[Inhalt]

DAS LOBLIED DER LIEBE

Von Peter Torstein Schwanke


„Ich danke dir, Gottesliebe, Herrin und Kaiserin!
Du hast mir alles gegeben, daß ich nicht lasse
Von meiner einsamen Himmelsstraße.“
(Mechthild von Magdeburg)



DAS PARADIES DER GÖTTLICHEN AGAPE

1

In trunkner Kommunion mit hohem Mut
Bin ich gewandelt durch das Paradies,
Durchlächelt von der Sonne süßen Glut.

Der Lächelblick der Sonne glühte süß
Und machte alle Schönheit offenbar.
Ich sprach: O Himmelsmuse, schön ist dies,

Doch deinem Seher ist noch nicht ganz klar,
Ob dies die Wonnenaue Eden ist,
Wo Jungfrau Eva einst glückselig war?

Die Himmelsmuse sprach: Mein Freund vermißt
Die schöne Eva in Elysium?
Du sollst sie schaun, daß du es nie vergißt.

Da sah ich in des Haines Heiligtum
Inmitten stehen einen Baum mit Feigen,
Mit Fruchtbarkeit von Feigen um und um.

Frau Eva stand in einem frommen Schweigen
Beim Feigenbaum in leuchtender Gestalt,
Holdselig war des Hauptes sanftes Neigen,

Die leuchtende Gestalt, vom Haar umwallt,
Von braunem Haar, doch auch wie Henna rötlich,
Die schönen Brüste jugendlich geballt.

Wie Liebesäpfel boten sie erbötlich
Die reine Schönheit an zu trunkner Schau –
Wär ich nicht selig schon, es wäre tödlich!

Im Schoße trug ein Feigenblatt die Frau,
Lichtgrünes, feines, reines Feigenblatt,
Das ihren Schoß verbarg, betaut mit Tau.

Ich schaute mich an ihrer Schönheit satt –
Befriedigt von der Schau – zugleich begehrend –
Aufs Neue mir erweckt die Liebe hat

Frau Eva. Ihre reine Schönheit ehrend
Ich sang begeistert Sang der Minne süß.
Sie lächelte, die Huldigung gewährend,

Mein Liebesopfer in dem Paradies!


2

Sagt Unsre Liebe Frau die Minne an:
Vergänglich wie die Blumen und das Gras
Ist alles Fleisch der Erde, Schattenwahn...

Doch Schönheit in des Himmels Spiegelglas
Schau selig, schau im Licht, dem liebeswarmen,
Dein Ideal, vom Tau der Lichter naß!

In solchen Armen will ich dich umarmen
Und dich beseligen mit Liebesgnaden,
Bezaubernd und betörend, voll von Charmen!

Ich habe dich in meinen Schoß geladen,
Dich zu vereinigen mit meinem Schoße,
Im Himmelsmeer mit Liebesglut zu baden!

So sagte mir voll Glut die mystische Rose.


3

Madonna lächelte, erglüht wie Mohn,
Die Frau der Frauen süß begann zu reden
Wie Wasserrauschen um den Perlenthron:

Mein Sohn, ich rief dich in den Garten Eden,
Ich rief dich in das Himmelsparadies,
Ich lockte dich intim wie nicht jedweden...

Nun höre meinen Sang der Minne süß,
Wie ich dich rufe, locke und einlade!
Ich weiß wohl, welche Welt dein Geist verließ,

Wo durch die Schlange oft dir ward ein Schade,
Wo dich des Todesskorpiones Stachel stach!
Ich war doch immer bei dir, voll der Gnade,

Ließ mich von dir berühren zärtlich, ach,
Hielt dich auf meinen Schenkeln, dich zu lieben,
Lud dich in meines Schoßes Brautgemach...!

Dein Boot ist in die Wonnenbucht getrieben,
Die Hoffnung ankert nun im Himmelsgrund,
Mit diamantnem Griffel eingeschrieben

Dein Name steht in meinem Herzen, und
Dein wundes Herz ist nicht mehr liebeskrank,
Genas an meiner Liebe, ward gesund! –

Da sagte ich: Maria, Gott sei Dank!


4

Ergeben bin ich dir, zutiefst ergeben,
Von der Empfängnisstunde bis zum Tod
Dein Sklave! Reiche mir das Blut der Reben,

Ich will mit diesem Minnebecher rot
Dir huldigen, o Herrin, als dein Sklave
In Seligkeiten ohne Liebesnot!

Mein Lebensatem allezeit sei Ave,
Du, Gottes Jungfrau, bist mein Ja und Amen,
Geliebte, die mir anvertraute Jahwe! - - -

Da ich geflüstert und gehaucht den Namen,
Da kam vom Throne Gottes Jesus Christe
Zu mir und zu der Dame aller Damen

Und sprach: Gelandet an der Freuden Küste,
Sollst ankern du nun in der Ehe Hafen!
Als Minner leg dich an Marien Brüste!

Dort wirst du wie im Schoß der Liebe schlafen!
Maria zu erkennen in der Ehe
Mit Glut der Ganzhingabe von Seraphen

Wird bringen selig dich in Gottes Nähe!


5


Madonna sprach: Nun schaue, was ich seh,
Ich seh im Licht die Göttliche Agape,
Der Liebe und der Schönheit Ur-Idee! –

Ja, wahrlich, auferstanden aus dem Grabe,
Sah ich in einer himmlischen Vision
Agape, die ich angebetet habe:

O Göttliche Natur im Einen Thron!
Vor dir sind drei Personen – reine Kinder...
Die Brust berührt Immanuel, der Sohn.

Die drei Personen immer linder, linder
Liebkosen deine göttliche Natur –
O daß ich dies anschauen darf als Sünder!

Dein Kleid ist Feuersglut, ist Purpur pur,
Doch deine makellose Brust ist bloß,
Die göttliche Person des Sohnes nur

Darf rühren deinen Busen makellos.
Die dritte göttliche Person berührt
Den Schleier über deinem Mutterschoß.

O Göttliche Agape, die mich führt,
Dein Auge schaut dem Liebling in die Augen,
Der Glück vor deinem schönen Antlitz spürt,

Will ewig an dem Mutterbusen saugen,
Will ewig schauen an die Glut der Wangen,
Die Lippen küssen, die zu Wonnen taugen,

Sich ewig fesseln in die Lockenschlangen!
O Göttliche Agape, Herrin mein,
Der Liebe Herrin, du hast mich empfangen,

Du ließest mich in deine Liebe ein,
Du schenkst mir Lust der Liebe – hör mein Stöhnen –
Nun darf ich göttergleich glückselig sein

Im Schoße der Ur-Gottheit, der Ur-Schönen.......



HYMNE AN DAS EWIGWEIBLICHE

Nun ich einsam mitternachts im Dunkeln
Zittre, da die finstern Schatten munkeln
Von der Bitternis, dem bösen Zorn,
Von der Bosheit schmachtender Begierde
Und der lästerlichen Unzucht Zierde
Aus des alten Heidentumes Born,

Sage ich: Ich hör den Teufel lästern
Neben Christus auch die schönen Schwestern
Aus des Humanismus Heimatland,
Denn das Schöne haßt so sehr der Teufel
Wie die Wahrheit, daran ist kein Zweifel,
Weil ich Weisheit in der Endzeit fand.

Nämlich Satanas mit seinem Tiere,
Lugpropheten auch, daß er verführe,
Lästerten die Religion, den Kult
Aus dem Judentume und den Christen,
Taten wehe auch den Götterbrüsten
Griechenlands und seiner Grazien Huld!

Aber meine Seele melancholisch
Ruft das alte Abendland katholisch
Und Europas starke Säulen, drei:
Davids Psalter soll dem Christus tönen,
Griechenland soll singen von dem Schönen,
Ist fürwahr Europa fromm und frei!

Christus ist das Maß des Humanismus,
Christi Weisheit liebt den Platonismus,
Christus ist die unbeschreibliche
Offenbarung, seines Antlitz Klarheit
Spricht zuhöchst von Gutheit, Schönheit, Wahrheit,
Christus liebt das Ewigweibliche!

Also mich ermunternd und ermannend,
Rede ich zu den Dämonen bannend:
Satans Söhne, über euch den Bann,
Ihr, die patriarchischen Tyrannen,
Seid des Lügenvaters eitle Mannen,
Lügner, Mörder seid ihr Mann für Mann!

Männer seid ihr, die dem Chaos dienen,
In dem Räderwerke der Maschinen
Dreht ihr an dem Glücksrad seelenlos,
Ihr wollt euch erringen eure Siege
Durch den Kindermord, die Völkerkriege,
Ihr zerfetzt der Frauen holden Schoß!

Aber eine Macht ist einst erstanden,
Eine Schönheit sah am Strande landen
Eine ausgesäte Inselwelt.
Aus der Muschel tauchte auf die Perle,
Euch zu fesseln, finstre Teufelskerle,
An der Muschel Schwelle sanft geschwellt.

Eine Schönheit, herrlich wie im Traume,
Makellos entstiegen ist dem Schaume,
Die liebreizend lichte Lieblingin,
Lichte Lilie sie in schlanker Vase,
Inspirierend rauschende Ekstase,
War die jugendliche Jünglingin!

Sie, die Holde, Heilige und Hehre,
Schwebte wie ein Lichtstrahl auf dem Meere,
Thronend auf der Muschel überm Schaum,
Um sie Ätherbläue lichter Sphären,
Um sie reiner Genien Begehren
Glühte liebevoll im Himmelsraum!

Ihre Locken wie die Flammenschlangen
Jener Nackenden als Schleier prangen
Um die süßen Brüste und den Schoß!
Himmel, Meer und Erde sind zerronnnen
Vor der Liebesgöttin voller Wonnen,
Jugendlicher Jungfrau makellos!

Sie, geronnen aus des Himmels Samen,
Jünglingin, Liebreizendste der Damen,
Ward geboren aus dem Schaum beim Fels,
Da die Hirsche röhren, Hunde winseln,
Da empfangen dieses Weib die Inseln
Griechenlands wie reinen Marmorschmelz.

Denn die seligjugendliche Göttin
Als der Weisen und der Dichter Gattin
War ein Ideal und ein Idol,
Ward bewundert in dem Marmorbilde,
Künstler machte selbst den Marmor milde,
Und der Marmor wurde ihr Symbol.

Aber dann der Göttlichen, der puren
Göttin, dienten lasterhafte Huren,
Die nicht mehr erfreute keusche Scham.
Tempelhurer Heiligtümer gründen,
Gottesdienst als Blasphemie der Sünden
Übten diese Teufel polygam.

Denn der Satan, Majestät der Götzen,
Machte Sie zur Herrin aller Metzen,
Ihren Götzendienst zur Hurerei.
In die Bilder fuhren die Dämonen,
Nun in Götzenbildern Teufel wohnen,
Keiner ist von Sündenketten frei.

Aber Satan wird nicht triumphieren,
Satan schließlich wird den Streit verlieren,
Strafen leiden, unbeschreibliche,
Qualen leidet Satan in dem Pfuhle,
In dem Feuersee die Beelzebule,
Dafür siegt das Ewigweibliche!

Weil die alte Göttin aus dem Meere
Nicht mehr Herrin ist in ihrer Sphäre,
Kommt (der Seher siehts in trunkner Schau)
Nun die ewigweiblich ideale
Herrscherin von Gottes Himmelsaale:
Aphroditissa, Unsre Liebe Frau!

Wahrlich, wahrlich, diese Unbefleckte,
Makellose, Heilige, Perfekte,
Ist der Gottheit ewige Idee,
Reine Jungfrau mit dem Mutterschoße,
Glühend wie der Minnemystik Rose,
Keusch wie eine Lilie und der Schnee.

Diese Frau aus dem Ideensaale
Gottes ist die ewig ideale
Jungfrau makelloser Konzeption,
Herrscherin, gekrönt mit Gottes Kether,
Höchste Herrscherin im lichten Äther,
Herrlich thronend neben Gottes Thron!

Diese höchste Herrin, die ich schaue,
Dieses Ideal, die Liebe Fraue,
Senkte von dem Himmel sich herab,
Lächelnd mit dem Lieblichsten der Reize
Hielt sie in der Linken Christenkreuze
Und in ihrer Rechten Hermes‘ Stab.

Schwebend mit der Morgenröte Flügeln,
Barfuß wandelnd auf den Wolkenhügeln,
Sie zu sehn ist seliger Genuß,
Sie zu sehn ist göttergleiche Wonne,
Diese Liebe Fraue in der Sonne,
Küsst sie Kinder mit dem Mutterkuß!

Wendet sich die Mutter zu den Sündern
Auf der Erde, wie zu kleinen Kindern
Spricht die große Mutter liebevoll,
Von der Erde tönen süße Hymnen
Um der Jungfrau hochzeitlichen Hymen,
Sie lobpreisen Musen und Apoll.

Luna schmiegt sich sanft an ihre Füße,
Sol ein Kleid wirft um die Wundersüße
Und der Zodiak schenkt ihr den Kranz.
Alle Minner rufen: Große Göttin,
Große Göttin, Gottes große Gattin,
Tanz im Himmelreich den Hochzeitstanz!

Siehe, die Jungfräulichkeit Marias,
Schwanger trägt sie in dem Schoß Messias,
Immaculata den Immanuel!
O du Jünger aus dem Volk der Christen,
Diese Jungfrau mit den Mutterbrüsten,
Diese Nymphe dir zur Herrin wähl!

Alle Satanssöhne sind erschrocken,
Schüttelt die Liebreizende die Locken,
Alle züchtigt sie mit ihrer Zucht,
Ihr sich unterwerfen alle Teufel,
An der Jungfrau Sieg besteht kein Zweifel,
Am Triumphe ihrer Leibesfrucht!


HYMNE AN DIE GÖTTLICHE AGAPE

Die göttliche Agape singt, ihr Musen,
Die große Mutter mit dem Götterbusen,
Allmächtige Agape sollt ihr preisen,
Die Jahwe in des Empyreums Kreisen
Beherrscht, daß Jahwe selbst in einer puren
Begierde Feuertrieb begehrt zwei Huren,
Jerusalem die eine, Oholiba,
Samaria die andere, Oliba,
Die schamlos jedem Pfeil auftun den Köcher
Und bieten jedem Zecher ihre Becher.
Die göttliche Agape, große Göttin
Agape macht, daß Jahwe seine Gattin
Sophia selbst verließ, um auf den Spuren
Der Leidenschaft zu wandeln zu den Huren.
Die göttliche Agape selbst Sophia
Entflammte, daß sie Freundschaft erst, Philia,
Gefühlt für ihren weisen Salomon,
Daß sie ihn dann begehrte zärtlich schon
Und immer mehr verlangt nach seiner Nähe
Und ihm sich dann verband in Geistes-Ehe.
In treuer Ehe? Sie war treue Gattin,
Doch Salomo warb um die Liebesgöttin
Von Zor und Zidon, Göttin Aschera,
Und brach den Bund mit Sapientia.
Die göttliche Agape aber auch
Empfand in ihrem Herzen Feuerhauch,
Der Liebe Feuertrieb, den göttlichreinen,
Und wollte einem Menschen sich vereinen.
Doch nicht Odysseus, nicht den Helden Rhesus,
Die göttliche Agape liebte – Jesus!
Die göttliche Agape sah Messias,
Erblickte Jesus Christus, Sohn Marias,
Die ihn als Maid gebar in Bethlehem.
Agape zog nun nach Jerusalem,
Dort zog sie in den wunderschönen Tempel,
Der war sakraler Architektur Exempel.
Dort weilte nun Agape voller Gnade,
Dort in der Reinigungen Wasserbade,
Dort in dem heiligen Parfüm und Öle,
Empfing die Huld von mancher schönen Seele,
Von alten Weisen und von Tempelmädchen,
Auch sang der Herrin Hymnen ein Poetchen.
Die göttliche Agape aus dem Qualm
Des Weihrauchs, des Gesang von Psalm auf Psalm,
Zog fort nun in des Jabbok Wildbachtal.
Sie wandelte in junger Sonne Strahl,
Sie hauchte über Bach und Ufersand,
Daß die Natur in dem gelobten Land
Von göttlicher Agape Liebesblicken
Aufjubelte in jauchzendem Entzücken!
Von Aschkelon laut riefen Meeres Möwen,
Vom Berg des Libanon laut brüllten Löwen,
Gazellen sich an Zwillingskitzen freuen,
Die Hasen ihre Speise wiederkäuen...
Vor göttlicher Agape wundersüß
Die Tiere alle sind im Paradies.
Und Jesus stand, ein Mann von dreißig Jahren,
Mit Dornen in den rabenschwarzen Haaren,
Am Jordan, singend bei dem Flug der Falter
Psalm fünfundvierzig leise zu dem Psalter,
Da David sang, der Erzpoet und Phönix,
Das Hochzeitslied zum Hochzeitsfest des Königs.
Da Jesus, Wanderer am Hirtenstabe,
Sah vor sich sie, die göttliche Agape,
Da sprach er: Chaire, liebe Fraue, Chaire,
Liebfraue, freue dich mit mir und feire,
Ich sing mein Liebeslied in Gottes Geist!
Doch sage mir, o Herrin, wer du seist?
Bist du die überhimmlische Sophia
Und kommst zu mir in Freundschaft der Philia?
Bist du vielleicht die mütterliche Ruach?
Bist du vielleicht nicht göttlich, und bist du, ach,
Von jenen Feuerschlangen, welche dienen
Dem Herrn in Liebesglut, die Seraphinen,
Bist du vielleicht dem Ewigen intim
Vertraut wie weisheitsvolle Cherubim?
Wer du auch seist, ich will ein Überwinder
Des Todes heißen, möchte viele Kinder,
Die soll mir alle Gottes Liebe geben,
Mit mir heimführen in das ewge Leben!
Mein Testament sei Liebe, mein Gebot
Sei Liebe und mein Tod ein Liebestod!
So sprach er vor dem lichten Angesicht
Der göttlichen Agape, die von Licht
Umschimmert war und süßer Gluten Zier,
Im blauen Kleide, strahlend wie Saphir,
Und gold geschmückt mit goldner Strahlenkrone,
Stand momentan sie vor dem Menschensohne.
Da säuselte die göttliche Agape:
Messias Jesus mit dem Hirtenstabe,
Du bist der Schönste aller Menschensöhne!
Hör, wer ich bin, die ich hier vor dir stöhne:
Nicht Ruach und nicht Sapientia –
Ich heiße Miriam von Magdala,
Genannt Maria Magdalena auch,
Erfüllt von heißer Liebe Feuerhauch
Und schöner noch als Helena von Sparta!
Und meine Schwester ist die treue Martha,
Die immer in der Küche schaffen muß.
Mein Bruder ist der arme Lazarus,
Den ich im Schoße Abrahams schon sah.
Ich wohne in dem Dorfe Magdala,
In Magdala am See Genezareth.
Ich weiß es noch genau: Jüngst vor mir steht
Urplötzlich der Erzengel Raphael
Und spricht: Schalom, du Tochter Israel,
Du schönste galiläische Hetäre,
Du Hierodule Israels! Begehre
Du keinen andern Mann als jenen Mann,
Zu dem ich führe dich als Engel. Dann,
Wenn du den schönsten Menschensohn wirst finden,
Sollst du dich ihm als Minnebraut verbinden.
Hier bin ich nun, du schönster Menschensohn,
Für meine Ganzhingabe keinen Lohn
Begehre ich, hab andres nicht im Sinne
Als nur die Ganzhingabe deiner Minne,
Ich will dir sein ein Minneabenteuer,
Ein Ganzbrandopfer in der Liebe Feuer!
Jedoch (so sprach der Engel) in mir wohnen
Ungute Geister, brünstige Dämonen,
Die Asmodeus und Frau Lilith dienen.
Du aber, Menschensohn, gebiete ihnen!
Nicht opfre ihnen einen Zahn vom Eber,
Nur brate Gott von einem Fisch die Leber,
Dann wirst du mich von ihrer Macht befreien,
Dann kannst du mich als Minnefreier freien!
Die ich die galiläische Hetäre
Und Hierodule Zions bin, begehre
Nichts andres ich, als daß du, mein Messias,
Mich führst zu der Jungfräulichkeit Marias,
Denn schau ich an die Makellose keusch,
So sind gereinigt all mein Blut und Fleisch.
Dann führe mich zu deinen frommen Jüngern,
Den Psalmensingern und den Palmenschwingern,
Und laß mich in dem Kreis der Jüngerschar
Dein Lieblingsjünger sein! Dann offenbar
Dich liebevoll nach deinem Kreuzessterben
Vor allen mir! Ich werde um dich werben,
Will ewig sein Messias angetraut,
In Gottes Paradiese deine Braut!
In Kana richte nun die Hochzeit aus
Und trink mit mir den Wein im Hochzeitshaus.
Bist du der Hierodule Zions hold,
So schenkt mein Vater deinen Jüngern Gold,
So schenkt mein Vater den Aposteln Schekel,
Ganz ohne Simonie und Menetekel.
Und Jesus sprach, der Menschensohn und Christ:
Wenn du nicht Hypostase Gottes bist –
Bist eine Menschentochter, angetraut
Mir vom Erzengel selbst als meine Braut,
So kann ich mich erotisch dir vereinen,
Das ärgert nicht den Vater, will ich meinen.
Und Jesus breitete ein Vlies vom Lamm,
Da sanken Braut dahin und Bräutigam!
Und Jesus nahm dem wundersamen Mädchen
Von Hals und Busen ihre Zauberkettchen
Und von den nackten Armen ihre Spangen
Und Spangen ihr aus ihren Lockenschlangen
Und zog ihr Gürtel aus und feinste Seide,
Und da erkannte er die Augenweide!
Da war sie seine Doda, er ihr Dod!
Da war sie seine Göttin, er ihr Gott!
Und Jesus sang: Maria, du mein Mond,
Weil ich in Liebesglut dir beigewohnt,
Weil in dem All versunken meine Sonne
In Ganzhingabe und in Liebeswonne,
Weil ich gesogen hab an deinem Reiz,
Bin ich bereit, zu sterben an dem Kreuz!
Erhob die göttliche Agape aber
Sich flammend wie der Tempelkandelaber
Und offenbarte sich in ihrem Feuer,
Im Tanz der schlanken Flamme, in dem Schleier
Vor ihrem göttergleichen Angesicht,
Der ganze Leib des Überweibes Licht!
Und lichter als die Sonne war die Göttin
Agape, mystisch-eheliche Gattin
Des Christus Jesus, der ekstatisch rief:
Weil ich als Mensch mit meiner Gottheit schlief
Und tief erkannte meiner Gottheit Reiz,
Drum muß ich sterben jugendlich am Kreuz!
Noch keiner hat die Gottheit je erkannt,
Der da nicht wär in ihrer Glut verbrannt!
Die Gottheit tat um mich als Freier werben,
Nun muß ich jung den Tod der Liebe sterben!
Da sprach die göttliche Agape so:
Am Kreuze sterben wird mein A und O,
Du wirst dem Liebestod nicht widerstehen,
Doch dann durch meine Liebe auferstehen,
Durch meine Huld des Todes Überwinder!
Dann schenkt dir Gottes Liebe viele Kinder,
Viel zarte Schwestern, sanfte, seelenschöne,
Viel edle Knaben, reine Seelensöhne.
Die Schwestern und die Knaben alle süß
Sollst du heimführen mir ins Paradies.
Ich werde dich entrücken, o Messias,
Wie Jahwe einst entrückte den Elias,
Der da ist aufgefahren von der Erde
In Liebesglut auf einem Feuerpferde.
Dort droben ist er nun bei Vater Jahwe
Der Schenke Gottes. In der Welt der Sklave
Elisa seinen Sehervater preist,
Da tröstet den Propheten Gottes Geist,
Elisa wird vom Geiste übermeistert,
Wird von Elias Sehergeist begeistert.
So auch die Mutter Ruach einst entzog
Den reinen Henoch dieser Welt und bog
Den Mutterarm um ihren Sohn und Sklaven,
Nun Henoch darf in Ewigkeiten schlafen
Bei Ruach über dem kristallnen Meere,
Ein Jüngling in der Morgenröte Sphäre.
Die Gottessöhne aus den Paradiesen
Mit schönen Menschentöchtern zeugten Riesen.
Du aber rühme dich nicht meiner Huld,
Das wäre Blasphemie dem Vaterkult
Der Juden und der Römer! Sag nicht an,
Du seist der Liebesgottheit Gottesmann
Und hättest deiner Gottheit beigewohnt.
Wer das gesagt, wird wahrlich nicht verschont.
So sehr ich dich geliebt mit Liebesreiz –
Die Wölfin Roma nagelt dich ans Kreuz!


HYMNE AN MARIA APHRODITISSA

O Muse von dem Berge Sion, sing ein Lied
Mir von Maria Aphroditissa Sulamith!
Im Himmel Herrscher war Jehowah, Himmelsvater,
Der war der Gottheld, Friedensfürst und Wunderrater,
Der Schöpfer. Aber als begonnen das Äon
Der Gnade, trat an seine Stelle Gott der Sohn,
Messias war der neue König, Ja und Amen.
Der Vater in dem Himmel ließ den Zeugungssamen
Aus seinem Himmel fallen in das Mittelmeer,
Da wogte auf die See von Schaum des Samens schwer,
Da ward geboren aus dem Meeresschaum die Perle,
Die Königin der Liebe, Königin der Kerle,
Sie tauchte auf als Jungfrau, schöner als ein Traum,
Es rauschte um der Glieder Elfenbein der Schaum,
Sie hieß Maria, Meerestropfen, Stilla Maris,
Die Meergeborne, Stern des Meeres, Stella Maris,
Sie hieß Maria Aphroditissa Sulamith!
Sing, Muse von dem Sion, sing der Herrin Lied!
Lang flossen um den Leib die rötlichblonden Locken,
Verschleierten die Brust, die Brust wie Tempelglocken,
Verschleierten aus lauter Keuschheit makellos
Der Schamerfreuten keusch gebenedeiten Schoß.
Und um Maria Aphroditissa in dem Meere
Schön schwammen Nymphen Galiläas, holde, hehre,
Maria Magdalena als die Lieblingin,
Maria von Bethanien, die Lauscherin,
Die Schwester der Maria auch und Schwester Martha,
Susanna auch, voll Charme wie Helena von Sparta,
Und lieblich neben der anmutigen Susanna
Maria Salome und neben ihr Johanna,
Sie alle Galiläas Nymphen in der See,
Sie tummelten im Schaum, der weiß war wie der Schnee,
Und schlängelten die nackten Leiber wie die Vipern.
Maria Aphroditissa ließ im Rücken Zypern
Und schwamm vorüber durch den Meerschaum um den Fels
Auf einer Muschel ans Gestade Israels.
Perlmuttergleich entstieg des schlanken Leibes Flöte
Der Muschel und dem Meer und stieg wie Morgenröte
An das gelobte Land, an das verheißne Land.
Maria Aphroditissa an dem Strande stand
Und wandelte, die Schwester des Propheten Aaron,
Da blühten unterm ihrem Fuß im Hain von Scharon
Die Rosen alle und die Lilien in dem Tal.
Im Wald des Libanon im jungen Sonnenstrahl
Die Hirsche röhrten voller Brunst der Liebeshitze,
Gazellen bebten und die Zwillinge, die Kitze,
Die Gemse auf dem Hermon hüpfte durch den Schnee,
Im Eichgrund jagte durch das Morgenrot das Reh,
Dem fernen Dornbusch schmachtend sangen Nachtigallen,
Vom Berge Ashtaroth das Echo hört man hallen,
Zur Morgensonne fliegt hinan der Adler, um
Zu tragen durch die Luft das Evangelium,
Die Geier kreisen hungrig in der Wüstendürre,
Der Phönix aufersteht aus seinem Nest von Myrrhe,
Das Einhorn durch der schönen Jungfrau Liebeswerk
Mit hartem Horn steht brüllend auf dem Scheideberg!
Maria ging als galiläische Aurora
Nach Nazareth, dort lebte sie als Frühlings Flora
In einem buntgewebten Kleid von Transparenz
Als innewohnendes Gemüt im Liebeslenz.
Begegnet war dem liebevollen Herz Marias
Ihr Adonai, als holder Jüngling der Messias.
Und Adonai sang seiner Lieben Frau ein Lied:
Ich mehr als Salomo, du mehr als Sulamith!
Ich bin wie starken Weines deiner Reize inne
Und bin berauscht und trunken von dem Wein der Minne,
Du meine Schwester-Braut, du Liebe voller Lust,
Als Myrrhebüschel liege ich an deiner Brust
Und rufe: Trinkt und werdet liebestrunken, Zecher!
Geliebte Braut, dein Becken ist voll Rausch ein Becher
Und wie die hohe Palme ist dein schlanker Leib
Und deine Feige will ich pflücken, liebes Weib,
Und wie am Weinstock Trauben sind mir deine Brüste,
Dein Wein geht lieblich ein, du Liebe voller Lüste,
Ich führe dich ins hochzeitliche Brautgemach,
Da lispelst du: Ich schlief, mein Herz jedoch war wach,
Die Hand des Freiers fingerte am Loch der Pforte,
Der Finger floß von Myrrhe über bester Sorte,
Da sprach ich: Komm, wir wollen schlafen unterm Henna!
Geliebte, Leidenschaft ist feurig wie Gehenna!
Da war sie seine Doda und er war ihr Dod,
Da war sie seine Menschengöttin, er ihr Mensch und Gott!
Jedoch die Patriarchen und die Hohenpriester
Verschworen sich der Wölfin Roma, solche Biester
Wie diese Wölfin Roma gabs nicht noch einmal.
Sie eilte gierig nieder durch das Kidrontal
Und eilte unterm Sternenfunkeln des Orion
Zur Maid Jerusalem am Berg der Tochter Zion,
Mariens mystischen Gemahl und Bräutigam
Zu morden, dieses unschuldvolle sanfte Lamm.
Die Wölfin Roma ließ mit Haß und Ingrimm auf den Guten,
Den Bräutigam, das Lamm auf einem Hügel bluten
Und sterben! Täubchen, schwimmend in dem eignen Blut!
Maria Aphroditissa in der Tränenflut
Den Busen badete und schlug sich an die Brüste
Und lamentierte als ein Klageweib: O Christe,
Wie ist hinabgewandelt in das finstre Tal
Und in die Schlucht der Todesschatten mein Gemahl!
Nun muß ich weinen heiße Tränen meinem Gatten,
Der nur noch Schatte ist im Totenreich der Schatten!
Wie klage ich die Wölfin an um diesen Mord,
Denn nun ist von der Erde alle Liebe fort,
Nun bleibt nur noch der Weinenden, zu Tod Betrübten,
Zu lamentieren um den mystischen Geliebten!
Der war wie Lilien weiß und wie die Rosen rot
Und ist nun schwarzer Schatte, Adonai ist tot!
Maria Aphroditissa und die Jüngerinnen,
Die drei Marien, die zumeist Messias minnen,
Maria Magdalena, seine Lieblingin,
Maria von Bethanien, die Lauscherin,
Sie eilen mit der Salbe guten Opfergabe,
Zu salben seinen Körper eilen sie zum Grabe.
Maria brennen Tränen auf dem Wangenjoch,
In Tränen aufgelöst stand sie vorm Grabesloch
Und weinte, ihre Tränen tropften wie die Öle,
Sie netzte mit der Tränen Tau die Grabeshöhle,
Als sie, wie eine Lilie weiß und eine Rose rot,
Im Geiste ging ins Totenreich und trat zum Tod!
Es flossen finstre Schatten an den dunklen Orten,
Maria Aphroditissa stand vor sieben Pforten
Der Finsternis, sie legte ab das Diadem,
Die Jungfrau, die allheilige Jerusalem,
Geschmückt wie eine Braut, des Himmels Augenweide,
Sie legte ab das Linnen und den Flor der Seide,
Sie legte nieder in des Hades Schattenland
Den Zaubergürtel, ihrer Anmutreize Band,
Und legte in dem finstern Hain der schwarzen Erlen
Von ihrem weißen Busen ab die Schnur der Perlen
Und legte ab den Seidenrock, das Röckchen kurz,
Und legte von den Lenden ab den Lendenschurz
Und stand in ihrer Nacktheit göttingleichen Größe
Vorm Fürst des Hades da in unbefleckter Blöße!
Sie sprach zu Hades in des Totenreiches Thron:
Gib mir zurück den benedeiten Menschensohn,
Ich will ihn betten wieder süß an meine Brüste
Und mit ihm steigen in den Himmel! Mein ist Christe!
Da gab der Satan-Hades den Messias los.
Messias-Menschensohn lag in Marien Schoß,
Er wurde von dem Schoß Mariens auserkoren,
Unsterblich in der Göttin Schoße neugeboren
Und wachte auf vor ihrem Mutterangesicht
Und stand unsterblich da, der Herr, sein Leib von Licht!
Da trat Messias voller Minne zu der zarten
Maria Aphroditissa in den Ostergarten.
Messias trat als Gärtner zu des Gartens Frau,
Die war wie eine Rose rot und Blume blau,
Vom Sonnenlicht umleuchtet alle innern Sinne,
Im Inneren des Hains Geheimnisse der Minne!
Maria Aphroditissa bebte ihre Brust,
Messias lebte auf von neuer Liebeslust!
Da sank vor seiner Weisheit Hoheit hin die Süße
Und küsste mit dem Scharlachmund die bloßen Füße.
Da sprach Messias: Halt mich nicht auf Erden fest,
Im Paradiese feiern wir das Hochzeitsfest!
Messias und Maria mit den Hennahaaren
Auf purpurnem Gewölke in den Himmel fahren!
Messias und Maria Aphroditissa süß
Sind Kyrios und Kyria im Paradies
Und leben dort vereinigt in der Liebesehe,
Vereint in Paradieses Wollust, wie ich sehe,
In Paradieses Wollust auf dem Morgenstern!
Jehowah in dem Himmel Lobpreis, Gott dem Herrn!


HYMNE AN DIE GÖTTLICHE MUTTER

Maria singe ich, die große Mutter Gottes
Und die jungfräuliche Sophia, fern des Spottes!
Sophia spielte mit den Blumen in dem Lenz,
Die Lilien in des Lichtgewandes Transparenz
Und roten Rosen waren eine Augenweide
Wie Sulamith in ihrer hingehauchten Seide.
Sophia spielte mit den Blumen in dem Hain
Der Scharonwiesen, mit den Jungfraun im Verein,
Maria Magdalena, Salome, Susanna,
Maria Kleophä und Martha und Johanna,
Den Nymphen Galiläas, keusch erfreut an Scham,
Als wütend aus der Hölle Satan-Hades kam!
Und Hades griff Sophia bei der Haare Henna
Und brachte von Jerusalem sie nach Gehenna,
Sophia ward geraubt von Hades-Beelzebul
Und ward gebracht hinunter in den Feuerpfuhl!
Im letzten Augenblick des Lebens schrie Sophia:
O Eli, lema sabachthani? – Nicht Elia
Rief die jungfräuliche Sophia, sondern Gott,
Jehowah, den Umscharten, aller Götter Gott,
Den Götterkönig rief sie an, den Himmelsvater!
Doch die Tragödin in dem tragischen Theater
Vergebens rief Jehowah an um ihren Sieg,
Denn der umscharte Himmelsvater mystisch schwieg.
Kein Engel und kein Mensch stand bei im Tod Sophia!
Doch Eine hörte sie, die Mutter, die Maria,
Sophiens Schreien mit der Schärfe eines Schwerts
Durchbohrte ihr den Busen und das Mutterherz!
Maria schreiend riß die Kleider sich vom Leibe
Und schlug sich an die Brüste! Muse, nun beschreibe,
Wie jammervoll Maria alle Menschen sahn,
In schwarzen Samt gekleidet wie ein Trauerschwan,
Kein Geist, kein Engel und kein Mensch hat ihr den Jammer
Getröstet, da Jehowah schlug sie mit dem Hammer
Und sie zertrümmerte wie einen Felsenthron
Im Mitleid mit Sophias tödlicher Passion!
Drei Tage irrte nun die Gottesmutter blöde,
Wahnsinnige vor Schmerzen, durch der Erde Öde,
Sie aß kein fettes Fleisch und trank auch keinen Wein
Und tauchte nicht den Leib in Milch der Stute ein.
Am dritten Tag, im Dunkel vor der Morgenröte,
Frau Lilith ging im Dämmergrau und blies die Flöte:
O Mutter unsres Brotes, o Maria! sprach
Frau Lilith: Wer hat dir geraubt Sophia, ach
Ich weiß es wohl, Maria, sings dir zu der Flöte.
Maria aber trat zum Geist der Morgenröte
Und sprach: O Engel, scheu in mir die Königin
Der Mächte, Throne, Seraphin und Cherubin,
Ich hörte die jungfräuliche Sophia schreien
Und sich mit einem Todesschrei Jehowah weihen,
Jetzt aber sehe ich Sophia nirgend mehr.
Geist, deine schöne Morgenröte leuchtet sehr,
Kannst du nicht die jungfräuliche Sophia schauen,
Die Stätte ihres Aufenthalts mir anvertrauen?
Sag, haben die Apostel ihren Leib geraubt,
Wie man Altweiberfabeln bei den Juden glaubt,
Und haben sie die Jüngerinnen, hübsche Kinder,
Sophia fortgetragen in das Land der Inder?
Der Engel aber sprach, erfreut an keuscher Scham:
Maria, Annas Tochter, heilig ist dein Gram
Und heilig ist dein Mitleid, wie du sanft bescheiden
Mitleidest leidend mit Sophias Todesleiden.
Am Tode der jungfräulichen Sophia schuld
Der Sünder Hades ist. Sophia voller Huld
Und Wahrheit, Satan wollt sie in den Hades holen
Und hat Sophia aus der Menschenwelt gestohlen.
Jehowah wollt in Ewigkeit den Hades nicht,
Allein der Sünde spricht der Hades das Gericht.
Die Siegerin Sophia aber will der Hades
Für immer fesseln in der Nacht des Totenstaates,
Damit den ewigen Triumph behält der Tod.
Der Engels sprachs und aufstieg mit dem Morgenrot,
Mit der Aurora Gottes oder Gottes Kether
Der Seraph schön aufschwebte in den lichten Äther.
Maria aber klagte vor Jehowah stumm
Und vor den Himmlischen in Gottes Heiligtum
Hoch auf dem Berge der Versammlung mannigfalt.
Maria ward zur Greisin, zur Großmutter alt,
Maria ward, die Mutter vom Sophien-Lamme,
Zu einer weisen Alten, einer lieben Amme.
So saß sie an dem Jungfraunbrunnen vor dem Haus
Des weisen Mannes Schalak. Gingen ein und aus
In Schalaks Hütte seine Weiber, Hosianna,
Die wunderschöne Eva, liebevolle Anna.
Und Eva schön und Anna lieb erkannten nicht
Die Mutter Gottes in der Greisin Angesicht.
Großmütterchen, wer bist du? Höre unsre Bitte,
Großmutter, komm in unsres weisen Schalak Hütte!
Maria sprach: Ihr lieben Frauen, seid gegrüßt!
Ich komm von Jawan, wo der Archipelagos fließt,
Ich komme von Elischa. Mit dem Tarsis-Schiffe
Ich scheiterte vor Tyrus an dem Felsenriffe
Und strandete an Tyrus‘ und an Sidons Saum
Und ging an Land, getaucht aus Gischt und Meeresschaum,
Und trat die Keisel an dem Strand, der Murmeln Marmel,
Und irrend kam hierher ich, an den Fuß des Karmel.
Jehowah segne euch mit eurem Bräutigam
Und einer Schar von süßen Kindern, Lamm an Lamm.
O meine Freundinnen mit liebesschönen Mienen,
Komm ich in euer Haus, so will als Magd ich dienen
Und Dienerin euch sein und liebevolle Magd
Und Kinderamme, daß ihr preist mich als Smaragd.
Sprach Eva, die die Schönste war von Schalaks Frauen:
Dem Schicksal müssen wir ergeben uns vertrauen.
Den Vater Schalak bitt ich mit des Mundes Hauch,
Die Kindermutter Metanoia bitt ich auch,
Großmütterchen, dich aufzunehmen auserkoren.
Die Mutter Metanoia hat ein Kind geboren,
Den Liebling Midda, daß du dich an ihm erfreust,
Als eine Amme dieses Lieblingskind betreust.
Ziehst du ihn auf, bis er ein Jüngling wird voll Freuden,
So werden andre Weiber dich voll Neid beneiden.
Maria sprach: Ich möchte seine Amme sein!
Und Eva schön und Anna lieb, sie traten ein
In Schalaks Haus und so zu Metanoia sagten:
Wir freuen an der Gnade uns der Hochbetagten,
Als Magd und Amme will sie hüten deinen Sohn,
Den Liebling Midda. Gib ihr nur gerechten Lohn.
Die Frauen waren wahrlich eine Augenweide,
Gazelle Anna, Eva Licht im Hauch der Seide,
Die hennafarbnen Locken wild umwehten sie,
Die Seele wohlgestimmt wie Sphärenharmonie.
Maria, Gottes Mutter in dem schwarzen Kleide,
Verschleierte, der Engelsfürsten Augenweide,
Voll Kummer in dem Herzen und voll Gram
Um die gestorbene Sophia, Gottes Lamm,
Sie trat zu Metanoia, Muse aller Musen,
Die trug den Lieblingsknaben an dem Mutterbusen.
Maria war von Glanz und Hoheit licht umstrahlt,
Voll Glorie wie eine himmlische Gestalt,
Daß Metanoia voller Ehrfurcht, voller Demut
In stiller Wonne staunte und in süßer Wehmut.
Jedoch Maria in dem Sessel sitzend schwieg
Und klagte um Sophia und des Todes Sieg.
Da ward dem Schalaks-Sohn Jedidja in dem Herzen
Gegeben die Inspiration, voll Glück zu scherzen
Vor der bekümmerten Maria, daß sein Lied
Erheiterte Marias trauriges Gemüt.
Er sang von Rosen, welche blühten auf den Dornen.
Maria darum liebte Schalaks Erstgebornen,
Dem Jünglinge Jedidja voll von frommem Scherz
Maria öffnete für alle Zeit ihr Herz
Und schloß den Jüngling als den Günstling frommer Musen
Für immer ein in ihren großen Mutterbusen!
Und Metanoia bot Maria edlen Wein
In einem Alabasterbecher an, doch nein,
Maria wurde glühender und wurde blasser,
Sie sprach: Ich faste, trinke nichts als reines Wasser.
Sprach Metanoia: Heil dir, Greisin, sanftes Lamm,
Gewißlich königlich bist du von Davids Stamm,
Denn Majestät und Würde und der Anmut Hoheit
Umschimmern dich in einer göttingleichen Frohheit
Und deine Augen funkeln von geheimem Sinn,
Du bist der Schönheit und der Liebe Königin!
Ich traue völlig deiner Augen Liebesflamme!
Sei meinem Liebling Midda fromme Kinderamme!
Maria sprach zu Metanoia: Heil dir, Frau,
Jehowah ewig gnädig auf dich niederschau
Und lasse alle seine Segensströme regnen
Und dich mit lauter Liebesgnaden segnen!
Ich diene dir allein um deiner Liebe Lohn.
Dein Lieblingssohn soll sein mein Lieblingssohn.
Ich will ihn lehren unter Küssen Gottes Sprüche,
Daß nie beleidigen ihn werden Satans Flüche!
Weihwasser werden meine Küsse sein, geweiht,
Durch meine Liebe wird dein Kind gebenedeit!
So sprach Maria, Allerheiligste der Musen,
Nahm Liebling Midda liebevoll an ihren Busen
Und ließ ihn trinken Trostes Milch voll süßer Lust
Aus ihrer ihm entblößten benedeiten Brust!
Des weisen Schalak Midda, seine Flamme
Der Liebe, zog sie auf als liebevolle Amme.
Sie gab ihm Kosenamen, rief ihn Schelm und Knilch
Und Schatz und nährte ihn mit süßer Milch
Und ließ den makellosen Mutterbusen wallen
Und barg ihn an den bloßen Brüsten, an den prallen!
Mehr Gnaden noch hat sie dem Liebling zugedacht:
Sie hob den Liebling Midda mitten in der Nacht,
Erfüllt von Weisheit, eine weisheitsvolle Amme,
Und tauchte ihn in ihres Herzens Liebesflamme
Und ließ ihn baden in des reinen Herzens Glut
Und weihte ihn mit ihres Herzens Mutterblut
Und gab ihm durch die Glut geheimnisvoller Einheit
Die heilige Purgierung und die Herzensreinheit
Und wollte ihn unsterblich machen, ohne Spott,
Aus Gnade machen ihn zu einem kleinen Gott! –
So voller Mystik Gottes war die fromme Herrin.
Frau Torheit doch glich Metanoia nur, die Närrin,
Die nichts begriffen von der Weisheit. Als sie sah,
Was bei Maria ihrem Lieblingssohn geschah,
Da rief die Närrin, wie die Narren singen Lieder:
Du Alte, gib mir meinen kleinen Liebling wieder!
Schon liebt die Amme heißer meine Leibesfrucht
Und nennt dich Mamma schon! Ich bin voll Eifersucht!
Geh fort aus meinem Haus! Maria sprach mit Schmerzen:
Mein Midda bleibt in Ewigkeit in meinem Herzen,
Schon habe ich ihn mit dem Heilgen Geist getauft,
Mit meinem Ichor ihn dem Satan abgekauft.
Ihn benedeiten heilig meine Mutterküsse.
Frau Torheit, Metanoia, du nun aber wisse,
Ich bin Maria, bin die Himmelskönigin,
Die ich die Mutter Gottes und der Menschen bin.
Ihr Sünder und ihr Narren aber hörtet heute
Die Botschaft und den Ruf vergebens. Blinde Leute,
Ich sprech es aus in meines Herzens Bitternis,
Mehr als den Himmel liebt ihr Höllenfinsternis!
Bekehrt euch vor der Todesstunde zu Frau Wahrheit!
Doch, Metanoia, ungeachtet deiner Narrheit,
Dein Liebling wird in meines Herzens Heiligtum
Für immer bleiben, sein ein Name voller Ruhm,
Ihr preisen werden meiner Minnesänger Musen,
Weil Midda lag gebettet an Marias Busen!
Glückselig Midda hier schon auf der Erde ist,
Weil liebend ihn die Himmelskönigin geküsst!
Großmutter war Maria nun nicht mehr im Leibe,
War Weib, war eine Himmlische von einem Weibe,
War eine reine Jungfrau gottgebenedeit,
Voll Grazie und Reiz die wunderschöne Maid,
Die Königin der Liebe in der Reinheit Sitte.
Ein Lichtglanz füllte süß des weisen Schalak Hütte.
Maria segnete Jedidja, Schalak, und
Den Liebling Midda, küsste ihn mit Purpurmund
Und ging vondannen. Midda lallte: Hosianna!
Den Liebling pflegten Eva schön und liebreich Anna,
Bei ihnen fühlte Midda doch sich nicht so wohl,
Maria war ihm Spiegel und Realsymbol
Der Mutterliebe Gottes voll der Liebe Flamme,
Großmütterchen Maria liebte er, die Amme!
Die Heiligen und Weisen bauten betend nun
Maria eine Kirche, daß sie möge ruhn
In heiligen Gebeten über dem Altare
Hoch auf dem Karmel, wo der Wald im Lockenhaare
Voll Fruchtbarkeit und Schönheit wogte um die Magd.
Jehowah aber Gottes Mutter hat gefragt:
Wann kehrst du wieder aus dem tragischen Theater
Zu dem Umscharten, zu des Himmels Ewigvater?
Maria aber sprach in Demut schamhaft blöd:
Auf Erden ist es nebelig, ist alles öd,
Der Kirche Frühling und der Menschheit Frühling wieder
Kehrt erst zurück in meine und des Kosmos Glieder,
Wenn die jungfräuliche Sophia wiederum
Ich schaue im lebendigen Mysterium
Des frohen Urstand und der schönen Auferstehung
Die Hochzeitstänze tanzen mit des Beckens Drehung!
Dann kehre ich mit ihr als meines Lebens Reim
Zum Heiligtume des umscharten Herrschers heim.
Bis dahin will ich trauern resignierter Leisheit.
Jehowah zu der Ruach sprach, dem Geist der Weisheit:
Zum Hades geh und sage zu Sophia: Komm,
Kehr aus dem Hades wieder in den Himmel fromm!
Sonst wird die Mutter dein vergehen gar vor Kummer
Und alle Menschenwelt vergehn im Todesschlummer.
Maria sprach: Zu Gott kehrt heim die Liebe Frau,
Wenn ich Sophia wahrhaft auferstanden schau!
Jehowah daraufhin voll unstillbarem Dürsten
Aussandte Metatron, den höchsten Engelsfürsten,
Und sandte ihn zu Hades nieder in den Tod
Mit einer Botschaft, seinem göttlichen Gebot,
Sophia zu entlassen aus des Totenstaates
Gewalt. Und Metatron trat zornerfüllt zu Hades,
Der zuckte jäh zusammen vor ergrimmter Angst:
O Metatron, der du ins Reich des Todes drangst,
Vor deinem Gotteszorne zucke ich zusammen,
Jehowah fürchte ich und seines Zornes Flammen!
Und Hades sprach: Sophia, eile, zeige dich
Maria, deiner Mutter, die weint bitterlich!
Dann aber Hades, vor dem Zorne Gottes bange,
Der Satan-Hades züngelte wie eine Schlange:
Die Feige der Erkenntnis speise hier mit mir,
Dann bleibst du Göttin in dem Totenreiche hier!
Sophia aber sprach: Die ich vor Zorn nicht schweige,
Ich red im Zorn: Ich pflück nicht der Erkenntnis Feige,
Ich will allein im Reich des Herrn voll frommer Zucht
Vom Lebensbaum Edens pflücken Lebensfrucht.
So hat Sophia in des Hades Schattenlanden
Satanischer Versuchung betend widerstanden.
Da trat sie in den Chariot zu Metatron,
Die Feuerrosse flogen mit dem Wagenthron,
Mit Rädern aus Türkis und rauschendem Gewimmel
Von Cherubim, hinan in Gottes Sternenhimmel!
Da wandelte im österlichen Ölbaumhain
Der Anmut Dame, Unsre Liebe Frau allein.
Bei den Olivenbäumen trat zu ihr Sophia
Und sprach sie an mit ihrem Namen: O Maria!
Maria ihre Tochter nahm in ihren Arm
Und herzte sie an ihrem Mutterbusen warm.
Sophia sprach: Umschling mich nicht mit Lockenhaaren,
Ich bin noch nicht zum Sternenhimmel aufgefahren
Zu meinem Gott und Abba, ohne bösen Spott,
Zu deinem Abba, ja, zu deinem Herrn und Gott!
Maria sprach: Wie aber wurdest du gestohlen?
Sophia sprach: Ich war bei Rosen und Violen
Und Lilien schön in Scharons blumenreichem Hain,
Nicht mit Maria Magdalena nur allein,
Auch mit Maria Joses, Salome, Susanna,
Maria von Bethanien, Martha und Johanna,
Den Nymphen Galiläas in dem Morgenrot,
Als ich gemordet ward vom Feind, dem bösen Tod!
Der Tod mir setzte Dornen in der Haare Henna
Und raubte mich und riß hinab mich in Gehenna!
Drei Tage war ich drunten in dem Totenreich,
Dem Seher Jona in dem Bauch des Wales gleich.
Nun Fisches Speise briet noch mütterlich Maria
Und speiste ihn in Galiläa mit Sophia.
Da nahte Lilith mit dem braunen Angesicht:
Sophia, folgen will ich dir ins Licht, du Licht!
Da ging die Morgenröte auf im lichten Äther,
Da Mutter Schechinah erschien in Gottes Kether,
Jehowahs Schechinah, die Gottheit-Mutter fromm,
Rief zu Sophia: Komm, o Tochter Gottes, komm,
Hinan ins Leben komm, jungfräuliche Sophia!
Sophia aber mit der Mutter, der Maria,
Auf morgenrötlichem Gewölk gen Himmel fuhr,
Ins Himmelsparadies der Göttlichen Natur!
Sophia rief noch: Wer mir folgt von meinen Erben,
Wird ewig selig leben, nimmer wird er sterben,
Wird folgen mir in Paradieses Morgenrot,
Ich triumphierte und besiegte ja den Tod!
Im Jubel des Triumphes ging die Gott-Sophia
Mit ihrer Mutter, mit der Lieben Frau Maria,
Zum Throne des Umscharten in das Paradies!...
Sophia, sei mir Paradiesfrau göttlich süß!


HYMNE AN DIE HADESFAHRT DER GÖTTLICHEN SOPHIA

Sophia saß im Thron des Empyreum
Und saß als Fraue dort auf Gottes Thron!
Der Himmel Himmel jauchzte das Tedeum,
Da sie in hypostatischer Union
Mit Gott vereint, wie Vater eins dem Sohn,
Sophia war die Herrin des Gewimmels
Und Herrscherin der Himmel und des höchsten Himmels!

Sophia ging herab zum Kreis der Throne,
Da Engel herrschten wie die großen Götter.
Sophia in dem leuchtenden Äone
Der Throne war wie Blitz und Donnerwetter.
Sie wollte niederkommen doch als Retter
Und ließ die Throne vor der Gottheit. Sie,
Sophia ging hinab die ganze Hierarchie.

Sophia herrlich ist hinabgegangen
Zum Feuersphärenkreis der Seraphim.
Branddrachen waren sie und Feuerschlangen,
Voll heißer Liebesglut dem Herrn intim.
Die Liebesfeuer-Spendenden sublim
Sophia führten durch das Engelsfeuer
Hinab zum Menschen, zu der Rettung Abenteuer.

Sophia trat nun in die lichten Kreise
Der Engel der Gedanken, Cherubim
Genannt, die waren von der Weisheit weise,
Sophia im Besonderen intim.
Erkenntnis, Weisheit spenden sie sublim
Und dienen immer zu Sophias Ehre.
Sie ließen sie hinab aus ihrer Engelssphäre.

Sophia eintrat in den Engelskreis
Der unermeßlichen Gewalt der Mächte,
Die sangen allezeit ihr Kyrieleis,
Wie Blitz und Donner sie und dunkle Nächte,
Wie Meeresrauschen voll des Schaumes Prächte.
Die Mächte nun Sophia mannigfaltig
Begleiteten zur Menschenwelt herab gewaltig.

Sophia eintrat in den Kreis der Tugend,
Da Herrschaft neben Herrschaft friedlich waltet.
Die Gnade Gottes dort in schöner Jugend
Die Herrschaft in der Hierarchie gestaltet,
Aus der die Erdenherrschaft sich entfaltet.
Sie herrschen heilig in der Ewigkeit
Im goldnen Maß der göttlichen Gerechtigkeit.

Erzengel schaute sich Sophia an,
Sah Metatron und schaute Michael,
Der war ein Ritter und ein starker Mann,
Sah mit dem Wort der Botschaft Gabriel,
Sah mit des Trostes Balsam Raphael,
Sah Uriel und Ariel, das Paar,
Erzengel dienen an dem himmlischen Altar.

Schutzengel sah Sophia nun im Licht,
Von Israel den Engel, von Mizraim,
Sah einen Engel schön von Angesicht,
Das Engeldoppellager Mahanaim,
Sah auch den Schutzgeist von Jeruschalaim.
Sophia schaute nach Jerusalem,
Sophia ward geboren nun in Bethlehem.

Als nun die überhimmlische Sophia
Als Gottesebenbild im Schoß zu sehen
Der mütterlich-jungfräulichen Maria,
Verließ sie die Idee und die Ideen
Und ließ in der Materie entstehen
Ihr Fleisch und Blut, in das sie eingesunken,
Wie sonst auch Seelen leben tief in den Spelunken.

Aus Form trat sie in die Materia,
Aus göttlicher Potenz in reinen Akt.
Da war die Gottheit Sapientia
Ein kleines Kind im Mutterschoße nackt.
Da schloß die Seele mit dem Fleisch den Pakt.
Da war das absolute höchste Gute
Nun eine Menschenseele in dem Menschenblute.

Sie hielt nicht fest als wie an einem Raube
An ihrer reinen Gottheit Heiligtum,
Sie war so sanft und wahr wie eine Taube,
Doch fragte sie nicht nach der Menschen Ruhm,
Sie ließ ihr Eden und Elysium
Und ihren himmlischen Ideensaal,
Verkannt zu sein bei Menschen in dem Jammertal.

Sie hielt nicht fest an göttingleicher Schöne,
Nicht fest am schönen göttlichen Geschlecht,
Sie ließ es zu, daß man sie spotte, höhne
Und rief sie einen armen Gottesknecht
Und nannte einen Teufel sie und schlecht
Und sah sie an, entstellt von Leiden gräßlich,
Und nannte die Idee der Schönheit Monstrum häßlich.

Sie hielt nicht fest an ihrer Gottesweisheit,
Wie sie als Weisheit ist aus Gott geboren,
Sie opferte in stiller Demut Leisheit
Den Ruhm der Weisheit für die armen Toren,
Ja, Torheit hat sie schließlich auserkoren,
Des Kreuzes Torheit, Toren zu erlösen
Aus ihrer Torheit Macht und aus der Macht des Bösen.

Auch hielt sie fest nicht an dem lieben Leib,
Mit unschuldvoller Seele fest im Bann,
Auch war sie nicht mehr göttingleiches Weib,
Verachtet war sie nun ein armer Mann,
Der für den Leib allein das Kreuz gewann.
Sie opferte zuletzt, das Höchste Gut,
Den Corpus Christi als Sophiens Fleisch und Blut.

Sophia wirklich alles hat gegeben,
Sie, die des Schöpfungsmorgens Morgenrot,
Sie gab zuletzt die Seele und das Leben,
Sie opferte das Leben in den Tod,
Sie gab ihr Blut wie Wein, ihr Fleisch wie Brot,
Das Leben insgesamt Sophia gab.
Die Göttin Gottes lag begraben in dem Grab!

O wehe! Diese große Königin
War Gottes Königin im höchsten Throne,
Nun ging sie durch die Totenreiche hin
Vereinsamt im satanischen Äone.
Sie legte vor der Pforte ihre Krone
Der Schönheit ab von auserlesner Sorte,
Barhäuptig stand sie vor des Totenreiches Pforte.

Und vor der andern Pforte stand die Frau
Sophia, legte ab das Diadem,
Schön wie ein Morgenstern im Ätherblau,
Stand kronenlos die Maid Jerusalem,
Stand ohne Kranz die Mutter Bethlehem,
Stand ungekrönt, daß sich Sophia schäme,
Im Totenreich sie legte ab die Diademe.

Und vor der nächsten Pforte, vor der Säule,
Sie legte ab den transparenten Schleier.
Die Strahlenaugen, Augen einer Eule,
Sie glühten heißer als das Höllenfeuer.
So unverschleiert sah sie noch kein Freier,
Nicht König Salomo, nicht Seher Nathan,
Wie sie entschleiert trat nun zu der Schlange Satan.

Und vor der nächsten Pforte in der Hölle
Sie legte ab den blauen Sternenmantel,
Der sie umfloß wie Meeres blaues Welle.
Sie ließ den Mantel wie in einem Handel
Mit Satanas. Entmantelt nun ihr Wandel,
Ging einer Frau in leichter Seide gleich
Sophia voller Wehmut durch das Totenreich.

Sophia legte ab das Kleid von Seide,
Voll Blumenstickerei der Seide Hauch.
Fast nackend stand die Göttin Augenweide,
Der Lendenschurz nur hüllte Scham und Bauch.
So ging sie durch den dichten Qualm und Rauch
Des dunklen Höllentors des Totenstaates
Und gab ihr letztes Opfer an die Macht des Hades.

Durch alle Pforten ging sie, alle sieben,
Nun legte sie auch ab mit sanften Händen,
Was an den Frauen ihre Freier lieben,
Den seidengrünen Schurz von ihren Lenden,
Das Feigenblatt als Hostia zu spenden
Dem Tod. So stand sie da in nackter Scham,
Bereit für Adam, ihren lieben Bräutigam!

Die Macht der Liebe überwand den Satan,
Der Satan löste seinen Bund und Pakt
Und gab nun für Sophia frei den Adam.
Sophia, Göttin voll Potenz und Akt,
Sophia nackend war und Adam nackt!
Da einten sich die Göttin und der Heros
Gottmenschlicher Vereinigung in Gottes Eros!

Sophia mit dem Gatten Adam nun
Zum dunklen Tor der Hölle wieder trat,
Den grünen Schurz der Lenden anzutun,
Die Adam auch den Lendenschurz antat,
Daß er, der nackend war im Totenstaat,
Bekleidet werde mit Sophiens Kleid,
Bekleidet mit der göttlichen Gerechtigkeit.

Sophia trat zum andern Höllentor,
Die hübschen Brüste eine Augenweide.
Dort tat sie an geblümten Hauch und Flor
Der wunderschönen gazefeinen Seide
Und legte an das Kleid. Sie bargen beide,
Sophia sich und Adam, in die Kleider
(Als trunkner Seher möchte man fast sagen: Leider)!

Sophia trat zur nächsten Höllenpforte
Und legte wieder an den Sternenmantel,
Gab Adam einen Mantel edler Sorte,
War eingestickt der Blütenschnee der Mandel,
War rot der Purpurmantel. Rein im Wandel
Sophia nun an Adam weise handelt
Und ihn mit Gottes Gnadenkönigtum ummantelt.

Sophia durch der nächsten Pforte Feuer
Trat nun, die Fraue von der Gottheit Art,
Da nahm sie wieder ihren feinen Schleier.
Und Adam, seiner Retterin gepaart,
Verborgen ward von dem Prophetenbart,
Dem Bart, den lästern Dirnen nur und Spötter,
Doch tragen wahrhaft Bärte alle Donnergötter.

Nun durch die nächste Höllenpforte ging
Die Retterin mit Adam angenehm,
Von Edelsteinen dort das edle Ding
Ins schwarze Haar sie tat, das Diadem,
Den Stern der Venus von Jerusalem.
Auch Adam mußte sich nicht länger schämen
Und ward gekränzt mit sieben Lammes-Diademen.

Sophia durch die nächste Pforte trat
Auf ihrem Heimweg zu dem Gottesthrone,
Und in die langen schwarzen Haare tat
Der Göttin würdig sie die Strahlenkrone,
Den Zodiak der kommenden Äone.
Auch Adam von Sophia ward verschönt
Und mit der Schönheit Krone königlich bekrönt.

Die letzte Höllenpforte ward erschlossen
Von Adam und Sophia gottgeweiht.
Von Diadem und Krone lichtumflossen,
In Mantel, Schleier, Lendenschurz und Kleid,
Erschienen sie wie Gottes Herrlichkeit.
Sophia schlug sich lachend an die Brüste
Und schloß die Hölle zu im Namen Jesu Christe!

Sophia nun im Tanz des Beckens Drehung
Bewegte reizend in dem Hochzeitstanz,
Dem schönen Hochzeitstanz der Auferstehung!
Sophia strahlte voller Reiz und Glanz,
Es glühte voller Liebesglut ihr Kranz!
Sophia nun und Adam ward gegeben
Von Gott in Ewigkeit das Auferstehungsleben!

Sophia nun und Adam im Gebet
Empfingen beide einen neuen Leib,
Den lichten Leib der Spiritualität.
Im lichten Leib das göttingleiche Weib,
Im Leibe wie ein Halbgott aber bleib
Der Halbgott Adam an Sophien Seite,
Die Pneumaleib an Pneumaleib vereinigt beide!

Sophia wieder ganz im Glanz der Weisheit
Erstrahlte in der makellosen Klarheit,
Als Geist sie hauchte in intimer Leisheit
Auch Adam ein den reinen Geist der Wahrheit.
Hat Adam abgelegt die alte Narrheit,
Trat Adam nun in lichte Sphärenkreise
Als der von Gottes Weisheit inspirierte Weise.

Sophia wieder völlig in der Schönheit seh
Ich Seher glühn, elektrisch muß ich stöhnen!
Sie ist das Ideal und die Idee,
Die Uridee des wahrhaft guten Schönen.
Sie kam, auch Adam mit dem Kranz zu krönen,
Dem Kranz der Schönheit nach des Todes Kreuz,
Daß Adam nun Sophia ähnlich ward an Reiz!

Sophia nun erlangte ihren Ruhm,
Die Frommen aller Welten singend rühmen
Sophia als das Urmysterium
Des Ewigweiblichen, als Gottes Hymen!
Das Paradies Sophia wird umblümen,
Auch Adam wird vom Paradies umblümt,
Von Gottes Harfenspielern als ihr Held gerühmt.

Zu Geist geworden die Materia,
War ganz der Form gemäß Sophia. Sie,
In der Materie Sapientia,
Vollendete durch Minnesympathie
Als reine Urform Adams Entelechie,
Daß Adams Seelen-Entelechie enorm
Als Form vollendete sich in Sophien Form.

Sie ließen nun die Höhlenwelt der Schatten
Und traten ein in den Ideensaal.
Sophia nannte Adam ihren Gatten,
Nun ihren Ehemann, nicht ihren Baal,
In Gottes Eros mystischen Gemahl.
Sie sprach: Ich kann uns rein im Geiste sehen
Vereinigt im der Idealwelt der Ideen!

Nun grüßten sie den Engel Mahanaim,
Den Engel Amor auch, den lieben Knaben,
Den großen Schutzgeist von Jeruschalaim,
Schutzengel aller Weiblichkeit erhaben,
Schutzengel, die den weisen Mann erlaben,
Schutzgöttern gleich, wie lichte Lilienstengel
Begegnete dem Paar der Hochzeitskranz der Engel.

Erzengel standen auf von ihrem Thron
Und riefen: Heil Sophia, Tochter El,
Anbetung dir, o Frau, rief Metatron,
Zum Gruß das Schwert erhöhte Michael,
Sein Ave jubelte ihr Gabriel.
Erzengel im siderischen Äone
Sophia nun und Adam führten heim zum Throne.

Aufjubelten die schönen Fürstentümer,
Ein jedes Fürstentum regiert vom Genius.
Die Fürstentümer sangen Lobpreis, Rühmer
Der Hagia Sophia, keuscher Venus
In ihrer Inkarnation des Nazarenus.
Sie grüßten ihre Herrin, ihren Herrn,
Sophia sie und Adam auf dem Morgenstern.

Gewalten sich erhoben voller Tugend,
Voll Tugenden der englischen Virtutes.
Sophia priesen sie, der Göttin Jugend,
Ihr Jugendliebreiz war ihr absolutes
Verlangen, Schönheit ihres Höchsten Gutes
Durch alle Himmelreiche zu entfalten,
Begehrten voller Macht der Liebe die Gewalten.

Sophia ging mit Adam in die Nächte,
Die dunkle Nacht der ewigen Äone.
O Majestät Sophia! riefen Mächte
Und standen alle auf von ihrem Throne.
Die Mächte sangen: Heil dem Menschensohne,
Der Zeder Gottes und Sophias Thuja,
Dem auferstandnen Halbgott unser Halleluja!

Die Weisheit grüßten alle Cherubim,
Die Engelsphilosophen in den Kreisen
Der idealen Hierarchie sublim,
Frau Weisheit grüßten sie und ihren Weisen.
Sie baten: Adam mög uns unterweisen,
Als Schüler lauschen Cherubim bescheiden,
Lehrt uns der Mensch die Weisheit von dem Kreuz und Leiden.

Voll Liebesglut erglühten Seraphim
Vor aller schönen Liebe Königin!
Sophia sie anbeteten intim
Und gaben sich in Ganzhingabe hin!
Auch Adam ward das Sterben ein Gewinn,
Erfuhr er durch der Auferstehung Kraft
Doch himmlisch nun der Feuerschlangen Leidenschaft!

Sophia ging mit Adam zu den Thronen.
Heil Gottes Göttin! riefen alle Götter,
Gottähnliche in ewigen Äonen
Die Göttin aller Götter, fern der Spötter,
Sophia priesen, Adams Heil und Retter,
Und priesen Adam auch für seine Gattin,
Den Halbgott Adam als Gemahl der Menschengöttin!

Nun stiegen sie hinan ins Empyreum
Und grüßten Gott den Herrn im Weißen Thron
Und warfen sich aufs Angesicht: Tedeum
Sophia sangen und der Menschensohn,
Das Liebespaar im göttlichen Äon.
Vergöttlicht Adam thronte, fern des Spottes,
Als Menschengott Sophias in dem Throne Gottes...!


JHWH


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