelbäumen im Geruch
Und Feigenbäumen in dem weiten Hain
Und setzte sich und las im Psalmenbuch,
Sie saß bei einem Ölbaum auf dem Stein
Und sang, dieweil die Sonne sie verbarg:
"Komm, Simon, diesen Lenz in diesen Park!"
 
Magdala schimmerte im Sonnenlicht.
Am See Genezareth ein weißer Schwan
Kam an das grüngesäumte Ufer dicht,
Bewegt auf leichtgewölbter Wellenbahn.
Sie sah mit unverborgnem Angesicht
Hinan zum schneeigen Gebirg Baschan:
"Dort will ich ruhen einst in einer Höhle,
Zum dritten Himmel flehn mit meiner Seele!"
 
Das ruhevolle Rufen von den Tauben
In hoher rotbelaubter Buchen Wipfel
Vernahm sie und von silbergrünen Lauben
Rotkehlchen zwitschern. An dem weißen Zipfel
Sie zupfte wohl der Wind? "Ich habe Glauben",
Sprach sie, "ans Zeichen auf dem Felsengipfel.
Ich wünsche mir, daß ich mich wie ein Sperling
Zu Jesus übers Galiläische Meer schwing."
 
Da weinte Magdalena heiße Tränen
Vor Sehnsucht nach dem menschgewordnen Lieben.
In ihrem Herz ein Feuer, solches Sehnen,
Wie inniger nicht Salomo geschrieben:
"Mein Simon! all das Blut in meinen Venen
Schreit laut nach dir. Ich will der Siegel sieben
Auftun und in des Meisters Augenflamme
Hinschmelzen. O beim unbefleckten Lamme!"
 
Die beiden feingewölbten Augenbrauen
Verwundert hob sie auf wie eine Frage:
"Könnte denn sterben eine von den Frauen
Nicht im Bezirk Jerusalem-Betfage?
Geflossen sind die Blute morgentauen
Von den Propheten bis zum Jüngsten Tage:
Wohl von Secharja bis hinab zu Abel.
Das Wort ward Fleisch ist mehr als eine Fabel.
 
Das Wort ist wie der Samen eines Baumes,
Der eingesät wird und wird Stamm und Krone,
Da nisten dann die Tauben eines Traumes",
Sprach die Geliebte von dem Menschensohne,
"Zieh mich heraus, komm durch des Raumes
Gebiet von deinem jaspisroten Himmelsthrone
Und eile zu mir, wo du bist auf Erden,
Komm zu mir, Seelenhirte von den Herden.
 
O Herr und Meister meiner armen Seele!
Ich habe hier mit Salböl ein Gefäß
Und wollte es verschütten. Du befehle
Aus deiner sanften Demut, daß ich säß
An deiner Seite, dich mit mir vermähle!
Gewähre der Barmherzigkeit gemäß,
Daß ich dich salben darf mit Myrrhe, Myrrhe,
Das wäre Tröstung mir in öder Dürre."
 
Magdala ist die Burg der Magdalene,
Der Zeugin für Messias' Auferstehen;
Sie ging am See Genezareth; die Schwäne
Aufschluchzenden Gesanges aus dem wehen
Gemüt sind weiß dort. In Marias Vene
Ist heißes Pochen von verliebtem Blut!
Und Magdalena in der Gottheit ruht.
 
Jerusalem hat sie im Traum gesehn,
Den Ölberg und fürwahr die Schädelstätte.
Sie möchte selbst wie das Gebirge stehn
Im Glauben, daß sie immer Liebe hätte,
In reinsten Leinen, die nicht mehr vergehn.
Im Herz, Gemüt und Seele Jesus rette!
Wenn sie der Menschensohn vom Bann befreite,
Glückselig wäre die Gebenedeite.
 
Am Morgen sah sie an dem blauen Himmel
Übereinander morgenrote Sphären,
Drei Ebenen; von Wölkchen ein Gewimmel
Als wie von Schäfchen um das Lamm der Ehren;
Da sah sie bei dem Morgenstern Getümmel
Von Himmlischen, dem Geiste ob den Meeren
Zu Lobpreis: und die Himmlische Siala
Kam nieder zu Maria von Magdala.
 
Die reine Jüngerin von Galiläa
Ging auf den Spuren Jesu, des Messias.
Sie hielt das Purpurtuch aus Idumäa
Wohl um die goldgebaute Kraft Elias.
"Südlich ins süße Paradies Judäa!
Dem Ziel des Glaubens!" In dem Blut Marias
War immer solch ein glühendes Verlangen,
Mit Jesus Christus an dem Kreuz zu hangen.-
 
"Mein Gott im Himmel, immerhin geschah
An mir die Unergründlichkeit von Willen
Der Liebe Gottes." In Samaria
Will sie den Durst an Jakobs Brunnen stillen,
Wo eine Samariterin jüngst sah
Den Heiland Jesus einen Eimer füllen
Mit Wasser, das fließt in die Ewigkeit
Und löscht das Dürsten mit Glückseligkeit!
 
Im Morgen floß hinab des Jordans Welle,
So wie aus ihren Augensternen Tränen,
Die Wimpern waren wie die Morgenhelle,
Die Füße sind wie Weiten, die sich dehnen,
Die Beine sind wie von der Wildgazelle.
Im Herz der Innigkeit von Magdalenen
War alles lauter Eden, lauter Süd.
Sie war am Morgen früh noch etwas müd.
 
Der Wohlgeruch von Saba war ihr Duft,
Die Augen so wie Mandelblütenkelche,
Ihr Kleid war sonnenlicht in blauer Luft.
Die morgentaubetrauften Hände, welche
Sie wohl noch aufhebt über ihrer Gruft,
(Nach morgenfrühen Jagden auf die Elche)
Hielt sie gefaltet vorm erbebten Herzen.
Sie wandelte auf Füßen goldenerzen.
 
Sie kam durch den Bezirk von Ephraim
Und ging vorbei dem Hain Arimathäa.
Die Himmlischen von ganz Mahanajim
Bereiteten Maria schon Judäa.
Vorüber gehe Gottes Zorn und Grimm,
Denn Jesus wandelte in Ituräa
Und nahm das Kreuz auf sich, um zu versöhnen.
Da zitterte die Seele jener Schönen.
 
Am Amulette war ein Mandelstein,
Den sie von Simon Petrus einst bekommen.
Im Süden tauchte auf der Zion Hain,
Tochter Jerusalem gen Himmel glommen
Die Tempeldächer. "Herr Gott, hör mein Schrein,
In meinem Blut ist Jammer hingeschwommen,
Verheiße mir, daß die Erlösung naht,
Messias, nur durch deine Opfertat!
 
Auf meiner Schulter glüht das ganze Eden
Mit allen Bäumen und den Früchten gold.
So löse du die Zunge meinen Reden,
Mein Meister, sei du meinen Träumen hold,
Wo ich geschmückt mit blühenden Reseden
Hinwandle, wo die Morgensphäre rollt,
Und Lobsang sing mit Samuelis Hanna
Und hab dein Blut als Wein und Leib als Manna.
 
So weide mich, mein Hirt, denn ich bin Schaf
Und müd und möchte an dem Ölberg ruhn.
Sieh, meine Augen sind so voller Schlaf,
Du ruhtest auch am Sabbattag vom Tun
Des Weltenschöpfens; was da mich betraf:
Du schufest mich am sechsten Tag als Eva
Aus einem Traum von Adam, meinem Kefa."
 
Sie wußte nicht, was sie da sprach verträumt:
"Ich will Akazien für dich errichten
Zum Kreuze und von rotem Gold gesäumt
Wie Blut. Du mußt mir meine Glieder dichten;
Ich bin in Ewigkeit von Licht umschäumt.
Der Taufe klare Wasserflut Salims
Erneuern sich für mich im Meer Kittims."
 
Und Magdalena sah mit einem Mal
Messias Jesus überm Ölberg schweben
Und gold erleuchten allen Himmelssaal,
Mose, Elia zu den Seiten beben:
"Drei Tage werd ich ruhen in dem Wal,
Dann auferstehn und in das ewige Leben
Eingehen, du wirst sein zu meiner Seite:
In Gottes Harfe eine goldne Saite."
 
Dann war ein Donnern und ein Blitzen, Wetter
War überm Ölberg von Jerusalem
Wie eine Wolkensäule, und der Retter
Erschien wie Feuer und war angenehm.
Wo waren da in Kanaan die Götter?
Als Gott selbst sprach: "Mein Sohn", erklangs mit Schallen
Vom Himmel, "an dir hab ich Wohlgefallen!"
 
Da sprach sie wie die Tochter Phanuels:
"Soll denn ein Schwert durch meine Seele dringen?
Muß ich denn stärker sein als noch ein Fels?
Soll ich mich wie ein Lamm zur Schlachtbank bringen,
Dann will ich ruhn im Schoße Israels,
Dann will ich auferstehn und Psalmen singen
Wohl nach den Weisen: Schöne Jugend, Lilien,
Die stumme Taube fremd in den Vigilien."
 
Und Magdalena hob sich in dem Leibe
Und ging im wallenden Gewande hin
Zum Goldnen Tor Jerusalems, dem Weibe
Joachims gleich, Anna. Sie sprach: "Ich bin
Wie eine schmale Pforte, und ich bleibe
In Ewigkeit, und Tod ist mein Gewinn,
Ich bin im Himmel Liebe mit dem Meister
Jesus, der Herr ist über alle Geister."
 
Sie ging dahin so wie ein schöner Tag
Bei Millos Steinen, Zions Mauerwall.
Die goldene Zikade von Ziklag
War Schmuck an dem Gewand mit weitem Fall.
"Die ich den Gürtel meiner Liebe trag
Und des Gewandes Saum wie Zimbelschall
Und Granatäpfel, habe Gott gesucht,
Mich darzubringen: eine reife Frucht.
 
Laß mich die Himmel sehn, das Himmelszelt,
Jerusalem und aller Welten Enden.
Ich bin im Traume vor Kittim zerschellt,
Gott hob mich auf mit lilienweißen Händen
Und zeigte mir vom Himmelreich die Welt,
Die wird sich einst hinan zum Guten wenden.
Gott schmückte mich mit reinem Gold von Scheba
Und zeigte mir den Thronstuhl der Batseba."
 
Sie ging die Straße bis zum Lämmertor,
Da sah sie vor dem Tor den schönen Teich,
Fünf Hallen waren da, es sang ein Chor
Von Himmlischen vom nahen Himmelreich,
Da wehte an dem Wasser goldnes Rohr.
Ein Engel Gottes auf dem Wasser weich
Stieg auf und ab, bewegte leicht die Wasser
Und pries den Gott von Juda und von Asser
 
Und all der andern Stämme Israels.
Die Himmlische war eine Feuersäule
Und war gegründet auf den weißen Fels.
Von Zions Hainen rufte eine Eule.
Der Engel sprach: "Daß ich die Wasser wälz,
Ist mir gegeben von der Liebe Gottes."
Die Stimme war wie Lispeln, fern des Spottes.
 
Da war ein Mensch schon achtunddreißig Jahre
Lang krank: und ging dahin mit seinem Bette
Auf seiner Schulter, weil die treue wahre
Kraft Gottes heilte. "Meine Seele rette",
Sprach Magdalena mit dem goldnen Haare
Zu Gott an rauschender umwogter Stätte,
"Erheb mich wieder aus den Wasserfluten,
Messias! du mußt selbst für mich verbluten!"
 
Und Magdalena ging mit Mandelaugen
Und schimmernden Sandalen an den Füßen
Und Händen schneeweiß. Und sie wollte saugen
Die Weisheit von der Himmelsbrust, der süßen.
"Gott will wie eine Mutter trösten! Ich will taugen
Zum Kinde Gottes. Mit dem Munde grüßen
Will ich von Zion aus den Berg Baschan,
Die Meere und Gestade von Jawan."
 
Dann ging sie in Jerusalem die Gassen,
Und weinte glücklich, zu dem Perlentor.
Sie wollte sich dem Heiland überlassen,
Daß er sie kröne mit dem Lebensflor.
Da war der Schlüssel Davids anzufassen.
Auf goldnen Straßen wandelte ein Chor:
Die Sängerin, die Saitenspielerin
Ging dort, und eine schlug ein Tamburin.
 
Sie war ein Wort in ihres Leibes Manna,
Als sie gefunden hatte Jüngerinnen
Aus Galiläa in der Stadt: Susanna
Ging dort in reinem feinem Linnen,
Und ihr zur Seite wandelte Johanna,
Maria Magdalena stand allein
Inmitten beider auf dem weißen Stein.
 
"O Juda! du erscheinst in reiner Schöne,
An deiner Stätte Tor pocht laut mein Blut.
Aus deiner Harfe lockt der Meister Töne,
Mit meiner Seele wird es wieder gut.
Mit deinem liebesroten Jaspis kröne
Besänftigend mir meine Liebeswut
Und gib mir Sanftmut und die stille Demut
Und die ersehnte Tröstung meiner Wehmut."
 
Zur Gihon-Quelle in dem Paradies
Ging sie, in ihrer Seele war ein Dürsten.
Tigris und Euphrat und Pischon entfließ
Das Lebenswasser für die Judenfürsten,
Doch Magdalena sprühe an das Vlies
Der Tau von Zion. (Bei ihr an der Tür stehn
Will ich.) Sie ist so wie die Arche Noah
Jetzt an dem Wasser von dem Teich Siloah.
 
"Heiliger Tempel von Jerusalem!
Wie treu ist deines Tores Pfeilerstein,
Boas und Jachin stehn dort. Angenehm
Von deinem Schimmer wird mir wie von Wein.
Mein Christus von der Krippe Bethlehem
Wird König an der Stätte Zion sein
Und sitzen auf dem Thron des Salomo
Und mehr noch sein. Wo ist er aber, wo?"
 
Die Magdalena mit der Granatfrucht,
Die Magdalena von dem goldnen Hügel,
Die Magdalena von dem Herrn gesucht,
Die Magdalena mit dem Jungfraunspiegel,
Die Magdalena von der Tyrusbucht,
Die Magdalena mit dem siebten Siegel
Und Steinen an Gemütes Gürtel gold
Ist dem Messias Jesus liebehold.
 
Der Herr ist ja gekommen, um zu dienen,
Die Fürstin wurde selbst zu Gottes Magd.
Zwölfmal zehntausend Scharen Seraphinen
Und Cherubime haben laut geklagt
Um Jesus! den dem Judentum geliehnen
Messias, dem die Auferstehung tagt
Nach seiner unheimlichen Kreuzigung,-
O Gottes Erdenleid und Himmelsschwung!
 
Maria Magdalena wollte gehn
In ihren wonnesamen Leib gehüllt
Zu ihrer Schwester nach Bethanien.
Die Traurigkeit der Seele ward gestillt
Von einem flammengleichen Himmlischen
Mit einem Angesicht als Ebenbild,
Von einer Schwinge traufte Balsamöl
Und von der andern rauschte: Raphael.
 
Sie traf des Weges in dem Sonnenlicht
Die Jüngerin Maria Kleophä
Und neben ihr mit holdem Angesicht
Die Jüngerin Maria Jakobä,
Und Magdalena ging mit ihnen, dicht
Gefolgt von Engeln. "O daß ich Messias seh,
Zu Seiten Fromme, Jesus in der Mitte,
Den Christus seh in Martas kleiner Hütte!"
 
Da war Bethanien, der Marta Ort,
Der Schwester Magdalenens Haus von Stein
Und Tamariskenholz erhob sich dort.
Und Magdalena im Gewande fein
Gewirkten Linnens sah die Burg, den Hort.
O daß in ihrer reinen Seele bliebe
Das Morgenmeer von schwesterlicher Liebe!
 
Wie süßer Blütenstaub vom Bienenrüssel,
So floß von ihren Lippen Lobgesang.
Am Raine blühte roter Himmelsschlüssel,
Die weiße Magdalena ging entlang.
Die Erde war wie eine Mannaschüssel,
Von Himmelswolken aber kam ein Klang:
"O Magdalena! Lieb ist mir dein Namen
In Ewigkeiten Ewigkeiten, Amen."
 
Und Magdalena kam im Hause an
Von Marta und vom kranken Lazarus.
In diesen Tagen aber starb der Mann.
Und Marta ging zum Grab hinaus zu Fuß
Und schaute Jesus den Messias dann,
Der gab ihr einen süßen Liebeskuß.
Maria Magdalena aber blieb
Im Haus, die hatte Jesus Christus lieb.
 
Und Jesus sprach zu Lazarus: "Erhebe
Dich aus dem Tod und gehe hin in Frieden."
Zusammen gingen sie zum Hause. "Gebe
Zu trinken mir, mich dürstet so hienieden",
Sprach Jesus zu der Schwester. "Ewig lebe
In Gott, dem Fürst in himmlischen Gebieten."
Da hörten Magdalena und die vielen
Juden von den erfüllten Glaubenszielen.
 
Einmütig saßen sie beinander da,
Die Magdalena saß am langen Tisch
Mit Jesus, der war ihrer Seele nah,
Die Mutter Jesu saß dort, und ein Fisch
Lag vor ihr, und am Kelch mit Wein geschah
Ein Wunder, Marta saß dort frühlingsfrisch,
Zu Seiten saß der Armenpfleger Timon,
Und Petrus saß dort, auch geheißen Simon.
 
Und Lazarus war wiederum im Leben,
Der wieder auferstanden war vom Tode,
Saß dort in neuen leinenen Geweben.
Die Mutter Markus' und das Mädchen Rhode
Neuangekommenen die Hände geben:
Dem Mädchen, zu dem Jesus sprach: "Talita
Kum", von der Stadt Jerusalem Tabita.
 
Und Josef Barnabas kam von Kittim,
Der Sohn des Trostes kam von Paphos her.
Johannes kam vom Orte Ephraim,
Jakobus kam von Aschdot an dem Meer.
O Gottes Lager von Mahanajim!
Die Engel Gottes schwebten hold und hehr
Um Jesus und die Mutter Jesu und
Maria Magdalena um den Mund.
 
Und Magdalena sprach: "Dem Herrn und Fürsten
Des Lebens wollt ich lesen seine Reden
Vom Munde ab, ich habe solch ein Dürsten
Nach ewiger Glückseligkeit von Eden."
Der Christus sprach: "Ich werde in der Tür stehn,
Genannt die Schöne, zu dem Tempel, wo
Der Eingang ist zur Halle Salomo."
 
Und Jesus sprach: "Ich habe sehr viel Leid
Zu tragen an das Kreuz und in den Tod
Und zu dem Auferstehn in Seligkeit!
Wie Tau geboren aus dem Morgenrot
Sind meine Kinder." Zur geliebten Maid
Magdalas sprach der Meister Zebaoth:
"Ich kenne dich und weiß von deinem Tun,
Und du wirst einst an meinem Herzen ruhn."
 
Und Petrus sprach: "Und wenn ich sterben müßte,
So wollte ich doch niemals von dir weichen.
O selig ist, wer der Maria Brüste
Von Milch und Honig aus den Himmelreichen
Mit Kinderlippen herzlich liebeküsste!"
Und Magdalena sprach: "Ich möchte gleichen
Als Magd dem Knechte Gottes, fern dem Stolz
Mit meinen Tränen waschen ihn am Kreuzesholz."
 
Und Jesus ging. Und Magdalena ging
In ihrer ganzen wunderbaren Schöne
Zur Stadt Jerusalem. "Ich aber sing
Dem Fürsten meiner Liebe süße Töne,
Ich streiche leis das Saitenspiel und schwing
Zum Tanze mich, daß mich der Heiland kröne
Zum Leben in der Ewigkeit bei Gott;
Doch dieses Dasein ist mir wie ein Spott.
 
Ich will auf meines Freundes Spuren laufen,
Daß mich umfängt der König Israels,
Ich will dem Leiden Christi Salben kaufen
Und wandeln übers Meer mit meinem Fels.
Ich ließ mich auf den Namen Jesu taufen,
Daß mir die Liebe Gottes immer weist
Den Weg zum Himmel und der heilige Geist.
 
Ich warf mich vielen in die kalten Arme,
Jetzt aber bin ich in dem sichern Hort
Der Liebe Gottes mit dem Geist. 'Erbarme!'
Sprach über meine Seele hin das Wort.
Ich höre eine Stimme, eine warme:
'Du kommst einst an in Paphos in dem Port,
Dann aber kehr nach Juda wieder um
Und predige das Evangelium.'"
 
Maria Magdalena ging dahin,
Die Mutter Jesu ging mit ihr die Pfade,
Susanna wandelte im sanften Sinn
Mit ihnen. Über allen war die Gnade
Der Liebe Gottes. Und sie sprach: "Ich bin
Gewesen in dem Jordan bei dem Bade
Und ging von meinem Haus in Galiläa
Zur Kreuzigung hinunter nach Judäa."
 
Tyrisches goldgesäumtes Purpurtuch
Warf sie sich um der Schultern Elfenbein,
Sie ging in Myrrhe und in Wohlgeruch
Und war wie ein Zypernblume fein
Und kannte wohl das lebendige Buch
Und trank das Blut Messias' so wie Wein
Und aß den Leib Messias' so wie Brot
Und sang ein Halleluja Zebaoth.
 
Sie hatte in der Seele solch ein Leiden,
Und ihre Augen wurden Quellen Tränen:
"Der Christus wird gegeben an die Heiden,
Und Juden stehen dort mit Löwenmähnen,
Der Hirte aber wird die Schafe weiden
Und auch die Lämmer", ging es Magdalenen
Von ihrer Seele los bei Gabbata.
Sie trug sich selbst hinan nach Golgatha.
 
Da hing am Kreuz erhöht der Heiden Heiland,
Der Christus Gottes, Jesus der Messias!
Da litt er alles Leiden und sang weiland
Den Leidenspsalm und sprach zum Herz Marias:
"Der Jünger ist dein Sohn." Da wie ein Eiland
Kam eine Wolke. Nach der Kraft Elias
Schrie Jesus: "Eli, Eli!" und: "Mich dürstet!"
Er starb. Und wurde drauf von Gott gefürstet.
 
"Dies ist der Juden König immerdar!"
Rief Magdalena unter lautem Weinen.
Man wunderte sich, wie sie sich gebar
Und wie der Schönen nasse Augen scheinen.
Josef von Arimathäa fürwahr
Nahm Jesu Leichnam, hüllte ihn in Leinen,
Und Magdalena wie ein süßer Mai
Gab zum Begräbnis manche Spezerei.
 
Und Magdalena hatte einen Traum
Und sah entschlafne Geister auferstehn,
Sah König David, Wurzel von dem Baum,
Und Miriam wie eine Flamme wehn
Und Aaron mit den Schellen an dem Saum
Und Granatäpfeln und sah Mose gehn
Und Adam ging, der ähnelte dem Kefa,
Und in der edenreinen Schönheit Eva,
 
Und aus dem Grabe aufstand Salomo,
Und im Gefilde schwebte Sulamith,
Elia ging im Purpurmantel so,
Deborah sang ein Auferstehungslied.
Ewigen Lebens Anfang war es, wo
Messias auferstanden im Gebiet
Jerusalems ging bei den Gräberstätten,
Die Kinder Gottes allesamt zu retten.
 
Und Magdalena und zwei Jüngerinnen
Am ersten Tag der Woche gingen zu
Dem Grab, den Leichnam in den reinen Linnen
Zu salben. Liebe Magdalena, du
Erhofftest Jesus den Messias innen
Im Grab noch einmal anzuschaun in Ruh,
Und anders wurde dir erfüllt dein Hoffen.
Das Felsengrab war aber seltsam offen.
 
Und Joses Mutter war mit ihr, Maria,
Und mit ihr ging die Christin Salome.
Jerusalem, von dir sang Jeremia,
Einst eine Fürstin, weiß so wie der Schnee
Und rötlich wie die Flamme von Elia,
Dir ward die Tröstung auf das Weh:
Ein Engel saß bei den gelösten Banden
Und sagte: "Jesus Christ ist auferstanden!"
 
Schon waren Petrus und Johannes bei
Dem Grab gewesen, und da war es leer.
Sie würden aber Pfingsten in dem Mai
Zusammen in Jerusalem Gewähr
Und Zeugen sein der Auferstehung. Meer
Und Erd und Himmel mit dem Sternenheer
Erschuf einst Gott in Jesu Christi Namen
Und alle Menschen, die zum Glücke kamen.
 
Jetzt aber ging Maria in den Park,
Wie Magdalena seit der Kindheit hieß.
Da sah sie einen Gärtner, und im Mark
Des Lebens bebte sie. O reines Vlies,
Mit Tränentau betrauft, daß sie verbarg!
Des goldnen Haars Kaskade niederfließ,
Denn das macht Magdalena schöner noch
Als Rahel mit dem Lamm beim Brunnenloch.
 
Er sagte: "Magdalena, rühre mich
Nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren
Ins Himmelreich zu meinem Gott, wo ich
Zur Rechten sitz und werd mich offenbaren
Als der Erlöser einst dir inniglich,
Denn ich bins, dem du mit den goldnen Haaren
Getrocknet hattest die gesalbten Füße.
So wandle hin, mir die Apostel grüße,
 
Und sage, daß ich auferstanden bin!"
Und Magdalena mit verliebter Seele,
Den König Israels im innern Sinn
Und an dem Tuch Geschmeide und Juwele,
Wandelte jetzt nach Galiläa hin,
Demütig folgend also dem Befehle
Vom Auferstandenen und Überwinder,
Und sagte dort: "Ihr Menschen, liebe Kinder!"
 
Sie war zuhaus am See Genezareth
In ihrer wunderschönen Burg Magdala.
Von einem König aus dem Morgen steht
Die Muschel dort vom Wasser Kauriala.
"Aber du, Herr!" rief Magdalena (spät
Im Abend glühte fern der Fels Gischala)
"Aber du, Herr! du bist König Israels
In dem Gewande so wie weißer Schmelz,
 
Und deine Augen sind wie Feuerflammen,
Und aus dem Munde kommt ein scharfes Schwert."
Sie ging mit Simon Petrus dort zusammen,
Der oftmals auf dem See im Boote fährt,
Wo einst die Jünger in den Wogen schwammen
In einem plötzlich aufgewühlten Sturm,
Und Jesus kam so wie ein weißer Turm
 
Von Elfenbein, gebot dem Wind und Meer.
Und Simon Petrus sprach: "Ich bin geschwommen
Zum Auferstandenen, der ging daher
Am Saum vom See, wie Morgensonnen glommen
Ihm Haupthaar und Gewand, da sprach der Herr
Und wahre Fürst des Lebens allen Frommen:
'Hast du mich lieb? und lieber als die andern?'
Ich würde aber durch Italien wandern
 
Und fände meinen Tod am Kreuz in Rom.
So wird errichtet sein auf einem Stein
Die christliche Gemeinde, wie der Dom
Gebaut auf meinem eigenen Gebein."
So sprach er in dem maienen Arom
Am Galiläischen Meer. Maria fein,
Die Magdalena auch geheißen ist,
Sprach: "Ich verkünde unsern Jesus Christ."
 
Erzvater David sang einst diese Psalme:
"Ich bleibe immerdar im Haus des Herrn."
Da sind die Quellen und der Hain der Palme,
Am goldnen Saume von den Himmelsmeern
Beginnt die Lämmerweide und die Alme,
Erleuchtet wird es all vom Morgenstern
Messias. Löser, Burg und fester Fels
Ist Jesus und der König Israels.
 
Das Tor des Paradieses, Himmelstor
Tat auf der Meister, der sitzt auf dem Thron
Zur Rechten Gottes. Gott sprach: "Jhehi Or!
Es werde Licht!" einst, und der Menschensohn
(Umgeben von den Himmlischen im Chor)
Erschuf smaragdne Sterne, Kristallmeere
Und eine jaspisrote Morgensphäre.
 
In dem kristallnen Meere ein Gewimmel
War wie im himmlischen Genezareth.
Ein Friedefürst auf einem weißen Schimmel
Zur Braut kommt Jesus Christ von Nazareth.
Gott ist und öffnete den dritten Himmel,
Von wo der heilige Geist herniederweht
Und als die Wahrheit in der Seele bliebe,
Die glaubt an Jesus als an Gottes Liebe.
 
 
 
 
ZWEITER GESANG
 
Solange wie die Sonne soll er leben
Und wie der Mond und an dem Firmament
Die Sterne, die den sanften Lichtglanz weben
Und singen von des Bundes Testament:
Im Korn der Ähre und im Blut der Reben
Ist Jesus gegenwärtig, als das Licht
Von Gottes Kindern wohl verinnerlicht.
 
Die Jünger und Apostel sind gesandt,
Jungfraun und Jüngerinnen sind geschickt,
Und missioniert wird weithin jedes Land,
Die Inseln werden überreich beglückt
Durch die Verheißung. O so wie der Sand
Am Meer und wie der Himmel ist bestickt
Mit Sternen, sind der Gotteskinder viele
In der Glückseligkeit am Glaubensziele.
 
Wohl viele sind vom Herrn zum Dienst berufen,
Nur wenige sind auserwählt von Gott.
Als Petrus kniete an des Tempels Stufen,
Da ward er übergossen von dem Spott,
Doch sprach er: "Jesus, deine Hände schufen
Die Himmel, und Trompete und Fagott
Ertönen an dem Thron durch Cherubim,
Und innig flammen zu dir Seraphim."
 
Der Meister wollte Magdalena senden
Mit einem Engel von Mahanajim,
Gegürtet gold an des Gemütes Lenden,
Zum wunderschönen Inselreich Kittim,
Daß sie dort Zeichen tu mit ihren Händen
Und Wunder wirke und von Ephraim
Und Juda predige und von den Leiden
Messias' und dem Auferstehn den Heiden.
 
Andreas war aus Betsaida schon
Gewandert bis nach Tyrus, wo der Port
Zum Meere war, und sprach vom Menschensohn
Den Heiden als vom fleischgewordnen Wort,
Der sitzt zur Rechten Gottes auf dem Thron
Und ist ein immertreuer Zufluchtsort,
Um Jesu Thronstuhl kreist das Sternenheer,
Zu Christi Füßen rauscht ein weites Meer.
 
In Syrien erschien in einer Wüste
Der Heiland einem Kriegsknecht auf dem Gaul,
Den er in seiner Lichterscheinung grüßte:
"Was denn verfolgst du mich und meine, Saul?
Ich sag, daß, wenn nur deine Seele büßte,
Zerrissen sie auch über dich das Maul,
Du wirst das Himmelreich noch sehen, Saulus;
Von jetzt an aber rufe ich dich Paulus."
 
Und Josef ging an Pauli Seite hin,
Der Barnabas geheißen worden war,
Mit der Bedeutung Sohn des Trostes in
Der Landessprache, und der war fürwahr
Von Zypern hergerufen durch den Sinn
Messias', der erschien ihm offenbar
Mit seiner Herrlichkeit in einem Traum,
Als er auf Zypern schlief am Meeressaum.
 
Und Petrus und Andreas sind zusammen
Gefahren übers Meer in einem Boot,
Wo über ihnen einer Säule Flammen
Erschien im aufgeweckten Morgenrot,
Am Firmamente weiße Wolken schwammen,
Und Simon Petrus rief: "Herr Zebaoth,
Auf meinem Wege zur Mission in Rom
Laß mich Kittim erschaun im Mai-Arom."

Im Osten jener Insel Zypern lagen
Die Schlüsselinseln in dem grünen Meer,
Darüber war das Sonnenlicht am Tagen.
Sie liefen dort die Insel an, daher
Heißt es bis heute Kap Andreas. Sagen,
Heidnische Mythen und so manche Mär
Erzählten sich von Göttern Zyprioten.
"Hört von dem Erstgebornen von den Toten,
 
Von Jesus Christ, der auferstanden ist!"
So predigten die Brüder in dem Herrn.
"Dies ist die Liebe Gottes! Daß ihr wisst,
Die Liebe Gottes über allen Meern
Hab ich gesehen wandeln, Jesus Christ,
Der uns gegeben hat den Morgenstern."
So sprachen sie an Salamis' Gestade
Von ewiger Barmherzigkeit und Gnade.
 
Und Magdalena wie ein Morgenstern
Gewandet ganz in ihrer Haare Gold
Wandelte über den bewegten Meern,
Wo weißen Schaumes manche Welle rollt,
Gekrönt mit süßer Herrlichkeit vom Herrn
(Denn Jesus war sie ja in Liebe hold),
Kam schließlich an die Küste von Kittim, ah,
Beim Petrafelsen nahe Paphos-Ktima.
 
Geschmückt bis zum Olympus war mit Maien
Die Insel, wo der Pedhieos floß.
Sie ging dahin, das ganze Land zu weihen
Im Zeichen Gottes. An dem Berge sproß
Die Zeder und der Ölbaum, Ringelreihen
Sie tanzte bei Zypressen und genoß,
Nachdem sie sich entkleidet, in der Tat
Allein in dem verborgnen Teich ein Bad.
 
Und Petrus nahm von Petra tou Romiou
Ein Boot und segelte in Richtung Rom.
Und Magdalena ging in aller Ruh
Bei Ölbaumhainen hin und bei dem Strom,
Sah Vögeln in Limonenhainen zu,
Die nährten sich vom himmlischen Arom.
Niemand die weiße Lilie, rote Ros sah,
Betend bei der Fontana Amorosa.
 
Sie trank davon: "O Jesus, meine Liebe,
Ich hab dich wahrlich lieber noch als lieb,
Daß ich auf je in deiner Liebe bliebe,
Mein lieber Gott im Himmelreiche, gib,
Lieb mich und schüttel mich nicht durch die Siebe,
Daß ich von deiner Liebe Briefe schrieb:
In deiner Liebe ist das Fürstentum,
Wie lieblich sagt das Evangelium."
 
Dann aß sie eine reife Granatfrucht,
Köstliche rote Perlen sind die Kerne.
"Ich habe lange nach dem Leib gesucht,
Messias, fand in deinem Innern Sterne.
Ich schaue aus von dieser Meeresbucht,
Ein weißer Schleier weht in weißer Ferne;
Wenn auch die Zyprioten schrein: 'Da, da!'
In Jesus ist das Himmelreich mir nah."
 
Dann kamen auf die Insel Lazarus,
Die Jüngerin Maria Kleophä,
Und ihr zur rechten Seite ging zu Fuß
Die Jüngerin Maria Salome.
Sie grüßten wohl sich mit der Liebe Kuß.
Ein Boot lag an dem Ufer von der See,
Und Muscheln lagen dort im Perlmuttglanz,
Und selbst das Meer trug einen weißen Kranz.
 
Sie setzten sich bei Latchi einmal nieder,
Und um sie saßen junge Zyprioten,
Da sprachen sie zu denen immer wieder
Von Gott: daß auferstanden von den Toten
Sei Jesus Christus; und sie sangen Lieder,
Mit ihnen sangen Gottes Himmelsboten,
Ein Halleluja und ein Hosianna.
Sie tranken roten Wein und speisten Manna.
 
Orangenhaine in dem Morgenrot
Beschenkten alles Land mit ihrem Duft.
So wie im Paradiese einmal bot
Messias, auferstanden aus der Gruft,
Die Lebensfrüchte und sprach vom Gebot
Der Liebe; und wie Vögelein der Luft
Wohl nisten in dem Baum; so ist das Wort.
Und Magdalena ging erneut zum Port.
 
Maria Salome stieg in das Boot,
Maria Kleophä stand bei dem Segel,
Und Magdalena in dem Morgenrot
Umschwärmt von weißbeschwingtem Meergevögel
Und von dem Sonnenaufgang gold umloht
Ging mit an Bord, und nach der Sterne Regel
Bewegte sich der Wellen weiche Flut,
Kurz nach dem Hahnenschrei so rot wie Blut.
 
Die Heilige des Himmels, Jüngerin
Messias Jesu, sang den Psalmensang:
"Du hast mich aus dem Meer gezogen in
Den Himmel, und bei dir bin ich nicht bang,
Ich halte immerdar das Wort im Sinn
Als uranfänglich schöpferischen Klang,
Wie du geschaffen Himmelreich und Erde
Und Himmlische dem Hirten zu der Herde.
 
Umdrängt bin ich von wilden Wasserfluten,
Die tiefen Wasser stehn mir bis zur Kehle,
Was ist an Last mir alles zuzumuten?
Ach Gott! Ich ruf zu dir mit meiner Seele,
Du wolltest aber einmal für mich bluten!
So gründe mich auf Steine und Juwele.
So ziehe aus den Wassern mich empor
Zur Himmelsstätte mit dem Perlentor!
 
Die eine Tiefe ruft zur andern Tiefe,
Die eine Welle ruft zur andern Welle.
Wer aber hörte mich denn, wenn ich riefe?
Dein Tempel ist gemessen mit der Elle,
Gewicht und Maß über der Flut. So triefe
Erlösung von dem Himmel! Die Gazelle
Spielt in dem kretischen Gefild beim Löwen,
Und in den Lüften loben dich die Möwen."
 
Der Herr ging überm Wasser und gebot
Dem aufgewühlten Sturme, still zu sein.
Und Magdalena, jüngst bis an den Tod
Betrübt und in den Ängsten ganz allein,
War sicher, daß ihr Jesus Zebaoth
Zu jeder Zeit Erretter ist und Stein
Der Lösung, wenn sie bliebe nur im Glauben.
"Auf Felseninseln nisten wohl die Tauben,
 
Wo aber soll das Menschenkind sich betten
In Liebe? Gibt es die im Leben
Mehr als nur als Verheißung? Du wirst retten",
Rief Magdalena, "in dem Blut der Reben
Und in dem Manna von den Himmelsstätten:
Wenn mir die Fluten bis zur Kehle steigen,
Wirst du dich als die Liebe Gottes zeigen.
 
O Jesus, in dir findet Liebe Treue
Und ist besiegelt für die Ewigkeit.
Du zählst die Tränen alle meiner Reue
Und leitest mich die ganze Lebenszeit.
Ich hoffe, daß ich mich dereinst sehr freue
In unaussprechlich süßer Seligkeit.
Mir auf das Haupt das Öl der Gnade gieß
Und tu mir auf das Tor zum Paradies!"
 
An Pauli Schwester ging dieweil ein Brief
Von Paulus, der zur Zeit auf Zypern war:
"Seit Jesus mich zu meinem Amt berief,
Die Hoffnung auf das Auferstehn fürwahr
Verkünde ich. Daß meine Seele schlief
Im dritten Himmel herrlich immerdar,
Daß wünschte ich mir unterm Tränenstrom,
Doch muß ich leiden schließlich noch in Rom."
 
Und Magdalena kam auf Kreta an
Im Hafen Phönix, und da riefen Kreter:
"Wir sahen auf dem Meere einen Mann,
Das war der Lilienprinz im lichten Äther,
Vorüber ging der Lilienprinz, und dann
Kommt diese Schöne auf die Insel später,
Du bist wohl unsre schöne Göttin Venus?"
"Nein, sondern unsern Jesus Nazarenus
 
Verkünde ich mit meinem ganzen Herzen,
Mit Seele und Gemüt und allen Kräften
Als Liebe Gottes, der mit sieben Kerzen
Im Himmel thront und in den Rebensäften
Und Brot sich gibt, die Füße goldenerzen.
Wenn Engel einst der Seelen Segel räfften,
So wären wir wohl auf dem Morgenstern!"
Rief Magdalena laut im lieben Herrn.
 
Da saßen aber sieben Priesterinnen
An einem Feuer um die keusche Flamme.
Sprach Magdalena mit der Liebe innen:
"Beim Kristallmeer und bei dem Thron vom Lamme,
Ich mach die Kretinnen zu Jüngerinnen!"
Da schnellte vor von einem kleinen Stamme
Rasch eine Schlange, biß sie in die Hand.
Sie sah zum Heiland aber unverwandt,
 
Am Kreuze sah sie innen ihren Heiland,
Da schlenkerte sie einfach jene Schlange
Mit ihrer Hand ins hohe Feuer. Weiland
Erblickte sie erhöht an einer Stange
Die ehrne Schlange über diesem Eiland,
Von welcher im mosaischen Gesange
Gesungen ist von dem Propheten Mose.
Da wurde sie zu einer Flammenrose
 
Mit roten Blütenblättern zugefaltet.
Da sagte Magdalena so: "Ihr Kreter,
Kretinnen, einstmals wurde eingestaltet
Das Wort ins Fleisch, das waltet überm Äther.
Wer Jesus Christus ansieht, nie veraltet,
Sondern wird ewig leben! Aber später
Die unaussagbar süße Seligkeit,
Zuvor für eine Zeit ein schweres Leid.
 
Viel Mächtiges im Himmel und auf Erden,
Nichts Mächtigeres als der Menschensohn,
Der Christus und der Hirte seiner Herden,
Der sitzt in Ewigkeit auf seinem Thron."
Sprach Magdalena lieblicher Gebärden,
Und ihre Wangen blühten wie der Mohn:
"Verlasst die vielen Götter von Mykene
Und kommt zur Gottheit!" sagte Magdalene.
 
"Wir sind von einem göttlichen Geschlecht.
Die Gottheit ist nicht Silber oder Gold,
Sondern zutiefst barmherzig und gerecht.
Sie ist im Namen Jesu Christi hold
Der Gottesmagd so wie dem Gottesknecht
Und hat Erlösung für die Welt gewollt.
Da gibt es nicht mehr Juden oder Heiden,
Da gibt es nicht mehr Knaben oder Maiden,
 
Da sind es Kinder Gottes jetzt allein.
Denn darum heißt es in der heiligen Schrift:
'Ihr werdet aber wie die Engel sein.'
Und was die Weisheit und die Kraft betrifft:
Gott könnte selber euch aus diesem Stein
Kinder erwecken! Lasset von dem Gift
Von Götzenopfer und Mysterium,
Glaubt an das süße Evangelium.
 
Wer war der Lilienprinz, den ihr gesehn?
Wohl Simon Petrus in der Herrlichkeit,
Um den die lichten Engel Gottes wehn
Und der gesegelt, in der Seele Leid,
Nach Rom, um in der Marmorstadt zu stehn
Und zu verkünden Jesu Ewigkeit,
Das war die Lilie überm Mittelmeer."
Doch Magdalena sagte jetzt nichts mehr.
 
Sie stieg ins Boot, wo in der Zwischenzeit
Die zwei Marien in tiefem Schlaf gelegen.
Und Magdalena, als die schöne Maid
Mit schönerem Gemüt, stand in dem Segen,
Sie sagte und in ihrer Stimme Leid:
"Ihr Lieben möchtet euch jetzt wieder regen,
Wir wollen weitersegeln und nicht schlafen,
Behüte uns der Hirte mit den Schafen
 
Des Himmels, der gegründet hat auf Säulen
Die Erde und dem weiten Ozeane
Die Grenze setzte. Also lasst uns eilen."
Sie setzten Segel, spannten eine Plane,
Sie hörten eine Robbenherde heulen.
Sie aber sah und sprach: "Daß ich ermahne
Die Heiden, darum eile ich nach Gallien."
Sie gürteten sich golden an den Taillen
 
Der Seele und begaben sich aufs Meer,
Da stieg die silberweiße Flut an Bord.
Da wurde Magdalena überschwer
Das Herz, sie sah das fleischgewordne Wort
Über das Wasser wandeln, und so sehr
Verlangte sie nach diesem Liebeshort,
Da sah es aus wie in dem Licht ein Lamm,
Daß sie ins Wasser sprang und zu ihm schwamm.
 
Sie band sich um das obere Gewand,
Denn sie war nackt, und schwamm durchs warme Wasser.
Sie richtete die Augen unverwandt,
Parischer weißer Marmor war nicht blasser
Als der Geliebten Leib, so wie auf Land
Auf Jesus, den sie einstmals sah in Asser,
Das ist in Tyrus. O dem Wohlgefallen!
"Du bist die Schönste von den Schönen allen!"
 
Und Jesus kam und legte seine Hände
Maria Magdalena auf das Haupt
Und sprach: "Ich bin der Anfang und das Ende
Und Fürst des Lebens. Ja, du hast geglaubt,
Und darum war ich immer mit dir. Wende
Dich nun der Arche zu, daß nicht geraubt
Dir werden meine Jungfraun von der See,
Maria Kleophä und Salome."
 
Da schaute sie Italien in der Ferne,
Das schöne Land. Sie mußten erst durch eine
Meerenge. "Himmlische vom Morgensterne!"
Rief Magdalena, "rede zu dem Steine,
Daß er uns nicht zermalmt wie Mandelkerne.
Der Weg zur Ewigkeit führt ja alleine
Durchs schmale Tor, durch eine enge Pforte",
So sprach die schöne Magdalena Worte

Des Lebens immerdar. Die beiden Steine,
Die Skylla und Charybdis oft geheißen,
Ließen sie jetzt hindurch. Und im Vereine
Sangen die drei Marien je im weißen
Gewande freudetrunken wie vom Weine
Umschimmert von der Mittagssonne Gleißen
Die Weise von dem gottbewegten Fels
Und sangen es dem König Israels.
 
Tyrrhenisches Meer! Es sank der Morgentau
In deine sanftbewegte Wellenflut,
Da war das Wasser blau, der Himmel blau.
Und Magdalena wurde wohlgemut
Und sah mit einmal einen Marmorbau
Erscheinen, in den Äther hingeruht,
Ja einen Tempel über Roma glänzen,
Ein weißes Sterngewölb ihn überkränzen.

Sie kamen an in Ostia, dem Port,
Sie wollten doch durch Romas Tore schreiten
Und predigen im vielberühmten Ort.
Es war aber zu Kaiser Nero Zeiten,
Da Petrus predigte von Gottes Wort.
Der Herr erschien im Tore Magdalene
Und sagte ihr: "Wie ich so sehr mich sehne,
 
Daß Gallien würde auch zu mir bekehrt!
So ziehe mit dem Boote über See,
Auf daß durch dich sich meine Schar vermehrt,
So red von Seligkeiten nach dem Weh,
Glückselig wird, wer den Messias ehrt
Und an ihn glaubt. Maria Kelophä
Und Salome nimm mit dir zu den Kelten
Und predige den Heiland allen Welten."
 
Sie ließen wiederum Italien
Zur Zeit des Aufgangs von der goldnen Sonne.
Da sahen sie im Meer Sardinien,
Und sie empfanden eine stille Wonne,
Als sie erblickten weither Gallien,
Wo die Kimmerier und die Iberer
Sie wandelten dereinst in Gottverehrer.
 
Und Magdalena sprach: "Dereinst in Dion
Ging ich dahin und seufzte von der Seele
Nach meinem heißgeliebten Fürst von Zion
Und König Israels, den viel Juwele
Sehr herrlich schmücken. Jetzt im Golf du Lyon
Befolge ich des lieben Herrn Befehle,
Wo in den Lüften schweben weiße Möwen,
Da rede ich vom Schlüssel und vom Löwen
 
Von Juda und von Davids Sohn den Leuten."
Das Segelboot kam in dem Hafen an.
Sie hörten aber leise Schellen läuten,
Die Granatapfelschöne sich besann
Auf ein vergessnes Wort, das wollt sie deuten,
Und sie verkündigte den Menschen dann,
Daß Eva in dem Traum von Adams Fleisch
Gebildet ward und wandelte sehr keusch,
 
Bis sie von der am Holz erhöhten Schlange
Die Frucht vom Baume der Erkenntnis nahm.
Sie hörte im mosaischen Gesange,
Wie von dem Leben zu dem Menschen kam
Die Frucht. Da wurde ihrer Seele bange,
Und sie errötete in jäher Scham:
"Ob ich wohl Eva war, die Sünderin,
Und bin Maria jetzt, die Jüngerin?"
 
Sie litt in ihrer Seele aber Weh.
Jetzt ließen sie im Port das Segelboot
Am Saum der weißerblühten blauen See,
Vom Licht der Mittagssonne gold umloht,
Da war die Gischt des Meeres weiß wie Schnee.
Weil sie nun hier gelandet sind, daher
Heißts heut Les-Saintes-Maries-de-la-mer.
 
Da kamen weitre Segelboote an
Von Israel zur Heidenmission,
Mit Marta und mit einem Gottesmann,
Der Fronto hieß, ein Jünger und ein Sohn
Des Simon Petrus, und es nahte dann
Ein Bischof, der mit Magdalena ging
In die Provinz. "Daß ich die Psalme sing
 
Vom morgens früh gejagten Reh den Heiden,
Ich ihnen Jesu Leidenspsalme sing",
Rief Magdalena, "ist nicht zu vermeiden,
Vielmehr: daß ich die frohe Botschaft bring
Von der Glückseligkeit nach schweren Leiden,
Dazu bin ich berufen." Und sie ging
Mit jenem Mann durchs spätre Avignon.
Und Marta ging zum Wald von Tarrascon.
 
Ja, die Gerechte ist so wie ein Baum,
Der aufgesprossen ist aus einem Samen,
Gesetzt an einen goldnen Wassersaum,
Und bringt die Frucht zu seiner Zeit im Namen
Messias Jesus, und es wird ein Traum
Des Lebens für die Dame aller Damen
Sich in des Lebens Unverwelklichkeit
Sanft niedersenken. Süße Seligkeit!
 
"O Glück von Gott! Wohin denn soll ich fliehn,
Es sähe mich das Aug des Himmels, fände
Mich noch im Schatten. Lieber daß ich dien
Und gürte gold mit Seligkeit die Lende
Der Seele. Laßt uns nur in Christus ziehn,
Und eine Herrlichkeit folgt auf das Ende.
Wir gründen die Gemeinde wohlgemut
Derer, die er erworben durch sein Blut.
 
Ach Ursprung namenloser Tränenflüsse!
Zertreten ist mein Herz, die Seele bange
Und mein Gemüt zerknirscht. Wohl daß ich büße.
Es ist ein stetes Licht auf meinem Gange.
Ich salbte dem Messias seine Füße
Und trocknete sie mit den goldnen Haaren.
Ich fehlte oft in meinen jungen Jahren.
 
Doch später wusch der Christus selbst die Füße
Und trocknete sie mit dem Lendentuch.
Bittere Welt, es wird einst eine süße
Glückliche Herrlichkeit sein; nach dem Fluch
Wird Segen sein und lauter Liebesküsse.
Geschrieben stehen Namen in dem Buch
Des Lebens derer, die zum Wunderlicht
Berufen Jesus, vor sein Angesicht."
 
Der Bischof trug den Namen Maximin,
War einer von den zweiundsiebzig Jüngern,
Der sprach: "Weil ich ja Christus Jesus dien,
Hoff ich im Himmel mit den Psalmensingern
Zu sein, da wo die Engel Gottes ziehn
Und Selige sind so wie Palmenschwinger
Und Seraphim sind so wie Flamm an Flamme
Und Cherubim beim Jaspisthron vom Lamme."
 
Cedonius ging Maximin zu Seiten,
Sie taten Wunderwerke durch die Hände,
Lahme und Krüppel konnten wieder schreiten,
Unreiner Geister üble Widerstände
Vermochten sie ein Ende zu bereiten;
Sie predigten von der Erlösung Fels
Den Heiden und vom König Israels.
 
O Magdalena! woher solche Trauer?
Nach Jahren Einsamkeit in kleinem Hoffen
Ist doch verheißen solch ein Freudenschauer:
Im Glauben stehn die Himmelstore offen!
Doch mußte erst das Leiden sein, genauer
Die Qual der Seele und daß Tränen troffen,
Verzagen war und Angst und wehe Schmerzen
Und Trübsal und der Schrecken in dem Herzen.
 
Das alles muß die Seele überstehen
Und dieses ganzen Lebens schwere Last.
Und Magdalena wollte fast vergehen
Und hat ihr Leben und die Welt gehasst.
Trostlosigkeit erfüllte sie im wehen
Gemüte, und sie sehnte sich nach Rast
An des geliebten Jesus süßer Brust,
Sie hatte am Gebot des Meisters Lust.
 
Zum himmlischen Jerusalem, zum See
Genezareth über dem Firmament,
Wo Balsam blüht der Seele nach dem Weh!
"Wenn nur der Christus meine Seele kennt,
Dann sehe ich die Sabbatfeier je
Und lebe ewig von dem Testament,
Wo ich im Tuch der Freiheit zu dem Guten
Hinwandle, wo die Himmelsmeere fluten."
 
Sie gründeten die christliche Gemeine
Und bauten eine Kirche auf in Aix
In der Provinz. Da kamen aber eine
Prinzessin und ein Prinz im Seelenweh
Zu Magdalena, die saß auf dem Steine
Und sang die Psalmenmelodie vom Reh,
Das morgens früh gejagt wird, vor sich hin
Und hatte ihren Schmerzensmann im Sinn.
 
Sprach die Prinzessin zu der Heiligen:
"Wir beide hätten doch so gern ein Kind.
So bete doch für uns, Verehrte, denn
Wir glauben, daß um dich die Engel sind
Von Gott, daß das Gebet der Betenden
Erhört wird. O du bist so lieb und lind,
Geliebte Jesu wird man dich wohl heißen!"
Stand Magdalena in der Sonne Gleißen.
 
Durch Magdalenas inniges Gebet
Empfing ein Kindlein die Prinzessin bald;
So ward das Wort als Samen ausgesät,
Das war wie Gottes Ewigkeiten alt
Und immerjung, das immerdar besteht
Und Baum ward, worin Taubenrufen schallt,
Und in den Blättern blättert um der Wind.
Auf der Prinzessin Schoß saß süß das Kind.
 
Und Magdalena drauf im Traum erschien
Der Herr und sprach zu ihr: "Ich hab erwählt
Prinz und Prinzessin, daß das Paar mir dien.
Jegliches Menschenwesen hat gefehlt,
Doch Gott hat seinen Kindern all verziehn.
Der Satan aber in der Hölle schwelt."
Der Christus, der geborn in Bethlehem,
Will zeigen Roma und Jerusalem
 
Prinz und Prinzessin, sie im Traum entrücken.
Der Herr und Fürst des Lebens in dem Zeichen
Des Kreuzes ging, der hat in allen Stücken
Die Magdalena (sie wollt Jesus gleichen)
Gerecht befunden. Also zu beglücken,
Kam Magdalena in dem maienweichen
Licht selig nieder in den Traum der Beiden,
Verhieß: Sie werde ihre Seelen weiden.
 
Den Petrus hatte auch der Herr berufen
(So sagt die magdalenische Legende)
Und ist erschienen auf den Marmorstufen,
Faltete zum Gebete seine Hände,
Die einst im Anfang alle Welten schufen:
"Ich sende dich jetzt an der Welten Ende,
Nach Gallien, deinen Geist in die Provinz,
Erschein im Traum Prinzessin da und Prinz."
 
Verehrungswürdige Geliebte du,
O Magdalena! Freudeglück und Frieden
Die Gottheit wehe deiner Seele zu,
Die du voll heiligen Geistes bist hienieden
Erschienen, um Bekehrte in der Ruh
Zu leiten in gesegneten Gebieten,
Daß die in Roma und in Zion wohnen
Sind anzuschaun von Seelen in Visionen.
 
Und Magdalena führte jetzt die Seele
Des Prinzen zu der Stadt Jerusalem,
Wo auf den Eckstein gründen sich Juwele,
Da ist der nahe Ölberg angenehm.
Und nach des Meisters und des Herrn Befehle,
Der einst geboren ward in Bethlehem,
Ist dort die Halle von dem Davidssohn
Im Tempel, und da ist der Gnadenthron,
 
Mit dem Gesetz ist da die Bundeslade,
Zu Seiten stehen goldne Cherubim,
Darauf erhebt sich schön der Thron der Gnade.
O die Versöhnung von dem Zorn und Grimm
Beschlossen wurde nach dem Wasserbade
Der Taufe durch den Christus! Seraphim
Leis singen von dem kristallklaren Meer
Ein "Heilig, heilig, heilig ist der Herr!"
 
Mit der Prinzessin Seele war in Rom
Jetzt Simon Petrus, der in Gnade stark
Jetzt bei der Gründerquelle ging, am Strom
Mit Namen Tiber dann, drauf in den Park
Des Kaisers, wo im maienen Arom
Er bebte in dem innerlichsten Mark
Und sprach zur Seele in dem Sonnenschein:
"Da werde ich am Holz verherrlicht sein.
 
Name des Kreuzes! Unaussagbar lieb
Ist Jesus! Hast du ihn noch nicht gesehn?
Ich weiß, du hast ihn aber innig lieb.
Du sollst dem Übel nimmer widerstehn;
Doch habe Glauben und die Gottheit lieb,
Dann wirst du auf dem Weg des Lebens gehn.
Nimm an Erkenntnis zu und überdies
Gewinne Weisheit von dem Paradies."
 
Beim Forum Appii, Tres-Tabernae
Sind sie gegangen, zu des Jüngers Wohnung,
Wo Petrus oft mit Markus redete
Vom Evangelium. Einst die Belohnung
Im Himmel wird gegeben nach dem Weh.
Der Geist der Tröstung und der milden Schonung
Kam sanft in der Prinzessin Seele ein.
In Zion, Zion ist gelegt ein Stein!
 
Und Magdalena ging jetzt mit dem Prinzen
Den richterlichen Steinweg Gabbata.
"Ihr sprecht von Dill und Raute und von Minzen,
Die Liebe Gottes ging nach Golgatha
Und nach dem Tod in himmlische Provinzen!"
Und Magdalena sprach zum Vater da,
Zu Eli da, zur Liebe Gottes da.
Mit einem war das Himmelreich sehr nah.
 
Und Simon Petrus ging die sieben Hügel
(Beim Lorbeerbaum des Kapitoles) hin.
Die Seele der Prinzessin trug der Flügel
Vom Engel Gottes zu dem Palatin.
Die Beiden aber sahn im Ätherspiegel
Vom Zedernhaine auf dem Aventin:
Von weißem Marmorstein gebautes Rom,
Gebein des Heiligen, der Zukunft Dom.
 
Sie schwebten aber von Italien,
Sie schwebten vom Gefilde Israels
Langsam herüber nach Sardinien,
Da lagerten sie sich an einem Fels,
Drei Monde schon entfernt von Gallien.
Dieweil ernährte mit dem Wunderschmelz
Die Magdalena jenes kleine Kind
Und trug es sanft auf Schwingen wie von Wind.
 
Sie hatte es in einem Wirbelwind
Durch eine sanfte Sphäre goldner Glut
Hinangetragen und es lieb und lind
Durchströmt mit ihrer Liebe warmen Flut
Und herzte es und war dem Herzen gut,
Erleuchtetes mit einem Augenblick
Und spendete dem Kind ein süßes Glück.
 
Die Schwester Marta starb. An jenem Tage
Ging Fronto durch den Wald von Tarrascon
Und träumte von dem schönen Ort Betfage
Und horchte nach der Schleiereule Ton.
Sie hielten dreißig Tage Trauerklage
Und beteten, daß Jesus Christus gebe,
Daß Martas Seele ewig selig lebe!
 
Und Magdalena ging zum Wassersaum,
Marseille erhob sich nahe an dem Meer.
"O Israel, o Israel, mein Traum!
Du süßes Land von Granatäpfeln schwer,
Mit Ölbaum, Maulbeerbaum und Feigenbaum,
Mit See Genezareth, mit Bethlehem,
Mit Jordan, Jabbok und Jerusalem!
 
Wie ich mich nach dem süßen Lande sehne,
Wo seine Spuren prägte der Messias!"
Eine Seufzen war das Herz der Magdalene,
Ein Tränenstrom vom sanften Aug Marias
Floß ihr die Wange hin, und eine Träne
Hob auf ein Engel in der Kraft Elias,
Und sie ward Perle auf dem samtnen Kissen
Im Schatz des Himmels. O sie wollte küssen
 
Den Kuß der Liebe auf Messias' Mund!
"Ich seufz und sehne mich aus fremdem Land,
Wie eine Hirschkuh nach der Quelle und
Wie die Gazelle nach dem Wasserband.
Ach machte mich Betesdas Teich gesund,
Leicht aufgewühlt von eines Engels Hand!
Am meisten wünsch ich, daß ich mich erquicke
Am See Genezareth im Augenblicke."
 
Und Magdalena und die zwei Marien
Nahmen in Richtung Malta jetzt ein Boot,
Sie konnten mit der Gunst des Windes ziehen
Von angenehmem Sonnenlicht umloht.
Die Jünglinge auf Malta aber schrieen:
"Die Göttin der Vergeltung morgenrot,
Von der die Dichter sangen und die Musen,
Kommt selber an mit einem Paar Empusen!"
 
Die Heilige gebot den Geistern Schweigen,
Die in den Knaben wühlten und sie rissen
Und ausgefahren sind. Jetzt aber zeigen
Die Knaben mit geheiligtem Gewissen
Sich der Geliebten Gottes. Ringelreigen
Sie tanzten ihr. Jetzt aber Segel hissen.
Sie ging, vor ihrem Schritte flohen Vipern,
Und nahm ein Segelboot in Richtung Zypern.
 
Auf Zypern aber schrieb sie einen Brief
Wohl an die Mutter Jesu, die Maria,
Die der Messias einst nach Jawan rief:
"Es hieß doch, erst muß kommen der Elia;
War das der Täufer in dem Jordan tief,
Johannes, jener Sohn von Zacharia?
Auf diesen reicht Gesetz und Prophetie.
Das Wort zu jeder Psalmenmelodie
 
Muß im Messias die Erfüllung finden.
Die Botschaft ward gebracht so manchem Eiland,
Paphos und Patmos Boten Freude künden
Und alle Inseln Jawans hörn vom Heiland.
Wie aber war der Tod zu überwinden?
Ich hatte davon eine Ahnung, weiland
Messias Jesus mit dem Tod gerungen,
Hat ein für alle mal den Tod verschlungen
 
Und gab den Weg des Lebens uns für immer.
Dies ist das Auferstehn. Was ist die Sünde?
Im Glauben nicht zu sein ist schlimmer
Als hoffnungsarm. Ach glich ich doch dem Kinde,
Das alles glaubt und alles hofft und nimmer
Von Liebe lässt. O daß ich überwinde
Und ewig in Messias' Liebe bliebe!
Ich grüß dich mit dem Kusse meiner Liebe."
 
Und Magdalena stieg den Berg hinan,
Auf den Olympus durch das Zederntal.
Da lag die Ebene, der Erdenplan,
Zu ihren Füßen, und der Himmelssaal
War offen über ihr, und eine Bahn,
Von lilienweißen Wolken ohne Zahl
Gesäumt, ging über den verschneiten Gipfel.
Sie ruhte unter einem Kiefernwipfel.
 
Da sah sie niederkommen auf den Gipfel
Die Flammensäule, wie sie einstmals Mose
Begleitete, die war beim Kiefernwipfel
Und anzusehn wie eine rote Rose
Und rührte Magdalena an den Zipfel;
Zu Seiten aber wie zwei lichte Lose
Zwei Himmlische, wie Lilien weiß wie Schnee.
Und Magdalena wogte wie die See.
 
Die Stimme Jesu ist wie Wasserrauschen,
Die Stimme Jesu macht die Berge beben.
Dieweil den Tauben ihre Federn bauschen,
Ruhen die Füchse an dem Berg der Reben.
"Du Menschenkind, du kannst dein Los nicht tauschen,
Ein jeder trägt sein eignes Kreuz. Vergeben
Kann Gott allein und leiten in die Wonne."
Da war es um sie licht wie Mittagssonne.
 
Und Magdalena stieg den Berg hinab
Im weißlichen Gewand mit einem roten
Umhang, da nahm sie einen Hirtenstab
Und lauschte dem Gesang von Himmelsboten.
Da sah sie in der Ferne schon das Grab
Vom Bruder Lazarus, der von den Toten
Einst auferstanden durch das Wort vom Heiland.
Kittim! vom Meer umschlungnes Perlmutteiland!
 
Und Magdalena mit den Mandelaugen
Und mit den Lippen, die den Heiland küssten,
Sprach: "Freut euch, Lieben, denn jetzt dürft ihr saugen
Und dürft nun reichlich trinken von den Brüsten
Des Trostes, denn zur Tröstung weiß zu taugen
Die Mutterbrust; und alle die vermissten
Den Trost, sie werden nun getröstet sein,
Denn Gott will trösten wie die Mutter mein."
 
Sie sprach bei Paphos an dem Meeressaum:
"Ich meine doch, ich müßte erst noch sterben,
Dann aber wird mein Leben sein ein Traum.
Ich wollte um die Liebe Gottes werben
Und um die Lebensfrüchte von dem Baum
Himmlischen Paradieses; wollte erben,
Nachdem ich nackt gewesen bin, ein Kleid
Der Herrlichkeit und der Unsterblichkeit."
 
Von Paphos-Ktima ging sie übers Meer,
Von dem Olympus zu dem Karmel-Fels,
Der sich gerade aus dem Meer hebt, sehr
Beglänzt von weißem Sonnenlicht wie Schmelz.
Vom Berge Karmel sah sie hold und hehr
Weithin zu den Gebirgen Israels:
O Tau vom Hermon, ihr drei Jordanquellen,
O Tabor und ihr grünen Hügelwellen!
 
Sie ging jetzt zu dem Gottesberg Baschan,
Denn dort war ihr bereitet eine Höhle.
Wo in den Lüften kreiste der Milan,
War lauter Einsamkeit um ihre Seele.
Sie forschte nach Messias' tiefem Plan
Und horchte nach dem himmlischen Befehle:
"Die Gottheit ist nicht wie polierter Speckstein.
Siehe, ich leg in Zion einen Eckstein."
 
Da war ein rotgefärbtes Widdervlies
Gebreitet trocken ihr zu einem Bette,
Auf Mandelblütenleuchter Wachs zerfließ,
Ein Totenschädel lag vor jener Stätte,
Bedolachharz vom ersten Paradies
War aufgereiht an einer goldnen Kette,
Ein kleines Fläschchen mit dem Rosenöle
Der liebste Schatz war da für ihre Seele.
 
"Jetzt wandle ich zwar noch in Fleisch und Blut,
Doch Christus ist erstanden von dem Tod.
Ich strebe nach der Liebe Gottes, gut
Will ich die Psalmen singen Zebaoth.
Gott gebe mir Geduld und Kraft und Mut,
Es kommt die Herrlichkeit wie Morgenrot,
Ja wie das wunderbare Morgenlicht,
Zu sehn von Angesicht zu Angesicht
 
Hoff ich dann dort den König Israels,
Wenn ich auch jetzt nur seh in einen Spiegel."
So redete sie auf dem hohen Fels,
Der war umgeben von so manchem Hügel,
Der Gipfel war bedeckt mit weißem Schmelz.
Da kam herab mit einem Flammenflügel
Der Engel Gottes von Mahanajim.
Da bebte fern die Stätte Karnajim.
 
"Wenn sich doch Juda und Samaria,
Die Juden und die Heiden wollten wenden
Sich zu dem Christus Jesus! Moria
Würd jauchzen und von allen Weltenenden
Felsen und Steine jubeln, Fern und Nah
Würden Jerusalem die Gaben senden!"
Der Engel kam, da bebte Ashtarot
Vorm Gang des Himmlischen von Zebaoth.
 
Die Höhe tanzte einen Freudentanz,
Und Magdalena sang Messias Ehre,
Der seine Liebe mit dem Myrrhekranz
Des Lebens kröne. Nach dem Leben wäre
Sie in der Herrlichkeit wie mit dem Glanz
Des Morgensternes überm Himmelsmeere.
Der Engel Gottes kam zu ihr hienieden
Und grüßte sie so: "Meine Liebe, Frieden!"
 
Sie schüttelte ihr Haar wie einen Schleier
Und war gehüllt in goldnen Glanz und Schimmer.
Sie sehnte sich so sehr zur Sabbatfeier
In Ewigkeit, wo süße Ruhe immer
Sie sanft umhüllt. Sie war wie eine Leier
Gespielt von meisterlichen Händen, nimmer
War eine Melodie so lieb und leise,
Wie König Davids meistgeliebte Weise.
 
Auf einer Wolke kam der Christus nieder
Und kam zu ihr und brach mit ihr das Brot
Und reichte ihr den Heilskelch und sprach wieder:
"Dies ist mein Leib, den ich dir selber bot,
Dies ist mein Blut des Bundes." Psalmenlieder
Vom Himmel her in diesem Augenblick
Verhießen ihr ein ewigliches Glück.
 
"Ich hab dich je und je geliebt, Maria,
Drum zog ich dich zu mir mit meiner Güte.
Ich komme zu dir in der Kraft Elia,
Die Füße dir zu waschen. Im Gemüte
Hab ich dich lieb; denn so wie Jeremia
Gesagt, in dem die Prophezeiung glühte:
Ich trat die Kelter, Kelter einer Maid,
Der Tochter Juda zur Glückseligkeit!"
 
Und Magdalena sprach: "Ich bin die Magd."
Messias sprach: "Du wirst die Fürstin sein."
Sie sprach: "Ich hab mein Leben lang geklagt."
Er sprach: "Im Himmel gibt es Wonnewein."
Sie sprach: "Ich wurde wie ein Reh gejagt."
Er sprach: "Du wirst im Morgensonnenschein
Verlassen deines Leibes Haus, die Höhle,
Wohnst himmlisch in der Seligkeit der Seele!"
 
Messias stieg hinan auf einer Wolke,
Und Magdalena weinte Freudentränen:
"Jetzt wird das Töchterlein von Gottes Volke
Erfüllung finden ihrer Seele Sehnen
Und in dem Lichte überm Morgenkolke
Verscheiden." Sang der Mund von Magdalenen:
"Ich gebe meinen Geist in deine Hände!
Gott sei mit mir bis an der Welten Ende.
 
Ich will jetzt in den Tod, zum Auferstehn,
Getrocknet wird mir meine Tränenflut,
Im Himmel werd ich die Erlösung sehn
Und eine süße Sphäre Morgenglut
Und werde mit den Himmelswinden wehn,
Ja ewig glücklich sein, durch Jesu Blut,-
Ich gebe meinen Geist in deine Hände!"
Gott ist mit dir bis an der Welten Ende.
 
 
 
 
ZWEITER TEIL
 
„...den ich, so schien es mir, froh gestimmt sah, bei Simon dem Aussätzigen zu Gaste zu sein. Aber aus Ehrfurcht vor unserer teuren Magdalena wagten wir nicht, zu seinen Füßen niederzufallen, sondern gingen zu seiner heiligen Mutter, die, wenn ich mich nicht täusche, dort war. Ich war sehr traurig, daß wir nicht so viele Tränen und so viele Wohlgerüche hatten wie die heilige Büßerin. Aber unsere heilige Frau gab sich mit einigen Tropfen zufrieden, die auf den Saum ihres Gewandes fielen, denn wir wagten nicht, ihre heiligen Füße zu berühren. Eines tröstete mich sehr: nach dem Mahle brachte unser Herr die ihm teure Bekehrte zu unserer Lieben Frau. Sie sehen, daß sie seitdem beinahe immer bei ihr war; die Heilige Jungfrau liebte diese Sünderin sehr. Das gab mir viel Mut und ich war unendlich froh.“
(Der hl. Franz von Sales an die hl. Johanna von Chantal)
 
„Alle wunderten sich über ihr Aussehen, ihre Beredsamkeit und den Reiz ihrer Sprache. Und es ist ja kein Wunder, daß der Mund, der den Füßen des Erlösers so fromm und liebevoll Küsse gegeben hatte, mehr als der anderer Menschen voll war vom Duft des göttlichen Wortes.“
(Legenda aurea)
 
 
Prolog:
 
„Ich bin das Glück der Buße,
Daß du in der Versöhnung selbst erfahren.
Ich lag zu Jesu Fuße,
Umschlang mit meinen Haaren
All jene, die zu Jesu Füßen waren.
 
Auch dich hab ich umschlungen
Mit meinen goldnen Haaren, welche wehten
Wie Feuerflammenzungen.
Ich lehre dich das Beten,
Ich Rose von Jerusalem und Eden...“
 
 
 
I
 
DICHTER:
 
Von fürstlichem Geschlechte
Warst du in dieses Tränental geboren,
In diese Sündennächte,
Wo unsrer Seelen Ohren
Dem Wort verschlossen, unser Herz verloren.
 
Was sind wir nicht geblieben
Im dunklen warmen Schoße unsrer Mütter?
Doch wenn sie uns nicht lieben
Und uns vertrieben bitter,
Dann müssen wir ins weltliche Gewitter.
 
Wer wird im Sündenregen
Vor der Versuchung Satans uns bewahren?
Wie wird uns Gottes Segen,
Wo wir der Welt treu waren,
Den bösen Buben und Dämonenscharen?
 
Die Mutter Eucharia
Gab dir als Erbe liebendes Verlangen,
Denn Liebe, o Maria,
Dir rötete die Wangen,
Wenn du das Fleisch in deiner Schuld umfangen.
 
Dein Vater Syrus reichte
Den Reichtum weiter dir in deinen Wandel.
Wie müde wird das seichte
Gemüt, wie bittre Mandel,
Wenn Mammon uns gekauft in üblem Handel.
 
Wir erben unsre Schulden
Von unsern Eltern, die die Schulden erben.
Kann Gott sich noch gedulden,
Wenn wir die Welt umwerben
Und an dem Dämon und dem Fleisch verderben?
 
MAGDALENA:
 
Messias dir zum Gruße!
Du wende dich von weltlicher Gemeinheit
Durch das Gebet der Buße
An Gott und bitt um Reinheit:
Ein reines Herz allein erlangt die Einheit.
 
Ich will für deine Sünden
Fürsprache halten vor dem Gnadenthrone.
Laß deine Minne münden
In Jesu Herz, vom Sohne
Erlang durch deine Liebe dir des Lebens Krone!
 
Ich will vom Himmel segnen
Dein Herz, mit meinem Namen dich umgeben,
Von innen dir begegnen,
Betrachtest du mein Leben,
Dich in den Schleier meiner Locken weben.
 
 
 
II
 
DICHTER:
 
Den Bruder und die Schwester
Hast du geliebt durch deines Blutes Bande.
Gesalbt und schön wie Esther
Du standest an dem Strande
Fischreichen Meers in Galiläas Lande.
 
MAGDALENA:
 
Ich durfte herrlich wohnen
In Magdala in meinem Burgbesitze.
Doch Reichtum kann nicht schonen
Und Gold ist wenig nütze
Und weltlicher Besitz ist keine Stütze.
 
Die Burg will ich vergleichen
Nach der Erleuchtung und dem tiefern Wissen
Der Seele innern Reichen,
Im Innersten auf Kissen
In Ruh den göttlichen Gemahl zu küssen!
 
DICHTER:
 
Haushalterschaft als Gabe
Ward Martha von Bethanien gegeben.
Der Honig aus der Wabe
Und Labe roter Reben
Erfreute deiner Schwester Leib und Leben.
 
MARTHA:
 
Die Dinge dieser Erde
In Gottes Auftrag richtig zu verwalten
Ist meine Pflicht. Ich werde
Alltäglichkeit gestalten
Und mich an Adam oder David halten.
 
DICHTER:
 
Und Lazarus von Zion
Besaß den dritten Teil von eurem Erbe.
Plejade und Orion
Schaun beides, hold und herbe,
Und Gott, daß nie Jerusalem verderbe.
 
LAZARUS:
 
Durch mein Gebet versöhne
Ich die geliebten Brüder des Messias
Und Hagars wilde Söhne
Und in dem Geist Elias
Das Volk, das so beklagte Jeremias.
 
Ich will die Einheit sehen
Von Abrahams verheißnen Sternensamen,
Das Leben soll erstehen
Und in des Höchsten Namen
Soll Christ, Muslim und Jude sagen Amen.
 
DICHTER:
 
Die Schwestern und die Brüder
Sind lieb mir, doch am liebsten mir die Schöne,
Die schaut so lieblich nieder
Und mehr als alle Söhne
Hab ich sie lieb, daß ich ihr Lobpreis stöhne.
 
MAGDALENA:
 
Was sind des Blutes Bande?
Vorliebe will ich gerne dir erweisen!
Ich will im Heiligen Lande
Dir den Messias weisen,
Auf daß du mögest seine Liebe preisen!
 
 
 
III
 
DICHTER:
 
Ich grüß dich, Magdalene,
Und bitt, stimm an den Grundton meinem Liede.
Du trocknetest die Träne,
Die hing an meinem Lide,
Nun seh ich dich so schön, so süß und süde.
 
MAGDALENA:
 
Ich bete in den Nächten
Des Glaubens und der Seele und der Sinne
Für dich. In goldnen Flechten
Tret ich zum Herrn der Minne
Und bin vor Jesus deiner Liebe inne.
 
DICHTER:
 
Ich will dir herzlich danken,
Du führtest von der Schwermut mich zur Wonne.
Ich trag dich in Gedanken,
Du schön wie eine Sonne,
Wärs möglich - schöner noch als die Madonne!
 
Du Schwester aller Engel,
O laß dich tanzen sehn im schönen Tanze!
Nimm an den Lilienstengel
Des Liedes, schön vom Glanze
Von Jesu Herz, verwundet von der Lanze!
 
Ich will, du Wunderschöne,
In deiner Schönheit Herrlichkeit mich betten.
Mit deiner Liebe kröne
Mir meine innern Stätten
Und bitte Gott, mich aus dem Tod zu retten!
 
MAGDALENA:
 
Wohl schön war ich am Leibe
Und lebte Leidenschaften und Begehren.
Hingabe einem Weibe,
Wer wollt es ihr verwehren?
Wer wert der Liebe ist, wer wollt es lehren?
 
Ich lebte in den Sinnen
Und in erotischer Begier und Glühen,
Doch ausgebrannt war innen
Und öd mein Herz, kein Blühen
Von Gegenliebe lohnte all mein Mühen.
 
Ich stillte alles Brennen,
Mein fleischliches Verlangen. Doch die Leere
Im Innern lernt ich kennen,
Wie ich umsonst begehre,
Durch alle Lust nur meine Schwermut mehre.
 
Je mehr der Wollust Wonnen
Mich aufgejagt, so tiefer in die Sünde
Bin ich hinabgeronnen,
Wo ich ins Leere münde
Und auf die Nichtigkeit mein Leben gründe.
 
Dem Tode sich zu weihen,
Wer wills von denen, die die Lüste lieben?
Doch Gott wollt mir verzeihen,
Befreien mich von sieben
Dämonen. Drauf bin ich beim Herrn geblieben.
 
DICHTER:
 
Sind Leib und Lust und Sinne
Wie Welt und Fleisch verwerflich und Dämonen?
Wollt denn nicht Gottes Minne
Im Fleisch des Menschen wohnen?
Will nicht das Fleisch im Wort im Himmel wohnen?
 
MAGDALENA:
 
Der Leib ist eine Leiter,
Durchsichtig seien sollen alle Sinne
Für Gottes Sonne, heiter
Sei du der Liebe inne,
Vor allem dich aufs Innerste besinne.
 
Wenn in dir dann das keusche
Licht Gottes leuchtet, Jesu sieben Kerzen,
Dann liebe du im Fleische
In Freude und in Schmerzen
Das lichte Jesusherz in deinem Herzen.
 
Dann wirst du Christus finden
In Armen und Verlorenen und Kindern
Und nur an Gott dich binden
Und Speise sein den Mündern
Hungriger Herzen, Sakrament den Sündern.
 
Da sieh den Leib als Zeichen,
Darin des Geistes Gegenwart zu schauen,
Doch nicht vom Geist zu weichen
Und nicht dem Eitlen trauen
Und Gott allein verehren in den Frauen.
 
Nun scheide ich nach oben
Ins Himmelreich, das innen ist verborgen.
Die Herrlichkeit zu loeben
Des Herrn, trotz aller Sorgen,
Hat Gott berufen dich am Schöpfungsmorgen.
 
DICHTER:
 
O Herrliche und Schöne,
Ich bin verliebt in deine goldnen Locken
Und goldnen Flechten. Töne
Zu meines Liedes Glocken,
Durch deine Schönheit alle Welt zu locken.
 
Du weißt, wie ich mich sehne
Nach dir, in Frauenschönheit Ohnegleiche!
Gewähr mir, Magdalene,
Zugang zum Himmelreiche,
Mit deiner Myrrhe meine Stirn bestreiche.
 
Ich will in meinen Sünden
Dich Freundin, brennender Messias-Minne,
Den Lauschenden verkünden,
Der Gnadengabe inne,
Dich anzuschauen ohne meine Sinne.
 
Vor dir die Hände falten
Will ich und betend meinen Tag beschließen
Und den an Tagen Alten
Zu deinen schlanken Füßen
Als dein Verehrer - Gott anbetend - grüßen!
 
 
 
IV
 
DICHTER:
 
Zu Christus will ich beten,
Der eingetreten in das Haus des Armen,
Des von der Welt Verschmähten,
Um sich mit seinem warmen
Erlöserherzen herzlich zu erbarmen.
 
Der, den der Aussatz plagte,
Der fragte sich, was seine Sünden wären.
Der Ausgeschlossne klagte,
Wie Pharisäer lehren,
Daß er nicht durft den Gott des Himmels ehren.
 
Wie es Franziskus machte,
Schloß Jesus den Verworfnen in die Arme,
Der weinte, dankte, lachte
Und gab mit seinem Harme
Dem Herzen Jesu sich und sprach: Erbarme!
 
MAGDALENA:
 
Da nahte die Hetäre,
Von aller Welt als Sünderin verachtet,
In ihres Herzens Leere
Und wie vor Durst verschmachtet,
Und sah, wie Gott der Herr die Not betrachtet.
 
Wenn Jesus so sich neigte
Und den Verworfenen zum Freund erklärte
Und sich zum Elend beugte
Und Liebe zeigte, lehrte
Jehowahs Huld, war er der Preisungswerte.
 
Ja, alle meine Sünden,
Unreinheit, Aussatz meiner Seele schrieen:
Dich, Meister, wollt ich finden,
Mich dir verbinden, fliehen
Mit dir zu Balsamhügeln, welche blühen!
 
Ich warf mich ihm zu Füßen
Mit wilder Leidenschaft und heißem Sehnen,
All meine Schuld zu büßen,
Und weinte Reuetränen
Und fühlte Flammen wehn in meinen Venen!
 
Da ich die Füße küsste,
Da schmeckt ich Süßigkeit mit meinem Munde,
Empfand, wie ich durch Christe
An meiner tiefsten Wunde
Und sündiger Verlorenheit gesunde.
 
JESUS:
 
Ich sah die Tränen tropfen
Und nahm sie an wie beste Nardesalben.
Du zogst der Liebe Propfen
Vom Fläschchen, mich zu salben,
Ich liebe Liebestränen allenthalben!
 
Was geben die Gerechten
In Frömmigkeit und Tugend, wenn sie richten?
Vielmehr lieb ich die Schlechten,
Einfältigen und Schlichten,
Wenn sie aufs Liebesopfer nicht verzichten.
 
Hingabe lieb ich immer
Und ward sie auch geopfert von den Wilden,
Gesalbt von Tränenschimmer
Ich wandle in Gefilden
Von wüster Wildnis, Eden dort zu bilden.
 
MAGDALENA:
 
Wie glich ich einer Wüste,
In welcher Leopard und Panther fauchen,
Doch da ich Jesus küsste
Mit meiner Seufzer Hauchen
Die Füße, die vom Wüstenwandern rauchen,
 
Erwuchs in mir die Blüte
Des Myrrhestrauchs, des Balsams und der Narden,
Der Tau der Liebe sprühte,
Das Herz mir umzuarten
Durch Gottes Gunst zu einem grünen Garten.
 
JESUS:
 
Ich trag auf Engelsflügeln
Dich zu den sieben Siegeln auf der Quelle.
Auf Zions Balsamhügeln
Werd ich der Blüten Helle
Durcheilen als ein Hirsch mit der Gazelle.
 
 
 
V
 
DICHTER:
 
O Magdalena, sage,
Was war in dir die Arbeit der Dämonen?
Antworte meiner Frage.
Satanische Legionen
Auch heute in der Welt zerstörend wohnen.
 
MAGDALENA:
 
Du weißt vom bösen Geiste,
Der über Saul gefallen ist zum Zorne.
Doch Davids Lobpreis preiste
Gott immerdar von vorne
Als aller Heiligkeit und Friedens Borne.
 
Die Scharen böser Teufel
Erwirken einer Seele schweren Schade,
Sie säen Glaubenszweifel
An Gottes schöne Gnade
Und an das Manna in der Bundeslade.
 
Verzweiflungen und Schwermut,
Unlust und Mißmut soll die Seele lähmen.
Vom schwarzen Sterne Wermut
Sie nahn als dunkle Schemen,
Der Seele alle Lust an Gott zu nehmen.
 
Sie werfen sie aufs Leere
Der eitlen Fleischgelüste und Vergnügen,
Daß nicht zu Gottes Ehre
Die Seele mag sich fügen
Und läßt am Heiligen sich nicht genügen.
 
Die äußern Formen zeigen
Sich hohl von allem inneren Gehalte,
Sie hassen Hoffnung, Schweigen,
Daß sich das Herz entfalte
Und durch die Glut der Liebe nie erkalte.
 
Sie predigen das Hassen
Und zelebrieren Messen der Vernichtung,
Die nie vom Kriege lassen,
Besudeln alle Dichtung
Des Schöpfers und verfinstern jede Lichtung.
 
DICHTER:
 
Du hattest Krieg im Herzen
Und fandest doch zu Gottes großem Frieden.
Das Licht der sieben Kerzen
Des Heiligen hienieden
Ward zur Erleuchtung deinem Geist beschieden.
 
MAGDALENA:
 
Der Freudenbotschaftbringer
Erlöste mich vom Elend meiner Sünden
Durch Heiligen Geistes Finger,
Den Frieden zu verkünden,
Mein Herz mit Gottes Herzen zu verbinden.
 
JESUS:
 
Ich habe ausgetrieben
Durch mein Gebet die Vollzahl der Dämonen,
Denn Gott will Herzen lieben
Und in den Herzen wohnen,
Im reinen Herz auf weißem Throne thronen.
 
Wenn ich die Hütte kehre,
Das Herz durch Buße umkehrt in die Reinheit,
Das Herz die Treue schwöre
Dem Herrn, mit Gott in Einheit,
Gott schützt es vor dämonischer Gemeinheit.
 
Du mußt nur immer beten
Und trotzen nicht die einst die Rotte Dathan.
Dann mach ich zum Propheten
Wie David dich und Nathan:
Ich werfe in die Qual der Hölle Satan!
 
Ich hab das Herz gereinigt,
Der Heilige Geist zog ein in das Gebäude,
Im Geist mit Gott vereinigt,
Daß keine Macht sie scheide,
Erfährt das Herz die Auferstehungsfreude!
 
DICHTER:
 
Zur Palme oder Thuja
Bist du geworden in des Lichtes Weihe.
Sing Jesus Halleluja,
Daß er die Menschheit freie,
Zur ewigen Glückseligkeit erneue!
 
MAGDALENA:
 
Ich reich dir eine Palme
Und salbe dich mit Heiligen Geistes Öle.
Sing deine Minnepsalme,
Mein Scheiden in der Höhle
Und die Vereinigung von Gott und Seele!
 
 
 
VI
 
MAGDALENA:
 
Ach Augen voller Tränen
Und eine Seele voll von wehen Klagen
Und wehmutvolles Sehnen
Nach alten frohen Tagen,
Nun aber liegt mein Bruder hier erschlagen!
 
Er liegt im Tod gebettet,
Wo ihn der Hades wie ein Schäfchen weidet!
Wann kommt der, der ihn rettet
Vom Tode, dran er leidet,
Der Leib und Seele ihm vom Tode scheidet?
 
Ach wäre doch der Meister
Nur nah, wär Lazarus uns nicht gestorben!
Der Herr der sieben Geister
Ließ ihn nicht wurmumworben,
Wär Jesus hier, er wäre nicht verdorben!
 
Doch nun im Todesschatten
Und Finsternis so schwarz als wie ein Rabe
Wir uns dem Tode gatten.
Komm mit dem Hirtenstabe,
O Herr, und führe uns zum Quell der Lebensgabe!
 
Was sollen wir im Grabe
Wie leere Schatten in den Nächten schlafen?
Ist nur das Grab uns Labe,
Uns armen schwarzen Schafen,
Und ist der Hades uns allein ein Hafen?
 
Wie schwarze Fledermäuse
Wir flattern irre in den dunklen Nächten,
Im felsigen Gehäuse
Und in der Gräber Schächten,
Ob wir im Grab das Herz zur Ruhe brächten.
 
MARTHA:
 
Ich seh den Meister nahen
Und fühl vor Kummer meine Seele beben,
Weil wir ihn lang nicht sahen.
Er gibt uns neues Leben,
Er ist der Weinstock, wir sind seine Reben.
 
Er, schön wie eine Blume,
Die aus der Erde blüht, ein Lilienstengel,
Zu seinem Eigentume
Kommt er, uns alle Mängel
Uns zu ergänzen durch das Brot der Engel.
 
MAGDALENA:
 
Der Weinstock ist und Manna,
Er geb uns Wasser aus des Lebens Bronne.
Messias! Hosianna!
Laß leuchten deine Sonne
Und wandle unsre Leiden uns in Wonne!
 
Die Ödnis und die Leere
Des Schattenreichs wie Blumen laß erblühen!
Die Stürme still, die Meere,
Der Hölle heißes Glühen,
Laß die Fontäne neues Leben sprühen!
 
JESUS:
 
Die Augen gehn mir über,
Es bricht mein Herz vor wehem Liebesliede!
Was starbest du, Viellieber?
Es brennt mein Eingeweide,
Fürs Leben sind wir Freunde doch wir beide.
 
Da muß ich mich erbarmen,
Seh ich als Schatten dich im Todesschrecken,
Aus wehen herben Harmen
Will ich dich auferwecken,
Im Leben weiden dich mit Stab und Stecken.
 
MARTHA:
 
Mit unserm ganzen Wesen
Wir müssen weinen, unsre Tränen blinken,
Wir sahen ins Verwesen
Des Bruders Leib versinken,
Da frißt der Wurm, der Bruder wird schon stinken.
 
JESUS:
 
O Ewiger des Lebens,
O schöpferische Majestät, o Quelle!
Ich bete nicht vergebens:
Gieß deiner Gnade Welle
Und wekce Lazarus aus Hades’ Hölle!
 
Der Vollmacht mir gegeben,
Den Bruder zu erwecken aus den Toten
Herauf zu mir ins Leben,
Der hat mir auch geboten,
Herabzusteigen in das Reich der Toten.
 
Ich steh im Schattenreiche
Als Gottheit und als Mensch in Einem Wesen
Und wecke dich, o Leiche,
Entbinde dich dem Bösen.
Ich bin von Gott genaht, dich zu erlösen.
 
MAHDALENA:
 
Ich trau nicht meinen Sinnen,
Doch Lazarus ist uns zurückgegeben,
Da sinkt das Totenlinnen,
Die Felsengräber beben,
Ich sehe einen Schimmer ihn umschweben.
 
Ich seh ihn lächeln leise
Und demutvoll und sanft ihn schaun und stille,
Von Gottes Weisheit weise
In schön verklärter Hülle.
Das neue Leben ist des Ewigen Wille.
 
LAZARUS:
 
Gepriesen, hoch gepriesen
Sei mir die Hoffnung Moses und Elias!
In Himmelsparadiesen
Ist Marthas und Marias
Geliebter Freund der heilige Messias!
 
Ich war im Reich der Toten,
Da wollte Satan meine Seele weiden.
Doch Gott hat mir geboten,
Mich von dem Tod zu scheiden,
Des Lebens Licht zu bringen zu den Heiden.
 
JESUS:
 
Ist nun, o Magdalene,
O Magdalenas Schwester, euer Leiden
Gestillt und eure Träne?
Wer da bereit zu leiden
Mit mir, dem werden Wonne seine Leiden!
 
Das Leben ist ein Leiden,
Das Leiden ist zur Wonne dir gegeben.
Ich will im Leid dich weiden,
Du sollst in Wonne schweben,
Sollst leben, o mein Liebling, ewig leben!
 
 
 
VII
 
JESUS:
 
Ich geh im Weltgetriebe,
Zu ruhn bei euch, euch Tauben in den Nestern,
Der ich euch herzlich liebe
Mit einer immer festern
Erwählungsliebe, meine lieben Schwestern.
 
MARTHA:
 
Und willst du Wasser trinken
Und bist du durstig von den staubigen Wegen?
Der Becher soll dir blinken,
Es soll dein Durst sich legen
Durch meiner mütterlichen Liebe Segen.
 
Ich habe gute Brote,
Im Feuer meines Herdes braun gebacken.
Für dich, o Gottes Bote,
Ich beuge meinen Nacken,
Erleichternd dir, mir Lasten aufzupacken.
 
JESUS:
 
Ich habe schöne Kunde,
Dir bring ich euch von Gottes Morgensternen.
Ihr sollt von meinem Munde
Das Wissen aus den Fernen
Und Gottes Weisheit mit den Herzen lernen.
 
MAGDALENA:
 
Ich will dir gerne lauschen
Und deiner Weisheit, deiner Freude Kunde,
Will meine Torheit tauschen
In dieser Dämmerstunde
Mit deiner Weisheit, Wort von deinem Munde.
 
Ich will vor deinen Schuhen
Mich lagern wie ein Lamm bei seinem Hirten.
Wir werden lieberuhen
In deiner Weisheit Myrten.
Wie aber, Meister, soll ich dich bewirten?
 
Ich habe keine Werke
Und kein Verdienst, das ich dir könnte zeigen.
Ich bin wie Gottes Berge
Ganz tatenarm, und Schweigen
Und Muße vor dem Wort ist mir zu eigen.
 
Ich harre in der Stille
Und Einsamkeit auf Geistes Inspirieren,
Ich suche Gottes Wille
In meinem Meditieren
Und will versenken mich und kontemplieren.
 
Ich zähl mich zu den Müden
Und will nur in die Vorsicht Gottes fallen,
In tatenlosen Frieden,
In tiefen innern Hallen
Zum innersten Gemach der Brautschaft wallen.
 
JESUS:
 
Ich will den Weg dir zeigen
Und lehren, mit dem Herzen anzubeten
In Hoffnung und in Schweigen.
Jehowahs Hauche wehten,
Als Eva abends schwieg im Garten Eden.
 
In blauer Dämmerstunde
Sah Eva ich auf Jahwes Kommen warten,
Ein Wort von Gottes Munde
Zu hören mit dem zarten
Bereiten Herz im innerlichen Garten.
 
MARTHA:
 
Des Abendbrotes Stunde
Ruft uns zu einem trauten Feiermahle.
Gib etwas auch dem Hunde!
Wie Weißwein schaut der fahle
Mondschein hinein zu unserm armen Saale.
 
Wenn deiner Weisheit Sprüche
Die Arbeitsamen trösten und bestärken,
Dann schick Sie in die Küche
Zu Fleiß und guten Werken,
Dann will ich deine Weisheit auch mir merken.
 
JESUS:
 
Sie soll so viel wie möglich
Weltabgewandt verharren im Gebete.
Ich liebe dich unsäglich,
Doch besser ist die stete
Versenkung, daß sie wahrhaft Gutes täte.
 
Wer sich zur Quelle wendet
Und sich vereint mit Gott in Lob und Preise,
Des gutes Werk nicht endet,
Der fand zum wahren Fleiße.
Und alle nährt der Vater wie die Meise.
 
Ergreifen dies die Frommen,
Dann greifen sie nach einem guten Teile;
Das wird ihr nicht genommen,
Die sich zuerst zum Heile
Gewandt. Und du nicht nach dem Eitlen eile.
 
MAGDALENA:
 
Ich will der Weisheit lauschen
Und schürfen in der Weisheit Felsenbrüche,
In meines Mantels Bauschen
Verbergen seine Sprüche.
O Martha, schau, ich trete in die Küche.
 
Ich laß vom guten Teile,
Auf daß du lauschen kannst dem wahrhaft Weisen,
Der Weisheit selbst, zum Heile,
Er wird den Weg dir weisen,
Ich werde ihn auch in der Küche preisen.
 
 
VIII
 
JESUS:
 
Was weinet ihr, ihr Frauen,
Da ich für euch doch will am Kreuze leiden!
Ihr möget Gott vertrauen.
Und werd ich von euch scheiden,
So komm ich wieder, euch als Hirt zu weiden.
 
MAGDALENA:
 
Gott höre meine Klagen,
Ich brenn vor Schmerz wie eine schwarze Flamme!
Ich seh sie Nägel schlagen
Und ihn am Kreuzesstamme,
Den stummen Dulder, gleich dem Opferlamme.
 
Wie ihn die Nägel schmerzen,
Das Händewaschen seiner Peinbereiter,
Die Dornen auf dem Herzen,
Der Frevel frevelt heiter,
Doch Gott erhebt das Kreuz zur Himmelsleiter!
 
Ich seh die Wunden bluten
Und höre ihn in jähen Schmerzen schreien
Und hör das Wort des Guten
Den Peinigern verzeihen.
O möge mich der Herr am Kreuze freien!
 
Ich seh die Weisheit leiden
In seinem Fleisch, mit seinem Gottesherzen
Sich selber Schmerz bereiten
Durch Lästermäulerscherzen
Und mir sich einen, mir in meinen Schmerzen.
 
In hingegebnem Flehen
Ergeb ich mich zu den durchbohrten Füßen,
Im Wundenmal zu sehen
Den würzigen und süßen
Erlöser. Ihm zu Liebe will ich büßen.
 
Ich will mich weinend schmiegen
In seine Wunden unter seinen Blicken,
Mich in die Spalte fügen,
Zu sehen Gottes Rücken,
Um seinetwillen in den Schmerz mich schicken.
 
JESUS:
 
O Gottes Kind, vom Kreuze
Vertrau ich dich Mariens Mutterherzen!
Orion, Beteigeuze,
Der Siebensterne Kerzen,
Sie krönen flammend sie in ihren Schmerzen.
 
MAGDALENA:
 
Die Tränensalben sollen
Dir deine Füße waschen und dich salben.
Seh ich zur Gnadenvollen,
Will ich ihr allenthalben
Vertrauen, wie Johannes in den Alben.
 
MARIA:
 
Du siehst den Meister sterben,
Den Tod siehst du des Lebens Leben rauben,
Den Heiligen verderben,
Du weinest wie die Tauben,
Komm in mein Nest, ich werde für dich glauben.
 
JESUS:
 
O Vater, meine Seele
Verscheidend gebe ich in deine Liebe!
Mit meinem Kreuze stehle
Ich ähnlich einem Diebe
Marias Seele, daß sie bei mir bliebe.
 
Aus meiner Herzenswunde
Gebar ich die Geliebte, und ich schmachte
Nach meines Lebens Stunde,
Wo das, was ich vollbrachte,
Ich in der Heiligen Maria achte.
 
MAGDALENA:
 
Er hauchte seine Seele
In Gottes Atem aus erhaben-edel
Und über meine Fehle
Er neigte seinen Schädel,
Vergab am Kreuze seinem sündigen Mädel.
 
Ich will den Leichnam kosen,
Mit ihm zu sterben lieb ich mehr als Leben.
Er liegt in lauter Rosen.
Mariens Brüste beben,
Sie will dem toten Gotte Leben geben.
 
O Mutter Jesu, bitte,
In deines Schoßes Grab den Leib bewahre,
In deines Herzens Mitte,
An deinem Brüstepaare,
Und web ihn in den Schleier deiner Haare.
 
Ich will nur weinen, weinen,
Da ich die Hoffnung auf das Glück verloren.
Ich liege auf den Steinen
Als wie dem Tod geboren.
Nie bleib ich von der Schwermut ungeschoren.
 
 
 
IX
 
DICHTER:
 
Du, in dem Fruchtbar-Grünen,
Im lebensreichen, blumenreichen Garten,
Vom Dämmerlicht beschienen,
Seh ich im Kleid, im zarten,
Allein dich stehn, auf deinen Trost zu warten.
 
MAGDALENA:
 
Ich habe edle Öle,
Balsame, Myrrhe, Aloe und Narden,
Und Tränen meiner Seele,
Auf Blumen aller Arten
Den Morgentau, die alle Licht erwarten.
 
Wo ist die Morgenröte,
Wo sind des Morgensternes Diamanten?
Der Wind der Frühe wehte,
Die Bäume rauschend standen,
Die ersten Lerchen sangen in den Landen.
 
Und alles ist Verheißung,
Allein nur meine Seele steht in Trauer.
Wie lern ich frohe Preisung
Vor Grabes Felsenmauer,
Wie Glück des Geistes unter Tränenschauer?
 
Wo ist der Vielgeliebte,
Der Sohn der Gott hochpreisenden Madonne,
Der Trost für die Betrübte,
Des Lebens schöne Sonne,
Der Zeuge für die Botschaft wahrer Wonne?
 
Wie ich mich glühend sehne,
Zumindest seinen Leib mit meiner Trauer
Und meines Leides Träne
Und meiner Tränen Schauer
Zu salben hinter seines Grabes Mauer!
 
Doch wo ist er zu finden?
O wie ich ihn ersehne, ihn begehre,
Mich Jesus zu verbinden
Und in dem dunklen Meere
Des Todes ihm zu folgen in die Leere...
 
JESUS:
 
Maria, o Maria!
Such den Lebendigen doch nicht im Tode!
Im Wagen des Elia
Kam deines Gottes Bote
In Feuersglut zu dir, du Rosenrote.
 
Ich will von dir, du Rose,
Dir nach und nach die Dornen all entpflücken
Durch meiner Glut Geglose
Und mit den Sonnenblicken
Den Kelch der Rose in die Glut verzücken!
 
Mit meinen Gluten läutern
Will ich die bräutlich-vielgeliebte Seele!
Ich preis des Todes Scheitern,
Ich preis das Glutgeschwele,
In dem du glühst, die ich zum Leben wähle.
 
MAGDALENA:
 
Ich will dich lieben, lieben,
Wenn ich auch deine Wege nicht verstehe.
Wo ist der Tod geblieben,
Da ich dich lebend sehe?
Und wählst du heute, Jesus, mich zur Ehe?
 
JESUS:
 
Ich ruf zum Hochzeitsfeste
Sie alle, Liebe, die dir folgen werden,
Du Erste und du Beste
Der Büßenden auf Erden,
Ich send dich zu den Hirten und den Herden.
 
Nein, fall mir nicht zu Füßen,
Umschling nicht leidenschaftlich meine Glieder!
Sollst dreißig Jahre büßen
Und beten für die Brüder,
Dann sehn wir uns beim Hochzeitsfeste wieder.
 
Ich muß dich vorbereiten
Zur Hochzeit mit dem Herrn durch viele Tränen
Und Einsamkeit und Leiden
Und unstillbares Sehnen.
Mir sollen alle werden Magdalenen...
 
Gesnandt zu den Gesandten,
Apostelin der Urgemeinde, gehe
Und sag den Exilanten,
Daß ich sie alle sehe
Und führ sie heim und in die Gottes-Ehe!
 
 
 
X
 
DICHTER:
 
O lieber Simon Peter,
O Vater und Gespann der Kirche, sage,
Ob du die Schöne später
An einem dunklen Tage
Verwiesest aus dem Kreis? So sagt die Sage.
 
PETRUS:
 
Das ist der Gnosis Lüge!
Der Kirche Überlieferung bestätigt,
Daß ich mich Jesus füge,
Des Stolzes ward entledigt.
Maria Magdalenas Fehlen schädigt
 
Ecclesia im Ganzen,
Der ich sie hüte, der Maria schaute
Vor Liebeswonnen tanzen,
Sie Maximin vertraute,
Der ehelos auf Gottes Liebe baute.
 
MAGDALENA:
 
Mit Maximin zu Schiffe
Und Lazarus und Martha auf dem Meere,
Umfuhren wir die Riffe,
Verfolgt vom grimmen Heere
Der Satansengel, Hasses Speer und Speere.
 
Blutzeugin Jesu werden
War mein Begehr, wie Stephanus geworden,
Zu taufen alle Erden
Mit Opferblut im Orden
Der Liebe Jesu, zog ich in den Norden.
 
Ich wollte allen Heiden
Den seligmachenden Messias lehren,
Im Zeichen seiner Leiden
Die Heidenwelt bekehren,
Die da verfallen Götzen und Begehren.
 
Ich wollte sie erleuchten
Im Licht des Geistes als der Liebesflamme,
Mit Jesu Naß befeuchten,
Das floß am Kreuzesstamme,
Und sammeln alle Schafe zu dem Lamme,
 
Dem Lamme und dem Löwen,
Dem Herrn, der auftun wird das siebte Siegel.
Umflogen von den Möwen
Und anderm Meergevögel
Wir weihten Heiligen Geistes Wind die Segel.
 
Die Fluten riefen Fluten
Und „Göttin!“ riefen mich die Zyprioten
In inbrünstigen Gluten,
Die in der Sünde Toten,
Und warfen Steine doch nach Gottes Boten.
 
Doch Jesu Meereswandel
Fortwandelte im Schiff der Seegemeinde.
Mit meiner Augenmandel
Sah ich auf meine Feinde
Und sah das Bild von meinem einzigen Freunde.
 
O Jesus! alle Fluten
Und aller Leidenschaften Wogenwüten
Entbrennen nur die Gluten
Und lassen blühn die Blüten
Der Lust an dir! O komm mir zu gebieten!
 
Vom Himmel komm herunter
Und gehe meiner Liebesglut entgegen
Und wirke durch mich Wunder
Und laß den Sturm sich legen
Und spende deiner Liebe Flammensegen!
 
Dann sei mit Feuerzungen
Dir zur Verherrlichung und dir zum Ruhme
Der Engel Lob gesungen
Von jeder blauen Blume
Und jedes Dichters Herzensheiligtume...
 
DICHTER:
 
O Himmlische und Schöne,
So hör ich dich für meine Dichtkunst beten?
Maria Magdalene,
Wie deine Locken wehten!
Führ mich die Spitze deines Haars nach Eden!
 
 
 
XI
 
DICHTER:
 
Verkünderin der Franken,
Du lehrtest sie durch Wunder und durch Worte,
Dem Ewigen zu danken.
Allein an deinem Orte
Du tratest betend zu der engen Pforte.
 
Maria Magdalena,
Den Lobpreis laß mich deiner Engel hören,
Du Schönste von Siena -
Du weißt mich zu betören,
Um Gott zu preisen mit Seraphenchören!
 
MAGDALENA:
 
Einöde, deine Mitte
Hab ich erreicht mit meiner armen Seele
In glühender Fürbitte.
Mir ward die mystische Höhle
Zu himmlischen Jerusalems Juwele.
 
Dem Duft vom Rosenöle
Und eines Marterzeugen Schädelknochen
Hier nah in meiner Höhle,
Mich Gott zu unterjochen,
Ich bete, an das Himmelstor zu pochen.
 
O Bräutigam der Seele,
Mach alles, was mich trennt von dir, zunichte!
Tritt ein in meine Höhle
Der inneren Gesichte,
Da ich dir täglich meinen Lobpreis dichte.
 
Mit jedem Scghlag des Herzens
Vereine ich mich deinem süßen Namen,
Du Gottheit allen Schmerzens,
Senk deines Wortes Samen
In meinen Seelengrund - bei Unsrer Damen!
 
Entzünde Glut und Lohe
Und reinige mich ganz in deinem Feuer!
Das Heilige und Hohe
Sei allezeit mir teuer
In dir, mein Bräutigam, du lieber Treuer!
 
Die Zärtlichkeit der Liebe
Des Ewigen will ich im Tod erfahren,
Will Geist und Herz und Triebe
Dem Herzen Jesu paaren -
Du, Jesus, ruhtest gern in meinen Haaren!
 
Ich will dich küssen, küssen!
Zieh mich ins Weingewölbe deiner Minne
Zu himmlischen Genüssen
Und ewigem Gewinne,
Bin ich nur deines göttlichen Fleisches inne!
 
ENGEL:
 
Danksagung, Lobpreis, Ehre
Dem Schöpfer und dem Worte und der Flamme!
Dir dienen Engelschöre.
Du mach dich schön dem Lamme
Und kämm dein Haar mit des Gebetes Kamme.
 
Bei Brot und Wasser fasten
Sahn wir dich dreißig Jahre voll Vertrauen,
Der Heiligkeit nachhasten,
Du Schönste aller Frauen,
So darfst du heut den Leib des Meisters schauen.
 
MAGDALENA:
 
Ich seh mich in dem Dome,
Da in der Liturgie die Engel singen,
Gleich einem Gnadenstrome
Seh ich die Schar sich schwingen
Und einen Priester Jesu Hostie bringen.
 
O Jesus! Jesus! Jesus!
Wie weiß dein Fleisch, wie süß und wie bescheiden,
O Jesus! Jesus! Jesus!
Die Liebe von uns beiden
Verklärt zum Glück mir meine Todesleiden!
 
O Herr in meinem Herzen,
Ich tanze selig in dein Herz hinüber,
So süß von Liebesschmerzen,
Du singst zu mir herüber:
Geliebte Braut! - Ich liebe dich, Viellieber!
 
.....................................................................
 
All meines Lebens Buße
Nun in der Ehe mit dem Licht der Lichter
Verwende - Gott zum Gruße -
Durch deine Huld, o Richter,
Auf sündige Geliebte sündiger Dichter!
 
DICHTER:
 
Auf deinen Spuren, Schöne,
Will wandeln ich zum Zelte deines Hirten.
Da mög mich, Magdalene,
Im Hain der Minne-Myrten,
Dein Bräutigam mit Brot und Wein bewirten.
 
Dir werd ich ewig danken
Und will auf dein Gebet zu Gott vertrauen.
Die wir an Sünde kranken,
Wir brauchen heilige Frauen,
Die unser Heil im Herzen Jesu schauen.

[Inhalt]

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