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LIEDER DER LIEBE

Von Peter Torstein Schwanke

(Frühling 2002/Sommer 2004)


„Ich lehrte Ephraim gehen und nahm ihn auf meine Arme;
Aber sie merkten’s nicht, wie ich ihnen half.
Ich ließ sie ein menschliches Joch ziehen
Und in Seilen der Liebe gehen...“
(Hosea 11,3.4)


HOHES LIED

1

Einzig ist die Liebste, unvergleichbar,
Schönste aller Frauen, wunderbar,
Strahlend wie ein Stern und unerreichbar,
Wie der Stern, mit dem beginnt das Jahr.

Ihre Augen leuchten voller Tugend,
Leuchten wie der Mondschein fort und fort.
Ihre süßen Lippen voller Jugend
Sagen niemals nie ein leeres Wort.

Liebesäpfel, ihre Brüste beben,
Lapislazuli trägt sie im Haar,
Ihre Arme gleichen goldnen Stäben,
Ihre Finger Lotossprossen klar.

Schönster Hintern, schönste schlanke Hüften,
Ihre Schenkel bergen ihre Scham.
Edlen Grüßens, geht sie in den Düften,
Sie mein Herz mir aus dem Busen nahm.

Alle Männer unter dieser Sonne
Drehn sich um, wenn sie die Lippe kühlt.
Wer umarmen darf die schönste Wonne,
Sich als König in dem Himmel fühlt.

Sieht man sie zur Zeit der Lotostriebe
Treten aus dem Hause, wo sie wohnt,
Gleicht der Herrin sie der schönen Liebe,
Ihr zu Füßen schmiegt sich sanft der Mond.


2

O meines Herzens heißes Pochen,
Denk ich an den geliebten Schatz!
Mir klappern alle meine Knochen,
Mein Herz hüpft auf an seinem Platz!

Ich kann nicht mehr mit Fächern winken
Und gehe nackt, bei meiner Seel!
Ich kann nicht mehr die Augen schminken,
Mich nicht mehr salben mit dem Öl!

Mein Herz sagt oft als strenge Herrin:
Geradewegs geh du zum Ziel!
Mein armes Herz, sei keine Närrin,
Du machst mir Not und Kummer viel!

Bleib still! der Liebste wird schon kommen!
Doch kommen auch der Leute viel.
Und reden werden alle Frommen:
Der Liebe diese Frau verfiel!


3

Ich bet die goldne Herrin an
Und preise ihre Majestät,
Ich jubele und jauchze dann,
Wenn sie am schönen Himmel geht!

Die Herrin hörte gern mein Flehn,
Da kam mir meine Herrin nah!
Von sich aus kam sie, mich zu sehn!
Wie herrlich ist, was mir geschah!

Voll Jubel meine Seele steigt,
Als ihre Schönheit kam zu mir!
Ein jeder in Verehrung neigt
Aus großer Liebe sich vor ihr!

Der Herrin tat ich einen Schwur,
Sie gab das Mädchen mir zum Lohn -
Drei kurze Tage blieb sie nur
Und gestern abend ging sie schon!


4

Die Geliebte sah ich lang nicht mehr,
Sieben Tage lang! Da ward ich krank.
Alle meine Glieder wurden schwer
Und mein Geist in eine Ohnmacht sank.

Wenn der Doktor von Rezepten spricht,
Er doch nimmer meine Krankheit bannt,
Weiß er des Problemes Lösung nicht,
Hat mein Leiden er doch nicht erkannt.

Aber eines Boten Botschaft frommt,
Naht er mir in flinkem Botenlauf,
Ruft er nur: die schöne Herrin kommt!
Hebt er wieder mir das Herz hinauf.

Beste Medizin kommt an mein Bett:
Die Geliebte mit dem roten Mund!
Ja, ihr Kommen ist mein Amulett,
Und sie anzuschaun, macht mich gesund!

Leben werd ich, schaut sie voller Charme,
Lebensmutig werd ich, wenn sie spricht,
Selig bin ich, wenn ich sie umarm - -
Doch sie kommt seit sieben Tagen nicht!


5

Bin ich nicht bereit, dich zu erwarmen
Und du schnürst schon deiner Schuhe Senkel?
Willst du mich nicht voller Lust umarmen,
Kosen voller Lust mir Scham und Schenkel?

Willst du dich an einer Mahlzeit weiden,
Bist du denn ein Mann mit leerem Magen?
Denkst du nur daran, dich anzukleiden?
Willst du nicht mein leichtes Nachthemd tragen?

Willst du gehn, weil deinem Munde dürstet?
Siehe meine Brüste überfließen!
Besser in der Liebe Arm gefürstet
Als im Feld zu sehn die Disteln sprießen!


6

Süß die Pflanzen an der Küste,
Lotos der Geliebten Mund,
Liebesäpfel ihre Brüste,
Ranken ihre Arme rund.

Ihre Augen gleichen Fallen,
Drein ich mich als Vogel setz,
Ihre langen Wimpern wallen,
Dienen willig ihr zum Netz!


7

Mein Herz ist durstig nach der Liebe Golf,
Nach deinem heißen Blut, mein wilder Wolf,
Berauschen will ich mich am Liebesakt,
Denn siehe, schön bin ich und jung und nackt!
Von dem, nach dem mir meine Seele klagt,
Laß ich nicht ab, und wenn ihr mich auch schlagt -
Mit Knüppeln treibt mich in das Syrerland,
Mit Ruten treibt mich in das Negerland,
Ins Hochland ihr mit einem Stock mich treibt,
Im Tiefland ihr mir fast den Geist entleibt -
Ich höre euren guten Rat nicht mehr,
Ich laß den nicht, den ich so sehr begehr!


8

In dem Landhaus der Geliebten
Sind die Eingangstore offen,
Rausgezogen sind die Riegel
Und erzürnt ist die Geliebte!

Wäre ich des Hauses Pförtner,
Machte ich ihr solchen Ärger,
Hörte ich dann ihre Stimme -
Zitterte vorm Zorn der Liebsten!


9

Nach dem Kommen des Geliebten seh ich,
Wenn er kommt, geschmückt mit goldnem Blatt.
An dem Rand des gelben Niles steh ich
Und mein Herz gehört der Sonnenstadt.

In den Liebesgarten eilt die Seele,
Blütenschaum mir auf die Brüste fällt,
Haare triefen mir vom Balsamöle -
Bin durch dich die Herrin aller Welt!


10

Der Schrei der Wildgans tönt so laut,
Gefangen in der Falle Bann.
Und du bist schuld, geliebte Braut,
Daß ich sie nicht befreien kann.

Heut kann ich keine Netze greifen,
Der immer Vogelfänger war,
Kann heute nicht durch Wälder streifen,
Weil mich gefangen hält dein Haar!


11

Du Allerschönster, ich begehre,
Dir deine Sachen zu besorgen!
Wenn ich des Hauses Herrin wäre,
Du lägst in meinem Arm geborgen!

Gott möge meinen Schatz mir geben,
Sonst liege ich alsbald im Grabe!
Du, Liebster, bist mein Glück und Leben!
Mein Herz will so, daß ich dich habe!


12

Mein Herz gedachte deiner Liebe,
Das Haar gekämmt zur Hälfte nur.
Mich treiben alle meine Triebe,
Da acht ich nicht auf die Frisur.
Ich löse meine langen Flechten,
Ich bin bereit zu Liebesnächten!


13

Mein Herz gehört dir ganz,
Ich blühe südenwarm,
Lieg ich in deinem Arm,
Du meiner Augen Glanz!

Die Augenschminke blau
Ist nur für dich gemalt!
Der Freudenträne Tau
Aus lauter Liebe strahlt!

Wie schön die Zeit, wie tief,
Wie eine Ewigkeit!
O seit ich mit dir schlief,
Ist hoch mein Herz und weit!


14

O Lotosstengel, sieh mich kommen,
Im Wasser siehe meine Waden.
Ich wär so gern mit dir geschwommen,
Ich möchte gern mich vor dir baden!

Ich lass dich meine Schönheit schauen
In einem kurzen Linnenröckchen!
Duftreiche Balsamöle tauen
In meine aufgelösten Löckchen.

Ich möcht mit dir ins Wasser steigen
Und mit dem roten Fische schmusen,
Ich möcht ihm eine Blume zeigen,
Ihn betten unter meinem Busen.


15

Die Geliebte ist gekommen!
Jubeln will ich wie die Frommen,
Welche auf die Liebe hoffen!
Meine Arme sind weit offen,
Die Geliebte zu umfangen!
Schillernd schimmern schön die Schlangen!
Ewig, ewig bist du, Nacht!
Liebe hat sich aufgemacht!


POESIE-ALBUM FÜR JURI


1

WEIHE JURIS AN DAS MAKELLOSE HERZ MARIENS

O Herz Mariens, Herz der Makellosen,
O Herz Mariens, Gottes Paradies,
O Herz Mariens, lieberot wie Rosen,
O Herz Mariens, Milch und Honig süß,
      Ich weihe Juri - bei der Liebe Kerzen -
      Maria, deinem mütterlichen Herzen.

O Gottes Tochter, liebend angeschaut,
O Gottes Mutter, selig du im Glauben,
O Gottes Braut, des Liebesfeuers Braut,
(Auch meine Braut - du mochtest es erlauben):
      Ich weihe Juri - bei der Liebe Kerzen -
      Maria, deinem mütterlichen Herzen.

Sankt Juri schütze ihn vor allem Bösen,
Er töte alles Böse mit der Lanze
Fürbittenden Gebetes, das erlösen
Die Seele kann in Gottes großem Glanze.
      Ich weihe Juri - bei der Liebe Kerzen -
      Maria, deinem mütterlichen Herzen.

Schutzengel Juris, der das Angesicht
Des Vaters in den Himmeln immer schaut,
Sei deinem Schutzbefohlenen ein Licht,
Sei Juris Leib und Seele dir vertraut.
      Ich weihe Juri - bei der Liebe Kerzen -
      Maria, deinem mütterlichen Herzen.

Und Juris Mutter sei und Vater auch
Der Mutter aller Menschen anempfohlen.
Ist unser aller Leben nur ein Hauch...
Maria will uns in den Himmel holen.
      Ich weihe Juri - bei der Liebe Kerzen -
      Maria, deinem mütterlichen Herzen.

O Herz Mariens, Königin der Freiheit,
Laß Juri du im Leben nie allein!
O Gott, du Einer (in geheimer Dreiheit),
Schließ Juri du in deine Liebe ein!
      Ich weihe Juri - bei der Liebe Kerzen -
      Maria, deinem mütterlichen Herzen.


2

Geliebtester! mich Liebender! du goldner Knabe,
In meinem Schmerz warst du mir eine Gottesgabe,
Du Trost dem Traurigen, Erwecker süßer Wonne,
Dein Haar und deine Augen stammen von der Sonne,
Aus deinen Augen trägt ein Engel Licht in meine
Todwunde Seele. Schlummer ein im Abendscheine
Und träume süß! Laß dich zum letzten Male grüßen,
Vom Gottgeweihten segnend auf die Stirne küssen!


3

Ruh am Busen deiner Mutter,
Süß wie Honig, weiß wie Butter,
Sauge Seligkeit mit Schmätzchen,
Schau zur Mutter auf, mein Schätzchen!

Mich riß einst ein Fluch vom Busen,
Riß mich aus dem Mutterherzen!
Mütter such ich in den Musen,
Stets gezeichnet von den Schmerzen!


4

Ich hätte so gern den Abendsegen
Von deinem Schlafengehen empfangen.
Zu der Zeit ging ich Gott entgegen,
Als du küsstest der Mutter Wangen.


5

Lächelst mich an, wenn ich zu dir geh,
Da komm ich, kosende Späße zu machen.
Wenn ich dich erwartungsvoll lächeln seh,
Küss ich den Bauch dir, das bringt dich zum Lachen.

Heilig schaust du beim Andichschmiegen,
Vertrauende Sonne dein Auge schien.
Aber mehr noch - ein seliges Quieken
Lachst du beim spielenden Fliehn...


6

(Ich bin allein mit meinem schweren Herzen
Und trage einsam, mit Geduld, die Schmerzen.)

Ich sah die Mutter, sah die Frau im Traum,
In Gott versenkt im innerlichsten Raum.

Die Frau, die mir im Traum die Schönheit schenkt,
Bereit, daß sich der Träumer in sie senkt,

Sie gab dem Dichter David einen Sohn,
Den Friedensfürsten König Salomon.


7

Tags seh ich dich vor einem Spiegel stehn
Und zu dem Paten in dem Spiegel sehn.

Du sitzest auf des Mutterschoßes Thron
Und lächelst in den Spiegel, lieber Sohn.

Der Dichter aber, den die Träume führen,
Begehrt, den Sohn im Spiegel anzurühren.

Da Dichter sich und Knabe nahekamen,
Da sprach der liebe Sohn des Paten Namen.

Den Spiegel seh ich alles Licht aufsaugen,
Im Spiegel sehe ich des Sohnes Augen.


8


Mein Kind, du bist in einer Nacht
Allein im Bettchen aufgewacht.
Laternen durch das Fenster scheinen,
Umschimmerten dein weiches Weinen,
Das weinte leis und weinte tief,
Dein Weinen einen Tröster rief,
Den Trost ins Zimmer dir zu holen.
Da schlich ich leis auf leisen Sohlen
Und legte mich mit bangem Beben
Ganz zag und atemlos daneben.
Du tastetest nach dem Gesicht,
Ob dieses Angesicht dir spricht
Im Schlummerdämmer ein Vertrauen,
So zärtlich deine Hände schauen
Nach meinen väterlichen Zügen,
Um dich dann kindlich anzuschmiegen,
Zu schlafen mit dem offnen Munde
In dieser blauen Mittnachtsstunde.
Da horcht ich deinem Atem bang
Und sah, so drei Minuten lang,
Die blaue Nacht unendlich groß
Als wie in Gottes Mutterschoß.


9

Sie stand vor mir mit feuchten braunen Locken.
Dann gab sie ihre weißen Blumenglocken
Mit honigsüßer Milch dem Sohn so traut,
Der sie verzückt und selig angeschaut.


10

Wie war es schön im Wasser weich und warm,
Wie einst im Schoß... Doch draußen warst du arm
Und weintest, weintest ohne alle Scham
Und hörtest auf zu weinen, als ich kam.


11

Sei keiner neidisch, keiner eifersüchtig,
O Freundin, weil ich deinen Kleinen liebe!
Ich streich ihm durch die blonden Locken flüchtig,
Ob Segen über seinem Haupte bliebe.

Von deiner Brust kam er zu mir gegangen
Und schmiegte schüchtern sich in meinen Arm.
Da hab ich ihn wie väterlich umfangen
Und daß ich ihn sehr lieb hab, sagt ich warm.

Dann wählte meinen Schoß er sich zum Thron,
In Bildern Schöpfungsschönheit anzuschauen,
Die schönen Schmetterlinge, rot wie Mohn,
Am Teich die großen Blumen auch, die blauen.

Dann sah sein Auge mir in meine Augen
Und seine Seele sagte mir sein Mund.
Du, Engel, kannst allein zum Trost mir taugen
In dieser Zeit, da ich vor Liebe wund.

Sei keiner neidisch, keiner eifersüchtig,
Mein kleiner Engel, weil ich sehr dich liebe!
Ich küsse deine goldnen Locken flüchtig,
Daß Segen mir auf meinem Munde bliebe.


12

„Hast du ein Lied mir mitgebracht?“
Ach Frau, ich hab mich nicht getraut,
Weil mich vor Tagen umgebracht
Die ich als Göttin angeschaut.

Doch Juri ist nun mein Gesang,
Den lese, wer ihn lesen mag.
Und bin ich vor den Frauen bang -
Das Kind ist Sonne meinem Tag.

Und weil das Kind so lieb dich hat,
Wie dürft ich weniger dich lieben?
Und nehm ich vor den Mund kein Blatt:
Ich habe euch sehr gern geschrieben.


13

Da jede, die ich liebe, harten Herzens spricht:
„Ich lieb dich nicht! Ich lieb dich nicht! Ich lieb dich nicht!“
Da tröstet ein Gedanke mich allein zur Nacht:
Daß Juri wegen mir den Mittagsschlaf verwacht.

Da jede, die ich liebe, meinen Reim nicht will:
„Nicht mir das Loblied der Idee der Schönheit quill!“
Ist es mein Trost alleine, daß ich singen darf
Dem lieben Juri, dem ich seine Kindheit harf.

Da jede, die ich liebe, mich nicht küssen mag:
„Mir nicht von deinem glühenden Verlangen sag!“
Ist Tröstung mir allein für meine Seele wund,
Daß Juri mag in seinem Goldhaar meinen Mund.


14

Aufwachend sagt er meinen Namen,
Einschlafend ich an Juri denke,
Den Kleinen (nicht aus meinem Samen)
Dem ich die Liebe Gottes schenke.

Daß er mich liebt, der Sohn der Frau,
Und sonnig lacht bei meinem Kommen,
Daß macht mich stolz wie einen Pfau
In aller Demut eines Frommen.


15

Im Mutterschoße hat der Schöpfer dich bereitet,
Du bist des Schöpfers schönstes Bild!
Der Segen Gottes alle Tage dich begleitet
Mit mütterlicher Liebe mild.

Wenn deine Schönheit meiner Wirklichkeit begegnet
Und dir im Goldhaar spielt der Wind
Und schauest du mich an: dann fühl ich mich gesegnet
So zärtlich wie vom Jesuskind!


16

Aua! sagte Klein-Sensibel,
Schaute in die Bilderbibel,
Vor der Kirche dann zu fegen
Unter Muttergottes Segen,
Priesterlich dem Volk zu winken,
Gottes Muttermilch zu trinken!


17

Will ihm durch die Haare hauchen,
Hör ich ihn wie Gänse fauchen,
Will ihm in die Augen sehen,
Hör ich ihn wie Hähne krähen.


18

Hab in meinem Traum geschaut,
Wie Maria, ihm gewogen,
Der ich Juri anvertraut,
Mütterlich ihn auferzogen.


19

Er kommt zur blauen Abendzeit
In sein Marienkäferkleid,
Sich mit der Mutter Haar zu decken,
Bis morgens Sonne kommt ihn wecken.


20

„Voller Stolz die rote Rose,
Doch bescheiden ist das Veilchen“,
Sagt die Mutter. Und ich kose
Mit dem kleinen Kind ein Weilchen.

Mein Herz hat Ruhe vor der Liebe -
Doch daß es nicht so öde bliebe
Und nicht so traurig und betrübt,
Mein Herz den lieben Juri liebt.


21

Du schliefest ein mit meinem Namen
Auf deinem halbgeschlossnen Mund.
Ich schlafe ein mit einem Amen
Und leg mich in das Gottherz wund.

Nun hebe wieder deine Lider
Und schau mich an aus deinem Meer.
Ich bin so traurig einsam wieder,
Schau du wie eine Hoffnung her.

Ja schmiege dich an meine Wange,
Die manche Träne mir betrübt.
Bleib du mir lieb, denn ich bin bange:
Von allen Lieben ungeliebt.


22

Wo hast du nur die Freude her
In dieser armen dunklen Welt?
Daß mir aus deiner Wonne Meer
Ein Tropfen in die Seele fällt!

Ach daß mir deines Lächelns Licht
Die Seele heilt mit Salbe still,
Der ich, weil mir das Herz zerbricht,
Nur tausend Jahre schlafen will.

Wend zu mir deine Zärtlichkeit,
Daß ich mich eine Stunde freu
In hundert Jahren Traurigkeit
An deiner Schönheit, Engel, scheu.


23

Wir Schmetterlinge mit dem heißen Herzen
Und Flügeln von der Liebe tief gerötet,
Wir fliegen immer wieder in die Kerzen
Und in die Glut der Liebe, die uns tötet. -

Du aber, papillon d’amour, bist wie
Ein Lächeln um die süße fleur de lys.
Und stürz ich brennend nieder durch le feu,
So steigst du strahlend durch l’Amour de Dieu!


24

Ich bete einen Rosenkranz
Zu meiner Herzenskönigin,
Da sehe ich im goldnen Glanz
Juri in meinem innern Sinn.

Wer war denn je zu mir so lieb?
Ich lern von ihm, ein Kind zu sein.-
Ist Gottes Lieb’ wie Vogelpiep
In lauter innerm Sonnenschein.


25

Wir stehen in dem kühlen weihevollen Dunkeln
Still vor der Mosaik-Ikone aus Byzanz
Und freuen uns am frommen Kerzenfunkeln
Und an der goldnen Flämmchen andachtsvollem Tanz
Und sehen auf dem bunten Bilde goldnen Glanz.

Mama Maria schaut so lieb und lind
Und hält im Arm so warm das Jesuskind -

Und Juri hört den Paten andachtheilig munkeln:
Mama Maria liebt dich ewig, ganz!
- Und Juri wird gesegnet von der heiligen Monstranz.

Dann treten wir ins Freie, Sonnenschein und Wind,
Und Juri will im Kinderwagen schunkeln
Und singt der Mama-Ma-Maria und dem Jesuskind.


BALTRUM

1

Wir standen auf dem Schiff, der weißen Fähre,
Es lag vom feinen Regen Nebeldunst
Auf der Unendlichkeit der sieben Meere.
Ich sah die Meeresewigkeit mit Brunst,
Die Schönheit der Natur, der Weisheit Kunst,
Und stand als Vater wie ein fester Turm
Und nahm in meine Fittiche der Gunst
Den Knaben Juri, der im Meeressturm
Die wilde Möwe sah, im Schnabel einen Wurm.

Mein Juri, kämpfe mit dem Wettersturm,
Bring durch den Sturm das Schiff, mein Kapitän!
Die Wolkensäule wie ein Himmels-Turm
Geht uns voran durch alle sieben Seen.
Ich seh dich, Kind der Liebe, staunend stehn
Vor der Unendlichkeit von Meer und Himmel.
Wie Jona in dem Bauch des Wales sehn
Wir Gott allmächtig überm Flutgewimmel.
Schiffsglocke läutet Ankunft leise mit Gebimmel.


2

Ich war allein im Wetter an dem Meer,
Unendlich ausgebreitet in den Norden,
Unendlich einsam, frei und wild und leer,
Wie einst das Meer im Anbeginn geworden,
Als Gottes Geist, das Wort vor allen Worten,
Geschwebt als Vogel oder wie der Wind,
Ausbrütend alle Arten, alle Sorten,
Als Leben in der Mutter Meer beginnt.
Schon auf der See tanzt Gottes Weisheit wie ein Kind.

Ich seh den Anbeginn der Elemente,
Den Himmel und den Wind und Meer und Erde.
Der Ewigvater breitet seine Hände
Und lacht aus Wolken gnädiger Gebärde.
Die wüste Erde, wie im ersten Werde,
Liegt nackt und offen da als Gottes Braut.
Das Meer jedoch mit schwangerer Beschwerde,
Das sexuelle Meer die Schöpfung braut.
Und schon der Seher erste Lebewesen schaut.

O sexuelles Meer mit gischtner Scham,
Wo jeder Gischtschaum gleich der Lilienblüte,
Der Himmelsvater ist dein Bräutigam,
Aus deiner Scham entstanden Aphrodite
Rauscht auf der Muschel durch das Meer, das sprühte,
Die nackte Göttin an den nackten Strand.
In tausend Tropfen Tau die Sonne glühte,
Und mit dem Seher betete das Land
Frau Weisheit an, die Gott im Hochzeitstanze fand!


3

Dornröschen in der Nordsee, Insel mein,
Wie gleichst du einem grünen Paradies!
Ich sehe deinen Heckenrosen-Hain
Als einen Mutterschoß, wie Eden süß.
Geschwellt wie eine Scham des Mooses Vlies
In sanft gewellten Hügeln oder Dünen.
Der Rosengarten der Madonna dies!
Hier Unsrer Lieben Frau von Baltrum dienen
Die Erde und der Wind auf Gottes Schöpfungsbühnen.

Des Weibes Schoß gleich ich das Paradies,
In welchen niedergeht von Gott der Regen.
Hier Unsre Liebe Frau von Baltrum süß
Empfängt den Geist mit seinem Schöpfersegen,
Daß sich die samenlosen Samen legen
In einer keuschen Jungfrau Mutterschoß;
Da will sich menschgewordne Weisheit regen
Und spielen wie ein Kind ganz sündenlos
Im Paradies Mariens, Minne makellos.


4

Soeben hat Marina an den Busen
Den Säugling Milan stillend angelegt,
Nun schlafen geht die Liebendste der Musen.
In mir der Geist der Einsamkeit sich regt,
Der Genius der Stille mich bewegt,
Als Gottes Wind im Wipfel einer Erle
Die Worte aus dem Schweigen Gottes trägt
Und spricht zu meinem Selbst, der reinen Perle,
Der Jungfrau Seele, welche kennen nicht die Kerle.

O Nacht, o Wind, o mütterliches Rauschen!
Vom Meere her gewandelt die Madonne
Ergibt sich in mein dichterisches Lauschen,
Und leise spricht sie, meiner Seele Wonne.
Ich bin der Eremit, ich bin die Nonne,
Ganz nackt ist Gott in dieser dunklen Nacht.
Gelegt hat sich der Lobgesang der Sonne,
Die Nacht wie eine Himmelsmutter wacht.
Maria sich vereinigt meiner Seele sacht.


5

Wohl gibt es oft am Tage ein Geschrei,
Am Abend aber steig ich auf den Hügel,
Die hohe Düne. Himmel hoch und frei,
Von Wolken voll und lachendem Geflügel,
Ist golden. Abendsonne wie ein Siegel
Verschließt den Tag wie einen Liebesbrief.
Ich reite auf dem Wind und laß die Zügel
Und reite in den Himmel, Baltrum tief
Liegt da wie eine Meeresjungfrau attraktiv.

Auf meiner Düne steht ein grauer Stein,
Ich bete abends am Natur-Altar,
Als Priester mit dem großen Gott allein,
Und weih die Frau und ihrer Kinder Paar
Der Liebe Gottes. Wolken wie das Haar
Allvaters treiben in der Freiheit wild.
Der Himmel ist unendlich, Gott ist klar,
Gott mächtig im germanischen Gefild,
Die ganze Schöpfung ein erhabnes Gottesbild.

Nur Gott, der nackte Gott, nur Gott allein,
Und einsam ihm vereint allein der Geist!
O Gott Germaniens, o einig Ein
Und Alles! Nun versteh ich, wie es heißt,
Daß Gott ein Vater ist im Himmel. Preist
Den Schöpfer der Natur, der Herrlichkeit,
Der seinem Diener seine Größe weist!
Die Schönheit der Natur ist Gottes Kleid
Und in dem Menschenherzen wohnt die Ewigkeit!


6

Frau Weisheit will ich preisen, ausgegossen
In alle Schöpfung, Ordnung der Natur.
Ich sah es einsam an: die Wellen flossen
Gesetzlich alle auf der gleichen Spur
Zum gleichen Ziel gemeinsam, und erfuhr
Zugleich die Freiheit jeder einzeln Welle,
Zum Ziele jede eigenartig fuhr
Und unverwechselbar. Da ward mir helle
Der Geist von Weisheit, aller Schöpfung Lebensquelle.

Und seh ich abends auch die Vögel fliegen,
Vom Meer die Möwen, aus den Bäumen Tauben,
Ich seh sie all sich in Gesetze schmiegen
Von Niederfahrt und Auffahrt, all sich schrauben
Gemäß der Lüfte Ordnung, doch erlauben
Die göttlichen Gesetze Freiheit auch,
Und ob sie girren oder Fische rauben,
Die Vögel spielen kindlich mit dem Hauch
Und tanzen frei, denn also ist der Weisheit Brauch.

Und schaue ich von der Druiden-Düne
Weit in den grünen Park am Wattenmeer,
Ist alles vor Frau Weisheit eine Bühne
Und freut sich alles an der Gottheit sehr
Und alle Tiere laufen hin und her
Und spielen mit der Gottesweisheit Spiele,
Die kindlich-selig sind und nicht sehr schwer.
Die Wonne kreatürlicher Gefühle
Hab ich empfunden hier als wie am Schöpfungsziele.


7

Nun geh ich also mit dem Juri-Knaben
In die Natur in stiller Einsamkeit.
Wir freuen uns an unsrer Mutter Gaben
Und finden schön ihr grün und buntes Kleid
Und wandern Wege, Labyrinthe weit,
Und reden mit den Hasen und den Vögeln
Und schüchternen Fasanen. Diese Zeit
Ist Ewigkeit. Nach mütterlichen Regeln
Die Vögelmütter brüten und die Wolken segeln.

Wir spielen im natürlichen Theater
Und sind als wie im Garten Eden schon.
Ich trage ihn auf meinem Arm als Vater
Und er zeigt mir die Seligkeit als Sohn.
Ich bin sein Fels im Meer, ich bin sein Thron,
Ich freue mich an seinem Kinderspiel,
Wie er mit Raupen spielt und auf den Lohn
Der Süßigkeit sich freut am Wanderziel.
Gott ist die Liebe - Juri-Liebe mein Gefühl.


8

Nun geh ich mit Marina Seit an Seite
Denselben Weg in Gottes grünen Garten,
Im Arme trägt sie Milan, meine Freude,
Den großen Küsser vor dem Herrn, den zarten.
Im Grünen tat der Friede uns erwarten
Und mütterlich erfreute uns Natur
Mit ihren großen, ihren kleinen Arten,
Vom Wurm zum Wipfel: Einer Liebe Spur
Zieht sich geheimnisvoll durch alle Kreatur.

Wir machen an dem Kreuzweg eine Rast
Und freuen uns am stillen Frieden so,
Bei der Natur, der Mutter, gern zu Gast
Und in erquickten frommen Seelen froh.
Da legt Marina Milan in das Stroh,
Die Mutter ihren Säugling sanft liebkost.
Ein sanftes Säuseln hier umgibt uns, wo
Am fernen Strand der Wind des Meeres tost,
Hier aber alles Friede, Freude, Traum und Trost.

So lag das Jesuskind ja auch im Stroh
Und hat mit seiner Mutter so gescherzt.
Der Säugling, weiser selbst als Salomo,
Hat in der Mutter alle Welt geherzt.
Wenn irgend einem Mann die Seele schmerzt,
Dann kommt das Jesuskindlein an mit Küssen,
Wenn Liebesleid des Mannes Seele schwärzt,
Kommt Jesus mit der Liebe Überflüssen.
So dacht ich da und mußte meinen Milan küssen!


9

Gott, guter Papa, liebe Mama, höre,
Wie zu dir beten deine Kinder alle
In deinem Inselheiligtum im Meere
Vorm Allerheiligsten der Tempelhalle.
Ja, Gott der Meere, wall und schwalle,
Wir wollen auf dein mütterliches Rauschen
Still hören, loben dich mit leisem Schalle
Und auf das Echo in der Seele lauschen
Und unser Fleisch mit deinem Fleisch, o Herr, vertauschen.

Aus einer Muschel ist dir der Altar
Errichtet für das Mahl von Brot und Wein,
Von Fleisch und Blut des Herrn, der offenbar
Und tief geheimnisvoll geht in uns ein.
Ich steh dem Priester bei und darf hier sein
Mund Gottes, sprechend Gottes Wort, das küsst
Die Seelen mit der Weisheit im Verein.
Gewahr im Gottesdienst, o Pilger Christ,
Wie deine Mutterkirche Herz der Insel ist.


10

Am frühen Nachmittag wird Juri müde,
Er spielte lange Stunden schon den kühnen
Und starken Ritter. Leise kommt der Friede.
Ich zieh im kleinen Wagen durch die Dünen
Den süßen Liebling, bis wir tief im Grünen
Zum Mittagsschlaf uns betten in dem Gras,
Geborgen wie im Schoß in Hügelbühnen,
Wo still ein Engel bei dem Schläfer saß,
Der Vater meditierend Rosenkränze las.

Von jedem AVE O MARIA ward
Der Friede süßer, leicht des Lebens Last,
Ward goldener der blonde Schläfer zart.
Und Sohn und Vater in Natur zu Gast,
Im Mantel der Madonna eingepasst,
War wie ein Bild der alten Frömmigkeit,
Als flüchtend nach Ägypten Jesus Rast
Im Schatten grüner Palmen machte, weit
Um das geliebte Jesuskind die Einsamkeit.


11

Adieu, Dornröschen du im Meer, adieu!
Den Friedhof meiner Insel grüß ich nun.
O Kyrie Christ, komm zu uns auf der See,
Hier unter Blumen deine Diener ruhn.
Hier ist es heilig, geh auf leisen Schuhn
Auf blumenübersäten Wandelbahnen
Zu den Familiengräbern, nichts zu tun,
Als andachtsvoll zu denken an die Ahnen,
Das Matriarchat der Heimgegangnen zu erahnen.

Geliebte Mutter meiner Mutter, liebe
Großmutter mein, hier ruht dir Kind an Kind.
Daß dir ein Angedenken, Oma, bliebe,
Steh ich hier fromm im geistberauschten Wind
Und denk, wie auch die Mütter Kinder sind
Und spielten einst in Baltrums Einsamkeit.
Für immer, Oma, bist du Gottes Kind
Und Spiegel du der Liebe Gottes – Leid
Vergeht – du lebst in Gottes Himmel hoch und weit!


12

Erwirb dir Einsicht, Mensch, erwirb dir Weisheit,
Die leuchten läßt des Nachts die Sternenkerzen
Und säuselt in dem Hauch in süßer Leisheit
Der Seele Liebe zu wie Minnescherzen,
Da unter lauter Lilien alle Schmerzen
Versinken. Morgen dämmert neblig trübe,
Da kommt Frau Weisheit, liebend dich zu herzen,
Zu sagen leis, daß stets sie bei dir bliebe,
Die Gottheit – Mutter, Braut und hochzeitliche Liebe!





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