[Inhalt]

DIE LILIE OHNE NAMEN

Sonette

von Peter Torstein Schwanke


(Februar-April 2005)


„...geliebte Mutter, mein eigenes Herz, das Herz Ihres Kindes, ist eine ganz k l e i n e Leier. Wenn Sie vom Harfespielen müde geworden sind, dann nehmen Sie ihre k l e i n e Leier, und kaum haben Sie diese berührt, so wird sie die Melodie spielen, die Sie wünschen. Ihre
g e w e i h t e n Finger brauchen sie nur anzurühren, und sie wird VERSTEHEN; ihre schwache Melodie wird mit dem Gesang Ihres eigenen Herzens verschmelzen...“
(Therese vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz)



ERSTER TEIL


CHINESISCH

Prinzessin, deine Haut ist kühl wie Eis
Und rein wie makellose weiße Jade,
Dein Antlitz ist von Schnee, die Augen heiß
Wie Meteore, voll der Liebe Gnade,

Dein Haar ist schwarz und fließet lang wie Seide,
Wie Porzellan dein Leib, wie eine Vase,
Dein Sommerkleid ist eine Augenweide,
Dein Schleier mich verzücket in Ekstase,

Dein schöner kleiner Mund ist erdbeerrot,
Schön deine Zähne wie Melonensamen,
Die Augenbrauen Fühler einer Motte,

Wie Jadegipfel, Schönste aller Damen,
Dein Busen, und dein Schoß – bei meinem Tod! –
Eisvögel küssen sich in deiner Grotte!


PERSISCH

Die Schönheit Laylas, schön wie schwarze Nacht,
War hochberühmt durch Medschnun, den Poeten.
Der Scheich jedoch sah Layla, sanft und sacht,
War nicht bereit, die Schöne anzubeten.

Der Liebende jedoch die Schönheit fand
Der Schönheit Gottes gleich! Und einsam büßte
Er abgöttische Liebe, schrieb in Sand
Die Reime seiner Liebe in der Wüste.

Der Schönheit gib dich hin, Idee und Liebe,
Weil wahr die Schönheit ist und schön die Wahrheit.
Was fragt nach Narrenbeifall Liebesnarrheit?

Verbirg dich, Lied, vor Lärm und Weltgetriebe,
Denn Ruhm ist eitel! In geheimer Feier
Frau Weisheit sing, die Gottheit in dem Schleier.


DIE SCHÖNHEIT

Die Schönheit lieb ich, Schönem bin ich treu,
Ich lieb allein die Schönheit in den Wesen.
An Schönheit und an Güte dich erfreu,
Dann bist du zu der Menschlichkeit erlesen.

Unschönes lasse nicht als schön bestehen,
Dem Hässlichen verschließ die innern Sinne.
Die Weisheit kann in Menschenherzen sehen,
Die Menschlichkeit hat für die Menschen Minne.

Des Edlen Wesen ist des Edlen Form.
Nimm von der Weisheit an der Schönheit Norm.
Die Ehrfurcht und die Menschlichkeit empfahl

Der Alten Kunst. Die ideale Kunst
Betrachtet nicht, was nichtig ist und Dunst,
Verewigt nur das Schönheitsideal!


MARIA SPRICHT

Geliebter, manche Frau hast du geprüft
Und manchem wilden Tier bist du erlegen,
Als ihr uneinig beieinander schlieft
Und gingt gemeinsam auf verschiednen Wegen,

Hast manche angeschaut im Ideale,
Ätherische Ideen im Hauch von Schleier,
Und wolltest doch nur im Ideensaale
Zur Gottheit selbst als ein geliebter Freier!

Und wollte dir das Schicksal sie nicht geben,
Mit der du dich vereinigst zur Union,
Sei dennoch traurig nicht und tränentrübe,

Weil du als mein Geliebter und mein Sohn
Mir, der Madonna, schenktest all dein Leben,
Der Königin der Schönheit und der Liebe!


IHRE WIMPERN UND AUGEN

Madonna, deine Wimpern schön geschwungen
Sind lang, sehr lang, und schwärzlich oder braun.
Von deiner Wimpern Schönheit sanft durchdrungen
Bin ich verliebt in dich, du Frau der Fraun!

Und deine Augen sind so dunkel, warm,
Wie Feuer strömt aus ihnen eine Flut,
So liebevoll mit zauberischem Charme,
Wie schwarze Monde, voll der Minne Glut!

Sitz ich allein in meiner Seele Saale
Und sehne mich nach milder Mädchen Minne,
Bin ich allein geweiht dem Ideale.

Wer ist wie du geheimnisvoll und tief
Und wessen Liebe ist so intensiv,
Wie, dornenlose Rose, du mir inne!


LIEBE

Und wenn das Kind, das heilige, geliebte,
Mir offenbart die Seele der Natur,
Und ich, der alte Weise, der Betrübte,
Seh Christus in des Kindes Seele nur,

Und wenn die süße Liebe uns verbindet,
Die zuckersüße, liebend immerzu,
Glückselig ist, wer diese Liebe findet,
Denn diese süße Liebe, Gott, bist du!

Und wenn die Einsamkeit, die Mutter, kommt,
Der Weisheit Mutter, die der Seele frommt,
Und ist Madonna meine Seelenruh,

O Göttliche, o Mutter, meine Liebe,
Einsame Liebe in dem Seelentriebe
Zur Mutter schöner Liebe, das bist du!


VIERGE OUVRANTE

Prinzessin bist du, Unsre Liebe Frau,
Charmante Grazie dein Anmutwesen,
Vollkommne Schönheit, die ich selig schau,
Des Universums Göttin auserlesen!

In deinen Armen und an deinen Brüsten
Ruht meine Seele als wie sündenlos,
Und die geliebte Seele deines Christen
Nimmst du als Eigentum in deinen Schoß!

In deinem Mutterschoß, o Vierge Ouvrante,
Verwirklicht schöne Liebe sich, charmante,
Dreifaltigkeit erscheint in ihrem Thron:

Der Liebe Vater liebt der Liebe Sohn,
Der Sohn den Vater in der Liebe preist,
Vereint sind sie in süßer Liebe Geist!


DIE HIMMLISCHE MUSE

Hochheilge Schönheit, Minne mild und süß,
Ich suche nicht mehr nach antiken Musen
Im irdischen Gewand – im Paradies
Steh ich vor meiner Muse hohem Busen,

Von Reizen tausendfältig schön umhangen,
Dein Busen ist wie Schicksal und Gefahr
(Die Christen sagen Kreuz!) und schwarz umhangen
Bist du verschleiert schön vom schwarzen Haar!

Und herrscht im Erdenland auch grimmer Winter,
In deinem Paradiese nackte Kinder
Als Englein spielen in dem ewgen Mai,

In Eden um die Königin von Eden,
Die singend ich mit minnigen Gebeten
Umwerbend freie – von der Ehe frei.


ELEUSINISCHES MYSTERIUM

So lieb ich dich, o Mutter, einig Eine,
Der Menschheit Mutter, Gottheit Schöne Liebe,
O Himmelskönigin, du Allgemeine,
Du bist die Sehnsucht meiner Seelentriebe,

Geliebte Herrin, göttliche Sophia!
Ich lieb die Jungfrau, deine Tochter, sehr,
Die Braut, die sophianische Maria,
Sie ist die Herrin über meinem Meer!

O Liebe mütterlicher Süßigkeit,
Als Pate liebe ich das heilge Kind,
Das göttliche Marienkind, das liebe,

Das Kind, die Offenbarung in der Zeit,
Daß ich der Gottheit schönes Gleichnis find
In dem Geheimnis süßer Kinderliebe!


DAS MUTTERHERZ

Nun ruh ich am barmherzig warmen Herzen
Der Mutter, Kind an ihrem Mutterbusen,
Glückselig will ich meine Mutter herzen
Und singen ihr zum Saitenspiel der Musen!

Wie still ist meine Seele, ausgeglichen,
Am lieben Mutterherz der Ewigkeit,
Ich schau glückselig auf zur königlichen
Ikone ihrer Schönheit benedeit!

Wie schön bist du! Das sagen keine Worte,
Du Gottheit (Gott und Göttin), meine Liebe!
Heil dem Geliebten, Mutter, und dem Sohne!

In Weisheit spricht dein Geist an allem Orte,
Dein Herz wird offenbar in Menschenliebe,
Schönheit ist deines Angesichts Ikone!


DAS IDEAL

Ich habe die Geliebten all betrachtet,
Die Schönste selbst mit tiefer Sympathie,
Ich habe nichts gesehn – zu tief umnachtet!
Nun auftaucht aus dem Meer des Dunkels: Sie!

Geläutert ist des feinen Goldes Reinheit
In langer Nacht in Trübsals Feuerofen,
Die Schönen alle in der Schönheit Einheit,
Im Ideal, so sagen Philosophen.

Sophia in der Nacht dem Geiste naht,
Sie hält vor ihrer Brust das Weltenrad,
Natur und Geist ruhn aus an ihren Brüsten!

Dich malen könnte kaum ein Tizian,
Und ich darf dir mit meiner Liebe nahn?
Empfange huldvoll du die Huld des Christen!


SCHWARZE MUTTER

Was bin ich nicht in meiner Mutter Schoß
Geblieben, in der warmen Heimat Kammer,
Was riß ich mich von ihrem Schoße los,
Um einzutreten in die Welt voll Jammer?

Sich von der Mutter Schoß, der frommen Höhle
Und heilgen Grotte, nicht so recht zu lösen,
Das ist der Grund der Trauer meiner Seele,
Mein Heimweh dies und meiner Schwermut Wesen!

Drum Schwermutvolle, denen Welt nicht lacht,
Drum Schwermutvolle, denen Zeit ist bitter,
Drum Schwermutvolle, deren Trauer groß,

Sie sehnen sich zur schwarzen Mutter Nacht,
Madonnas Dreistuhl in dem Reich der Mütter,
Und durch das Grab in ihrer Gottheit Schoß!



ZWEITER TEIL


AM MORGEN

Die Sonne Gottes stieg im Orient
Und Christus ging heraus aus seinem Zelt,
Den man den Bräutigam der Schöpfung nennt
Und den Liebhaber seiner Dame Welt.

Wie mir die Aue also wohlgefällt,
Da ich der Adam dieses Gartens bin!
Der Lebensbaum sich vor den Himmel stellt
Und gibt die Krone an die Gottheit hin.

Die Weisheit öffnet alle goldnen Samen
Und läßt erblühen alle Lebenstriebe.
Die Lilie Lilith hab ich angeschaut,

Des Paradieses Jungfrau, meine Braut.
Aussprechen kann sie den geheimen Namen
Und preist durch ihre Huld die Schöne Liebe!


SCHERZENDE MADONNA

Madonna weiß so überaus charmant
Süß lächelnd mit dem Bräutigam zu scherzen,
Sie hat den liliengleichen Mann gesandt,
Der Lilie ohne Namen gleich zu herzen

Die Kinder und mit Pflegevaterherzen
Sie wie die eigne Leibesfrucht zu pflegen
Und mütterlich zu trösten ihre Schmerzen
Und küssend zu vermitteln Gottes Segen.

Madonna weiß charmant auch süß zu lächeln
Und Huld und Anmut mit dem Frühlingswind
Auf ihren Bräutigam herabzufächeln:

Die Knaben alle sind wie Jesusknaben,
Du sollst mit meiner Weisheit Gnadengaben
Erziehen väterlich mein Jesuskind!...


DAS GOLDENE IDEAL MEINES SOHNES

Ein Kind geboren ist mit reinem Herzen
Und einem angebornen Ideal,
Der Knabe spielen will in Minnescherzen
Mit der Prinzessin als ihr Prinzgemahl.

Er will die Mutter in dem Gartensaal
Mit märchenhaften Kleidern glorreich schmücken
Und will die Herzensdame seiner Wahl
In menschlicher Gestalt voll Gunst erblicken.

Sie muß in seiner Seele glorreich strahlen
Im goldenen Gewande lichter Sonne
Und an den Füßen goldene Sandalen.

Ich ahne, was er in der Seele schaut,
Im Golde Afrikas, ist Gottes Braut,
Die Dame in der Sonne, die Madonne!


DER ARCHETYP DER GROSSEN MUTTER

In meiner Seele lebt der Archetyp
Der großen Mutter, eine große Runde,
Die Allvollkommenheit, die schön und lieb,
Die Heilerin, die will daß ich gesunde,

Die Göttliche, die haucht aus ihrem Munde
Frau Weisheit als des Schriftgelehrten Braut,
Die allgeliebte Braut im Seelengrunde,
Die er mit Augen seiner Seele schaut.

Das ist das Mutterreich in meiner Seele,
Da ich mit der Geliebten ohne Fehle
Im innern Paradiese leb gemeinsam.

Zwar macht mich die geheime Weisheit einsam,
Doch leb ich schon auf Erden himmlisch süß
In göttlicher Geliebten Paradies!


FLEISCHGEWORDNE WEISHEIT

Weil meine Gottheit ist die Mutter süß,
Weil meine Gottheit ist die Mutter groß,
Ich komm aus dem Ideenparadies
Und ersten Heimat-Hort in ihrem Schoß.

Aushauchend ließ sie meine Seele los
Und hauchte mich dem Leibe ein in Leisheit,
Die Seelenkraft erschuf den Erdenkloß
Als ganz besondre fleischgewordne Weisheit.

Ich, eine fleischgewordne Weisheit, bin
Ein unverwechselbares Unikat
Und künde meine eigne Freudenkunde

Vom Heil in meiner Gottheit Matriarchat,
Ich kehr mich liebend zu der Mutter hin,
Zu ihr heimkehrend in des Heimgangs Stunde.


DAS MUTTERBILD

Die Gottheit Mutter hat geborn ihr Kind,
Die Jungfrau-Mutter ihren kleinen Sohn,
Drum göttlich alle kleinen Kinder sind
Und haben Anteil an der Mutter Thron.

Der Jüngling aber dient um Minnelohn
Der allgeliebten Herrin, seiner Braut,
Erotischmystisch daß er bei ihr wohn,
In heilger Hochzeit seufzend ihr vertraut.

Großmutter Weisheit wird den weisen Mann
Als Dunkle und Uralte, alt an Tagen,
Heimholen in die Jenseitswelten süß,

Im Apfelgarten umzuarten dann
Den Mann in einen Gott, nicht auszusagen,
Von Gottheits Gnaden in dem Paradies!


DAS GEBET

Wie wird Natur erfrischt und neubelebt,
Wenn morgens in der Frühe sinkt der Tau!
So wird der Beter, der zur Gottheit strebt,
Beseligt durch der innern Seele Schau!

Und wie im Lenz der Regen aus dem Blau
Des Himmels fällt, daß auferwacht der Same,
So kommt die Gnade Unsrer Lieben Frau,
Den innern Menschen auferweckt die Dame!

Dann wird der goldne Same deiner Seele
Vom Gnadenregen auferweckt erblühen
Und duftend sich zum lichten Äther schwingen.

Der Sonne, Luft, Tau, Erde dich vermähle,
Die Weisheit segnet alle deine Mühen,
Der Gottheit hundertfältig Frucht zu bringen!


EROS DER RELIGION

Der religiöse Eros meiner Seele
Verliebt hat eine Sterbliche verehrt
Und sah ihr Ideal wie ohne Fehle
Und hat zu einer Göttin sie verklärt.

Der Eros meiner Religion begehrt
Die Gottheit zur Geliebten oder Braut,
Zum Eros meiner Religion bekehrt,
Hab Gott ich als Geliebte angeschaut!

Die Morgenröte aufsteigt aus der Nacht,
Da die geliebte Gottheit in der Wüste
Spricht: Nenne mich nicht Herrin, sondern Braut!

Ich will mich dir verloben! Meine Brüste
Allein berauschen dich mit Liebesmacht!
Sophia bin ich, bin dir angetraut!


ICH BIN JAHWE!

Ich, ich bin Jahwe, ich allein dein Gott
Und du sollst keine andern Götter haben,
Ich, ich bin deine Mutter, ohne Spott,
Du, Salomo mit Haaren schwarz wie Raben,

Sollst tun, was ich gebiete! Meine Gaben
Sind mannigfaltig dem, der mir vertraut.
Sophia send ich dir! Du sollst dich laben
Berauscht an vollen Brüsten deiner Braut!

Ich mache dich zum Könige, nicht minder,
Die Schafe meines Volkes weide weise
Und lehre meine Weisung deine Kinder!

Dein Flehen habe ich gehört, und leise
Verheiß ich dir barmherzig, gnädig: Du
Sollst noch einkehren, Sohn, in meine Ruh!


STRENGE HERRIN SOPHIA

Sophia ist wie eine strenge Herrin
Und stellt sich, die erhabne Herrin, hart,
Da ist sie nicht wie eine Liebesnärrin
Verweichlicht und verzärtelt, allzu zart,

Sie fordert viel und streng in ernster Art
Und prüft, ob Treue ist in deinem Sinne.
Gehorchst du ihr und dienst ihr, offenbart
Sie schließlich dir Mysterien ihrer Minne!

So kommt zu dir geheime Offenbarung;
Was nicht die Väter hörten, sagt sie dir,
Was die nicht sahen, deine Seele schaut.

Die Gottheit schuf die Schöpfungen in Ihr,
Sie ist das A und O und deine Braut –
Nun leben Mensch und Gottheit in der Paarung!


SOPHIAS MYSTISCHER LEIB

Die Weltgemeinschaft ist Sophias Leib,
Weltseele sie, die Menschen ihre Glieder,
Die ganze Menschheit ist ein schönes Weib,
In ihr Sophia kommt zur Erde nieder.

Erlange deinen Seelenfrieden wieder
Und so erlangst du wieder neue Kraft.
Die Kraft erhebt die Schwestern und die Brüder,
Der Seelenfrieden ihre Einheit schafft.

Die weltumspannende Geschwisterschaft,
Der Menschen gleiche Würde ist das Ziel,
Zu dem die Vorsicht will mit uns gelangen.

Der Weise aber in der Höhle Haft
Erwirkt die Gnaden durch der Weisheit Spiel,
Das Höchste Selbst im Selbst wohl zu erlangen.


GOTTES REUE

Es tut mir leid, was ich dir zugefügt,
Ja, ich bereu das zugefügte Leid.
Du sage wieder: Gott allein genügt,
Dann wirst du Frieden finden in der Zeit.

Mit mütterlicher Allbarmherzigkeit
Und universalistischem Erbarmen
Und mütterlichem Mitgefühl bereit
Ich dir die Ruh in meinen Mutterarmen.

Kehr ein nach innen, da bist wahrhaft du
Geschöpf daheim im Weltenanbeginn,
Als du bei mir warst! In mir dich zu sammeln,

Gibt deiner Seele Heimat, wahre Ruh,
Und neu erschließt sich Leben dir und Sinn,
Am Lob der großen Gottheit mitzustammeln!


DER HEIMGANG DES HEILIGEN VATERS

(Rom, 2. April 2005)

Er scherzte mit Maria als Verlobter,
Liebkoste ihre Schönheit zarter Minne,
Er, ein in schwerer Leidenszeit Erprobter,
War immer ihrer Muttergnaden inne.

Noch das Geschoß zu innerem Gewinne,
Das Herz durchbohrend, weihte er der Dame.
Verscheidend sahen brechend seine Sinne:
Liebfrau befreit ihm seiner Seele Same.

Heimgehend in der Gottheit Hochzeitssaal
Wird er Liebfrau vollgültiger Gemahl
Und freit die Gottheit mit der Seele Brunst.

Und seine Weisheit über meinem Scheitel
Spricht: Bloße Schönheit nur ist nichts als eitel,
Doch Lob der Gottheit ist der Sinn der Kunst.


DAS WEIBLICHE WELTZEITALTER

Ich leide an der Zivilisation
Der Väter, an der Väter Weltzeitalter,
An diesem patriarchalischen Äon,
Zehntausendjährigem Reich, von hohem Alter.

Wie sehnt mit Eros‘ Glut der Seele Falter
Sich ins Gelobte Land von Seim und Butter,
Dem Goldenen Äon stimm ich den Psalter
Und singe meine Hymnen an die Mutter.

Die Pansophia kommenden Äons
Erscheine von der Glorie ihres Throns
Mit schönen Frauen, unbeschreiblichen!

Ich sehne mich mit Eros‘ Mystik jung
Und frisch nach heiliger Vereinigung
Alleine mit dem Göttlichweiblichen!


BRAUT SOPHIA

Verführen will ich dich, der du ein wilder
Lustknabe warst der Dirnen, welche schreien:
Wir sind die fleischgewordnen Venusbilder!
Ich will dir die Abgötterei verzeihen

Und in der Einöd Mitte dich mir weihen,
Wie du geweiht der christlichen Maria,
Will ich nun selbst dich Sohn des Menschen freien
Als Bräutigam, die göttliche Sophia!

Irrfahrten durch die Glaubenslabyrinthe
Hab ich geführt, die Herrin Weisheit dein,
Werd nun im Hafen deine Ehefrau!

Die Hochzeitsgabe mein, die ich dich minnte,
Erbarmen, Gnade, Liebe, Schönheit mein,
Geb ich dir ganz hin! Meine Bloßheit schau!


BRAUTFÜHRERIN MARIA

Brautführerin Maria, lieb und lind,
Ich schau zu einem reinen Herzen hin,
Ich sehe wie als Prinz das kleine Kind
Zur Dame freit die Mutter-Königin.

Als Zierde die Idee der Psyche in
Dem eignen Innern wählt zum Schmuck der Dame
Der Sohn-Geliebte, der im eignen Sinn
Der großen Mutter wird zum Bräutigame.

An eine fromme Jungfrau muß ich denken,
Du tatest ihr zum Bräutigame schenken
Den Herrn in der Person des Jesuskinds.

Drum bitt ich dich, Brautführerin Maria,
Zum Brautverlöbnis göttlicher Sophia
Als Königin des Himmels führ mich Prinz!


DIE MATRONE

Die schöne Frau, die nichts als Mutter ist,
Sie nennt sich eine liebende Matrone,
In Selbstaufopferung (als andrer Christ)
Sie gibt sich selbst dem Sohn zum Minnelohne.

Daß Zions Gottheit in der Schöpfung wohne,
Die Mystik Israels bekennt es weise,
Einwohnung Gottes in der Glorienkrone
Heißt: Die Matrone auf dem Erdenkreise!

Auf sieben Hügeln Romas singen Väter
Zur heiligen Maria in dem Äther
Und preisen sie: Patronin voller Güte.

Maria, die katholische Matrone,
Ist meine Mutter mit geliebtem Sohne,
Ich bitt, daß sie mich mütterlich behüte.


DIE WAHRE GÖTTIN

Still suchte ich den Schlaf am Nachmittage,
Der neue Kraft und Stärke zu mir misst,
Da weckte mich aus innerm Rosenhage
Als sanfter Prinz des Himmels Jesus Christ.

Ich aber trug im Herzen Sehnsucht: Ist
Nicht eine Göttin schön vor allem Wesen?
Weil du, o Göttin, meine Sehnsucht bist,
Den Namen offenbare auserlesen!

Die Throngenossin Jahwes ist Sophia,
Geheimverborgne Göttin wahrer Gnosis,
Die Schöpferin, Erlöserin, mein Heil!

Sie wandelte aus Gnade der Theosis
Zu Göttinnen und Göttern Menschen, weil
Eins wurden sie der Gottheit (wie Maria).


DIE MEDITATION

Gebet ist Meditieren ohne Tadel
Ins lautre Schweigen, mehr als Dank und Bitte,
Die Seele selbst, die Königin von Adel,
Wird dort die Königin im Reich der Mitte.

Die Königin verehrt in frommer Sitte
In sich das Einssein aller Kreatur
Und läutert sich, so sehr sie immer litte,
Ins Innerste der göttlichen Natur.

Die göttliche Natur in ihrer Schenkung
Ist Weltenanbeginn und Weltvollendung
Und ist in allem Seienden das Sein.

Erkenne in der mystischen Versenkung
Die Gottheit in der Seele, ihre Sendung
Und Heimkehr, gehe ein ins einig Ein!


ICH BIN STILLE

Nun ich im Tempel deiner Gegenwart
Einatme Odem deiner Heiligkeit,
Die in der Weisheit selbst sich offenbart
Mit Minnegrüßen voller Zärtlichkeit,

Begehr ich, auszufließen in die Zeit
Und in der Schönheit mit dem Geist zu zeugen,
Doch sagt die Weisheit der Barmherzigkeit:
Beachte, Sohn-Geliebter, du das Schweigen!

Ich heilige dein Sein in Ewigkeit,
Das überschwenglich ist und Quell der Fülle,
Urabgrundtiefe Allvollkommenheit!

Die tiefste Sehnsucht sehnt sich in der Stille,
Im Meer der Allvollkommenheit zu baden
Und Gott zu werden von der Gottheit Gnaden!


DIE ALLERHEILIGSTE DREIFALTIGKEIT

Der Vater mit dem Sohne in dem Geist
Erbauen sich in göttlichem Verein
Zu einem goldnen Becher, wie es heißt,
Zu einem schönen Kelch von goldnem Schein.

In ihnen fließt die Minne um wie Wein,
Sie lieben sich mit schöner Wechselminne,
Berauschen sich am Wein und schenken ein
Und werden trunken edlen Weines inne.

Die Schenkin, die den Becher mit dem Trank
Mir ausschenkt mit dem Weine oder Blute
Und macht mit Trank mich trunken auserlesen,

Das ist die Schenkin an der Schöpfung Schank,
Die Unpersönliche und Absolute,
Urgottheit, meine Göttin, höchstes Wesen!


OBERE UND UNTERE WEISHEIT

Urgottheit in der göttlichen Natur
Hat volle Brüste runden Türmen gleich,
Die große Mutter aller Kreatur
Ist dunkle Weisheit in dem dunklen Reich.

Wie unausforschlich ist die gnadenreich-
Allschöpferische Gottheit, unerkennbar,
Die Absolutheit wie ein stiller Teich
Ist unergründlich, namentlich nicht nennbar.

Doch wie ist in dem irdischen Exil
Die untre Weisheit bei uns mit dem Spiel
Des Göttersprosses oder Jesu Christe!

Die Gottheit in dem gottesgleichen Sohne
Gleicht einer Allgeliebten und Matrone,
Die Freundin hat sehr hübsche kleine Brüste!


AN DEN MEISTER

Mein Meister, ausgetobt die Leidenschaft
Und des versteiften Nackens stolze Starrheit
Gebeugt, ich schreite von der Jugendkraft
Zur Altersweisheit, von der Jugendnarrheit

Zur frommen Weisheit, die dein Geist der Klarheit
Mir eingießt. Doch so wie das Licht der Kerzen
Wie nichts vorm Licht der Sonne deiner Wahrheit,
Bescheiden Weisheit bleibt im Menschenherzen.

Mein Meister, wie an einer goldnen Kette
Ziehst du mich in die mystische, die Helle,
Mir schwindelt in den hohen Strahlenkreisen!

Da spricht die Weisheit leise zu dem Weisen
Und er erkennt: Wie eine Narrenschelle
Wär ich, wenn ich nicht Schöne Liebe hätte!


DIE EWIGE SCHÖNHEIT

Als Salomo von seinen Weltgeschäften
Erschöpft war, legte er den Körper müd
Ins königliche Bad, zu neuen Kräften
Zu kommen, und er salbte jedes Glied.

Im königlichen Waldhaus Sulamith
Im Libanon schaut zu ihm voller Liebe.
Als Salomo die Vielgeliebte sieht,
Erwachen seiner Seele Lebenstriebe.

Er spricht: Am Anfang war die Absolute,
Die Ewge Schönheit (Schöne, Wahre, Gute),
Das Gottheitsantlitz makellos perfekt!

Am Anfang war der Ewgen Schönheit Schweigen,
Ihr unverschleiert Antlitz aufgedeckt
Tat sie zu der erträumten Schöpfung neigen.


SOPHIAS MATRIARCHAT

Wie sehnt ich mich hinab zur Magna Mater,
Ins Paradies in goldner Vorzeit Grund,
Zu heiligem archaischem Theater,
Der Mütter Dreistuhl und der Schönheit Fund!

Da öffnete sich mir zur Gnadenstund
Das Himmelstor, im tiefsten Seelentriebe
Erschien mir Jesus Christ, vor Liebe wund,
Und offenbart die Gottheit mir der Liebe!

Und was ich suchte mit der Seele Sehnen
Und mit verzweiflungsvollen Trübsalstränen,
Das fand ich bei der Jungfrau ohne Fehle!

Gefunden hab ich durch die Huld Messias‘
Die Himmelsschönheit Hagia Sophias
Als reines Matriarchat in meiner Seele!


DIE LIEBE FRAU

Vertrau der Lieben Frau, der Gotterkornen,
Der Ewgen Schönheit heiligen Ikone,
Der makellosen Lilie unter Dornen,
Der Gnadenvolle auf dem Mutterthrone,

Sie wird bereiten dir der Schönheit Krone
Und laden dich ins Himmelreich Marias
Und mit dir jubeln zum geliebten Sohne,
Dem reinen Licht der Seele, dem Messias.

Im Erdengrund verschlossen goldne Samen
Der Seele sollen blühen, Früchte bringen,
Zur Lebensfrucht des Paradieses reifen!

Das wirkt in dir die Lilie ohne Namen,
Du mußt nicht mehr bei den Genossen schweifen,
Darfst nun der Christsophia lieblich singen!


TOD UND AUFERSTEHUNG

So war mir Leib und Seele fast wie tot
Und mit dem Herzen lag ich wie im Grabe
Und Finsternis und große Jammernot
War alles mein und meine ganze Habe

Und nur der bittre Becher meine Labe
Und unvermischt darin die Lebensangst,
Nur Unheil kündete des Schicksals Rabe,
Als ob du, Herr, in mir am Kreuze hangst –

Nun lieblich Gnade aus der Transzendenz
Fließt süß zu mir und lachend schaut der Lenz,
Die Jungfrau tanzt mit mir zu Minnescherzen,

Die Jungfrau tanzt so schön im Ostergarten,
Tanzt mit dem Heros Jesus, mit dem zarten,
Liebfraue und der Herr mit Einem Herzen!


UNSERE LIEBE FRAU DES FRÜHLINGS

Wie eine Frühlingsgöttin schön und jung
Seh ich die Liebe Frau des Frühlings glühen
Und duften überall, Begeisterung
Auf Menschen malend mitten in den Mühen.

Wie Strahlen von den jungen Mädchen sprühen
Als Abglanz Gottes in der Immanenz!
Wie Schönheit will in allen Blüten blühen,
Der Ewgen Liebe Schönheit blüht im Lenz!

Verliebte Schwalben bauen an den Nestern,
Die Mütter werden Bräute für die Kinder,
Das Himmelreich wird transparent und blau.

In Weisheit tanzen frei die holden Schwestern,
Der großen Mutter singen weise Inder,
Aus Liebe ward die Gottheit mir zur Frau!


EINSAMKEIT MUTTER DER WEISHEIT

Die Meister sagen: Wer die Weisheit sucht,
Sei gerne einsam und sei viel allein,
Dem wird sie spenden ihre goldne Frucht,
Der Sie vorzieht dem menschlichen Verein.

Wer sich der Weisheit will als Jünger weihn,
Der suche sie, wo sie zu finden ist,
Der bitt die Gottheit nur, all-einig Ein,
Die ihm allein die Weisheit zubemisst.

Und weil die Weisheit wie ein Liebling kommt,
Der Frau der Name der Sophia frommt.
Such keine andre Frau, Sophia nur!

Sie wird mit ihren gnadenvollen Blicken
Dich mehr als je ein Liebchen hoch entzücken,
Kommt sie in ihrer göttlichen Natur!


SINNLICHE LIEBE

Der Dichter preist die schwüle Sinnlichkeit
Und eines Busensfülle Wonnebrust
Und nennt die liebeskampfdurchtobte Maid
(Der Gottheit überlegen) seine Lust.

Ich prüfte diesen Weg und fand den Dust
Der Erde ungenügend meiner Seele,
War doch des Himmelreiches mir bewußt,
Dem Äther-Ideale ohne Fehle.

Mehr als der Erde schwüle Sinnlichkeit
Verheißt der Seele die Glückseligkeit
Zu Gott die Liebe! Darum Gott vertrau,

Denn aller Schönheit Quelle ist die Weisheit,
In ihr wird dir die Gottheit sanfter Leisheit
Zur wonnevollen Paradiesesfrau!


WIDERSPRUCH

Bei Indern, Griechen oder bei Hebräern,
Der Widerspruch ist überall der gleiche,
Zeigt Gott der Vater sich den weisen Sehern,
Die Göttin Weib erscheint im Dichterreiche.

Die Sinnlichkeit der Heiden ist ins weiche
Gefild der Göttin-Mutter eingebettet,
Der Vater Himmel in der Seele Teiche
Die Seele einzig durch Askese rettet.

Wie aber, wenn die Erde scheint asketisch
Und, ohne Lust, Verbannung und Verließ,
Wenn auf der Erde herrschen Männer grau;

Doch Dichterseher schauen geistprophetisch
Vollkommne Wollust in dem Paradies
Des Schoßes ihrer Gottheit, ihrer Frau?


GELIEBTE GOTTHEIT

Die Weisheit spricht: Die Gottheit ist die Fülle
Des Lebens ewiger Glückseligkeit,
Sie ist der Seelenfrieden in der Stille
Und mütterliche Allbarmherzigkeit,

Aus Allbarmherzigkeit in Ewigkeit
Sie spendet Menschen ihrer Gnaden Gaben,
Die in der Ewigkeit aus dieser Zeit
Erlösten in der Ewigkeit zu laben.

Du aber, o mein Mann, die Gottheit denke,
Wie sie dir ihrer Gottheit Gnaden schenke
Und lasse dich in ewigen Äonen

Eingehen in das Innerste der Lust!
So liebend liege an der Gottheit Brust,
Glückselig deiner Gottheit beizuwohnen!


TRINKE WEIN

Je mehr du immer nach der Weisheit strebst
Und zunimmst an der Gottessehnsucht Brennen
Und für das Studium der Weisheit lebst –
Ach, nichts vermag das Menschlein zu erkennen!

Mit welchem Namen soll man Gott denn nennen,
Das Absolute über deinem Scheitel,
Von keinem Weisen ist es zu benennen,
Denn Weisheit dieser Erde auch ist eitel!

Drum auch der Weiseste den Weinkelch küsste
Und liebte seiner Vielgeliebten Brüste
Und liebte seiner Vielgeliebten Glieder

Und sang von schönen Frühlingsblumen Lieder,
Die Schönheit der Vergänglichkeit zu ehren,
Nichtswissend dann zur Gottheit heimzukehren!


SEI KINDLICH

Das Angesicht der Gottheit ist die Nacht
Und Gottes Wort und Stimme ist das Schweigen,
Tief unausforschlich ist der Gottheit Pracht,
Unendlich gnadenvoll der Gottheit Neigen,

Nie weißt du, wie Gott ist, und doch dein eigen
Und eigner als dein eigen ist dein Gott,
Nie wird ihn deine Weisheit ganz bezeugen,
Vor Gott ist alle deine Weisheit Spott.

Ein Buch verspeise, Wermut wird das Futter,
Doch dann zu Honig wird des Buches Speise,
Wo alle Worte nichts als Liebe sind.

Was weißt du? Die Erkenntnis macht dich weise,
Wenn du mit Urvertrauen Gott der Mutter
Ablauschst das liebevolle Wort: Mein Kind...!


SOPHIA JESUSKIND

In meinem Traum sing ich das Liebeslied
Des auferstandnen Christus als Sophie,
Als Christsophie, die reine Sulamith,
Erscheint die Gottheit mir, und siehe, sie

Spricht zu mir voller Herzenssympathie
Als alte weise Jungfrau reiner Handlung,
Als heilige Matrone Gottes, die
Verkündet mir die schlangengleiche Wandlung,

Daß sie ein göttliches, ein Kind will sein,
Will sein das mystische, das Jesuskind,
Daß mit dem Kind ich selbst zum Kinde werde.

Du lebst in Kinderseelen, einig Ein,
Die reine Spiegel deiner Reinheit sind,
Die kleine Götter sind auf dieser Erde.


DER NAME GOTTES

Dich preis ich, Jahwe, als das Absolute,
Drin Männlich fällt mit Weiblichkeit in eins,
Das Ewige, das Heilige, das Gute,
Das Eine, ewig Seiende des Seins!

Die Schrift, geoffenbart der Welt des Scheins,
Enthält der Gottesweisheit goldnen Samen
Und spricht der Welt des menschlichen Vereins
Den unaussprechlichen, den Gottesnamen!

Das Goldene Äon des Paradieses
War ohne Offenbarung nicht und Dogma,
Der Gottheit große Mutterschaft war dieses,

So daß, bevor ergangen der Befehl,
Den Herrn zu ehren als den starken El,
Die Gottheit offenbarte sich als Chokma!


NACH MEISTER ECKHARD

Die ewige Gebärkraft Gottes will
Das Wort der Weisheit immerdar gebären,
Sie sucht den Schoß der Seele, rein und still,
In ihr die Gottgebärerin zu ehren.

Wenn Seele dir und Herz Maria wären,
Die Hauchung du empfingest in der Seel,
In deinem Herzensinnersten, dem Leeren,
Geboren würd das Kind Immanuel.

Das göttliche, das Kind, Immanuel,
Ist Gottheit mit dir, Gottheit in dir innen,
Was außer ihm, entwerde all zu nichts!

Was in ihm ist, der Seele deiner Seel,
Ward göttlich durch das schöpferische Minnen
Der göttlichen Gebärkraft (oder Ichts).


JOSEF DER TRÄUMER

Ich, Josef, lebe wie von Luft und Licht
Allein von Gottes Liebe, alle Räume
Des Inneren durchflutend, welche spricht
Und offenbart sich mir durch Morgenträume.

Wie die Ägypterin die Wogenschäume
Von ihres Busens Fülle niederschüttelt
Und wie ich bette mich in ihre Säume
Und bin an ihrem Herz mit Gott vermittelt!

Der Erstgeborne meiner Seele, wessen
Mein Herz gehört, ließ tausendmal vergessen
Mein Unglück und mein Vaterhaus, beseelend

Mit Liebe wie sein Bruder mich, der Kleine,
Der durch die große Liebe ließ und seine
Hingabe mich erstehen aus dem Elend!


HERZENSKÖNIGIN

Wie trieb mich um Begehren nach den Weibern,
Das Ewigweibliche im Fleisch zu minnen,
Ganz ruhlos jammerte ich vor den Leibern
Und geißelte mich selbst mit meinen Sinnen.

Ich wollte Gott den Herrn im Wort gewinnen,
In Gottesdienst, Gebeten und Gesang,
Da wies der Herr mich mehr und mehr nach innen,
Daß ich zur Seele und zum Selbst gelang.

Liebfrau kor ich zur Herzenskönigin,
In ihren Händen alle Schlüssel sind
Der Weisheit und Erkenntnis meines Herrn.

Da öffnete sie mir die Kammer in
Dem Herzen, friedlich ruhte ich als Kind
Im Mutterschoß, in Gottes Schoß als Kern.


DIE WAHRE EHEFRAU

Wer freien möchte andern Mannes Frau,
Wird freien als Gemahlin Schwermut nur,
So sehr er trinkt des Weinstocks blutigen Tau,
Er gräbt nur in die Trauer seine Spur,

Die Leiden werden ganz ihm zur Natur
Und trunken wird er von der Tränen Fülle.
So geht es einer armen Kreatur,
Der nicht Gebieter ist der Gotteswille.

Bekehrst du dich zu der Genossin, welche
Die weise Vorsicht für dich auserkoren,
So Nektar jubelnd schäumt in deinem Kelche!

Gegeben ward zur Gattin mir Maria,
Liebfrau, gestaltgewordene Sophia,
Und sie hat mir das Jesuskind geboren!


TORHEIT DES PROPHETEN, WAHN DES WEISEN

Beschuldigt mich der Eitelkeit der Dichtung
Zum Ruhme dieser Welt, des eitlen Strebens
Nach Ruhmeskränzen trotzend der Vernichtung,
Beschuldigt ihr der Torheit mich vergebens.

Die Nichtigkeit des Lorbeerkränzegebens
Auf Frauenhäupter, welche töricht sind,
Macht offenbar das Wahnhafte des Webens,
Denn Jagd nach solchem Ruhm ist Jagd nach Wind.

Die Muse aber, die mich als Poet
Begeistert, daß ich singe als Prophet,
Das ist die königliche Mutter Wahrheit,

Die Herrin meiner Harfe ist Maria,
Des Wortes Mutter, deren Ruhm in Klarheit
Preist nur den Ruhm der Hagia Sophia!


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